Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, wir freuen uns, nach Jahren wieder einmal in Deutschlands Hauptstadt zu einer regulären Sitzung des Deutschen Bundestages zusammentreten zu können.
Ich stelle fest, daß die Mitglieder des Hauses, die nicht durch Krankheit oder andere zwingende Gründe verhindert sind, an dieser Sitzung teilnehmen. Mit Drohungen und Schikanen haben die in Pankow residierenden Handlanger einer fremden Besatzungsmacht uns an der Ausübung unseres Rechtes zu verhindern versucht, hier in Berlin zusammenzukommen. Als wir zum erstenmal im Jahre 1955 in Berlin tagten, begrüßte uns die Ostberliner Volkskammer mit einem freundlichen Telegramm. Was hat sich inzwischen geändert? Die Rechtslage in keiner Weise. Aber an die Stelle des werbenden Wortes sind inzwischen recht hemmungslose Beschimpfungen und Bedrohungen getreten. Sie sind würdelos und haben noch nicht einmal den Schein des Rechtes -für sich. Ich weise sie im Namen des Deutschen Bundestages mit Nachdruck zurück.
Zugleich protestieren wir in aller Form gegen die Verkehrsbehinderungen, durch die das in interntionalen Verträgen festgelegte Recht auf freien Zugang von und nach Berlin in Zweifel gezogen, ja in rücksichtsloser Weise verletzt wird.
Das Recht des Deutschen Bundestages, in Berlin zu tagen, ist unantastbar. Ich weise mit derselben Entschiedenheit auch die Behauptung zurück, daß der Bundestag mit diesem seinem normalen Zusammentreten hier völkerrechtliche Bestimmungen verletze. Völkerrechtliche Bestimmungen werden hier in Berlin allein durch jene verletzt, die seit Jahren die Grundrechte der Völker auf Selbstbestimmung im Rahmen der Charta der Vereinten Nationen mißachten und dem Anspruch des deutschen Volkes auf Wiedervereinigung in Freiheit mit frevelhaftem Zynismus begegnen.
Es sind dieselben Leute, die auch die Vier-MächteVereinbarungen über Berlin so mißachten, daß sie nicht einmal vor der Errichtung einer Zuchthausmauer zurückschreckten. So verwerflich und so brutal das alles ist, so wenig darf es uns davon abhalten, immer wieder das zu tun, was ein sinnenfälliger Ausdruck unseres Rechtes und unserer Pflicht ist, für ganz Deutschland — ich -sage: für ganz Deutschland — das Wort zu führen.
Es ist schlichter Unsinn, uns irgend etwas anderes zu unterstellen als das, daß wir den Frieden von ganzem Herzen lieben. Wir stehen Seite an Seite mit allen, die ihm dienen und dienen möchten. Aber dem Frieden in Deutschland und in der Welt wird nicht gedient, wenn man sich vor dem Unrecht duckt, statt ihm die Stirne zu bieten.
Wer das Provokation nennt, mißdeutet nicht nur unsere Gesinnung; nein, er sagt bewußt die Unwahrheit.Ich danke unseren Verbündeten, daß sie nicht nur unsere Rechte mitverteidigen, sondern auch die Gesinnung würdigen, in der wir auf diesen Rechten bestehen. Als Schutzmächte haben sie die Freiheit dieser Stadt auch in den kritischsten Situationen gesichert. Uns kommt es nicht darauf an, solche Situationen unsererseits herbeizuführen. Im Gegenteil. Ohne die Provokationen Pankows hätte auch diese normale Sitzung des Bundestages nicht den Anschein einer Demonstration erhalten. Aber auch das kann uns nicht davon abhalten, unser Recht wahrzunehmen. Daß wir dabei gewillt sind, auch die Rechte der westlichen Schutzmächte Berlins auf das loyalste zu respektieren, das haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Das ist auch der einzige Grund dafür, daß wir in den letzten Jahren hier nicht zu einer normalen Plenarsitzung zusammengetreten sind. Unsere Verbündeten können sich auch in Zukunft auf diese Loyalität verlassen. Sie ändert aber gar nichts an unserer Entschlossenheit, vom Rhein aus so lange immer wieder hierherzukommen, bis wir — so wie es sich gehört — ganz Deutschland wieder von seiner Hauptstadt aus dienen können.
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8946 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Präsident D. Dr. GerstenmaierMeine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort des Dankes zu den Vielen sagen, die in diesen Tagen auf der Autobahn und gelegentlich auch in der Eisenbahn Zeit und Nerven geopfert oder die hier in Berlin unter dem Flugzeugkrach gelitten haben. Sie haben es im allgemeinen mit Verachtung gegenüber denen ertragen, die ihrer Denkart nach mit der Humanität schon immer auf Kriegsfuß standen. Die Bereitschaft, solche Nervenproben gelassen zu bestehen, ist auch in Zukunft eine Voraussetzung dafür, daß wir Deutsche das lange und bittere Ringen um unsere Freiheit und Einheit mit Gottes Hilfe doch noch gewinnen.
Meine Damen und Herren, ehe wir in die Tagesordnung eintreten, spreche ich dem Abgeordneten Herberts zum 65. Geburtstag die Glückwünsche des Hauses aus.
Die heutige Tagesordnung wird nach einer Vereinbarung im Ältestenrat erweitert um dieBeratung der von der Bundesregierung beschlossenen Neunzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksache IV/3263).Das Haus ist einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne Verlesung in das Protokoll aufgenommen:Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 26. März 1965 mitgeteilt, daß das Bundeskabinett beschlossen habe, Herrn Staatssekretär a. D. Volkmar Hopf, Präsident des Bundesrechnungshofes, die Aufgaben des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu übertragen. Sein Schreiben sowie die übersandten neuen Richtlinien für die Tätigkeit des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung sind als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt.Der Vorsitzende des Außenhandelsausschusses hat mit Schreiben vom 1. April 1965 mitgeteilt, daß der Außenhandelsausschuß und der mitberatende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Verordnung des Rats zur Verlängerung der in der Verordnung Nr. 156 getroffenen Regelung für Mehl und Stärke von Manihot und anderen Wurzeln und Knollen, die aus den assoziierten afrikanischen Staaten und Madagaskar stammen — Drucksache IV/3236 — zur Kenntnis genommen und keine Bedenken geäußert haben.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehende Vorlage überwiesen:Verordnung des Rats zur Verlängerung der Verordnung Nr. 142/64/EWG über die Erstattung bei der Erzeugung von Getreide- und Kartoffelstärke bis zum 30. September 1965 — Drucksache IV/3252 —an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vorlagen überwiesen:Entwurf einer Fünfzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 — Drucksache IV/3273 —an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage desBerichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965Sechzehnte Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 — Drucksache IV/3278 —an den Außenhandelsausschuß — federführend — -und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirstchaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 23. Juni 1965.Damit kommen wir zu Punkt 1 der Tagesordnung:Fragestunde .
:
Welche Stellungnahme bezieht die Bundesregierung im Ministerausschuß des Europarats zu der am 28. Januar 1965 mit eindrucksvoller Mehrheit angenommenen Empfehlung Nr. 415, die über die Mitgliedsregierungen gewährleisten will, daß Verbrechen gegen die Menschlichkeit unbeschadet gewisser Fristabläufe nicht ungesühnt bleiben und darüber hinaus auf dem Weg einer Konvention die Unverjährbarkeit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit sicherstellen will?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage des Herrn Kollegen Bauer beantworte ich wie folgt.
Die Empfehlung Nr. 415 der Beratenden Versammlung des Europarats wird in der zur Zeit stattfindenden Sitzung des Ministerausschusses des Europarats beraten. Die Bundesregierung stimmt der Empfehlung im Grundsatz zu. Sie ist aber der Meinung, daß einige den Grundsatz und das Anliegen der Empfehlung nicht verändernde Textänderungen wünschenswert erschienen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Bauer.
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung bereit, abseits des technisch-juristischen Gehalts der Frage auch einem außenpolitischen Akzent Rechnung zu tragen, der dadurch entstehen könnte, daß im Europarat 17 andere Staaten, die die Besonderheit der deutschen Situation nicht anerkennen, daß die Verjährungsfrist zeitweise geruht hat, eine weitergehende Verjährungsfrist beschließen?
Herr Kollege Bauer, diese Frage wird im Rahmen der Strafrechtsreform wohlüberlegt werden müssen. Die Strafrechtsreform wird ja auch das Verjährungsrecht neu regeln. Sie wissen, daß insbesondere für Mordtaten bereits eine Ausdehnung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre vorgesehen ist. Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind bei uns im Strafgesetzbuch noch nicht gesetzlich normiert.
Die Lage wird ähnlich sein wie bei dem GenocidAbkommen. Als Folge der Annahme des GenocidAbkommens ist ja im deutschen Strafgesetzbuch der § 220 a betreffend Völkermord eingefügt worden.
Wenn der Ministerrat der Empfehlung zugestimmt hat, wird die Bundesregierung die entsprechenden Folgerungen ziehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Zusatzfrage.
Herr Bundesminister, ist die Bundesregierung bereit, die unter Buchstabe b der Empfehlung 415 angesprochene grundsätzliche Unverjährbarkeit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Mitarbeit in der Expertenkommission zu unterstützen?
Die Bundesregierung wird bereit sein, diese Frage in der Expertenkommission zu prüfen. Der deutsche Vertreter hat bereits entsprechende Weisungen erhalten.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8947
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen zu der Frage des Herrn Abgeordneten Jahn aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — II —:
Zu welchen Ergebnissen hat in der Frage der privaten Strafjustiz in Form von „Betriebsgerichten" die Prüfung des Tatsachenmaterials und der Rechtsfragen geführt, die der Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium in der Fragestunde des Bundestages vom 6. November 1964 angekündigt hat?
Meine Bemühungen um Tatsachenmaterial haben bisher nicht zu einem brauchbaren Ergebnis geführt. Die Angelegenheit wurde bereits am 11. November 1964 auf einer Besprechung der Arbeitsrechtsreferenten der Länder behandelt. Bis jetzt konnten mir die Länder kein verwendbares Material liefern.
Ich habe auch die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und den Deutschen Gewerkschaftsbund wiederholt befragt. Von beiden Seiten habe ich keine ausreichenden konkreten Angaben erhalten können.
Um nichts unversucht zu lassen, habe ich die Angelegenheit erneut auf die Tagesordnung der am 28. April stattfindenden Besprechung der Arbeitsrechtsreferenten der Länder gesetzt. Ich bedaure, Ihnen keine bessere Auskunft geben zu können.
Eine Zusatzfrage.
Ich darf also davon ausgehen, Herr Bundesarbeitsminister, daß Sie dieser Frage auch in Zukunft Ihre besondere Aufmerksamkeit widmen werden und versuchen werden, den Tatbestand so gut wie möglich aufzuklären?
Ja. Ich glaube, daß wir beide das gleiche Interesse daran haben, das aufzuklären.
Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung auf, zuerst die Frage III/1 — des Herrn Abgeordneten Fritsch —:
Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um weitere Preissteigerungen für Grund und Boden zu verhindern?
Ungewöhnliche Preissteigerungen für Grund und Boden werden in der Bundesrepublik im wesentlichen in einigen Teilen der Verdichtungsgebiete und in solchen Gemeinden beobachtet, die eine besonders starke und rasche wirtschaftliche Entwicklung nehmen.
Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß neben einer Intensivierung der Planung der Gemeinden nach dem Bundesbaugesetz und damit der Vermehrung des Angebots an Bauland die Aktivierung der Raumordnung nach Maßgabe des kürzlich verabschiedeten Bundesraumordnungsgesetzes und das jetzt dem Bundesrat zugeleitete Städtebauförderungsgesetz Abhilfe schaffen werden. Das Städtebauförderungsgesetz, das auch für Entwicklungsgemeinden gilt, verbessert die Möglichkeit der Planung, des Vorkaufsrechts und der Enteignung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, würden Sie nicht der Meinung sein, daß trotzdem gesetzgeberische Maßnahmen insbesondere im Hinblick darauf erforderlich sind, daß, wie auch Sie bereits gesagt haben, selbst in ländlichen Gemeinden und in mittleren Städten die Grundstückspreise ganz erheblich gestiegen sind — das Dezimale Baugrund kostet in einer Kleinstadt von etwa 18 000 Einwohnern bereits 1200 DM und mehr — und Eigenheimbewerber insoweit kaum noch in der Lage sind, diese Grundstückskosten zu tragen?
Herr Abgeordneter, die These, daß Grund und Boden nicht vermehrbar sind, ist richtig. Aber Bauland ist vermehrbar,
und zwar dadurch vermehrbar, daß die Gemeinden von den Handhaben des Bundesbaugesetzes Gebrauch machen, rechtzeitig Pläne aufstellen und Bauland erschließen.
Das halten wir für den einzig möglichen Weg, die Baulandnot zu beheben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Jacobi!
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihren Darlegungen entnehmen, daß die Bundesregierung nach wie vor der Auffassung ist, die sogenannten Instrumentarien des Bundesbaugesetzes, also die vorzeitige Fälligkeit der Erschließungsbeiträge und die Einrichtung von Gutachterausschüssen, seien geeignet und ausreichend, um das Ziel zu erreichen., daß Bauland preiswert zur Verfügung gestellt wird?
Herr Abgeordneter, Sie haben soeben nicht alle Maßnahmen des Bundesbaugesetzes aufgezählt. Wenn Sie die Fülle der Maßnahmen in Betracht ziehen, so werden Sie feststellen, daß das ausreicht, wobei zu berücksichtigen ist, daß mit dem Sanierungsgesetz, das ja auch für Entwicklungsgemeinden gelten soll, die Planung, das Vorkaufsrecht und die Enteignungsmöglichkeiten eine vereinfachte und bessere Regelung finden sollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Abgeordneter Jacobi.
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8948 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Herr Staatssekretär, was soll man dazu sagen, daß die im Jahre 1961 groß angekündigte Baulandbeschaffungsaktion durch den Bund zu einem Mißerfolg geführt hat,
nämlich zur Bereitstellung von Wohnungsbaugelände im Umfang von noch nicht einmal 600 ha im ganzen Bundesgebiet?
Herr Abgeordneter, an diese Baulandbeschaffungsaktion hat man von vornherein nicht solche Erwartungen geknüpft, wie Sie das jetzt darstellen.
Denn das Gelände, das aus Bundesbesitz zur Verfügung gestellt werden konnte, war schon der örtlichen Lage nach zum größten Teil für die Beseitigung der Baulandnot gerade der großen Gemeinden ungeeignet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfrage Frau Dr. Kiep-Altenloh.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Meinung, daß Mangel an Mitteln der Gemeinden für die Erschließung des Baulands mit ein Grund für das dauernde Steigen der Baulandpreise ist?
Ich glaube, daß das mit eine Rolle spielt. Wir haben uns ja auch immer mit bemüht, soweit uns das unsere eigenen Haushaltsmittel erlaubten, den Gemeinden, den Wohnungsunternehmen und Bauherren bei der rechtzeitigen Beschaffung von Bauland finanziell zu helfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer zweiten Zusatzfrage Frau Dr. Kiep-Altenloh.
Herr Staatssekretär, glauben Sie, daß es in nächster Zeit möglich sein wird, gerade diese für die Stabilisierung der Baulandpreise entscheidenden Mittel in breiterem Rahmen zur Verfügung zu stellen?
Wir wollen uns darum bemühen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Schmidt .
Herr Staatssekretär, hat nicht die Bundesregierung in der dem Hohen Hause vorliegenden Bewertungsnovelle Maßnahmen zur Verringerung der Baulandnot vorgesehen, und welche Hoffnungen knüpft die Bundesregierung an die dort vorgesehenen Maßnahmen?
Wir glauben nach wie vor, daß eine starke Besteuerung des baureifen, aber nicht zur Bebauung zur Verfügung gestellten Landes einen wirksamen Anreiz bieten könnte, das Baulandangebot zu vermehren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Büttner!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nach wie vor bereit — so wie es im Bundeshaushaltsplan 1962 versprochen worden war —, bundeseigenes Gelände unter Wert für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung zu stellen? Und darf ich Sie in diesem Zusammenhang fragen, wie sich das mit den Preisen vereinbart, die die' Bundesregierung für Gelände in den Räumen Duisburg und Dinslaken verlangt hat.
Herr Abgeordneter, ich kann zu diesen örtlichen Fällen nicht Stellung nehmen, weil ich die Unterlagen nicht zur Hand habe. Die Bundesregierung ist aber immer bereit gewesen, Land für den sozialen Wohnungsbau insoweit unter dem Verkehrswert abzugeben, als sich andernfalls Mieten ergeben würden, die für breite Kreise der Bèvölkerung nicht tragbar wären.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, mir einmal eine schriftliche Zusammenstellung zukommen zu lassen, aus der hervorgeht, in welchem Umfang die Bundesregierung bundeseigenes Gelände für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung gestellt hat und zu welchen Preisen?
Ja, wir werden diese Unterlagen zusammenstellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeorneten Unertl.
Herr Staatssekretär, welche Möglichkeiten sind im Bundesbaugesetz gegeben, nach einigen Änderungen das Bauen auf dem Lande mehr zum Zuge kommen zu lassen, um die Ballungsräume zu entlasten?
Herr Abgeordneter, dazu ist nach unserer Meinung
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8949
Staatssekretär Dr. Ernstzunächst einmal eine aktive Raumordnung notwendig, so wie sie das Hohe Haus ja jetzt auch im Bundesraumordnungsgesetz beschlossen hat. Auf dieser Grundlage muß dann in den Gemeinden, die für eine bauliche Entwicklung in Betracht kommen, d. h. insbesondere in den Zentralen Orten, rechtzeitig Bauland geplant und erschlossen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Unertl.
Herr Staatssekretär, dadurch, daß man auf dem Lande das Bauen interessanter macht, kann man ja gerade dem Anliegen des Kollegen Fritsch bereits entgegenkommen.
Einen Augenblick! Herr Abgeordneter Unertl, war das eine Frage?
— Wo bleibt das Fragezeichen? Das muß ich hören!
Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen zu einer Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, könnte man die bisherigen Aktionen des Bundes zur Zurverfügungstellung von Bauland knapp und präzis so zusammenfassen: viel Propaganda und wenig Bauland?
Das war keine Frage.
Ich rufe auf die Frage III/2 — des Abgeordneten Strohmayr —:
Aus welchen Gründen hat das Bundeswohnungsministerium die finanzielle Förderung von Bauleitplänen nach dem Bundesbaugesetz in ländlichen Gebieten eingestellt?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung.
Der Wohnungsbauminister hat die finanzielle Förderung der Bauleitplanung nach dem Bundesbaugesetz in ländlichen Gebieten nicht eingestellt. Diese Planungszuschüsse sind im Jahre 1964 aus allgemeinen Haushaltsmitteln bereitgestellt worden. Im Haushaltsjahr 1965 sind sie zum ersten Mal aus Rückflüssen der Wohnungsbaumittel nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz gedeckt. Diese Rückflüsse stehen nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift nur zur Förderung von Maßnahmen zugunsten des sozialen Wohnungsbaus zur Verfügung. Daher können für das Jahr 1965 nur solche Bauleitplanungen bezuschußt werden, bei denen der soziale Wohnungsbau eine erhebliche Rolle spielt. Diese Frage ist im Wohnungsbauministerium in Besprechungen am 10. und 11. März mit Vertretern der Länder und den Vertretern der interessierten Verbände geklärt worden. Das Schreiben des Wohnungsbauministeriums vom 30. Januar 1965, auf das sich der Herr Abgeordnete Strohmayr wohl bezieht, sollte lediglich diese Umstellung der Maßnahmen vorbereiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Mick!
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß auf Grund der Bundesbaulandaktion erst einmal eine Bestandsaufnahme erarbeitet worden ist, welches Land als bebauungsfähig überhaupt in Frage kam?
Sicher, diese Aktion ist der Anlaß gewesen, eine solche Bestandsaufnahme zu machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage!
Betrachten Sie deshalb nicht die Frage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen als demagogisch, Herr Staatssekretär?
Keine Antwort!
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dröscher.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, würden Sie mit mir übereinstimmen, wenn ich feststelle, daß gerade die Unterstützung der Baulandplanung in ländlichen Gemeinden in der Nähe der Ballungsräume der Auflockerung dieser Ballungsräume dient?
Unter allen Umständen! Deswegen führen wir auch die Aktion mit diesen Maßnahmen, die sich aus den anderen Deckungsmitteln ergibt, unter allen Umständen fort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Mick, es gibt zwei Zusatzfragen, und die sind vorbei.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hauffe!
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, auf die Bayerische Landesregierung einzuwirken, damit Bauleitpläne nicht auf einen zu kurzfristigen Bedarf ausgerichtet werden?
Wir haben mehrfach mit den zuständigen Herren der bayerischen obersten Baubehörde über das Problem gesprochen. Ich hatte den Eindruck, daß die anfänglich auftretenden Mängel jetzt behoben seien.
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8950 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Staatssekretär Dr. ErnstWenn das nicht der Fall sein sollte, sind wir selbstverständlich bereit, noch einmal solche Besprechungen zu führen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der bayerische Schriftführer ruft mir zu: „Solche Fragen können wir als Bayern nicht zulassen." Sie werden trotzdem zugelassen. Hier ist freie Aussprache.
Herr Abgeordneter Unertl!
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die bayerischen Behörden, in diesem Falle das Innenministerium, immer nachweisen, daß es an den nötigen Beamten fehle? Welche Möglichkeiten hat man denn, um die Kenntnisse der Beamten über diese komplizierte Materie zu verbessern?
Herr Staatssekretär, wollen Sie darauf antworten? Sie müssen nicht.
Herr Abgeordneter, das ist eine Angelegenheit, die ausschließlich der Hoheit des Landes Bayern und nicht dem Bund untersteht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage! Das ist die letzte.
Herr Staatssekretär, es ist Ihnen sicher bekannt, daß sich die Bayern mit Recht auf die Kompliziertheit dieses Bundesgesetzes ausreden?
Herr Abgeordneter Unertl, Sie haben mit Recht gesagt „ausreden"; denn ich kann nicht einsehen, warum das Gesetz in Bayern komplizierter sein soll als in anderen Ländern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, Fragen aus dem Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts! Zunächst die Frage IV/1 — des Herrn Abgeordneten Freiherr zu Guttenberg —:
Aus welchen Gründen wurde die in der deutschsowjetischen Kulturaustausch-Vereinbarung vom Jahre 1959 vorgesehene deutsche Architekturausstellung in der Sowjetunion bisher noch nicht durchgeführt?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Herr Abgeordneter, die deutsche Architekturausstellung in der Sowjetunion wurde bisher noch nicht durchgeführt, weil während der Vorbereitung dieser Ausstellung durch den Bau der Mauer in Berlin eine krisenhafte Verschlechterung der deutschsowjetische Beziehungen eintrat, auf Grund derer die Vorbereitungsarbeiten eingestellt wurden.
Herr Präsident, wenn ich darf, würde ich gern im Anschluß daran die Fragen IV/2 und IV/3 beantworten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einen Augenblick! Herr Abgeordneter; sind Sie damit einverstanden?
— Ich rufe dann noch auf die Fragen IV/2 und IV/3 — des Abgeordneten Freiherr zu Guttenberg —:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die deutsche Architekturausstellung in der Sowjetunion — auf deren Durchführung ein vertragliches Recht besteht — ein besonders wirksames Instrument der Darstellung der Lebensverhältnisse im freien Teil Deutschlands sein müßte?
Wird die Bundesregierung — bei Bejahung der Frage IV/2 — alles tun, um diesen Teil der Kulturaustausch-Vereinbarung mit der Sowjetunion in Kürze zu verwirklichen?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär!
Zur Frage IV/2: Die Ausstellung wäre in der Tat zweifellos hervorragend geeignet, die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland darzustellen. Da in der Sowjetunion die Wohnraumknappheit trotz intensiver Bautätigkeit noch immer sehr groß ist, ist die Bundesregierung davon überzeugt, mit dieser Ausstellung das Interesse sowohl der sowjetischen Öffentlichkeit als auch der sowjetischen Fachwelt zu finden.
Zur Frage IV/3 darf ich antworten: Die Entscheidung darüber, ob die Ausstellung zu einem späteren Zeitpunkt, etwa im nächsten Jahr, durchgeführt werden wird, ist noch nicht getroffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfragen.
Herr Staatssekretär, besteht irgendein Anlaß zu der Annahme, daß die langjährige Verzögerung dieser Sache auch darauf zurückzuführen ist oder zurückzuführen sein kann, daß die Sowjetregierung selbst der Durchführung dieser Angelegenheit nicht gerade sehr förderlich gegenübersteht?
Es hat auch in dieser Hinsicht einige Schwierigkeiten gegeben. Das ist richtig, Herr Abgeordneter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage!
Eine zweite Frage, Herr Staatssekretär: Sie sind doch sicher der Meinung, daß ein Rechtsanspruch auf die Durchführung dieser Ausstellung besteht, die, wie Sie selbst gesagt haben, sicherlich ein gutes Instrument wäre, um die deutschen Verhältnisse in der Sowjetunion darzustellen und damit zur Korrektur
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8951
Freiherr zu Guttenbergdes dort herrschenden Deutschlandbildes beizutragen? Sind Sie nach alledem auch der Auffassung, daß dieser Rechtsanspruch von der Bundesregierung zu geeigneter Zeit wieder aufgegriffen werden sollte?
Ein solcher Rechtsanspruch besteht in der Tat, Herr Abgeordneter. Ich bin auch der Meinung, daß er zu gegebener Zeit aufgegriffen werden sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage IV/4 — des Herrn Abgeordneten Dr. Rinderspacher —:
Hat die Bundesregierung bisher Versuche unternommen oder Pläne entwickelt, in einer zentral gelegenen Stadt in Ostfrankreich, etwa in Straßburg, ein Goethe-Institut zu errichten?
Darf ich die Fragen 4, 5 und 6 im Zusammenhang beantworten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr! Ich rufe auch die Fragen IV/5 und IV/6 auf:
Trägt sich die Bundesregierung mit der Absicht, in absehbarer Zeit im Elsaß ein Goethe-Institut zu errichten?
Trifft es zu, daß Frankreich gegen die Errichtung eines GoetheInstituts Bedenken angemeldet hat?
Zur ersten Frage: In Nancy ist ein deutsches Kulturinstitut als Zweigstelle des Goethe-Instituts im Jahre 1963 errichtet worden.
Zur zweiten Frage: In Frankreich bestehen zur Zeit sechs solche Kulturinstitute als Zweigstellen des Goethe-Instituts in München. Bevor weitere solche Institute in Frankreich errichtet werden, müssen in anderen Ländern, vornehmlich in den USA, Goethe-Institute errichtet werden. In den Vereinigten Staaten besteht zur Zeit nur ein einziges Institut in New York.
Zur dritten Frage: Bedenken gegen die Errichtung von deutschen Kulturinstituten sind von der französischen Regierung nicht erhoben worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung nicht mit mir der Meinung, daß durch ein Goethe-Institut im elsaßlothringischen Raum dem Schwinden des Einflusses der deutschen Sprache dort entgegengewirkt werden könnte?
Herr Abgeordneter, der Zeitpunkt für die Beantwortung dieser Frage ist noch nicht gekommen. Ich sagte, es gibt sechs solche Institute in Frankreich, und es gibt andere Länder, in denen die Errichtung neuer Institute vordringlicher ist als dort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Zusatzfrage.
Glauben Sie nicht, Herr Staatssekretär, daß einem Goethe-Institut etwa in Straßburg oder in Colmar reichlich Kräfte zur Verfügung stünden, die vom rechtsrheinischen Gebiet aus gern und gut kulturelle Aufgaben im Nachbarland wahrnehmen könnten, was auch den finanziellen Aufwand für ein solches Institut sicher günstig beeinflussen würde?
Diese Möglichkeit will ich keineswegs ausschließen, und ich glaube, daß man zu gegebener Zeit auch von ihr Gebrauch machen sollte. Nur kann das nicht in der unmittelbar vor uns liegenden Zukunft geschehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, darf ich aus Ihrer Antwort entnehmen, daß in absehbarer Zeit an eine Verwirklichung eines solchen Programms nicht gedacht ist?
Die Frage steht im Augenblick nicht zur Entscheidung, Herr Abgeordneter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Moersch.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß gerade in jüngster Zeit die Zusammenarbeit etwa zwischen den Zeitungen im Elsaß und in Baden-Württemberg durch Artikelaustausch besser geworden ist und damit die Bedenken des Kollegen Dr. Rinderspacher offensichtlich nicht ganz berechtigt sind?
Mir ist bekannt, daß die Zusammenarbeit auf beiden Seiten des Rheins sehr gut ist, Herr Abgeordneter. Ich kenne den konkreten Fall, von dem Sie sprechen, nicht; aber er paßt durchaus in das Gesamtbild hinein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage IV/7 — des Herrn Abgeordneten Dr. Mommer —:
Welche Schritte wird die Bundesregierung nunmehr zur Fortführung ihrer Europainitiative tun, nachdem die französische Regierung die Teilnahme an einer Außenministerkonferenz der sechs EWG-Länder im April abgelehnt hat?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär.
Herr Abgeordneter, bei der Beantwortung Ihrer Frage möchte ich vorausschicken, daß die französische Regierung die Teilnahme an einer Außenministerkonferenz der sechs EWG-Staaten nicht endgültig abgelehnt hat. Sie hat die Einberufung
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8952 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Staatssekretär Dr. Carstenseiner solchen Konferenz vielmehr grundsätzlich begrüßt, für ihr Zustandekommen jedoch zwei Voraussetzungen genannt: einmal die Lösung wichtiger Fragen in der EWG, insbesondere auf dem Gebiet der Landwirtschaft, bis zum 30. Juni 1965 und zweitens eine Einigung über die Zielsetzung der angestrebten Konferenz und Aussicht auf einen erfolgreichen Abschluß der Konferenz.Zu diesen beiden von der französischen Regierung genannten Voraussetzungen möchte ich für die Bundesregierung folgendes sagen. Die Bundesregierung hat durch ihre Entscheidung in der Getreidepreisfrage bereits bewiesen, daß sie bestrebt ist, die Arbeiten innerhalb der EWG voranzutreiben. Bei dieser Entscheidung handelte es sich um eine eminent politische Entscheidung. Wir begrüßen auch jeden weiteren Fortschritt in der EWG und werden uns weiterhin für die Behandlung und Lösung der anstehenden Fragen einsetzen. Je mehr aber die EWG fortschreitet, desto notwendiger wird nach Auffassung der Bundesregierung von der Sache her eine engere politische Zusammenarbeit zwischen den sechs Staaten.Was die zweite Voraussetzung anbelangt, so teilt auch die Bundesregierung die Auffassung, daß eine Außenministerkonferenz der sechs EWG-Staaten gut vorbereitet sein sollte. Sie glaubt jedoch, daß die Hauptaufgabe bei der Lösung der zu behandelnden Probleme der Konferenz selbst zufallen wird. Die Bundesregierung bleibt daher in dieser Frage in enger Verbindung mit ihren Partnern. Sie ist weiterhin um das Zustandekommen der Konferenz bemüht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wie vertragen sich diese Verschiebung und dieses Aufbringen neuer Voraussetzungen mit den Besprechungen, die der Herr Bundeskanzler im Januar in Rambouillet geführt hat, und mit dem Wortlaut des Kommuniqués, das damals herausgegeben wurde und in dem von weiteren Voraussetzungen keine Rede war?
Es ist richtig, daß von Voraussetzungen keine Rede war. Wohl aber ist von französischer Seite in diesen Besprechungen der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, daß die Arbeiten in der EWG, vor allem im landwirtschaftlichen Bereich, ebenfalls fortschreiten möchten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage!
Herr Staatssekretär, war damit also der Optimismus unberechtigt, den der Herr Bundeskanzler und die Bundesregierung zur Schau getragen haben, als der Herr Bundeskanzler von den Besprechungen in Rambouillet zurückkam?
Ich glaube, aus meiner Antwort ergibt sich, Herr Abgeordneter, daß dieser Optimismus nicht unberechtigt war.
Ich habe weiter gesagt, daß die Bundesregierung um das Zustandekommen dieser Konferenz weiterhin bemüht bleibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe auf die Frage IV/8 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut —:
Wird die Bundesrepublik bei den Feierlichkeiten anläßlich des 75jährigen Gründungsjubiläums der Stadt Windhuk vertreten sein?
Darf ich die beiden Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut im Zusammenhang beantworten, Herr Präsident?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr! Dann rufe ich auch die Frage IV/9 — des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut — auf:
Ist die Bundesregierung bereit, Bürgern, die dem ehemaligen Deutsch-Südwestafrika besonders verbunden sind, wie Dr. Götz von François, die Teilnahme an den Jubiläumsfeierlichkeiten und der Enthüllung der Bronzestatue für den ersten Gouverneur, Curt von François, finanziell zu ermöglichen, wenn offizielle Einladungen vorliegen?
Die Bundesregierung hat zur Teilnahme an den Feierlichkeiten anläßlich des 75jährigen Gründungsjubiläums der Stadt Windhuk noch keine Einladung erhalten. Im allgemeinen ist es üblich, daß die Bundesregierung bei derartigen Gedenkfeiern durch .die zuständige deutsche Auslandsvertretung vertreten wird. Im Hinblick darauf, ,daß sich in Windhuk ein deutsches Konsulat befindet, sieht sich die Bundesregierung leider nicht in der Lage, die Reise von Privatpersonen zu dieser Veranstaltung zu finanzieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
Herr Staatssekretär, hatten Sie inzwischen Gelegenheit, festzustellen, ob das 'deutsche Konsulat in Windhuk weiß, daß die Stadt 75jähriges Jubiläum feiert?
Das ist dem deutschen Konsulat in Windhuk seit langem bekannt, Herr Abgeordneter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zu-s atzfrage.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8953
Es ist doch klar, Herr Staatssekretär, daß, wenn in Windhuk Bronzestatuen des ersten Gouverneurs, des Generals von François, errichtet werden, dort Sympathien für uns vorhanden sind. Werden diese Kontakte von uns aus nicht gepflegt?
Die Sympathien, die uns dort entgegengebracht werden, werden von uns erwidert, Herr Abgeordneter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Kohut.
Herr Staatssekretär, wie verhält es sich dann nach Ihren Aussagen, daß hier noch keine Einladung eingetroffen ist und daß Sie offensichtlich auch nicht über das Jubiläum ausreichend informiert worden sind?
Wir sind über das Jubiläum ausreichend informiert. Ich nehme an, daß die Einladung zu gegebener Zeit eintreffen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Die Fragen IV/10, IV/11, IV/12 und IV/13 —der Herren Abgeordneten Dr. Mommer und 1 Mattick — sind auf meine Anregung und in Anbetracht der Tatsache, daß der Herr Bundesminister des Auswärtigen an dieser Sitzung infolge Krankheit nicht teilnehmen kann, zurückgezogen.
— Zurückgestellt! — Die Herren sind frei, sie jederzeit neu zu präsentieren, und außerdem gewährleistet Ihnen der Präsident von Amts wegen, daß Sie nicht zu kurz kommen. — Ich bedanke mich.
Es geht weiter mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern. Ich rufe auf die Frage V/1 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Hermann:
Ist die Bundesregierung bereit, bei der Kultusministerkonferenz darauf hinzuweisen, daß die Universitäten nicht Studenten anderer Bundesländer ohne weiteres abweisen, insbesondere wenn ein solches Bundesland, wie z. Z. noch Bremen, über keine eigene Universität verfügt?
Es gibt keine landsmannschaftlichen Präferenzen, sondern es gibt nur einen Mangel von Laborplätzen.
Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, kann ich Ihnen Material zur Verfügung stellen, aus dem sich ergibt, daß Entscheidungen getroffen werden, die im Gegensatz zu dem von Ihnen vertretenen Grundsatz stehen, daß es landsmannschaftliche Präferenzen nicht gibt?
Ob Sie das können, Herr Abgeordneter, müssen Sie entscheiden. Ich bin auf jeden Fall bereit, es entgegenzunehmen.
Frage V/2 — des Herrn Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Friedensburg —:
Wer ist dafür verantwortlich, daß im Verlag W. Kohlhammer eine Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes und anderer Behörden „Strukturatlas der Bundesrepublik" mit einem Vorwort des Bundeskanzlers erscheint, worin Berlin trotz der Bestimmungen des Grundgesetzes nicht als Teil der Bundesrepublik aufgeführt wird?
Herr Kollege, eine solche Publikation wird es nicht geben.
Eine Zusatzfrage!
Ist Ihnen bekannt, Herr Bundesminister, daß in der Presse Photokopien dieses Sammelwerks erschienen sind, worin Berlin in der Tat fehlt?
Nein, es ist ein Werbeprospekt erschienen, der tatsächlich zu Beanstandungen geführt hat. Der Werbeprospekt wurde zurückgezogen, und die Sache ist wieder in Ordnung.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe auf die Frage V/3 — des Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen —:
Welche Arbeitsergebnisse hat der „Interministerielle Arbeitskreis für den Ausbau Berlins zu einem Kulturzentrum" bisher vorgelegt?
Der Interministerielle Arbeitskreis hat im Sommer des vergangenen Jahres einen umfangreichen Bericht über die Berliner Kultursituation vorgelegt, der den Beifall des Senats und, wie ich glaube, auch des Hohen Hauses gefunden hat.
Ich glaube, daß wesentliche Verbesserungen finanzieller Art für die Berliner Kultursituation zu verzeichnen sind. Ich darf einige Zahlen nennen. Im Jahre 1963 betrugen z. B. die Aufwendungen des Bundes für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 8,2 Millionen DM, im Jahre 1964 11,2 Millionen DM, und sie werden im Jahre 1965 auf 14,2 Millionen DM gesteigert. Auch diese Leistungen und vor allem das unerhört große und bedeutsame Bauprogramm des Preußischen Kulturbesitzes beruhen auf Anregungen und Hilfen dieses Arbeitskreises.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
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8954 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Herr Minister, da die bisherigen Arbeitsergebnisse des Interministeriellen Ausschusses ja — ich bitte um Nachsicht — dürftig sind, wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie sagen könnten, ob Sie bereit wären, darauf hinzuwirken, daß der Ausschuß nicht mehr so sehr unregelmäßig tagt und dem Hohen Hause Berichte über die konkreten Arbeitsergebnisse gibt.
Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, ich kann Ihrem Urteil nicht beitreten. Ich halte mich an das Urteil des Berliner Senats, der meint, der Bericht sei hervorragend gewesen.
Eine weitere Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schmitt-Vockenhausen.
Herr Minister, dann frage ich Sie: Warum haben Sie hier nicht ganz klare, konkrete Auskünfte geben können, was seit dem letzten Sommer dieser Interministerielle Arbeitskreis gemacht hat?
Ich habe bedeutsame Zahlen genannt, die in hohe Millionen gehen. Einen besseren Beweis für die Einstellung des Bundes zu der Berliner Kultursituation kann es nicht geben.
Nein, bei zwei Zusatzfragen bleibt es. Keine weitere Zusatzfrage!
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen. Ich rufe auf die Frage VT/1 — des Abgeordneten Biechele —:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei der 15. Jahreshauptversammlung der Internationalen Bodensee-Vereinigung am 23. März 1965 in Arbon die umständliche deutsche Zollabfertigung am Bodensee mit dem Hinweis beklagt wurde, daß die deutschen Segel-, Paddel- oder Motorbootfahrer überall am Schweizer Ufer an Land gehen können, sofern sie einen gültigen Paß und keine verzollbaren Waren besitzen, die Schweizer Wassersportler hingegen einen der wenigen deutschen Zoll-Landeplätze anlaufen und sich dort zollamtlich „abfertigen" lassen müssen (vgl. Neue Zürcher Zeitung Nr. 85 vom 27. März 1965)?
Darf ich die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Biechele zusammen beantworten?
Herr Abgeordneter Biechele ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Fragen VI/2 und VI/3 auf: .
Ist es zutreffend, daß das Bundesfinanzministerium die Bitte der Internationalen Bodensee-Vereinigung, man möge, wenn man Regelungen nach österreichischem und schweizerischem Vorbild nicht zustimme, in Überlingen und Immenstaad weitere Zollabfertigungsstellen einrichten, mit dem zusätzlichen Hinweis ablehnte, daß man die bisherigen Zollabfertigungsplätze Meersburg und Insel Mainau in diesem Jahr wegen Personalknappheit wahrscheinlich schließen müsse?
Sieht die Bundesregierung keine Möglichkeit, im Sinne der Pflege freundnachbarlicher Beziehungen im Bodenseeraum zu einer großzügigeren Lösung der dortigen Zollabfertigung zu kommen?
Die Antwort auf die erste Frage lautet: Ja.
Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Nein.
In Erledigung der dritten Frage gestatten Sie mir, auf folgendes aufmerksam zu machen. Wie gesagt, ist es nicht beabsichtigt, die Zoll-Landeplätze Meersburg und Mainau aufzuheben. Mein Haus hat lediglich bei der Beantwortung einer Bitte der Internationalen Bodensee-Vereinigung, zusätzliche Landungsplätze zuzulassen, auf den geringen Verkehr bei den bereits bestehenden Plätzen hingewiesen und geäußert, daß es aus diesem Grunde schwerfalle, die Zoll-Landungsplätze Meersburg und Mainau aufrechtzuerhalten. Von einer Aufhebung war, wie gesagt, nicht die Rede. Sie ist auch nicht beabsichtigt.
In der gegenwärtigen Regelung des Verfahrens sehe ich kein Hindernis für die freundnachbarlichen Beziehungen im Bodenseeraum. Die geringe Unbequemlichkeit, die für die Besitzer von Vergnügungsbooten die Pflicht zum Anlaufen bestimmter Zoll-Landungsplätze mit sich bringt, steht außer Verhältnis zu dem Personalaufwand, den jede andere Regelung nach sich ziehen würde. So müssen z. B. alle Boote, die aus Osterreich oder der Schweiz kommen und Uberlingen anlaufen, ohnehin praktisch an Mainau vorbeifahren, so daß ein kurzfristiges Anlegen dort zur Paß- und Zollabfertigung keine Schwierigkeiten bereitet. Ich bin sicher, daß es der Steuerzahler nicht verstehen würde, wenn wir zusätzliche Beamtenkräfte einsetzten, um den Inhabern von Vergnügungsbooten diesen geringen Zeitverlust zu ersparen.
Zusatzfrage!
Herr Bundesfinanzminister, können Sie mir die Gründe sagen, die die Bundesregierung bestimmt haben, in dieser Frage nicht ebenso zu verfahren, wie es die Schweiz und Osterreich tun?
Herr Kollege, wir haben in Deuschland bei durchschnittlich höherer Verbrauchssteuerbelastung andere Verhältnisse als in der Schweiz und Osterreich. Hier ist die Schmuggelgefahr aus diesem Grunde erheblich größer. Jedes von der gegenwärtigen Regelung abweichende Verfahren bedeutet im übrigen einen größeren Personalaufwand, den die derzeitige Personallage in der Zollverwaltung einfach nicht zuläßt.Es kommt hinzu, daß die zusätzlichen Beamtenkräfte am Bodensee- immer gerade in der Hauptreisezeit gebraucht werden, in der die Personallage der Zollverwaltung ohnehin besonders angespannt ist.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8955
Bundesminister Dr. DahlgrünIm übrigen wiederhole ich, daß die gewünschte Regelung im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu ändern ist. Ich darf aber vielleicht noch zu Ihrer Information hinzufügen, daß wir zur Abfertigung der gewerblichen Schiffahrt ohnehin die Mehrheit der bestehenden Zoll-Landeplätze auch künftighin besetzt haben müßten, so daß die Einführung der gewünschten Regelung die Grenzaufsicht verstärken würde, die durch die bisherige Konzentration der Abfertigung auf wenige Abfertigungsstellen entlastet ist.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Bundesfinanzminister, ist es so, wie auf dieser Jahrestagung in Arbon unter anderem gesagt wurde, daß es auch Gründe der Sicherheit seien, die die Bundesregierung veranlaßt hätten, den österreichischen und schweizer Booten das Landen am deutschen Ufer ohne Kontrolle zu gestatten?
Bei allen Grenzfragen stehen abgabenrechtliche, Sicherheits- und andere Überlegungen Pate. Ich weiß nicht, welche Überlegung in diesem speziellen Falle das Übergewicht gehabt hat, sicherlich die Frage des Schmuggels in dem Verhältnis zwischen Osterreich, .der Schweiz und uns.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Mommer!
Herr Minister, meinen Sie nicht, daß es möglich wäre, dem Problem beizukommen und unsere Grenze freier zu machen dadurch, daß Sie sich — sagen wir: langfristig — vornehmen, unsere Verbrauchssteuern auf das Niveau abzubauen, das unsere Nachbarländer haben?
Herr Kollege Mommer, da Deutschland mit seinen Nachbarstaaten verflochten ist, haben wir selbstverständlich laufend die Abgabenhöhe in allen Nachbarstaaten im Auge. Die Frage der EWG-Verbrauchssteuern spielt natürlich auch eine Rolle, obwohl die beiden Länder, um die es hier in dem speziellen Falle geht, nicht zur EWG gehören. Selbstverständlich aber muß man die Zoll- und Abgabenentwicklung in den Nachbarländern immer sehr scharf beobachten, und wir tun das auch.
Frage VI/4 — des Herrn Abgeordneten Dr. Müller-Emmert —:
Wird die Bundesregierung in Anbetracht der Tatsache, daß bei Schießübungen, die amerikanische Streitkräfte am 30. März 1965 auf dem Schießplatz Landstuhl Kr. Kaiserslautern durchgeführt haben, die Bevölkerung durch Querschläger erheblich bedroht wurde, darauf hinwirken, daß die vor kurzem erlassenen Schutzmaßnahmen für diesen Schießplatz nochmals unverzüglich und eingehend überprüft werden?
Herr Kollege Müller-Emmert, die Bundesregierung kannte eine erneute Gefährdung der Bevölkerung durch Querschläger vom Schießstand der amerikanischen Streitkräfte in Landstuhl bisher nicht. Auf Grund Ihrer Frage habe ich unverzüglich eine erneute Überprüfung der Sicherheitsvorkehrungen durch die Landesschießstands- und Sicherheitskommission veranlaßt. Ich bin bereit, Ihnen nach dem Vorliegen des Ergebnisses darüber Nachricht zu geben.
Zusatzfrage!
Herr Minister, wären Sie bereit, dafür zu sorgen, daß die Schießübungen der Amerikaner vorläufig eingestellt Werden, bis die Sicherheitsvorkehrungen endgültig überprüft sind?
Herr Kollege Müller-Emmert, ich nehme an, daß die Sicherheitskommission sofort tätig werden wird. Wenn sie Mängel feststellt oder wenn sich ergibt, daß diese Ereignisse im Augenblick nicht erklärlich sind, dann wird man die Übungen sowieso sofort einstellen. Wir haben gerade dort unten immer sehr gut mit den Amerikanern zusammengearbeitet. Sie wissen ja auch, Herr Kollege Müller-Emmert, daß die Anlagen in Landstuhl überhaupt aufgegeben werden sollen und daß wir uns bemühen, die Einzelheiten zwischen Bund, Land, Stadt und US-Streitkräften möglichst in naher Zukunft abzusprechen.
Eine weitere Zusatzfrage!
Wollen Sie damit sagen, daß an eine Verlegung des Schießplatzes zu denken ist?
Man hat die Verlegung dieses Schießplatzes schon überlegt.
Ich rufe Frage VI/5 — des Herrn Abgeordneten Dr. Schmidt — auf:
Hat die Bundesregierung die Frage geprüft, ob die zur Verordnung des Ministerrats der Europäischen Gemeinschaften Nr. 25 zugestandene Erhöhung des deutschen Anteils am Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft auf maximal 31 % mit dem Ratifizierungsgesetz zu den Römischen Verträgen in Einklang steht?
Zur Beantwortung der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Kollege Schmidt , die Bundesregierung hat die Frage geprüft, ob die Bemessung des deutschen Beitragsanteils am Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft auf höchstens 31 % mit dem EWG-Vertrag und damit mit dem Ratifizierungsgesetz vom 27. Juli 1957 in Einklang steht.
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8956 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Bundesminister Dr. DahlgrünSie ist hierbei zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Änderung des Aufbringungsschlüssels für die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten, wie sie durch die Verordnung des Ministerrates der EWG Nr. 25 vorgesehen ist, durch Art. 200 Abs. 3 des EWG-Vertrages gedeckt ist. Danach können die Aufbringungsschlüssel der Absätze 1 und 2 vom Rat einstimmig geändert werden. Da der Europäische Ausrichtungs-und Garantiefonds für die Landwirtschaft Bestandteil des EWG-Haushalts ist, erscheint eine von Art. 200 Abs. 1 des EWG-Vertrags abweichende Festsetzung des Aufbringungsschlüssels nach Art. 200 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 des EWG-Vertrages zulässig.
Eine Zusatzfrage!
Herr Bundesminister, wird die Bundesregierung die neue Finanzregelung, die am 1. Juli 1965 in Kraft treten soll und die sicher höhere Leistungen der Bundesrepublik erfordert, dem Bundestag zur Abstimmung vorlegen?
Herr Schmidt , das kann ich im Moment nicht sagen. Ich glaube, über diese EWG-Verordnungen wird im Bundestag nicht abgestimmt, aber sie werden dem Bundestag zur Kenntnis gebracht.
Zweite Zusatzfrage!
Stimmt das mit dem Ratifizierungsgesetz überein?
Ich glaube, ja.
Das ist eine schwierige Materie. Wir nehmen meistens Kenntnis. Damit beschäftigt sich der Integrations-Ältestenrat.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Frage VII/1 — des Herrn Abgeordneten Saxowski —:
Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um die abschöpfungsfreie, auf Weltmarktpreisen basierende Einfuhr von marktordnungsabhängigen Veredlungsprodukten, Süßwaren, Dauerbackwaren, Fondantmassen zu unterbinden?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Die Bundesregierung hat laufend bei der EWG-Kommission Anträge auf Erlaß von Entscheidungen über die Erhebung von Ausgleichsabgaben auf Einfuhren von marktordnungsabhängigen Verarbeitungserzeugnissen, u. a. für Süßwaren, Dauerbackwaren und Fondantmasse, gestellt. Grundlage für diese Anträge ist der Ratsbeschluß vom 4. April 1962, der bis zum 3. April 1965 gültig war.
Die Anwendung ,dieses Beschlusses hat gezeigt, ' daß das doppelte Problem der Angleichung der Preise und der Schutzmaßnahmen nur in unvollkommener Weise gelöst werden konnte. Dieses unbefriedigende Ergebnis veranlaßte die Kommission, Vorschläge für Verordnungen des Rates zur Regelung des Handels mit bestimmten landwirtschaftlichen Verarbeitungserzeugnissen und zur Festlegung der Warenliste unter dem B. Juli 1964 vorzulegen, die den Beschluß vom 4. April 1962 ersetzen sollten. Die Beratungen über diese neuen Verordnungen in Brüssel haben erkennen lassen, daß deren Verabschiedung keinesfalls so rechtzeitig erfolgen würde, daß nach Auslaufen der alten Regelung am 3. April 1965 die Anwendung der neuen Verordnun• gen gewährleistet sein würde.
Angesichts dieser 'Lage hat die deutsche Delegation auf der Tagung des Sonderausschusses Landwirtschaft am 4./5. Februar 1965 in Brüssel eine Verlängerung des alten Beschlusses durch den Rat vorgeschlagen. Außerdem hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft am 10. Februar 1965 -durch Fernschreiben über die ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei den Europäischen 'Gemeinschaften auf die Notwendigkeit einer kurzfristigen Vorlage eines Verlängerungsbeschlusses durch die Kommission hingewiesen.
Keine Zusatzfrage.
Frage VII/2 — des Herrn Abgeordneten Saxowski --:
Sind die Schritte gemäß Frage VII/1 so rechtzeitig eingeleitet und durchgeführt worden, daß kein Schaden für diejenigen deutschen Produktionsbetriebe entstanden ist, die durch Gesetz gezwungen sind, auf der Basis von Inlandsfestpreisen, insbesondere für Zucker, zu kalkulieren?
Der Bundesrat hat am 29. März 1965 über die Verlängerung dies Beschlusses vom 4. April 1962 bis zum 30. Juni 1965 entschieden. Die Kommission hat daraufhin neue Entscheidungen über die Erhebung von Ausgleichsabgaben auf Einfuhren von Verarbeitungserzeugnissen erlassen.
Keine Zusatzfragen.
Frage VII/3 — des Herrn Abgeordneten Saxowski —.
Welche Zeitspanne erfordert die Inkraftsetzung von Beschlüssen der EWG-Kommission, die zugunsten der Bundesrepublik gefaßt werden, durch die Organe der Bundesrepublik?
Die Umsetzung derartiger Entscheidungen der Kommission in deutsches Recht erfolgt durch Verordnungen der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 . Sie erfordert je nach Umfang der Verordnung eine Zeitspanne von zwei bis drei Wochen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8957
Frage VII/4 — des Herrn Abgeordneten Matthöfer —:
Wie groß ist der Lohnanteil am Brotpreis?
Der Lohnanteil für ein Kilo Roggenmischbrot betrug nach einer vorliegenden Musterkalkulation für das Bäckerhandwerk im Jahre 1964 20,4 %, im Jahre 1950 15,33 %.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, können Sie auch etwas über die Entwicklung der anderen Kostenanteile sagen, etwa des Mehlpreises?
Die Mehlpreise sind auf Grund der Stabilität des Brotgetreidepreises annähernd stabil geblieben. Sie haben zeitweise eine sinkende Tendenz gehabt.
Bedeutet das, Herr Minister, daß auch der Anteil des Mehlpreises am gesamten Brotpreis gesunken ist?
Ja.
Frage VII/ 5 — des Herrn Abgeordneten Matthöfer —:
Wie hoch waren die Zuwachsraten von Lohn und Arbeitsproduktivität bei der Broterzeugung in den vergangenen fünf Jahren?
Die erwähnte Musterkalkulation bezieht sich auf die Vergleichszeiträume 1950 und 1964. Für 1960 liegen die Zahlen nicht vor und konnten in der zur Verfügung stehenden Zeit auch nicht beschafft werden.
Die Wochenleistung für die Herstellung von Roggenmischbrot in einem Regelbetrieb mit zwei Gesellen, einem Lehrling, einer Verkäuferin und einer Hilfskraft betrug 1950 bei 48 Arbeitsstunden 2667 Kilo, 1964 bei 45 Arbeitsstunden 3200 Kilo. Demgemäß hat sich die Arbeitsproduktivität in der Brotmenge um 20 % erhöht und die Arbeitszeit um 6,25 % ermäßigt. Für 100 Kilo Brot wurden im Jahre 1950 1,8 Arbeitsstunden und im Jahre 1964 1,4 Arbeitsstunden benötigt. Die Kosten für eine Arbeitsstunde bei der Broterzeugung betrugen 1950 4,81 DM und 1964 16,50 DM, umgerechnet auf insgesamt zwei Gesellen, einen Lehrling, eine Verkäuferin und ein Hilfskraft.
Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihr Vergleich eines Musterbetriebs mit zwei Gesellen nicht insofern irreführend, als die Produktivitätssteigerung bei der Broterzeugung gerade darauf zurückzuführen ist, daß eine Verschiebung der Brotproduktion aus der Backstube mit zwei Gesellen in die Brotfabriken stattgefunden hat?
Ich glaube, Herr Kollege, hier liegt ein Irrtum vor. 80 % der gesamten Brotmenge werden immer noch durch das Bäckerhandwerk hergestellt.
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, ist Ihr Vergleich der Arbeitsproduktivität mit der Lohnentwicklung nicht insofern irreführend, als es sich bei der Produktivität um Realzahlen handelt, bei der Lohnentwicklung jedoch nur um Nominalzahlen, und wäre es deshalb nicht besser gewesen, dann schon hier auf die Frage von Nominallohn und Umsatz einzugehen?
Ich glaube, Herr Kollege, daß es sich bei den Löhnen auch um sehr feste Realzahlen handelt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Soetebier!
Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß durch die Verzehrsgewohnheiten der Bevölkerung der Kauf von Schnittbrot in. den Betrieben des Backgewerbes immer größere Formen annimmt und überwiegend üblich geworden ist? Ist Ihnen weiter bekannt, daß das Schneiden des Brotes und die Verpackung in Zellophan und Folie für die Kalkulation von außerordentlicher Bedeutung ist und darüber hinaus die Beschaffung der Abpackgeräte den Backbetrieben in den letzten Jahren sehr große Kosten verursacht hat?
Es ist durchaus bekannt, daß die Zunahme von Schnittbrot sehr groß ist, und es ist auch bekannt, daß dieses geschnittene Brot nicht unerheblich teurer ist als der ganze Brotlaib.
Eine zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, sind Sie nicht der Meinung, daß der seit über 50 Jahren immer wieder hochgespielte sogenannte politische Brotpreis immer noch als aktuell zu bezeichnen ist, wo doch bei vielen anderen Dingen Preiserhöhungen zu verzeichnen sind, die in keinem Verhältnis zum Brotpreis mehr stehen, und wo heute doch überall gewisse Anzeichen dafür vorhanden sind, daß der Brotverzehr in den letzten 10 Jahren um 50 % zurückgegangen und daher eine Erschwerung der Produktion in dem weit überwiegenden Teil der Backbetriebe zu verzeichnen ist ?
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8958 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Herr Kollege, es besteht gar kein Zweifel, und ich sagte schon in der letzten Fragestunde, daß hier eine Verschiebung in der Wertigkeit, in der Auffassung über Brot und Brotpreis stattgefunden hat. Dessen ungeachtet hat es sich aber die Bundesregierung zur vornehmsten Aufgabe gemacht, auch über die Brotpreise so weit zu wachen, wie das überhaupt nur irgend möglich ist.
Ich rufe auf die Frage VII/6 — des Herrn Abgeordneten Matthöfer —:
Wie verlief die Entwicklung der Brotpreise in den vergangenen fünf Jahren?
Die Preise für Mischbrot — hell — haben sich im Durchschnitt des Bundesgebietes wie folgt entwickelt — in Pfennig je Kilo —: 1953 = 70, 1954 = 70, 1955 = 74, 1956 = 75, 1957 = 78, 1958 = 85, 1959 = 85, 1960 = 85, 1961 = 90,4, 1962 = 95,8, 1963 = 100,8 und 1964 = 103,8.
Die Preise für die anderen gängigen Brotsorten haben sich analog entwickelt.
Eine Zusatzfrage!
Herr Minister, glauben Sie nicht, daß diese Preisentwicklung eine außerordentlich schwere Belastung, insbesondere für kinderreiche Familien, darstellt?
Herr Kollege, wie auf anderen Gebieten sollte man auch diese Preissteigerung nicht gering werten. Die Bundesregierung ist sich dessen voll bewußt.
Eine zweite Zusatzfrage?
Herr Minister, darf ich aber als Gesamteindruck Ihrer ersten Antworten mitnehmen, daß Sie insgesamt diese Brotpreissteigerungen für gerechtfertigt halten?
Herr Kollege, die Brotpreissteigerung setzt sich aus vielen Faktoren zusammen, die im einzelnen durchaus gerechtfertigt sein mögen. Die Brotpreise sind außerdem durch die schwere Konkurrenz innerhalb des Bäckerhandwerks und gleichzeitig auch des Bäckerhandwerks mit der Brotindustrie in sich so abgewogen, daß hier wohl keine ungerechtfertigten Verdienste vorliegen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Reinhard.
Herr Minister, können Sie mir den prozentualen Preisanteil des Getreides am Brotpreis in den letzten fünf Jahren sagen?
Ich habe ihn im Augenblick nur gegenwärtig für Brötchen. Bei einem Brötchenpreis von etwa 5 Pf im Jahre 1952 haben wir 2,5 Pf Mehlanteil gehabt. Dieser Wertanteil hat sich erhalten. Der Brötchenpreis ist, wie bekannt, nicht unerheblich gestiegen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kohut.
Herr Minister, warum ist Brot in den westlichen Nachbarländern billiger als in der Bundesrepublik?
Darüber habe ich in meinem Hause noch keine Untersuchungen anstellen lassen, Herr Kollege.
Eine zweite Zusatzfrage!
Aber, Herr Minister, es muß doch für Sie sehr interessant sein, die Gründe festzustellen, weshalb dort das Brot billiger ist als bei uns. Liegt es etwa an den Subventionen?
Ich bin gern bereit, mich eingehend nach diesen Dingen zu erkundigen und Ihnen über das Ergebnis Mitteilung zu machen.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Schultz.
Herr Minister, ist bei der Betrachtung des Getreidepreises — da ja das Getreide die Grundlage für das Brot ist, wie Sie schon Herrn Kollegen Reinhard gegenüber zum Ausdruck gebracht haben — auch festzustellen, daß dieser Preis von 1953 bis heute die entsprechende Steigerung erfahren hat, wie Sie das vorhin für den Backlohn erklärt haben?
Herr Kollege Schultz, ich habe Ihre Frage nicht ganz verstanden.
Ich möchte fragen, Herr Minister: War für die Brotpreiserhöhung auch eine Getreidepreissteigerung ursächlich?
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8959
Nein, in keiner Weise.
Eine Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Sander.
Herr Minister, ist die Bundesregierung bereit, der deutschen Bevölkerung einmal mitzuteilen, für wie viele Minuten Arbeitszeit man im Jahre 1914 oder 1939 im Verhältnis zu heute 1 kg Brot kaufen konnte?
Herr Kollege Sander, das ist kein Geheimnis. In meinem Hause werden auch in dieser Richtung laufende Untersuchungen veröffentlicht.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Ich rufe die Frage VIII/1 — des Herrn Abgeordneten Richarts — auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß es zu wiederholten Malen, zum letzten Male am 23. Februar d. J., durch das Einfließen von beträchtlichen Mengen Düsenjägertreibstoff aus dem NATO-Hafen Bitburg in die Kyll dort zu einem ungewöhnlichen Fischsterben gekommen ist und der Fischbestand auf-Jahre hinaus nachhaltig geschädigt worden ist?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Präsident, ich bitte, die drei Fragen des Herrn Abgeordneten Richarts zusammen beantworten zu dürfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einverstanden. Ich rufe also noch die Fragen VIII/2 und VIII/3 — des Herrn Abgeordneten Richarts — auf:
Ist die Bundesregierung bereit, bei den zuständigen amerikanischen Dienststellen vorstellig zu werden, um zu erwirken, daß Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden zum Schutz von Mensch und Tier, damit sich solche Vorkommnisse wie in Frage VIII/1 geschildert nicht mehr wiederholen können?
Ist die Bundesregierung bereit, die Schadensersatzansprüche der durch die in Frage VIII/1 geschilderten Vorkommnisse geschädigten Fischereipächter zu unterstützen?
Zu der ersten Frage: Der Bundesregierung ist bekannt, daß seit der Inbetriebnahme des NATO-Flugplatzes Bitburg im Jahre 1953 wiederholt durch Einfließen von Düsentreibstoff in die Kyll Schäden an den Fischbeständen eingetreten sind. Um Abhilfe zu schaffen, wurden im Jahre 1962 von der Finanzbauverwaltung des Landes Rheinland-Pfalz in Zusammenarbeit mit dem Wasserwirtschaftsamt acht große Rückhaltebecken mit nachgeschalteten Großbenzinabscheidern errichtet. Hierfür hat der Bund 800 000 DM zur Verfügung gestellt.
Am 23. Februar dieses Jahres ist auf dem NATO-Flugplatz Bitburg ein erhebliches Leck an der Verbindungsleitung zwischen dem Haupttanklager und einem Tankbehälter am südwestlichen Liegeplatz eingetreten, dessen Ursache nicht geklärt ist. Dadurch ist beim Umtanken Düsentreibstoff in die vorerwähnten Rückhaltebecken mit dem Oberflächenwasser eingedrungen und von dort über die Vorfluter in die Kyll gelangt, weil die eingebauten Großbenzinabscheider die mit Düsentreibstoff übersättigten Oberflächenwässer nicht mehr reinigen konnten.
Die amerikanische Luftwaffe als derzeitiger Nutzer des NATO-Flugplatzes Bitburg hat sofort nach Feststellung des Schadens die Abläufe hinter den Rückhaltebecken abgesichert.
Das Ministerium für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz wird zur Überprüfung der Verseuchung der umliegenden Gewässer einen Ortstermin anberaumen. Die Wehrbereichsverwaltung IV in Wiesbaden und die Landesbauabteilung der Oberfinanzdirektion in Koblenz sind von mir beauftragt worden, an Ort und Stelle im Benehmen mit den Landesbehörden und unter Beteiligung der amerikanischen Luftwaffe die Vorgänge eingehend zu untersuchen, dringende Maßnahmen an Ort und Stelle zu veranlassen und über die Ursache und den Umfang der eingetretenen Schäden zu berichten.
Die Frage 2 beantworte ich daher mit Ja.
Zur dritten Frage: Wenn das endgültige Ergebnis der veranlaßten eingehenden Untersuchungen über die Vorkommnisse festgestellt ist, wird die Bundesregierung bemüht sein, daß begründete Schadensersatzansprüche kurzfristig geregelt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Keine Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage VIII/4 — des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer — auf:
Welche Antwort hat der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen vom Bundesverteidigungsminister auf seinen Brief erhalten, den er nach seinen Angaben in der Fragestunde vom 25. März 1965 an ihn gerichtet hat ?
Herr Präsident, ich darf bitten, daß ich beide Fragen des Abgeordneten Dr. Schäfer zusammen beantworten darf; sie stehen in einem Sachzusammenhang.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Einverstanden. Ich rufe also noch die Frage VIII/5 — des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer — auf:
Hat der Bundesverteidigungsminister angeordnet, daß der Fragebogen zurückgezogen wird, in welchem Angaben verlangt werden über die Zugehörigkeit zur Liberaldemokratischen Partei und zur Christlich-Demokratischen Union vom Zeitpunkt ihrer Gründung in der SBZ an?
Ich werde bei der Beantwortung des Schreibens des Herrn Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, das mir am 29. März zugestellt worden ist, darauf hinweisen, daß die Gestaltung des betreffenden Fragebogens zu der Kompetenz des Herrn Bundesministers des Innern als der für die nationale Sicherheit zuständigen Stelle gehört.Eine Stellungnahme in der Sache selbst ist mir deshalb nicht möglich.Ich bin gehalten, die Entscheidung des Herrn Bundesministers des Innern abzuwarten, werde mich aber auch meinerseits an ihn wenden.
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8960 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage!
Herr Minister, halten Sie es nicht für sehr bedenklich, 'wenn der Minister für gesamtdeutsche Fragen in der Fragestunde vom 25. März gefragt wird und dann darauf verweist, daß er beim Verteidigungsminister angefragt habe, und wenn Sie als Verteidigungsminister heute darauf verweisen, daß der Bundesinnenminister zuständig sei, und wenn keiner der Herren zur Sache etwas sagt und offensichtlich auch keiner Veranlassung sieht, eine so unangenehme Angelegenheit zu regeln?
Ich darf erneut darauf aufmerksam machen, daß für diese Fragen der inneren Sicherheit der Innenminister zuständig ist. Der Innenminister beobachtet — und dazu bekommt er von dem Bundesminister der Verteidigung entsprechende Unterlagen — die Entwicklung der Sicherheitssituation in Deutschland. Auf Grund seiner Erkenntnisse und des Beitrages, den wir dazu leisten können, prüft er laufend, ob die Sicherheitsvorschriften für die Einstellung von Bediensteten der öffentlichen Hand ausreichend sind oder nicht. Er hat sich letztmalig im Jahre 1963 dazu geäußert.
Der hier in Rede stehende Fragebogen kommt vom Herrn Bundesminister des Innern als Empfehlung, die auf seinen vielen Erkenntnissen beruht. Auf Grund des Schreibens meines Kollegen, des Ministers für gesamtdeutsche Fragen, werde ich mich an den Innenminister wenden, um dort diese Frage aufzurollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Zusatzfrage!
Herr Minister, wäre es dann nicht zweckmäßig, daß sich der Herr Bundesminister des Innern, nachdem solche Fragen hier gestellt sind, hier unmittelbar dazu äußert? Er ist ja anwesend.
Ich kann mir vorstellen, daß sich der Bundesminister des Innern erst dann dazu äußern wird, wenn er auf der Grundlage der Darstellung des Ministers für gesamtdeutsche Fragen und des Verteidigungsministers den Gesamtkomplex überprüfen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Minister, ich muß zu meiner ersten Frage zurückkehren: Ist es nicht auch nach der Geschäftsordnung, die für die Bundesregierung gilt, vorgeschrieben, daß man bei solchen Fragen, die drei Ressorts berühren und wirklich politischen Gehalt haben, von vornherein zu einer Abstimmung kommt, so daß also im vorliegenden Fall jedes Ministerium seine Zustimmung zu einem solchen Fragebogen hätte geben können, ohne daß ein Kabinettsbeschluß erfolgte?
Herr Abgeordneter, der Fragenkatalog des Innenministers aus dem Jahre 1963 ist aus der Entwicklung der inneren Situation wohlüberlegt aufgestellt worden. Jetzt wird hier im Hause in Frage gestellt, ob der ganze Fragenkatalog richtig ist oder nicht. Das ist eine eminent politische Frage, die man nicht aus dem Handgelenk beantworten sollte. Dazu müssen der Innenminister, der Minister für gesamtdeutsche Fragen und der Verteidigungsminister hinreichend Zeit haben, die Dinge miteinander abzuklären.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Letzte Zusatzfrage!
Herr Minister, nachdem die Frage vom Herrn Minister für gesamtdeutsche Fragen vor einer Woche und von mir heute ganz beschränkt zu zwei Punkten gestellt ist, nämlich dazu, ob es richtig ist, die Zugehörigkeit zur Liberal-Demokratischen Partei und zur Christlich-Demokratischen Union vom Zeitpunkt ihrer Gründung in der SBZ an zu rechnen, hätte man doch wohl — so darf ich Sie fragen — mit Recht erwarten dürfen, daß heute eine verbindliche Antwort erteilt wird?
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß es nur ein ganz kleiner Teilkomplex aus dem Gesamtbereich der Überprüfungserfordernisse — es ist ein ziemlich umfangreiches Schriftstück — ist. In dem Gesamtbereich sind diese beiden Punkte ein Teilgebiet. Ich bin der Meinung, wenn man schon den Fragenkomplex aufrollt, sollte man das ganze Thema und nicht einen Teil behandeln.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Berkhan zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wann wird der Zeitraum abgelaufen sein, den Sie hier mit „hinreichend" bezeichnet haben?
Über die Antwort kann sich jeder, Herr Abgeordneter Berkhan, selber Gedanken machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Jahn zu einer Zusatzfrage.
Herr Minister, wielange braucht die Bundesregierung üblicherweise zur Klärung eines kleinen Teilproblems?
Diese Frage ist so allgemein gestellt, daß sie von mir nicht beantwortet werden kann.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8961
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Berkhan.
Herr Minister, trügen mich meine Gedanken, die ich mir jetzt gemacht habe,
daß ich in diesem Wahljahr keine Antwort zu erwarten habe? Oder habe ich eine Antwort zu erwarten?
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Mischnick.
Ich darf erst die Antwort auf die Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Berkhan geben.
Ich glaube, Herr Abgeordneter, Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, daß auch ich ein Interesse daran habe, diese Frage, die Sie immer wieder auf die Tagesordnung gebracht haben, von der Tagesordnung herunter zu bekommen. Ich werde mich darum bemühen, weil ich kein Interesse habe, immer wieder zu dieser Frage Rede und Antwort zu stehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfrage Herr- Abgeordneter Mischnick!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, sind Sie sich im klaren darüber, daß eine solch lange Behandlung dieser Frage den Verdacht bestärken muß, daß in der Bundesregierung tatsächlich Meinungen vorhanden sind, ehemalige Liberaldemokraten oder CDU-Leute aus der Zone seien von Anfang an Kommunisten gewesen?
Auf diese Frage hat der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen in der betreffenden Fragestunde bereits geantwortet, daß die Bundesregierung nicht dieser Meinung ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatzfrage!
Herr Minister, wäre es, wenn das die Meinung der Bundesregierung ist, dann nicht möglich gewesen, in den letzten Tagen eine Entscheidung über die Umgestaltung des Fragebogens zu treffen?
Herr Abgeordneter, es handelt sich nicht etwa nur um einen Fragebogen, der in wenigen Exemplaren an einer Stelle vorhanden wäre. Vielmehr handelt es sich um umfangreiche Korrekturen und einen Neudruck des Fragebogens. Ich bin daher der Meinung — ich wiederhole es —, daß man das zusammen behandeln und korrigieren sollte, was zu korrigieren ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich komme zur Frage des Herrn Abgeordneten Felder.
— Ich gehe jetzt weiter.
— Andere Leute müssen auch noch drankommen.
— Meine Damen und Herren, lesen Sie doch einmal die Richtlinien für die Fragestunde! Alles muß seine Grenzen haben. Es geht einfach nicht, daß die Mitglieder des Hauses, die ihre Fragen rechtzeitig einbringen, dadurch benachteiligt werden, daß eine Frage so lange diskutiert wird, daß für andere Fragen keine Zeit mehr übrigbleibt.
Es steht dem Präsidenten dieses Hauses nicht nur zu, sondern er hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß hier jeder in angemessener Weise wenigstens die Chance hat, zu fragen und zu Wort zu kommen. Deshalb gehe ich jetzt weiter.
Ich rufe die von dem Abgeordneten Felder gestellte Frage VIII/6 auf:
Haben sich außer dem Vorfall in Aschau inzwischen weitere Fälle ereignet, in welchen entlassene Wehrpflichtige ihr sogenanntes Mob-Gepäck nicht zu Hause aufbewahren wollten?
Außer dem Vorfall in Aschau/Oberbayern sind dem Ministerium keine weiteren Fälle bekanntgeworden, in denen Wehrpflichtige sich endgültig weigerten, Mob-Gepäck zu Hause aufzubewahren. Zwar wurden in mehreren — etwa zwanzig — Fällen bei mir Gegenvorstellungen erhoben. Diese haben sich aber nach meiner Kenntnis nicht zu einem Streit verhärtet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zusatzfrage!
Herr Minister, wie würden Sie handeln, wenn wirklich nachgewiesen werden kann, daß nicht spontane Ablehnung und Widersätzlichkeit vorliegen, sondern tatsächlich beengte räumliche Verhältnisse die Aufbewahrung des MobGepäcks unmöglich machen?
Dann kann der Betreffende bei der zuständigen Dienststelle der Bundeswehr vorstellig werden, um gemeinsam mit der Dienststelle nach einer vernünftigen Regelung zu suchen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Zusatzfrage!
Sie würden also nicht sofort eine Bestrafung veranlassen?
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8962 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Nein. Eine Bestrafung wäre dann veranlaßt, wenn z. B. Vorsätzlichkeit oder ähnliche Umstände vorliegen. Aber wenn der Betreffende in einer guten Form darlegt, daß es nicht geht, dann wird man einen Weg suchen, in diesem besonderen Fall ohne ein Präzedens eine Lösung zu finden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist an sich vorbei. Ich rufe aber noch die von dem Abgeordneter Bauer gestellte Frage VIII/7 auf:
Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun, daß durch Auftragsverwaltung des Bundes bei Inangriffnahme von Bundeswehrbauvorhaben verschiedentlich Eingriffe in privates Eigenturn vorgenommen wurden, ohne die Eigentümer vorher zu unterrichten?
Soweit die Inanspruchnahme und das Betreten von privaten Grundstücken bei der Inangriffnahme von Bundeswehrbauvorhaben erforderlich werden, sind die zuständigen Dienststellen des Bundes gehalten, die Bestimmungen des Landbeschaffungsgesetzes zu beachten. § 30 des Landbeschaffungsgesetzes schreibt vor, daß der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstückes vor Betreten durch Beauftragte des Bundes bzw. dessen Auftragsverwaltung hierüber zu benachrichtigen ist.
Wird das Betreten von privaten Grundstücken durch Beauftragte der Schutzbereichsbehörden erforderlich, wäre zwar eine vorherige Benachrichtigung des Eigentümers oder Nutzungsberechtigten in Abweichung vom Landbeschaffungsgesetz nach § 10 des Schutzbereichsgesetzes nicht erforderlich, doch pflegen die Beauftragten des Bundes auch hier zu benachrichtigen, um das gütliche Einvernehmen mit den Eigentümern und Nutzungsberechtigten zu wahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage!
Ist Ihnen, Herr Bundesminister, das Frage- und Antwortspiel in der 66. Plenarsitzung des Bayerischen Landtages vom 2. Februar bekanntgeworden, in dem beanstandet worden ist, daß im Zennwald bei Fürth entgegen diesen Regelungen, die Sie eben vorgetragen haben, verfahren wurde?
Ich kenne nur den Vorgang im Zennwald bei Nürnberg. Ich weiß nicht, ob es der ist, auf den sich das bezieht. Dort hat in der Tat ein Versagen der Bundesbehörden vorgelegen. Es ist ausgeräumt durch eine vernünftige gemeinsame Regelung zwischen den Betroffenen. Ein anderes Verfahren kenne ich nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragestunde wurde ausnahmsweise überzogen. — Das Haus erteilt nachträglich Absolution.Damit kommen wir zum nächsten Punkt der Tagesordnung; Punkt 5 wird vorgezogen:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines .... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ;Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses (Drucksache IV/3249) ;
,
b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Drucksache IV/2529) ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/3234 (Ausschußantrag Nr. 1];
,
c) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Kriegsgräbergesetzes ;Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inneres (Drucksache IV/3234 [Ausschußantrag Nr. 2]);
.
Zunächst frage ich die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Dr. Kuchtner, ob sie das Wort wünscht. —Sie verzichtet. Ich bedanke mich.Damit kommen wir zunächst zu Punkt 5 a, zur Änderung des Grundgesetzes. Nach Art. 79 des Grundgesetzes bedarf ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, wie jedermann weiß, der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und des Bundesrates. Nach § 49 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Präsident, wenn für einen Beschluß die Zustimmung einer bestimmten Mitgliederzahl erforderlich ist, festzustellen, daß die Zustimmung der erforderlichen Mehrheit vorliegt. Das geschieht hier durch Auszählung. Ich hoffe, daß jedermann weiß, wie das hier geht. Ich selbst weiß es im Augenblick nicht so ganz genau.
Geradeaus ist Enthaltung — das können wir gar nicht gebrauchen; denn wir brauchen hier zwei Drittel —, dort ist Zustimmung, und dort (links) ist Nein. Meine Damen und Herren, wer der Grundgesetzänderung — —
— Zur Aussprache? Ich dachte, es wird keine Aussprache gewünscht.
— Ja, das weiß ich auch. Aber ist Debatte gewünscht? — Abgabe von Erklärungen schon in der zweiten Lesung?Ich eröffne die Aussprache in zweiter Lesung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Anders.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8963
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 107. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. Januar 1964 habe ich hier den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache IV/1805 zur Änderung des Kriegsgräbergesetzes behandelt. Wir waren bei der Einbringung unseres Antrags der Auffassung, daß eine Neufassung des Kriegsgräbergesetzes von 1952 nicht erforderlich sei, sondern daß eine Novellierung genügen werde.
Wir haben mit unserem Antrag erreicht, daß die Bundesregierung, allerdings mehr als ein halbes Jahr später, erstens den Entwurf eines Gesetzes über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft auf Drucksache IV/2529 und zweitens den Entwurf zur Änderung des Grundgesetzes — Art. 74 Nr. 10 — auf Drucksache IV/2531, beides vom 18. August 1964, einbrachte, die dann genauso wie der Antrag der Sozialdemokraten dem Innenausschuß zur weiteren Beratung überwiesen wurden.
Im Innenausschuß haben wir uns dann als Antragsteller des Antrages auf Drucksache IV/1805 damit einverstanden erklärt, daß unser Antrag gemeinsam mit den Vorlagen der Bundesregierung behandelt wurde.
Obwohl wir zunächst der Auffassung waren, daß eine Änderung des Grundgesetzes nicht notwendig sei, haben wir aber im Laufe der Verhandlungen doch vorgezogen, dieser Grundgesetzänderung zuzustimmen, da dadurch der bisher sehr enge Bereich des Art. 74 Nr. 10, der tatsächlich nur Kriegsgräber einschloß, durch die Neufassung, wie sie nunmehr zur Beschlußfassung vorliegt, eine einwandfreie gesetzlich fundierte Einbeziehung der bisher nicht gesicherten Gräber von Krieg und Gewaltherrschaft sicherstellt. Hier sind auch die Gräber von Personen, die infolge von Maßnahmen zur Verhinderung ihrer Flucht aus der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands oder dem Sowjetsektor Berlins zu Tode gekommen oder gestorben sind, sowie die Gräber von Vertriebenen, die Gräber von Deutschen, die verschleppt worden sind, die Gräber der in Internierungslagern Verstorbenen und der zur Leistung von Arbeiten in das deutsche Reichsgebiet verbrachten oder hier gegen ihren Willen festgehaltenen Ausländer eingeschlossen. Die Gräber der Opfer nationalsozialistischer Gewaltmaßnahmen, der in Konzentrationslagern Verstorbenen und durch solche Maßnahmen zu Tode Gekommenen werden von dem Gesetz nunmehr eindeutig erfaßt.
Aus diesem Grunde stimmen wir der Grundgesetzänderung zu und bitten auch Sie, dem Antrag auf Drucksache IV/2531 zuzustimmen.
Herr Präsident, gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang noch einige Worte zum Kriegsgräbergesetz — Drucksache IV/2529 — sage.
Mit der Ablösung des bisherigen Kriegsgräbergesetzes von 1952 durch die jetzt vorliegende Neufassung ist eine neue Rechtssetzung erfolgt, die nunmehr den vorher genannten Kreis von Betroffenen eindeutig einbezieht und deren Gräber ein für allemal sicherstellt. Eine Aufhebung dieser Gräber durch Auslauf der normalen Ruhefristen kann nicht mehr erfolgen.
Die finanziellen Belastungen durch dieses Gesetz werden, wie bisher, den Ländern vom Bund erstattet. Die zeitweise bestehende Auffassung des Bundes, daß die entstehenden Lasten auf die Länder abgewälzt werden sollten, ist damit beseitigt.
Wir begrüßen das auch aus einem anderen Grunde ganz außerordentlich. Nunmehr steht einwandfrei fest, daß die Betreuung aller dieser Gräber der in dem Gesetz genannten Opfer, besonders auch der Opfer des Nationalsozialismus, und der Kriegsgräber, soweit sie nicht Soldatengräber sind, Aufgabe des Bundes ist.
Damit wird den Völkern und Staaten, besonders auch denen, in denen bisher eine Betreuung der Gräber unserer Soldaten und der dort beigesetzten Opfer der Gewaltherrschaft nicht vorgenommen wurde, eindeutig vor Augen geführt, daß auch sie eine moralische Verpflichtung haben, die Gräber zu unterhalten oder aber durch Zustimmung dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge die Genehmigung zu erteilen, daß er geeignete Gräberstätten entweder neu anlegen oder vorhandene in seine Obhut nehmen kann.
Wir haben mit diesem Gesetz die Ehrenschuld gegenüber den Toten des Krieges erfüllt. Wir sind aber nunmehr nicht nur gegenüber den Toten des Weltkrieges, sondern auch gegenüber den Opfern der Gewaltherrschaft unserer moralischen Verpflichtung nachgekommen. Wir haben den Wunsch, daß die Umwelt unserem Wege folgen möge. Wir sind bereit, alles zu unterstützen, was diesem Ziele dient. In dieser Erwartung bitte ich Sie, den beiden Gesetzesvorlagen zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, in zweiter Beratung sind Art. I, — Art. II, — Einleitung und Überschrift aufgerufen worden. Das Wort hat der Abgeordente Biechele.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU darf ich zum Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes folgendes erklären und in diese Erklärung auch die leitenden Gesichtspunkte des Gesetzentwurfes über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft einbeziehen, weil diese beiden Gesetzentwürfe aufs engste zusammengehören.Die Fraktion der CDU/CSU wird den Gesetzentwürfen zustimmen. Sie begrüßt es, daß durch die Änderung des Grundgesetzes, also die Neufassung von Art. 74 Nr. 10, die Voraussetzung dafür geschaffen wird, daß in dem Gräbergesetz dieses Rechtsgebiet neu geordnet werden kann. Nach der neuen Fassung des Art. 74 Nr. 10 wird dem Bund die Sorge für die Kriegsgräber und die Gräber anderer Opfer des Krieges und der Opfer von Gewaltherrschaft übertragen. Damit sind die drei großen Gräbergruppen bezeichnet, deren Erhaltung nach
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8964 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Biecheleden Bestimmungen des Gräbergesetzes festgelegt wird: erstens die Kriegsgräber im engeren, herkömmlichen Sinne, zweitens die Gräber der anderen Opfer des Krieges, wie etwa die der auf der Flucht umgekommenen Menschen, und drittens die Gräber der Opfer der Gewaltherrschaft, wie die der in den Konzentrationslagern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft getöteten und verstorbenen Menschen.Wir begrüßen es, daß nunmehr die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für diesen ganzen Rechtsbereich festgelegt ist, weil wir damit vor allem erreichen wollen, daß um des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland willen die Sorge für die Gräber der Opfer der Gewaltherrschaft des Bundes Sorge sein soll.Wir begrüßen es ferner, daß für alle Gräbergruppen in gleicher Weise gesorgt werden soll. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß allen Gräbergruppen das ewige Ruherecht eingeräumt wird.Das neue Gräbergesetz überträgt die Sorge für die Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft zuerst der öffentlichen Hand in Bund, Ländern und Gemeinden. Wir wissen, daß sich darüber hinaus vielfache Aktivitäten im freien gesellschaftlichen Raum entwickelt haben. In einer vorbildlichen Weise hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge die Mitsorge für die Kriegsgräber der beiden Weltkriege übernommen. Aus seinem Tätigkeitsbericht 1963 ist zu entnehmen, daß die über 700 000 Mitglieder und Mitarbeiter des Volksbundes fast 15 Millionen DM für die freiwillig übernommenen Aufgaben aufgebracht haben. 400 Friedhöfe in der Bundesrepublik Deutschland sind bisher vom Volksbund ausgebaut, 36 Gedenkstätten in Europa und Nordafrika sind im Bau oder bereits vollendet. Natürlich leistet der Bund dafür seine in die Millionen gehenden Beiträge, jetzt nach den Bestimmungen des neuen Gräbergesetzes. Vor allem ist auf die Judendlager hinzuweisen, die seit 1953 veranstaltet werden, um draußen Soldatenfriedhöfe zu pflegen. 45 000 junge Menschen haben daran teilgenommen, ihre Ferien und ihr Taschengeld dafür geopfert — auch hier hat der Bund neben anderen seinen beachtlichen Beitrag geleistet — und dafür etwas gewonnen, was mit gutem Grund als „Versöhnung über den Gräbern" genannt werden kann. Wie gern würden diese jungen Menschen zum gleichen Dienst in die Sowjetunion und in die anderen Ostblockstaaten gehen! Aber dies ist nicht möglich, weil wir mit diesen Staaten noch keine Kriegsgräberabkommen haben abschließen können.Für diesen vorbildlichen Dienst für die Kriegsgräber darf an einem Tag wie dem heutigen dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge auch von dieser Stelle aus aufrichtig gedankt werden.
Indem wir die Sorge für die Kriegsgräber beider Weltkriege erneut auf den Bund übernehmen, ehren wir gleichzeitig das Opfer von Millionen tapferer Soldaten, die ihr Leben für die Heimat hingegeben haben.Wenn wir von der Sorge für die Gräber der Opfer der Gewaltherrschaft hier sprechen, dann werden wir gerade hier in Berlin an diese Opfer erinnnert. Vor uns stehen die Gedenkstätte im Haus der jüdischen Gemeinde in der Fasanenstraße, die Gedenkstätte in Plötzensee und die Kirche Maria Regina Martyrum. Auch hier haben bei der Sorge um diese Opfer und ihre Gräber andere mitgeholfen, die Kirchen, kirchliche und gesellschaftliche Gruppen. Auch dafür darf an dieser Stelle aufrichtig gedankt werden.
Wenn wir an die Opfer der Gewaltherrschaft denken und die Sorge für ihre Gräber im Gesetz gedacht haben, dann denken wir auch an die Kreuze und Male und Gräber an der Mauer mitten durch diese Stadt. Auch, ja gerade ihnen sind wir besonders verpflichtet.
So beschwört dieses Gräbergesetz, das wir mit der Grundgesetzänderung verabschieden, die Erinnerung an die großen Katastrophen dieses Jahrhunderts und die Erinnerung an die Grauen unserer jüngsten Vergangenheit und beschwört die deutsche Not dieser Stunde. Es erinnert aber nicht nur an Grauen und Elend und unsagbares menschliches Fehlen, es erinnert gleichzeitig an die Größe und beispielhafte Opferkraft des Menschen. Der Dienst an den Gräbern der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft verpflichtet uns noch mehr zu den Werken des Friedens.
Das Wort hat der Abgeordnete Dorn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir Freien Demokraten werden den beiden Gesetzesvorlagen unsere Zustimmung geben, und wir hoffen, daß es mit dieser Gesetzesvorlage gelingt, einen Weg zu beschreiten, der auch bei unseren östlichen Nachbarn in der Frage des Ruhens der deutschen Soldaten in den östlichen Ländern, die dort ihr Leben gelassen haben und deren Kriegsgräber eingeebnet worden sind, etwas mehr Verständnis für unsere Situation weckt. Wir hoffen auch, daß es gelingt, die Verpflichtungen, die der Bund nunmehr nach Verabschiedung dieser Gesetze übernimmt, nicht nur einseitige Bindungen der Bundesrepublik sein werden, sondern daß wir über den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge oder über staatliche Dienststellen auch zu gemeinschaftlichen Verträgen kommen werden, damit aus unserer Verpflichtung zur Pflege der Gräber der anderen, die auf unserem Boden und in unserem Staate ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, eine entsprechende Verpflichtung der östlichen Länder erwächst. Ich meine, daß wir gerade an einem solchen Tage, an dem wir wenige hundert Meter neben dem sichtbaren Denkmal eines ausländischen Staates unsere Sitzung abhalten — durch das dokumentiert wird, daß wir auf unserem Boden ein solches Denkmal zur Ehrung der für ihre Idee Gefallenen akzeptieren —, endlich dazu kom-
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8965
Dornmen sollten, bei den anderen Staaten Verständnis für unsere Situation zu erwarten. In der Hoffnung, daß dieses Gesetz ein Meilenstein auf diesem geistigen Wege ist, stimmen wir dieser Gesetzesvorlage zu.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Da das nicht der Fall ist, schließe ich die Aussprache. Ich lasse abstimmen in zweiter Beratung über Art. I, — II, — Einleitung und Überschrift. — Wer den Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe! — Soweit ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Angenommen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Ich nehme an, daß allgemeine Aussprache nicht mehr erfolgt, nachdem sie bereits in der zweiten Beratung stattgefunden hat. Oder wünscht noch jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen damit zur Schlußabstimmung. Sie kann, wie bereits bekanntgegeben wurde, nur durch Auszählung erfolgen. Ich eröffne sie. Ich bitte die stimmberechtigten Mitglieder des Hauses, den Sitzungssaal zu verlassen. Die Mitglieder des Hauses, die der Grundgesetzänderung zustimmen und somit mit Ja abstimmen, bitte ich, den Saal durch die Tür zu meiner Rechten wieder zu betreten. Die NeinTür befindet sich auf der gegenüberliegenden Seite, also zu meiner Linken. Mitglieder, die sich der Stimme enthalten wollen, bitte ich, den Haupteingang an der Tribüne zu benutzen. Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich darf das Abstimmungsergebnis bekanntgeben. Mit Ja haben 401 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein niemand; auch keine Stimmenthaltungen. Für eine Änderung des Grundgesetzes ist die Zustimmung von 333 Mitgliedern erforderlich. Da 401 Mitglieder zugestimmt haben, ist die erforderliche qualifizierte Mehrheit erreicht. Ich stelle fest: der Deutsche Bundestag hat in der Schlußabstimmung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes auf Drucksache IV/3249 mit der verfassungsmäßig erforderlichen Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf diejenigen, die sich noch nicht in die Liste eingetragen haben, bitten, das nachzuholen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 5 b, Gräbergesetz.
Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Biechele, für seinen Schriftlichen Bericht. Eine Ergänzung ist nicht notwendig.
Meine Damen und Herren, ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 bis 18 sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht begehrt.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Stimmt jemand mit Nein? — Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? — Keine. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.
Sodann schlage ich vor, gemäß dem Antrag des Ausschusses die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Dann kommen wir zu Punkt 5 c, Änderung des Kriegsgräbergesetzes.
Der Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Biechele. Wir haben den Bericht schon gehört.
Der Ausschuß schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. — Widerspruch erfolgt nicht; der Gesetzentwurf wird im Einvernehmen mit den Antragstellern für erledigt erklärt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes über den Antrag des Bundesschatzministers betr. Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Teilprivatisierung der Vereinigten Elektrizitäts- und BergwerksAktiengesellschaft (VEBA) (Drucksachen IV/2861, IV/3248).
Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesschatz-minister hat den Bundestag um die Zustimmung zur Teilprivatisierung der Vereinigten Elektrizitäts-und Bergwerks-Aktiengesellschaft gebeten. Damit wird die Politik der Eigentumsbildung fortgesetzt.Der Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes ist von Ihnen zum federführenden Ausschuß bestimmt worden; mitberatend ist der Haushaltsausschuß beteiligt.Der Finanzbedarf der VEBA, insbesondere für energiewirtschaftliche, chemische und bergwirtschaftliche Zwecke, beläuft sich in der nächst übersehbaren Zeit auf 750 Millionen DM. Das angestrebte Ziel ist die Aufbringung dieser Summe. Da der Bundeshaushalt diese Summe nicht aufbringen kann, ist vorgesehen, daß sie durch Kapitalerhöhungen der VEBA, also durch Ausgabe junger Aktien aufgebracht wird. Ihr Ausschuß hat beschlossen, Ihnen die Ausgabe von nur kleingestückelten Aktien im Nennbetrag von 100 DM und die Beschränkung des Stimmrechts für einen Aktionär auf ein Zehntausendstel des Grundkapitals vorzuschlagen. Die gleiche Regelung hatte dieses Hohe Haus bei dei VW-Privatisierung beschlossen.
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8966 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Dr. BurgbacherDer Zweck ist ein doppelter, nämlich einmal dem Kleinaktionär sein volles Stimmrecht zu gewährleisten, zum anderen alber spekulative Zusammenkäufe der VEBA-Aktien auszuschließen. Für die Begrenzung des Stimmrechts erhält das neue Kapital eine Vorzugsdividende gegenüber den anderen Aktien von 1 %.Im Falle der VEBA schlägt Ihnen Ihr Ausschuß vor, dem Bund die Mehrheit des Aktienbesitzes nicht nur zu belassen, sondern dies ausdrücklich festzulegen, und zwar aus zwei Gründen. Der eine hat mit der Teilprivatisierung zu tun. Wir wollen in diesem Fall die Stimmrechtsmehrheit des Bundes auch insofern in Anspruch nehmen, als sie als Interessenwahrer der Kleinaktionäre, also der Bürger unseres Volkes, zur Verfügung steht. Der andere Grund liegt in der Sache. Die VEBA ist in hohem Maße ein energiewirtschaftliches Unternehmen, und nach den Grundsätzen der Energiewirtschaft scheint es angemessen zu sein, die öffentliche Mehrheit beizubehalten. Der Bund hat das Recht, vier Vertreter in den Aufsichtsrat zu schicken. Damit hat er einen noch über die Mehrheit hinaus bestimmenden Einfluß auf die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder.Wer kann nun zeichnen? Zeichnen kann jeder deutsche Bürger und jeder unbegrenzt Steuerpflichtige, der 18 Jahre alt oder älter ist. Zeichnungsberechtigt sind nur natürliche Personen. Die Zeichnungsgrenze liegt in der Einkommenshöhe. In diesem Fall schlagen wir die Grenze des nach § 32 des Einkommensteuergesetzes zu versteuernden Einkommensbetrages vor, weil wir mit dieser Obergrenze einen familienpolitischen Akzent setzen wollen. Bekanntlich ist ja dann die Möglichkeit des Abzugs der Kinderfreibeträge gegeben.Die Zeichnung vollzieht sich in vier Gruppen, die nacheinander voll zugeteilt werden; die nächsten Gruppen kommen also immer erst in Frage, wenn die vorangehenden voll zugeteilt sind. Zur ersten Gruppe gehören die Belegschaftsmitglieder der VEBA und aller ihrer zur Konzerngruppe gehörenden Unternehmen einschließlich der Pensionäre, Rentner, Witwen und Waisen dieser Belegschaftsmitglieder. Diese Gruppe umfaßt einen Kreis von 180 000 Personen. Danach kommt die Gruppe der natürlichen Personen mit einem steuerpflichtigen Einkommen von maximal 8000 DM für Ledige und 16 000 DM für Ehepaare. Es folgt die Gruppe der Personen mit einem Einkommen bis zu 11 000 DM bzw. 22 000 DM und schließlich die Gruppe der Personen mit einem Einkommen bis zu 14 000 bzw. 28 000 DM. Das ist die oberste Grenze der Zeichnungsberechtigung. Für Einkommen darüber wird nichts zugeteilt, auch wenn wider Erwarten nicht voll gezeichnet werden sollte.Der Ausgabekurs kann nach der Sachlage nur sehr zeitnah festgesetzt werden und auch erst nach den Beschlüssen dieses Hohen Hauses, um die wir heute bitten. Er muß den Vorschriften der Haushaltsordnung und soll sozialen Überlegungen entsprechen. Aus diesen beiden Komponenten ergibt sich als Ausgabekurs zwingend die untere zulässige Bewertungsgrenze. Es ist sicher auch den meisten Mitgliedern dieses Hohen Hauses bekannt, daß derBewertungsbegriff für Aktien so großer Unternehmen nicht etwa eine mathematisch festliegende Zahl ist, daß vielmehr je nach den Ertragserwartungen, die man für die Zukunft hat, sehr verschiedene Bewertungen erlaubt und denkbar sind.Wir sind der Auffassung, daß der Ausgabekurs an der unteren Bewertungsgrenze ein Sozialkurs ist, der an die Stelle des Sozialrabatts tritt. Ein Sozialrabatt wäre bei der VEBA — da es sich um eine Kapitalerhöhung handelt — nur dann möglich gewesen, wenn der Gegenwert für den Rabatt aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt worden wäre. Der Ausschuß war aber mit Mehrheit der Meinung, daß ein sozialer Ausgabekurs an der unteren Bewertungsgrenze und eine gleichzeitige Begrenzung des Zeichnungsrechtes auf die kleinen und die etwas besseren Einkommen, also der Ausschluß höherer Einkommen, im Ergebnis dem Sozialrabatt vollkommen entsprechen. Das gilt zumindest in der grundsätzlichen Linie, wobei natürlich im Einzelfall zwischen Sozialkurs und Sozialbonus graduelle Unterschiede bestehen können.Das Ausmaß der Kapitalerhöhung können wir erst feststellen, wenn der Kurs festgesetzt ist. Aufzubringen sind 750 Millionen DM. Aus der Division dieses Betrages durch den Kurs ergibt sich dann die Höhe des Nennkapitals.Als Konsortium für die Zeichnung haben wir praktisch sämtliche Geld- und Bankinstitute der Bundesrepublik gewonnen. Es ist ein umfassendes Bankenkonsortium, in dem neben den Großbanken die Girozentralen, die Genossenschaftsbanken und alles, was in Deutschland auf diesem Gebiet arbeitet, mit vertreten sind.Der einzelne Bürger kann bis zu fünf Aktien zu je 100 DM Nennwert zeichnen, Ehegatten können also 10 Aktien zeichnen. Für jedes Kind über 18 Jahre können wiederum bis zu fünf Aktien gezeichnet werden, immer aber unter Beachtung der vorgesehenen Einkommensgrenzen. Wenn eine Überzeichnung stattfinden sollte, soll der Bund nach dem Antrag Ihres Ausschusses berechtigt sein, aus seinem verbleibenden Besitz von VEBA-Aktien bis zu 100 Millionen DM Nennwert zu verkaufen, allerdings unter der Voraussetzung, daß damit die mindestens 51 O/o des Bundes nicht gefährdet werden.Wir haben natürlich auch die Pflicht, uns zu überlegen, was bei nicht voller Zeichnung der jungen Aktien zu geschehen hat, auch wenn man damit nicht rechnet. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß die nicht gezeichneten Aktien dem Zweck des Gesetzes erhalten bleiben müssen und nicht im freien Verkauf unter Aufhebung der Einkommensgrenzen Verwendung finden dürfen.Wir haben deshalb mit der Bankengruppe eine besondere Auffanggruppe verabredet, die unter Zahlung des Betrages an die VEBA, die ihn ja sofort haben muß, diese Aktien zu treuen Händen bewahrt. Sie werden dann zu einem späteren Zeitpunkt nach neuen Beschlüssen des Ausschusses, aber unter dem Gesichtspunkt der sozialen Privatisierung ihre Verwendung finden.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8967
Dr. BurgbacherDer Gesetzgeber ist nun auch verpflichtet, dafür zu sorgen — soweit er es kann —, daß die neue VEBA ein ertragsstarkes, gesundes und gut geführtes Unternehmen wird. Der Ausschuß hat daher beschlossen, daß die Kleinaktionäre eine angemessene Vertretung im Aufsichtsrat haben müssen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Entsendungsmandate des Bundes.Er hat weiter beschlossen, daß der Vorstand, der jetzt aus zwei Personen besteht, die in höchst verdienstvoller Weise die VEBA führen, in Zukunft aus drei bis höchstens sieben Mitgliedern bestehen muß. Dabei sollen insbesondere die Referate Bilanz und Finanz, Konzernpolitik, Energiepolitik und Sozialwesen beachtet werden. In diesem Vorstand soll also eine Art Sozialdirektor vorhanden sein, der für den Konzern dieses Gebiet zu koordinieren hätte.Ihr federführender Ausschuß, der Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes, hat ohne Gegenstimmen den Anträgen des Bundesschatzministers mit den aus dem Antrag ersichtlichen Abweichungen zugestimmt. In der Schlußabstimmung über die Vorlage hat sich eine Minderheit der Stimme enthalten. Der Haushaltsausschuß hat der Vorlage des Aus- I schusses für wirtschaftlichen Besitz des Bundes in vollem Umfang zugestimmt.Ihr Ausschuß bittet also heute das Hohe Haus, die Ausgabe junger VEBA-Aktien, wie hier dargelegt, zu genehmigen und dabei festzustellen, daß eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht erforderlich ist und nicht vorgenommen werden soll, und zweitens die Zustimmung dazu zu geben, daß der Bund bei Übernachfrage die 100 Millionen DM Nennwert VEBA-Aktien unter der Voraussetzung veräußern darf, daß damit die Mehrheit des Bundes nicht in Gefahr kommt.Die Frage des Kurses — das ist der dritte Punkt — soll nach einem Kabinettsbeschluß durch vier Bundesminister geregelt werden: Bundesschatzminister, Bundesfinanzminister, Bundeswirtschaftsminister und Bundesarbeitsminister. Ihr Ausschuß weiß, welche Bedeutung die Höhe des Kurses hat. Er hat deshalb geglaubt verantwortlich zu handeln, wenn er beschlossen hat, daß der Kurs gilt, wenn die vier Minister ihn einstimmig finden. Wenn die Minister aber nicht einstimmig zu einem Kurs kommen, dann muß der Bundesschatzminister erneut mit Ihrem Ausschuß über den Kurs beraten, bevor er endgültig festgesetzt wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat durch mich schon in der ersten Lesung dieses Antrags unsere grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben der Bundesregierung kundgetan. Ich möchte mich daher heute auf das Wesentliche und Entscheidende unserer Kritik konzentrieren.Wir haben bei der Frage der Vermögensbildung bei den bisher Vermögenslosen immer wieder den Grundsatz in den Vordergrund gestellt, daß es notwendig und gerechtfertigt ist, öffentliche finanzielle Hilfen, ganz gleich welcher Art, für die Sparförderung zu konzentrieren auf die Einkommensgruppen mit niedrigem Einkommen und auf die Einkommensbezieher mit einer größeren Kinderzahl. Wir haben aber gleichzeitig Wert darauf gelegt, daß endlich Schluß gemacht wird mit der Vergeudung öffentlicher Hilfen an Einkommensbezieher, deren Sparfähigkeit so groß ist, daß sie weiterer Hilfen zu Lasten des allgemeinen Steuerzahlers nicht bedürfen. Es muß ja in diesem Zusammenhang auch gesehen werden, daß zu dem, was in dieser Vorlage vorgesehen ist, additiv noch die Sparprämien auf Grund des Sparprämiengesetzes hinzukommen.Wir sind insbesondere auch deshalb nicht davon befriedigt, daß man hier von einem Sozialbonus zugunsten der Bezieher kleinerer Einkommen abgesehen hat, weil man so etwas schon bei der Volkswagenwerkprivatisierung praktisch durchgeführt hat. Bei der Volkswagenwerkprivatisierung war esso,
daß die Bezieher kleinerer Einkommen — Ledige bis 6000 DM, Ehepaare bis 12 000 DM — einen Sozialbonus von 20 oder 25 %, je nach Kinderzahl, bekamen und daß die Bezieher von Einkommen, die nur wenig höher lagen — Ledige bis 8000 DM, Ehepaare bis 16 000 DM — einen Sozialbonus von 10 % erhielten.Hier ist man von diesem gesunden Prinzip der Konzentration der Hilfen auf die Bezieher kleiner Einkommen abgegangen. Das, was der Berichterstatter dazu gesagt hat, halten wir nicht für durchschlagend. Es hätte durchaus Möglichkeiten gegeben, das 211 wiederholen, was beim Volkswagenwerk geschehen ist.
Herr Burgbacher hat hier erläutert, daß man als Ersatz dafür einen genannten sozialen Ausgabekurs wählen werde, einen Ausgabekurs für die neuen Aktien, der sich — so sagte er expressis verbis — an der unteren Grenze des Schätzungsrahmens halten werde. Das heißt, man will einen solchen allgemeinen Sozialbonus bis herauf zu Einkommen von 28 000 DM — bei Ehepaaren — im Jahr geben. Unserer Auffassung nach wäre es aber gerechtfertigt gewesen, einen Unterschied zwischen so hohen Einkommen und den kleineren Einkommen zu machen, und zwar einen ins Gewicht fallenden Unterschied.Es ist jetzt der formal-aktienrechtliche Einwand gemacht worden, eine Aktiengesellschaft könne nicht Aktien zu verschiedenen Kursen ausgeben. Demgegenüber weise ich darauf hin, daß wir in der ersten Lesung und auch in den Ausschußberatungen immer wieder auf einen Ausweg aus dieser Klemme hingewiesen haben. Man hätte so verfahren können,
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8968 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Kurlbaumdaß man einen allgemeinen Ausgabekurs nicht an der unteren Grenze fixiert, sondern daß man ihn entsprechend dem wahrscheinlichen realen Wert der Aktien fixiert. Dadurch hätte die VEBA einen verstärkten Kapitalzufluß bekommen, und sie wäre in die Lage versetzt worden —das war unser Vorschlag —, z. B. die bisher gestundete Dividende an den Bundeshaushalt zu zahlen. Aus dieser gestundeten Dividende hätte z. B. ein Sozialbonus finanziert werden können.
— Das hätten Sie ja alles ändern können. Wir haben einen Weg gezeigt, der weder die VEBA noch den Bundeshaushalt Geld gekostet hätte.Ich erwähne das noch einmal ausdrücklich, damit nicht der Eindruck entsteht, wir wären in allen Punkten mit dieser Vorlage einverstanden. Das sind wir also keineswegs.Andererseits anerkennen wir, daß mit dieser Vorlage auch Fortschritte erzielt worden sind, und zwar in zwei entscheidenden Punkten. Erstens haben sich die Bundesregierung und die Koalitionsparteien unserer Vorstellung angeschlossen, die wir schon jahrelang vertreten haben, daß der Bund auf eine maßgebliche Beteiligung an den Bundesunternehmen nicht verzichten sollte, die von volkswirtschaftlich entscheidender Bedeutung sind. Das ist hier geschehen, und insofern haben sich Bundesregierung und Koalitionsparteien hier unserem Standpunkt angeschlossen. Wir begrüßen das.Es hieß schon in der Vorlage vom Dezember vorigen Jahres, daß dies heute im Interesse der Volksaktionäre und aus energiepolitischen Erwägungen notwendig sei. Hinter das Wörtchen „heute" möchte ich ausdrücklich ein Fragezeichen setzen. Wir waren uns schon vor Jahren darüber klar, daß das zweckmäßig und notwendig sei.Noch ein Zweites! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion begrüßt es durchaus, daß hier nunmehr ein Anlagepapier für den kleinen Sparer geschaffen wird
— lassen Sie mich gleich die Bedingungen dafür aufzählen, dann werden Sie erkennen, daß hier ein Novum vorliegt —, und zwar ein Anlagepapier, das drei wesentliche Eigenschaften in sich vereinigt. Erstens ist es ein Sachwert — das ist nichts Neues, das gibt es schon —, der den Kleinsparer vor einer schleichenden Geldentwertung schützt. Zweitens ist es ein Wert, der auch den Kleinsparer im Gegensatz zu den konventionellen Anlageformen des Kleinsparers an dem Vermögenszuwachs der deutschen Industrie teilnehmen läßt. Nun kommt der entscheidende Punkt: Der Bund bleibt mit 51 0/o an dem Unternehmen beteiligt. Er trägt also die volle Verantwortung für die Unternehmenspolitik. Er wird damit in der Lage sein — das glauben wir —, Schaden vom Kleinaktionär abzuwenden.Nachdem alle diese drei Bedingungen erfüllt sind, halten wir das neugeschaffene Anlagepapier für eine gute Sache. Das ist auch einer der Gründe — das möchte ich hier klar und deutlich sagen —, warum wir uns entschlossen haben, der Vorlage zuzustimmen.Es gibt noch einen anderen Punkt. Wir haben in den Ausschußverhandlungen auch durchgesetzt, daß der VEBA-Konzern nunmehr eine organisatorische Spitze erhält — das hat Herr Bungbacher schon erwähnt — und insbesondere im Vorstand ein besonderes Mitglied mit dem Charakter eines Arbeitsdirektors vorhanden sein wird. Das ist auf den Antrag unserer Mitglieder im Ausschuß geschehen.Ich möchte nicht verhehlen, daß wir es begrüßt hätten, wenn auch in anderen Punkten unseren Vorstellungen Rechnung getragen worden wäre. Es handelt sich hierbei z. B. auch darum, daß der Bund 75 % dieses Unternehmens und nicht nur 51 % behalten sollte.
— Meine Herren, lassen Sie mich doch wenigstens ausreden. Sie kennen unseren Vorschlag. Mit den stimmrechtslosen Vorzugsaktien hätte dieses Problem, was das Stimmrecht des Bundes betrifft, vollkommen gelöst werden können. Sie werden es wahrscheinlich noch erleben: auf diese Gesellschaft, wenn sie von einer zukünftigen Bundesregierung wirtschaftspolitisch und vor allen Dingen energiepolitisch richtig eingesetzt wird, werden große Finanzierungsaufgaben zukommen. Man wird sich daher in Zukunft noch gerne unseres Vorschlags der stimmrechtslosen Vorzugsaktien entsinnen, wenn man sicherstellen will, daß der maßgebende Einfluß des Bundes erhalten bleibt, ohne daß neue Bundesmittel zugeführt werden müssen. Damit ist, wie ich meine, auch dieser unser Vorschlag noch keineswegs endgültig erledigt.Meine Damen und Herren, wir stimmen also der Vorlage zu. Aber ich sage ausdrücklich folgendes: Wir werden erst abwarten, wie tatsächlich die neuen VEBA-Aktien den vier vorgesehenen Gruppen, nämlich den Belegschaften und den drei Einkommensgruppen, zugeteilt werden. Wir werden dann erleben, ob die Gruppen mit dem niedrigen Einkommen wirklich ihrer Bedeutung entsprechend beteiligt sein werden oder ob wiederum, wie in der Vergangenheit, die Gruppen mit hohen Einkommen den entscheidenden Anteil haben werden. Erst wenn dieses Ergebnis der Öffentlichkeit vorliegt, wird festgestellt werden können, ob sich dieses Experiment mit der VEBA auch optimal im Sinne einer Vermögensbildung bei den bisher Vermögenlosen ausgewirkt hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß die SPD offenbar auch
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8969
Katzerin dieser Frage von einem Nein über ein „Jein" jetzt zu einem halbfreundlich lächelnden Ja gekommen ist.
— Gedulden Sie sich, Herr Kollege Kurlbaum. Ich habe mich gewundert, daß Sie heute hier gesprochen haben. Im Ausschuß habe ich Sie nicht erlebt. Sie hatten andere Ausschußverpflichtungen. Ich würde viel lieber mit den Kollegen diskutieren, mit denen wir uns auch im Ausschuß auseinandergesetzt haben.
Aber es ist natürlich Ihre Sache, wen Sie als Redner für so etwas bestimmen.
Nach dem Bericht des Ausschusses, den mein Kollege Professor Burgbacher soeben gegeben hat und dem sachlich nicht so sehr viel hinzuzufügen ist, möchte ich für die CDU/CSU-Fraktion drei Gesichtspunkte besonders hervorheben.Erstens. Mir liegt daran, deutlich werden zu lassen: diese soziale Teilprivatisierung der VEBA ist eine konsequente Fortsetzung der Eigentumspolitik der Christlichen Demokraten.
Wir setzen unsere Eigentumspolitik fort, die sich nicht nur auf die soziale Privatisierung erstreckt, die die SPD übrigens immer bekämpft hat, gegen die sie immer gestimmt hat.
Es gehört wirklich schon ein erstaunlicher Mut dazu, daß Sie hier den Eindruck erwecken, als hätten Sie bei VW und bei der Preußag zugestimmt. Genau das Gegenteil ist der Fall gewesen. Das werden Sie doch alle wissen.
Herr Abgeordneter Katzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kurlbaum?
Bitte sehr!
Herr Kollege Katzer, halten Sie es wirklich für vertretbar, so zu tun, als ob das das gleiche wäre? Sie wissen doch ganz genau, daß wir der Preußag-Privatisierung widersprochen haben, weil der Bund sein Eigentum auf 17 °/o reduziert hat, und daß wir beim Volkswagenwerk Bedenken hatten, weil der Bund sein Eigentum auf 20 °/o reduziert hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Kurlbaum, ich höre kein Fragezeichen.
Ich muß das der Wahrheit halber sagen!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Kurlbaum, das ist Ihre Aufgabe. Meine Aufgabe ist, hier festzustellen, was Rechtens ist, nämlich daß Sie dagegen gestimmt haben, und das können Sie nicht aus der Welt schaffen.
Meine Damen und Herren, wir setzen unsere Eigentumspolitik zügig fort. Sie beschränkt sich nicht auf die soziale Privatisierung. Hören Sie gut zu, Herr Kollege, ich komme nachher noch zu ganz anderen Feststellungen und Bemerkungen, wo Sie sich wirklich erregen können, aber nicht über mich, sondern über Ihre eigene Partei. Dazu werden Sie noch Gelegenheit haben.
— Ich kann verstehen, daß es für Sie sehr unangenehm ist, daß Sie das heute hören. Aber ich freue mich, daß ich Gelegenheit habe, Ihnen das einmal sehr deutlich und sehr klar in aller Öffentlichkeit zu sagen.
Ich wollte sichtbar werden lassen, daß dieser Teil der Eigentumspolitik in die gesamte Eigentumspolitik der Christlich-Demokratischen Union eingefügt werden muß. Wir haben diese Politik mit dem Wohnungsbauprämiengesetz begonnen. Das Ergebnis ist eine überzeugende Rechtfertigung dieser unserer Politik.
Ende 1964 betrug der Gesamtbestand der Wohnungsbauprämienverträge rund 5 Millionen Verträge mit einer Gesamtvertragssumme von — hören Sie gut zu! — 99 Milliarden DM. Allein im Jahre 1964 wurden bei den öffentlichen und privaten Bausparkassen 1 Million neue Verträge mit einer Vertragssumme von 21,3 Milliarden DM abgeschlossen. Das bedeutet einen Zuwachs von mehr als 22 %.Wir haben einen weiteren Schritt in unserer Eigentums- und Vermögenspolitik durch das auf Initiative der Bundesregierung im Jahre 1958 beschlossene Sparprämiengesetz geleistet. Ende 1964 betrug der Gesamtbestand prämienbegünstigter Spareinlagen bei allen Sparkassen und Kreditinstituten 8,3 Milliarden DM. Allein im Jahre 1964 war ein Zuwachs von mehr als 2,2 Milliarden DM zu verzeichnen.Hier scheint mir besonders erfreulich die Tatsache zu sein, daß der Anteil der Ratensparverträge mit 62 % der gesamten Sparverträge außerordentlich hoch gewesen ist.Nun, meine Damen und Herren, setzen wir mit der Teilprivatisierung der Preußag, mit der Teilprivatisierung des Volkswagenwerks unsere eigentumspolitischen Bemühungen gradlinig fort, und heute werden wir mit unserem Vorschlag zur sozialen Privatisierung einen weiteren Schritt tun, um unser politisches Ziel, das wir 1957 in die Sätze formulierten: „Wohlstand für alle, Eigentum für jeden" der Verwirklichung wieder ein Stück näherzurücken.
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8970 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
— So, Sie haben eine.
— Sie stehen auch nicht drauf, Herr Kollege. (Anhaltende Zurufe und Heiterkeit.)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte!
Ist die Frage erlaubt, ob der Minister, der dieses Gesetz eingebracht hat, auch zu denen gehört, die nach der Meinung von Herrn Dufhues dringend abgelöst werden müssen?
Herr Kollege, Sie können ganz unbesorgt sein. Das wird ausschließlich unsere Sorge sein nach erfolgreichen Wahlen.
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8971
KatzerIch freue mich aber, daß Sie sich schon jetzt Sorgemachen. Offenbar nehmen Sie doch an, daß wirwieder diese Liste von uns aus aufstellen werden.
Wir sagen „soziale Privatisierung", meine Damen und Herren, weil wir zweitens den Kreis der zeichnungsberechtigten Personen in der ersten Stufe begrenzt haben — Herr Kollege Kurlbaum, vielleicht hätten Sie die Güte, eine Sekunde zuzuhören —, und zwar auf ein Jahreseinkommen von 8000 bzw. 16 000 DM im Einzelfall.
— Nein, das hat Herr Kurlbaum nicht gesagt, sondern er hat die dritte Phase genannt. Hier unterscheide ich mich von ihm. Ich bin der Auffassung, daß in der ersten Phase der Zuteilung alle die zeichnen werden, die zu diesem Personenkreis gehören, nämlich Ledige mit bis zu 8000 DM, Verheiratete mit bis zu 16 000 DM Einkommen. Diese kommen, glaube ich, auch nach Ihrer Auffassung in den Genuß des sozialen Ausgabekurses. Das scheint eine sehr viel vernünftigere und sinnvollere Regelung zu sein als die nach den sehr komplizierten Vorschlägen, die Sie dazu gemacht haben.Meine Damen und Herren, die Zeit reicht nicht aus, sonst könnte ich eine ganze Reihe von Belegen aus dem Ergebnis der Privatisierung von VW hier unterbreiten. Herr Kollege Kurlbaum, wenn Sie im Ausschuß gewesen wären, wüßten Sie es; wir haben dort die Zahlen bekommen. Es ist doch einfach eindrucksvoll, wie hoch gerade die Zahl der Bezieher kleiner Einkommen gewesen ist, die von der Möglichkeit der Zeichnung Gebrauch gemacht haben.Wir sagen drittens „soziale Privatisierung", weil wir nicht eine unbegrenzte, sondern eine begrenzte Ausgabe von fünf Aktien für jede natürliche Person vorsehen.Wir sagen „soziale Privatisierung" viertens, weil wir die Belegschaften bevorzugt berücksichtigt haben.Wir sagen „soziale Privatisierung" fünftens, weil wir die Kleinaktionäre in dem Aufsichtsrat vertreten wissen wollen.Sie haben die Frage der Mitbestimmung in Ihrem Schriftlichen Bericht ausgelassen. Ich weiß nicht die Gründe. Vielleicht gibt das Studium Ihres Parteitages darüber Auskünfte. Ich wollte hier nur sagen: nach den gesetzlichen Bestimmungen kommt eine quilifizierte Mitbestimmung, wie sie bei Hibernia gegeben ist und auch erhalten bleibt, Herr Kollege Kurlbaum, für den Konzern nicht in Betracht. Der Ausschuß hat sich einmütig dafür ausgesprochen. Es ist einfach nicht wahr — und das war der Grund, weshalb ich etwas zornig war, Herr Kollege Kurlbaum —, daß auf Antrag der sozialdemokratischen Kollegen die modifizierte Mitbestimmungsregelung in unseren Vorschlag hineingekommen ist. Das kann keiner der Kollegen Ihrer Partei, die an denAusschußberatungen teilgenommen haben — Sie haben ja auch nicht teilgenommen —,
hier darlegen. — Nein, Sie haben nicht teilgenommen. Ich mache Ihnen keinen Vorwurf deswegen. Ich sage nur, es sollten sich auch endlich einmal die Freunde melden, die im Ausschuß dabeigewesen sind. Diese sollten die Vorlage vertreten, die wir wochen- und monatelang gemeinsam erarbeitet haben.
Herr Abgeordneter Katzer, der Abgeordnete Behrendt möchte eine Frage an Sie stellen.
Bitte!
Obwohl ich nicht im Ausschuß war, Herr Kollege Katzer, darf ich Sie fragen: Welche Aussage stimmt? Stimmt die Aussage, die Sie jetzt gerade gemacht haben, oder die Aussage des „Ausschußvorsitzenden" Katzer, die im Ausschußprotokoll niedergelegt ist — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
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8972 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Herr Kollege Katzer, Herr Abgeordneter Professor Burgbacher möchte gern eine Frage in dieser Richtung an Sie stellen.
Ich richte diese Frage an den Kollegen Behrendt.
— Dann richte ich die Frage an Herrn Katzer, ob er
nicht in der Lage ist, den Satz in diesem Protokoll,
der vor dem vorgelesenen Satz steht, vorzulesen.
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin gebeten, Sie möchten sich nicht zur Zwischenfrage melden. Ich habe die Zwischenfrage zugelassen, weil ich in erster Linie den Verlauf der Beratung klarstellen wollte. Wir haben monatelang beraten, und da steckt ein Stück Herzblut von mir drin, Sie können sich das vorstellen. Ich bin zutiefst empört über diese Verhaltensweise, die Sie hier darbieten, weil das nicht dem Verlauf der Ausschußberatung entspricht. Ich bedaure, daß die Kollegen, die dabeigewesen sind und die mir das bestätigen müßten, nicht den Mut haben, sich hier zu Wort zu melden. Das bedaure ich ganz tief, muß ich sagen.
Herr Kollege Katzer, in solchen Fällen pflegt der Präsident zu sagen: „Herr Abgeordneter, mäßigen Sie sich!"
Vielleicht kann der Herr Abgeordnete Katzer jetzt fortfahren.
Ich möchte fortfahren, indem ich sage: Ich bedaure es sehr,
— Sie werden mir gestatten, daß ich das noch einmal unterstreiche —,
ich bedaure es sehr, daß in Ihrer Fraktion, von der ich glaubte, daß die Fairneß größer geschrieben würde, solche Dinge vorkommen.
Wir haben als Letztes schließlich — —
— Herr Kollege Schäfer, es wäre ja eine Kleinigkeit, durch eine Zwischenfrage, nachdem sich andere Kollegen gemeldet haben, von den Kollegen, die im Ausschuß gewesen sind, hier eine Klarstellung herbeizuführen. Darum hatte ich gebeten, um mehr nicht.
Sechstens sage ich „soziale Privatisierung", weil wir, meine Damen und Herren, einen sozialen Ausgabekurs festgelegt haben, der sich — wie Herr Kollege Burgbacher schon mit Recht darstellte — an der unteren Grenze der Bewertung orientieren wird.
Lassen Sie mich ein Letztes hinzufügen. Ich sagte eingangs: Die soziale Privatisierung der VEBA ist ein Teil unserer Eigentumspolitik. Ich möchte das mit dem Blick .auf die Zukunft wiederholen. Wir haben in der Vergangenheit bewußt und — wie wir alle erfahren haben — zu Recht den Wiederaufbau der Wirtschaft gefördert; das ist allen zugute gekommen. Mit demselben Elan, wir wir die erste Phase der Marktwirtschaft gemeistert haben, werden wir auch die zweite Phase meistern, und wenn es richtig war, den Wiederaufbau der Wirtschaft zu fördern — und es war richtig —, so kann es nicht verkehrt sein, weiterhin mit allen marktkonformen Mitteln auch die persönliche Eigentumsbildung beim einzelnen weiter zu fördern. Ich unterstreiche: die persönliche Eigentumsbildung beim einzelnen.
Meine Damen und Herren, es geht uns nicht um eine wie immer geartete kollektive Eigentumsbildung. Ich füge hinzu: Wir sind fest davon überzeugt, daß das Modell der sozialen Privatisierung, das wir entwickelt haben, das Modell der freien Gesellschaft von morgen sein wird. Wir möchten wünschen und hoffen, daß Länder und Gemeinden dieses unser Modell aufgreifen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine breitere Eigentums- und Vermögenspolitik treiben.
Weiter sind wir davon überzeugt, daß diese unsere Initiative auch Modell für die private Wirtschaft der Zukunft sein wird. Nicht nur die Aktienpakete des Bundes sollten den breiteren Schichten zugänglich gemacht werden. Wir haben den § 6 b des Einkommensteuergesetzes geändert. Dadurch werden sicherlich zahlreiche Aktienpakete stärker zum Verkauf angeboten werden. Für uns ist die Frage: Wer soll kaufen, wer kann kaufen? Wir meinen, nicht nur die bisherigen Aktienbesitzer, sondern auch gerade der Personenkreis, den wir mit der sozialen Privatisierung ansprechen.
Herr Abgeordneter Katzer, der Herr Abgeordnete Jacobi möchte eine Zwischenfrage stellen.
Bitte sehr!
Herr Kollege Katzer, haben Sie bei Ihrer Aufforderung an die Länder und Gemeinden in diesem Zusammenhang berücksichtigt,
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8973
Jacobi
daß die Länder und Gemeinden — soweit ihre eigenen Unternehmen betroffen sind — zunächst einmal ein sehr großes Opfer bringen mußten, und zwar durch die Aufhebung der sogenannten Privilegierung bei der Umsatz- und Vermögensteuer?
Herr Kollege Jacobi, ich habe einen Appell an die Länder und Gemeinden gerichtet, der dahin geht, die Privatisierungspolitik, die wir mit Erfolg bisher betrieben haben, auch in ihre Überlegungen einzubeziehen.
Das war der Appell, den ich an sie gerichtet habe und den ich gern wiederholen möchte.
Meine Damen und Herren, es geht uns nicht um ein Geschenk für die Verkäufer, sondern es geht uns um eine Starthilfe für Bezieher kleinerer Einkommen.
Deshalb sollten unsere Überlegungen dahin gehen, mehr als bisher einen Anreiz zu geben. Wir brauchen auch vielleicht im Rahmen der Vorstellungen, die der Herr Bundeskanzler in der jüngsten Vergangenheit entwickelt hat, ein Sondervermögen für Eigentumsbildung, damit solche und ähnliche Pläne realisiert werden können. Die soziale Privatisierung muß und wird, davon bin ich überzeugt, ihre Symbolkraft gerade auch auf die private Wirtschaft erweisen.
Die Fraktion der CDU/CSU stimmt dieser Vorlage zu. Die Fraktion dankt bei dieser Gelegenheit dem Herrn Bundesschatzminister und seinen Mitarbeitern für die tatkräftige Hilfe bei der Verabschiedung dieser Vorlage.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mälzig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorab als Mitglied des Ausschusses, in dem wir eigentlich, solange ich in diesem Ausschuß bin, immer sehr verständnisvoll und beinahe übereinstimmend gearbeitet haben, nicht versäumen, hier festzustellen, daß die Darstellung, die Herr Katzer soeben über den Verlauf der Ausschußsitzung gegeben hat, nach meiner Erinnerung den Tatsachen entspricht.
Mehr möchte ich hier im Augenblick nicht zu diesem Thema sagen. Ich würde es bedauern, wenn dieses Thema noch weiter ausgewalzt würde. Es paßt nicht so recht nach Berlin, finde ich, daß wir uns hier bei einem solchen Thema wegen derartiger Vorgänge gegenseitig die Blumen wegzunehmen versuchen. Das wollte ich vorausschicken.Wie ich bereits am 29. Januar dieses Jahres bei der ersten Lesung im Bundestag in Bonn zum Ausdruck bringen konnte, sind wir Freien Demokraten, die wir uns schon sehr lange bemühen, die Privatisierung der bundeseigenen wirtschaftlichen Unternehmungen voranzutreiben, natürlich sehr einverstanden mit allen Maßnahmen, die in dieser Richtung jetzt ergriffen werden. Ich habe aber damals gesagt — und ich wiederhole es heute —, daß uns der Begriff „Teilprivatisierung" an diesem Vorgang am wenigstens gefällt und daß wir viel lieber gesehen hätten, wenn es eine richtige Privatisierung in etwas größerem Stil gewesen wäre.
Denn wir sind nicht der Auffassung, daß es unbedingt nötig ist, daß der Bund sich von solchen industriellen Objekten 51 % oder jedenfalls eine Mehrheit sichert. Wir meinen, daß der Satz, den Herr Minister Dollinger in seinen Ausführungen am 29. Januar mehrfach zum Ausdruck brachte und dem ich damals schon sehr betont zustimmte, seine Berechtigung und Gültigkeit hat: Der Staat soll nur dort wirtschaften, wo die Privatwirtschaft nicht willens oder nicht in der Lage ist, zu wirtschaften. Dieser Satz hat nach wie vor volle Gültigkeit
und wäre auf das Objekt VEBA durchaus anwendbar.Wir hoffen, daß mit dieser Teilprivatisierung gewissermaßen ein erster Schritt in dieser Richtung getan ist und daß eines Tages die Fortsetzung im Wege weiterer Privatisierung von Aktienpaketen aus dem Besitz des Bundes bezüglich VEBA nachfolgen kann. Das ist durchaus möglich und wäre meines Erachtens gerade im Falle VEBA eine gute Maßnahme. Denn die Situation, die in diesem vielgegliederten VEBA-Konzern gegeben ist, rechtfertigt durchaus eine Streuung dieser Aktien in die weiten Kreise derer, die bisher mit Aktienbesitz wenig zu tun hatten, und derer, die damit eine Chance geboten bekommen, Privateigentum zu erwerben, und zwar ein Privateigentum, das aller Wahrscheinlichkeit nach sehr weitgehend vor Geldentwertung geschützt ist.Wir glauben, daß die Situation auf dem „Sparmarkt", wenn ich den Ausdruck prägen darf, uns eine Möglichkeit gibt, zu hoffen, daß der jetzige Privatisierungsvorgang in einer Größenordnung von 750 Millionen DM Geldaufwand, den wir von den präsumtiven Aktionären erwarten, funktionieren wird und daß die Aktien unter die Leute kommen werden, denen sie zugedacht sind. Wir hoffen, daß das in diesem Umfange geschieht. Ja, ich gehe noch weiter: ich hoffe sogar, daß es notwendig wird, daß wir im Ausschuß die zusätzliche Entscheidung treffen, weitere 100 Millionen DM VEBA-Aktien aus dem Bundesbesitz der Privatisierung zuzuführen. Hoffen wir, daß die Entwicklung so verläuft!Die Tatsache, daß wir uns heute hier in Berlin mit diesem Problem beschäftigen, bedarf noch einer besonderen Würdigung. Denn wenige hundert Meter von uns entfernt verläuft seit Jahren die umgekehrte Entwicklung. Dort werden private Unternehmungen kleiner und kleinster Handwerker usw. in sogenanntes Volkseigentum überführt. Dort enteignet man also, während wir uns hier bemühen — das sollte man doch ruhig einmal recht deutlich als einen markanten Unterschied der Auffassungen, die da wenige hundert Meter östlich von uns ver-
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Dr. Mälzigtreten werden, herausstellen —, eine Streuung privaten Eigentums in die Hände derer vorzunehmen, die in diesen Unternehmen arbeiten oder die sonst noch nicht die Gelegenheit hatten, privates Eigentum zu erwerben, und zwar aus dem jetzigen Besitz des Staates.
Wir gehen nicht den Weg der Sozialisierung, sondern den umgekehrten Weg und privatisieren mit einem guten Vorzeichen. Ich nehme an, daß sich diese Entscheidungen auch in der Bevölkerung entsprechend auswirken werden und daß man anerkennen wird, daß die VEBA ein lohnendes Objekt ist, an dem man sich beteiligen sollte. Ich meine jedenfalls, es wäre schade, wenn manche, die die Möglichkeit dazu haben, nicht von ihr Gebrauch machten. Man sollte alles tun, um die Auffassung wachzuhalten oder zu wecken, daß man von dieser Gelegenheit Gebrauch machen sollte.Natürlich wird der Ausgabekurs, der für diese Aktien gefunden werden muß, eine Rolle spielen bei der zukünftigen Entwicklung des Papiers und bei der Bedeutung, die diese Kapitalanlage damit für den einzelnen Neuerwerber haben wird. Aber wir glauben, daß die vier Herren des Kabinetts, die die Aufgabe zugeteilt bekommen haben, diese Entscheidung zu treffen, den richtigen Weg finden werden. Für den Fall, daß dort kein Einverständnis erzielt werden sollte, hat der Ausschuß darum gebeten, noch einmal mit der Angelegenheit befaßt zu werden. Wir glauben also, daß wir notfalls auf dem Wege über eine nochmalige Arbeit im Ausschuß zu einer Regelung kommen können.Ich betone noch einmal besonders als Auffassung der Freien Demokratischen Partei und unserer Fraktion hier im Hause, daß wir in dieser Regelung einen ersten Schritt zu einer neuen Privatisierung sehen. Wir würden es wirklich begrüßen, wenn sich das Haus in größerem Umfang zu dem Satz bekennen könnte: „Der Staat soll nur dort wirtschaften, wo die private Wirtschaft nicht willens und nicht in der Lage ist zu wirtschaften."
Das Wort hat der Abgeordnete Junghans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Katzer hat mich aufgefordert, hier einige Worte zu dieser Angelegenheit zu sagen.
Herr Kollege Katzer, lassen Sie mich mit einer Feststellung beginnen. Eine Plenarsitzung ist keine Ausschußsitzung. Das heißt, wir wollen keine Plenarsitzung haben, in der die Ausschußberatungen im einzelnen nachgeklappt werden. Es ist deshalb auch nicht immer erforderlich, daß die sachkundigen Ausschußmitglieder hier darüber reden.
Zweitens, Herr Kollege Katzer, entspricht es auch nicht dem Stil kollegialer Zusammenarbeit, wenn Sie die loyale Mitarbeit der SPD in diesem Ausschuß mit Ausdrücken wie „jein" und in einer Methode abqualifizieren, als ob der gute CDU-Lehrer
eine Zensur an den SPD-Schüler zu erteilen hätte.
Herr Kollege Katzer, ich verstehe Ihre ganze Aufregung nicht. Herr Kollege Kurlbaum hat nichts weiter gesagt, als daß auf unsere Anregung hin die Frage der Mitbestimmung geregelt wurde. Sie wissen doch genau — das ist vorher im Ausschuß festgestellt worden —, daß auf Grund der dargelegten Zahlen des Herrn Bundesschatzministers eine qualifizierte Mitbestimmung nicht in Frage kommt, und da sind wir es gewesen, die gefragt haben, in welcher Weise nun auf Grund freier Vereinbarung — —
— Nun, lesen Sie das doch im Ausschußprotokoll nach! Sie können doch nicht abstreiten, daß es so gelaufen ist. Ich gebe Ihnen gern zu, daß die Frage der Mitbestimmung natürlich vorher mit Ihnen erörtert worden ist, aber auf Grund der genannten Zahlen. Ich verstehe Ihre ganze Aufregung nicht. Im übrigen wollen wir in einer solchen Angelegenheit doch keine Geschichtsforschung treiben. Sie würde das ganze Haus hier langweilen.
Noch einige Bemerkungen zur Sache! Ich kann sie mir nicht verkneifen. Die Feststellung, daß durch die Privatisierung „Eigentum für jeden" erzielt würde, ist doch sehr übertrieben.
Ich befürchte, daß Sie mit den Vorteilen, die sich aus solchen sicherlich guten Kapitalanlagen für den Kleinsparer ergeben, doch von dem Hauptproblem ablenken. Denn der gesamte industrielle Bundesbesitz macht noch nicht einmal 4 % aus, und da kann man doch nicht, wenn hier ein ganz kleiner Teil des Kapitals im Nominalwert von etwa 750 Millionen DM zusätzlich ausgegeben wird, davon reden, daß damit schon „Eigentum für jeden", breit gestreut, verwirktlicht wird.
Herr Abgeordneter Dr. Burgbacher möchte eine Frage stellen. — Bitte, Herr Professor!
Herr Kollege Junghans, wissen nicht auch Sie, daß diese Bausteine für eine Politik eben Bausteine sind und daß sie Modellfälle für die gesamte Wirtschaft sein sollen, damit das Prinzip der Volksaktien in der gesamten Wirtschaft einegeführt wird?
Herr Kollege Dr. Burgbacher, zunächst einmal haben Sie heute etwas ganz Neues gesagt. Ich wäre Ihnen 'sehr dankbar, wenn Sie das, was Sie hier erklärt haben, nämlich daß das ganz kleine Bausteine sind, auch in der Öffentlichkeit sagten
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Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965 8975
Junghansund nicht so täten, als ob wir damit den Stein der Weisen gefunden hätten.
— Herr Kollege Burgbacher, haben Sie auch 1961 angefangen, als Sie den Antrag der SPD abgelehnt haben, die Vermögensbildung in Tarifverträgen zu verankern?
Hier sitzen noch einige, die auch bei der VW-Privatisierung dabei waren. Ich sehe Herrn Kollegen Wilhelmi. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie wir darum gekämpft haben, die Stimmrechtsbeschränkung für den Bund von 5 auf 10 Jahre zu höhen. Bitte tun Sie doch nicht so, als ob Sie überhaupt nichts aus der Preußag- und VW-Privatisierung gelernt hätten! Sie haben eine Menge lernen müssen, und wir haben Ihnen das sagen müssen.
'
— Bitte, ich habe doch nichts dagegen, aber Sie sollen nicht so tun, — —
Bei dieser Klarstellung, zu der ich hier soeben herausgefordert worden bin, möchte ich es belassen. Nur noch eins zum Schluß: Ich weiß nicht, was bei diesem Gesetz eine Aufzählung der Sparsummen nach. dem Sparprämiengesetz und dem Bausparprämiengesetz zu suchen hat. Ja, wenn Sie einen kleinen Baustein meinen, dann setzen Sie wahrscheinlich die Kellerfundamente auch noch darunter!
Herr Kollege Katzer, wenn Sie uns links überholen wollen, dann schauen Sie bitte vorher richtig in den Rückspiegel!
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß ganz offen bekennen, daß ich es sehr bedauert habe, daß wir die Einigung, zu der wir in wesentlichen Punkten gekommen sind, nun nicht gemeinsam begrüßen, sondern hier der Versuch gemacht worden ist, die Sache so darzustellen, als ob wir allein es wären, die nachträglich etwas gelernt hätten. Ich bedaure diese Tendenz außerordentlich; denn sie entspricht einfach nicht der Wirklichkeit.
Auch Herrn Kollegen Katzer muß ich sehr ernsthaft korrigieren, weil er manchmal durch die Unvollständigkeit seiner Darstellung wirklich von der Wahrheit abweicht. Lassen Sie mich, Herr Katzer, Ihnen folgendes sagen.
— Jawohl, das werde ich Ihnen gleich noch im einzelnen darlegen.
Herr Katzer, lassen Sie mich Ihnen einmal folgendes sagen: Wie war es bei den Howaldt-Werken? Die SPD hat sich damals mit aller Kraft gegen den Versuch gewandt, die Howaldt-Werke zu privatisieren. Wir sind im Wirtschaftsausschuß überstimmt worden. Die Mehrheit im Wirtschaftsausschuß hat seinerzeit für den Verkauf der Howaldt-Werft an eine Gruppe von Großunternehmen votiert.
Weil ich das so tief bedauert habe, bin ich persönlich in den Haushaltsausschuß gegangen und habe da noch einmal gekämpft. Und dort haben wir mit den Stimmen der SPD eine Mehrheit gegen die Privatisierung der Howaldt-Werft zustande gebracht. Wenn die SPD nicht dagewesen wäre, dann gehörte die Howaldt-Werft heute der Gruppe von Unternehmen, die sie sich unter den Nagel reißen wollte.
Das Wort hat der Abgeordnete Riedel .
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde es begrüßen, wenn wir uns auf den Beitrag des Kollegen Mälzig einigen könnten, der festgestellt hat, daß die Aussagen, die Herr Katzer von dieser Stelle aus über den Verlauf der Ausschußsitzungen gemacht hat, richtig gewesen sind.
— Herr Kollege Junghans, Sie sind hier in einer etwas schlechten Situation. Wir konnten es in der Tat nicht verstehen, daß hier seitens der Sprecher Ihrer Fraktion der Versuch gemacht wird, die Dinge auf den Kopf zu stellen. Das lag aber in der Bemerkung des Herrn Kollegen Kurlbaum, als er von dem Antrag sprach, und zwar mit einem Pathos, als ob wir im Ausschuß in Kampfabstimmungen und in großen Auseinandersetzungen von Ihnen hätten lernen müssen. Daß wir es nicht den Tatsachen entsprechend finden, wenn hier, wo es darum geht, persönliches Eigentum für jeden zu schaffen, ausgerechnet uns, diese Privatisierungen von Ihnen vorgehalten werden, das müssen Sie verstehen.Sie haben selbst jetzt, im „Nachschlag" zu dieser Debatte, das Anliegen, das wir hier vorbringen, nicht verstanden. Wenn wir nämlich von „Eigentum für jeden" sprechen, dann sind wir uns. selbstverständlich bewußt, daß mit dem Wenigen, was hier im Moment geboten wird, nicht jeder beteiligt werden kann. Daß wir aber einem jeden und vor allen Dingen den kleinen Einkommensbeziehern die Chance eröffnen, zu Wirtschaftseigentum, zu persönlich verwaltetem Wirtschaftseigentum zu kommen, das dürfte ersichtlich sein. Woher diese Ideen stammen, das dürfte in der deutschen Öffentlichkeit auch hinlänglich bekannt sein.
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8976 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.
Ich möchte nur noch eine Bemerkung zu dem hinzufügen, was Herr Kollege Kurlbaum gesagt hat. Herr Kollege Kurlbaum, in der Legislaturperiode von 1957 bis 1961 hatten die Christlichen Demokraten, wie Sie wissen, die absolute Mehrheit in diesem Hause. Deshalb läßt sich Ihre Formulierung, daß damals die Privatisierung der Howaldt-Werft nur mit Hilfe der Sozialdemokraten verhindert worden sei, nicht aufrechterhalten.
Im Zusammenhang mit .der persönlichen Bemerkung, die Sie zu mir gemacht haben, finde ich das mehr als merkwürdig.
Das Wort hat der Herr Bundesschatzminister.Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einer meiner Herren Amtsvorgänger, Hermann Lindrath, der Vater der Volksaktie und in der Nachkriegszeit lange Jahre Stadtkämmerer von Halle an der Saale, hat einmal gesagt:Keine Staatswirtschaft, kein kollektives Eigen-turn kann auf die Dauer jene Lebens- und Schaffungskräfte auslösen, die eine Volkswirtschaft auszulösen vermag, in der privates Eigentum von Generation zu Generation vererbt und vermehrt wird und in der selbständige Existenzen geschützt und gefördert werden.Meine Damen und Herren! Persönliche Freiheit und persönliches Eigentum sind tragende Fundamente unseres Staates. Ohne persönliche Freiheit und ohne persönliches Eigentum kann sich ein Staat auf die Dauer nicht entfalten. Er wird nicht lebens-und funktionsfähig sein. Beide bedingen einander. Der Verlust des einen zieht den Verlust des anderen zwingend nach sich. Beide Säulen, die Freiheits- und die Eigentumsgarantie, sind nicht nur in unserem Grundgesetz verankert, sie stehen nicht nur auf dem Papier, sondern leben in unserem Bewußtsein, und wir erleben sie täglich aufs neue.Die persönliche Freiheit gibt uns die Basis, auf der wir unser Leben frei gestalten können. Deshalb haben wir auch die Freiheit des Arbeitsplatzes und die Freiheit der Einkommensverwendung sowohl im Hinblick auf den Verbrauch als auch im 'Hinblick auf das Sparen. Im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft werden diese Freiheiten abgesichert durch ein System der sozialen Sicherheiten. Persönliches Eigentum soll zusätzlich — —
— Herr Kollege Schäfer, es ist, glaube ich, gerade an dieser Stelle gut, wenn man noch einmal etwas zum Grundsätzlichen sagt.
Persönliches Eigentum soll zusätzlich Rückhalt und Unabhängigkeit gegenüber den Wechselfällen des Lebens geben. Denn nur der ist wirklich frei, der die Chance hat, Eigentum zu bilden, und der diese Chance auch wahrnimmt.Unser Wirtschaftssystem der sozialen Marktwirtschaft bietet jedem eine Beteiligung am Produktionsvermögenm der Wirtschaft an. Der sozialen Marktwirtschaft entspricht das System der gleichwertigen Partnerschaft, die das Selbstbewußtsein des einzelnen stärkt und sein Verantwortungsbewußtsein weckt.Bestand früher in Zeiten des Klassenkampfes die Alternative „Aktionär, Kapitalist" gegenüber „Arbeiter, Proletarier", so hat unsere Politik nicht nur zu einer Entproletarisierung der Arbeiterschaft geführt, sondern viele Arbeiter sind 'heute Aktionäre und damit Miteigentümer an Produktionsmitteln geworden.
Allein durch die Privatisierung bundeseigener Industrieunternehmen wurden es weit über eineinhalb Millionen. Während 1960 erst 1,5 % aller Haushalte in der Bundesrepublik Aktien besaßen, waren es 1961 nach der VW-Privatisierung bereits 6 % und 1962/63 7 %.Diese Entwicklung, verbunden mit der Eigentumsbildung in anderen Bereichen — denken wir z. B. an die 2,5 Millionen Eigenheime und Eigentumswohnungen — ist Beweis für die Verwirklichung unserer Vorstellung vom Eigentum.Dieses Eigentum wird durch die Verfassung geschützt. Eine Umverteilung des 'bestehenden Eigentums durch Gewalt ist damit ausgeschlossen. Deshalb' wollen wir weder Verstaatlichung noch Gemeineigentum, kalte Sozialisierung oder gar sogenanntes Volkseigentum, das angeblich jedem gehört, ohne daß er jemals mitbestimmen könnte oder einen persönlichen Vorteil davon hätte.Was wir wollen, ist 'breit gestreutes privates Eigentum, das sich unsere Bürger durch Fleiß, Tüchtigkeit und Sparsamkeit schaffen, über das sie frei verfügen können und das ihnen Nutzen bringt.
Meine Damen und Herren, die Voraussetzungen für die Bildung breitgestreuten Eigentums hat uns die Wirtschaftspolitik geschaffen. Ich dart darauf hinweisen, daß letzten Endes auch die permanenten Steuersenkungen seit 1949, die insgesamt 20 Milliarden DM zugunsten der Steuerzahler betragen, die Sparfähigkeit des einzelnen erhöht und damit die Eigentumsbildung gefördert haben. Es gibt eine Reihe von weiteren gesetzlichen Maßnahmen. Ich möchte sie hier gar nicht auffahren. Ich glaube aber, daß wir insgesamt etwas getan haben, um diese Eigentumsbildung zu ermöglichen.
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Bundesminister Dr. DollingerAbgesehen von der eigentumspolitischen Bedeutung der Privatisierung ist die Bundesregierung der Auffassung, daß es nicht Sache des demokratischen Staates ist, der privaten Wirtschaft Konkurrenz zu machen. Aufgabe des Staates ist es vielmehr, den ordnungspolitischen Rahmen für einen ungehinderten Wirtschaftsablauf zu setzen und den Wetthewerb zu fördern. Die öffentliche Hand sollte sich nur dort betätigen — Herr Kollege Mälzig hat es schon gesagt —, wo dies auf Grund gesamtwirtschaftlicher Erfordernisse notwendig ist.Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit den bundeseigenen Unternehmen wird immer wieder auch die Frage gestellt, ob nicht durch Bundesunternehmen aktive Wirtschaftspolitik getrieben werden sollte. Ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen, daß diese Möglichkeiten überschätzt werden. Der Anteil der bundeseigenen Unternehmen ist in einem einzelnen Wirtschaftszweig durchweg nur gering. Anzunehmen, Bundesunternehmen könnten die Rolle eines Preisbrechers spielen, ist eine Selbsttäuschung. Staatsunternehmen sind wie jedes andere Unternehmen auch den Gesetzen der Kalkulation unterworfen. Da sie nicht zaubern können, können sie auch nichts verschenken. Tun sie es trotzdem, so entsteht bei ihnen wie bei jedem anderen Unternehmen ein Defizit. Denn auch bei Staatsunternehmen kann man die Grundprinzipien wirtschaftlichen Denkens und Handelns nicht ungestraft außer acht lassen.
I Ein weiterer Grund für die Privatisierung ist letzten Endes die Notwendigkeit, auch unerwünschten Konzentrationsprozessen in Staatshand entgegenzuwirken. Zwar können und sollten wir uns nicht gegen jegliche Konzentration in der Wirtschaft wenden, zumal die moderne Technik und die Wettbewerbsfähigkeit oft dazu zwingen. Diese technisch bedingte Konzentration können und müssen wir auf der Kapitalseite entschärfen durch breitgestreute Anteilsrechte, auch durch Volksaktien, und so der Kapitalakkumulation erfolgreich entgegenwirken.Nun ein Wort zur soziologischen Seite der Privatisierung! Dem Bundesbürger, der früher dem Erwerb der Aktien reserviert, ja ablehnend gegenüberstand, wird hier die Möglichkeit gegeben, sich an industriellen Unternehmen in weitaus größerem Maße als bisher zu beteiligen. Wir sind der Auffassung, daß dadurch auch die Denkweise des Bürgers und das Verhältnis zwischen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft in eine andere Richtung kommt. Den einzelnen Bürger interessiert jetzt neben seinem Einkommen aus Arbeitnehmertätigkeit als Aktionär in gleicher Weise die Sicherheit seiner Kapitalanlage und nicht zuletzt der Gewinn seines Unternehmens. Dies fördert das gesamtwirtschaftliche Denken, das wir um der Stabilität der Währung und des Wachstums der Wirtschaft willen dringend benötigen. Denn der Bürger, der zugleich Arbeitnehmer und Miteigentümer bei industriellem Vermögen ist, hat deutlich vor Augen, daß es in der Wirtschaft nicht nur ein Fordern, sondern auch ein Bewahren zum Nutzen aller gibt. Eine so verstandene Privatisierung trägt auch zur Lösung der Mitbestimmungsfrage bei, und zwar durch Mitbesitz.Wir haben zwei Privatisierungen hinter uns, die der Preußag im Jahre 1955 und die des Volkswagenwerks im Jahre 1961. Ich glaube, es waren erfolgreiche Aktionen. Wir haben immerhin die Zahl der Aktionäre in Deutschland von rund 500 000 auf über 2Millionen erhöht. Es war ein Erfolg, sagte ich, und zwar deshalb, weil der Bundesbürger, insbesondere der sogenannte „kleine Mann", nun über ein entsprechendes Einkommen verfügt und sein Vertrauen den Papieren aus Bundesbesitz schenkte. Beweis dafür ist die Überzeichnung der Papiere und die Tatsache, daß noch heute fast zwei Drittel der Ersterwerber sich von ihren Volkswagenaktien nicht getrennt haben. Bei der Preußag haben wir eine ähnliche Situation.Die VEBA-Aktien betrachten wir als ein Papier, das eine gute, sichere und preisgünstige Kapitalanlage darstellt. Die unternehmerische Vielschichtigkeit des Konzerns — Stromerzeugung, Chemie, Handel und Kohle — wird eine Zukunft haben, und wir können für die Zukunft auch mit einer entsprechenden Dividende rechnen.In der Debatte ist die Frage angeklungen, ob der Aktionär einen entsprechenden Einfluß hat. Wir sind der Auffassung, daß das volle Stimmrecht des Volksaktionärs von entscheidender Bedeutung ist. Wir mußten aus diesem Grunde auch den Gedanken der stimmrechtslosen Volksaktie ablehnen. Darüber hinaus hat aber der Volksaktionär auch die Möglichkeit, mitzubestimmen und mit zu kontrollieren über seine Vertreter, die im Aufsichtsrat sind.
Es wurde darauf hingewiesen, daß es sich um ein Experiment handelt. Ich darf hier auf einige wenige Zahlen über die Ergebnisse in der Vergangenheit hinweisen. Herr Kollege Kurlbaum, bei der PreußagPrivatisierung hatten wir eine Einkommensgrenze von 16 000 DM. Sämtliche Erwerber lagen innerhalb dieser Grenze. Wir hatten seinerzeit eine erhebliche Überzeichnung, so daß zu den ursprünglich vorgesehenen 30 Millionen noch weitere 51 Millionen hinzugegeben wurden.Bei der VW-Privatisierung lag die Einkommensgrenze bei 8000 DM für Ledige und bei 16 000 DM für Verheiratete.
— Verzeihen Sie! Sie haben vorhin von „Experiment" gesprochen. Ich möchte hier einmal zeigen, daß für uns die Zeit des Experimentierens auf diesem Gebiet zu Ende ist. Wir haben ja praktische Erfahrungen. Deshalb sind diese Zahlen doch interessant.Von den Erwerbern hatten 88,3 % ein Einkommen von 6 000 bzw. — Verheiratete — 12 000 DM. Damit hat sich gezeigt, daß der einfache Mann oder, wie man oft sagt: der „kleine Mann" von der Möglichkeit, diese Aktien zu erwerben, in großem Umfang Gebrauch gemacht hat.
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Bundesminister Dr. DollingerWir haben bei VW auch die Tatsache zu verzeichnen, daß von den rund 65 000 Belegschaftsangehörigen 63 000 von der Möglichkeit Gebrauch machten, eine Volksaktie zu erwerben.Meine Damen und Herren, über den Sozialrabatt wurde im Ausschuß diskutiert, und es wurde auch gesagt, welche Schwierigkeiten vorhanden sind. Herr Kollege Kurlbaum, im Jahre 1961 bei der VW-Privatisierung war der Sozialrabatt vorhanden. Sie haben seinerzeit die VW-Privatisierung abgelehnt.
— Die Tatsache, daß Sie abgelehnt haben, bleibt bestehen. Wir haben bei dieser Teilprivatisierung, die ja eine Kapitalaufstockung darstellt, darauf hingewiesen, daß die VEBA nicht in der Lage ist, einen Sozialrabatt zu geben. Das Problem Bundeshaushalt wurde im Haushaltsausschuß ebenfalls erörtert.Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir einen Fortschritt in der Eigentumspolitik mit dieser Privatisierung erzielen werden, und ich bin sicher, daß die Privilegierung der unteren Einkommensgruppen dazu führen wird, daß die Menschen, die wir besonders ansprechen wollen, von der Möglichkeit des Erwerbs Gebrauch machen werden.Ich darf noch einen Gedanken hinzufügen. Wir müssen auch überlegen, wie wir bei weiteren Privatisierungen den Erlös verwenden werden. Ich glaube, daß die VW-Privatisierung mit der Volkswagenstiftung ein gutes Beispiel gegeben hat. Wir I werden in Zukunft, so wie wir es im Rahmen des Leistungsförderungsgesetzes tun, zu überlegen haben, ob wir Privatisierungserlöse nicht dazu verwenden sollen, in den breiten Massen auch das geistige Eigentum bei all denen zu fördern, die guten Willens sind.Ich darf dem Hohen Hause, ich darf dem Haushaltsausschuß und insbesondere dem Besitzausschuß sehr herzlich danken, daß die Beratungen in so sachlicher Form und so schnell durchgeführt. worden sind, so daß wir in der Lage sind, die soziale Privatisierung der VEBA durchzuführen.
Das Wort hat der Abgeordnete Könen .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Ausführungen des Herrn Bundesschatzministers befaßten sich mit dem Gesetz. Bevor er das Wort bekam, gab es hier einen Vorgang. Kollege Katzer meldete sich zum zweitenmal zu Wort. Der Herr Minister sollte gerade das Wort bekommen, und mit der Bemerkung, daß der Herr Minister gern zum Schluß das Wort halben möchte, bekam Herr Katzer das Wort.
— Habe ich irgendwo gesagt, das sei nicht normal, Herr Brück?
— Sie haben vollständig recht, wenn der Minister völlig normal spricht, wenn er normal spricht, Herr Brück; davon rede ich ja. Ich habe ja nicht gesagt, er habe normal gelesen.
Ich wollte ja eigentlich nur eine kleine Bemerkung machen. Meine Damen und Herren, Sie haben völlig recht — —
— Herr Rasner, es würde wahrscheinlich für unhöflich gehalten werden, wenn ich sagte: Ich habe S i e nicht mit einbegriffen, weil ich dann sagte, ich hielte Sie nicht für einen Herrn:
Aber so war das nicht gemeint.
— Nein, das ist keine Flegelei.
— Das mag sein.
Ich denke nicht daran, mich hier anders hinzustellen, als ich bin, — falls Sie das interessieren sollte.
Bis jetzt war ich noch nicht ärgerlich. Nun machen Sie mich bitte nicht ärgerlich!
Sie können machen, was Sie wollen, ich werde hier sagen, was ich sagen will.
— Nun lassen Sie mich doch!Meine Damen und Herren, es ist wirklich völlig normal — —
— Sie scheinen sich in einem Ausnahmezustand zu befinden, wenn Sie normal sind.
Es ist völlig normal — da haben Sie recht —, daß der Minister
— jetzt werde ich auf Ihre Lacherei keine Rücksicht mehr nehmen — zu einem Gesetz, das verabschiedet wird, noch einmal etwas sagt. Sie wissen aber, daß nach unserer Geschäftsordnung die Debatte wieder eröffnet ist, wenn der Minister gesprochen hat.
Die Tagesordnung von heute — das wissen Sie genausogut wie ich — läßt eine Debatte nicht mehr zu.Nun will ich Ihnen meinen Protest anmelden. Darum bin ich hierhergegangen. Ich bin der Auffassung, daß das, was der Herr Minister sagte, 'bevor
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Könen
er auf das Gesetz kam, nicht eine Schlußbemerkung zum Gesetz war. Er hat hier vielmehr in einem großen Bogen über alle möglichen Dinge gesprochen, die eine Diskussion herausfordern. Ich bedaure außerordentlich, daß wir wegen der Geschäftslage diese Diskussion nicht mehr erschöpfend führen können.
— Herr Kollege Barzel, ich will gar nicht über die Sache reden.
Herr Abgeordneter Könen, wir wollen doch die Dinge nicht erschweren. Es war das gute Recht des Ressortministers, eine zusammenfassende Darstellung der Materie über das Gesetz hinaus zu geben. Das ist doch selbstverständlich.
Selbstverständlich, Herr Präsident, war es das gute Recht des Herrn Ministers. Mein gutes Recht ist, Ihnen hiermit zu sagen, daß ein Minister nicht stundenlang Vorlesungen halten kann mit der Behauptung, daß das mit dem Gesetz etwas zu tun habe, wenn keine Debatte mehr kommt. Dagegen wehre ich mich.
Ich kann die Aussprache schließen.
Wir stimmen über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache IV/3248 ab. Wer dem Antrag zustimmt, gebe bitte Handzeichen. —
— Gegenprobe! — Enthaltungen? —
Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe dann Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Privatisierung der „Vereinigte IndustrieUnternehmungen Aktiengesellschaft" .
Der Antrag wird von dem Abgeordneten Mischnick begründet. Ich gebe ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem soeben dieses Gesetz mit überwältigender Mehrheit angenommen worden ist, sind meines Erachtens die Voraussetzungen dafür geschaffen, den Antrag der Freien Demokraten auf Drucksache IV/3100 ebenfalls anzunehmen.
Dieser Antrag sieht vor, daß die VIAG privatisiert wird, daß ein Zwischenbericht gegeben wird und daß die Grundsätze der Privatisierung der VEBA Ausgangspunkt für die Privatisierung der VIAG sein I sollten. Ich weiß, daß sich manche fragen, ob es richtig ist, so kurz nach der einen Entscheidung bereits eine zweite vorzubereiten. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, vergessen Sie bitte nicht, daß über den Herbst hinweg eine gewisse Pause eintritt. Es wäre sehr gut, wenn sich dieses Hohe Haus entschließen könnte, diesen Auftrag entsprechend dem Antrag der Freien Demokraten zu erteilen, da dann die Zwischenzeit genutzt werden kann, um die entsprechenden Vorbereitungen für die nächste Privatisierung zu treffen.Wir wollen also, wenn ich es etwas anders ausdrücken darf, ,diesen Weg mit diesem Antrag kontinuierlich weitergehen, wie es Herr Kollege Katzer zum Ausdruck gebracht hat. Der Verweis auf das 312-DM-Gesetz galt ja der Tatsache, daß durch diesesGesetz weitere Möglichkeiten für eine Eigentumsbildung geschaffen werden sollen. Wer aber über das 312-DM-Gesetz Eigentum bilden und dieses Eigentum nicht nur in Form von Sparprämien oder Bausparprämien weiterentwickeln will, sondern auch die Möglichkeit des Erwerbs — um es so auszudrücken — von Produktionsmitteln schaffen will, der muß natürlich konsequenterweise auch bereit sein, in der Privatisierung weiter fortzuschreiten. Das wollen wir mit unserem Antrag.
Alle diejenigen, die immer wieder sagen: „Es ist nicht damit getan, daß Wohnungsbauförderung durch Bausparprämien getrieben wird, daß Ratensparen geschaffen wird, daß Kommunalobligationen I erworben werden, sondern es kommt darauf an, eine gewisse Umschichtung des Eigentums an den Produktionsmitteln zu erreichen", widersprechen sich natürlich selber, wenn sie sagen: „Aber bei staatseigenen Betrieben muß ein hoher Prozentsatz in der Hand des Staates bleiben." Das verstehe ich nicht. Hier müßte man dann doch konsequenterweise auf Dauer gesehen zu dem gleichen Ergebnis kommen. Dabei will ich durchaus zugeben, daß vielleicht bei dem einen oder anderen in Etappen vorgegangen werden muß. Grundsätzlich sollten wir uns aber entschließen, bei dieser Einmütigkeit auch das Bekenntnis zur weiteren Privatisierung von bundeseigenen Betrieben hier abzulegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die VIAG enthält Betriebe aus dem Aluminiumbereich, aus dem Strombereich, aus dem Kalkstickstoffbereich. Wenn ich an den Aluminiumbereich denke, dann scheint es mir ganz nützlich zu sein, daß wir beschließen, die Privatisierung durchzuführen. Denn hier ist ja der Bund, wenn ich so sagen darf, bis zu einem gewissen Grade konkurrenzlos geworden, und das scheint mir mit den Grundprinzipien unserer Marktwirtschaft nicht ganz in Einklang zu stehen; ein Grund mehr, gerade bei der VIAG zu einer schnellen Privatisierung zu kommen.Wir wissen sehr genau, daß da noch manche Schwierigkeiten zu überwinden sind. Deshalb wollen wir nur einen Zwischenbericht bis zum 31. Mai haben; wir hoffen, daß wir dann schon so weit sind,
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Mischnickerkennen zu können, zu welchem Zeitpunkt dieDurchführung des Antrages ermöglicht werden kann.Mit Recht hat Kollege Katzer darauf hingewiesen, daß die Maßnahmen, die wir soeben beschlossen haben, eine konsequente Fortsetzung der Eigentumspolitik sind. Wir sind sehr froh darüber, daß das 'im ganzen Hause so unbestritten ist. Es war nicht immer so. Wir freuen uns, daß Kollege Katzer in diesem Zusammenhang davon sprach, welch hohen Anteil die Wohnungsbauprämien und die Sparprämien haben. Hoffentlich wird daraus auch die Nutzanwendung gezogen und dafür gesorgt, daß der im Ausschuß vorliegende Gesetzentwurf der Freien Demokraten über Bausparprämien und Sparprämien möglichst bald verabschiedet wird. Es nützt ja nichts, hier nur festzustellen, daß die Rate wächst; man muß sich auch dazu bekennen, diesen Weg, der so erfolgreich gewesen ist, weiter auszubauen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein kleiner Hinweis. Kollege Junghans hat davon gesprochen, daß der Bundesbesitz nur 4 % ausmache und daß deshalb bei dieser Umschichtung gar 'nicht so viel herauskomme. Mit Recht hat Kollege Burgbacher darauf hingewiesen, daß es eben ein Teilbereich, ein Vorbild, ein erster Schritt ist. Wenn ich daran denke, wie viele ähnlich gelagerte Möglichkeiten bei den Ländern und Gemeinden bestehen — die Kollege Katzer auch ansprach —, dann glaube ich, daß wir hier nicht nur kleine Schrittchen, sondern durchaus große Schritte vorangehen können, wenn wir diese Privatisierung systematisch fortführen.Ich bin sicher, daß es manchen von Ihnen, von den Kollegen von der SPD, etwas schwerfällt. Aber wenn Sie Ihr eigenes Programm von Godesberg so ernst nehmen, wie Sie es immer wünschen, dann sollten Sie den Mut haben, auch unserem Antrag zuzustimmen und dafür zu sorgen, daß als nächstes die VIAG an die Reihe kommt und wir bald feststellen können: Der Bund hat das Seine getan, um breit gestreutes Eigentum auch an Produktionsmitteln :in weiten Kreisen der Bevölkerung zu schaffen.
Das Wort hat der Abgeordnete Häussler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem Antrag der FDP möchte ich namens der CDU/CSU-Fraktion mitteilen, daß wir die Überweisung an den zuständigen Ausschuß beantragen.
Darüber hinaus erlaube ich mir einige Sätze. Zunächst einmal danke ich dem Herrn Bundesschatzminister für die Klarstellung, daß nicht, wie es die Presse berichtete, vorläufig keine Privatisierungen mehr stattfinden sollen. Sicher eignet sich nicht jedes Objekt für ein Privatisierungsvo.rhaben. Andererseits gibt es erwerbswirtschaftliche Vermögensobjekte — und wir glauben, daß die VIAG zu einem solchen gehört —, die sich für eine Privatisierung, ja vielleicht für eine volle Privatisierung anbieten.
Volle Privatisierung heißt: Soziale Privatisierung, mindestens mit den Kennzeichen, wie sie die erfolgreiche Privatisierung des Volkswagenwerkes nachweisen kann.
Ich glaube, wir sollten auch bei der VIAG-Privatisierung auf einen vertretbaren Kurs hinwirken, auf einen Abschlag auf den Kaufpreis je nach Einkommenshöhe oder Familienstand sowie weitere Vergünstigungen bei langfristiger Anlage. Daß in diesem Zusammenhang auch die Frage der Kleinaktionäre eine wichtige Zukunftsaufgabe darstellt, wissen wir sicher alle. Wir wissen auch, daß wir im Zusammenhang mit der Privatisierung Entwicklungen auf dem Gebiete des Gesellschaftsrechts zu erwarten haben.
Sehr wichtig ist auch die sinnvolle Verwendung eines Privatisierungserlöses. Auch dieser sollte wohl den breiten Schichten dienen. Dabei glauben wir, daß hier das Anliegen der Weiter- und Höherbildung gerade dieser Schichten mit an erster Stelle zu sehen ist.
Ich meine, daß das Bundesschatzministerium und der Bundestag den heutigen Tag im Kalender festhalten sollten mit dem Vermerk, daß so rasch und so gut wie möglich weiter privatisiert werden sollte. Aus diesem Grunde stimmen wir dem Antrag auf Überweisung des FDP-Antrages an den zuständigen Ausschuß zu.
Das Wort hat der Abgeordnete Moersch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der jetzigen allgemeinen privatisierungsfreudigen Stimmung in diesem Hause, für die wir sehr dankbar sind, sind wir der Ansicht, daß über den Antrag, wie er ist, direkt Beschluß gefaßt werden kann. Wir bitten deshalb keiner Ausschußüberweisung zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesschatzminister.Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß es zweckmäßig ist, wenn ich aus meiner Sicht einige wenige Bemerkungen mache. Selbstverständlich, es ist die Absicht, weiter zu privatisieren. Das genannte Unternehmen VIAG hat 300 Millionen DM Aktienkapital und ist vorwiegend auf dem Sektor Aluminium und Strom tätig.Ich darf aber nun auf folgendes hinweisen. Heute ist der 7. April. Der Termin hier ist der 31. Mai. Ich möchte bemerken: erstens kann arbeitsmäßig in dieser kurzen Zeit nicht viel geschehen.
Zweitens meine ich, daß auch die Aktion VEBA mit 750 Millionen DM unter dem Gesichtspunkt des. Kapitalmarkts gesehen werden muß. Drittens: Wenn ich die eigentumspolitischen Vorstellungen ver-
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Bundesminister Dr. Dollingerwirklichen will, daß in erster Linie die unteren und mittleren Einkommensgruppen Volksaktien abnehmen sollen, stellt sich die Frage, in welchem Zeitabstand man dies tun kann. Ich glaube, nicht in einem zu kurzen Zeitabstand, wenn man glaubwürdig bleiben will.
Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Dr. Schäfer?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Bitte sehr!
Herr Minister, dürfen wir Ihre Bemerkung, daß weiter privatisiert werden soll, so verstehen, daß Sie die Wochenschau auch privatisieren wollen?
Dr. Dollinger, Bundesschatzminister: Herr Kollege Schäfer, über das Thema Wochenschau kann man sich sehr lange unterhalten. Wir haben darüber im Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes eine Diskussion gehabt, und nach der Auffassung der Ausschußmitglieder — Herr Kollege Junghans und Herr Kollege Sänger waren anwesend — haben sich durchaus gewisse Perspektiven über die zukünftige Gestaltung eröffnet. Wir werden zu gegebener Zeit auch darüber sprechen. Aber ich darf noch folgendes sagen: Wir brauchen privatisierungsreife Unternehmen, d. h. Unternehmen, die Rendite abwerfen. Hier muß auch eine gewisse Unternehmenspolitik betrieben werden, und zwar dahin gehend, daß wir die zum Teil zufällig zusammengekommenen Konzerne unter Umständen durch neue Zu- und Unterordnungen so gestalten, daß wir nicht am Schluß eine Situation haben, daß die Filetstücke verkauft sind und die Knochen beim Bund bleiben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es kurz machen und nur erklären, daß unsere Fraktion selbstverständlich nicht für die sofortige Annahme des Antrages, sondern nur für die Überweisung an die zuständigen Ausschüsse stimmen wird. Wenn man die heutige Débatte von einer gewissen Seite aus an sich vorüberziehen läßt, hat man den Eindruck, als bestünde das einzige Problem der Bundesvermögen und der Bundesbeteiligungen in der Privatisierung und als gäbe es hier im übrigen überhaupt keine Gesichtspunkte.
Ich halte es für ganz entscheidend, daß wir uns die Zeit nehmen, die Dinge auch unter anderen Gesichtspunkten zu diskutieren
als nur unter dem Gesichtspunkt: Wie privatisieren
wir das gesamte Bundesvermögen so schnell wie
möglich? Wir sind da nämlich in Gefahr, in so etwas wie eine Privatisierungshysterie zu verfallen,
die wir — das möchte ich hier klarlegen — auf keinen Fall mitmachen werden.
Meine Damen und Herren, wir werden uns sehr bald auf ganz bestimmten Gebieten — und wir stehen z. B. auf dem Gebiete der Energiemärkte und der Energiewirtschaft vor einer schwierigen Situation — sehr wohl überlegen müssen, ob die Bundesunternehmen nicht auch andere Funktionen haben als ausschließlich die, so schnell wie möglich privatisiert zu werden. Ich habe gelegentlich der Energiedebatte bereits darauf hingewiesen, daß nahezu alle großen Industriestaaten Westeuropas hier andere Wege gegangen sind als die Bundesrepublik. Wir werden nicht aufhören, auf diese wichtigen Gesichtspunkte hinzuweisen.
Und nun noch etwas anderes! Hier bin ich dem Bundesschatzminister dafür dankbar, das er das heute so offen angesprochen hat. Er hat davon gesprochen, daß die Bundeskonzerne VIAG, VEBA usw. gewissermaßen zufällig zusammengekommen sind. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen — und wir werden das auch bei der Beratung dieses Antrags zur Sprache bringen —: die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat bereits im Jahre 1958, d. h. vor nunmehr sieben Jahren, eine Große Anfrage eingereicht und in dieser Großen Anfrage dieselbe Frage aufgeworfen, ob es denn zweckmäßig ist, die Bundesunternehmen und die Bundesbeteiligungen in den historischen und rein zufällig überkommenen Gruppierungen weiter existieren zu lassen. Sie hat weiter schon vor sieben Jahren die Frage aufgeworfen, ob es nicht notwendig ist, endlich durch gesetzgeberische Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß Bundestag und Bundesregierung der notwendige Einfluß auf Veränderungen im Besitz und auf die Unternehmenspolitik dieser Unternehmen und Bundesbeteiligungen gesichert wird. Wir bedauern es tief, daß nichts in dieser Sache geschehen ist, eben auf Grund der einseitigen Perspektive: Bundesunternehmen interessieren nur unter dem Gesichtspunkt der Privatisierung. Dabei erleben wir so scheußliche Dinge, daß der Bundesschatzminister sich vergeblich darum bemüht, verschiedene Konzernbestandteile überhaupt zu einer Zusammenarbeit auf wichtigen Gebieten zu bringen.
Ich glaube also, daß es dringend notwendig ist, daß diese Ausschußberatungen weiter ausgedehnt werden und daß sich die zuständigen Ausschüsse und anschließend das Plenum dieses Hauses endlich einmal in umfassender und nicht in einseitiger Weise mit dem Problem des Besitzes des Bundes beschäftigen.
Herr Professor Burgbacher hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde es wegen der Zeit sehr kurz machen. Aber die Ausführungen unseres Kollegen Kurlbaum zwingen zu einer kurzen
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8982 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Dr. BurgbacherBemerkung, und zwar um so mehr, als auch wir — wie die SPD — der Ausschußüberweisung, nicht dem Beschluß, zustimmen wollen. Ich lege aber großen Wert darauf, hier festzustellen, daß unsere Motive völlig anders sind als die, die Herr Kollege Kurlbaum vorgetragen hat.
Wir wollen die Ausschußüberweisung, nicht, um die Sache zu verzögern oder gar nach den westlichen Staaten, die verstaatlicht haben, zu blinzeln, sondern wir wollen sie als Fortsetzung der Privatisierung und nur in einem gesunden Timing wegen des Kapitalmarktes und wegen der sachlichen Fragen, nicht aber, um das Prinzip der Privatisierung im Sinne der Verstaatlichung zu revidieren. Daran denken wir nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Beantragt ist die Überweisung an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes. Es handelt sich um den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Wer diesen Anträgen — Überweisung an den Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes — zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Überweisung ist beschlossen.
Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Wessel, Spies, Dr. Rieger und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Drucksache IV/3088).
Ich frage, ob das Wort zur Einbringung gewünscht wird. — Bitte sehr, Frau Abgeordnete Wessel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorgerückten Stunde werde ich mich bemühen, diesen Antrag möglichst einfach und kurz zu begründen. Er hat seinen Ursprung in einer Petition, die wir im Petitionsausschuß bekommen haben. Ich glaube, wenn ich Ihnen den Sachverhalt darlege, werden Sie erkennen, worum es sich bei diesem Antrag handelt.Der Petent, ein Deutscher, evangelischer Konfession, dessen frühere Ehe von einem deutschen Gericht rechtskräftig geschieden worden war, wollte eine ledige spanische Gastarbeiterin römisch-katholischer Konfession heiraten, die von ihm bei Einreichung der Petition bereits zwei uneheliche Kinder hatte. Er mußte nun überrascht feststellen, daß dies nach dem geltenden deutschen internationalen Privatrecht nicht möglich ist, weil Eheschließungen dieser Art den Bestimmungen des Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch entgegenstehen. Art. 13 Abs. 1 lautet:Die Eingehung der Ehe wird, sofern auch nureiner der Verlobten ein Deutscher ist, in Ansehung eines jeden der Verlobten nach den Gesetzen des Staates beurteilt, dem er angehört.Nach dieser Vorschrift ist gegebenenfalls jeder deutsche Standesbeamte gezwungen, die Trauung eines deutschen Verlobten mit einem ausländischen Verlobten abzulehnen.Wenn man sich einmal vor Augen hält, daß das Heimatrecht des ausländischen Verlobten den deutschen Partner noch als verheiratet ansieht, und zwar ungeachtet des Umstandes, daß dessen Ehe nach früherem Recht nicht mehr besteht, so ist das für den einfach empfindenden Menschen nicht verständlich. Heimatrechte, die derartige zusätzliche Eheverbote mit Hilfe des Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch im deutschen Rechtsraum einwirken lassen, sind vor allem dais spanische und das italienische Eherecht. Sie kennen — entsprechend dem kanonischen Recht der katholichen Kirche — keine Scheidung einer gültig geschlossenen und vollzogenen Ehe, und zwar auch dann nicht, wenn die Eheleute nicht der römisch-katholischen Kirche angehören.Die schwierige Rechtsfrage, ob hinsichtlich der Gültigkeit der früheren Ehe das ausländische Recht oder das deutsche Scheidungsurteil Vorrang hat, wird in Literatur und Rechtsprechung verschieden beurteilt. Dabei spielt die Ordre-public-Klausel des Art. 30 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch eine Rolle. Art. 30 hat folgenden Wortlaut:Die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ist ausgeschlossen, wenn die Anwendung gegen die guten Sitten oder gegen den Zweck eines deutschen Gesetzes verstoßen würde.Gestützt auf diese Bestimmung haben in der Vergangenheit tatsächlich eine Reihe von deutschen Gerichten in ähnlich gelagerten Fällen wie den hier geschilderten entschieden, daß die dem ausländischen Eherecht entstammenden Ehehindernisse nicht beachtlich seien.Dieser Ausweg ist nun mittlerweile durch einen Beschluß des Bundesgerichtshofes vom 12. Februar 1964 — veröffentlicht in der Neuen Juristischen Wochenschrift, Jahrgang 1964, Seiten 976 ff. — versperrt. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Urteil entschieden, daß es in jedem Falle, d. h. auch wenn ein deutsches Scheidungsurteil vorliegt, nach dem Heimatrecht des ausländischen Verlobten zu beurteilen ist, ob die frühere Ehe einer Eheschließung mit dem ausländischen Verlobten entgegensteht. Nach dieser Entscheidung muß die Eheschließung in der Bundesrepublik verweigert werden, wenn die frühere Ehe nach kanonischem Recht gültig geschlossen war.Wir haben uns im Ausschuß für Petitionen mit diesem Fall sehr eingehend befaßt, weil wir aus dieser und aus ähnlichen Petitionen, die wir vorliegen hatten, den Eindruck gewonnen hatten, daß die Petenten und die Öffentlichkeit nicht verstehen, daß trotz deutschen rechtskräftigen Scheidungsurteils eine Wiederverheiratung nicht möglich sein soll. Eine endgültige Klärung der rechtlichen Zweifelsfragen, die ohne Zweifel hier vorliegen, kann nur
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Frau Wesseldurch die vorgeschlagene Änderung des Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vorgenommen werden. Uns ist im Petitionsausschuß auch von den Vertretern der zuständigen Ministerien, vom Auswärtigen Amt, vom Bundesjustizministerium und von dem anerkannten Professor für internationales Privatrecht, Herrn Professor Kegel in Köln, gesagt worden, daß eine solche Gesetzesänderung notwendig sei und daß sie auch bei Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich um eine Einzelfrage handelt, der geplanten künftigen Gesamtreform des internationalen Privatrechts durchaus vorweggenommen werden könne.Der Ausschuß hat daher beschlossen, Ihnen diesen Gesetzentwurf vorzulegen und vor allen Dingen darauf hinzuweisen, daß wir mit ähnlichen Fällen, wie die Petition einen behandelt, der Ihnen dargelegt worden ist, besonders bei der zunehmenden Zahl der Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen in unserem Land rechnen müssen. Es kommt vor allen Dingen dieser Fall in Frage, und die Abhilfe scheint mir um so dringender zu sein, als Fälle vorliegen, in denen ausländische uneheliche Mütter von der Ausländerpolizei in ihr Heimatland abgeschoben werden. Auch in dem vorliegenden Fall, der den Antrag des Petitionsausschusses ausgelöst hat, bestand diese Gefahr. Eine unverheiratete Spanierin — lassen Sie mich das einmal ganz deutlich sagen — mit zwei unehelichen Kindern, die wegen des geltenden Rechts des Art. 13 des Einführungsgesetzes zum BGB den Vater ihrer Kinder nicht heiraten kann, obwohl der Vater sich alle erdenkliche Mühe gegeben hat, um seine Kinder zu ehelichen Kindern und seine Verbindung zu einer regelrechten Ehe zu machen, würde nach Rückkehr in ihre Heimat auch einer gesellschaftlichen Diffamierung ausgesetzt sein, da die uneheliche Mutter in den romanischen Ländern ganz anders bewertet wird als bei uns. Das gleiche gilt von dem unehelichen Kind.Deswegen kann ich nur noch einmal darum bitten, daß man diesen Antrag als das sieht, was er wirklich bedeutet. Es geht darum, in diesen Fällen helfen zu können. Ich darf darauf hinweisen, daß der Antrag von allen Mitgliedern des Petitionsausschusses unterschrieben worden ist. Wir haben wegen dieses einen Falles mit den Sachkennern drei Sitzungen abgehalten, um auch in dieser Frage ein wirklich gültiges Urteil zu bekommen.Lassen Sie mich bitte zum Schluß auch noch folgendes sagen. Die Gefahr, daß die Bundesrepublik nach Verabschiedung dieses Gesetzes zu einem Scheidungsparadies für Gäste mit heißem Blut werden könnte, daß den Gastarbeitern aus Italien und Spanien mit dieser Novelle der Weg ins zweite Eheglück ermöglicht würde, wie es in einigen Zeitungsberichten auf Grund unseres Antrags fälschlicherweise- hieß, besteht nicht. Ich möchte das ausdrücklich feststellen. Diese Möglichkeit wird durch den für Ehescheidungen auch künftig anzuwendenden Art. 17 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch verhindert, nach dem für die Scheidung der Ehe grundsätzlich die Gesetze des Staates maßgebend sind, dem der Ehemann zur Zeit der Erhebung der Klage angehört. Jene nicht angetastete Bestimmung soll auch künftig ausschließen, daß in der Bundesrepublik Ehen geschieden werden, die im Heimatstaat als weitergeltend betrachtet werden. Dieser Antrag, um das noch einmal zu betonen, will nicht Scheidung, sondern will ermöglichen, daß Menschen, die die Voraussetzungen dafür mitbringen, in einer gültigen Ehe zusammenkommen.Deswegen bitte ich Sie, meine Damen und Herren, den Antrag Drucksache IV/3088 dem Rechtsausschuß zur Beratung zu überweisen. Sie würden uns mit der Annahme unseres Antrags im Petitionsausschuß die Arbeit wesentlich erleichtern. Denn unser Ziel ist nach wie vor, soweit es möglich ist, den Petenten zu helfen, gerade in solchen schwierigen Lebenslagen.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Freie Demokratische Partei begrüße ich diesen Antrag, der von Abgeordneten aller Parteien unterzeichnet ist.
Ich möchte jetzt nicht auf die ganze Problematik eingehen. Der Anlaß zu diesem Antrag wurde von Frau Kollegin Wessel eingehend geschildert. Tatsache ist, daß das internationale Eherecht heute eine ganz andere Bedeutung hat als früher. Es ist deshalb an der Zeit, daß sich der Rechtsausschuß eingehend mit der ganzen Problematik des Art. 13 befaßt.
Ich möchte von mir aus nur auf folgendes hinweisen. Ich betrachte es als unbefriedigend, daß hier rechtsgültiges ziviles Eherecht, sei es Eheschließungsrecht oder Scheidungsrecht, wegen der Rechte ausländischer Staaten hier in Deutschland nicht zum Zuge kommen kann. Deshalb muß eine Änderung des Art. 13 in der Weise vorgenommen werden, daß das vollkommen klar und eindeutig geordnet wird.
Ich habe es bedauert, daß widerstreitende Entscheidungen von verschiedenen Oberlandesgerichten zu diesen Problemen ergangen sind. Es ist deshalb notwendig, daß der Bundestag hier wieder für einheitliches Recht sorgt.
Keine weiteren Wortmeldungen. Vorgesehen ist Überweisung an den Rechtsausschuß. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Der Punkt 6 a, b, c, d und e mit seiner weitläufigen Problematik wird nach einer interfraktionellen Vereinbarung heute nicht mehr angeschnitten. Ich setze ihn ab.Ich rufe auf den Punkt 7:Beratung des Mündlichen Berichts des Außenhandelsausschusses über den von der Bundesregierung zur Unterrichtung vorgelegten Vorschlag der Kommission der
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8984 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. April 1965
Präsident D. Dr. GerstenmaierEWG für eine Verordnung des Rats über Maßnahmen, die beim Eintreten einer Lage zu treffen sind, welche die Verwirklichung . der in Artikel 39 Abs. 1 Buchstaben c, d und e des Vertrages genannten Ziele gefährden könnte .Ich frage den Herrn Berichterstatter, den Herrn Abgeordneten Bading, ob er das Wort wünscht. — Bitte sehr, als Berichterstatter Herr Abgeordneter Bading.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel dieser Verordnung ist derart unverständlich, daß es notwendig ist, ein paar Worte dazu zu sagen.
Es handelt sich um die in Art. 39 des Römischen Vertrages aufgeführten Aufgaben der Marktpolitik der EWG. Die Ziele dieser Marktpolitik können natürlich durch irgendwelche äußeren Einflüsse gefährdet werden, sei es durch Mißernten, durch Transportschwierigkeiten oder durch Viehseuchen. Für solche Fälle müssen irgendwelche Vorkehrungen zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung getroffen werden.
Die Tendenz der Verordnung ist zweifelsohne richtig; denn eine Marktordnung kann von der Allgemeinheit nur anerkannt werden, wenn sie einerseits, auf. der Erzeugerseite, für eine marktgerechte Gestaltung sorgt und andererseits, auf der Verbraucherseite, ebenfalls die Verhältnisse so regelt, daß keine überflüssigen Schwierigkeiten auftauchen.
Der Entwurf der Verordnung ist auch dem deutschen Parlament zugegangen. Der Bundesrat, auf den sich der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bezieht, hat Stellung genommen und die Bundesregierung gebeten, sich in Brüssel bei verschiedenen Punkten für eine Änderung einzusetzen.
Diese Änderungen beziehen sich in erster Linie darauf, daß es nicht eine besondere Verordnung geben soll, die alle Möglichkeiten des Eingriffs bei den verschiedenen Erzeugnissen zusammenfaßt, sondern die einzelnen Marktordnungen so geändert werden, daß sie auch in Katastrophenfällen angewandt werden können.
Der Außenhandelsausschuß hat sich heute vormittag noch mit der Vorlage beschäftigt. Er schlägt dem Hause vor, den Entwurf dieser Verordnung zur Kenntnis zu nehmen, aber die Bundesregierung zu ersuchen, bei den Verhandlungen in Brüssel darauf hinzuwirken, daß die im Verordnungsentwurf vorgesehenen Maßnahmen in die verschiedenen EWG-Marktordnungen eingebaut werden, damit sie den jeweiligen besonderen Verhältnissen verschiedener Marktgebiete angepaßt werden können.
Da immer mehr Rechte auf die europäischen Gremien übergehen, hält es der Außenhandelsausschuß aber auch für notwendig, daß der Bundesregierung ans Herz gelegt wird, dafür zu sorgen, daß ein Mitspracherecht des Europäischen Parlaments sichergestellt wird. Eine solche Aufforderung an die Regierung ist wohl richtig, damit der Einfluß des Europäischen Parlaments verstärkt wird.
Ich bitte das Hohe Haus, dem Vorschlag des Außenhandelsausschusses zu entsprechen, d. h. den Verordnungsentwurf mit der Aufforderung an die Bundesregierung zur Kenntnis zu nehmen.
Ich eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist bei einer Reihe Enthaltungen angenommen.Letzter Punkt der Tagesordnung:Beratung der von der Bundesregierung beschlossenen Neunzehnten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1965 (Drucksache IV/3263).Wird zur Einbringung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Aussprache! — Keine Wortmeldungen. Vorgeschlagen ist die Überweisung an den Außenhandelsausschuß — federführend —, an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend —. Ist das Haus einverstanden? — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung.Ehe ich die Sitzung schließe, will ich nicht mehr wiederholen, was ich zu Anfang dieser Sitzung gesagt habe: daß sich dieses Haus das Recht vorbehält, jederzeit, wenn es das für richtig hält, hier in Berlin zu tagen und deshalb wiederzukommen.
Die Kollegen, die mit mir in Japan waren, kennenden etwas melancholischen Abschiedsgruß: sayonara— so ist es halt. Meine Damen und Herren, wir sagen nicht: sayonara — so ist es halt —, sondern wir sagen viel optimistischer, aber nicht nur als Ausdruck einer Gefühlswoge, sondern als die Realität eines klaren Willens, zu dieser Stadt: Auf Wiedersehen!
— Wir kommen wieder. „Auf Wiedersehen" ist sozusagen der deutsche Gruß, wenn man entschlossen ist wiederzukommen.
Ich danke für die Schützenhilfe und für die unverabredete Harmonie.Meine Damen und Herren, zum Schluß noch ein Wort des Dankes, und zwar erstens an die Bevölkerung von Berlin
und zweitens an die Regierung dieser Stadt für die freundliche Aufnahme,
die sie uns zuteil werden ließen — trotz dieser Störversuche. Dank schließlich auch allen Mitarbeitern,
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Präsident D. Dr. Gerstenmaierdie uns gezeigt haben, wie man mit einem nichtstilisierten Provisorium fertig wird. In Bonn haben wir ja ein stilisiertes Provisorium, hier haben wir ein unstilisiertes Provisorium. Sie haben es auch ausgehalten; die Sitzung war gar nicht so schlecht.Schließlich, meine Damen und Herren — — Ich habe jetzt gewisse Hemmungen, ob ich sagen soll: Dank an die Kollegen, die hier sind. Das tue ich deshalb nicht, weil Sie wohl mit mir darin übereinstimmen, daß es nur unsere Pflicht ist, da zu sein,
gleichgültig, ob wir in Bonn oder in Berlin tagen. Es ist unsere Pflicht, hier zu sein. Deshalb schenke ich mir diesen Dank. Aber Sie wissen schon, wie ich es meine.Meine Damen und Herren, die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages findet statt am 5. Mai 1965, 15.00 Uhr, zu Bonn im Bundeshaus.Die Sitzung ist geschlossen.