Rede von
Dr.
Eugen
Gerstenmaier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte es kurz machen und nur erklären, daß unsere Fraktion selbstverständlich nicht für die sofortige Annahme des Antrages, sondern nur für die Überweisung an die zuständigen Ausschüsse stimmen wird. Wenn man die heutige Débatte von einer gewissen Seite aus an sich vorüberziehen läßt, hat man den Eindruck, als bestünde das einzige Problem der Bundesvermögen und der Bundesbeteiligungen in der Privatisierung und als gäbe es hier im übrigen überhaupt keine Gesichtspunkte.
Ich halte es für ganz entscheidend, daß wir uns die Zeit nehmen, die Dinge auch unter anderen Gesichtspunkten zu diskutieren
als nur unter dem Gesichtspunkt: Wie privatisieren
wir das gesamte Bundesvermögen so schnell wie
möglich? Wir sind da nämlich in Gefahr, in so etwas wie eine Privatisierungshysterie zu verfallen,
die wir — das möchte ich hier klarlegen — auf keinen Fall mitmachen werden.
Meine Damen und Herren, wir werden uns sehr bald auf ganz bestimmten Gebieten — und wir stehen z. B. auf dem Gebiete der Energiemärkte und der Energiewirtschaft vor einer schwierigen Situation — sehr wohl überlegen müssen, ob die Bundesunternehmen nicht auch andere Funktionen haben als ausschließlich die, so schnell wie möglich privatisiert zu werden. Ich habe gelegentlich der Energiedebatte bereits darauf hingewiesen, daß nahezu alle großen Industriestaaten Westeuropas hier andere Wege gegangen sind als die Bundesrepublik. Wir werden nicht aufhören, auf diese wichtigen Gesichtspunkte hinzuweisen.
Und nun noch etwas anderes! Hier bin ich dem Bundesschatzminister dafür dankbar, das er das heute so offen angesprochen hat. Er hat davon gesprochen, daß die Bundeskonzerne VIAG, VEBA usw. gewissermaßen zufällig zusammengekommen sind. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen — und wir werden das auch bei der Beratung dieses Antrags zur Sprache bringen —: die sozialdemokratische Bundestagsfraktion hat bereits im Jahre 1958, d. h. vor nunmehr sieben Jahren, eine Große Anfrage eingereicht und in dieser Großen Anfrage dieselbe Frage aufgeworfen, ob es denn zweckmäßig ist, die Bundesunternehmen und die Bundesbeteiligungen in den historischen und rein zufällig überkommenen Gruppierungen weiter existieren zu lassen. Sie hat weiter schon vor sieben Jahren die Frage aufgeworfen, ob es nicht notwendig ist, endlich durch gesetzgeberische Maßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß Bundestag und Bundesregierung der notwendige Einfluß auf Veränderungen im Besitz und auf die Unternehmenspolitik dieser Unternehmen und Bundesbeteiligungen gesichert wird. Wir bedauern es tief, daß nichts in dieser Sache geschehen ist, eben auf Grund der einseitigen Perspektive: Bundesunternehmen interessieren nur unter dem Gesichtspunkt der Privatisierung. Dabei erleben wir so scheußliche Dinge, daß der Bundesschatzminister sich vergeblich darum bemüht, verschiedene Konzernbestandteile überhaupt zu einer Zusammenarbeit auf wichtigen Gebieten zu bringen.
Ich glaube also, daß es dringend notwendig ist, daß diese Ausschußberatungen weiter ausgedehnt werden und daß sich die zuständigen Ausschüsse und anschließend das Plenum dieses Hauses endlich einmal in umfassender und nicht in einseitiger Weise mit dem Problem des Besitzes des Bundes beschäftigen.