Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 14. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Klingelhöfer für zwei Wochen wegen Krankheit.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Thieme, Lemmer, Spörl, Dr. Conring, Wagner , Bock, Keuning, Blachstein, Neumann und Ritzel.
Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Abgeordneten Jahn , Birkelbach, Ollenhauer, Scheel, Dr. Mocker, von Hassel, Wehner, Frau Dr. Kuchtner, Frau Dr. Schwarzhaupt, Brockmann (Rinkerode) und Wehking.
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß der Urlaub für den Abgeordneten Klingelhöfer, soweit er über eine Woche hinausgeht, genehmigt ist. — Das ist der Fall.
Vor Eintritt in die Tagesordnung
gedenken wir der Tatsache, daß am 10. Februar im Alter von 65 Jahren das Mitglied der SPD-Fraktion dieses Hauses, Herr Robert Görlinger, verstorben ist. Herr Görlinger ist am 29. Juli 1888 in Ensheim, Rheinland-Pfalz, geboren. Er war von 1919 bis 1933 Stadtverordneter in Köln und von 1920 an Vorsitzender der dortigen SPD-Fraktion. Er war tätig als Mitglied des Rheinischen Städtetages und des Deutschen Städtetages. Er hat in der Zeit von 1927 bis 1932 ausgedehnte Reisen nach England, Frankreich, Belgien, Holland, Italien, Österreich und der Schweiz gemacht, um dort die Arbeiterbewegung zu studieren. 1933 ist er in das Saargebiet emigriert und später nach Frankreich. Dort ist er nach Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit von 1939 bis 1941 interniert worden, anschließend von der Geheimen Staatspolizei verhaftet, zu Gefängnis verurteilt und in das Konzentrationslager überführt worden. 1945 wurde er nach der Wiedergründung der Sozialdemokratischen Partei in Deutschland in den Parteivorstand gewählt. Er war Mitglied des Zonenbeirates und gehörte zum Präsidium des Deutschen Städtetages. Er ist am 15. November 1948 Oberbürgermeister in Köln geworden. Herr Görlinger hat bereits dem ersten Deutschen Bundestag angehört. Wir kennen ihn und seine Arbeit aus dieser Zeit. Er ist über den Landesergänzungsvorschlag Nordrhein-Westfalen in den zweiten Deutschen Bundestag gewählt worden. Er war ordentliches Mitglied des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen, stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für Kommunalpolitik, im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und im Ausschuß für Bau- und Bodenrecht. Ich glaube, im Namen des ganzen Hauses zu sprechen, wenn ich dem Schmerz über diesen schweren Verlust Ausdruck gebe, wenn ich seiner Fraktion und seinen Angehörigen unser herzliches Beileid zum Ausdruck bringe und wenn ich versichere, daß wir die Arbeit dieses abgerufenen Kollegen in dankbarer und ehrender Erinnerung behalten werden.
Sie haben sich zu seinen Ehren erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich habe Glückwünsche auszusprechen, und zwar zum 66. Geburtstag am 8. Februar dem Herrn Bundesminister Kaiser,
zum 65. Geburtstag am 10. Februar dem Herrn Abgeordneten Hepp und am 7. Februar dem Herrn Abgeordneten Dr. Leiske,
zum 61. Geburtstag am 9. Februar dem Herrn Abgeordneten Geritzmann,
und schließlich zum 60. Geburtstag am 7. Februar der Frau Abgeordneten Dietz.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat mit Schreiben vom 6. Februar 1954 die Kleine Anfrage 24 der Abgeordneten Bauer und Genossen betreffend Autobahnbau Frankfurt-Würzburg-Nürnberg (Drucksache 207) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 246 vervielfältigt.
Damit, meine Damen und Herren, können wir .in die heutige Tagesordnung eintreten. Sie haben als Punkt 1 vor sich:
Beratung der Ubersicht 3 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen .
Der Petitionsausschuß wünscht diesmal keinen mündlichen Bericht zu geben. Ich bitte die Damen und Herren, die den vom Petitionsausschuß in Drucksache 220 gestellten Anträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Diese Anträge der Übersicht 3 sind angenommen.
Ich rufe den Punkt 2 auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftliche Ordnung des Verkehrswesens ;
b) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Verkehrspolitik der Bundesregierung ;
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Morgenthaler und Genossen betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn-und Feiertagen ;
d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Ordnung des Omnibusverkehrs ;
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Finanz- und Verkehrskrise der Deutschen Bundesbahn ;
f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Gutachten zur Verkehrspolitik ;
g) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen ;
h) Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Finanzierung der Deutschen Bundesbahn .
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen folgendes Verfahren vor: daß die Anfragen begründet werden, daß die Regierung sie gemeinsam beantwortet, daß Einzelbegründungen zu den Anträgen 2 c bis h nicht gegeben, sondern diese Anträge im Rahmen der Aussprache begründet werden. — Sie sind mit diesem Verfahren einverstanden.
Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Bleiß, bitte.
Dr. Bleiß , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Veröffentlichungen in der Presse hat die Deutsche Bundesbahn das Jahr 1953 mit einem Defizit von rund 680 Millionen DM abgeschlossen. Dieses Defizit hat weite Kreise der Öffentlichkeit mobilisiert; denn es bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß jeder Staatsbürger, gleichgültig ob jung oder alt, durchschnittlich 14 DM aufbringen muß, um den Haushalt der Bundesbahn 1953 auszugleichen.
Es mag sein, daß ein Defizit in solcher Höhe auch für die Bundesregierung überraschend gekommen ist. Es gibt aber keine plausible Erklärung dafür, warum die Bundesregierung der gesamten krisenhaften Entwicklung der Bundesbahn bisher so wenig Beachtung geschenkt hat. Seit Jahren schon wird über das Problem Schiene-Straße, wird über die schleichende Verkehrskrise in der Öffentlichkeit gesprochen und geschrieben. Alle Reden, Aufsätze, Mahnungen und Anträge haben aber den Herrn Bundesverkehrsminister anscheinend nicht zu veranlassen vermocht, mit regelnder Hand einzugreifen.
Ich will heute nicht die Anfangsgründe der Verkehrskrise untersuchen: sie liegen weit zurück, sie hängen damit zusammen, daß wir bei den Eisenbahnen ein der deutschen Wirtschaftsstruktur angepaßtes gemeinwirtschaftliches Tarifsystem haben, daß wir nach dem Werttarif und nach der Entfernungsstaffel und im Personenverkehr mit Sozialtarifen arbeiten. Der Werttarif bedeutet bekanntlich, daß wertvolle Güter mit hohen, d. h. weit über den Selbstkosten liegenden Frachten belastet werden, während für typische Massengüter sehr niedrige, also unter den Selbstkosten liegende Frachtsätze, sogenannte „Kellertarife" in Anrechnung gebracht werden.
Ähnlich verhält es sich mit der Entfernungsstaffel: mit der zunehmenden Weite des Transportwegs vermindern sich die Kosten je Tonnenkilometer.
Solange die Eisenbahnen über ein relatives Beförderungsmonopol verfügten, funktionierte das gemeinwirtschaftliche Tarifsystem reibungslos. Es war lediglich eine Abstimmung mit der Binnenschifffahrt erforderlich. Unter diesen Umständen konnten den Eisenbahnen auch Betriebs- und Beförderungspflichten auferlegt werden, denn alle Verluste aus unrentablen Strecken und aus unrentablen Tarifen fanden schließlich in der allgemeinen Tarifpolitik ihren Ausgleich.
Das Bild änderte sich aber völlig mit dem Aufkommen des Lastwagens. Jetzt mußten sich zwangsläufig Schwierigkeiten für die Eisenbahn ergeben, denn der Lastwagen unterlag und unterliegt weder der Betriebs- noch der Beförderungspflicht. Er ist daher in der Lage, sich hochtarifierte Frachten auszusuchen und sich, wie man mit Recht sagt, die Rosinen aus dem Kuchen herauszupicken.
Das gleiche gilt im Personenverkehr für die Omnibusse. Auch sie sind von der Beförderungs- und Betriebspflicht befreit; auch sie sind dadurch in die Lage versetzt, sich ein Liniensystem aus verkehrsgünstigen Strecken aufzubauen.
Auf Grund solcher Vergünstigungen haben schon bis zum zweiten Weltkrieg der Lastwagen und der Omnibus einen immer größeren Teil des Verkehrsvolumens an sich gezogen und damit das relative Verkehrsmonopol der Eisenbahnen gebrochen. Diese Tendenz hat sich nach dem zweiten Weltkrieg verstärkt. Es wäre nun die Aufgabe einer vernünftigen Verkehrspolitik gewesen, durch koordinierende Maßnahmen die sich für die Bahn ergebenden Härten auszugleichen und für die Träger des Binnenverkehrs gleiche Wettbewerbschancen zu schaffen. Das hat die Bundesregierung nicht getan.
Aber bleiben wir zunächst bei der Bundesbahn, dem größten Vermögensbestandteil des Bundes. Vielen von Ihnen, meine Damen und Herren, wird heute kaum noch recht bewußt sein, welches Ausmaß die Zerstörungen bei der Bundesbahn am Kriegsende erreicht hatten. Nach den Unterlagen des Bundesverkehrsministeriums sind zur Zeit noch Kriegsschäden in Höhe von 1 Milliarde DM vorhanden, haben wir einen seit Kriegsende angestauten Nachholbedarf von etwa 3,2 Milliarden DM und werden die Kosten einer Modernisierung der Anlagen mit weiteren 3,3 Milliarden DM veran-
schlagt, so daß ein Gesamtkostenaufwand von 7,5 Milliarden DM ermittelt worden ist. Ein Aufwand in dieser Höhe wäre notwendig gewesen, um der Bundesbahn hinsichtlich der Beschaffenheit ihrer Anlagen und Fahrzeuge die gleichen Startbedingungen wie dem Straßenverkehr zu geben.
Diese Zahlen sind der Bundesregierung seit Jahren bekannt. Es ist aber praktisch niemals ein ernster Versuch zur Behebung des technischen Rückstandes gemacht worden. Dabei hat es an Mahnungen nicht gefehlt. Meine Fraktion hat schon zu Beginn des Jahres 1950 im Bundestag beantragt, der Bundesbahn für die Modernisierung des Fahrzeugparks jährlich einen Betrag von 220 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Der Antrag wurde damals im Bundestag mit großer Mehrheit angenommen. Aber was nützt ein Beschluß des Hohen Hauses, wenn die Bundesregierung ihn einfach nicht ausführt und die Bahn ihrem Schicksal überläßt? Was nützt ein Beschluß des Hohen Hauses, wenn die Bundesregierung es für richtiger hält, anstatt zu helfen, der Bundesbahn noch betriebsfremde Lasten von etwa 360 Millionen DM im Jahr aufzuhängen? Ein solches Gebaren muß doch zwangsläufig zu Kassenklemmen, zu Defiziten und zu einer wachsenden Verschuldung führen.
Aber nicht allein die Vernachlässigung der Bundesbahn ist symptomatisch für die heutige Verkehrskrise. Die Symptome sind genau so in der Finanzpolitik der Bundesregierung und in der einseitigen Bevorzugung des Werksfernverkehrs zu erblicken.
Wir haben uns in diesem Hohen Hause schon wiederholt mit den Problemen der Selbstfinanzierung der gewerblichen Wirtschaft, besonders mit der Selbstfinanzierung der Industrie, beschäftigen müssen. Hohe Preise in Zeiten des Verkäufermarkts haben zu einer starken Verflüssigung in der Wirtschaft geführt. Die Verflüssigung erhöhte den Anreiz, den Fahrzeugpark zu erweitern und die Transporte durch eigene Fahrzeuge durchführen zu lassen. Verstärkt wurde diese Tendenz der Fahrzeugbeschaffung durch großzügige Abschreibungserleichterungen für Ersatzbeschaffung im Rahmen der sogenannten Kleinen Steuerreform. Für die Ersatzbeschaffung war gewöhnlich die Zahl und nicht die Leistungsfähigkeit der Fahrzeuge maßgebend. Es war also durchaus möglich, an Stelle eines verlorengegangenen Anderthalbtonners mit Anhänger einen modernen Lastzug mit 20 bis 30 t Ladegewicht wieder zu beschaffen. Bei einer jährlichen Abschreibungsquote von 50% war der Lkw in zwei Jahren voll abgeschrieben und bildete fortan eine ansehnliche stille Reserve. Manche Automobilfabrik hat ihre Werbung mit dem Hinweis gewürzt, daß man Lastwagen kaufen müsse, weil ja der Fiskus durch seine Steuererleichterungen den Ankauf indirekt zu einem erheblichen Teile subventioniere. Die großzügige Abschreibungspolitik der Bundesregierung hat den Werksfernverkehr in einer Weise anwachsen lassen, die weit über das volkswirtschaftliche Bedürfnis hinausgeht. Nach repräsentativen Erhebungen ist der gesamte Wagenpark des Werksfernverkehrs nur etwa zur Hälfte ausgelastet.
Aber damit noch nicht genug, meine Damen und Herren. Der Werksverkehr erhielt auch gegenüber dem gewerblichen Güterverkehr eine besondere Bevorzugung dadurch, daß er bis zum Herbst des vergangenen Jahres von der Beförderungssteuer befreit blieb. Ziffernmäßig finden die Steuerbegünstigungen ihren Ausdruck darin, daß sich die Transportkapazität des Lastwagens seit 1948 mehr als verdoppelt hat, daß die Zahl der Zugmaschinen nahezu auf das Vierfache gestiegen ist, während die Zahl der Güterwagen seit 1948 um 15 % abgenommen hat.
Wirtschaftlich gesehen hat die Kapazität der Lastwagenhersteller eine starke, vielleicht allzu starke Ausweitung erfahren. Die Wagen- und Lokomotivfabriken aber sind notleidend geworden. Tausende von Arbeitern in diesen Betrieben sind in großer Sorge um ihren Arbeitsplatz, und in den letzten Wochen und Monaten sind vielen von ihnen die Kündigungen zugestellt worden.
Unter den von mir dargestellten günstigen Vorzugsbedingungen konnte der sich schnell ausweitende Werksverkehr einen immer größeren Teil des Verkehrsvolumens auf sich ziehen. Der Werksverkehr trug im wesentlichen dazu bei, daß Kohle und Langholz, daß Baustoffe, Steine und Erden immer mehr von der Schiene auf die Straße abwanderten und zu einer zunehmenden Verkehrsgefährdung führen mußten.
Heute sind täglich 30 Verkehrstote zu beklagen. Nach den Schätzungen des Bundesverkehrsministeriums werden, wenn sich die Verkehrsentwicklung noch einige Jahre im gleichen Tempo fortsetzt, täglich 65 Verkehrstote, auf das Jahr bezogen also etwa 25 000 Menschenleben, zu beklagen sein. Ich würde Sie doch bitten, sich diese schreckliche Zahl immer wieder vor Augen zu halten.
Durch die Konkurrenz des Werkverkehrs verschärfte sich der alte Wettbewerb zwischen der Schiene und dem gewerblichen Güterverkehr. Der Leidtragende war die Bundesbahn. Sie hat im letzten Jahr versucht, den Auftragsschwund durch tarifarische Maßnahmen einzuholen. Ihre Aktion hat sich als völliger Fehlschlag erwiesen. Die steuerliche Bevorzugung des Werkverkehrs war durch tarifliche Maßnahmen einfach nicht mehr aufzuholen.
Auf den kurzen Nenner gebracht, müssen wir feststellen, daß die Bundesregierung für die Bundesbahn zu wenig und für den Werkverkehr zu viel getan hat und daß dadurch eine ruinöse Konkurrenz in der Verkehrswirtschaft und ein schreckliches Ansteigen der Zahl der Verkehrstoten eingetreten ist. Das hat die Bundesregierung mitverschuldet. Wir vermögen in dieser Gebarung keine vernünftige Verkehrspolitik zu erkennen.
Wir fragen deshalb:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung zur Wiederherstellung einer geordneten Wirtschaftsentwicklung im Bereich der Deutschen Bundesbahn ergriffen? Welchen Erfolg hatten diese Maßnahmen?
Die überdimensionale Entwicklung des Straßenverkehrs hat unsere Straßen überbeansprucht, hat große Schäden verursacht und das ganze Straßennetz völlig unzureichend werden lassen. Zu den riesigen Investitionen für die Bundesbahn, die ich Ihnen in Höhe von 71/2 Milliarden DM kurz umreißen durfte, kommt nunmehr ein Straßenbauprogramm erster und zweiter Dringlichkeit von über 8 Milliarden DM. Auch hier, meine Damen und Herren, gilt der Grundsatz: Wer nicht rechtzeitig baut und repariert, muß doppelt und dreifach zahlen!
Die Rechnung für die Versäumnisse der Bundesregierung kommt jetzt auf uns zu. Wir können Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie während der ersten Legislaturperiode des Bundestages den Straßenbau allzusehr vernachlässigt haben, daß Sie sich gegenüber dem Finanzministerium einfach nicht durchsetzen konnten. Heute stehen beide Riesenprogramme
für die Bundesbahn und für den Straßenbau zur Debatte, und wir würden von dem Herrn Bundesverkehrsminister gern hören, wie e r sie ernsthaft und — notgedrungen — schnell abzuwickeln gedenkt.
Aber, meine Damen und Herren, wir haben die Befürchtung, daß die Defizite der Bahn auch nach einer Modernisierung der Bundesbahn einschließlich der notwendigen Befreiung von den betriebsfremden Lasten noch nicht ausgeglichen sein werden. Weitere Maßnahmen scheinen uns erforderlich zu sein.
Wir haben deshalb die Bundesregierung gefragt:
Welche Vorschläge haben der Vorstand der Deutschen Bundesbahn und der Vorstand des Verbandes der nichtbundeseigenen Eisenbahnen zur Behebung der deutschen EisenbahnKrise der Bundesregierung unterbreitet?
Von den nichtbundeseigenen Eisenbahnen haben wir inzwischen gehört, daß Vorschläge von dieser Seite nicht gemacht worden sind, daß aber ein Teil dieser Bahnen ebenfalls notleidend und stark verschuldet ist.
Gefreut hat es uns, daß unsere Große Anfrage den Herrn Bundesverkehrsminister veranlaßt hat, die bisher geheimgehaltenen verkehrspolitischen Forderungen der Deutschen Bundesbahn nunmehr beschleunigt zu veröffentlichen. Wir würden es begrüßen; wenn der Herr Bundesverkehrsminister zu den in diesem Heft enthaltenen, teilweise sehr drastischen Forderungen der Deutschen Bundesbahn nachher eingehend Stellung nehmen würde.
Meine Damen und Herren, ich komme nun zur letzten und vielleicht zur entscheidenden Frage innerhalb unserer Verkehrswirtschaft, zum Problem der Koordinierung der Verkehrsträger, d. h. einer zweckmäßigen Ordnung des deutschen Binnenverkehrs. Auch zu diesem Fragenkomplex können wir dem Herrn Bundesverkehrsminister den ernsten Vorwurf nicht ersparen, daß er sich um die Verkehrskoordinierung nicht rechtzeitig und nicht ernsthaft genug bemüht hat.
Sie, Herr Bundesverkehrsminister, haben in der ersten Legislaturperiode zwar eine ganze Anzahl von Gesetzen dem Hohen Hause zugeleitet und sicherlich eine Vielzahl von Verordnungen erlassen; aber die entscheidende Gesetzgebung, nämlich die der Koordinierung, ist von Ihnen vernachlässigt worden.
Dabei hat es auch hier nicht an Mahnungen gefehlt. Schon im Januar 1951 hat die SPD-Fraktion im Bundestag den Antrag eingebracht, die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Schiene und Straße einer gründlichen Prüfung zu unterziehen und verkehrskoordinierende Maßnahmen einzuleiten. Jahrelang blieb der Antrag im Verkehrsausschuß unerledigt, weil das Bundesverkehrsministerium
die Unterlagen einfach nicht zur Verfügung stellte.
Mit Abschluß der ersten Legislaturperiode mußte der Antrag als unerledigt — ich möchte sagen, als unbearbeitet weggetan — in den Papierkorb wandern.
Aber wir lassen nicht locker. Unsere Große Anfrage hat den Zweck, die Probleme erneut zur Diskussion zu stellen.
Deshalb fragen wir:
Welche Maßnahmen und Gesetze zur Behebung der Eisenbahn-Krise und zur Heilstellung einer volkswirtschaftlich zweckmäßigen Ordnung des deutschen Binnenverkehrs hat die Bundesregierung in Aussicht genommen?
Nun, wir haben auch bei dieser Frage schon eine kleine Genugtuung zu vermerken. Wir können feststellen, daß sich unsere Interpellation wiederum als ein guter Schrittmacher erwiesen hat. Denn nach Pressemeldungen haben dem Kabinett inzwischen zwei Gesetzentwürfe vorgelegen, und zwar der Entwurf eines Straßenfinanzgesetzes und der Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes. Beide Entwürfe erfreuen sich allerdings noch nicht der Gunst des Herrn Bundeswirtschaftsministers, weil besonders im Straßenentlastungsgesetz von den sogenannten „marktkonformen" Mitteln kaum die Rede ist, sondern sehr zügig mit polizeistaatlichen Maßnahmen, mit Zwangseingriffen und Verboten gearbeitet wird.
Meine Damen und Herren, wir sehen die Problematik der Verkehrskrise nicht in dem Wettbewerb von Bundesbahn und gewerblichem Güterfernverkehr. Wir würden deshalb im vorliegenden Falle, also im Falle des Straßenentlastungsgesetzes, genau zu prüfen haben, ob nicht durch plötzliche harte und tiefeingreifende Verbote viele mittelständische Existenzen zerstört werden würden. Zwischen der Schiene und dem gewerblichen Güterverkehr müßte — das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen — ein Ausgleich durch vernünftige Koordinierungsmaßnahmen möglich sein.
Das treibende Element der Verkehrskrise ist nach unserer Ansicht der übermäßige und künstlich ausgeweitete Werksfernverkehr. Hier aber hat es wenig Wert, an den Symptomen herumzukurieren; hier scheint es uns unumgänglich notwendig zu sein, die Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung einer gründlichen Korrektur zu unterziehen.
Meine Damen und Herren! In der heiklen Verkehrssituation, in der wir uns befinden, ist man gegen Überraschungen wenig geschützt, und es könnte vielleicht erwogen werden, die gemeinwirtschaftliche Tarifgebarung der Bundesbahn aufzulockern. Wir möchten vor derartigen Maßnahmen ganz entschieden warnen. Eine Auflockerung gemeinwirtschaftlicher Tarife würde für die gesamte deutsche Wirtschaftsstruktur verhängnisvolle Folgen haben.
— Das nehmen wir gern zur Kenntnis. Sie würde nicht nur unzählige Existenzen gefährden, sondern auch die Ost-West-Verlagerung der Industrie beschleunigen und die jetzt schon vorhandene Notlage in den Zonengrenzgebieten katastrophal verschärfen. Deshalb fragen wir:
Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die gemeinwirtschaftliche Tarifgebarung der Deutschen Bundesbahn auch in Zukunft das Rückgrat der deutschen Verkehrspolitik bleiben muß?
Wir sind der Auffassung, daß die gemeinwirtschaftlichen Tarife — und da hoffen wir mit Ihnen einer Meinung zu sein, Herr Kollege Müller-Hermann — nicht eingeschränkt werden dürfen, sondern im Gegenteil mit Rücksicht auf die Zonengrenzgebiete sogar noch weiter gefördert werden müssen, damit wir den Zonengrenz- und Notstandsgebieten wirtschaftliche Hilfe bringen können.
Wir melden aber heute schon unseren hartnäckigen Widerstand an, falls Sie, Herr Bundesverkehrsminister, beabsichtigen sollten, der Finanzkrise der Deutschen Bundesbahn durch eine Aufhebung und eine Anhebung der Sozialtarife, d. h. durch Fahrpreiserhöhungen für den Berufsverkehr, für Vertriebene und für Schulkinder zu steuern. Ich hoffe, Herr Kollege Müller-Hermann, daß wir auch da einer Meinung sind. Wir wünschen, daß die großen Pannen, die wir in der Verkehrspolitik zu beklagen haben, nicht auf dem Rücken der Werktätigen und Hilfsbedürftigen wiedergutgemacht werden.
Das, meine Damen und Herren, sind die Argumente, die uns veranlaßt haben, die Große Anfrage an die Bundesregierung zu richten. Unsere Interpellation ist getragen von der Sorge um die Entwicklung in der Verkehrswirtschaft. Wir wünschen mit unserer Anfrage eine generelle Aussprache einzuleiten, die endlich eine Ordnung des Verkehrswesens bringen möge.
Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU hat das Wort der Abgeordnete Müller-Hermann.
Müller-Hermann , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat für die Opposition versucht, die Verantwortung für die Verkehrskrise einseitig dem Herrn Bundesverkehrsminister und der Bundesregierung aufzubürden.
Sie werden verstehen, daß mich und auch die weiteren Sprecher aus den Koalitionsparteien das Kollegialitätsprinzip zu einer gewissen Zurückhaltung in dieser Debatte veranlassen wird.
Wir alle haben allen Anlaß, wesentlich zu berücksichtigen, daß die Verkehrskrise, die wir im Augenblick in Deutschland haben, in allererster Linie eine Folge des verlorenen Krieges und einer sogenannten Verkehrspolitik des Dritten Reichs ist. Wir dürfen wohl auch nicht vergessen — das gilt zumindest als eine gewisse Kritik an uns, die wir dem ersten Bundestag angehört haben —, daß die Verkehrsprobleme in den letzten vier Jahren auch bei uns in allen Fraktionen nicht die Aufmerksamkeit gefunden haben, die sie beanspruchen müssen.
Das Verkehrsproblem ist kein Randproblem. Wir werden uns in den nächsten Monaten und Jahren sehr intensiv, auch wiederholt hier im Plenum, mit den Verkehrsproblemen auseinandersetzen müssen. Ich möchte für meine Fraktion erklären: wir legen Wert darauf, daß neben der Steuerreform und der Sozialreform die Ordnung des Verkehrswesens, eine Verkehrsreform, als gleichwertiger und gleich dringlicher Faktor der Innenpolitik betrachtet wird.
Die Große Anfrage, die meine Fraktion eingebracht hat, ist notwendig geworden, weil die Verkehrskrise so offensichtlich ist, daß zu Recht eine erhebliche Beunruhigung in der Bevölkerung eingetreten ist.
Ich möchte nur auf die Zahl der Verkehrsunfälle im letzten Jahr hinweisen: 450 000 Verkehrsunfälle, 300 000 Verletzte, 10 000 Verkehrstote! Mehr Tote im Straßenverkehr als durch Unfälle in der gewerblichen Wirtschaft! Wir wünschen, daß die Bundesregierung mit größtmöglicher Beschleunigung geeignete Maßnahmen ergreift, um in erster Linie die Verkehrssicherheit wiederherzustellen und zu gewährleisten, daß der Staatsbürger sich ohne Lebensgefahr auf die Straße begeben kann. Wir fragen daher den Herrn Bundesverkehrsminister: Was gedenkt er zu tun,
um die Auswüchse, Übertreibungen und Unarten, die im deutschen Straßenverkehr eingerissen sind, zu beseitigen?
Das Verkehrsproblem ist, darüber gibt es wohl keinen Zweifel, äußerst diffizil und vielschichtig. Es ist auch nicht auf uns in der Bundesrepublik beschränkt, sondern das gleiche Problem besteht in den meisten Ländern. Ich glaube, wir haben allen Anlaß, bei der Lösung unserer Schwierigkeiten des öfteren auch über unsere Grenzen hinauszusehen und uns darüber zu informieren, welche Wege man in den anderen Ländern Europas oder auch Amerikas gesucht und gefunden hat.
Die technische Entwicklung hat zu einem Strukturwandel im Verkehr geführt. Es wäre meines Erachtens unklug, diese technische Entwicklung und ihre Folgen in Deutschland etwa aufhalten zu wollen, nicht zuletzt deshalb, weil dadurch auch die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft erheblich leiden müßte. Aber wir stehen vor der Notwendigkeit, unsere Verkehrspolitik der technischen Entwicklung und den durch sie hervorgerufenen Strukturwandel anzupassen. Bei uns in Deutschland kommt als besonderes Erschwernis hinzu, daß in den Jahren des Dritten Reichs und aus erklärlichen Finanzgründen in den Jahren nach 1945 der Straßenbau zwangsläufig zurückbleiben mußte, während die Motorisierung in den Jahren nach 1945 in einem erstaunlich schnellen Maße in Deutschland Platz greifen konnte. So hat sich eine Schere zwischen dem Straßenvolumen und der Beanspruchung der Straße ergeben. Das ist das eine Problem.
Das andere ist die Finanzsituation der Bundesbahn. Es scheint mir wichtig zu sein, darauf hinzuweisen, daß die sogenannte Finanzkrise der Bundesbahn im Grunde eine unechte Krise ist. Die Bundesbahn ist ein an sich gesundes wirtschaftliches Unternehmen. Ihre heutige Finanzsituation ist nur der Ausfluß einer nicht richtig angelegten Verkehrspolitik bzw. ist darauf zurückzuführen, daß eine sinnvolle Koordinierung der Verkehrsträger bisher gefehlt hat und in der Bundesrepublik ein volkswirtschaftlicher Luxus eingerissen ist, den wir uns einfach nicht leisten können.
Die Situation der Bundesbahn und die Überlastung des Straßenverkehrs sind — das möchte ich noch einmal ausdrücklich unterstreichen — nicht die Krankheitsursachen, sondern sind Symptome für die Krankheit des Verkehrswesens. Ich bin der Meinung, daß wir alle, auch die Bundesregierung, schlecht beraten wären, wenn wir nur an den Symptomen herumkurieren und bequeme Lösungen suchen würden,
die im Augenblick hier und da vielleicht die Situation erleichtern würden. Wir müssen vielmehr das Übel an der Wurzel packen und in erster Linie zu einer klaren Verkehrskonzeption kommen,
d. h. zu einer Verkehrskonzeption, die die Voraussetzungen für ein wirkungsvolles Einsetzen der Verkehrsträger schafft. Dabei müßten die Vorzüge der verschiedenen Verkehrsträger zur Geltung kommen, und durch richtige Nutzung der vorhandenen Kapazitäten und Herstellung unverfälschter Wettbewerbsbedingungen müßte der höchste volkswirtschaftliche Nutzeffekt erzielt werden.
Wir bedauern, daß der Herr Bundesverkehrsminister nicht schon vor zwei oder drei Jahren eine weit vorausschauende Initiative ergriffen hat, um eine solche Konzeption dem Hause bzw. der Bundesregierung vorzulegen,
sondern daß sich das Bundesverkehrsministerium darauf beschränkt hat, Einzelgesetze vorzulegen, von denen wir nicht mit Sicherheit wissen, ob sie tatsächlich wie ein Räderwerk ineinandergreifen. Es ist bedauerlich, daß man erst heute, in einem Zeitpunkt, in dem die Verkehrskrise so weit vorgeschritten ist, darangehen muß, eine Verkehrskonzeption mühsam zu erarbeiten, die sich mit den heute besonders aufgelaufenen Schwierigkeiten deckt.
Ich denke, wenn ich von Verkehrskonzeption spreche, an den Wirtschaftsminister Professor Erhard. Ich meine damit nicht, daß sich seine Wirtschaftskonzeption unbedingt völlig auf das Verkehrswesen übertragen läßt. Aber Herr Professor Erhard hat dem deutschen Volke eine klare und konsequente Konzeption vorgelegt. Sie ist so klar, kühn und erfolgreich gewesen, daß heute selbst die Opposition sich bemüht, sie nach Möglichkeit stillschweigend in ihr Programm zu übernehmen.
Sie ist so konsequent, daß selbst eifrige Befürworter seines Kurses jetzt zum Teil mit Bedenken kommen. Aber die Klarheit seiner Konzeption hat für alle Beteiligten in der Wirtschaft einen Sicherheitsfaktor geschaffen, und Herr Professor Erhard hat es mit einem politischen Fingerspitzengefühl vor allem auch verstanden, die Spannungen im Bereich der Wirtschaft zu sehen und den Versuch zu machen, sie am runden Tisch auszugleichen.
Wir sollten uns aber heute nicht darauf konzentrieren, Kritik an dem zu üben, was bisher versäumt worden ist. Wir sollten vielmehr jetzt alle miteinander darangehen, Wege zu suchen, die eine solche klare Konzeption ermöglichen und die heute vorhandenen Schwierigkeiten beseitigen. Ich bedaure — das kann ich auch im Namen meiner Fraktion eindeutig erklären —, daß diese Debatte heute stattfindet, ohne daß uns eine Vorlage der Regierung als Diskussionsgrundlage zur Verfügung steht.
Wir hatten unsererseits den Wunsch geäußert, die Debatte zu vertagen, bis diese Konzeption bzw. die entsprechenden Gesetzentwürfe vorliegen. Denn die Aufgabe des Bundestages kann nicht darin bestehen, die vielleicht ganz interessanten, aber, wie ich annehme, eben nicht für die Gesamtregierung ausgesprochenen verkehrswirtschaftlichen Überlegungen von Herrn Minister Seebohm anzuhören und zu debattieren. Ich bedaure allerdings, daß von seiten des Bundesverkehrsministeriums die Meinung vertreten worden ist, mit der Vorlage dieser Gesetzentwürfe sei vor Mai nicht zu rechnen. Ich möchte daher an die Bundesregierung und vor allem an das Wirtschaftskabinett den dringenden Appell richten, die Verkehrsfragen mit größter Dringlichkeit zu behandeln und dafür zu sorgen, daß wir in allernächster Zukunft eine Regierungsvorlage bekommen.
Nicht nur die Bevölkerung verlangt endlich Sofortmaßnahmen zur Abstellung der Verkehrsunsicherheit. In allen Bereichen der Wirtschaft macht sich wegen dieser ungeklärten Verkehrssituation eine sehr unangenehme Unsicherheit bemerkbar, nicht nur bei der Verkehrswirtschaft, sondern auch bei der verladenden Wirtschaft, bei der Exportindustrie und bei allen Industriezweigen, die von den Verkehrsträgern Aufträge zu erwarten haben.
Die dritte Komponente, die eine dringliche Erledigung dieser Vorlage notwendig macht, ist die Kassenlage der Bundesbahn. Wir werden vielleicht heute hier noch besonders zu besprechen haben, wie wir durch eine Kassenhilfe sicherstellen können, daß die Bundesbahn ihren Verkehrssicherheitsbetrieb aufrechterhalten und vor allem auch ihr Auftragsprogramm für die Wirtschaft, die auf ihre Aufträge angewiesen ist, durchführen kann.
Zum Schluß der Begründung der Großen Anfrage der CDU/CSU möchte ich noch zwei Bitten an die Bundesregierung herantragen und sie mit entsprechenden Fragen an den Herrn Bundesverkehrsminister verknüpfen. Es scheint uns notwendig zu sein, daß bei der Lösung der Verkehrsprobleme von allen beteiligten Seiten mit offenen Karten, d. h. mit offenen Unterlagen und unter Offenlegung des Zahlenmaterials gearbeitet wird,
das für die Erledigung und die Beschlußfassung im Bundestag notwendig ist. Wir sind der Meinung, daß die Geheimhaltung dieser Zahlen, soweit sie überhaupt vorhanden sind,
eine außerordentliche Erschwernis für uns alle bedeutet. Es wäre meines Erachtens sehr bedauerlich,
wenn wir heute feststellen müßten, das das Bundesverkehrsministerium, wenn es in den letzten Jahren schon nicht eine Verkehrskonzeption hat entwickeln können, nicht einmal die statistischen Voraussetzungen und eine wissenschaftliche Analysierung des Materials so weit betrieben hat, daß heute auf gesicherten Grundlagen, die von der öffentlichen Meinung respektiert und anerkannt werden können, die Erarbeitung neuer Gesetzesvorschläge möglich ist. Die Frage an den Herrn Bundesverkehrsminister ist: Wie sieht es mit diesen Unterlagen aus,
und können wir damit rechnen, daß sie der Öffentlichkeit und den beteiligten Wirtschaftsgruppen auch zur gegenseitigen Kritik und Überprüfung übergeben werden?
Die zweite Bitte, die ich an die Bundesregierung zu richten habe, ist die, daß sie vor endgültiger Beschlußfassung über die Verkehrsgesetzgebung mit allen beteiligten Wirtschaftsgruppen Gespräche führt. Meine Frage an den Herrn Bundesverkehrsminister ist die: Sind die Vorschläge, die er ausgearbeitet hat — und die bisher so geheimgehalten worden sind, daß man sie nur an der Milchbar des Bundeshauses gegen Schwarzmarktpreise ausgehändigt bekommen konnte —,
ist diese Verkehrsvorlage nur mit der Bundesbahn oder auch mit den anderen an den Verkehrsproblemen beteiligten Wirtschaftsgruppen und Verkehrsträgern abgesprochen worden? Nicht nur ich, sondern auch eine Reihe von anderen Kollegen aus meiner Fraktion haben in den letzten Wochen mit fast allen an den Verkehrsproblemen beteiligten Wirtschaftsgruppen Gespräche geführt, um sich über die Ansichten zu informieren. Wir kennen ja alle die Memoranden, Stellungnahmen und Gutachten, die bereits vorliegen und die — davon können wir überzeugt sein — in noch verstärktem Maße in den nächsten Wochen und Monaten auf unsere Tische flattern werden. Wir wissen alle, daß wir den sehr ernsthaften Versuch machen müssen, die verkehrspolitischen Probleme nicht im Blick auf einen Verkehrsträger oder auf eine Wirtschaftsgruppe zu lösen, sondern daß wir versuchen müssen, diese Probleme ausschließlich unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu lösen. Die Memoranden der verschiedenen Gruppen stellen ja letzten Endes nur Ausgangspositionen fest; denn soweit ich ermitteln konnte, besteht bei allen Beteiligten die Einsicht, daß es ohne Konzessionen von allen Seiten einfach nicht gehen wird. Ich wünschte, daß wir von seiten des Bundestages nur eine gesetzgeberische Form für etwas zu beschließen hätten, das vorher durch eine freie Vereinbarung der Beteiligten ausgehandelt worden wäre. Sicherlich ist das eine Ideallösung, auf die wir nicht rechnen können. Aber ich bin überzeugt, daß sich in sehr vielen Punkten zwischen den einzelnen Wirtschaftsgruppen prinzipielle und auch ins einzelne gehende Übereinstimmungen werden erzielen lassen; denn es besteht wohl Klarheit darüber, daß die Lösung der Frage nur mit dem gesunden Menschenverstand und mit vernünftigen volkswirtschaftlichen Überlegungen vor sich gehen kann und daß sich daraus zwangsläufig gewisse Wege als notwendig ergeben werden.
Ich bedauere, daß die heutige Diskussion über die beiden Großen Anfragen in Ermangelung einer
Vorlage der Regierung wahrscheinlich mehr oder weniger im luftleeren Raum stattfinden wird.
Meine Bitte an den Herrn Bundesverkehrsminister und auch an Herrn Vizekanzler Blücher als den Vorsitzenden des Wirtschaftskabinetts geht dahin: Sorgen Sie bitte dafür, daß die Kabinettsvorlage so schnell wie möglich zum Abschluß gebracht wird, damit wir auf einer gesicherten Grundlage, von einer bestimmten, in Worte gefaßten Ausgangsposition aus hier in kurzer Zeit eine detaillierte Verkehrsdebatte führen können, die uns dann hoffentlich einen wirklichen Schritt vorwärts bringen wird.
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für das Interesse an der Verkehrspolitik, das die beiden großen Fraktionen des Hohen Hauses durch ihre Großen Anfragen bekundet haben, kann der Bundesminister für Verkehr nur dankbar sein. Aus Zeitgründen werde ich mich in meiner Antwort allerdings im wesentlichen auf die beiden großen Inlandsverkehrsträger und ihre Probleme beschränken müssen.
Die beiden Großen Anfragen der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU decken sich zu einem Teil. Die Punkte 3 unid 4 der Großen Anfrage der SPD werde ich zusammen mit der Großen Anfrage der CDU/CSU beantworten können. Nur die beiden ersten Punkte der SPD-Anträge bedürfen gesonderter Beantwortung, und ich möchte mich daher ihnen vorweg zuwenden.
Die Fraktion der SPD fragt zunächst, welche Maßnahmen die Bundesregierung zur Wiederherstellung einer geordneten Wirtschaftsentwicklung im Bereich der Deutschen Bundesbahn ergriffen hat unid welchen Erfolg diese Maßnahmen zu verzeichnen hatten.
Meine Damen unid Herren! Bereits im Frühjahr des vorigen Jahres hat das Bundesverkehrsministerium eine Reihe von Vorschlägen ausgearbeitet und sie in einer Kabinettsvorlage vom 16. April 1953 zusammengefaßt. Diese Vorschläge sollten der Verbesserung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Deutschen Bundesbahn dienen. Dieses sogenannte erste Bundesbahnprogramm erstreckte sich auf
1. Kreditmaßnahmen,
2. Steuermaßnahmen,
3. tarifpolitische Maßnahmen,
4. Rationalisierungsmaßnahmen,
5. Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der Bundespost und der Bundesbahn.
Dias Kabinett hat dieses erste Bundesbahnprogramm eingehend beraten und es in seiner Sitzung am 8. Mai 1953 im Grundsatz gebilligt. Bedauerlicherweise konnten jedoch in der Zwischenzeit, durch die Neuwahlen und ihre Vorbereitung bedingt, nicht alle wichtigen Punkte, insbesondere nicht die gesetzgeberisch zu regelnden Punkte, dieses Programms durchgeführt werden.
Im einzelnen möchte ich dazu noch ausführen:
1. Die von mir vorgeschlagenen Kreditmaßnahmen sahen die Gewährung eines Darlehens des
Bundes an die Deutsche Bundesbahn vor, und zwar in Höhe des in einem Zeitraum von vier Jahren entstehenden Aufkommens an Beförderungsteuer im Bundesbahnverkehr. Dieses Darlehn sollte vor allem der Erneuerung und Ausbesserung des Oberbaus der Deutschen Bundesbahn, also besonders der Wiederherstellung und Verbesserung der Gleisanlagen, dienen. Das Aufkommen an Beförderungsteuer im Bundesbahnverkehr beläuft sich jährlich auf etwa 250 Millionen DM. Der Deutschen Bundesbahn sollte demnach in vier Jahren der Betrag von insgesamt einer Milliarde D-Mark für den genannten Zweck zufließen. Im Jahre 1953 hat die Deutsche Bundesbahn zwar keine Beförderungsteuer an den Bund abgeführt; der Betrag von 250 Millionen DM aber konnte nicht wie beabsichtigt für zusätzliche Arbeiten im Oberbau verwendet werden, sondern mußte zur Dekkung des Kassendefizits herangezogen werden.
Ferner hatte ich vorgeschlagen, daß die Deutsche Bundesbahn eine Forderung aus Leistungen für die Besatzungsmächte an den Bund abtritt. Die gesamte Forderung der Deutschen Bundesbahn aus Leistungen für die Besatzungsmächte belief sich auf 106,7 Millionen DM. Davon hat der Herr Bundesminister der Finanzen einen Betrag von 93,5 Millionen DM auf den Bund übernommen und gegen rückständige Beförderungsteuern aufgerechnet. In Höhe dieses Betrages ist also der finanzielle Status der Deutschen Bundesbahn verbessert worden. Außerdem hatte der Herr Bundesminister der Finanzen Ende April 1953 die Zahlung der gesetzlichen Gehaltserhöhung dadurch ermöglicht, daß er der Deutschen Bundesbahn im Vorgriff auf das Bundesdarlehen aus dem Haushalt 1953/54 einen Betrag von 60 Millionen DM überwies. Dieser Betrag soll der Deutschen Bundesbahn zusätzlich als Darlehen belassen bleiben.
Schließlich hat die Deutsche Bundesbahn auf meinen Antrag zur Behebung der Kassenschwierigkeiten eine Überbrückungshilfe von 200 Millionen DM erhalten. Die Bank deutscher Länder hat in dieser Höhe unverzinsliche Schatzanweisungen der Deutschen Bundesbahn auf dem Kreditmarkt untergebracht.
2. Die Steuermaßnahmen, die in meinem ersten Bundesbahnprogramm vom 16. April 1953 vorgesehen waren, sind in diesem Hohen Hause im Sommer vorigen Jahres eingehend beraten worden. Diejenigen von Ihnen, meine Damen und Herren, die bereits dem ersten Bundestag angehörten, werden sich daran erinnern. Bekanntlich haben damals die Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der DP sowie drei Abgeordnete der SPD zwei Initiativanträge eingebracht. Der eine Initiativantrag betraf die Änderung der Kraftfahrzeugsteuer, der andere die Änderung der Beförderungsteuer. Beide Anträge entsprachen etwa den vom Kabinett am 8. Mai 1953 grundsätzlich gebilligten Vorschlägen des Bundesministers für Verkehr.
In der Kraftfahrzeugsteuer sollte die bisherige Begünstigung für die schweren Lastkraftwagen und Kraftomnibusse wegfallen. Der sogenannte Knick in der Steuerstaffel sollte beseitigt werden. Ferner sollte der Steuersatz für Anhänger erhöht werden. Die Beförderungsteuer sollte auf den gewerblichen Güternahverkehr, der bisher nur Umsatzsteuer bezahlt hat, und auf den Werknahverkehr, der bisher steuerfrei war, ausgedehnt werden. Der Werkfernverkehr ist bekanntlich seit längerer Zeit der Beförderungsteuer unterworfen.
Beide Initiativanträge wurden von dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und von dem Ausschuß für Verkehrswesen des 1. Bundestages beraten und im wesentlichen mit Stimmenmehrheit angenommen. Das Plenum des 1. Bundestages hat diese beiden Änderungsgesetze leider nicht mehr verabschieden können.
3. Bei den tarifpolitischen Maßnahmen stand besonders die Ermäßigung der Eisenbahntarifklassen A bis D des deutschen Eisenbahn-Gütertarifs im Vordergrund. Ich habe gegen diese Maßnahmen Bedenken gehabt, weil ich bezweifelte, daß für die Deutsche Bundesbahn ein echter Verkehrszuwachs eintreten werde, der den Verlust durch die Tarifminderung aufwiegen würde. Daneben habe ich den Einnahmeausfall des gewerblichen Güterverkehrs vermeiden wollen und weiter vermeiden wollen, daß der gewerbliche Güterverkehr zwecks Ausgleichs verstärkt in die Massengüter einzudringen versucht. Die Deutsche Bundesbahn dagegen hatte auf diese Tarifänderung besonderen Wert gelegt, weil sie der weiteren Abwanderung hochtarifierter Güter von der Schiene zur Straße vorbeugen wollte. Die Bundesregierung hat durch Beschluß dem Antrag der Deutschen Bundesbahn entsprochen. Der Beobachtungszeitraum reicht heute noch nicht aus, um endgültig über Erfolg oder Mißerfolg dieser Maßnahme zu urteilen.
Von weiteren größeren tarifpolitischen Maßnahmen wurde damals abgesehen; denn sie können ihre volle Wirkung nur im Rahmen eines verkehrspolitischen Gesamtprogramms entfalten. Hierauf werde ich noch eingehen.
4. Ich bin mit der Leitung der Deutschen Bundesbahn darüber einig, daß die Deutsche Bundesbahn ihren Betrieb verstärkt rationalisieren und modernisieren muß, um den wachsenden Anforderungen der Wirtschaft entsprechen zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben. Nur einige wenige bereits eingeleitete wichtige Rationalisierungsmaßnahmen möchte ich hier kurz erwähnen.
Das Bundesbahnprogramm vom 16. April 1953 sieht eine Personaleinsparung in den Jahren 1953, 1954 und 1955 um weitere 45 000 Köpfe vor. Ich darf das Hohe Haus daran erinnern, daß die Bundesbahn bereits seit 1949 eine Einstellungssperre erlassen hat, um Personaleinsparungen durchzuführen, die sozial vertretbar sind. Diese Einstellungssperre hat zu einer erheblichen Verminderung des Personalbestandes geführt; aber diese Verminderung ist größtenteils aufgewogen worden durch die gesetzlichen Maßnahmen, die in der ersten Legislaturperiode beschlossen wurden, insbesondere durch das Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes, das zu einer Neueinstellung, besser gesagt zu einer Wiedereinstellung von 41 000 Bediensteten führte. Bei der Personaleinsparung, die jetzt vorgesehen ist, sollen wie bisher alle sozialen Härten nach Möglichkeit vermieden werden. Von. den natürlichen Abgängen in Höhe von 22 000 Köpfen jährlich sollen jeweils 15 000 nicht wieder ersetzt werden. Dadurch sind im Jahre 1953 bereits 30 Millionen DM an Personalausgaben eingespart worden. Die Einsprung wird sich bis Ende 1956 auf jährlich 180 Millionen DM erhöhen.
Außerdem konnten im Jahre 1953 die Lagervorräte der Deutschen Bundesbahn, durch die erhebliche Mittel gebunden waren, im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung, die eine schnelle Deckung der notwendigen Materialien aus dem Markt ermöglicht, um 80 Millionen DM gesenkt werden. Die
Einsparung ist allerdings einmalig. Im laufenden Jahr werden wesentliche Einsparungen auf diesem Gebiet nicht mehr erzielt werden können.
Ein weiterer Punkt der Rationalisierung war die Einschränkung des Werkstättendienstes. In Ausführung des Bundesbahnprogramms vom 16. April 1953 hat die Deutsche Bundesbahn Maßnahmen eingeleitet, die den Werkstättendienst dem infolge der technischen Entwicklung abnehmenden Arbeitsvolumen anpassen und gleichzeitig weiter rationalisieren sollen. In gleicher Weise sind Bestrebungen im Gange, überzählige Ämter einzusparen. Sie wissen, daß das hier im Raume Bonn in letzter Zeit zu gewissen Auseinandersetzungen, auch in den Zeitungen, geführt hat. Dabei ist die Deutsche Bundesbahn anerkennenswerterweise bemüht, einen gerechten Ausgleich zwischen ihren wirtschaftlichen Interessen, den arbeitsmarktpolitischen Notwendigkeiten und den sozialen Belangen ihrer Bediensteten zu finden.
Eine besondere Sorge bereitet dem Bundesminister für Verkehr und der Deutschen Bundesbahn die Vereinfachung des Nebenbahnbetriebes. Auf Grund des Bundesbahnprogramms vom 16. April 1953 habe ich den Vorstand der Deutschen Bundesbahn gebeten, eingehend zu untersuchen, wie der Nebenbahnbetrieb wirtschaftlich gestaltet werden kann. Seit 1949 hatte die Leitung der Deutschen Bundesbahn bei dem Bundesminister für Verkehr nur in drei Fällen Antrag auf Teileinstellung des Betriebes von Nebenbahnen gestellt. In welchem Umfange Nebenbahnen geschlossen werden, steht noch dahin. Diese Frage darf nicht allein unter sozialen und politischen Gesichtspunkten gesehen werden. Die Nebenbahnen sind vielmehr auch Zubringer des Verkehrs auf den Hauptstrekken und haben dadurch oft eine wesentlich größere wirtschaftliche Bedeutung für das Gesamtnetz, als ihre spezielle Betriebsabrechnung ergibt. Die umfangreichen Untersuchungen bei den 482 Nebenbahnen sind noch nicht abgeschlossen. Anträge auf Einstellung bestimmter Strecken sind bei dem Bundesminister für Verkehr bisher noch nicht gestellt. Wir haben allerdings bereits durch eine Vereinfachung in der Bedienung der Nebenbahnen, z. B. durch den Einsatz von Schienenomnibussen an Stelle aufwendiger Dampfzüge, Ersparnisse auf diesem Gebiet erzielt und Nebenstrecken wirtschaftlich aktiv gestalten können, und wir hoffen, im Laufe der nächsten Jahre auch hier zu einer spürbaren Ausgabenminderung zu gelangen.
5. Als letzte Maßnahme war in dem vom Bundeskabinett gebilligten ersten Bundesbahnprogramm vom 16. April 1953 eine enge Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost im Kleingut- und im Straßenomnibusverkehr vorgesehen. Die Verhandlungen darüber sind noch nicht abgeschlossen. Leider konnte auch das Gesetz über die Personenbeförderung zu Lande wegen sehr schwieriger Ressortverhandlungen von der Bundesregierung noch nicht verabschiedet und dem Hohen Hause zugeleitet werden. Im ersten Bundestag war es leider zeitlich nicht mehr möglich, diese Frage noch zu behandeln.
Meine Damen und Herren! Wenn ich jetzt zu Punkt 2 der Großen Anfrage der Fraktion der SPD übergehe, so glaube ich, mich sehr kurz fassen zu können. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat vor einigen Wochen eine Broschüre „Verkehrspolitische Forderungen der Deutschen Bundesbahn" veröffentlicht, die der Herr Abgeordneter Dr. Bleiß hier soeben in der Hand gehabt hat und die auch in der Presse, insbesondere in der Fachpresse, eingehend besprochen worden ist. Ich darf ihren Inhalt daher als bekannt voraussetzen. Weitere Forderungen hat die Leitung der Deutschen Bundesbahn auch der deutschen Bundesregierung nicht unterbreitet. Die Denkschrift der Deutschen Bundesbahn ist mir erst zu einem Zeitpunkt überreicht worden, in dem die verkehrspolitische Konzeption des Bundesministeriums für Verkehr nach der Neubildung der Bundesregierung bereits vorgelegt war.
Der Verband Deutscher Nichtbundeseigener Eisenbahnen hat der neugebildeten Bundesregierung offiziell keine Vorschläge unterbreitet. Allerdings steht mein Haus mit dem Verband Nichtbundeseigener Eisenbahnen in laufender enger Verbindung. Obwohl für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen in erster Linie die Länder zuständig sind, hat sich der Bundesminister für Verkehr stets bemüht, den berechtigten Wünschen der nichtbundeseigenen Eisenbahnen im Rahmen des Möglichen Rechnung zu tragen.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Frage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann eingehen, der sich erkundigt hat, ob mit allen beteiligten Wirtschaftsgruppen Gespräche geführt worden sind, bevor die Konzeption des Bundesministeriums für Verkehr endgültig abgeschlossen worden ist. Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es üblich ist, solange im Kabinett keine Abstimmung über grundsätzliche Voraussetzungen bestimmter Vorlagen erfolgt ist, diese Vorlagen als vertraulich zu behandeln. Ich habe deshalb zwar Gespräche mit den Spitzen der beteiligten Wirtschaftsgruppen geführt, aber streng unter dieser Voraussetzung der Vertraulichkeit, die es den Herren nicht gestattete, etwa die Mitglieder ihrer Verbände über die geplanten Maßnahmen zu unterrichten, die es aber wohl zuließ, daß diese Herren meinen Mitarbeitern und mir ihre speziellen Sorgen und Wünsche vortrugen.
Daß in der letzten Zeit eine solche Fülle von Denkschriften erschienen ist, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die Herren aus diesen Gesprächen mit uns doch ein ganz erhebliches Material sowie Anregungen geschöpft haben, die sie dann veranlaßt haben, ohne direkt auf diese Gespräche einzugehen, ihre Stellungnahme zu den Verkehrsproblemen darzulegen. Wir verfügen daher über eine Fülle von Denkschriften, aus denen wir die Auffassungen der einzelnen Verbände und Wirtschaftsgruppen sehr wohl kennen. Ich darf darauf hinweisen, daß selbstverständlich in den letzten vier Jahren stets in enger Zusammenarbeit mit all diesen Gruppen gearbeitet worden ist und daß die Probleme, die jetzt anstehen, wie auch aus den Begründungen der Großen Anfragen hervorgegangen ist, nicht etwa neuesten Datums sind, sondern uns schon lange beschäftigen.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann hat weiter nach Zahlenmaterial gefragt. Worüber wir zur Zeit an Zahlenmaterial zur Begründung der Regierungsvorlage verfügen, haben wir den Mitgliedern des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags unterbreitet.
Ich darf aber hier auf folgendes aufmerksam machen. Die Frage des statistischen Materials und sei-
ner Beschaffung für den Verkehr hat uns in den letzten Jahren schon laufend große Sorge bereitet und uns in ständige und enge Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt geführt. Die Möglichkeiten, statistisches Material über die Verkehrsvorgänge zu beschaffen, sind leider nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt verhältnismäßig beschränkt. Die Bundesbahn verfügt natürlich über ausreichendes statistisches Material; aber auf dem Gebiet der anderen Verkehrszweige, insbesondere auf dem Gebiete des Straßenverkehrs, ist dieses statistische Material sehr dünn und lange nicht in dem gewünschtem Maße vorhanden, auch nicht bei dem Statistischen Bundesamt. Erst mit dem Güterkraftverkehrsgesetz, das der Erste Bundestag beschlossen hat, haben wir überhaupt die gesetzlichen Voraussetzungen erhalten, um den Werkverkehr in die Verkehrsstatistik einzubeziehen. Naturgemäß brauchen solche statistischen Maßnahmen erhebliche Anlaufzeiten und bereiten in ihrer endgültigen Formung viel Schwierigkeiten. Ich darf darauf hinweisen, daß wir deswegen ja niemals eine laufende statistische Untersuchung im ganzen Verkehrswesen, sondern immer nur Repräsentativuntersuchungen und -erhebungen gehabt haben. Es ist aber mein ständiges Bemühen gewesen, Unterlagen zu schaffen, die wir dauernd benutzen können. Deshalb habe ich seinerzeit einen Ausschuß einberufen, der sich mit der Schaffung der Grundlagen für die Selbstkostenermittlung bei den Verkehrsträgern beschäftigen soll. Wir kennen Selbstkostenrechnungen im Verkehr in der Welt nur für einzelne Sparten, kennen sie auch in den Vereinigten Staaten nicht so, daß wir auch nur Vergleichszahlen gewinnen könnten. Wir haben uns sehr große Mühe machen müssen — und das hat des Schweißes wirklich sehr guter Sachverständiger bedurft, und zwar in einer verhältnismäßig langen Zeit, wobei ich selbst sehr bedaure, daß ich die Arbeiten in ihrem Zeitablauf nicht stärker habe straffen können —, um überhaupt erst die Grundlagen für diese Statistik zu erarbeiten. Wir brauchten ja eine Statistik, die nicht nur den einzelnen Verkehrsvorgang mit seiner Vorbereitung, mit dem eigentlichen Transport, der Auflösung des Transportes und seinen Nebenkosten erfaßt, sondern wir müssen, nach Kostenstellen und Kostenarten gegliedert, eine Selbstkostenrechnung des Verkehrs erarbeiten, die hinsichtlich der einzelnen Verkehrsträger brauchbare und vergleichbare Resultate liefert. Und hier liegt allerdings der Hund begraben.
Ich darf Sie bitten, wenn Sie diese Frage einmal sehr ernsthaft untersuchen wollen, sich mit den Verkehrswissenschaftlern unserer Universitäten und Hochschulen darüber zu unterhalten. Sie werden von ihnen bestätigt bekommen, daß bisher derartige statistische Unterlagen über den Verkehr nur unzureichend vorlagen und über die Selbstkosten im Verkehr praktisch überhaupt nichts vorhanden gewesen ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige Ausführungen unseres Herrn Kollegen Dr. Bleiß eingehen. Er hat darauf hingewiesen, daß nach Zeitungsnachrichten die Bundesbahn ein Defizit für das verflossene Jahr von 680 Millionen DM zu verzeichnen habe. Wenn ich sage, daß sie nur ein Defizit von 605 Millionen DM aufzuweisen hat, so will ich damit der Tatsache, die Herr Dr. Bleiß herausstellen wollte, natürlich nicht entgegentreten. Ich teile mit ihm die Sorge, die er über diese Entwicklung hat. Ich darf aber das Hohe Haus
darauf aufmerksam machen, daß die Deutsche Bundesbahn im Schnitt der Jahre 1949 bis 1952 einen
Ausgleich ihrer Betriebsausgaben durch die Betriebseinnahmen aufweist und daß in diesen vier
Jahren, also im ganzen gerechnet, kein Defizit entstanden ist, das sich aus dem Verhältnis der Betriebseinnahmen zu den Betriebsausgaben, also aus
der reinen Betriebsrechnung, ergab. Die Verluste,
die im Jahre 1953 eingetreten sind, sind im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß wir durch
gesetzliche Maßnahmen eine Erhöhung der Gehälter, denen eine Erhöhung der Löhne folgte, gehabt
haben und daß die Eisen- und Kohlenpreise für
die Bundesbahn nicht unerheblich gestiegen sind,
Mehrbelastungen, die ich insgesamt pro Jahr mit 600 bis 700 Millionen DM beziffere, die also praktisch jenem Defizit entsprechen, das im letzten Jahr ausgewiesen worden ist.
Dazu darf ich darauf hinweisen — und das dürfen wir in dieser Diskussion nicht vergessen —, daß die Einnahmen des gesamten Verkehrs gegenüber der gesamtwirtschaftlichen Preisentwicklung zurückgeblieben sind. Der Anteil der Verkehrsleistungen am Brutto-Sozialprodukt ist 1952 gegenüber dem Jahre 1936 um 10% gesunken und also nicht gestiegen. Die Indizes der Tonnenkilometerleistung liegen für 1952, wenn wir 1936 gleich 100 setzen, für die Bundesbahn bei 120 und für die Binnenschiffahrt ohne den internationalen Durchgangsverkehr bei 101. Der Rückgang der Wertschöpfung der Verkehrsleistung am Sozialprodukt ist also rein wert- oder besser rein preismäßig zu erklären. Diese Entwicklung wird durch einen Vergleich der Transportkostenanteile am Warenpreis bestätigt. Zum Beispiel lag im süddeutschen Kohlenverkehr die Transportkostenbelastung vor dem Krieg bei etwa 40 bis 42% des Preises; heute ist sie auf etwa 28 bis 30% des Preises abgesunken. Fs kann daher wohl kaum bestritten werden, daß die Entgelte der Verkehrsträger, insonderheit der Bundesbahn, weit hinter der Entwicklung der Warenpreise zurückgeblieben sind. Infolgedessen wird im Zuge der Sanierung der Bundesbahn — darauf habe ich auch schon früher hingewiesen — eine Verbesserung der Einnahmen im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen unerläßlich sein.
Der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß hat sich weiter zu den Gründen der Verkehrskrise geäußert. Ich darf sagen, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß: für mich liegt der tiefste Grund dieser Verkehrskrise — worauf auch Herr Abgeordneter Müller-Hermann schon hinwies — in der Zerreißung Deutschlands. ich werde Ihnen das mit einer sehr einfachen Zahl belegen. Die durchschnittliche Entfernung der Transporte der Bundesbahn beträgt zur Zeit 203 km. Würde diese durchschnittliche Entfernung der Transporte auf 300 km steigen, so würden wir um ein Drittel mehr Einnahmen aus dem Güterverkehr haben, und dieses Drittel Mehreinnahmen würde etwa einer Milliarde DM entsprechen. Auch wenn Sie die Mehrkosten, die dabei anfallen, in Abzug bringen, kommen Sie daraus doch zu einer wesentlichen Deckung des zur Zeit vorliegenden Defizits, rein in seiner Zahlengröße betrachtet.
Wir dürfen auch nicht vergessen — darauf ist ja ebenfalls bereits hingewiesen worden —, daß der Wiederaufbau der zerstörten Anlagen bei unseren Eisenbahnen aus ihrer eigenen Kraft erfolgt
ist und bisher außer Darlehen und Anleihen keinerlei verlorene Zuschüsse der Deutschen Bundesbahn zugeflossen sind. Aber ich möchte doch fragen, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, ob Sie Ihr Wort aufrechterhalten, daß kein ernster Versuch zur Behebung des technischen Rückstands der Bundesbahn gemacht worden sei. Ich glaube, im Interesse der Bediensteten der Bundesbahn und ihrer Leitung doch sagen zu können, daß das, was an Behebung der technischen Rückstände unter den gegebenen Voraussetzungen gerade in den letzten vier Jahren geleistet worden ist, doch der allseitigen Anerkennung dieses Hohen Hauses würdig ist.
Sie haben, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, mir den Vorwurf gemacht, daß wir kein Gesetz über die Koordinierung vorgelegt hätten. Ich darf das Hohe Haus ergebenst darauf aufmerksam machen, daß es mir bisher trotz eifrigen Suchens nicht gelungen ist. festzustellen, daß in irgendeinem Land der Welt dieses berühmte Wort „Koordinierung" durch ein Gesetz zur Wirklichkeit geworden ist. Ich habe schon wiederholt darauf hingewiesen, daß dort, wo im Deutschen die Begriffe fehlen, zur rechten Zeit ein Fremdwort sich einstellt und daß an dieses Fremdwort, das eben nicht ein klarer Begriff ist, sich die verschiedenen Illusionen der einzelnen Betrachter klammern. Man kann eine solche Illusion gesetzmäßig kaum fassen, und deswegen hat man auch in den übrigen Ländern der Welt den Ausgleich der Interessen der Verkehrsträger immer wieder mit administrativen Mitteln versucht. Auch wir haben das getan, z. B. in bezug auf das Verhältnis von Binnenschiffahrt zu Bundesbahn. Ich glaube, diese administrativ erreichte Zusammenarbeit zwischen Binnenschiffahrt und Bundesbahn hat doch ein sehr gutes Ergebnis gehabt, nämlich das, daß der Deutsche Bundestag sich bisher nicht, wie es der Deutsche Reichstag nach 1918 in regelmäßigen Abständen tun mußte, mit der Frage einer Subventionierung der Binnenschiffahrt hat beschäftigen müssen. Im Gegenteil, die Binnenschiffahrt hat sich in dieser Relation eines gesunden, freiwillig erreichten Ausgleichs mit der Deutschen Bundesbahn zu unserer Zufriedenheit entwickelt. Sie ist zwar kein ganz stabiles Element geworden, weil sie viel zu sehr innerhalb unserer Grenzen der ausländischen Konkurrenz ausgesetzt ist. Die deutsche Binnenschiffahrt — und das ist einer der Gründe, weshalb man nicht von einer grundsätzlichen Übertragung marktwirtschaftlicher Komponenten auf den Gesamtverkehr sprechen kann — ist kein Inlandsverkehrsträger wie die Binnenschiffahrt in anderen Ländern, denn sie unterliegt im Inland schärfster ausländischer Konkurrenz, insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr und im Transitverkehr. Sie hat daher Anspruch auf einen besonderen Schutz des Staates und kann daher nicht Belastungen auf sich nehmen, die sie zwar im Verhältnis zu den anderen Inlandsverkehrsträgern — nämlich Schiene und Straße — zu tragen vermöchte, die ihr aber im Verhältnis zu ihrer ausländischen Konkurrenz das Lebenslicht ausblasen würde.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich nun den Punkten 3 und 4 der Großen Anfrage der Fraktion der SPD zuwenden und diese beiden Punkte zusammen mit der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CDU beantworten.
Die SPD-Fraktion fragt, welche Maßnahmen und Gesetze zur Behebung der Eisenbahnkrise und zur Herstellung einer volkswirtschaftlich zweckmäßigen Ordnung des deutschen Binnenverkehrs von der Bundesregierung in Aussicht genommen sind. Sie fragt ferner, ob die Bundesregierung der Meinung ist, daß die gemeinwirtschaftliche Tarifgebarung der Deutschen Bundesbahn auch in Zukunft das Rückgrat der deutschen Verkehrspolitik bleiben muß.
Die CDU/CSU ersucht in der Großen Anfrage die Bundesregierung um Auskunft, welche verkehrspolitische Linie sie in den nächsten vier Jahren einzuschlagen gedenkt und insbesondere wie sie das Problem Schiene und — ich sage es mit besonderer Bedeutung —, Schiene und Straße einer Lösung zuzuführen beabsichtigt.
Auf diese beiden Anfragen möchte ich Ihnen folgendes antworten: Das Bundesministerium für Verkehr hat auf Grund von Vorarbeiten, die in das Frühjahr 1953 zurückgehen, nämlich in jene Zeit, als wir erkannten, daß die Bundesbahn infolge der gesetzlichen Belastungen einem Defizit entgegensteuern müßte, bereits umfassende verkehrspolitische Vorschläge ausgearbeitet. Diese Vorschläge sind nach den Besprechungen mit den hauptbeteiligten anderen Ministerien in eine Kabinettsvorlage zusammengefaßt worden, die ich am 12. Dezember 1953 dem Kabinett zugeleitet habe. Die Beratung im Kabinett hat sich jedoch zu meinem Bedauern verzögert.
In Verfolg der Vorarbeiten aus dem ersten Bundesbahnprogramm hat dann der Herr Bundesminister der Finanzen gemeinsam mit mir den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes am 14. Januar 1954 im Kabinett eingebracht. Am 22. Januar hat sich das Kabinett erstmalig mit der von mir vorgelegten verkehrspolitischen Konzeption vom 12. Dezember 1953 und dem Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes vom 14. Januar 1954 befassen können. Beide Kabinettsvorlagen wurden von ihm zur eingehenden Prüfung an den Kabinettsausschuß verwiesen.
Ich darf hier darauf verweisen, daß die grundsätzliche Meinung der Bundesregierung im Protokoll der Kabinettssitzung vom 22. Januar niedergelegt und im Bulletin vom 26. Januar 1954 veröffentlicht worden ist. Ich darf mich darauf beziehen und diese Unterlage als bekannt voraussetzen.
Die Beratungen im Kabinettsausschuß, die eine Entscheidung des Bundeskabinetts vorbereiten sollen, sind noch nicht abgeschlossen, da die Probleme sehr schwierig sind. Auch Sachverständige werden selbstverständlich dazu gehört. Die Beratungen sind jedoch so weit gediehen, daß ich hoffe, daß der Wirtschaftsausschuß des Kabinetts noch in diesem Monat die Entscheidung des Kabinetts anrufen kann. Ich kann daher heute zu meinem großen Bedauern noch nicht die verkehrspolitischen Maßnahmen und Gesetze behandeln, die die Bundesregierung durchzuführen gedenkt, wohl aber kann ich Ihnen die Probleme aufzeigen, um deren Lösung wir uns bemühen.
Wenn die Bundesregierung in der Lage ist, Anfang März die Gesetzesvorlagen zu verabschieden und die übrigen Punkte des Programms zustimmend oder ablehnend oder mit Abänderungen zu behandeln, dann wird — das darf ich auf die An-
frage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann noch bemerken — naturgemäß mit dem Vorlauf an den Bundesrat, dem Rücklauf zum Kabinett und der Einbringung beim Bundestag sicherlich eine Zeit von zwei Monaten vergehen — das ist erfahrungsgemäß der Zeitablauf —, bis das Problem dann hier in erster Lesung besprochen werden kann. Daher war die Auskunft, daß ich nicht damit rechne, daß wir uns vor dem Monat Mai hier im Hohen Hause mit diesen Fragen auseinandersetzen könnten, wohl nicht ganz unbegründet. Wenn es schneller geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist darüber niemand glücklicher als ich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
1. Im Vordergrund steht die Tatsache, daß die Zunahme der Straßenverkehrsunfälle im Bundesgebiet außerordentlich besorgniserregend ist. Im Oktober 1953 beispielsweise wurden täglich 38 Tote und etwa 900 Verletzte gezählt. Die Todesopfer im Straßenverkehr sind weit zahlreicher als die Unfälle mit tödlichem Ausgang in der gesamten deutschen gewerblichen Wirtschaft einschließlich des Bergbaus.
Gehen wir den Ursachen dieser Unfallgefahr im Straßenverkehr nach, so stoßen wir leider vor allem auf den Mangel an Disziplin bei unseren Verkehrsteilnehmern. Dieser Mangel an Disziplin bereitet der Bundesregierung große Sorge. Notwendig ist, daß die vom Bund erlassenen Vorschriften zur Sicherung des Straßenverkehrs unbedingt beachtet werden, daß z. B. rechts und nicht in der Mitte oder gar links gefahren wird.
Der Bund hat hier nur die Legislative, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Exekutive liegt bei den Ländern. Ich hatte daher im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern des Innern, der Finanzen und der Justiz die Herren Verkehrsminister, Innenminister und Finanzminister der Länder zu einer Verkehrssicherheitskonferenz eingeladen, die am 28. Januar 1954 erstmalig stattgefunden hat. Auf dieser Konferenz wurde einstimmig eine Resolution gefaßt, die der Öffentlichkeit bekanntgegeben und gleichfalls im Bulletin veröffentlicht worden ist. Ich darf das Hohe Haus ,auf diese Veröffentlichung freundlichst verweisen. Ich glaube, daß sich diese erste Verkehrssicherheitskonferenz sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den nachgeordneten Dienststellen der Länder, bei den Kreisen, Städten und Gemeinden, durchaus positiv auswirken wird.
Ende Februar will ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Justiz die Herren Justizminister der Länder und die Herren Generalstaatsanwälte zu einer zweiten Verkehrssicherheitskonferenz bitten. Denn ich halte es für notwendig, daß eine einheitliche und wirksame strafrechtliche Verfolgung der Verkehrsdelikte in allen Ländern des Bundesgebietes gewährleistet ist.
Bemerken möchte ich noch, daß diese Verkehrssicherheitskonferenzen von Zeit zu Zeit wiederholt werden sollen, damit Legislative, Exekutive und Rechtsprechung — die drei Säulen, auf denen unser staatliches Leben ruht — im Interesse des gemeinsamen Zieles einer intensiven Bekämpfung
des Verkehrstodes eng zusammenarbeiten und ihre Methoden aufeinander abstimmen können.
2. Mit der Verkehrserziehung, die insbesondere in den Schulen verstärkt werden werden muß, mit dem Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften, mit der Einführung von Unfallverhütungsmitteln, mit Maßnahmen der Exekutive und mit schärferer Ahndung der Verkehrsdelikte allein aber werden wir das Problem nicht meistern können. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der zunehmende Kraftverkehr eine Verbesserung und einen Ausbau des Straßennetzes erfordert. Diese Aufgaben können aber mit den heute verfügbaren Haushaltsmitteln nicht gelöst werden. Das ist bereits in einer Denkschrift, die ich im Sommer vorigen Jahres den Mitgliedern des ersten Bundestages und der Öffentlichkeit übergeben habe, eingehend dargelegt worden. Zwar sind auf die Unterhaltung und Verbesserung unserer Straßen auf allen drei Ebenen, nämlich Bund, Länder und Kommunen, jährlich über 1 Milliarde DM aufgewendet worden. Aber das ist, von der Sache aus gesehen, nicht ausreichend. Insoweit stimme ich mit unserem verehrten Herrn Kollegen Schoettle überein, der erst vor wenigen Tagen bei der Haushaltsdebatte dargelegt hat, wie unzureichend die Haushaltsmittel für den Straßenbau, ja für den gesamten Verkehrshaushalt sind.
Wo aber soll der Herr Bundesminister der Finanzen das Geld für einen beschleunigten Ausbau unseres viel zu engen und beschränkten Straßennetzes hernehmen? Wir sind uns beide darüber einig, daß neue Quellen erschlossen werden müssen, die in der Periode des ersten Bundestages anderen Aufgaben, insbesondere den Aufgaben des Wohnungsbaus, ausschließlich vorbehalten bleiben mußten.
In der Baulast des Bundes stehen rund 24 000 km Bundesautobahnen und Bundesstraßen, während in der Baulast der Länder rund 104 000 km Landstraßen erster und zweiter Ordnung stehen; d. h. die Länder und Gemeinden verfügen über ein viermal größeres Straßennetz als das. das durch das Bundesministerium für Verkehr betreut wird. Für die Instandsetzung und den Ausbau dieser Straßen müssen neue Mittel beschafft werden. Zu diesem Zweck werden sich leider Steuererhöhungen nicht vermeiden lassen, die in dem bereits erwähnten Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes zusammengefaßt worden sind.
Bei der Kraftfahrzeugsteuer, deren Aufkommen den Ländern zufließt und dem Straßenbau dienen soll, wird insbesondere an eine Steuererhöhung bei Omnibussen, Lastkraftwagen und Anhängern gedacht, die gewichtsmäßig diese mit weniger starken Decken und Unterbau versehenen Straßen 1. und 2. Ordnung ganz besonders stark belasten und erhebliche Zerstörungen auf ihnen anrichten. Diese Steuererhöhung wird voraussichtlich etwa der entsprechen, die in dem Initiativantrag der Koalitionsparteien und der drei Herren Abgeordneten der SPD im Sommer vorigen Jahres enthalten war. Grundsatz ist, daß das schwere Fahrzeug, das die Straßen mehr abnützt, steuerlich auch entsprechend höher belastet werden soll.
Um dem Bund die notwendigen Mittel für einen beschleunigten Ausbau der Bundesstraßen, vor allem aber für eine Ergänzung des Autobahnnetzes, zu geben, wird an eine Erhöhung der Mineralölsteuer gedacht, die bekanntlich dem Bund zufließt. Damit auch der Kapitalmarkt für den Bau von
Autobahnen herangezogen werden kann, wird beabsichtigt, eine Finanzierungsgesellschaft zu gründen, ähnlich wie wir das auch bei den großen Wasserstraßenbauten bereits mit Erfolg seit Jahren durchgeführt haben. Sie soll jährlich vom Bund einen bestimmten Betrag aus dem Mehraufkommen der Mineralölsteuer erhalten und so in die Lage versetzt werden, Anleihen aufzunehmen und auf diese Weise die finanzielle Basis zu erhalten, um jedes Jahr mindestens etwa 100 km Autobahn neu zu bauen. 100 km Autobahn neu zu bauen, — ein sehr bescheidenes Programm im Rahmen der gegebenen Notwendigkeiten!
Der Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes sieht neben Änderung der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer und neben der Finanzierung des Autobahnbaues auch eine Änderung der Beförderungsteuer vor. Durch diese Änderung sollen bestehende steuerliche Ungleichheiten beseitigt werden. Auch dieser Änderungsvorschlag entspricht dem bereits erwähnten Initiativantrag vom Sommer 1953.
3. Der Ausbau des Straßennetzes wird aber keinesfalls so schnell fortschreiten können, wie die Motorisierung zunimmt. Die Zahl der Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik hatte am 1. Juli 1953 den Stand von 1938 bereits bei weitem überschritten. Besonders beschleunigt war das Tempo der Zunahme in den Nachkriegsjahren. Wer nach dem Grunde forscht, den darf ich darauf aufmerksam machen, daß zum Ankauf von Verkehrsmitteln auf der Straße Geld, zum Ankauf von Verkehrsmitteln auf den Schienen und Wasserstraßen Kapital gehört. Die Tatsache, daß wir in diesen Jahren kapitalarm waren, aber laufend an Geld zunahmen,
ist sicher neben anderen ein wesentlicher Grund dafür gewesen, daß diese Verhältnisse sich so entwickelt haben.
Auf je einen Kilometer klassifizierter Straßen — das sind also die Autobahnen, die Bundesstraßen und die Landstraßen 1. und 2. Ordnung — entfielen 1949 12,6 im Betrieb befindliche Kraftfahrzeuge. Im Jahre 1953 waren es 28,4. Wenn die Entwicklung in diesem Tempo fortschreitet, so werden wir in vier Jahren annähernd 55 bis 60 Fahrzeuge pro Kilometer klassifizierter Straßen zählen können. Dann allerdings wird das Fahren auf den deutschen Straßen, insbesondere auf den Hauptverkehrsschlagadern, kaum noch möglich sein.
Denken wir dabei auch an die weiteren Folgen: bei 12,6 Kraftfahrzeugen je Kilometer Straße hatten wir 1949 13 Tote im Straßenverkehr täglich zu beklagen. Bei 28,4 Kraftfahrzeugen im Jahre 1953 beklagten wir durchschnittlich 30 Tote am Tag, und bei 55 bis 60 Kraftfahrzeugen werden wir leider zu mehr als 60 Toten am Tage kommen. Eine fürchterliche Zahl und eine noch größere Verantwortung!
All unser Bemühen in der Unfallbekämpfung hat bisher nur zu erreichen vermocht, daß das im Verhältnis zur Zunahme der Kraftfahrzeugzahl vorausgesagte raschere Ansteigen der Zahl der Unfalltoten nicht Wirklichkeit geworden ist, daß vielmehr die Zahl der Todesfälle nur linear zur Zunahme der Kraftfahrzeuge gestiegen ist. Das ist ein indirekter Erfolg, der nach außen nicht so in Erscheinung tritt und der trotzdem, wenn man die Probleme einmal durchdenkt, nicht ohne Bedeutung ist.
Ob wir wollen oder nicht, wir sind gezwungen, aus diesen Tatsachen die Folgerungen zu ziehen. Wir müssen die Straßen entlasten. Wir müssen vor allem die Fußgänger in Stadt und Land besser schützen. Wir sollten deshalb die Straßen von dem Verkehr entlasten, der nicht aus volkswirtschaftlichen oder verkehrspolitischen Gründen unbedingt auf die Straße angewiesen ist. Wir sollten sie von den Fahrzeugen entlasten, die den Verkehr am meisten behindern und die Straßen am meisten beanspruchen. Nur dann können wir die Unfallgefahr vermindern und Raum für die weitere Motorisierung schaffen.
Dabei darf ich darauf hinweisen, daß auch hier die Statistik nicht ausreicht. Es kommt nicht darauf an, ob dieser oder jener Katalog die direkte Beteiligung der Fahrzeugarten an den Unfällen aufzeigt. Denken wir daran, daß es zahlreiche Fahrzeuge gibt, die indirekt Unfälle hervorrufen. Wenn ein Fahrzeug ein anderes zu überholen versucht und beim Überholungsvorgang verunglückt — und das ist statistisch eine Hauptursache der Unfälle —, so ist das überholte Fahrzeug an dem Unfall im allgemeinen statistisch nicht beteiligt. In Wirklichkeit ist es jedoch die Veranlassung dieses Unfalls. Deswegen kommt es darauf an, zu studieren, wann und wo die meisten und die schwierigsten Überholungsvorgänge auf der Straße auszuführen sind. Ich brauche das, glaube ich, nicht weiter auszuführen. Die meisten von Ihnen sind Autofahrer und kennen die Überholungsvorgänge und diejenigen, die solche Unfälle beim Überholen veranlassen.
Das Kabinett wird abschließend prüfen müssen, welche Mittel und Methoden in Aussicht genommen werden sollen, um das wohl von allen Beteiligten jahte Ziel der Herabdrückung der Zahl der Unfalltoten und überhaupt aller Unfälle auf der Straße zu erreichen. Es wird sich ferner mit der Frage zu beschäftigen haben, ob nicht vorwiegend solche Maßnahmen zu ergreifen sind, die in ihrer Auswirkung gleichzeitig auch zu einer verkehrspolitisch und volkswirtschaftlich sinnvollen Teilung des Verkehrsaufkommens zwischen Schiene und Straße und damit zu einem Ausgleich zwischen beiden Verkehrsträgern beitragen. Das Kabinett wird sich hierbei darüber klarwerden müssen, daß mit Mitteln der Tarifpolitik allein ein nachhaltiger und wirksamer Erfolg nicht zu erzielen sein wird. Es werden Opfer gebracht werden müssen — auch das ist dankenswerterweise hier schon festgestellt worden —, und zwar von allen Beteiligten. Aber auch hier müssen wir dafür sorgen, daß nicht die sozial Schwächeren allein getroffen werden. Der gewerbliche Güterverkehr ist eine Domäne des Mittelstandes. Wie in der Binnenschiffahrt die Partikuliere gegenüber den großen Reedereien Schutz beanspruchen dürfen, so kann auch der gewerbliche Mittelstand auf der Straße gegenüber dem Werkverkehr Schutz beanspruchen, der ihm von der Bundesregierung gewährt werden muß.
4. Gewiß haben die Tarife nicht unbeträchtlichen Einfluß darauf, welches Transportmittel der Verkehrsnutzer von Fall zu Fall wählt. Aber das Beförderungsentgelt, mit anderen Worten der Preis für die Transportleistung, ist für die Wahl des Transportmittels keineswegs allein ausschlaggebend. Darin, daß der Preis nicht entscheidet, zeigt sich, daß auch hier der Markt ein anderer ist als der normale Markt und daß man, wenn man für den normalen Markt von marktkonformen Mitteln
spricht, für den Verkehr von verkehrskonformen Mitteln und Maßnahmen sprechen sollte.
Oft spielen doch andere Momente als der Preis die entscheidende Rolle, vor allem die Transportdauer, der von mir so oft erwähnte Faktor Zeit, ferner die sonstigen Vorzüge und Annehmlichkeiten, die ein Verkehrsmittel jeweils für einen bestimmten Transport bietet. Die Fahrt auf einem Rheindampfer von Mainz nach Köln kann noch so billig sein. Wer wenig Zeit hat, wird doch die Bundesbahn oder den Kraftwagen benutzen. Wer Möbel von Trier nach Hamburg senden will, wird sich vorher sehr genau überlegen, welcher Transport am schnellsten geht und die geringsten Schäden an seinen Möbeln verursacht. Unter bestimmten Voraussetzungen wird er den Kraftwagen wählen, selbst dann, wenn ihm die Bundesbahn ein billigeres Angebot macht. Derartige Beispiele lassen sich beliebig vermehren.
Dazu kommt aber noch ein Weiteres. Der umfangreiche Werkverkehr wird von der Tarifpolitik überhaupt nicht erfaßt; denn der Werkverkehr bietet den Firmen heute viel zu große Vorteile, die auch nicht mit dem Preis zusammenhängen. Sie können mit dem Betrieb eigener Kraftfahrzeuge ihre Werbung und das Inkasso-Geschäft verbinden, vor allem aber können sie alle Unkosten ihres Werkverkehrs von ihrem aus der Produktion stammenden zu versteuernden Reingewinn abbuchen.
Wenn man den von uns vorgetragenen Vorschlag befolgen könnte, die Verkehrsbetriebe des Werkverkehrs gesondert von den zugehörigen Produktionsbetrieben abrechnen zu lassen und sie gesondert zu besteuern, würde man diesem Problem sehr schnell und sehr einfach beikommen können. Leider entspricht es nicht den Grundsätzen unserer Finanzpolitik und gewissen Grundsätzen unseres Grundgesetzes, daß man diesen Unterschied macht. Man kann also mit der Tarifpolitik und der Steuer allein die Verkehrsströme nicht in die gewünschte Richtung lenken.
5. Eine volkswirtschaftlich und verkehrspolitisch sinnvolle Verkehrsteilung wird sich besonders für die Bundesbahn und die Binnenschiffahrt positiv auswirken. Es wäre aber abwegig, der Bundesbahn auf diesem Wege allein helfen zu wollen. Die Bundesbahn wird in erster Linie ihre anerkennenswerten Anstrengungen zur Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit mit aller Entschiedenheit selbst fortsetzen müssen. Im Interesse der deutschen Wirtschaft und ihrer Konkurrenzfähigkeit darf nichts getan werden, was zu einer schlechteren Verkehrsbedienung im Lande führen könnte. Man darf also den Straßenverkehr nicht einseitig belasten, nur um etwa der Bundesbahn zu helfen. Die technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Vorteile des Kraftwagentransports von Menschen und Gütern sind nicht zu leugnen. Die Bundesbahn ist also unter den obwaltenden Verhältnissen gezwungen, ihren Betrieb nach besten Kräften weiter zu modernisieren und zu rationalisieren. Vorstand, Verwaltungsrat und die Bediensteten der Deutschen Bundesbahn sind in anerkennenswerter Weise bemüht, diese Aufgabe zu lösen, und leisten dabei auch wagemutige Pionierarbeit. Allerdings kostet der technische Fortschritt hier, wie überall, Kapital und nicht nur Geld.
Aus eigenen Mitteln kann die Bundesbahn den an sie gestellten Anforderungen keinesfalls genügen. Um das Ziel zu erreichen, muß dafür gesorgt werden, daß die Kreditfähigkeit der Bundesbahn wiederhergestellt wird. Dazu sollten der Bundesbahn die betriebsfremden Personallasten und die zur Beseitigung der Kriegsschäden aufgenommenen Schulden durch den Bundeshaushalt abgenommen werden. Bei der außerordentlich starken finanziellen Inanspruchnahme des Bundes aber wird der Herr Bundesminister der Finanzen kaum alle Wünsche erfüllen können. Die angespannte Haushaltslage hat der Hilfe des Bundes für die Bundesbahn bisher leider enge Grenzen gezogen. Um so notwendiger ist es, alle sinnvollen verkehrspolitischen Möglichkeiten beschleunigt auszuschöpfen. Der danach sicher noch verbleibende Rest wird auf den Bundeshaushalt zukommen.
6. Die gemeinwirtschaftliche Tarifgebarung der Deutschen Bundesbahn wird auch in Zukunft aufrechterhalten werden müssen. Damit beantworte ich den Punkt 4 der Großen Anfrage der SPD. Auch die Betriebspflicht und Beförderungspflicht der Deutschen Bundesbahn kann keinesfalls aufgehoben werden. Ein Verzicht auf die gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung der Eisenbahn würde tiefgreifende Wirkungen auf die arbeitsteilige Wirtschaftsstruktur der Bundesrepublik hervorrufen. Die Wettbewerbsfähigkeit peripher gelagerter Industrien und landwirtschaftlicher Produktionsstätten würde aufgehoben. Die Randzonen würden wirtschaftlich schnell absinken, zum Teil sogar vielleicht veröden. Damit wäre aber auch der bisherige Erfolg der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefährdet.
7. Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren! Wenn die brauchbaren verkehrspolitischen Vorschläge und Überlegungen verwirklicht werden, kann, sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse sich in den nächsten Jahren nicht wesentlich ändern, folgendes erreicht werden:
1. Eine Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Entlastung der Straßen.
2. Eine volkswirtschaftlich sinnvolle Verkehrsteilung zwischen Schiene, Straße und Wasserstraße.
3. Eine organische Tarifreform auf der Grundlage dieser Verkehrsteilung.
4. Eine Annäherung der Wettbewerbsvoraussetzungen der verschiedenen Verkehrsträger untereinander, insbesondere durch Beseitigung des Steuervorteils der schweren Fahrzeuge in der Kraftfahrzeugsteuer und durch gleichmäßige Behandlung gleichartiger Transporte in der Beförderungsteuer.
5. Eine finanzielle Entlastung und ein echter Verkehrszuwachs für die Deutsche Bundesbahn, so daß eine Verbesserung ihres finanziellen Status eintritt, der weitere Rationalisierung und Modernisierung ihres Betriebes sichert.
6. Zusätzliche Mittel für den Straßenbau, insbesondere ein beschleunigter Ausbau des Autobahnnetzes, vor allem ein Anschluß unserer Häfen an dieses Autobahnnetz, durch Errichtung einer Finanzierungsgesellschaft, die vom Bund Mittel aus dem erhöhten Aufkommen an Mineralölsteuer erhält und Anleihen aufnehmen kann.
Wenn wir dieses angestrebte Ziel erreichen, wird — darauf möchte ich noch aufmerksam machen — die gewerbliche Wirtschaft umfangreiche zusätzliche Aufträge erhalten. Eine finanziell gesunde Bundesbahn ist der größte und beste Auftraggeber der ge-
werblichen Wirtschaft und wird es bei ihrem aufgestauten Erweiterungs- und Erneuerungsbedarf auf Jahre hinaus auch bleiben. Der Straßenbau ist von jeher sehr arbeitsintensiv. Der Ausbau unserer Binnen- und Seewasserstraßen bringt eine weitere erhebliche Anregung für unsere Wirtschaft. Im Verkehr liegen also wertvolle Reserven für eine Stützung der Inlandskonjunktur. Diese Reserven werden besonders wichtig sein, wenn einmal andere konjunkturelle Impulse, wie etwa der Auslandsabsatz, an Stärke und Intensität nachlassen sollten. Auch an diese Zusammenhänge muß bei verkehrspolitischen Entscheidungen gedacht werden.
Ich hoffe, daß die Bundesregierung über die beiden Kabinettsvorlagen vom 12. Dezember 1953 und 14. Januar 1954 bald entscheiden und die Gesetzesvorlagen dem Bundesrat und dem Hohen Haus zur Beratung und Beschlußfassung zuleiten kann.
Gestatten Sie mir noch wenige Schlußbemerkungen über einige wichtige verkehrspolitische Aufgaben, die ich bisher bei meinen Darlegungen nicht behandelt habe. Sie wissen, daß wir die Wiederaufnahme einer deutschen zivilen Luftfahrt mit allem Nachdruck weiter vorbereiten. Sie kann erst in Tätigkeit treten, wenn der Deutschland-Vertrag ratifiziert ist. Wir haben inzwischen das Kapital der Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf auf 25 Millionen DM erhöht. Wir streben an, daß die künftige Luftverkehrsgesellschaft ebenso wie die alte Lufthansa zu einem Unternehmen ausgestaltet wird, das vom Bund, von den Ländern und der Privatwirtschaft gemeinsam getragen wird.
Der Ausbau unserer Seeschiffahrt und unserer Binnenschiffahrt ist trotz der bisher erzielten Erfolge bei weitem noch nicht abgeschlossen. Heute verfügt die Bundesrepublik zwar wieder über eine Handelstonnage von fast 2 Millionen BRT; aber die Schwierigkeiten der Finanzierung der weiteren Neubaupläne und die Höhe der Eisenpreise werfen ernste Probleme auf, um deren Lösung wir uns bemühen.
Gestatten Sie mir noch einige grundsätzliche Bemerkungen: Aufgabe des Verkehrs ist es, der Wirtschaft und den Menschen die Transportmöglichkeiten, die sie wünschen, stets zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Das ist seit 1949 trotz der ungeheuren Expansion, die unsere Wirtschaft genommen hat, regelmäßig geschehen. Mit dieser Feststellung darf ich zum Ausdruck bringen, daß es bei uns in Deutschland keine Verkehrskrise gibt, sondern Schwierigkeiten auf der Straße und auf der Schiene.
Der Verkehr ist ein einheitliches Ganzes. Er sollte Diener und Träger der Wirtschaft sein. Dadurch, daß die Einnahmen für den Verkehr immer mehr geschmälert worden sind — ich wies vorhin darauf hin —, ist der Verkehr fast zu einem Prügelknaben der Wirtschaft geworden.
Dieser Verkehr, der sich aus den fünf großen Gruppen der Seeschiffahrt, der Luftfahrt, der Eisenbahn, den Straßen und der Binnenschiffahrt zusammensetzt, ist ein interessantes und komplexes Gebilde. So sehr der Verkehr auch in sich zusammenhängt, so sehr die einzelnen Gruppen miteinander arbeiten sollten und dazu aufeinander abzustimmen sind, so wichtig ist auf der anderen Seite, daß jeweils die Probleme aus der Sicht des einzelnen Verkehrsträgers und seiner Bedürfnisse erfaßt werden. Technisch gesehen zerfallen die genannten Gruppen doch in zwei bestimmte Arten von Verkehrsträgern: erstens die Verkehrsträger, die Kin-
der des Dampfmaschinen-Zeitalters sind — das sind die Schiffahrt und die Eisenbahn --, und zweitens die Verkehrsträger, die Kinder des Verbrennungsmotoren-Zeitalters sind — das ist die Straße und die Luftfahrt. Wenn auch der Verbrennungsmotor in die alten Verkehrsträger mit eingedrungen ist, so sind doch ihre grundsätzlichen Voraussetzungen noch vielfach unverändert, selbst wenn man berücksichtigt, daß die Elektrizität, diese entscheidende Kraft, die uns in so vielen Fällen hilft, nur für den schienengebundenen Verkehr zur Verfügung steht und ihm einen besonderen Vorsprung geben kann. In dieser technischen Verschiedenheit ist aber auch die verschiedene Geschwindigkeit begründet, mit der sich diese Verkehrsträger bewegen, und der Einfluß, den der Faktor Zeit dadurch gewinnt, weil er das Wandern des Verkehrsgutes zu den einzelnen Verkehrsträgern mehr bestimmt als der Preis.
Zu der Frage, wie diese Einteilung im Vergleich zum Ausland aussieht, darf ich Ihnen folgendes sagen: Wir unterscheiden beim Verkehr zwei Gruppen: Die Inlandsverkehrsträger bestehen aus der Binnenschiffahrt — die bei uns eben kein echter Inlandstransport-Träger ist —, aus der Eisenbahn und aus dem Kraftwagen, weil diese Verkehrsmittel nur einen verhältnismäßig geringfügigen grenzüberschreitenden Verkehr aufweisen, aber sich maßgeblich im Inland betätigen. Die beiden anderen Verkehrsträger dagegen — Seeschiffahrt und Luftfahrt — haben als Auslandsverkehrsträger bei nur geringfügigem Inlandsverkehr überwiegend einen Verkehr zwischen unserem Land und den verschiedenen anderen Ländern und Erdteilen über den Meeren aufzuweisen und zu bewältigen. Deswegen ist der Verkehr auch nicht nur vom Standpunkt eines Landes aus zu beurteilen. Er ist großräumig. Er kann nur kontinental, in vielen Beziehungen sogar nur überkontinental gesehen und geregelt werden.
Aus diesem Grunde hat sich auch im vergangenen Jahre der Bundesminister für Verkehr sehr eingehend mit den Fragen und Aufgaben der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Verkehrswesens beschäftigt. Ich erinnere Sie an die Pariser Verkehrsministerkonferenz vom Januar 1953 und an die Brüsseler Verkehrsministerkonferenz vom Oktober 1953, die mit der Schaffung der Ständigen Europäischen Verkehrsministerkonferenz abgeschlossen werden konnte, einer Institution, in der Anregungen, die wir geben durften, sich maßgeblich verwirklicht haben. Ich glaube, daß wir 1953 auf dem Gebiet des Verkehrs ein bedeutendes Stück Weges in der Richtung auf Europa zurückgelegt haben. Sie können gewiß sein, daß die Bundesregierung sich auch in Zukunft diesen Aufgaben nach besten Kräften widmen wird in der Überzeugung, daß von einer internationalen Zusammenarbeit im Verkehrswesen auch starke und entscheidende Impulse auf eine weitere Annäherung und auf eine bessere Zusammenarbeit der freien Völker Europas ausgehen werden.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der beiden Großen Anfragen gehört. Ich glaube unterstellen zu dürfen, daß eine Aussprache gewünscht wird. Ich eröffne diese Aussprache, zugleich mit der Aussprache über die Anträge unter 2 c bis h der heutigen Tagesordnung.
Das Wort hat der Abgeordnete Rümmele.
2. Deutscher Bundestag — N. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954 423
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man so die Zeitungen, die Zeitschriften, die Denkschriften und die Zuschriften, die wir ja alle bekommen, liest, dann hat man manchmal die Empfindung: Im Verkehr sieht immer jemand die Schuld für irgend etwas, was passiert ist, nicht bei sich, sondern nur beim anderen. Der Herrenfahrer — ich will diesen Ausdruck einmal gebrauchen, obwohl er deplaciert ist — sieht den Lastwagenfahrer; er sieht, daß der Lastzug ihm nicht Platz macht, daß der Überholvorgang zu langsam geht, daß er vielleicht aber auch einmal durch Abneigung gegen die Herrenfahrer aufgehalten wird. Umgekehrt ist der Motorradfahrer auch nicht der Liebling des Autofahrers und des Fernlastwagenfahrers; man gibt ihm viel Schuld. Zweifellos ist dort eine übersportliche Begeisterung, die zu vielen Unglücksfällen führt, festzustellen. Auf der anderen Seite sind die Radfahrer auch noch da, die Radfahrerinnen dazu. Es ist immer wieder die alte traurige Erfahrung, daß viele Leute, die, weil ihre Finanzen nicht groß genug sind, mit dem Fahrrad vorlieb nehmen müssen, glauben, daß die Straße der geeignete Platz sei, ein schönes Schwätzchen zu machen. Zu zweit, zu dritt, manchmal zu viert wird nebeneinander gefahren. Nicht alle tun das. Man soll überhaupt nicht verallgemeinern. Es gibt im deutschen Verkehr Gott sei Dank anständige Leute. Es gibt auch noch — was ein Wunder ist — Leute, die sich sogar an die Verkehrsvorschriften halten; auch das kommt vor.
Aber — ich will den Satz gleich vorwegnehmen — wenn Sie die Verkehrsunfallursachen einmal nach der Statistik durchsehen, dann finden Sie, daß etwa 60 % aller Verkehrsunglücke mit oder ohne Todesfolge sich etwa so unterteilen: zwischen 5 und 10 % Zustand der Straße, Zustand des Fahrzeugs, Überholvorgang usw., daß aber rund 45 % sich auf die Übertretung von Verkehrsvorschriften beziehen. Das heißt: Die Disziplin im Verkehr ist trotz einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern, die die Sache ordentlich machen, noch äußerst mangelhaft durchgebildet.
Nun gibt es aber noch eine Gruppe, die sogar der Herr Verkehrsminister vergessen hat: die Gruppe der Fußgänger.
Ich glaube, ungefähr die Hälfte der Mitglieder dieses Hohen Hauses gehört dieser Gruppe an,
und ich möchte sagen: Die andere Hälfte gehört ihr gelegentlich an. Aber diese Gruppe ist die Mehrheit im deutschen Vaterlande, und es wird wohl gut sein, wenn wir uns auch daran erinnern; denn der Fußgänger ist auch ein Mensch.
Wenn man nun den Verkehr so ansieht, daß man von der Bundesbahn aus bloß sagt: Der Verkehr auf der Straße macht uns bei der Bahn kaputt, und daß die auf der Straße sagen: Bei der Bundesbahn könnte noch viel mehr gespart werden, da könnte noch viel mehr rationalisiert werden, da könnten Leute entlassen werden, dann könnten wir unsere Lage verbessern, — dann ist das falsch. Denn der Straßenverkehr braucht und soll nicht ein Feind der Bundesbahn, sondern eine Ergänzung sein. Wenn man die Leute — und darin liegt vielleicht der Fehler auch bei der Regierung in den letzten Jahren — zwangsweise vor Jahren an
den runden Tisch gebracht hätte — den Straßenverkehr, den Güterfernverkehr, den Nahverkehr, meinetwegen die Autoindustrie, die Bundesbahn, den Binnenschiffsverkehr — und sie gezwungen hätte, nicht nur gegeneinander Resolutionen zu fassen, sondern sich zu verständigen, dann wären wir vielleicht einen Schritt weiter. Nebenbei gesagt, es gibt ja in diesem berühmten klassischen Stück das schöne Wort: Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt!
- Es gibt ja noch den Nachsatz: Der weite Weg entschuldigt Euer Säumen.
Ich möchte das aber doch auch so aufgefaßt wissen: Wenn die Dinge nicht endgültig geklärt und geregelt werden konnten, dann liegt es tatsächlich zum Teil an den turbulenten Verhältnissen der letzten Jahre, an den vielen Notständen, die wir in Deutschland hatten, an dem erschwerten Wiederaufbau, an dem zu geringen Kapitaldeckungsmantel. Es liegt zweifellos auch an den verkehrsteilnehmenden Gruppen selbst. Es liegt aber ferner — meine Damen und Herren, seien wir ruhig selbstgerecht! — auch an uns. Es ist keiner Fraktion dieses Hohen Hauses je verwehrt gewesen, einen Initiativgesetzentwurf einzubringen, und es ist auch den Ländervertretungen nie verwehrt gewesen, diese Dinge — „Verkehrskoordinierung" ist ein Wort, das der Herr Minister nicht gern hört — der Verkehrsteilung und der Verkehrsordnung untereinander anzuschneiden und auch von dort aus dem Bundestag eventuell gesetzmäßig zu unterbreiten. Das soll keine Entschuldigung sein. Ich bin tatsächlich auch der Meinung, daß man im Bundesverkehrsministerium während der letzten Jahre zwar fleißig gearbeitet hat, daß man sich aber auf die Grundlagengesetze beschränkt hat, während die Verkehrsteilung der Punkt ist, an dem man ansetzen muß, wenn man in Deutschland zu einer Verkehrsgesundung kommen will.
Wir von der CDU/CSU stehen nun immer auf dem Standpunkt — und das ist es ja, was vielen ein Gruseln über den Rücken laufen läßt —: Wir wollen möglichst wenig Eingriffe der Polizei gegenüber dem Zivilisten. Ich will es einmal folgendermaßen formulieren. Wir sagen mit Recht: Wir wollen den Menschen nicht verstaatlichen; wir wollen den Staat vermenschlichen.
Dazu gehören aber natürlich immer alle; es ge- küren die beiden Seiten der Medaille dazu. Der selige Wilhelm Busch, der so wunderschöne Sachen gedichtet und gezeichnet hat, hat einmal gesagt:
Vergebens predigt Salomo,
die Menschen machen's doch nicht so!
Und weil das so ist, werden wir um eine straffe Lenkung, um eine straffe Ordnung im Verkehr nicht herumkommen. Wir brauchen sie, und ich habe hierzu eins zu sagen.
Eine Forderung des Herrn Bundesverkehrsministers hat mir — vor etwa einem halben Jahre wurde diese Forderung, glaube ich, zum erstenmal offiziell erhoben — eingeleuchtet. Da die Durchführung, die Kontrollen, die Ordnungsmaßnahmen Sache der Länder sind, nachdem die Gesetze hier
beschlossen worden sind, fehlt eigentlich dem Bundesverkehrsministerium eine bestimmte Ordnungspolizei, die nach einheitlichen Grundsätzen kontrolliert. Es kann und darf nicht so sein, daß man in Süddeutschland Verkehrskontrollen nach anderen Maßstäben durchführt als etwa in Nordrhein-Westfalen oder im Hamburger Bezirk. Auch da brauchen wir die Einheitlichkeit, um zu dem Ziel der Verringerung der Unfälle zu kommen.
10 000 bis 11 000 Verkehrstote, — man spricht die Zahl so leicht, aber welche Unsumme Elend steckt hinter diesen Zahlen! Das sind mehr Menschen im besten Alter, als die Lungentuberkulose in einem ganzen Jahre in Deutschland an Opfern fordert. Diese 11 000 Menschen sind eine kriegsstarke Division. Hinzu kommen die Verkehrsverletzten. Herr Kollege Müller-Hermann, es sind nicht 30 000, sondern 300 000 im Jahre! Gewiß sind viele leichte Fälle, und wir freuen uns darüber; aber es sind auch viele schwere Fälle.
Ich habe vorgestern abend, wie das alle von Ihnen auch tun, eine, Zeitung gelesen. Ich will sie nennen; es war die „Abendpost". Darin standen Berichte von drei Unglücken, die auf dem Verkehrssektor vorgekommen waren, und über zwei Urteile, mit denen Verkehrsvergehen geahndet wurden. Der Originalität halber will ich das eine Urteil vorwegnehmen. Es ist, ich glaube, in Pretoria oder Johannesburg, also im Lande des Herrn Malan, gesprochen worden. Nun, wie es dort zugeht, ist ja umstritten. Aber interessant ist fogendes. Dort drüben besteht noch die Prügelstrafe — ich will sie um Gottes willen nicht bei uns eingeführt haben;
denn das ist eine Segnung der Kultur, die wir nicht wollen —, und da wurde zum erstenmal ein Verkehrssünder, ein 23jähriger weißer Mann, der einen Neger totgefahren hatte, zu 6 Stockprügeln und ein paar Monaten Gefängnis verurteilt. So geschehen in Südafrika. Derartiges wollen wir also nicht, aber Sie sehen, daß auch dort Probleme auftauchen, die, wenn auch auf anderer Ebene, so doch im Grunde auf der gleichen Höhe liegen wie bei uns.
Ich habe von einem weiteren Urteil — ich glaube, es war in Hamburg — gelesen. Die Hamburger sollen deswegen nicht etwa schlechter beurteilt werden. Im Gegenteil, ich habe mal in Hamburg als Verkehrssünder eine Mark Strafe bezahlt. Wie sagen doch die Hamburger? — „Und das freut einen denn ja auch." Aber das nur nebenbei. Es stand also drin, daß ein Schausteller 6 bis 8 Glas Bier getrunken, sich einen Kraftwagen gemietet hat und dann losgefahren ist. Schon bei der ersten Fahrt hat er am Stadtrand eine 23jährige Frau und einen 8jährigen Buben totgefahren. Ja, meine Damen und Herren, wenn hier die Polizei durchgreifen muß und wenn die Öffentlichkeit verlangt, daß im Verkehr Ordnung herrscht, dann möchte ich sagen, daß man trotz aller Bedenken gegen zu scharfe polizeiliche Funktionen einfach mitgehen muß, weil wir diese Dinge nicht mehr verantworten können.
Das rührt doch an unser Gewissen, das ist doch eine Sache des Christentums ebenso wie der Humanität. Sollen wir denn die Menschen divisionsweise zugrunde gehen lassen?
Wir müssen den Mut zu ganzen Lösungen haben,
und ich bin der Meinung, daß derjenige, der halbwegs anständig auf den deutschen Straßen fährt, auch eine Kontrolle wird überstehen können.
Wer zuviel Alkohol getrunken hat, der muß in Gottes Namen noch so viel Disziplin besitzen, daß er sich nicht mehr ans Steuer setzt. Andererseits ist Rücksicht aufeinander im Verkehr auch eine dankenswerte Tugend.
Ich war dieses Jahr einmal in Rom. Viele von Ihnen werden die Gegend am Bahnhof Termini kennen. Ich habe den Verkehr an diesem Hauptbahnhof, dem Prunkbahnhof, gesehen und habe ihn mir auch an anderen Plätzen angeguckt. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Der Autofahrer in Italien ist bestimmt kein besserer Mensch als der Deutsche. Er hat zum Teil auch keine besseren Wagen,, sondern ich hatte sogar die Empfindung, daß er im Durchschnitt schlechtere hat als wir. Aber er nimmt auf den Fußgänger weitgehend mehr Rücksicht, als es in Deutschland üblich ist.
Vor diesem Bahnhof war kein Verkehrsschutzmann aufgebaut, und es ging doch. Es hatte gerade geregnet. Die Italiener haben ja ganz große Regenschirme, sogar an ihren Droschken. Ich habe da folgendes erlebt. Ein Italiener, ein Mann mittleren Alters, wollte über die Straße, aber da waren gerade die Autos dran am Fahren. Da hat der seinen Regenschirm hochgenommen mit einem bösen Blick auf die Autos, und die ganze Autokolonne hat glatt gestoppt.
Wir brauchen selbstverständlich Straßen. Ich habe dieses Problem mit manchen Landräten erörtert. Bekanntlich sind ja die Landstraßen zweiter Ordnung von den Kreisen, denen die Landräte vorstehen, in Ordnung zu halten und auszubauen. Ich hatte als Bürgermeister in meiner Gemeinde etwa 30 km Gemeindewege. Meinem verehrten Nachbarn, dem Kollegen Stahl, der in Titisee Bürgermeister ist — ich bin inzwischen von dem Amt zurückgetreten —, ist es etwas besser gegangen. Er hat weniger Gemeindewege. Aber jeder Bürgermeister oder Landrat, der es einmal war oder noch ist, wird mir bestätigen, daß auch diese Gemeindestraßen eine Belastung für die Gemeinden bedeuten und sie in finanzielle Not bringen können. Wir brauchen also Geld. Wenn man kein Geld hat, muß man sehen, daß man es vielleicht auf dem Anleihewege bekommt. Anleihen haben aber nun die Eigenschaft, daß sie verzinst und amortisiert werden müssen. Es ist auch die Frage, ob die Leute in Deutschland schon wieder so weit sind, daß sie Verkehrsanleihen in großem Stile zeichnen. Bekanntlich hoffen noch andere Wirtschaftsunternehmungen auf die Ergebnisse von Anleihen. Ich bin daher der Meinung, daß der Grundgedanke richtig ist, entsprechende Aufschläge auf die Mineralölsteuer, Aufschläge auf Benzin, Dieselkraftstoff usw. zu nehmen. Diese Aufschläge sollten aber in der Gesamtheit zweckgebunden sein für den Ausbau der Autostraßen, der Bundesstraßen, der Landstraßen erster und zweiter Ordnung.
Ich bin davon überzeugt, daß auch das Nah- und Fernverkehrsgewerbe für eine solche Maßnahme Verständnis hat. Selbstverständlich darf man dabei nicht ins Uferlose gehen, sondern muß die Grenzen kennen.
Meine Damen und Herren, es ist aber zuwenig, in einem Jahr 100 km Autostraßen zu bauen, da-
neben Bundesfernstraßen auszubauen. Sie haben dann erst in zehn Jahren 1000 km Autostraßen gebaut und die Lücken ungefähr ausgefüllt.
Wir haben vor ein oder zwei Tagen die bekannte Denkschrift des Straßenverkehrsgewerbes bekommen; aber die meisten werden sie noch nicht haben durchlesen können, weil wir dauernd zuviel zum Lesen kriegen. Ich bin der Meinung, daß das Straßenverkehrsgewerbe völlig recht hat, wenn es in dieser Denkschrift noch einen höheren Aufschlag auf den Benzinpreis vorsieht, als dies der Herr Bundesfinanzminister Schäffer selbst vorzuschlagen sich getraut hat. Soweit ich nämlich informiert bin
— man liest ja viel in den Zeitungen usw. —, ist vorgesehen gewesen, zwei Pfennig auf den Liter Benzin zu nehmen, allerdings, glaube ich, sechs Pfennig auf den Liter Diesel-Kraftstoff, um damit die Straßenfinanzierung durchführen zu können. Das Gewerbe selber hat vier Pfennig, allerdings vier Pfennig für beides, für das Benzin und für den Diesel-Kraftstoff, vorgeschlagen.
— Es wäre natürlich zu prüfen, ob diese Relation richtig ist. Aber ich bin der Meinung, diese vier Pfennig können ohne weiteres von dem, der auf der Straße fährt, getragen werden, und sie werden getragen werden, wenn man weiß: dafür werden die Straßen verbessert und verbreitert, Umgehungsstraßen gebaut; aber wohlgemerkt: nicht nur Radfahrwege auf den Bundesfernstraßen und Landstraßen erster und zweiter Ordnung, sondern auch Fußgängerwege brauchen wir. Das läuft wieder auf die alte Melodie hinaus, daß der Fußgänger auch ein Mensch ist und nach dem Grundgesetz auch ein Recht hat, sich irgendwie in seinem eigenen Heimatlande noch zu bewegen.
Die Auffassungen sind nun sehr verschieden. Man erhält so manchmal Briefe, wo irgendeiner schreibt: Ihr seid ja von allen guten Geistern verlassen, ihr macht uns mit den neuen Steuern auf den Anhänger, auf den Lastwagen völlig kaputt, und was ihr sonst noch vorhabt, ist auch sinnwidrig usw. — Aber es gibt doch auch Männer aus dem Gewerbe, die haben bei aller Sorge um die Aufrechterhaltung ihrer Existenz ganz vernünftige, solide Meinungen, die man mit vertreten kann. Gestatten Sie mir, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur etwa sechs Zeilen aus einem Brief vorzulesen, den ein Mann an unseren Kollegen Gerstenmaier geschrieben hat. Herr Gerstenmaier hat zuständigkeitshalber den Verkehrsausschuß bemüht, und wir haben dem Mann Antwort gegeben. Der Betreffende fährt mit Lastwagen und hat Lastzüge laufen. Er schreibt also: Bitte, die Steuern dürft ihr nicht so hoch machen, sonst würgt ihr uns ab. Aber er schreibt auch noch etwas anderes, und das möchte ich doch einmal hier sagen, damit man sieht, daß in allen Schichten des Verkehrs sehr vernünftige Meinungen vorhanden sind. Er schreibt:
Gehen Sie
— also an Gerstenmaier gerichtet --
auf folgendes aus:
1. Reduzierung der hohen Geschwindigkeiten der schweren Autozüge .
2. Begrenzung der übermäßigen Gewichtszulassung, vor allem der schweren Anhänger.
Dann in Klammern:
.
3. Gerechte Aufbringung der Steuer durch eine mäßige Rohölpreiserhöhung, weil dann der am meisten bezahlt, der eine schwere Maschine mit schwerem Anhänger fährt und der gut beschäftigt ist.
4. Unterlassen Sie eine kalte Liquidation durch eine zum voraus auf die Existenzvernichtung ausgehende Steuererhöhung.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, das können wir wohl alle unterschreiben. Wir wollen nicht Existenzen vernichten; das wäre völlig falsch. Wir wollen aber im Interesse dieser Existenzen die Ordnung herstellen. Denn wenn im Verkehr etwa eine uferlose gegenseitige Schmutzkonkurrenz, ein gegenseitiger Tarifkampf auf Leben und Tod einreißen würde, dann allerdings müßten die kleinen Existenzen zugrunde gehen, und dann allerdings wird einmal die Bundesregierung die ganze Zeche bezahlen; und wenn die Bundesregierung sie bezahlt, dann zahlt sie ja doch der deutsche Steuerzahler.
Ich will — es wäre noch viel zu sagen — versuchen, „zum Schluß zu kommen", wie man so schön sagt. Uns liegt auch ein Antrag vor, den mein geschätzter Freund Morgenthaler an erster Stelle unterschrieben hat, daß der Lastwagenverkehr an Sonn- und Feiertagen auf das Notwendigste beschränkt werden sollte. Dieser Antrag hat in den Kreisen des Straßenverkehrsgewerbes, vor allem des Straßenfernverkehrs — der Nahverkehr dürfte zum großen Teil einverstanden sein, weil er ja normalerweise an Sonntagen keinen Lastwagenverkehr betreibt —, etwas Widerstand gefunden. Er wurde auch, wie ich in einer Zeitungsnotiz gelesen habe, von der Organisation des Straßengüterfernverkehrs abgelehnt. Meine Damen und Herren, haben denn die, die das unterschrieben haben — ich habe es mit unterschrieben —, etwas Unrechtes verlangt? Sind wir nicht in einem Zeitalter, wo wir die Arbeitszeit geregelt haben, wo es selbstverständlich sein sollte, daß jeder, der nicht unbedingt an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden muß, nicht beschäftigt wird?
Streiten wir nicht darüber, ob man am Samstagnachmittag um 2 Uhr in den Ladengeschäften Schluß macht, um 3 oder um 5 Uhr oder schon mittags um 1 Uhr, oder ob wir am Mittwochnachmittag einen halben Tag frei geben? Wir halten es doch für selbstverständlich, daß die schaffenden Menschen — auch die Eigentümer dieser Betriebe — auch einmal zur Ruhe kommen sollten. Es steht im übrigen ja auch in der Heiligen Schrift geschrieben: Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebenten aber sollst du ruhen.
Wenn man formuliert „an Sonn- und Feiertagen auf das Lebensnotwendige zu beschränken", hat man damit ja noch nicht das Gewerbe getroffen, indem etwa einzelne Existenzen geschädigt würden. Wenn nämlich keiner, der es nicht nötig hat, am Sonntag oder Feiertag fährt, dann hat auch keiner den Schaden, weil ja dann die Wettbewerbsbedingungen für alle die gleichen sind.
Ich gehe allerdings weiter und sage, es wäre durchaus zu prüfen, ob nicht auch eine ähnliche Regelung gefunden werden kann, wie sie meines Wissens schon vielfach bei der Bundesbahn besteht. Auch die Bundesbahn läßt an Sonntagen nur die lebensnotwendigen Güterzüge verkehren, die also Lebensmittel, Frischware und andere Dinge enthalten. Das können Seefische sein und was weiß ich alles. Dort ist also die Konsequenz gezogen.
Meine Damen und Herren, es wird vielfach nicht erkannt, daß es solche Dinge in Europa schon gibt. Sehen Sie einmal in unser Nachbarland, die Schweiz! Ich habe für dieses Land immer eine Schwäche gehabt. Ich bin in seiner Nachbarschaft aufgewachsen, dort im badischen Wiesental, bei den Alemannen. Die Schweiz ist eine Musterdemokratie. Manches kommt uns zwar klein vor; aber ich möchte doch sagen, diese demokratische Erziehung und Gesinnung von Jahrhunderten her in Verbindung mit anderen Dingen hat doch auch manches Schöne in diesem Lande bewirkt, und wir sollten auch ruhig den Mut haben, von einem solchen kleineren Lande zu lernen, wenn es etwas Besseres hat als wir.
Dort gibt es eine Gesetzesvorschrift, daß ab 10 Uhr abends keine Lastwagen mehr fahren dürfen und daß der Lastwagenverkehr an Sonn- und Feiertagen verboten ist. Ist es also eine Todsünde, wenn man aus christlichen, aus menschlichen, aus humanitären Gründen, aber auch mit Rücksicht auf die Anwohner an den Straßen, eine solche Frage stellt?
Ich wohne in Bonn in der Poppelsdorfer Allee. Ich will nicht sagen, daß da nur feine Leute wohnen,
aber ich wohne dort.
— Herr Dr. von Brentano, über diese stille Anerkennung freue ich mich eigentlich.
Da ist also keine Straßenbahn und normalerweise nachts kein Verkehr. Nur wenn die Lastwagenfahrer heimkommen, fahren sie manchmal noch mit dem Lastwagen nach Hause. Es ist auch mal ein Motorradfahrer dabei. Ab und zu kommt aber auch ein schwerer Lastzug nachts durch. Ich kann Ihnen sagen — die Häuser dort sind alt, gut und solid gebaut mit dicken Mauern —: wenn ein solcher Lastzug durchfährt, dann ist das tatsächlich für das Haus und für die Bewohner eine einzige Erschütterung, und so ungefähr jeder wacht vom Schlaf auf.
— In der Koblenzer Straße ist es noch schlimmer.
Denken Sie aber auch an die Bundesfernstraße 3, die durch meinen Wahlkreis und durch den Wahlkreis des Herrn Abgeordneten Morgenthaler durchgeht. Dort hat man also die Autostraße noch nicht gebaut. Denken Sie auch an den Streit, ob die ganze Autostraße Basel—Karlsruhe in die Dringlichkeitsstufe 1 oder 2 gehört. Denken Sie daran, daß man die Bundesstraße auf 71/2 m verbreitern muß. Es ist allerhand getan worden, das muß man anerkennen, wenn man offenen Auges durch die Gegend geht. Aber das hat dazu geführt, daß man die Straße in den Dörfern bis an die kleinen Bauernhäuser, bis an den Eingang, bis an die Tür hin hat verbreitern müssen. Und nun stellen Sie sich bitte einmal eine
Durchgangsstraße vor, wo der Verkehr Tag und Nacht geht. Daß diese Leute den Wunsch haben, am Sonn- und Feiertag nicht mehr durch das Erzittern ihrer Häuser und durch den durch diese Lastwagenzüge verursachten Lärm belästigt zu werden, ist verständlich.
Ich glaube auch nicht an eine Notwendigkeit, daß man ausgerechnet am Sonntag Baustoffe, Bretter, Balken, Eisenzeug und derartige Dinge auf den Straßen befördern muß.
Ich halte das nicht für eine Lebensnotwendigkeit.
Man ist nun aber, wenn man so etwas ausspricht, da und dort immer der Gefahr ausgesetzt, daß einem gesagt wird, man habe etwas gegen den Straßenverkehr. Ich sage noch einmal: nein und nochmals nein! Ich halte den gewerblichen Straßenverkehr im Nahverkehr wie im Fernverkehr für eine technisch und wirtschaftlich durchaus vertretbare notwendige Ergänzung. Ich sage es noch einmal als Standpunkt der gesamten Fraktion: es ist Lebensraum und Lebensrecht für beide Teile da.
Dann darf ich noch eine Sache anschneiden, die mir übergeben wurde, als ich hier heraufging. Es handelt sich um die Frage Berlin — sie hängt mit der Bundesbahn zusammen —, über die vielleicht bei dieser Gelegenheit zum Schluß ein paar Worte zu sagen sind. Die Bundesbahn gleicht einem Manne, der in ein Rennen geht und mit irgendeinem Tornister oder irgendeiner anderen schweren Last vorbelastet ist. Man kann aber, wenn man gleiche Startbedingungen schaffen und ein Rennen ehrlich ausfechten will, nicht mit ungleichen Belastungen hineingehen. Die Bundesbahn trägt u. a. als betriebsfremde Lasten - ich möchte sagen, wir sollten das Wort „politische Lasten" vermeiden — eine ganze Reihe von Millionen DM — es geht meines Wissens in Berlin an die 90 Millionen heran; ich will mich nicht genau auf die Zahl festlegen — für Unterstützungen, die aus dem Befreiungskampf für Berlin notwendig wurden. Damals mußten die Eisenbahner einfach gegen die Ostzone antreten, und sie sind angetreten, und heute noch liegen über 500 Eisenbahner mit ihren Familien auf der Straße. Die Bahn zahlt hierfür Unterstützungen, und es ehrt sie, daß sie das tut. Aber jede 100 Millionen sind auch für die Bahn 100 Millionen, und 100 Millionen DM sind gleichzeitig 100 Lokomotiven oder auch 50, je nachdem, um welche Gattung es sich handelt. Mit 100 Millionen DM könnte man eine ganze Menge moderner Schnellzugwagen, Personenwagen oder Güterwagen anschaffen. Das ist aber nur eine dieser Lasten.
Hier schreibt nun ein solcher Mann von Berlin: „Ich kriege wohl die Unterstützung; auch die Gewerkschaft tut noch etwas darauf. Aber wir haben doch auch das Recht, so wie die 131er behandelt zu werden und wieder irgendwo im Bundesgebiet hineinzukommen und bei der Bahn Unterschlupf zu finden." Die Frage der 131er hat die Bundesbahn auch auf dem Rücken. Es ist die übereinstimmende Meinung auch im Straßenverkehrsgewerbe, bei der deutschen Industrie, selbstverständlich bei der Bundesbahn und ebenso bei der Binnenschiffahrt, daß man der Bundesbahn diese betriebsfremden Belastungen, die neben der Pflicht des Wiederaufbaues der Betriebssicherheit usw. aus eigener Kraft bestehen, abnehmen muß. Darum kommt das Kabinett einfach nicht herum.
Hinzu kommen dann noch die anderen Verpflichtungen aus dem gemeinwirtschaftlichen Betrieb. Erfreulich ist hierbei, daß es auch in dieser Zeit im Rahmen der konkurrierenden Träger des Verkehrs — Straße, Schiene und anderen — noch gemeinsame Ansatzpunkte gibt. Völlige Übereinstimmung besteht wohl darüber, daß die Bundesbahn in einer Art und Weise weitergeführt werden muß, daß sie gemeinwirtschaftlich fährt. Völlige Klarheit besteht darüber, daß die Bundesbahn, die ja Treuhänderin des Staatsvermögens von, umgerechnet, etwa 13 Milliarden ist — früher ja viel mehr —, den Fahrplanzwang, den Betriebszwang, den Beförderungszwang, den Veröffentlichungszwang usw. aus dem Wesen der Gemeinwirtschaft und dazu die sozialen Tarife zu tragen hat. Das ist in der ganzen Welt so, wenn auch nicht ganz einheitlich. Aber durch die Bank haben die Bahnen zum Ausgleich für andere Dinge, die den Bahnen zugute kommen, die Möglichkeit und die Verpflichtung, gemeinwirtschaftlich für das Volk zu arbeiten.
Darf ich eines noch zur Ehre der Bundesbahn sagen. Die Bundesbahn ist der sicherste Betrieb, den es gibt. Die Bundesbahn veröffentlicht voll Stolz die Nachricht — „Statistik" ist da, möchte ich sagen, wirklich zuviel gesagt, weil man daraus keine Statistik mehr machen kann! —, daß im ganzen Jahre 1953 bei 1,2 Milliarden Reisenden, die befördert wurden, nur eine einzige Reisende ihr Leben durch Schuld der Bahn verloren hat.
Meine Damen und Herren, betrachten Sie demgegenüber die Unfallzahlen des Straßenverkehrs; dann sehen Sie den Unterschied. Auch deswegen müssen wir Ordnung hineinbekommen.
Dann kommt noch eines allerdings, was gesagt werden muß, hinzu. Es sterben täglich einige Eisenbahner — die genauen Zahlen habe ich nicht, aber es sind mehrere hundert Eisenbahner im Jahr — im Dienste des Verkehrs den Eisenbahnertod, ruhmlos, klanglos, ohne daß man viel davon erfährt. Hut ab vor dieser Pflichterfüllung! Anerkennung aber auch den Beamten, Arbeitern und Angestellten, den Menschen, die bei der Bundesbahn das Rückgrat des Verkehrs bilden.
Wir wünschen, daß bei den kommenden Reformen erstens einmal die Sache beschleunigt wird. Wir haben im Süden unseres schönen Vaterlandes ein Wort, das heißt: „Die Birnen werden im Herbst reif." Bis im Herbst, verehrter Herr Vizekanzler, verehrter Herr Bundesverkehrsminister, müssen wir meiner Schätzung nach die Verkehrsgesetze hier im Bundestag verabschiedet haben, wenn wir unsere Pflicht tun wollen.
Diese Pflicht wollen wir tun, und wir wollen dabei unser Herz vorauswerfen und Verantwortung auf uns nehmen. Ich bin überzeugt, daß man das Problem in einer Art und Weise lösen kann, die weder der deutschen Wirtschaft noch einem Träger des Verkehrs in der deutschen Wirtschaft schadet, die aber allen nützt und die, ich möchte es noch einmal sagen, eine Christen- und eine Menschenpflicht ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei, für die ich hier spreche, begrüßt es, daß es in diesem Hohen Hause endlich zu einer großen Verkehrsdebatte kommt. Mit diesem „endlich" habe ich schon ein Wort der Kritik ausgesprochen, der Kritik, die sich in erster Linie darauf bezieht, daß es uns in der ersten Legislaturperiode nicht möglich war, eine grundsätzliche Verkehrsdebatte zu führen, obgleich genug Anträge, Gesetze usw. vorgelegen haben. Ich kann sogar erinnern, daß es sehr schwierig war, Fragen des Verkehrs an den Anfang einer Tagesordnung zu setzen; meistens wurden diese Dinge vor einem fast leeren und ermüdeten Hause absolviert.
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob ich in der weiteren Kritik, die am Eingang meiner Ausführungen steht, immer den Grundsatz meines Freundes Reinhold Maier befolgen kann, „to be His Majesty's most loyal opposition". Ich werde mich bemühen; aber ich glaube, die Fragen sind so ernst, daß man auch vor einer Kritik nicht zurückscheuen darf, auch nicht als Angehöriger dieser Koalition und gegenüber der eigenen Koalitionsregierung.
Wenn wir aber kritisieren, meine Damen und Herren, dann müssen wir zurückgehen auf den Parlamentarischen Rat und auf die Schaffung des Grundgesetzes. Ich freue mich, daß die Bundesratsbank in diesem Augenblick sehr gut besetzt ist. Damals, bei der Schaffung der Verkehrsartikel im Grundgesetz, sind von Verbänden und von Fachleuten unzählige Eingaben gemacht worden, den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung der Straßen des Fernverkehrs der Bundesgesetzgebung zu unterwerfen und nicht, wie es dann in Art. 74 Ziffer 22 geschehen ist, der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Folgen und die Nachteile dieser Unterlassung bzw. dieses Fehlers haben sich besonders bei der Schaffung des .Sicherheitsgesetzes und des Güterkraftverkehrsgesetzes gezeigt, des Güterkraftverkehrsgesetzes, das vornehmlich dazu dient, die Ordnung auf der Straße herzustellen, dessen Vorbereitung aber, wie Sie alle wissen, Jahre gedauert hat, so daß es erst vor wenigen Monaten praktisch in Funktion treten konnte.
Ich habe noch eine Kritik an dem unzulänglichen Verkehrsetat anzubringen. Verzeihen Sie, daß ich an diesen Grundlagen zuerst kritisiere, aber sie sind überhaupt erst die Voraussetzungen einer Verkehrspolitik, und ich spreche dazu, weil diese notwendigen Voraussetzungen eben nicht geschaffen worden sind. Ich habe wiederholt von dieser Stelle aus auf die Unzulänglichkeit des Verkehrsetats hingewiesen. Daß er im Wirtschaftsplan 1954 nun die Milliarde überschritten hat, ist nichts weiter als eine künstliche Ausweitung; denn er ist nicht größer als der Wirtschaftsplan 1952/53, nämlich etwa 750 Millionen DM, es sind nur die 250 Millionen DM der gestundeten Beförderungsteuer hinzugekommen. Herr Dr. Seebohm, Sie werden sich erinnern, daß ich auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Nahverkehr in Hamburg die Worte gesprochen habe: „Herr Minister, ich bewundere Sie, daß Sie mit einem solchen Etat überhaupt Verkehrspolitik machen wollen." Wenn Sie sich nämlich, meine Damen und Herren, den Einzelplan 12 einmal etwas genauer ansehen, insbesondere die vielen Aufgaben, die
im Rahmen dieses Verkehrsetats erfüllt werden müssen, werden Sie die Unzulänglichkeit des Etats nicht bestreiten. Sie ist auch nicht damit zu entschuldigen, daß sich der Bund — das wissen wir alle — wegen seiner vielen sonstigen Verpflichtungen in einer außerordentlich schwierigen finanziellen Lage befindet. Ich weiß nicht — ich hoffe es, aber es scheint doch nicht so auszusehen —, ob sich der Herr Bundesverkehrsminister, der ja nun die Probleme und die schweren Aufgaben seit vier Jahren kennt, bei der Wiederübernahme seines schweren Amtes Sicherungen seitens des Bundesfinanzministers oder der Regierung hat geben lassen, um eine wirklich zügige Verkehrspolitik zu betreiben.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat mit Recht gesagt, es sei ein völlig verkehrter Ausgangspunkt, von einer Verkehrskrise an sich zu sprechen. Eine Verkehrskrise, meine Damen und Herren, würde bedeuten, daß der deutsche Verkehrsapparat — Schiene, Straße, Binnenschiffahrt, Seeschifffahrt — nicht in der Lage wäre, die Ansprüche der deutschen Wirtschaft zu befriedigen. So ist es ja nicht, die Situation ist vielmehr genau umgekehrt. Wir haben eine Überkapazität an Laderaum, und daraus ist zum Teil die Krise der Verkehrsträger entstanden, der Verkehrsträger, nicht des Verkehrs. Wir haben vornehmlich eine Krise des Verkehrsträgers Bundesbahn und eine Krise im Straßenverkehr schlechthin.
Fraglich ist nur, ob man mit einem Gesetz, das in aller Munde ist, das aber die Legislative offiziell überhaupt nicht kennt, das nachholen kann, was in vier Jahren offensichtlich versäumt worden ist. Wir sollen ja heute nicht die erste Lesung dieses I) uns offiziell unbekannten Gesetzes halten, aber man muß doch ein Wort darüber verlieren. Mein Freund Dehler hat in der Haushaltsdebatte schon gesagt — und der Herr Bundesverkehrsminister hat es hier eben in seiner Beantwortung der beiden Großen Anfragen bestätigt —, daß diejenigen, die von der neuen Verkehrsgesetzgebung betroffen werden — Wirtschaftsverbände und einzelne Wirtschaftsführer — von den zuständigen Ministerien durchaus Auskunft über den Inhalt des Gesetzentwurfs erhalten haben, während die Legislative über die Presse und über diese Verbände von den Dingen Kenntnis nehmen muß. Ich halte das für einen unmöglichen Zustand. Sicherlich hat die Regierung das Recht, ein Gesetz in der Kamera zu behalten, um die Dinge nicht zu stören. Wenn darüber aber eine solche Zeit vergeht, dann geschieht eben das, was geschehen ist. Die Korruption setzt ein, und man kann dann, wie ein Vorredner sehr richtig gesagt hat, für 110 oder für 55 Mark diese Gesetzesvorlage an der Milchbar kaufen.
— Ich habe sie nicht gekauft, Herr Kollege, seien Sie ganz beruhigt!
Meine Damen und Herren, in eine Verkehrsdebatte einzusteigen, bedeutet, sich um zwei Schwerpunkte herum zu bewegen. Der eine ist der Zustand der Deutschen Bundesbahn, der andere ist das Problem nicht des Straßenverkehrs, sondern — um gleich richtig zu sagen, wie ich die Dinge sehe — des Straßenbaus. Es geht also weniger um den Straßenverkehr an sich als vielmehr um die Notwendigkeit, Autobahnen, Bundesstraßen, Länderstraßen usw. so auszubauen, daß sie dem modernen Verkehr angepaßt sind.
Aber befassen wir uns zunächst einmal mit der Situation der Deutschen Bundesbahn, dieses größten deutschen Vermögens, dessen Wert heute auf eine Größenordnung von 12 bis 15 Milliarden DM beziffert wird. Auch die Freie Demokratische Partei betont von vornherein, daß sie am gemeinwirtschaftlichen Prinzip der Deutschen Bundesbahn festhalten will. Aber eines darf ich mit aller Deutlichkeit hinzufügen, und ich werde das auch begründen: dieses gemeinwirtschaftliche Prinzip darf nicht zur Subventionierung der Wirtschaft führen. Dort ist die Grenze, und hier bleibt zu überlegen, wie die Tarife nun der wirklichen Selbstkostensituation sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße angepaßt werden können.
In diesem Zusammenhang muß man sich auch ein wenig mit der inneren Organisation der Deutschen Bundesbahn selbst befassen. Ich habe ja die Auszeichnung, im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn zu sitzen. Ich erinnere mich sehr deutlich der Behandlung des Bundesbahngesetzes in unserem Ausschuß für Verkehrswesen. Bekanntlich lagen damals zwei Anträge vor, ein Antrag der Bundesregierung und ein Initiativantrag des Bundesrats. Der Bundesrat hat in Übereinstimmung mit meiner eigenen Auffassung seinerzeit erklärt — und er hat damit recht behalten, denn heute ist das klar und deutlich zu sehen —, es sei verkehrt, einen Kollegialvorstand zu schaffen. Notwendig wären gewesen ein mit entsprechenden Befugnissen ausgestatteter Generaldirektor und ein ausgeweiteter Vorstand, dem die leitenden und verantwortlichen Leute aus der Hauptverwaltung, mit anderen Worten, die Leute, die das Geschäft innerhalb der Deutschen Bundesbahn von morgens bis abends wirklich betreiben, zur Seite gestanden hätten.
Es ist also die erste Forderung der Freien Demokratischen Partei — ohne daß wir heute hier schon zu formulierten Anträgen kommen —, daß die Bundesregierung eine Novelle vorlegt, die sich einmal mit der Frage der Zusammensetzung des Vorstandes, zum andern aber und vor allen Dingen auch mit einer Änderung des § 4 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes befaßt, um dessen Formulierung wir ja auch in vielen Stunden und Sitzungen mit dem Herrn Bundesverkehrsminister gerungen haben, Verzeihung, mit dem Herrn Bundesfinanzminister; der Herr Bundesverkehrsminister war durchaus unserer Auffassung. Ein gewisser Nachholbedarf, für den die Bundesbahn nicht verantwortlich ist, da er eine Kriegsfolge darstellt, müßte jährlich aus Mitteln des Bundesetats gedeckt werden. Statt dessen heißt es, daß die Bundesregierung entsprechende Zuschüsse leisten soll, soweit es die Haushaltslage gestatte. Sie werden mir zugeben, meine Damen und Herren, daß man mit einem solchen Paragraphen natürlich so gut wie nichts anfangen kann.
Ich möchte aber auf das gemeinwirtschaftliche Prinzip zurückkommen und auf die Gestaltung der Tarife nach Selbstkosten entsprechend der tatsächlichen Situation auf dem Preismarkt.
Wenn man sich mit dem Problem Bundesbahn und mit ihrer Situation befaßt, muß man stets ein paar Zahlen im Gedächtnis haben, beispielsweise die, daß im Personenverkehr nur 28 % der Menschen nach dem Regeltarif und 72% unter Tarif gefahren werden. Das muß man wissen, um die
Situation zu verstehen. Dabei will ich nicht grundsätzlich etwas gegen die Sozialtarife sagen. Ich muß aber fordern, daß eine genaue Untersuchung darüber angestellt wird, ob nicht in den Tarifen, die unter dem Regeltarif liegen — bis zu den niedrigsten Sozialtarifen hinunter —, ohne daß man das ganze Preis- und Lohngebäude erschüttert, eine vernünftige Erhöhung berechtigt ist und auch durchgeführt werden kann.
Im Güterverkehr ist die Lage ähnlich. Wenn Sie den Kohletarif 6 B 1 als einen Regeltarif ansehen, ergibt sich immerhin noch die Situation, daß 56% der Güter auf der Schiene -- damit analog übrigens auch auf der Straße, denn wir haben ja das Paritätsverhältnis — unter dem Regeltarif und nur 44 0/o zu Regeltarifen gefahren werden. Aber, wie gesagt, die Stellung des Kohletarifs ist dabei strittig.
Ich glaube, die Deutsche Bundesbahn und die verantwortlichen Stellen haben in der Vergangenheit in ihrer Tarifgestaltung und ihrer Tarifbehandlung einen Kardinalfehler begangen. Ich habe das vor Fachleuten einmal so ausgedrückt: Warum dieses vertikale und horizontale Spiel der Ziehharmonika, bevor man nicht über die echten Selbstkosten bei den Verkehrsträgern überhaupt Grundlagen besitzt? Alle diese Dinge haben wenig genutzt. Man hat die Tarife mal erhöht, mal oben abgeflacht, mal unten angehoben, und wie diese schönen Dinge alle heißen. Als man bei der dritt- oder viertvorletzten Tarifreform daranging, die oberen Sätze abzukappen und die unteren anzuheben, habe ich mir erlaubt, den Herren zu sagen: Nun werden Sie das erleben, was Sie eigentlich vermeiden wollen, denn jetzt wird nämlich der Massentransport auf der Straße durch die Anhebung der unteren Tarife für den Straßenverkehr plötzlich außerordentlich interessant. So ist es gekommen. Nun versucht man, diese Fehler einer Tarifpolitik auf andere Weise wieder zu beseitigen. Genau so ist es mit der letzten Abtarifierung gewesen, die der Bundesbahn pro anno 50 bis 60 Millionen DM gekostet hat bzw. kosten wird und die dazu führen soll, daß die Güter in den Tarifen A bis C oder A bis D wieder in stärkerem Maße auf die Schiene kommen.
Hier können Sie eine interessante Feststellung machen. Es ist nun einmal so, daß die Bundesbahn wegen ihrer Beförderungspflicht und wegen ihrer gemeinwirtschaftlichen Aufgaben in diesen Dingen nicht so beweglich wie der Straßenverkehr sein kann. Als Folge davon wird die Bundesbahn den effektiven Verlust dieser 50 bis 60 Millionen DM haben. Hier wurde vorhin gesagt, es sei nicht festzustellen, ob die Sache positiv oder negativ ausgegangen sei. Ich möchte sagen, sie ist null ausgegangen, d. h. es ist nicht mehr verloren worden, es ist aber auch nicht mehr an Gütern hinzugekommen. Tatsache ist, daß es die Bundesbahn diese 50 bis 60 Millionen DM gekostet hat. Auf der anderen Seite hat der zu paritätischen Tarifen fahrende Straßenverkehr wegen seiner privaten Leistungsfähigkeit, wegen seiner nicht vorhandenen Belastung gemeinwirtschaftlicher Art und der Beförderungspflicht — wie es dem Privatverkehr und dem Privatbetrieb überhaupt eigen ist — diese 50 bis 60 Millionen DM verdauen können. Der lachende Dritte bei dieser ganzen Geschichte ist die deutsche Wirtschaft gewesen. Sie erinnern sich meiner Ausführungen, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip nicht zur Subventionierung der Wirtschaft führen dürfe. Der Wirtschaft hat man 100 bis 120 Millionen DM geschenkt, und die Wirtschaft, die im allgemeinen immer sehr empfangsbereit ist — das ist ja bekannt —, hat das Geschenk in diesem Falle nicht einmal haben wollen. Sie hat ihre Bedenken erhoben und hat sich gegen diese Abtarifierung gewehrt.
Ich wollte im ganzen nur einmal sagen — und damit zu dem Schluß des Themas Tarife kommen —, daß eine vernünftige Anpassung der Tarife der Bundesbahn durchaus notwendig ist. Sie ist ein Teil der Maßnahmen, um auch die Deutsche Bundesbahn wieder leistungsfähig zu gestalten. Natürlich spielt bei diesen Dingen auch die Rationalisierungsfrage eine entscheidende Rolle. Die Rationalisierung ist ja der Deutschen Bundesbahn von dem Herrn Bundesfinanzminister auferlegt worden. Werkstättenabbau, Personalabbau, Verwaltungsreform und alle diese Dinge sind bekannt und werden nun wohl auch — ich kann Ihnen das als Mitglied des Verwaltungsrates durchaus bestätigen — zügig in Angriff genommen.
Aber eine wirkliche Rationalisierung ist ein großes Mosaik. Ich denke dabei jetzt an eine Rationalisierung des Betriebs überhaupt. Es gehört — verzeihen Sie, wenn ich das sage — eine recht erhebliche Kenntnis der inneren Zusammenhänge des Verkehrs dazu, um zu verstehen, wie auf dem Gebiet der Rationalisierung, beispielsweise, um nur ein Gebiet zu nennen, der stärkeren Konzentration der Ladung — man nennt das bei der Bundesbahn den Sammelladungsverkehr —, noch einiges zu erreichen ist. Freilich würde eine zügige Rationalisierung — dies muß auch einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden — möglicherweise einen noch größeren Personalüberhang bei den Instituten der Deutschen Bundesbahn sichtbar machen. Wir sind aber hier, um diese Dinge so zu sehen, wie sie gesehen werden müssen, wenn man die Deutsche Bundesbahn erhalten will.
Ich sprach von dem Mosaik. Ich habe manchmal das Gefühl, daß es anscheinend auf die vielen klein en Dinge nicht so ankommt, auch im Hause der Deutschen Bundesbahn nicht. Wir müssen uns aber doch wohl zu dem Grundsatz bekennen, daß viele kleine Dinge ein Großes machen können. Wenn ich Zahlen wie 300 000, 2 Millionen, 17 Millionen, 60 Millionen nenne, so sind das nicht willkürlich gegriffene Zahlen. Ich möchte diese Zahlen heute nicht vertiefen, ich möchte nur zeigen, daß diese vielen einzelnen Dinge zusammen mit einer zügigen Rationalisierung innerhalb der Deutschen Bundesbahn auch eine Einsparung von einigen hundert Millionen D-Mark bringen könnten. Vielleicht besteht auch die Notwendigkeit einer Auflage durch den Bundesfinanzminister oder durch die Bundesregierung an die Bundesbahn. Die Frage ist nur: Müssen wir nicht, um zu wirklich objektiven und neutralen Erkenntnissen und zu einer wirklichen Rationalisierung bei der Deutschen Bundesbahn zu kommen, unter Umständen eine neutrale Instanz einsetzen, die ohne Ansehen der Person diese Dinge einmal von Grund auf prüft?
Zu dem vorliegenden Antrag, der schon in der Anfrage der SPD zum Ausdruck kommt, nachher aber durch den Antrag der Deutschen Partei sehr deutlich gemacht wird, betreffend die Übernahme der betriebsfremden Lasten durch den Bundeshaushalt darf ich Ihnen im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir diesem Antrag voll und ganz zustimmen. Wir sind der Meinung, daß, was immer auch auf dem Gebiete einer neuen Verkehrsgesetzgebung geschehen möge, alle diese Dinge nicht aus-
reichen, wenn man sich nicht grundsätzlich dazu aufrafft, die Bundesbahn von den betriebsfremden Lasten —etwa zwischen 300 unid 400 Millionen DM; die Meinungen gehen auch da etwas auseinander — zu entlasten. Daß das im letzten Haushalt nicht mehr möglich gewesen ist, bedaure ich sehr. Sie werden sich meiner Worte erinnern: der nach meiner Ansicht notwendigen Absicherung, die der Herr Bundesverkehrsminister bei der Wiederübernahme seines Amtes sich hätte geben lassen sollen. Jetzt bleibt nichts anderes übrig, als der Deutschen Bundesbahn durch einen klaren Beschluß dieses Hohen Hauses in Form eines Nachtragshaushalts diese betriebsfremden Lasten abzunehmen. Dabei bin ich von einem Parteifreund auf ein interessantes Moment hingewiesen worden, das ich diesem Hause nicht vorenthalten möchte.
Die Frage ist natürlich, wenn man solche Forderungen stellt, wo das Geld herkommen soll, und damit hängt ja auch die Frage der großen Steuerreform und manche andere Frage zusammen. Nun, wir wissen ja, daß der Herr Bundesfinanzminister noch ein ganz schönes Fettpolster von 2 Milliarden hat, das ihm allerdings täglich von den Alliierten abgerufen werden kann. Wie wäre es, wenn man einmal in diesem Zusammenhang mit den Alliierten verhandelte und auch auf die strategische Bedeutung der Deutschen Bundesbahn hinwiese, um so vielleicht einen Teil dieses Betrags von 2 Milliarden oder den ganzen Betrag für den Nachtragshaushalt sicherzustellen?
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Bundesbahn noch einige Zahlen. Der Bundesverkehrsminister hat richtig gesagt, daß die Dinge bis 1951 ungefähr ausgeglichen waren. Ich
B) habe manchmal das Gefühl, daß man im Hause der Bundesbahn etwas überrascht war, als in den darauf folgenden Jahren Lasten gekommen sind, die man nicht erwartet hatte. Aber eine Verwaltung der Deutschen Bundesbahn, die nach kaufmännischen Grundsätzen geleitet wird, mußte ja wissen, daß die Folgen des 131er-Gesetzes an sie herankommen. Eine solche Leitung mußte wissen, daß die Beamtengehälter sowie die Löhne der Arbeiter einer Aufbesserung bedurften und daß diese Lasten eines Tages auch an die Bundesbahn herankommen würden. Man kann also nicht sagen, die Not der Bundesbahn sei eigentlich erst vom Jahre 1952 an sichtbar geworden, als wir im Wirtschaftsplan erstmals ein Minus von 154 Millionen hatten, das sich im Jahre 1953 auf voraussichtlich 605 Millionen gesteigert hat und im Wirtschaftsplan 1954 mit 794 Millionen ausgewiesen ist. Allerdings handelt es sich um Zahlen auf der Grundlage einer kameralistischen Buchführung. Auch darüber muß man sich in diesem Augenblick einmal unterhalten. Denn wenn man weiß, daß die Deutsche Bundesbahn für 900 bis 1000 Millionen an Aufträgen an die Wirtschaft vergibt, dann treten die Verlustzahlen im Rahmen einer kameralistischen Buchführung sehr deutlich in Erscheinung, während umgekehrt nach einer kaufmännischen Buchführung ein großer Teil bei entsprechender Abschreibung dazu dienen würde, das Vermögen der Deutschen Bundesbahn sichtbar zu erhöhen und so vielleicht auch bessere Voraussetzungen für eine Anleihe der Deutschen Bundesbahn zu schaffen, bei der allerdings noch Voraussetzung wäre, daß wir das Problem der alten Reichsbahnanleihen bereinigen.
Fast alle. europäischen Eisenbahnen arbeiten defizitär. Fast alle Eisenbahnen erhalten die direkte Unterstützung des Staates. Selbst bei unserm Nachbarn im Westen, in Frankreich, ist es so, daß trotz eines starken Schutzes gegenüber dem Straßenverkehr bei der französischen Staatsbahn immer noch ein jährliches Defizit in Höhe einer Milliarde vorhanden ist. Ich glaube, wir sind auf dem Wege, ein grundsätzliches Defizit der Deutschen Bundesbahn auszuräumen, wenn wir zunächst einmal eine gesunde Grundlage für diesen größten Verkehrsapparat schaffen. Denn alle und nicht nur die Verkehrsfachleute, sondern jeder, der mit der deutschen Wirtschaft verknüpft ist, wird dem Grundsatz zustimmen, daß die Bundesbahn auf die Dauer nicht Kostgänger des Staates und damit des Steuerzahlers sein darf. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, damit die Deutsche Bundesbahn nach einer gewissen Anlaufzeit in der Lage ist, aus eigenem zum mindesten ihren Kostenausgleich, d. h. eine ausgeglichene Betriebsrechnung zu haben.
Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß sich eine Debatte über Verkehrspolitik nur zwischen zwei Polen bewegen kann: Zwischen dem Zustand der Deutschen Bundesbahn und der Untersuchung, wie wir sie wieder in Ordnung bringen, und auf der anderen Seite natürlich den Zuständen im Straßenverkehr. Es muß an dieser Stelle wohl auch einmal gesagt werden, welche Bedeutung die Kraftverkehrswirtschaft innerhalb der deutschen Wirtschaft insgesamt hat. Sie wissen, daß die Bundesbahn 500 000 Menschen beschäftigt. Sie vergibt rund 1 Milliarde DM Aufträge. Fachleute behaupten, daß in der Kraftfahrzeugwirtschaft 11/2 Millionen Menschen beschäftigt sind und daß das Auftragsvolumen dieser Industrie sich um rund 6 Milliarden herum bewegt. An dieser Tatsache kann sowohl die Legislative ,als auch die Exekutive sicherlich nicht vorbeigehen. Aber im Vordergrund steht doch und das ist heute morgen hier auch schon in großer Besorgnis immer wieder angeklungen — die Sicherheit auf den Straßen. Die 29 Toten, die wir täglich haben, sind wahrhaftig eine Kulturschande für das deutsche Volk,
und es muß alles, aber auch alles geschehen, um diese Zahl auf ein erträgliches Maß herunterzubringen; denn es ist unhaltbar, zu wissen, daß jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht, mehr oder weniger 29 Menschen — und mancher von uns kann dabei sein — sazusagen schon zum Tode verurteilt sind.
Hier darf ich noch einmal auf das Grundgesetz Artikel 74 Ziffer 22 zurückkommen und darauf hinweisen, daß wir schon viel weiter hätten sein können, wenn nicht die Dinge sehr häufig an den notwendigen gemeinsamen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gescheitert wären. Das muß gesagt werden, und wenn ich jetzt die Resolution betrachte, die auf der letzten gemeinsamen Konferenz des Herrn Bundesverkehrsministers mit den Länderministern zustande gekommen ist, dann muß ich sagen: Welch eine Erkenntnis nach vier Jahren! In dieser Resolution heißt es z. B.: „Die von Bundes- und Länderministern in ihren Zuständigkeitsbereichen zu treffenden Maßnahmen bedürfen sorgfältiger Abstimmung und setzen eine ständige enge Fühlungnahme voraus". Ich will nur hoffen, daß das die Wiederholung einer These ist, die doch eigentlich schon hätte im Jahre 1949 Grundsatz sein sollen, als wir anfingen zu arbeiten.
Es wird dann weiter gesagt: „Ferner sind unverzüglich die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zu treffen, um alle Führerscheinbewerber und Führerscheininhaber ärztlich zu untersuchen." Ja, meine Damen und Herren, diese Forderung steht in § 6 des Sicherheitsgesetzes drin. Es tut mir sehr leid — und wir haben diese Dinge im Ausschuß sehr gründlich behandelt —, daß diese Rechtsverordnung, die für die Verkehrssicherheit von entscheidender Bedeutung ist, bis heute noch nicht mit Zustimmung des Bundesrats heraus ist.
Die Frage der Geschwindigkeitsbegrenzung soll noch einmal untersucht werden. Ich halte die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Landstraßen für absolut richtig. Was ich aber nicht verstanden habe, ist, daß am Tage X in den geschlossenen Ortschaften ohne weiteres sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen aufgehoben wurden. Ich habe damals noch selbst an den hamburgischen Polizeisenator geschrieben und erklärt: Belassen Sie die Geschwindigkeitsbegrenzung generell. Für Ausfallstraßen usw. mag man eine Aufhebung oder eine Auflockerung vornehmen. Die Statistik 'beweist heute, daß die größte Zahl der Unfälle sich in geschlossenen Ortschaften ereignet. Wir müssen uns sehr eingehend überlegen, ob nicht die Geschwindigkeitsbegrenzung so schnell wie möglich durch eine Novelle zum Sicherheitsgesetz wieder einzuführen ist. Auf den Landstraßen dagegen halte ich die Begrenzung für einen baren Unfug. Wen wir Automobile mit 120 und 140 Stundenkilometer bauen und wenn wir die Voraussetzungen des Straßenbaus dazu schaffen, dann soll man keine Gesetze schaffen, die praktisch. einfach doch nicht eingehalten werden und nicht eingehalten werden können. Wir -dürfen uns bei der ganzen Frage der Verkehrssicherheit ,auch nicht in die Gefahr begeben und den großen Fehler begehen, daß hinter jedem Verkehrsnutzer ein Polizist steht. Auch das ist hier heute morgen schon angeklungen. Es muß andere Mittel und Möglichkeiten geben, uni der Verkehrsnot auf den Straßen Herr zu werden.
Ich darf wiederholen: Im Vordergrund der Frage der Sicherheit auf der Straße steht der Straßenbau. Ich darf von dieser Stelle aus an die Länder die Frage richten: Haben die Länder die Kraftfahrzeugsteuer, die als Bundessteuer erhoben wird, restlos im Straßenbau verwandt? Es wäre sehr gut, einmal hierüber in allen deutschen Ländern eine sehr eingehende Untersuchung anzustellen.
Die zweite Frage muß ich allerdings an den Bund richten. Nehmen wir die Zölle, die Mineralölsteuer, die Beförderungsteuer usw. Hierdurch werden — und diese Zahlen sind von dem Ver- band Deutscher Automobilfabriken im Jahrbuch 1953 einwandfrei errechnet - 1,2 Milliarden DM aufgebracht. Wir wissen sehr genau, daß nur ein Bruchteil dieser Summe für Bundesstraßen und für Autobahnen aufgewandt wird.
Diejenigen Kollegen, die im alten Bundestag waren, erinnern sich, wie ich. manchmal eine Lanze für den Straßenverkehr gebrochen habe. Sie erinnern sich insbesondere der Debatte mit meinem verstorbenen Freund von Rechenberg, der von den „Biestern der Landstraße" sprach, - von den Biestern, von denen ich übrigens nicht ein einziges besitze. Ich darf das bei dieser Gelegenheit wegen der verkehrten Propaganda auch noch einmal wiederholen. Aber warum habe ich das getan? Wenn Sie einmal die einschlägigen Verbände, die jetzt
anfangen, zu petitionieren, befragten, würde Ihnen das jeder bestätigen, und ich habe das zuletzt auch auf einer Kundgebung im Marmorsaal in Berlin gesagt: Ich werde sie nicht davor schützen, daß sie nicht noch einmal einen erheblichen Beitrag für einen zweckgebundenen Straßenbau leisten. Das wird auch -- der Kollege Rümmele hat das sehr richtig gesagt — seitens dieser Gruppen in jedem Fall anerkannt. Aber man hat sich - und meiner Ansicht nach mit Recht — in der Vergangenheit dagegen gewehrt, daß immer wieder von Erhöhungen und von erneuten Belastungen gesprochen worden ist, ohne daß die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister bereit waren, dieses Mehraufkommen zweckgebunden für den Straßenbau zu verwenden. Jetzt haben wir eine Linksum-Kehrtwendung gemacht. Ich sage ja, man darf immer nur aus der Schule plaudern von dem neuen Gesetz, von dem man offiziell nicht sprechen darf. Da steht drin oder soll drin stehen ich muß mich vorsichtig ausdrücken, sonst muß ich vielleicht meine Immunität aufheben lassen -, daß das Mehr von zwei und sechs Pfennigen zweckgebunden für den Straßenbau verwendet werden soll. Ich kann auch wieder nur sagen: Warum eigentlich nicht drei oder vier Jahre früher? Wir hätten dann nicht diesen schauderhaften Zustand im Straßenverkehr und auch nicht das schlechte Verhältnis von Straßenverkehr zur Deutschen Bundesbahn. Vor etwa zwei Jahren wurde, well die Regierung auf diesem Gebiet wenig initiativ gewesen ist, eine Arbeitsgemeinschaft, die „Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen", gegründet. Drei Kollegen dieses Hauses, der Kollege Leiske, der Kollege Schmidt und ich, sind maßgeblich an der Arbeit beteiligt. Die Herren können Ihnen in Ihren Fraktionen die näheren Zusammenhänge und die Zielsetzung der Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen auseinandersetzen. Wir haben einen Plan gefunden, der es ermöglicht, durch eine Anhöhung des Treibstoffpreises, allerdings auch durch eine Hergabe eines Teils der Mineralölsteuer, nunmehr die Grundlage für Verzinsung und Amortisation durch eine besondere . Finanzierungsgesellschaft zu schaffen, so daß es auch möglich ist — und Finanzleute bestätigen das —, eine entsprechende Anleihe für diese Dinge zu bekommen. Während im Anfang, - das war, glaube ich, im August — der Herr Bundesverkehrsminister einen vollkommen anderen Weg ging und die Dinge durch Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer, durch Zweckbindung usw. zu meistern versuchte, kann ich jetzt feststellen, daß die Pläne der Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen und die neuen Pläne der Bundesregierung doch ziemlich parallel laufen. So glaube ich, Herr Leiske und Herr Schmidt, daß wir außerordentlich wertvolle Arbeit geleistet haben, an der man nicht vorbeigegangen ist. Man wird auch auf diesem Gebiet zu einer Einigung kommen, um den Torso des deutschen Autobahnnetzes zu beseitigen.
Allerdings, meine Damen und Herren, möchte ich vor einem warnen. Soweit ich unterrichtet bin, besteht auch die Absicht in dem neuen Gesetz, in Deutschland eine Autobahngebühr einzuführen. Offenbar ist der Herr Bundesfinanzminister von dem beeindruckt gewesen, was er kürzlich in den Vereinigten Staaten gesehen hat. Viele Kollegen dieses Hauses kennen wie ich die Verkehrsverhältnisse in den Vereinigten Staaten, und sie werden mir, glaube ich, zugeben, daß die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten anders liegen als bei uns.
Daher können diese Maßnahmen nicht einfach auf Deutschland angewendet werden, wie auch umgekehrt unsere Verhältnisse nicht auf die Vereinigten Staaten übertragen werden können. Ich würde es für einen unsinnigen Aufwand ansehen, mit der dazu gehörigen gesamten Bürokratie aus Autobahngebühren, wie es der Plan vorsieht, jährlich 20 Millionen DM herauszuholen. Lassen Sie uns dann lieber schon tabula rasa machen und einen Treibstoffpreis für Vergaserstoff und für Dieselkraftstoff finden, der das alles beinhaltet, und zwar auch, meine Herren vom Bundesrat, die Kraftfahrzeugsteuer, damit wir endlich einmal mit dieser Bürokratie fertigwerden. Vergessen Sie doch nicht, daß heute der kleine Mann monatlich oder alle zwei oder drei Monate hinläuft und seine Kfz-Steuer mit dem Aufschlag bezahlt. Dazu wäre allerdings erforderlich, daß sich der Herr Bundesfinanzminister zunächst einmal mit den Ländern über seinen Anteil an der Einkommensteuer überhaupt einigt. Dann müssen wir an die Frage herangehen, ob man nicht aus der erhöhten Mineralölsteuer einen Ausgleich für die Länder schafft, damit sie aus der Kfz-Steuer die Kosten für die Länderstraßen bestreiten können, allerdings auch wieder unter der Voraussetzung der absoluten Zweckbindung, damit das Geld wirklich dafür verwandt wird.
Ich bin vor dieser Verkehrsdebatte gefragt worden, ob im Zuge der Erhöhung der Treibstoffpreise die Privilegierung der Landwirtschaft und Binnenschiffahrt erhalten bleibt. Ich kann darüber ja keine offizielle Auskunft geben. Soviel ich weiß, ist es der Fall. Vielleicht wird der Herr Bundesverkehrsminister, wenn er noch einmal das Wort nimmt, dazu sehr klar und deutlich Stellung nehmen. Wir wissen ja, wie notwendig es beispielsweise hier auf dem Rhein ist — auch das ist schon angeklungen —, die Binnenschiffahrt auch treibstoffmäßig gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu erhalten. Das gleiche gilt übrigens für die Hafenschiffahrt in Bremen, Hamburg und den anderen Häfen Norddeutschlands.
Die ernste Frage des Straßenbaus hat in meiner Fraktion die Erwägung auftauchen lassen, ob es nicht notwendig sei — und hiermit wende ich mich an den Herrn Vizekanzler als Vorsitzenden des Wirtschaftskabinetts —, die Fragen der Straßenbaufinanzierung vorzuziehen und vordringlich in den Ausschüssen zu behandeln, damit wenigstens diese Dinge so schnell wie möglich zum Zuge kommen. Was nämlich sonst noch im Verkehrsgesetz geplant ist, ist eine sehr, sehr umstrittene Angelegenheit. Ich glaube, daß von den Betroffenen darüber ja auch bei Ihnen schon zum großen Teil Vorstellungen erhoben worden sind.
Damit komme ich zu der sehr entscheidenden Frage, inwieweit der deutsche Werkverkehr eingeschränkt werden soll oder muß. Sie wissen, daß aus einer alten Gesetzgebung heraus bis zum Güterkraftverkehrsgesetz der gewerbliche Verkehr kontingentiert und konzessioniert ist. Als ich das Güterkraftverkehrsgesetz nach zweijährigen, schmerzlichen Vorarbeiten von dieser Stelle aus vertreten konnte, wies ich mit aller Deutlichkeit auf folgendes hin: Sollte es mit diesem Güterkraftverkehrsgesetz, das sich vornehmlich mit der Regelung des gewerblichen Verkehrs befaßt, nicht gelingen, die Ordnung zu schaffen und das Spannungsverhältnis zwischen den Verkehrsträgern zu
vermindern, so werden wir eines Tages allerdings vor die sehr schwerwiegende Frage gestellt, was nun mit dem Werkverkehr geschehen soll. Ich weiß, daß der Werkverkehr in der ganzen Welt seine Freiheit erkämpft und erhalten will. Die Dinge gehen bis zur internationalen Handelkammer in Paris und von dort bis zur UNO in New York, wo die Grundsätze festgelegt werden. Alles kann geschehen in den nationalen Räumen mit der Ordnung der Verkehrsträger, aber der Werkverkehr darf unter gar keinen Umständen angefaßt werden. Nun ist es so, meine Damen und Herren: er ist angefaßt; der unechte Werkverkehr ist verboten, und der unechte Werkverkehr ist ja in erster Linie der, der den bestehenden Verkehrsträgern, den staatlichen und den privaten, die allergrößten Sorgen bereitet. Nun ist man zu der Auffassung gekommen, man sollte den Werkverkehr in einem noch viel stärkeren Maße einschränken, d. h. ihm generell gewisse Massentransporte auf der Straße verbieten, und auf der andern Seite so weit gehen, daß er seine Endfabrikate nicht mehr bis zum letzten Bezieher fahren darf.
Dabei taucht die Frage auf, Herr Bundesverkehrsminister: wie ist es, wenn umgekehrt der letzte Bezieher die Dinge mit Werkfahrzeugen abholt? Ich glaube, die Frage ist noch ungeklärt. De müßte das Gesetz noch etwas anders formuliert werden. Aber ich wollte dem Hohen Hause nur zeigen, wie weitgehend nunmehr die Einschränkungen gegenüber dem Werkverkehr sein sollen. Ich habe etwas Zweifel, ob es möglich ist, es in dieser konsequenten und konkreten Form durchzuführen. Sie kennen ja die Widerstände im Hause des Bundeswirtschaftsministers, der eine vollkommen andere Auffassung von diesen Dingen hat.
Aber wie ist es denn überhaupt zu dieser Ausweitung des Werkverkehrs gekommen? Können wir nicht von dort ausgehend zu einer Regelung gelangen, ohne daß der Staat allzu stark in diese Dinge eingreift? Zunächst war es doch einmal die verkehrte Steuerpolitik; denn wenn man 500/o abschreiben konnte, dann war ja gar nicht mehr in den großen Fabrikationsbetrieben die Frage vordergründig: brauche ich den Werkverkehr betriebsmäßig zur Fortschaffung meiner Waren, zur Heranholung meiner Rohstoffe?, sondern die primäre Überlegung war: eine wunderbare Gelegenheit, auf diese Weise 50% von dem Wert dieses Lastwagens abzubuchen! Es kommt ein weiteres hinzu — man muß die Dinge durch eine gewisse Erfahrung im einzelnen kennen —: Nach dem Kriege ist bei Transportleitern und bei Transportabteilungen in großen Werken ein seltsamer Ehrgeiz entstanden, sich einen eigenen Verkehrsapparat anzuzüchten. Ich bin dankbar, und wir sollten es alle sein, für eine Denkschrift, die der Bundesverband der deutschen Industrie vor Monaten herausgegeben hat, in der er seinen Werken klarmacht: rechnet doch einmal nach, was euch diese Geschichte einbringt bzw. besser gesagt, was sie euch kostet! Da würde mancher Fabrikdirektor, mancher Leiter einer großen Handelsfirma zu ganz anderen Ergebnissen kommen, und er würde seinen künstlich hochgezüchteten Werkverkehrsapparat abbauen, um sich der natürlichen Verkehrsträger, nämlich der Bundesbahn, der Binnenschiffahrt und des gewerblichen Verkehrs, zu bedienen. Das müßte die Folge sein, wozu allerdings eine weitere Voraussetzung gehört, nämlich eine erhöhte gemeinsame Leistung dieser beiden Verkehrsträger überhaupt.
Damit kommt man zu der entscheidenden Frage der Verkehrsordnung und der Verkehrsteilung überhaupt. Das neue Gesetz der Bundesregierung geht aus von einer Teilung der Güter. Ich persönlich bin seit Jahren immer der Meinung gewesen und habe das auch von dieser Stelle hier vertreten, daß bei einer Verkehrsteilung ebensosehr die Teilung nach Strecken, nach Gebieten von Bedeutung ist.
Es wurde ja auch heute morgen schon zum Ausdruck gebracht: der Straßenverkehr gehört eigentlich in erster Linie in den Flächenverkehr als Zubringer, als Abholer der Schienenverkehre. Man kann es nicht verallgemeinern; denn die Bedeutung des Straßenverkehrs, des gewerblichen Verkehrs, beispielsweise auch bei gewissen Massengütern usw., ist ja sehr davon abhängig, wie jeweils die Anforderungen der Wirtschaft sind.
Darf ich einige wenige Beispiele dafür geben. Wenn Fisch- und Zitrusdampfer in den Häfen von Bremen, Hamburg oder Lübeck und in anderen Häfen ankommen, dann spielt eben die Zeit di entscheidende Rolle und nicht so sehr die Frachthöhe. Die Zeit ist allerdings dann auch entscheidend, Genau umgekehrt kann man x Beispiele leider dafür anführen, daß in dem großen deutschen Exportgeschäft Akkreditive verfallen, Dampferanschlüsse erreicht werden müssen und daß man sich die Zeiten exakt, auf Stunden genau, ausrechnen muß und dann vor der Wahl steht: will ich beispielsweise — und dies ist ein echtes Beispiel! — in 24 Stunden von Reutlingen an den Dampfer Soundso in Hamburg kommen, oder kann ich mich damit begnügen, die Bundesbahn in diesem Fall zu benutzen, die 39 Stunden fährt? —, und dann erreiche ich eben diesen Dampfer nicht mehr. Ich wollte an diesem Beispiel nur einmal zeigen, daß die Dinge eben nicht so generell und so allgemein sind, wie sie manchmal von laienhafter Seite angesehen werden.
Nun sprach ich ja von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Verkehrsträger. Der Herr Bundesverkehrsminister sagte hier heute morgen: Wo Begriffe fehlen, da stellt sich zur rechten Zeit ein Fremdwort ein. Das Wort „Koordinierung" hat er, glaube ich, nicht erfunden, wohl aber, wenn ich recht unterrichtet bin, das Wort „Harmonisierung". Das ist ja wohl auch ein Fremdwort, das der Herr Bundesverkehrsminister gebraucht hat. Aber diese „Harmonisierung" ist nun einmal in den letzten vier Jahren ausgeblieben, und es hätte dazu vielleicht nur einer einzigen Initiative der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministeriums bedurft: nämlich die beiden Verkehrsträger Schiene und Straße so lange zusammenzuzwingen, bis sie zu einer echten Verkehrsaufteilung — gütermäßig unter Umständen, vor allen Dingen aber flächenmäßig — gekommen wären.
Diese Sache hat also bedauerlicherweise nicht stattgefunden, und wir von den Freien Demokraten wollen nur hoffen, daß nun aber auch alle Anstrengungen gemacht werden. Selbst wenn der eine oder andere Verkehrsträger sich weigern sollte, an solchen Verhandlungen teilzunehmen, muß er an einen Tisch gezwungen werden. Ich glaube, wenn so verfahren wird, bestehen eine ganze Menge guter Aussichten, um zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit beider Verkehrsträger zu kommen und damit wieder den unnatürlich aufgebauschten Werkverkehr mit den übrigen Maßnahmen abzubauen.
Meine Damen und Herren, heute morgen ist hier auch von der „Selbstkostenorientierung" der Verkehrsträger gesprochen worden. Ich glaube, das ist ein etwas trauriges und unrühmliches Kapitel im Hause des Bundesverkehrsministeriums. Soviel ich weiß, arbeitet seit ungefähr drei Jahren ein Ausschuß an der Ermittlung der Selbstkosten. Auch der Herr Bundesverkehrsminister wird sich einer gemeinsamen Tagung erinnern, bei der ich sagte: Herr Minister, hoffentlich kommt es nicht eines Tages so weit, daß wir die Selbstkosten des Selbstkostenausschusses ermitteln müssen. — Ich fürchte, daß es leider jetzt so weit gekommen ist. Man spricht von einer Viertelmillion. Man spricht davon, daß nunmehr die Waren-Treuhand- und Revisionsgesellschaft — die sicherlich nicht sehr billig ist; ich weiß nicht, ob ich richtig unterrichtet bin — diese Aufgabe nun für eine halbe Million vollenden soll. Aber wir haben große Hoffnung, daß es vielleicht endlich einmal wenigstens im Zeitraum eines Jahres möglich sein wird, wirklich die Selbstkosten der einzelnen Verkehrsträger zu ermitteln, worauf j a, Herr Bundesverkehrsminister, zusammen mit einer zügigen Statistik überhaupt erst eine echte Verkehrspolitik des Bundes richtig aufgebaut werden kann.
Ich habe heute morgen in der Zeitung Vorschläge des Verkehrsausschusses der CDU gelesen. Ich muß sagen, ich war doch etwas erschüttert. Ich meine, sehr viel Neues war es nicht. Es gibt ja auch nicht allzuviel Neues auf dem Gebiet des Verkehrs; es sind allmählich schon Grunderkenntnisse. Wenn man die vielen Denkschriften liest, stellt man fest, daß dann plötzlich ganz neue Weisheiten verzapft werden, aber sie sind uralt, beispielsweise daß man sagt: „Nicht Schiene oder Straße, sondern Schiene u n d Straße!" Ich glaube, das haben wir schon vor einigen Jahren gehört. Ich habe dieses Wort immer sehr gern benutzt, und das wird also nun plötzlich als sehr neue Weisheit herausgestellt.
Aber dann heißt es, man wolle den Straßenverkehr insgesamt einer Ausgleichsabgabe unterziehen, ohne dabei zu sagen, ob nun vielleicht — —
— Ja, dann hat die Presse wieder verkehrt berichtet, oder die Herren in der Pressekonferenz haben sich nicht deutlich genug ausgedrückt — das kommt natürlich auch vor —, oder es waren verschiedene Meinungen da; das kann ja auch sein.
Meine Damen und Herren, was soll nun eigentlich geschehen? Hier wurde von allen Rednern einschließlich meines Kollegen Rümmele gesagt, alle Maßnahmen, die getroffen werden, müßten dort ihre Grenze finden, wo sie die Gefahr hervorriefen, die Existenz eines Betriebes zu vernichten. Wenn Sie aber jetzt aufzählen: Kfz-Steuer, neue Mineralölsteuer, dann Sperrung der Massengüter, und wenn dann noch Ihre Ausgleichsabgabe hinzukommt, meine Herren von der CDU, — ich fürchte, dann ist es allerdings mit einem privaten Verkehr auf der Straße endgültig zu Ende.
Dann taucht auch wieder der alte Wunsch auf, einen Reichskraftwagenbetriebsverband zu gründen. Das war bekanntlich eine nationalsozialistische Zwangsorganisation seligen Angedenkens.
Ich habe nun für eines kein Verständnis: Durch die unglückliche Gesetzgebung im Grundgesetz sind wir erst vor einem Jahr zum Güterkraftver-
kehrsgesetz gekommen. Die Bundesanstalt als der Kern des Güterkraftverkehrsgesetzes arbeitet erst seit einigen Monaten. Das ist nicht die Schuld der Bundesanstalt; das ist eben leider die Folge der langen Behandlung im Bundesrat und im Bundestag. Ehe nun noch diese Bundesanstalt, zu der ich das größte Vertrauen habe, insbesondere auch zu ihrem Leiter, richtig an die Arbeit gehen kann, um die Ordnung auf der Straße, die Einheit der Tarife, die Verhinderung des unechten Werkverkehrs sicherzustellen, soll schon wieder etwas ganz Neues kommen, und zwar in Form einer Zwangsorganisation, die von der Freien Demokratischen Partei auf jeden Fall mit aller Energie abgelehnt werden würde.
Wenn man die Fragen des Verkehrs und der Verkehrsordnung behandelt, kann man selbstverständlich nicht an dem zweitgrößten Verkehrsträger, der deutschen Binnenschiffahrt, vorbeigehen. Das Schwergewicht liegt hier auf dem Rhein. Die Binnenschiffahrt führt in ihrer letzten Denkschrift meines Erachtens nicht ganz zu Unrecht an, daß im Vergleich zur Deutschen Bundesbahn auch sie politische Lasten zu tragen hat, nämlich z. B. in der Form, daß 20% der Flotte von Elbe und Oder zum Rhein herübergekommen sind und hier nun natürlich die Situation der eingesessenen Rheinschiffahrt außerordentlich erschweren. Wir haben ein Binnenschiffahrtsgesetz geschaffen. Wir haben dort durch einen besonderen Paragraphen einen vernünftigen Ausgleich gefunden, so daß die Bundesbahn zu der Tarifgestaltung der Binnenschifffahrt jederzeit gehört wird. Wenn jetzt seitens der Bundesbahn gefordert wird, die Zu- und Ablauftarife aufzuheben bzw. zu erhöhen, dann habe ich doch im Interesse der deutschen Binnenschiffahrt erhebliche Bedenken. Denn dieser Verkehrsträger steht ja unter der Überschrift „Freiheit der Flüsse" gleichzeitig in einem starken Wettbewerb mit der holländischen, der belgischen, der französischen und der schweizerischen Binnenschiffahrt. Ich möchte also warnen und möchte bitten, an diese Dinge mit aller Vorsicht heranzugehen. Ich glaube auch, daß die Behauptung der Binnenschiffahrt nicht unrichtig ist, wenn sie sagt, daß ihr Kostenanteil am Wasserweg — wie Sie wissen, spielt der Oberbau bei allen Verkehrsträgern immer eine große Rolle — bereits 40% betrage und daß schließlich und letzten Endes die Flüsse und Kanäle auch noch für die Wasserversorgung der Industrie, der Städte und für die Energie daseien. Alle diese Dinge müssen eingehend untersucht werden.
Wir haben uns in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Haushaltsdebatten hier auch über die Frage unterhalten, wieweit die Wasserstraßen in Deutschland überhaupt noch entwickelt und ausgebaut werden sollen. Es kann keinen Streit darüber geben, daß die vorhandenen Wasserstraßen erhalten und den modernen Erfordernissen entsprechend angepaßt werden müssen. Aber ich möchte doch an dieser Stelle nochmals warnend meine Stimme gegen neue Kanal- und Flußschifffahrtsprojekte erheben.
Ich will hier heute nicht polemisieren wegen des Neckarkanals, ich will auch nicht polemisieren wegen des Rhein-Main-Donau-Kanals. Niemand weiß, wie sich die politischen Verhältnisse entwickeln. Aber ich glaube, mit aller Deutlichkeit sollten wir hier sagen, daß wir in Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesbahn von der Bundesregierung erwarten, daß man sich absolut querlegt gegen eine Moselkanalisierung und ähnliche Projekte, die eventuell noch auftauchen sollten.
Abschließend darf ich dann zu den einzelnen Anträgen kommen. Ich glaube, das meiste ist bereits in meinen Ausführungen enthalten gewesen. Auch ich begrüße den Antrag der SDP — Drucksache 181 — zum Personenbeförderungsgesetz. Dieses ist ja das große Grundgesetz des Verkehrs, das leider — auch ich bedaure das außerordentlich — hängengeblieben ist, nicht durch die Schuld des Bundesverkehrsministeriums, sondern weil sich die Ressorts innerhalb der Bundesregierung nicht einig werden konnten. Was vom Personenbeförderungsgesetz abhängt, darf ich an folgender Tatsache illustrieren: hier fährt die Bundesbahn auf der Schiene, daneben hat sie ihren eigenen Omnibusverkehr, dann kommt die Post, und dann kommt der private und eventuell noch der kommunale Verkehr. Alles dies muß einmal gründlich geklärt und geordnet werden.
Es ist auch höchst bedauerlich — das muß an dieser Stelle ebenfalls mit Deutlichkeit gesagt werden —, daß es in vier Jahren nicht möglich gewesen ist, die Interessen der beiden größten staatlichen Verkehrsträger, der Bahn und der Post, gegeneinander abzugleichen. Es sind zwar unzählige Schriftsätze gewechselt worden, aber es ist in keinem Falle zu irgendwelchen konkreten Maßnahmen gekommen. Ich glaube, das geht noch viel weiter als in der Koordinierung, Abgleichung und Ordnung der nebeneinander laufenden Verkehre. Wenn man sich die Dinge bei diesen beiden großen staatlichen Verkehrsträgern einmal richtig ansieht, dann kommt man zu dem Schluß, daß es noch manche Rationalisierungsmaßnahme geben mag, in kleinen Orten z. B. durch Zusammenlegen der Güterabfertigung mit einer Postabfertigungsstelle usw. Mit diesem Thema möge man sich wirklich einmal ernstlich befassen, und vor allen Dingen möge man diesem Hause so schnell wie möglich das Personenbeförderungsgesetz vorlegen. Denn was sich da in der gegenseitigen Konkurrenzierung abspielt, meine Damen und Herren, spottet überhaupt jeder Beschreibung.
In der Drucksache 183 fordert die SPD-Fraktion die Vorlage einer Reihe von Gutachten. Ich habe hier — ich bitte, mir das nicht übelzunehmen, meine Herren von der SPD — das Wort „Klamotten" mit Fragezeichen dabeigeschrieben. Ich meine, wir sind inzwischen so flügge und so souverän geworden, daß wir uns nicht mehr an die ausländischen Gutachten hängen sollten. Wir haben soviel Erkenntnis von den Dingen gewonnen, daß wir dazu selbst genügend Grundlagen schaffen können.
- Es sind natürlich auch deutsche dabei, z. B. die Denkschrift der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn: „Warum Bundesbahnkrise?" Mit dieser Denkschrift ging es genau so wie mit der kleinen blauen, die heute schon vorgezeigt wurde: sie kam heraus; niemand wußte etwas davon, nicht einmal diejenigen, die eigentlich etwas davon wissen sollten, nämlich die Aufsichtsorgane der Deutschen Bundesbahn. Bedenken Sie, meine Damen und
Herren: Wenn ich mich recht erinnere, steht entweder in dem Gutachten von Homberger und Cottier oder in dem Gutachten von Coverdale und Colpitts die geniale Empfehlung, die Deutsche Bundesbahn möge zur Einsparung von Personal sämtliche Schranken an den Bahnübergängen aufheben. Das ist nur ein Beispiel, um Ihnen zu sagen, daß es eben Dinge gibt, die hier nicht anwendbar sind, und daß wir unsere eigenen Gesetze hier in der deutschen Bundesrepublik haben. Meine Damen und Herren: Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen, — das war alles in den Forderungen enthalten, ist auch in dem Gesetz enthalten, das wir jetzt zu erwarten haben.
Nun noch ein Wort zur Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn- und Feiertagen. Meine Damen und Herren, ich habe die Antragsteller durchaus verstanden. Ich hoffe nur, daß sie alle in erster Linie den Gedanken gehabt haben: Du sollst den Feiertag heiligen! Aber die Wirtschaft hat ja nun mal andere Gesetze, und es wird immer Berufsgruppen und Wirtschaftsgruppen geben, die von solchen Segnungen ausgenommen sind. Ich brauche das nicht weiter zu erklären. Dazu gehören Unterhaltungsstätten, Vergnügungsstätten, Restaurationen, Theater usw. usw. In gewissem Sinne, wahrscheinlich sogar in stärkstem Maße bezieht bezieht sich das auch auf den Verkehr. Ich glaube nicht, daß sich meine Fraktion zur Unterstützung dieses Antrages bereit finden kann. Ich möchte die Dinge aber hier nicht weiter vertiefen. Wir wollen uns darüber sehr offen und aufgeschlossen im Ausschuß unterhalten.
Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich auf etwas hinweisen, was heute morgen zum Ausdruck gekommen ist. Auch für mich — und so sollte es für alle sein — ist der Verkehr ein Ganzes. Wir brauchen die Schiene, die Straße, die Binnenschiffahrt, die Seeschiffahrt, und wir brauchen die deutsche Luftfahrt, die wir durch Initiative der Bundesregierung hoffentlich auch bald bekommen. Der Verkehr hat seine besonderen Gesetze. Wir müssen eine Verkehrsordnung schaffen und sind dabei in der außerordentlich schwierigen Situation, eine Sache zu vertreten, die eigentlich nicht nur den Grundsätzen der Bundesregierung, sondern auch den Grundsätzen der Opposition widerspricht: wo immer es nur geht, in der deutschen Wirtschaft den freien Wettbewerb zu erhalten. Meine Damen und Herren, die Liberalisierung des Verkehrs wäre das Ende der Deutschen Bundesbahn. Darüber muß man sich vollkommen klar sein. Ob man der Bundesbahn und damit auch anderen Verkehrsträgern etwas mehr Beweglichkeit in der endgültigen Tarifgestaltung gibt, ist eine Sache, die einer eingehenden Überlegung bedarf. Es gibt kein Land der Erde, in dem der Verkehr liberalisiert ist, nicht einmal in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in denen sich ja bekanntlich die Bahnen im Privatbesitz befinden. Jeder Tarif der Bahn in den Vereinigten Staaten von Amerika muß von der Interstate Commerce Commission genehmigt werden und wird von dieser eben wegen der entgegengesetzten Interessen der verschiedenen Verkehrsträger in schärfster Weise überwacht.
Eine weitere Eigenart des Verkehrs, die seine Liberalisierung nicht zuläßt, ist die Notwendigkeit, immer einen Überhang von Transportraum durchzuschleppen, wenn er überhaupt in der Lage sein soll, den saisonalen Anforderungen des ganzen
Jahres zu genügen. Es genügt, auf den Herbstverkehr zu verweisen. Und wo wären wir jetzt im Winter, der die Binnenschiffahrt völlig lahmgelegt hat, wenn nun kein Transportüberhang bei der Deutschen Bundesbahn und im Straßenverkehr vorhanden wäre! Die Folgen wären gar nicht auszudenken.
Wenn ich für die Notwendigkeit der Erhaltung des gesamten Verkehrs spreche, dann bewegen mich außer der Sorge um den Verkehr und die Interessen der Verkehrsträger noch größere, politische Gesichtspunkte, die ich hier einmal anschneiden möchte. Man müßte einmal den Herrn Wohnungsbauminister fragen, welche Auswirkung die Verkehrsteilung, die Beseitigung der Massentransporte von der Straße, auf den Quadratmeterpreis im sozialen Wohnungsbau hätte, wenn die Möglichkeiten der Haus-Haus-Beförderung auch des Baumaterials nicht mehr beständen. Ich will keine Antwort geben. Ich meine nur, wir haben die Pflicht, die Sache sehr eingehend zu untersuchen.
Ich darf schließlich darauf hinweisen, daß auch die Frage der Verteidigung bei der Überlegung, wieweit wir einen Verkehrsapparat einschränken, ob wir ihn auf dem einen oder anderen Gebiete drosseln, eine entscheidende Rolle spielen kann. Diesen Hinweis möchte ich an das Haus Blank richten.
Aber noch mehr bewegen mich, meine Damen und Herren — und alle Kenner der Verhältnisse in Mittel- und Ostdeutschland werden mir recht geben —, die großen wirtschaftlichen Aufgaben, die an uns herantreten, wenn — und wir alle hoffen es doch — die Wiedervereinigung eines Tages Wirklichkeit wird. Wenn wir dann keinen potenten Verkehrsapparat auf allen Gebieten vorhalten können, werden wir auch dort dieser Dinge nicht Herr.
So darf ich insgesamt noch einmal feststellen: Verkehrsordnung, sinnvolle Verkehrsordnung: ja. Kein wilder Preiswettbewerb, aber Erhaltung eines Leistungswettbewerbs. Diese Erhaltung eines Leistungswettbewerbs ist nur gewährleistet, wenn wir alle Verkehrsträger am Leben belassen. Die Freie Demokratische Partei wird sich jedenfalls mit allem Nachdruck dagegen wehren, daß die Entwicklung im deutschen Verkehr unter Umständen zu einem Monopol führt. Denn dann könnte der Verkehr nicht mehr das sein, was er — in Anerkennung seiner Leistung — stets sein will: ein Diener der deutschen Wirtschaft.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ist hier der Versuchsballon gestiegen, ob man nicht die heutige Debatte um einige Wochen oder Monate vertagen könne. Wir waren der Meinung, daß die Öffentlichkeit und die Wirtschaft, die mit Recht über die gegenwärtigen Mißstände beunruhigt sind, einen Anspruch darauf haben, die Auffassung des Parlaments kennenzulernen, und mir scheint, daß der bisherige Verlauf der Debatte uns durchaus recht gegeben hat.
Es ist doch wohl so, daß alle bisherigen Redner in weiten materiellen Bereichen einig waren. Fast alle Vorredner waren sich auch darin einig, daß sie mit der seitherigen Verkehrspolitik nicht ein-
verstanden sind. Ich halte es für notwendig, daß das Parlament rechtzeitig zu diesen Dingen Stellung nimmt, wenn auch die Vorlagen, wie Herr Kollege Rademacher gesagt hat, einstweilen nur an der Milchbar erhältlich sind. Herr Kollege Rademacher, ich habe sie auch nicht an der Milchbar gekauft, mir war ,das einstweilen auch noch zu teuer. Aber es steht ja auch in den Zeitungen, und auch Herr Bundesminister Seebohm hat hier einige Andeutungen über diese Gesetze gemacht.
Nun hat Herr Kollege Müller-Hermann in der Begründung der CDU/CSU-Interpellation gesagt, man könne nicht das Bundesverkehrsministerium allein für die Verkehrspolitik verantwortlich machen. Darin ist ihm sicher recht zu geben. Das ganze Bundeskabinett trägt die Verantwortung für die Verkehrspolitik. Denn Verkehrspolitik wird auch im Finanzministerium gemacht, auch im Wirtschaftministerium. Sicher hat auch der alte Bundestag, Herr Kollege Müller-Hermann, seine Verantwortung für das gegenwärtige Desaster in der Verkehrswirtschaft. Aber wir müssen es ablehnen, von Ihnen mit einem Teil dieser Verantwortung belastet zu werden.
Sie haben mit Hilfe Ihrer Mehrheit im alten Bundestag eine Reihe sehr wesentlicher Anträge, die wir zu diesem Problem gestellt hatten, nicht zum Zuge kommen lassen. Das hat mein Kollege Dr. Bleiß schon dargetan. Wir können daher mit gutem Recht eine Mitverantwortung dafür ablehnen, daß sich nun seit vier Jahren die Probleme angesammelt und zusammengeschoben haben zu dem Gesamtkomplex, vor dem wir heute stehen.
Ich kann auch dem sehr geschätzten Herrn Kollegen Rademacher nicht ganz beipflichten, wenn er sich hier so etwas von der Mitverantwortlichkeit freisprechen wollte; denn immerhin ist er in den vergangenen vier Jahren der Vorsitzende des Verkehrsausschusses gewesen.
Andererseits bin ich allerdings Herrn Rademacher außerordentlich dankbar, daß er eine Reihe unserer Anträge so liebenswürdig und sachkundig unterstützt hat, wobei ich allerdings gleich hinzufügen möchte, daß ich den Ausdruck „alte Klamotten" für die Gutachten, die wir hier auf dem Tisch des Hauses haben wollen, nicht für unbedingt zweckmäßig halte. Gewiß, diese Gutachten stammen von Ausländern, wie Herr Kollege Rademacher gesagt hat. Aber er selber hat ja später, an anderer Stelle, durchaus das Ausland als Vorbild anerkannt, nämlich als er von der Interstate Commerce Commission in den Vereinigten Staaten sprach. Aber es ist ja egal, wer die Gutachten erstellt hat. Wichtig ist, daß in diesen Gutachten, die zum Teil seit vier Jahren hier vorliegen, Dinge stehen, die, wenn sie rechtzeitig bekanntgeworden und befolgt worden wären, verhütet hätten, daß es zu dem heutigen Debakel kam.
Es scheint uns notwendig, diese Gutachten auch deswegen einmal herauszuholen, damit die Verantwortlichkeit klargestellt wird, wer und weshalb man die Vorschläge, die dort niedergelegt worden sind, nicht befolgt hat.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat in seiner Beantwortung unserer Großen Anfrage zum Schluß
eine Art Erfolgsbilanz angehängt. Die politische Fairneß verlangt, daß man die Wiederaufbauleistungen bei der deutschen Seeschiffahrt und den Anfang des Wiederauferstehens der deutschen Zivilluftfahrt anerkennt. Aber, Herr Bundesminister Dr. Seebohm, es handelt sich im Augenblick gar nicht um diese Dinge. Uns interessiert in diesem Augenblick die Passivseite Ihrer Bilanz. Zu den Aktivposten, die Sie vorgetragen haben — den Leistungen des Personals der Deutschen Bundesbahn, den Wiederaufbauleistungen auf Schiene und Straße und all den durchaus zu Recht als Aktivposten vorgebrachten Tatsachen — sind doch sehr gewichtige massive Wertberichtigungen auf der Passivseite anzubringen.
Wir haben zunächst die Frage gestellt: Welche Maßnahmen — und mit welchem Erfolg — hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um der Eisenbahn zu helfen? Sie haben sehr ausführlich und sehr detailliert eine Reihe von Maßnahmen dargelegt. Sie haben dargelegt, das Bundeskabinett habe im Frühjahr des vorigen Jahres auf Ihren Antrag hin ein Programm für die Eisenbahn im Grundsatz gebilligt. Wir müssen aber doch insgesamt leider feststellen, daß alle diese vielen Einzelheiten, die Sie uns über die bisher ergriffenen Maßnahmen vorgetragen haben, hinsichtlich des Gesamteffektes eigentlich in dem einen Satz hätten zusammengefaßt werden können: Leider sind unsere Maßnahmen ohne wesentlichen Erfolg geblieben. Das wäre eine klare und den Tatsachen entsprechende Antwort gewesen. Denn was nützt uns ein Finanzprogramm — von dem im vorigen Frühjahr die Rede war —, wenn — nicht nur vorher, sondern auch seither — die monatlichen Verluste der Bahn ständig wachsen und wenn wir für das Jahr 1954 mit einem monatlichen Unterschuß von nunmehr 70 Millionen DM rechnen müssen.
Nun zu der Antwort auf unsere zweite Frage, die Frage nach den Vorschlägen, die die Bahn gemacht hat. Herr Bundesminister Seebohm, Sie haben erklärt, Sie hätten die Gesetzesvorlage — die wir alle noch nicht genauer kennen — bereits ausgearbeitet und fix und fertig gehabt, ehe die Bundesbahn ihre Vorschläge gemacht habe. Da kann man nur fragen: Haben Sie denn die Bundesbahn gar nicht um ihren Rat gefragt, als Sie Ihren Gesetzentwurf machten?
Mir scheinen überhaupt ganz eigenartige Verhältnisse im Zusammenspiel zwischen Bundesbahn und Bundesverkehrsministerium zu herrschen. Ich darf z. B. darauf aufmerksam machen, daß Sie seit dem 12. Mai vorigen Jahres im Besitz eines sehr umfangreichen Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Verkehrsministerium — den Sie selber ernannt haben — sind. Dieses Gutachten befaßt sich mit den verkehrspolitischen Voraussetzungen einer Tarifreform und mit dieser Tarifreform selber. Das Gutachten ist Ihnen im Mai erstattet worden. Im Juli vorigen Jahres sind die Verhandlungen gewesen, die auch der Herr Kollege Rademacher vorhin berührt hat, die Verhandlungen über die neuen Tarifmaßnahmen, die dann zum 1. August in Kraft getreten sind. Soweit mir bekanntgeworden ist — ich habe an diesen Verhandlungen ja selber teilnehmen können —, ist allen diesen Leuten, die die Tarifmaßnahmen damals beraten haben, ehe sie erlassen worden sind, das Gutachten, das schon drei Monate vorlag, überhaupt nicht in die Hand gegeben worden.
Auch die Bundesbahn selber — wenn ich einmal von der obersten Spitze absehe, das kann ich nicht beurteilen — hat in diesen Verhandlungen nicht über das Gutachten verfügt — das Sie drei Monate vorher hatten! -, das sich sehr ausführlich und sehr fundiert mit der komplexen Problematik der Verkehrspolitik und der Tarifpolitik auseinandersetzte. Mir scheint, die Frage ist gerechtfertigt: Welche Art von Zusammenarbeit herrscht da eigentlich?
Die Folge des Mangels an Zusammenarbeit ist nun die höchst unerfreuliche und unsachliche Auseinandersetzung, das höchst unerfreuliche Klima, das in der Verkehrswirtschaft herrscht. Es ist eine Auseinandersetzung, die in ihrer Intensität, ihrer Vitalität und in ihrer Tonart an die großen weltanschaulichen Kämpfe erinnert, die dieses Jahrhundert erschüttern. Wir haben in Deutschland geradezu eine „Eisenbahner-Weltanschauung", wir haben eine „Kraftverkehrswirtschafts-Ideologie", und der Kampf zwischen diesen vollzieht sich manchmal in denselben Formen wie der Kampf zwischen dem Kommunismus und der westlichen Lebensauffassung.
Daß diese extremen Zustände sich so entwickelt haben, ist, glaube ich, auch in gewisser Weise auf das Konto des Herrn Bundesverkehrsministers zu bringen. Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Rümmele völlig recht, der gesagt hat, wenn man schon in diesen Gesetzen für die Binnenschiffahrt, für die Bundesbahn, für den Güterkraftverkehr nur ganz bescheidene Ansätze zur Ordnung dieser Verkehrsträger untereinander hatte und wenn man schon in der eigenen Exekutive und Verwaltung diese bescheidenen Ansätze noch nicht einmal voll ausnutzte, dann war es doch mindestens notwendig, außerhalb der Gesetzgebung auf dem Wege der Vereinbarung, der Verhandlung, des Vertrags die einzelnen Partner einmal zusammenzubringen und in ein geordnetes System zu bringen. Diese Parole „Die Partner an einen Tisch!", die in der ganzen Zeit immer wiederholt worden ist, hätte eigentlich das Stichwort, Herr Minister Seebohm, für Sie sein müssen. Denn Sie waren doch der einzige legitimierte Einladende, der einzige legitimierte Initiator dieser Verhandlungen. Auf diesem Gebiet — ich kann Ihnen den Vorwurf abermals nicht ersparen — scheint uns ein ernster Versuch wirklich nicht gemacht worden zu sein.
Der Herr Minister Seebohm hat auf die Frage, die ja hier im Raum liegt, warum denn das alles so sein muß und warum wir denn zu dem gegenwärtigen Debakel gekommen sind, auf die Zonentrennung hingewiesen. Diese sei schuld; die bösen Alliierten, die Deutschland in zwei Teile geschnitten haben, seien schuld an der gegenwärtigen Verkehrskrise. Das ist doch von Ihnen gesagt worden. Ich glaube, so kann man nun wirklich nicht antworten, Herr Minister.
Sie haben weiter ausgeführt, wenn demnächst die Wiedervereinigung käme, würde die durchschnittliche Transportentfernung der Eisenbahn nicht mehr 203 km, sondern vielleicht 300 km sein; dadurch würden die Einnahmen steigen, und dann würde sich zeigen, daß die Bundesbahn wieder völlig gesund sei. Zunächst einmal darf ich einen kleinen Irrtum korrigieren. Früher, vor 1945, in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 hat die
Durchschnittsentfernung der Eisenbahn keineswegs
200 km betragen, sondern sie war sogar noch geringer als heute.
Das werden mir die Fachleute von der Eisenbahn bestätigen. Es mag sein, daß durch die besonderen Verhältnisse in der Sowjetzone nach der Wiedervereinigung zunächst eine Vergrößerung der durchschnittlichen Transportweite eintritt; keineswegs wird aber eine so große Steigerung eintreten. Insbesondere bringt das auch größere Kosten, Herr Minister Seebohm. Wenn ich 300 km weit fahre, muß ich eben auch die Kosten für 300 km aufbringen. Abschließend zu diesem Thema darf man vielleicht noch sagen, so wichtig und so dringend uns allen die Wiedervereinigung mit der Sowjetzone am Herzen liegt und sosehr wir hoffen, daß sie möglichst bald geschieht, sowenig kann die Verkehrspolitik sich darauf verlassen, daß einzig und allein durch dieses Ereignis die gegenwärtige Misere wieder in Ordnung kommt.
Welches sind die Gründe der gegenwärtigen Verkehrskrise? Oder nehmen wir dafür ein anderes Wort, wenngleich mir das nur ein Streit um Be- griffe zu sein scheint. Der Herr Minister Seebohm und auch der Herr Abgeordnete Rademacher haben sich ja gegen das Wort Verkehrskrise gewehrt. Ich bin gern bereit, mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Herr Minister Seebohm, statt dessen das Wort Krise der Verkehrspolitik zu setzen.
Welches sind nun eigentlich die Gründe für diese gegenwärtige Krise der Verkehrspolitik? Da muß man wohl erstens sagen: die Bundesverkehrspolitik hat nicht die notwendige Zivilcourage gegenüber den widerstreitenden Auffassungen dieser erratischen Interessenblöcke besessen, die wir auf diesem Gebiet in Deutschland haben. Zweitens hat sie vor allem selber — und das ist noch wichtiger — viel zu spät erkannt, daß wir in diese Krise hineingewurstelt sind. Drittens — nachdem das nun glücklich erkannt wurde — liegt offenbar bis heute noch kein ökonomisches Konzept dafür vor, wie man dann mit der Sache fertig werden will.
— Wir sind hier in Bonn, wir reden von der Bonner Verkehrspolitik, Herr Kollege Schmidt-Wittmack. Diese Ablenkungsversuche, wie manche Ablenkungsversuche vorhin, sollten uns von dem eigentlichen Thema, das hier — Hic Rhodus, hic salta! -- zu behandeln ist, nicht abbringen.
Ich darf meine Behauptung von der jahrelangen Konzeptionslosigkeit des Bundesverkehrsministeriums mit ein paar kleinen Randvignetten illustrieren. Ich darf z. B. darauf aufmerksam machen, daß das Bundesverkehrsministerium genau wie andere Ministerien in Fachabteilungen gegliedert ist: Straßenbau, Straßenverkehr, Binnenschiffahrt, Seeschiffahrt, Luftfahrt, Eisenbahn usw. Diese Fachabteilungen sind bestimmt nicht schlechter als die Fachabteilungen anderer Ministerien. Aber neben diesen Fachabteilungen gab es eine allgemeine Verwaltungsabteilung, die bis zum 1. Januar 1953 auch die Verkehrspolitik machte, nämlich das, was oberhalb dieser Fachabteilungen im zusammenfassenden Blick geschehen mußte. Erst vor einem Jahr hat man sich dort entschlossen, an die Stelle des armen Referenten, eines Ministerialrats, der die schwierige Aufgabe der Verkehrskoordination in Deutschland hatte, nunmehr eine verkehrspoliti-
sche Abteilung mit einem Ministerialdirigenten und soundso viel Referenten zu setzen. Ich glaube daraus schließen zu dürfen, daß man sich erst vor Jahresfrist darüber klargeworden ist, daß die eigentliche Verkehrspolitik nicht lediglich in der Finanzierung von Straßen- oder Kanalbauten oder in der technischen Planung von Kanalbauten und nicht nur darin liegt, die Straßenverkehrsordnung alle Jahre einmal zu ändern, sondern daß das wesentliche Problem eben in der zusammenfassenden Ordnung aller Verkehrsträger liegt.
Und eine andere kleine Randvignette! Da hat mir Herr Kollege Rademacher leider etwas vorweggenommen. Herr Minister Seebohm, Sie haben das von meinem Kollegen Dr. Bleiß benutzte Wort der Koordination leise mißbilligt und haben davon gesprochen, daß, wenn man die Argumente nicht hat, man die Fremdworte bemüht. Herr Abgeordneter Rademacher hat Sie schon darauf hingewiesen, daß Sie selber im vergangenen Jahr ständig den etwas verniedlichenden, übrigens aus der Schumanplan-Terminologie übernommenen Ausdruck „Harmonisierung" gebraucht haben, so ungefähr nach dem Motto einer großen norddeutschen Zeitung: Seid nett zueinander! Schleifen wir doch die Kanten ab, harmonisieren wir doch das Ganze ein bißchen!
An dieser Stelle muß ich auch auf die Ausführungen von Herrn Müller-Hermann eingehen, der sich ausführlich mit der klar und zielstrebig durchgeführten Konzeption des Herrn Bundeswirtschaftsministers beschäftigt hat. Mir scheint, das war auch ein Ablenkungsmanöver. Aber vielleicht können wir diesem Beispiel eins entnehmen: genau so, wie auf Grund seiner Konzeption der Herr Bundeswirtschaftsminister vor dem harten und haarigen ordnungspolitischen Problem der Kartellfrage steht, genau so, Herr Minister Seebohm, stehen Sie nicht vor der Frage der Harmonisierung, sondern vor der genau so harten und haarigen ordnungspolitischen Frage der gemeinwirtschaftlichen Ordnung im Verkehr. Aber der Streit um die Begriffe, wie man das nennt, scheint mir ziemlich unerheblich zu sein. Wenn man schon hier aus dem Schumanplan das Wort Harmonisierung übernimmt, darf ich bei der Gelegenheit die Bitte äußern, daß wir gelegentlich einmal etwas über die außerordentlichen Probleme zu hören bekommen, die dem deutschen Verkehrswesen aus dem Schumanplan bereits erwachsen sind und in Zukunft noch erwachsen werden.
Ich darf aber noch ein letztes kleines Schlaglicht auf die Konzeptionslangsamkeit im Verkehrsministerium werfen. Ich sprach bereits von dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats, das uns vor wenigen Tagen in die Postfächer gelegt worden ist. Dieses Gutachten ist am 12. Mai vorigen Jahres erstattet worden. Ich will mich nicht länger über das eigenartige Wunder auslassen, daß ausgerechnet in einem Zeitpunkt, wo die Sozialdemokraten einen Antrag stellen, daß dieses Gutachten vorgelegt werde, das Gutachten sich in unseren Postkästen einfindet, nach drei Vierteljahren.
Aber lassen wir das beiseite. Ich will nur davon sprechen, daß der Auftrag, den das Bundesverkehrsministerium seinem Wissenschaftlichen Beirat gegeben hat — dieser Auftrag datiert vom Frühjahr 1951 —, lautete, Vorschläge für eine Reform des deutschen Eisenbahngütertarifs vorzulegen.
Und zwei Jahre später, im Mai vorigen Jahres, als das Gutachten abgeliefert wird, belehrt der Wissenschaftliche Beirat das Bundesverkehrsministerium darüber, daß man überhaupt keine Vorschläge für die Reform des Eisenbahngütertarifs machen könne, wenn man nicht zuvor die verkehrspolitischen Voraussetzungen geklärt habe, unter denen diese Tarifreform stattfinden solle. Dann sind allerdings die Ausführungen des Gutachtens über die verkehrspolitischen Voraussetzungen genau so lang wie die Ausführungen zu dem vom Verkehrsministerium gestellten Teilthema Tarifpolitik. Nun hat Herr Bundesverkehrsminister Seebohm heute selbst ausgeführt, daß man in der gegenwärtigen Situation mit tarifpolitischen Mitteln allein nicht mehr auskäme, und in dieser Erkenntnis wird er sicherlich von allen gestützt werden, die hier anwesend sind. Es geht eben nicht an, daß man einen schwerkranken Mann, nämlich den deutschen Verkehr, einfach nur in das Streckbett der Tarife packt und glaubt, er wird davon gesunden, sondern man muß dann auch noch ein wenig Therapie an diesem Kranken treiben, und ehe man eine Therapie treibt, muß man eine Diagnose stellen. Nun, das Bundesverkehrsministerium scheint in den letzten Monaten bereit, zu einer gründlichen Diagnose und zu einer neuen Therapie kommen zu wollen. Insofern scheint also aus dem Saulus ein Paulus geworden zu sein.
Vielleicht dürfen wir nun diese Betrachtung der bisherigen Verkehrspolitik, diese Erfolgsbilanz, mit einem Schlußstrich abschließen. Herr Präsident, ich darf wohl als Schlußstrich unter diese Erfolgsbilanz statt einer eigenen Meinung die Meinung einer völlig unverdächtigen, mit der Sozialdemokratie in keinerlei Zusammenhang stehenden großen deutschen Wirtschaftszeitung zitieren. Ich meine das „Handelsblatt", das in seiner Nummer vom 8. Januar 1954 in einem Leitartikel diese Verkehrskrise behandelt hat. Nach der Frage in bezug auf die Verantwortlichkeit für dieses „unerträgliche Dilemma", wie es dort heißt, wird dann weiter ausgeführt — ich zitiere wörtlich --:
,.Wie dem auch sei, was wir erleben, ist jedenfalls ein klares Fiasko der bisherigen Verkehrspolitik."
Meine Damen und Herren, unsere Fraktion schließt sich in diesem Punkte durchaus den Ausführungen des „Handelsblatts" an.
Es bliebe vielleicht noch die Frage, ob man danach nicht so sehr von einer Erfolgsbilanz, als vielmehr von einer Liquidationsbilanz sprechen sollte.
Nun aber zu den Antworten, die uns zu den Fragen 3 und 4 gegeben worden sind. Ich darf die Frage 4 vorziehen, die darauf abzielte, ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Aufrechterhaltung der gemeinwirtschaftlichen Tarifgebarung und Verkehrsbedienung der Bundesbahn zu erhalten. Diese Antwort haben wir bekommen. Wir sind dafür sehr dankbar und stellen mit Befriedigung fest, daß sich in diesem Punkte offenbar alle Fraktionen des Hauses einig sind. Immerhin muß ich da doch eine kleine Besorgnis zum Ausdruck bringen. Ich habe nämlich in dem Vierjahresbericht, den Sie, Herr Minister Seebohm, vor einigen Monaten über die vergangenen vier Jahre deutscher Verkehrspolitik vorgelegt haben, gelesen, daß Sie an dem Prinzip der Gemeinwirtschaftlichkeit im wesentlichen festhalten wollen. Ich darf mir die Frage erlauben, was mit dieser Einschränkung
gemeint ist, denn die liegt ja doch darin. Ich darf auch an den Herrn Abgeordneten Rademacher, der sich mit diesem Prinzip befaßt hat, ausdrücklich die Frage stellen, wie weit die Einschränkungen gehen sollen, von denen er gesprochen hat. Wo sollen die Grenzen liegen? Ich hätte mir das einmal gern etwas näher und deutlicher erläutern lassen. Vielleicht ist dazu Gelegenheit, wenn die Verkehrsgesetzentwürfe dem Hohen Hause vorgelegt werden; denn es kann ja gar kein Zweifel darüber bestehen, daß, wenn auch dieses Haus keine Befugnisse in bezug auf die Eisenbahntarife haben sollte, sondern nur in bezug auf die Gesetzgebung, es doch notwendig sein wird, bei der Meinungsbildung über die Gesetze auch die beabsichtigte Tarifpolitik unter die Lupe zu nehmen, denn beides zusammen ergibt erst das Ganze. Wir werden uns also bei jener Gelegenheit erneut über das Prinzip und über die Tragfähigkeit des Prinzips der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung unterhalten müssen.
Eins darf ich an dieser Stelle schon sagen: Wenn etwa nun die Sozialtarife und die Massenguttarife en bloc angehoben werden sollen, dann werden wir — und das möchten wir mit allem Nachdruck erklären — niemals zustimmen, daß der kleine Mann, der Fahrgast, die Fehler der bisherigen Politik ausbadet, und auch nicht der kleine Fuhrunternehmer. Tarifpolitischen Maßnahmen, die auf Anhebung des Gesamtniveaus hinauslaufen — Sie haben, Herr Minister, in den letzten Tagen immer wieder vor der Presse erklärt, daß Sie das beabsichtigen —, kann man erst dann zustimmen, wenn man die Gewähr dafür hat, daß der Gesamtrahmen Ihrer übrigen Maßnahmen und der Gesetzgebung wirklich zu einem Erfolg führt. Sonst bleibt es nämlich dabei, daß auf dem Wege über die Tarife alles auf die Schultern des kleinen Mannes, des Verladers, des Fahrgastes, letzten Endes des Verbrauchers, abgewälzt wird.
Nun zu Punkt 3 unserer Großen Anfrage — das scheint mir das Wesentlichste zu sein —:
Welche Maßnahmen und Gesetze zur Behebung der Eisenbahn-Krise und zur Herstellung einer volkswirtschaftlich zweckmäßigen Ordnung des deutschen Binnenverkehrs hat die Bundesregierung in Aussicht genommen?
Aber ehe ich mich mit Ihrer Antwort beschäftige, Herr Minister, darf ich noch einmal auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zurückkommen. Es ist eine beinahe unerschöpfliche Quelle für die Diskussion. Wenn man es durchsieht, wird man darin viele klare, sorgfältig erarbeitete und richtige Gedanken finden, die uns heute morgen in Ihrer Antwort, Herr Minister Seebohm, gefehlt haben. Ich darf vielleicht, Herr Präsident, einen einzigen Satz vorlesen. Auf der ersten Seite dieses Gutachtens steht unter der Überschrift „Ziele der Neuordnung" folgender Satz:
Die möglichst vollkommene Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der Volkswirtschaft erfordert, daß nicht nur die staatlichen, sondern auch die privatwirtschaftlich betriebenen Verkehrsmittel auf eine gemeinwirtschaftliche Bedienung des Verkehrs im Rahmen des nach ihrer Kostenstruktur und Leistungsart Möglichen ausgerichtet werden.
Dieser Grundgedanke, mit dem das ganze Kernproblem in einem einzigen Satz in seiner Lösung schon angedeutet und formuliert ist, wird dann im weiteren Teil des Gutachtens sehr sorgfältig behandelt. Herr Minister Seebohm, um diese Lösung des Kernproblems haben Sie sich in Ihrer einstündigen Rede allerdings wie die bekannte Katze um den bekannten Brei herumgedrückt.
Denn das Kernproblem, darüber sind wir uns doch klar, ist nicht nur, daß den einzelnen Verkehrsträgern ihre anteiligen Kasten, die Wegekosten usw. zugelastet werden, sondern darüber hinaus, daß der eine Verkehrsträger, die Bahn, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu erfüllen, gemeinwirtschaftliche Leistungen zu erbringen hat, während die andren Verkehrsträger nach dem — durchaus legitimen — privatwirtschaftlichen Prinzip der Gewinnmaximierung arbeiten, abgesehen von gewissen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die ich hier nicht bagatellisieren will, die auch beim gewerblichen Kraftwagenverkehr gegeben sind. Alle Thesen, die man heute immer wieder hört und die ich im Prinzip durchaus bejahen möchte, über die Herstellung gleicher Startbedingungen für die einzelnen Verkehrszweige bleiben doch so lange Lippenbekenntnisse, als man nicht auch in bezug auf die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gleiche Startverhältnisse herstellt. Es ist doch ein Unsinn, zu glauben, daß sich nur durch eine richtige Kostenzulastung in bezug auf die Wegekosten schon irgendwie gleiche Startverhältnisse herstellen lassen, sondern das muß insbesondere in bezug auf die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und Aufgaben geschehen. Nur wenn ich auch hier gleiche Verhältnisse, gleiche Startbedingungen schaffe, kann ich im Ernst davon reden, daß nunmehr ein echter Leistungswettbewerb möglich wird, der auf gleichen Startchancen beruht.
Für diese Übertragung und für diese Aufbürdung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auch auf den Kraftwagenverkehr und auf die Binnenschiffahrt — um sie nicht ganz zu vergessen — und damit für die Herstellung gleicher Startchancen gibt es im Prinzip eigentlich nur drei Möglichkeiten. Entweder man sagt, wir verzichten bei allen Verkehrsträgern auf das gemeinwirtschaftliche Prinzip; dann sind sie gleichgestellt. Diese Möglicheit kommt nicht in Frage, kein Mensch hier im Hause will das, sie scheidet also aus. Die zweite Möglichkeit wäre, daß man, wenn die Eisenbahn diese gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu tragen hat, der Kraftwagenverkehr aber nicht, diesem Kraftwagenverkehr eine irgendwie geartete Ausgleichsabgabe, ein irgendwie gearteter Finanzausgleich oder Lastenausgleich auferlegt wird. Das will man offenbar auch nicht. Dann bleibt nur die dritte Möglichkeit. Das ist die vom Wissenschaftlichen Beirat einstimmig empfohlene Lösung, daß man eben allen Verkehrsträgern die gleichen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auferlegt,. insbesondere dem Kraftverkehr.
Ehe ich mich nun der Frage zuwende, wie denn dies zu ermöglichen wäre, darf ich mich vorweg — quasi in Form eines Exkurses—der hypothetischen Frage zuwenden, wie denn dieses Marktordnungsproblem im Verkehr liegen würde, wenn wir das Problem der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nicht hätten. Diese Auseinandersetzung scheint mir insbesondere deswegen notwendig zu sein, weil es nicht nur im Bundeswirtschaftsministerium, sondern auch sonst in der Wirtschaft gewisse Kreise gibt, die eine möglichst wettbewerbs-
wirtschaftlich orientierte Verfassung des Verkehrswesens wünschen.
Die Wettbewerbswirtschaft und ihre Ideologie in Deutschland heute, die sich ja auf die neoliberale Schule stützt, wird bei den Erzvätern dieser Schule, bei den Professoren Eucken, Röpke und MüllerArmack sowie auch bei dem hier anwesenden verehrten Kollegen Professor Böhm nichts zu diesem Verkehrsordnungsproblem finden. Ich habe versucht, in den Schriften der neoliberalen Schule gerade dieses Problem zu finden, das ja für fast alle Länder der Welt vorliegt, also kein singuläres Problem Deutschlands in diesem Zeitpunkt darstellt. Aber zu dieser Frage hat sich die neoliberale Schule nicht geäußert mit einer Ausnahme, nämlich Leonhard Miksch in dem bekannten Buch „Wettbewerb als Aufgabe", wo er sich auf zehn Seiten mit dem Verkehrsproblem beschäftigt und eine historische Darstellung der Entwicklung gibt, die zum Schluß in dem Satz gipfelt, daß die Kosten der einzelnen Verkehrsarten als Regulativ für die Verkehrslenkung betrachtet werden müssen. Er spricht auch ausdrücklich von staatlicher Verkehrsaufsicht. Das sage ich nur an die Adresse des Bundeswirtschaftsministeriums, das sich ja ansonsten immer auf die neoliberale Schule beruft.
Wie ist es nun, wenn man die markttheoretischen Grundlagen der neoliberalen Schule einmal hervorzieht? Ich darf da einen Aufsatz zitieren, den Herr Professor A l f o n s Schmitt in der Buch-Reihe „Ordo" — das sind ja die Apokryphen der neoliberalen Schule — über die Verkehrsfrage geschrieben hat. Dieser Aufsatz ist also in diese Apokryphen aufgenommen worden. Wenn man diese Veröffentlichung liest, kommt man zu der Überzeugung, daß, markttheoretisch gesehen, das ganze Binnenverkehrssystem bei uns in einem Gesamtzusammenhang steht: ein Gesamtverkehrsmarkt mit vielen verschiedenen Teilmärkten, die aber immer miteinander zusammenhängen, weil man von dem einen auf den anderen ausweichen kann. Es gibt also, wie vielleicht Theoretiker sagen würden, unzählige Substitutionsmöglichkeiten, und daher ist es gerechtfertigt, das gesamte Verkehrswesen als einen großen Gesamtverkehrsmarkt anzusehen, der teilmonopolistische und teiloligopolistische Struktur hat. Die Markttheoretiker — ich hoffe, daß der Herr Kollege Böhm mit dem Kopfe nicken wird, wenn ich das sage — sind sich seit je darüber klar, daß man einen teils monopolistischen, teils oligopolistischen Markt sich niemals selbst überlassen darf, weil er die Tendenz zum Ungleichgewicht in sich trägt. Man könnte höchstens auf die Idee verfallen, die Bundesbahn zu atomisieren, in tausend Teile aufzuspalten; dann würde man vielleicht einen konkurrenzwirtschaftlichen Verkehr haben. Da das kein Mensch will, muß man auch vom Gesichtspunkt der Markttheorie her einsehen, daß der Verkehrsmarkt eine Sache ist, die nicht der bloßen Wettbewerbswirtschaft, dem freien Konkurrenzkampf überlassen werden kann, sondern von Staats wegen geordnet werden muß.
Nun ist die Frage, wie diese Marktverfassung aussehen soll, wenn sie insbesondere nicht nur die Ordnung, sondern auch die Aufrechterhaltung und die Auflastung des gemeinschaftlichen Prinzips auf die anderen Verkehrsträger garantieren soll. Der Herr Abgeordnete Rademacher hat ja hier vorhin das Güterkraftverkehrsgesetz zitiert, das vor zwei Jahren verabschiedet worden ist. Man muß sagen, daß damals vielleicht eine Chance bestanden hat,
den Gesamtverkehrsmarkt — jedenfalls insoweit, als er das Verhältnis Schiene-Straße betrifft —, befriedigend zu ordnen. Nachdem das Gesetz zwei Jahre lang beraten worden war, kam damals ziemlich in letzter Minute der Vorschlag, über den Entwurf doch wesentlich hinauszugehen und wieder das aufzurichten, was die Besatzungsmächte 1945 in ihrem Antikartelleifer zerschlagen hatten, nämlich den früheren Reichskraftwagenbetriebsverband. Es war also die Frage, ob man in diesem Güterkraftverkehrsgesetz nicht doch einen Bundeskraftwagenbetriebsverband aufrichten sollte. NeoRKB war damals das Schlagwort. Inzwischen — das habe ich auch aus der Presseverlautbarung der CDU von gestern entnommen, die mir in diesem Punkte, Herr Abgeordneter Rademacher, etwas durchaus Neues gesagt hat, denn ich habe bisher ein so klares Bekenntnis zu diesen Dingen auf der Regierungsseite nicht gekannt — scheinen also doch auf verschiedensten Seiten die Fachleute, die weder zur Schiene noch zur Straße in einem Abhängigkeitsverhältnis finanzieller oder ideologischer Art stehen, sich mehr und mehr dem Gedanken zuzuneigen, daß man das Güterkraftverkehrsgewerbe doch wieder in einem großen Verband zusammenschließen müsse, in einer großen Selbstverwaltungskörperschaft, damit man nämlich die Möglichkeit hat, dann diesem Verbande jene gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen aufzuerlegen, die die Bahn heute und schon seit eh und je hat, nämlich die Beförderungspflicht, d. h. den Kontrahierungszwang, den Tarifzwang und eine gewisse gemeinwirtschaftliche Differenzierung der Tarife. Man könnte damit erreichen, daß nun wirklich der Kraftwagen in den Flächenverkehr geht. Man müßte sicherlich intern zu einem gewissen Poolausgleich kommen, wie das auch 1936/37 in dem damaligen Reichskraftwagenbetriebsverband angefangen war. Eine solche Zusammenfassung ist vielleicht dann auch geeignet, wenn sie einmal besteht, die gegenwärtig noch notwendige starre Verkoppelung des Kraftwagentarifs mit dem Eisenbahntarif, die ja völlig kostenunecht ist, endlich einmal aufzuheben, so daß man zu einem — wie es so schön in der Fachliteratur heißt — „arteigenen", d. h. auf deutsch: kostengerechten Kraftwagentarif kommt. Diese kostenungerechte Anhängung des Kraftwagentarifs an den Eisenbahntarif, die wir heute haben — und ich betone noch einmal: man kann zur Zeit noch nicht darauf verzichten—, ist ja einer der Gründe mit, weswegen diese ganze Entwicklung des Wettbewerbs im Verkehrssektor so völlig verfälschend gegenüber den tatsächlichen Kostenrelationen verlaufen ist.
Die Sache hätte einen weiteren Vorteil. Nicht nur der Herr Bundesverkehrsminister, sondern auch die deutsche Bundesbahn hätten in diesem Bundeskraftwagenbetriebsverband endlich einmal einen legitimierten Partner, wir hätten endlich einmal eine große Gruppe, mit der sich über diese Dinge verhandeln läßt und die man auch festlegen kann, die auch in der Lage ist, sich zu verpflichten.
Solche Gedankengänge stammen nicht vor mir hier im Augenblick, sondern sie sind in den letzten Jahren immer wieder in der Debatte aufgetaucht und insbesondere von Nationalökonomen aus den Kreisen der Industrie- und Handelskammern und des Deutschen Industrie- und Handelstages vorgebracht worden. Ich darf mir an dieser Stelle die Bemerkung erlauben, daß die Verkehrspolitik des Deutschen Industrie- und Handelstages wesentlich objektiver und fachgerechter ist als die-
jenige des von Herrn Rademacher zitierten Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Nun hat ja Gott sei Dank der Bundesverband der Deutschen Industrie seine November-Denkschrift so klammheimlich, still und leise etwas zurückgezogen, und man sollte nicht mehr allzu viel Worte darüber verlieren. Ich habe den Eindruck, daß man in puncto Werkverkehr seine eigenen Interessen doch etwas zu sehr in den Vordergrund gestellt hatte. Aber mit besonderer Freude berufe ich mich darauf, daß die Industrie- und Handelskammern und der Industrie- und Handelstag diese Vorstellung eines Bundeskraftwagenbetriebsverbandes zum Teil bereits vertreten haben, und ich darf meinerseits anregen, Herr Minister, sich doch einmal mit diesem Lösungsvorschlag eingehend zu befassen.
Natürlich würde aus einer solchen Regelung der Werkverkehr herausbleiben müssen.
Man kann dem Werkverkehr keine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegen. — Sie sagen „na also", Herr Minister.
— Wahrscheinlich differieren wir doch in dem einem oder anderen Punkt in bezug auf den Werkverkehr. Ich glaube durchaus, daß man den Werkverkehr auch in Zukunft gebraucht als Hecht im Karpfenteich; nur darf dieser Hecht nicht so groß. und stark werden, daß er die anderen legitimen Verkehrsträger, die die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und volkswirtschaftlichen Lasten im Verkehr zu tragen haben, von innen aushöhlt.
Man muß also gewisse Mittel ersinnen, um diesen Werkverkehr im Zaum zu halten. Mir scheint vor allen Dingen das Mittel, ihn zu verbieten, we nig geeignet. Das ist ein Griff in die zwangswirtschaftliche Mottenkiste, die Sie uns immer anhängen wollen, die Sie aber selber heute benutzen. Dann kann man doch schon zu marktkonformerer, Mitteln greifen. Ich erinnere zum Beispiel an die Vorstellung einer differenzierten Beförderungsteuer. Das wäre ja nichts Neues. Schon heute haben wir Beförderungsteuersätze in Deutschland, die zwischen 2 und 16% differieren. Wie wäre es, wenn man die Beförderungsteuer einmal unter dem Gesichtspunkt differenzieren würde: wer gemeinwirtschaftliche Lasten trägt, zahlt wenig Beförderungsteuer, 2 % oder was weiß ich — die Straßenbahnen, die Eisenbahn —; wer nur einen Teil gemeinwirtschaftlicher Lasten zu tragen hat, der zahlt 6% oder etwas mehr, und derjenige, der nur nach seinem privaten Ermessen und zu seinem persönlichen Vorteil und nur unter dem Gesichtspunkt der privaten Gewinnmaximierung fährt, der zahlt eben die 16 Prozent, die heute die Obergrenze in der Beförderungsteuer darstellen. Warum versucht man nicht mit einem solchen marktkonformeren Mittel dem Werkverkehr beizukommen, das auch in die echte Kostenstruktur des Werkverkehrs eingeht, statt mit Polizeivorschriften die Sache abzuschneiden?
Nun, Herr Bundesverkehrsminister, Ihre Zielvorstellung von der Lösung des Ordnungsproblems war eine andere. Sie haben gesprochen von der Idee der Verkehrsaufteilung. Sie möchten den großen Verkehrskuchen in einzelne Schnitten schneiden, fein säuberlich begrenzen, und jeder soll wissen, was er zu fahren hat. In diesem Sinne wollen
Sie verbieten, daß auf der Straße gewisse Massengüter gefahren werden. Von Rohrzucker bis Kohle, und alles Mögliche darf dann nicht mehr gefahren werden, und für diese Güter soll also die Bahn wieder eine Art Monopol bekommen.
Mir schiene es sinnvoller, statt nach Güterarten dann schon im Sinne der Ausführungen des Herrn Kollegen Rademacher nach Transportentfernungen zu teilen; denn das entspricht doch den Kostenrelationen. Es ist ja allgemein bekannt, daß der Kraftwagen auf Transportentfernungen bis zu, sagen wir, 150 km volkswirtschaftlich gesehen leistungsfähiger ist und daß auf Transportentfernungen über 150 km volkswirtschaftlich gesehen die Eisenbahn kostengünstiger ist. Wenn man schon den Verkehr aufteilen will, wäre es doch wohl zweckmäßig, ihn nach den Transportentfernungen aufzuteilen und zu sagen: Es entspricht den Selbstkostenrelationen, daß du, Kraftwagen, unter 150 km fährst, und du, Eisenbahn, über 150 km. Das würde mir schon sehr viel besser gefallen, und in diesem Sinne hat auch schon Herr Kollege Rademacher gesprochen.
Eines muß man aber doch grundsätzlich gegen diese ganze Verkehrsaufteilung einwenden, ganz gleich, ob sie nach Gütern oder auf Grund der Transportentfernung gemacht wird. Ich meine die Gefahr, daß jede statische Verkehrsaufteilung auf die Dauer den technischen Fortschritt und die dynamische Entwicklung der Volkswirtschaft abschneidet. Sie läßt die einzelnen Verkehrsträger träge werden. Sie wissen ja, daß Ihnen gewisse Güter garantiert sind und brauchen sich nicht mehr sonderlich anzustrengen und zu rationalisieren. Ein für allemal fährt der eine diese Güter und der andere jene Güter. Eine solche starre, konservierende Politik der Besitzstanderhaltung kann meines Erachtens immer nur eine Notlösung auf Zeit sein, meinetwegen eine Notlösung auf Zeitgewinn, aber kein auf die Dauer akzeptables wirtschaftspolitisches Ziel. Dieses schöne Wort „Besitzstanderhaltung" ist ja typisch für die Interessentendebatte im Verkehr. „Verkehrsbesitzstanderhaltung", darum geht immer der Streit, um die Konservierung der Verkehrsbesitzstände.
Ich sage also, daß diese Verkehrsbesitzstanderhaltung auf die Dauer kein akzeptables wirtschaftspolitisches Ziel ist; denn auf die Dauer, wenn einmal die Leistungsfähigkeit unseres Straßennetzes nachgezogen sein wird, muß sich ja doch wohl der säkulare Trend von der Schiene zur Straße auch fortsetzen dürfen. Wir sind uns völlig darüber klar, daß wir auf Jahre und auf Jahrzehnte und vielleicht auf Generationen hinaus die Schiene als das Rückgrat unseres ganzen Verkehrs weiterhin brauchen und daß sie deshalb auch wieder lebens- und leistungsfähig gemacht werden muß. Aber darüber hinaus wollen wir uns auch darüber klar sein, daß das nun nicht heißen kann, die ganze technische Entwicklung und die volkswirtschaftliche Dynamik an diesem Punkt abzuschneiden. Ein bißchen Luft für die Entwicklung muß doch in der Sache noch drin sein dürfen!
Ich darf dann einem Vorschlag beitreten — wenn ich ihn richtig verstanden habe —, der hier in der Debatte schon gemacht worden ist. Wenn wir also bestenfalls zur Zeit nur eine Notlösung auf Zeitgewinn bekommen können, dann sollte man den damit erzielten Zeitgewinn nun aber auch aus-
nutzen, um endlich zu einem Konzept auf die Dauer zu gelangen. Da scheint es mir ganz gut, vielleicht einmal nach England oder in andere Staaten zu schauen, wo man schon längst zur Lösung dieses Problems eine Royal Commission von völlig unabhängigen Leuten eingesetzt hätte
und wo man schon längst dafür gesorgt hätte, daß die vorhandenen Unterlagen, Gutachten und Statistiken auf den Tisch kommen, damit man darüber sprechen kann. Nirgendwo sind ja die Statistiken verlogener als in den Denkschriften unserer verschiedenen Verkehrsträger. Es muß doch endlich einmal zu einer wirklich stimmenden offiziellen Statistik kommen. Die muß auf den Tisch des Hauses und darf nicht in den Gutachten verborgen bleiben, die in den Panzerschränken des Verkehrsministeriums und der Bundesbahn liegen.
Dann aber soll man die Pause, den Zeitgewinn, auch dazu benützen, endlich die Verkehrspartner — wie schon mehrfach gesagt — an einen Tisch zu kriegen, und nicht nur die Verkehrsträger, sondern auch diejenigen, die letzten Endes davon betroffen werden: die Verkehrsnutzer, die verladende Wirtschaft, die Fahrgäste und die Teile der deutschen Volkswirtschaft, denen der Verkehr dienen will, wie hier heute ausgeführt worden ist.
Aber man sollte diese Pause auch dazu benützen, um beispielsweise auf diesem sehr ungeklärten Gebiet der tatsächlichen Kosten des Straßenverkehrs doch etwas voranzukommen. Herr Abgeordneter Rademacher hat meinem Kollegen Dr. Bleiß wohl etwas vorweggenommen, wenn er aus unserem Antrag, einmal diesen Selbstkostenbericht zu bekommen, seinerseits die Forderung entnommen und aufgestellt hat: Wir möchten endlich etwas hören! Aber das ist wirklich einer der entscheidenden Punkte. Wie sind denn die tatsächlichen Kostenrelationen im Straßenbau und in der ganzen Straßenunterhaltung, um zu einer Ordnung des Verkehrs zu kommen?
Nach dieser Beschäftigung mit dem ordnungspolitischen Konzept des Herrn Bundesverkehrsministers sind vielleicht noch einige wenige Worte notwendig zu den Methoden der Durchführung, die uns hier angedeutet worden sind.
Über die beabsichtigte polizeiliche Strangulierung des Werkverkehrs habe ich mich vorhin schon ausgesprochen. Ich kann Herrn Rademacher nur beistimmen. Diese zwangswirtschaftliche Maßnahme wird wie jede andere zwangswirtschaftliche Maßnahme nur dazu führen, daß das Verbot illegal, aber auch legal umgangen wird. Aus dem bisherigen und nunmehr verbotenen Bring-Werkverkehr wird dann ein Hol-Werkverkehr. Dann bringen eben die einen die Sachen nicht mehr weg, sondern die andern holen sie ab, und dann haben Sie wieder dieselbe Geschichte! Oder aber die Firma, die nun ihre Produkte, die sie verkaufen will, nicht mehr zu dem Kunden fahren darf, errichtet jetzt in der Stadt, in der der Kunde wohnt, eine Niederlassung, wenn auch vielleicht nur auf dem Papier, und fährt dann eben zu ihrer Niederlassung. Diese Methode wird also letzten Endes zu nichts anderem führen als nur zu einem außerordentlich umfangreichen Kontrollapparat, der doch des Problems nicht Herr werden kann.
Nun zu dem Massengüterverbot. Da wird also argumentiert, daß die schweren Lastkraftwagenzüge mit 40 t Gesamtgewicht mit ihren Ladungen von Kohle, Eisen oder Holz die Straßen kaputtfahren. Das ist sicher richtig. Aber das ist doch nun keine Begründung dafür, daß man verbietet, auf der Straße Kohle, Eisen und Holz zu transportieren, wenn man andererseits Maschinenteile in 40-t-Lkws über die Straße ziehen darf. Das hat doch mit einer Straßenentlastung überhaupt nichts zu tun. Viel wichtiger scheint mir zu sein, einmal zu überlegen, ob es nicht doch falsch war, das höchstzulässige Gesamtgewicht unserer Lkw-Züge auf 40 t festzusetzen.
Wir haben nicht nur einen schleichenden Substanzverzehr in der Bundesbahn, der durch die dankenswerte Publizitätsfreudigkeit wenigstens einiger Mitglieder des Vorstandes der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Wochen kund und offenbar geworden ist, sondern wir haben auch einen verdeckten Substanzverzehr in unserem deutschen Straßensystem. Nach zwei bis drei Jahren wird sich herausstellen, daß unsere Straßendecken für die gegenwärtige Gewichtsbelastung überhaupt nicht gebaut sind, und daß wir dann sehr viel größere jährliche Unterhaltungs- und Erneuerungsbeträge als derzeit in unseren Jahreshaushalt werden einstellen müssen.
Wenn man also von einer Entlastung der Straße redet, dann bitte nicht mit diesem Polizeiverbot „Du darfst keinen Zucker und keine Kohle mehr fahren, sondern nur noch Spielzeug und Maschinenteile!", sondern dann muß es entscheidend auf das Gesamtgewicht ankommen, ganz gleichgültig, was für eine Fracht auf dem Wagen ist.
Dann zur Absicht, zwischen dem Reichskraftwagentarif und dem Eisenbahngütertarif ein Gefälle herzustellen, d. h. die Eisenbahn soll in allen Relationen und Gütern etwas billiger sein als der Kraftwagen zum Ausgleich dafür, daß und insoweit die Eisenbahn eben nur von Laderampe zu Laderampe befördert und der Kraftwagen von Haus zu Haus. Mir scheint, daß das ein außerordentlich richtiges und bei der gegenwärtigen Struktur der Verkehrstarife notwendiges Prinzip ist. Ich darf nur die Frage stellen, warum diese Anregung, die bereits vor mindestens acht oder neun Monaten in der Tarifdebatte des vorigen Jahres gegeben wurde, erst heute zur Verwirklichung gelangen soll.
Dann ein besonderes Wort zu den Omnibustarifen, die ja auch im Zuge dieser ganzen Gesetzgebung angehoben werden sollen. Herr Rademacher hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir hier einige Mißstände haben. Zur Zeit kostet der Personenkilometer auf der Schiene 6,85 Pfennig. So viel muß ich zahlen, wenn ich auf der Eisenbahn 1 km in der dritten Klasse fahre. Bei den privaten Omnibussen brauche ich nur 6 Pfennig zu bezahlen. Wenn ich also irgendwie auch nur die Wahl habe, fahre ich mit dem Omnibus. Das tun die meisten Menschen in Deutschland.
Auf der andern Seite gewährt die Eisenbahn außerordentlich weitgehende soziale Tarife, die wir für sehr notwendig halten und die wir auch nicht angetastet sehen möchten, die aber immerhin dazu führen, daß der einzelne „Sozialfahrer" mit seiner Arbeiterwochenkarte, Schülermonatskarte oder was es immer ist, zum Teil nur 1 bis 2 Pfennig für den Kilometer zahlt. Der Omnibus gewährt solche Sozialtarife nicht; sie sind jedenfalls ganz minimal
und ganz unerheblich. Das führt also dazu, daß alle Normalfahrer, die das Geld in die Kasse bringen, auf den Omnibus abwandern und alle Sozialfahrer auf die Eisenbahn. Wenn man das jahrelang zuläßt, braucht man sich nicht zu wundern, daß die Eisenbahn nun für ihren Berufsverkehr nicht mehr tun kann, als sie heute tut, und daß diese Züge, Herr Minister, im Arbeiterberufsverkehr dann zum Teil doch recht überfüllt und unfreundlich aussehen, was Sie zwar neulich abgestritten haben; aber Herr Abgeordneter Mommer wird, glaube ich, Ihrer Aufforderung entsprechen und Ihnen das Beweismaterial dafür noch liefern.
Nun soll das dadurch korrigiert werden, daß man den Omnibus-Normaltarif verteuert, von 6 auf 7 Pfennig je km heraufsetzt. Das ist immer das einfachste, durch Preiserhöhungen die Geschichte aus der Welt zu schaffen. Es wäre doch viel vernünftiger und organischer, wenn man, genau wie das auf dem Güterverkehrssektor der Fall ist, auch auf dem Omnibussektor, idem Personenverkehrssektor das ganze Tarifgefüge des Eisenbahnpersonentarifs auf den Autobusverkehr überträgt. Dann bekommt er dieselbe Normalfahrkarte für 6,8 Pfennig, muß aber auch dieselben und genau so weitgehende Sozialtarife gewähren. Das wäre ein vernünftiger Ausgleich, dabei könnte auch die Bahn existieren, und das würde nicht die Abwälzung dieses Konkurrenzproblems auf die armen Fahrgäste bedeuten.
In diesem Zusammenhang darf ich ein paar Worte der Begründung zu unserem Antrag auf Drucksache 181 betreffend Ordnung des Omnibusverkehrs sagen. Auch dieses Antrags hat sich ja liebenswürdigerweise Herr Rademacher schon angenommen. Ich bin dafür sehr dankbar. Ich darf nur noch darauf hinweisen, daß das gegenwärtig gültige Personenbeförderungsgesetz dringend der Novellierung bedarf, nachdem überall die Verwaltung und auch die Rechtsprechung mit den gegenwärtigen gesetzlichen Grundlagen nicht mehr auszukommen in der Lage sind. Ich verweise nur auf den einen Ihnen aus der Presse bekannten, berühmten Fall Rammelmann. Ich nehme nicht materiell Stellung, sondern verweise nur darauf, daß dieser Fall seit drei Jahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden herumgezerrt wird, und seine Erledigung nicht finden kann, weil die Rechtsgrundlagen des alten Personenbeförderungsgesetzes unzureichend und unklar sind, weil die Zuständigkeiten unklar geregelt sind. Kein Mensch kann zu einer Entscheidung kommen.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat seit langer Zeit versucht, ein Personenbeförderungsgesetz im Kabinett durchzudrücken. Leider hat die Post immer große Schwierigkeiten gemacht. Denn der Postomnibus, das ist ja so eine Sache, die man in seiner eigenen Zuständigkeit retten muß; in die Postomnibusgeschichte darf ja kein anderer hineinreden, das ist ein ganz wesentliches Recht, ein Regal, das die Postverwaltung sich um Gottes willen bewahren muß! Da kann man also nur hoffen, daß der neue Postminister nicht nur die Briefmarken und die Telefongebühren verteuert, sondern daß er auf diesem Gebiet endlich einmal den Zuständigkeitsfimmel der Post zum Teufel schickt.
Das geht doch so weit, daß die Bundesbahn und die Bundespost vor den Verwaltungsgerichten der Länder gegeneinander Prozesse um die Omnibuslinien führen.
Das sind doch skurrile Tatbestände. Ich darf einmal einen Satz aus den „alten Klamotten", nämlich aus dem Gutachten von Coverdale und Colpitts aus dem Jahre 1950 zitieren. Diese klugen Amerikaner schrieben damals schon in ihren Schlußfolgerungen:
Daß eine Koordinierung und Regelung des
Omnibusverkehrs für den Gesamtbereich der
Bundesrepublik notwendig ist, liegt auf der
Hand.
Also mindestens seit 1950 liegt das auf der Hand. Warum kann es denn nun nicht endlich einmal verwirklicht werden und von der Hand in die Gesetzgebung hineinkommen?
— Na, ich glaube, Herr Rademacher meint das mit den „alten Klamotten" gar nicht so; das ist ihm so herausgerutscht.
Im zweiten Teil des Antrags bitten wir, daß nicht nur eine Koordinierung der verschiedenen Bus-Linien von Post und Bahn zustande kommt, die ja nicht nur verschiedene Tarife, sondern auch verschiedene Fahrpläne haben, so daß man nicht von der einen auf die andere umsteigen kann — beides Omnibusbetriebe, die idem Bund gehören! —, sondern daß man überhaupt einmal diese beiden Omnibusverkehre in ein gemeinsames Betriebssystem bringt, eine gemeinsame Betriebsgesellschaft mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen gründet. Da könnte man sehr viel Geld und Investitionen sparen und eine echte Rationalisierung vornehmen.
Wir haben dann die Frage angefügt — wir bitten, sie im Schoße des Bundesverkehrsministeriums und mit den Verbänden zu besprechen —, ob man nicht vielleicht auch die privaten und die sonstigen öffentlichen Omnibuslinien in diese Gesellschaft einbeziehen oder ihnen jedenfalls die Möglichkeit geben will, mit hineinzugehen. Dann kämen wir nämlich endlich zu einem abgestimmten System auf diesem Sektor.
Noch ein Wort muß ich leider zum Thema „Post und Bahn" sagen. Die streiten sich nicht nur bei den Omnibussen und führen Prozesse, sie haben auch auf dem Gebiet des Paketverkehrs ein ganz eigenartiges System. Es gibt in Deutschland Expreßgut, und es gibt Postpakete. Das Expreßgut wird an den Personenbahnhöfen aufgegeben und kommt von da auf verschiedenen Umwegen und Anstalten in den Expreßgutwagen, den Güterwagen des Personenzuges. Die Post nimmt die Postpakete am Postamt an; dann werden sie vom Postamt zu demselben Bahnhof gefahren und auf verschiedenen Wegen zu demselben Zug gebracht, aber nicht in den Expreßgutwagen, sondern in den Postwagen. Da fahren diese beiden Pakete, die ungefähr gleich teuer sind, in den beiden Wagen hintereinander her bis in die Stadt, in die sie kommen sollen, und werden hier wieder auf völlig verschiedenen Wegen dem Empfänger zugestellt. Eine eigenartige Geschichte! Kann man das nicht auch einmal einheitlich und sauber organisieren, also entweder Postpakete oder Expreßgut?
— Ja, das ist eine echte Rationalisierungsaufgabe,
keineswegs die wichtigste, aber mir kommt es dar-
auf an, hier einmal diese skurrilen Beispiele hervorzukehren, um zu zeigen, wieviel man in den vergangenen vier Jahren versäumt hat.
Ich darf also bitten, unsern Antrag auf Drucksache Nr. 181 dem Post- und idem Verkehrsausschuß zu überweisen, dem letzteren federführend.
Zu dem großen Komplex des Verkehrsfinanzgesetzes möchte ich nur noch wenige Sätze sagen, da unsere Anträge, soweit sie diesen Komplex berühren, hinterher gesondert begründet werden sollen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß wir sehr dafür sind, daß heute die Kraftfahrzeugsteuern für die Pkws gesenkt werden sollen. Ich finde das ausgezeichnet. Vielleicht ist es ein Schritt auf dem Wege zu idem Ziel, daß sich endlich auch einmal der Lohnsteuerzahler in Deutschland einen Kraftwagen kaufen und ihn unterhalten kann. Ich habe in meiner Vaterstadt Hamburg im vorigen Jahr eine Untersuchung angestellt und dabei festgestellt, daß von den angeschafften fabrikneuen Pkws 96 % von Firmen gekauft wurden und nur 4 % von Privaten, d. h. von Leuten, die ihn aus ihrem versteuerten Einkommen bezahlen müssen.
Angesichts dieses Zustandes wäre es doch sehr schön, wenn es nun auch einmal dem Lohnsteuerzahler erleichtert würde, sich, wenn er sparsam ist, ein kleines Wägelchen zu kaufen.
Andererseits scheint uns auch die Kehrseite der Medaille wichtig zu sein, nämlich die Knickbeseitigung. Den Knick für die schweren Lkws und die schweren Omnibusse, haben wir seit 1936, seit der Aufrüstungsperiode, in der Kraftfahrzeugsteuer. Die sind damals aus rüstungswirtschaftlichen Gründen begünstigt worden. Es ist eine ganz ungerechte Sache, daß so ein schwerer Brummer im Verhältnis zu den kleinen viel zuwenig Kraftfahrzeugsteuer zahlt. Da sind wir uns völlig einig. Über das Ausmaß, in dem jetzt der Knick nach oben gebogen werden soll, kann man erst sprechen, wenn man diese Änderung der Kraftfahrzeugsteuer der zukünftigen Benzin- ud Treibstoffbelastung gegen-überhalten kann. Da möchte ich die konkrete Vorlage abwarten; wir müssen zuerst die Einzelheiten kennen, ehe wir dazu sprechen können. Auch die Erhöhung der Mineralölabgaben scheint uns im Prinzip unumgänglich zu sein, wenn man dem Straßenbau wirklich höhere Mittel als bisher zuführen will. Darüber gibt es keinen Zweifel. Ich habe mit besonderer Freude gesehen, daß sich vor wenigen Tagen auch der Arbeitsausschuß der Kraftverkehrswirtschaft dazu bekannt hat, nachdem er noch vor drei Wochen wüste Proteste und Kassandra-Rufe in die Gegend geschickt hatte. Also auch auf dieser Seite wechselt Gott sei Dank die Meinung.
Ich kann dem Kollegen Rademacher auch in diesem Punkt wiederum nur recht geben, wenn er den Finger darauf legt: Wie ist das mit der Zweckbindung, fließt das nachher in den allgemeinen Haushalt? Ich weiß, daß gewisse Schwierigkeiten in der Haushaltssystematik und dem ganzen System unserer Finanzwirtschaft liegen. Aber nach den Erfahrungen, die wir mit der bisherigen Verwendung der Mineralölabgaben gemacht haben, scheint es doch sehr notwendig, eine Festlegung zu treffen, damit diese Mittel nicht eines Tages in andere Kanäle fließen, sondern als die vom Kraftverkehr aufgebrachten spezifischen Beiträge auch für die Straßen, zur Deckung der Straßenkosten verwandt werden.
Was über die finanzielle Seite der Eisenbahnsanierung gesagt wurde oder vielmehr besser: von Herrn Minister Seebohm nicht gesagt wurde, hat mich sehr bedenklich gemacht. Wir haben kein Wort über ein Finanzprogramm gehört, das in die Zukunft weisen würde, kein Wort über einen Beschluß des Kabinetts in bezug auf die Abnahme der betriebsfremden Lasten. Alles idas ist in der Schwebe geblieben. Herr Minister Schäffer hat in seiner Haushaltsrede nur erklärt: Nemo ultra posse obligatur — „Ich kann nicht mehr, die Grenze ist erreicht." Was wir in diesem Punkte von Herrn Minister Seebohm vorhin zu hören bekommen haben, scheint mir einer der unbefriedigendsten Punkte in dem ganzen Gemälde zu sein.
Die Opposition hat schon in der Debatte über die Regierungserklärung auf den legitimen Anleihebedarf der öffentlichen Hand hingewiesen, und gerade auch in der gegenwärtigen Kapitalmarktdebatte ist der folgende Hinweis von Bedeutung. Ich glaube, man kann mit allgemeinem Konsens des Hohen Hauses feststellen, daß die notwendigen Ersatz- und Wiederaufbauinvestitionen auf der Bahn und die Erweiterungsinvestitionen im Straßennetz heute tatsächlich einer der vordringlichsten und legitimsten Investitionsbereiche der deutschen Volkswirtschaft sind.
An dem Anleiheproblem wird man daher nicht vorbeikommen. Wir sind gespannt darauf, im Zusammenhang mit der Vorlage des Verkehrsfinanzgesetzes darüber etwas mehr zu erfahren, als heute aus dem Munde des Herrn Bundesverkehrsministers zu erfahren gewesen ist. Das Kabinett muß sich doch auch darüber klar sein: wenn man nicht heute oder morgen die Finanzen der Bundesbahn grundlegend saniert — übrigens gilt das auch für die nicht bundeseigenen Bahnen, die meistens vergessen werden, die in genau der gleichen Finanzmisere stecken und die überdies ein Sechstel der ganzen deutschen Schienenstrecken bei sich beherbergen, was immerhin nicht unwichtig ist; sie sind auch sehr wichtige Zubringer für die Deutsche Bundesbahn; die Bundesbahn steht immer im Vordergrund der Betrachtung, aber man sollte auch einmal auf diese nicht bundeseigenen Bahnen hinweisen, die daran hängen —, wenn man also heute oder morgen keine grundlegende Sanierung der Bundesbahn vornimmt, wird man ständig diese Kassendefizite abzudecken haben, die sich einstweilen im kommenden Jahr auf 70 Millionen DM monatlich belaufen, und die Länder, die Kommunen und Kommunalverbände werden ebenfalls mit Kassendefiziten bei den nicht bundeseigenen Bahnen zu krebsen haben. Es bleibt die Frage, welche Methode dem Fiskus teurer und welche ihm billiger kommt.
Ich darf mit den bisherigen Debatterednern die Forderung erheben: die Gesetze müssen schnell kommen, und zwar zunächst als Notlösung, als Übergangslösung. Daß es keine Endlösungen sein können, glaube ich deutlich gemacht zu haben. Wir müssen diese Gesetze, um Zeit zu gewinnen, wirklich schnell haben. Vielleicht ist es möglich, Herr Minister Seebohm, daß diese Gesetze genau so schnell verabschiedet und auf den Tisch des Hauses gelegt werden, wie Sie vorhin gesprochen haben.
— Ja, es war nicht immer leicht, den Darlegungen zu folgen. Man kam manchmal gar nicht mit.
— Im Tempo, im Tempo! — Eine Entschuldigung aber — und das darf ich Herrn Kollegen Rümmele sagen — gilt nicht. Man kann nicht mit Schiller sagen: Der weite Weg entschuldigt euer Säumen. Es handelt sich nämlich um Umwege, und die hat Schiller nicht entschuldigt!
Damit darf ich zum Schluß kommen. Wir wissen, daß nicht alle Probleme auf einmal gelöst werden können. Jede Entwicklung muß schrittweise vor sich gehen. Aber gerade im Verkehrswesen, in dem sich seit vier oder fünf Jahren die ungelösten Probleme aufgestaut haben, ist eine besondere Anstrengung notwendig. Dabei glaube ich, der bisherige Verlauf der Debatte in diesem Hause hat gezeigt, daß das verkehrspolitische Ordnungsproblem hier wohl sehr weitgehend wird gelöst werden können; dieser Eindruck hat sich aus der bisherigen Debatte ergeben. Allerdings wird es wohl in einer anderen Weise gelöst werden müssen, als wir es bisher von der Regierungsbank vernommen haben.
Wir haben zu diesem ganzen Komplex einige Anträge gestellt, die im Prinzip auf keinen ernsthaften Widerspruch gestoßen sind.
— Herr Dr. Bucerius meldet an, daß der Widerspruch noch kommen soll. Oder habe ich nicht richtig verstanden?
— Nein, er wird zurückgezogen, also kein Widerspruch!
Ich freue mich sehr, daß das hier ausdrücklich festgestellt wird. Es handelt sich bei diesen Anträgen auch nicht um heute noch unausgegorene Probleme, sondern wir haben diejenigen Dinge in den Vordergrund geschoben und hier einmal zur Debatte gestellt, über die sich alle diejenigen, die sich ehrlich um die Probleme bemühen, die objektive Fachwelt, einig sind. Ich gebe gern zu, daß diese Anträge, wenn Sie etwas schneller gewesen wären, genau so gut von Ihrer Seite hätten kommen können. Sie waren nur eben gehandicapt durch eine gewisse Rücksichtnahme, die Sie sich gegenüber der Regierung auferlegen mußten. Das sehe ich ein.
Wir hoffen auch, daß auf allen Seiten des Hauses die Überzeugung geteilt wird, daß die Bundesbahn auf lange, lange Zeit hinaus für die deutsche Volkswirtschaft unentbehrlich bleibt und daß ihr deswegen wieder zur Lebens- und Leistungsfähigkeit verholfen werden muß, daß aber auf der anderen Seite bestehende Fehlentwicklungen bei der Bahn nicht dadurch kuriert werden können, daß man auf der Seite der Straßen neue Fehlentwicklungen in Gang setzt; und schließlich, daß das ganze Problem nicht auf den Rücken des Dritten, nämlich des Fahrgastes und des Verladers, d. h. letztlich auf den Rücken des Verbrauchers abgeschoben werden darf.
Zum Schluß — das hat mit der Verkehrspolitik eigentlich nichts mehr zu tun, sondern mit einem
Bereich, der nun allerdings durch diese Verkehrspolitik außerordentlich in Mitleidenschaft gezogen wird — möchte ich an den anwesenden Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums eine Frage stellen. Herr Staatssekretär Westrick, ganz egal, welche Maßnahmen Herr Minister Seebohm im Kabinett zum Beschluß bringen wird, es ist doch deutlich, daß sie zu einer erheblichen Auftragsschrumpfung in unserer deutschen Kraftfahrzeugindustrie, so- weit sie Lkws herstellt, und in der Zubehörindustrie führen werden. Es handelt sich um Industrien mit Hunderttausenden von Beschäftigten, wenn man die Zubehörindustrien mit ins Auge faßt. Wie auch immer die Maßnahmen geartet sein werden, die man jetzt ergreift, eine sehr ernste Auswirkung auf unsere Lkw-Produktion und die Zubringerproduktion ist zu befürchten; der ist nicht auszuweichen. Tatsächlich sind unsere Produktionskapazitäten im Automobilbau und in der Zubehörindustrie im Verhältnis zu den Leistungsfähigkeiten des Straßennetzes wirklich weit in eine Disproportionalität geraten. Das muß nun langsam, aber sicher bereinigt werden. Die Frage ist: Was geschieht nun mit den Überkapazitäten der Kraftfahrzeugindustrie, da die Straße ja nicht von heute auf morgen in der Leistungsfähigkeit nachziehen kann? Wir möchten gerne wissen, welche Überleitungsmaßnahmen, welche Umstellungen in der Produktion oder welche anderen Maßnahmen die Bundesregierung ins Auge gefaßt hat, damit nicht das Unglück bei der Schiene auf dem Wege über eine gewisse Drosselung des Lkw-Verkehrs auf die Automobilproduktion und die daran hängenden Produktionsbereiche abgewälzt wird.
Das Wort hat der Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte Frage von Herrn Kollegen Schmidt möchte ich dahin beantworten: Stimmen Sie der EVG zu, dann werden wir über diese Frage leicht hinwegkommen!
Ich habe mich mit den Ausführungen, die Herr Kollege Schmidt gemacht hat, ein wenig auseinanderzusetzen. Sie werden verstehen, daß ich dabei mit jenen Bemerkungen beginne, in denen er sich sehr intensiv mit Begriffen aus der Bilanzwirtschaft abgegeben hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben — und daran sind wir alle nicht schuld, sondern das tragen wir alle gemeinsam — einen Konkurs übernommen. Herr Kollege Schmidt sprach von einer Liquidations-
bilanz, die wir jetzt erreicht hätten. Ich bin der Meinung, wir sollten, nachdem wir uns aus der Konkurslage des Jahres 1945 allmählich in die Lage eines Vergleichs in der Jetztzeit emporgearbeitet haben, die Schwierigkeiten nicht unterschätzen, die ein solcher Vergleich jedem Kaufmann bietet, der in das Unglück eines Konkurses hineingekommen ist und sich wieder herausarbeiten, wieder ehrlich werden will.
— Verzeihung, nicht so ganz! Sonst würde ich darauf ja nicht antworten. Ich habe sehr genau zugehört.
Ich möchte mich ja gern sachlich mit Herrn Schmidt auseinandersetzen.
— Das ist nicht neu. Herr Schmidt und ich kennen uns schon seit einer Reihe von Jahren, und von manchem, was er gesagt hat, hätte ich eigentlich erwartet, daß er es aus seiner Kenntnis der Verhältnisse und aus seiner bisherigen Tätigkeit in Hamburg heraus nicht erklärt hätte. Ich nehme z. B. seine Bemerkungen über den Aufbau des Bundesministeriums für Verkehr. Ihm ist ganz genau bekannt, daß wir diese Arbeitsgebiete vorher genau so behandelt haben und daß wir nur, nachdem der Abteilungsleiter A in die Position des Staatssekretärs kam, diese beiden Arbeitsgebiete auch in zwei Abteilungen auseinanderentwickelt haben. Alle Referate, die sich befassen mit der Verkehrsleitung, Verkehrspolitik, Tarifpolitik oder wie immer Sie diese Aufgabengebiete nennen wollen, haben von Anfang an bestanden. Bei der Teilung der Abteilung A in die Abteilungen Z und A ist nicht ein einziges neues Referat gebildet worden, sondern es hat nur eine gewisse Umschichtung stattgefunden. Das weiß Herr Schmidt aus seiner Tätigkeit in Hamburg sehr genau; denn er hat diese Dinge damals mit beobachtet. Er kennt auch die personellen Verhältnisse, die zu dieser Umwandlung Veranlassung gegeben haben. Ich freue mich aber, daß er der Auffassung ist, daß diese neue Organisation eine bessere ist. Das zeigt ihm doch, daß wir bemüht sind, aus den Verhältnissen heraus stets das Bessere zu gestalten.
Der Herr Kollege Schmidt hat sich vor allen Dingen dem — wie er sagte — Kernproblem zugewendet und hat die Frage aufgeworfen, ob es möglich ist, die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn — die wir, wie ich ausgeführt habe, wegen der Arbeitsteiligkeit unserer Wirtschaft unbedingt erhalten wollen und müssen, die wir' auch erhalten wollen und müssen, um den Randgebieten weiter die notwendige wirtschaftliche Entwicklung zu sichern — also die Gemeinwirtschaftlichkeit auf die anderen Verkehrsträger zu übertragen oder Ihnen, wie er das genannt hat, aufzulasten. Ich hatte mir schon eine Zwischenbemerkung erlaubt. Denn wenn man die Frage bejaht und als These begründet, um damit einen neuen Vorschlag zur Lösung der Probleme zu bringen, ist es natürlich die entscheidende Frage, ob denn diese drei Verkehrsträger ihrer Art und Struktur nach so gleich sind und ob ihre Aufgaben so gleichartig sind, daß sie ohne weiteres die Gemeinwirtschaftlichkeit auf sich nehmen können.
Ich hatte mir erlaubt, darauf hinzuweisen — das ist auch in der Debatte wiederholt mit aufgeklungen —, daß wir die Binnenschiffahrt keineswegs in diese Gleichbehandlung einbeziehen können, weil die Binnenschiffahrt auf unseren deutschen Wasserstraßen seit dem Wiener Kongreß, ja eigentlich seit dem Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück, auf dem Rhein in der internationalen Konkurrenz steht und seit Versailles und durch die Folgen von Versailles auch auf Elbe, Oder und Donau in der internationalen Konkurrenz steht. Infolgedessen ist eine Übertragung gemeinwirtschaftlicher Prinzipien auf die Binnenschiffahrt so lange nicht möglich, als es uns nicht möglich ist — und das wird nie der Fall sein —, diese gemeinwirtschaftlichen Prinzipien auch auf die konkurrierenden ausländischen Binnenschiffahrtszweige, die ja vorhanden sind, zu übertragen, besser gesagt, ihnen aufzulasten. Wir können nicht einmal ohne weiteres in der Frage dier Besteuerung des Verkehrs einheitlich vorgehen, weil nach den internationalen Bestimmungen die Besteuerung, die wir unserer Binnenschiffahrt auferlegen könnten, der ausländischen Binnenschiffahrt nicht auferlegt werden kann. Durch eine Maßnahme, wie sie hier vorgeschlagen wird, würde sich nur eine sehr ungerechtfertigte starke einseitige Belastung unserer Binnenschiffahrt gegenüber ihrer in Deutschland tätigen ausländischen Konkurrenz und gegenüber dieser Konkurrenz im grenzüberschreitenden Verkehr ergeben.
Nun zum anderen Inlandsverkehrsträger, zur Straße. Wenn die Sache so einfach wäre, daß wir auf der Straße wie in der Binnenschiffahrt und auf der Eisenbahn nur gewerblichen Verkehr hätten, wäre das Problem sicher lösbar. Aber wir haben eben auf der Straße nicht nur gewerblichen, sondern sogar in überwiegendem Maße Eigenverkehr, den wir als Personenverkehr durch die Personenautos und Motorräder alle kennen und den wir auf der anderen Seite als Werkverkehr bezeichnen. Wenn Herr Schmidt die bemerkenswerten Anmerkungen gemacht hat, daß er wieder einen Reichskraftwagen-Betriebsverband haben möchte, wie wir ihn im Dritten Reich hatten, wenn er gesagt hat, daß er daneben den Werkverkehr als Hecht im Karpfenteich weiter zu sehen wünsche, dann muß er mir zugeben, daß er dem Reichskraftwagen-Betriebsverband nicht gemeinwirtschaftliche Lasten auferlegen kann, wenn der Werkverkehr daneben ohne weiteres frei ausgeht. Er hat, weil ihm selbst bekannt war, daß er hier in seiner Konzeption an eine schwache Stelle kommt, vorgeschlagen, diese Untiefe durch eine differenzierte Beförderungsteuer zu überbrücken. Aber, verehrter Herr Schmidt, wenn Sie sich einmal die Summen der Beförderungsteuer und ihren Einfluß auf den Preis ansehen, dann werden Sie feststellen, daß die Spanne, von der Sie gesprochen haben, bei weitem nicht genügt, um darin das unterzubringen, was in der Verkehrsmöglichkeit und in der Bedienungsmöglichkeit zwischen gewerblichem Verkehr und Eigenverkehr — sprich hier: Güterfernverkehr und Werkfernverkehr — als Unterschied gegeben ist.
— Jawohl. Ich sage nur: Sie können diese Unterschiede in der Spanne nicht unterbringen, und wenn Sie diese Spanne ungebührlich ausweiten, kommen Sie sicherlich zu Klagen vor dem Verfassungsgericht wegen einer Verletzung des Grundrechtes der Gleichheit vor dem Gesetz, die wir ja
L) auch sonst schon befürchten und die zu vermeiden
unsere Entscheidungen oft so schwierig macht.
Aber die Geschichte hat ja noch einen andern Nachteil. Ich habe mir schon heute früh erlaubt, darauf hinzuweisen, daß die Lösung der Frage ja nicht vom Preis abhängt, und eben weil sie nicht vom Preis abhängt, sondern weil der Werkverkehr seine Rolle spielen kann aus einer ganzen Reihe von anderen Komponenten, die ich aufgezählt habe — sprechen wir vielleicht im Hafendeutsch: weil er Faszilitäten besitzt, Herr Schmidt,
die der gewerbliche Güterfernverkehr nicht aufzubringen vermag —,
— natürlich ein Fremdwort, aber ein Fremdwort, das man in Hamburg versteht —, lassen sich diese Faszilitäten leider durch den Preis und also auch durch eine Besteuerung nicht ausgleichen, so daß man deswegen bei diesem Versuch einer Lösung in erhebliche Schwierigkeiten kommen wird. Sie werden, wenn Sie dieser Frage einmal wirklich gründlich nachgehen, zu dem Ergebnis kommen, daß es so nicht geht. Ich gebe Ihnen dazu, weil Sie heute bei Ihren Darlegungen so gern ins Ausland abgeschweift sind, noch ein Stichwort: England. In England hatten wir einen gewerblichen Güterverkehr, private Eisenbahnen, aber kaum einen Werkverkehr. Da kam die sozialistische Regierung. Sie hat die Eisenbahnen verstaatlicht, sie hat auch den gewerblichen Güterfernverkehr verstaatlicht. Und was ist der Effekt? Der Werkverkehr hat sich in dieser Zeit in England etwa verzehnfacht. Irgend so eine Größenordnung wird es sein; ich habe die Zahl nicht genau im Kopf. Jedenfalls hat er unangemessen zugenommen, und der Versuch, diese Entwicklung jetzt wieder zurückzudrehen, ist natürlich sehr viel schwieriger, nachdem sich nunmehr in England ein solcher Werkverkehr entwickelt hat.
— Bitte, Herr Schmidt!
— Es ist mir völlig klar, daß sie das getan hat. Sie hat diese Ausgleichsabgabe eingeführt. Aber Sie wissen sicherlich, daß die Frage Straße-Schiene damit bisher in England nicht geregelt werden konnte. Der jetzige Generaldirektor der englischen Eisenbahnen, Mr. Elliot , hat mir noch vor wenigen Monaten gesprächsweise gesagt, daß durch die bisher getroffenen Maßnahmen das Chaos, wie er es nannte, in den Relationen zwischen Schiene und Straße in England nicht gelöst worden ist.
Es ist nicht so, daß wir uns um diese Lösungsversuche in anderen Ländern nicht bekümmerten. Genau so habe ich mich für den Lösungsversuch in Holland interessiert. In Holland hat man eine sehr schöne marktkonforme Lösung getroffen, die man vielleicht auch für Deutschland empfehlen könnte, wenn man die Voraussetzungen nicht gründlich nachprüft. Sie, Herr Kollege Schmidt, wünschten ja marktkonforme Mittel; ich wünsche verkehrskonforme Mittel. Das ist ein gewisser Unterschied. Die marktkonforme Lösung in
Holland sieht so aus, daß man die Festtarife zu Höchsttarifen gemacht hat, und das hat sich in Holland auch durchaus bewährt. Warum? Weil es ein kleines Land ist, in dem man eben im allgemeinen nur Nahverkehr und nicht wie bei uns Fernverkehr hat.
Hier kommen wir auf eine wirklich interessante Erscheinung, auf die Sie, Herr Schmidt, auch hingewiesen haben. Sie sprachen davon, daß man nicht eine Verkehrsteilung nach Güterarten, sondern eine Verkehrsteilung nach Entfernungen machen sollte. Nun, die Vorschläge, die ich gemacht habe, zielen ab auf eine Verkehrsteilung nach Güterarten und Entfernungen. Hier sind beide Momente berücksichtigt. Leider sind Sie darauf nicht eingegangen.
Sie entnehmen dem Morgenthaler-Gutachten die Zahl von 150 km. Verehrter Herr Schmidt, das Morgenthaler-Gutachten ist das Arbeitsergebnis einer Untersuchung von Wirtschaftsprüfern, die von diesen ganzen Betriebsabrechnungen mehr verstehen, als ich es kann. Ich muß aber sagen, daß diese Repräsentativuntersuchung wirklich eine Reihe solcher Fehler aufweist, ja nach Lage der Voraussetzungen aufweisen muß, daß ich sie nicht zur Grundlage einer Betrachtung habe machen können. Die Tatsachen beweisen ja auch, daß das Morgenthaler-Gutachten gar nicht so entscheidend in Frage kommen kann: denn sonst würden ja doch nicht alle Kraftverkehrsunternehmen im Fernverkehr grundsätzlich weiter fahren als die berühmten 150 km, bei denen sich nach Herrn Morgenthaler die Kurven eigentlich schneiden müßten, so daß das Weiterfahren unwirtschaftlich wird. Hier spielt eine Rolle, daß sie eben mit den Tarifen anstoßen können, und dieses Anstoßen der Tarife ist dabei der entscheidende Punkt, den Herr Morgenthaler nicht vorausgesehen hat.
Sie haben dann gesagt, Sie seien der Ansicht, daß der Kraftwagentarif und der Eisenbahntarif — seinerzeit in ihrer gegenseitigen Bindung in der Ara Dorpmüller geschaffen — auseinanderentwikkelt werden sollten; man könnte aber zur Zeit auf die Gemeinschaft dieser Tarife noch nicht verzichten. Darin stimme ich mit Ihnen völlig überein. Aber wenn Sie die Tarifentwicklung der letzten vier Jahre überprüft haben, werden Sie festgestellt haben, daß wir uns um diese sanfte Auseinanderentwicklung sehr wohl bemüht haben und daß wir da in mancher Beziehung nicht unerheblich an Boden gewonnen haben. Ich glaube also, daß dieses Problem eben nicht allein vom Tarif her gesehen werden kann. Als ich die Frage der Verkehrsteilung ansprach, wollte ich der Meinung Ausdruck geben, daß man das Problem Schiene-Straße nicht durch den Tarif allein lösen kann, etwa in dem Sinne, daß man die Massengütertarife bei der Eisenbahn herabsetzt und beim Güterfernverkehr heraufsetzt und die Tarife der oberen Klassen bei der Eisenbahn herauf- und beim Güterfernverkehr heruntersetzt, indem man also ein ganz differenziertes, auch in den einzelnen Regeltarifklassen verschiedenes System entwickelt. Ein solches System wird ja auch nicht etwa von den Gutachten der Herren Professoren vorgeschlagen. Wenn man es entwickeln wollte, so glaube ich, daß man damit doch nicht zum Erfolg kommen kann, weil eben der Werkverkehr als der von Ihnen gerühmte Hecht im Karpfenteich so stark ist, daß er dann die ganzen anderen Karpfen alle verspeist — er wird sich dann auf der Straße noch mehr ausdeh-
nen —, so daß wir nur die Gräten von dem gewerblichen Verkehr übrigbehalten, die wir dann mit Fleisch, also Subventionen, wieder füllen müssen. Bedenken Sie doch bitte, daß bei diesen Entscheidungen immer wieder der Faktor Zeit die entscheidende Rolle spielt. Ich habe auch schon heute früh darauf hingewiesen, verehrter Herr Schmidt, daß der Faktor Zeit sehr bedeutungsvoll ist, so daß eben das hochwertige Gut dem schnelleren Verkehrsmittel automatisch zuläuft und wir das weder mit gemeinwirtschaftlichen noch mit tarifarischen Maßnahmen verhindern können.
Wir haben davon gesprochen, daß wir die Massengüter auf der Straße einschränken wollen. Wir werden uns wohl zu gegebener Zeit darüber in diesem Hohen Hause noch unterhalten können, wenn sich die Bundesregierung entschließt, solchen Gedankengängen Raum zu geben. Man kann aber hier ernsthaft nicht von einer Strangulierung reden, einmal deswegen nicht, weil die Massengüter in der Nahzone, also bis 50 km im Umkreis des Standorts des Fahrzeuges — natürlich genau wie alle anderen Güter —, der Straße vollständig erhalten bleiben, die Beschränkung der Transporte der Massengüter auf der Straße also nur eine Frage des Fernverkehrs ist, und zum anderen deshalb nicht, weil diese Massengüter nun tatsächlich besonderen Anlaß zu der Vergrößerung des Lastkraftwagens gegeben haben. Tatsächlich sehen wir, daß in der Masse die großen Lastwagen nur so ausgenutzt werden, daß sie Massengüter fahren, mindestens auf einer Fahrt.
Sie sprachen aber, verehrter Herr Schmidt, von der Strangulierung des Werkverkehrs. Der Anteil des Werkverkehrs, der im Bringverkehr fährt, ist im Rahmen des gesamten Werkverkehrs, d. h. Nah-und Fernverkehr zusammen, verhältnismäßig gering. Dieser Werkverkehr, der im Bringverkehr fährt, hat aber eine andere Eigenschaft, nämlich die, die Leute entweder zu gewissen „marktkonformen Mitteln", d. h. Liberalisierung ohne Kostenberechnung für den Transport, anzuregen oder im Gegenverkehr andere Güter zurückzubringen, die hauptsächlich dem Massengutverkehr zugehören, vielfach also unechten Werkverkehr zu betreiben. Deswegen hängen diese Fragen miteinander zusammen.
Sie sind der Meinung, daß sich der Bringverkehr durch den Holverkehr ersetzen wird. Nun, wir haben den Holverkehr nie verboten. Dort, wo An-transport von Roh- und Halbzeug zu einer echten Produktion für die Industrie notwendig ist, da ist es ein echter Werkverkehr, genau so wie die Versorgung der Außenbetriebsstellen mit den Produkten oder weiterzuverarbeitenden Produkten mit Hilfe des Eigenverkehrs. Ein Endprodukt eines Unternehmens kann selbstverständlich für ein anderes Unternehmen Ausgangs- und Rohprodukt sein. Wenn ich in Troisdorf Kunststoffe herstelle, dann sind sie natürlich für den weiterverarbeitenden Betrieb, der daraus Lagerschalen oder irgend etwas anderes fertigt, Rohprodukte. Die Verhältnisse spielen so natürlich in einer etwas eigenartigen Weise durcheinander. Man kann die Grenze nicht klar ziehen. Aber Sie verhindern jedenfalls mit dem Verbot des Bringverkehrs auch eine Vertrübung der Marktverhältnisse, die sich jetzt in immer stärkerem Maße zeigt und die zweifellos auf dem Rücken der Bundesbahn ausgetragen wird. Ich bin nicht der Meinung, daß man diese Entwicklungen ohne Bedenken so weiter laufen lassen kann.
Sie haben uns weiter den Vorwurf gemacht, daß wir, seinerzeit, im Jahre 1950/51 das Maximalgesamtgewicht des beladenen Lastzuges auf 40 t festgesetzt haben. Herr Schmidt, das Maximalgesamtgewicht ist damals im Zusammenhang mit den anderen Abmessungen — einmal im Zusammenhang mit den internationalen Bestimmungen der Verträge in Genf von 1949 und 1950 und zum anderen auf Grund sehr eingehender Beratungen mit allen Experten — festgesetzt worden. Es waren gerade die Vertreter der Lastkraftwagenindustrie, die auch mit dieser Begrenzung sehr unzufrieden waren und eine wesentlich höhere Zahl haben wollten. Das ergibt sich auch daraus, daß wir inzwischen wiederholt Anträge von Lastkraftwagenfabriken gehabt haben, Lastzüge mit Gesamtgewichten von 50 und mehr Tonnen als Ausnahmen zuzulassen; das haben wir regelmäßig abgelehnt. Wir mußten damals eine Entwicklung abstoppen, die schon in vollem Gange war, und konnten nur so die Hypertrophie der Lastkraftwagen eindämmen. Wenn wir in Zukunft keine Massengüter mehr auf den Straßen zu fahren brauchen — sie stellen nämlich einmal vielfach eine besondere Gefährdung des Straßenverkehrs und dann eine ganz besondere Belastung der Straße dar, während diese Güter auf der anderen Seite volkswirtschaftlich ohne weiteres auf der Schiene und mit der Binnenschiffahrt transportiert werden könnten, denn wir sind ja aus der Zeit des Mangels an diesen Gütern hoffentlich auf die Dauer heraus —, so werden wir sicherlich dazukommen, daß diese Wünsche, so übertrieben große Lastkraftwagen zu fahren, gar nicht mehr gegeben sind. Wir werden dann eine langsame Umstellung unserer Lastkraftwagenproduktion bekommen, wie wir sie auch damals bekamen, als wir den zweiten Anhänger verboten haben. Solche Entwicklungen laufen also, wenn man sie einigermaßen organisch und vernünftig anfaßt, durchaus in Ordnung.
Sie haben sich dann sehr eingehend mit dem Verhältnis von Post und Eisenbahn beschäftigt. Herr Schmidt, ich darf sehr hoffen und wünschen — ich weiß nicht, ob ich richtig unterrichtet bin, daß Sie dem Verwaltungsrat der Post zugehören werden —, daß Sie dann diese Tendenzen weiter vertreten werden.
Sie werden dann in mir einen guten Bundesgenossen finden, denn wir bemühen uns um diese Fragen seit langer Zeit wirklich sehr ernstlich. Ich glaube, man kann weder der Bundesbahn noch dem Bundesverkehrsministerium einen Vorwurf machen, daß wir in dieser Beziehung nicht weiter gekommen sind.
Ich darf darauf hinweisen, daß es erfreulicherweise in letzter Zeit über den Paket- und Expreßgutverkehr zu gewissen Abstimmungen zwischen Bahn und Post gekommen ist, und ich hoffe, daß das ein gutes Zeichen für die weitere Entwicklung ist.
Bezüglich der Omnibustarife darf ich darauf hinweisen, daß es nicht etwa der private Unternehmer ist, der den Preis nicht heraufsetzen wollte; es war die Post, die das nicht wünschte, und zwar aus bestimmten Gründen, die ich durchaus verstehe. Sie wollte ihre eigene Rolle auch auf diesem Gebiet tarifarisch besonders betonen. Denn sie steht auf dem Standpunkt, daß sie den Verkehr auf der
Straße mit Omnibussen auf Grund des ihr seinerzeit einmal gegebenen Regals betreiben kann. Sie kennen das berühmte Wort von dem „Loch im Verkehr", das einmal eine deutsche Verkehrszeitung aufgeworfen hat, um zu zeigen, daß hier tatsächlich die Schwierigkeiten liegen, die uns auch beim Personenbeförderungsgesetz ganz außerordentlich hemmen. Ich hoffe sehr, daß es uns gemeinsam gelingt, diese Schwierigkeiten einmal, nein, bald zu überbrücken. Ich bin mit Ihnen durchaus in all dem einverstanden, was Sie über die Unsinnigkeit dieser Konkurrenz zweier großer staatlicher Unternehmungen gesagt haben. Nicht jede Berufsverkehrsstrecke der Eisenbahn wird aber durch eine Omnibusstrecke begleitet. Infolgedessen ist die Sache doch nicht ganz so, wie Sie sie dargestellt haben. Ich darf auch darauf hinweisen, daß die Bahn auf ihren Omnibusstrecken Sozialtarife hat, die zwar etwas höher liegen als ihre übrigen Sozialtarife auf der Schiene, aber doch etwa 50 % niedriger als die Regeltarife sind. Ich wünschte selbst, wir hätten die Möglichkeit, durch einen vernünftigen Ausgleich dazuzukommen, daß unsere Arbeiter so befördert werden, wie ich das gern haben möchte, in vernünftigen und ordentlichen, gut beleuchteten und gut gelüfteten Wagen. Ich muß allerdings sagen: Herr Mommer hat mir bisher das erbetene Material noch nicht zur Verfügung gestellt; ich warte aber gerne weiter und bin sehr gespannt darauf.
Verehrter Herr Schmidt, Sie haben sich dann sehr eingehend — und darüber darf ich noch einiges sagen — mit dem Gutachten unseres Wissenschaftlichen Beirats beschäftigt. Da Sie das so stark herausgestellt haben, sollte ich eigentlich den Schluß ziehen: wie schade, daß ich das drucken und allen Mitgliedern des Hohen Hauses in die Schublade habe legen lassen. Sonst hätten Sie sich gar nicht so eingehend damit beschäftigen können. Aber ich habe diesen Druckauftrag bereits im Oktober gegeben, sobald ich wieder mit dem Amt des Bundesverkehrsministers betraut war.
Das Gutachten hat ein falsches Datum. Der Wissenschaftliche Beirat hatte damals noch Bedenken, es herauszugeben, auch an mich. Es ist noch einmal überarbeitet worden. Ich darf aber auch bemerken, daß in dem Wissenschaftlichen Beirat einige Herren der Eisenbahn sitzen und daß zu der Zeit der Vorsitzende noch Herr Professor Dr. Frohne war, weshalb ich wohl annehmen darf, daß die Bundesbahn über die Entwicklung dieser Sache laufend unterrichtet gewesen ist.
— Er hat nicht unterschrieben, weil er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn diese nicht an das Gutachten binden wollte. Er hat aber den ganzen Verhandlungen vorgesessen und ist über jede Einzelheit in der Entwicklung dieser Arbeit im Bilde gewesen, und die Experten der Bundesbahn — das können Sie mir glauben — haben den Herren Professoren bei der Abfassung dieses Gutachtens dauernd zur Verfügung gestanden. Es ist also eine Gemeinschaftsarbeit gewesen, wobei die Herren das Material, was ihnen vorgelegt worden ist, entsprechend ausgewertet haben. Zu der Zeit aber, als die Bundesbahn die Anträge auf Abwertung der A- bis D-Tarife stellte — das war nämlich im März/ April —, lag das Gutachten leider noch nicht vor. Infolgedessen konnte es damals noch niemandem in die Hand gegeben werden. Warum die Bundes-
bahn es damals nicht benutzt hat, das wird sie sicherlich sehr genau geprüft haben!
Sie haben weiter auf die Verhandlungen zwischen den Verkehrsträgern hingewiesen. Ich wiederhole dazu, was ich vorhin gesagt habe, daß im Jahre 1950 auf meine Veranlassung die Verhandlungen zwischen Bundesbahn und Binnenschiffahrt eingesetzt haben, die laufend weitergeführt worden sind und zu den günstigen Erfolgen geführt haben, die ich aufzeigen konnte. Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß die Verhandlungen — und diesen Punkt haben Sie sehr richtig erwähnt —zwischen Straße und Schiene eben deswegen so schwierig sind, weil immer nur ein Teil der Straße, nämlich der gewerbliche Verkehr, an den Verhandlungstisch zu bringen ist, während der größere Teil des Straßengüterverkehrs, der Werkverkehr, draußen bleibt und nicht zu fassen ist. Das ist für beide Verhandlungspartner des gewerblichen Verkehrssektors eine sehr unangenehme Situation. Würde es aber gelingen, mit einer Verkehrsteilung nach Entfernung und Güterarten — man kann die Schnitte legen, wie man will — eine Grundlage zu schaffen, die nicht zu einem neuen Monopol führen kann — denn die Binnenschiffahrt bleibt ja Konkurrent —, wohl aber zu klaren Verhältnissen, dann wären allerdings, glaube ich, die Voraussetzungen geschaffen, einen besseren Ausgleich zwischen diesen beiden Verkehrsträgern zu finden, die auf Schiene und Straße gewerblichen Verkehr betreiben. Dazu sind aber noch gewisse Entwicklungen abzuwarten.
Wir haben gesetzlich festgelegt, daß die Zahl der Konzessionen im gewerblichen Güterfernverkehr nach und nach schrumpft. Verehrter Herr Schmidt, ich bin der Meinung — und ich glaube, diese Ansicht wird das Haus mit mir teilen —, daß wir, nachdem wir uns auf der einen Seite im Güterkraftverkehrsgesetz wiederholt zu dem Prinzip der Konzession im gewerblichen Verkehr auf der Straße, soweit er Fernverkehr ist, bekannt haben, daß wir dann auf der andern Seite auch bereit sein müssen, diesem gewerblichen Verkehr in eindeutiger Weise seinen Lebensraum zu garantieren. Deswegen können bei einer Verkehrsteilung die Schnitte naturgemäß nicht so gelegt werden, daß der gewerbliche Verkehr einseitig oder hauptsächlich betroffen wird, sondern dann muß leider Gottes und mit Vorrang eben auch der Werkverkehr
Haare lassen. Er muß Haare lassen, weil wir ein ausreichendes Straßensystem für diesen Grad der Motorisierung leider nicht besitzen und in nur kurzer Zeit auch nicht schaffen können.
Ich würde zu diesen Vorschlägen einer Einschränkung auf der Straße niemals kommen, wenn ich auch nur den Schimmer einer Hoffnung sähe, daß wir in den nächsten Jahren unser Straßensystem so ausbauen könnten, wie es dem jeweiligen Stand unserer Motorisierung entspricht. Sie entwickelt sich ja immer weiter. Wir werden mit dem Straßenausbau immer in der berühmten, aber nicht beneidenswerten Lage sein, daß wir der Motorisierung zu Fuß nachhinken; notabene ist das nicht eine Schuld unserer Zeit oder gar der letzten vier Jahre, sondern diese Schuld erfaßt die ganzen ersten 50 Jahre dieses Jahrhunderts. So wenig, wie die Leute im Jahre 1910 die Entwicklung der Motorisierung durch den Krieg 1914/1918 vorausgesehen haben, so wenig konnten wir 1948/1949 glauben, daß sich die Zahl der vorhandenen Kraftfahrzeuge in vier Jahren mehr als verdoppeln würde. Das ist sicherlich eine Folge der guten Wirtschaftspolitik, die sehr vielen Menschen die Möglichkeit
gegeben hat, sich Autos und Motorräder anzuschaffen. Sicherlich ist es auch ein Element, das nicht wenig zur Hebung des Lebensstandards weiter Kreise unseres Volkes beigetragen hat.
Noch eine Bemerkung zu der Frage der Einnahmesteigerung für die Bundesbahn, die ich vorhin angeschnitten habe. Sie haben vollständig recht, daß früher, also in den dreißiger Jahren, die durchschnittliche Länge des Transportweges der beförderten Güter bei der Eisenbahn sogar etwas niedriger war als heute. Aber vergessen Sie doch bitte nicht, daß in der Zwischenzeit eine erheblich Wandlung eingetreten ist, weil der Kraftwagen im Nah- und Flächenverkehr der Eisenbahn weitgehend die Transporte abgenommen hat, so daß wir heute praktisch bei weitem nicht mehr jenen Anteil des Nahverkehrs an den Eisenbahntransporten haben wie früher, also auch zu der Zeit, in der diese Zahlen damals festgelegt wurden. Damals drückte der weit umfangreichere Nahverkehr auf diese mittlere Entfernungslänge, und diese mittlere Entfernungslänge hätte auch nicht wachsen können in der so viel kleineren Bundesrepublik Deutschland, wenn diese Verhältnisse sich nicht auch hier ausgeprägt hätten. Insofern bin ich durchaus berechtigt, anzunehmen, daß, wenn wir nicht nur Mitteldeutschland, sondern Deutschland in seiner alten Form, auf die die Bundesbahn schließlich zugeschnitten war, wiederhaben könnten, die Verkehrslänge entsprechend größer sein würde, als jetzt bei unserem Raum. Ich habe sie einmal mit 50 % größer angenommen, nur um zu beweisen, daß dann die Verhältnisse sich für die Bahn wesentlich günstiger gestalten würden. Ich habe das nicht als ein Mittel angesehen, verehrter Herr Schmidt, auf das man warten sollte, damit die Bahn dann gesundet, sondern ich habe in der Kontroverse mit Ihrem verehrten Herrn Kollegen Dr. Bleiß nur ausgeführt, daß hierin eigentlich einer der wesentlichen Gründe liege, weshalb es der Bundesbahn heute soviel schlechter geht als früher der Reichsbahn. Wir wissen wohl sicher, daß die Beschränkung des Betriebsnetzes der Bahn auf das Gebiet der Bundesrepublik für die Eisenbahn in vielfältigster Beziehung, nicht nur in dieser einen, eine ungeheure Belastung dargestellt hat, mit der sie auch fertig werden muß, wobei ich noch bemerken darf, daß -- wie Ihnen natürlich bekannt ist — die Mehreinnahmen, die ich erziele, wenn die durchschnittliche Entfernung größer wird, praktisch zu 80 % echte Mehreinnahmen sind, die verbleiben, weil ja die Zugbildungs- und die Zugauflösungsvorgänge, die einen sehr großen Anteil an den gesamten Transportkosten ausmachen, die gleichen bleiben. Insofern habe ich an dieser Steigerung der mittleren Entfernung ein unerhörtes Interesse, genau so wie ich ein unerhörtes Interesse daran habe, daß die Umlaufszeit der Waggons weiter herabgesetzt wird, weil damit eine wesentlich größere Ausnutzung der Eisenbahnanlagen erreicht wird.
Sie haben dann weiter gesagt, verehrter Herr Kollege Schmidt, Sie sprächen von einer Krise der Verkehrspolitik, und Sie wollten nicht von einer Verkehrskrise sprechen. Ich sagte vorhin schon: wir haben ja zunächst eine Phase gehabt, in der wir Fundamente legen mußten. Ich glaube, die Situation wird von allen, die im ersten Bundestag mitgearbeitet haben, in gewisser Weise anerkannt werden müssen: daß dieses Legen der Fundamente notwendig war und daß es natürlich Arbeit und Kraft erforderte, daß aber vielleicht auch in dieser
Zeit sich erst einmal die Entwicklungslinien ausbilden mußten, aus denen heraus man jetzt retrospektiv natürlich manches sagen kann. Ich glaube nicht, daß Sie Ihre Rede im Jahre 1949 so gehalten hätten wie heute, und ich hätte meine Rede auch nicht so gehalten wie heute. Die Verhältnisse, die wir heute rückwärts übersehen, haben wir damals vorwärts nicht übersehen können; das ist eindeutig klar. Sie haben nicht an den ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung geglaubt, der dank der Politik der Bundesregierung eingetreten ist. Nicht einmal wir haben geglaubt, daß es so gut gehen würde, und erst die Wahl am 6. September hat uns ja dann bewiesen, wie gut es gegangen ist.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren,
möchte ich diese Diskussionsbemerkung schließen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schneider .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir fällt die nicht sehr leichte Aufgabe zu, nach so zahlreichen Rednern, die über das heute zur Debatte stehende Thema so detaillierte Ausführungen gemacht haben, noch weitere Gesichtspunkte zu finden. Erlauben Sie mir bitte trotzdem, daß ich in großen Zügen den Standpunkt der Fraktion der Deutschen Partei umreiße.
Wenn man in den letzten Monaten in die Presse geschaut hat, dann konnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, daß neben der Verkehrsmisere als solcher noch ein Kampf aller Verkehrsteilnehmer gegen alle stattfinde. Es ist wahrhaftigen Gotts ein Kuriosum, und zwar ein sehr trauriges Kuriosum, daß Schiene und Straße in der ganzen verflossenen Zeit nicht an einen Tisch zu bringen waren. Ich kann daher die hier gemachte Bemerkung nur unterstreichen, daß es höchste Eisenbahn ist, das zu tun, was auch in anderen Wirtschaftszweigen gang und gäbe ist, und sich, wenn man sich nicht versteht, an einen Tisch zu setzen, um sich zu verständigen. Es ist ein mißlich Ding, wenn man nur mit Lautstärke und gegenseitigen Beschimpfungen versucht, dem andern den Rang abzulaufen oder den Standpunkt klarzumachen. Damit wird man vor allem in der Öffentlichkeit keinen Widerhall finden.
Es wurde hier vom Herrn Bundesverkehrsminister und von verschiedenen Sprechern des Hauses schon herausgestellt, daß der Verkehr als ein Ganzes zu betrachten sei, das nicht geteilt werden könne, daß der Verkehr darüber hinaus der Wirtschaft zu dienen habe und nicht etwa der Wirtschaft oder der Öffentlichkeit schlechthin als Prügelknabe dienen dürfe. Der jetzige Zustand, daß sich die verschiedenen Sparten des Verkehrs wie feindliche Brüder gegenüberstehen, ist unerträglich, und die Bevölkerung — sowohl als Menschen wie als Steuerzahler — erwartet von der Bundesregierung und auch vom Bundestag, daß beschleunigt Maßnahmen getroffen werden, um endlich eine Ordnung in unser Verkehrswesen zu bringen.
Ich möchte übrigens bei dieser Gelegenheit bemerken, daß in der Flut der Interessentenzuschriften eine in der Tonart eine angenehme Ausnahme gemacht hat. Das war das Exposé des Ausschusses Kraftverkehrswirtschaft, das in sehr sachlicher
Das erste Gebot dürfte sein, die Kreditwürdigkeit der Deutschen Bundesbahn wiederherzustellen. Meine Fraktion hat vor, Ihnen auch dazu einen Antrag vorzulegen. Wir sind der Auffassung, daß die betriebsfremden Personalkosten auf den Bundeshaushalt übernommen werden müssen. Wir sind weiter der Auffassung, daß sämtliche Schulden, die aus Kriegsschäden und Kriegsfolgeschäden entstanden sind, nebst dem zugehörigen Kapital- und Zinsendienst ebenfalls auf den Bundeshaushalt übernommen werden müssen.
Man wird uns natürlich entgegenhalten, das sei eine allzu billige Forderung und auch uns seien die Möglichkeiten des Bundeshaushalts bekannt. Das ist kein Argument. Es m u ß ein Weg gefunden werden, um die Bundesbahn von den betriebsfremden Lasten zu befreien. Auch hier wurde schon von einem der Herren Vorredner bestätigt, daß zumindest fast alle europäischen Staaten ihre Eisenbahn in dieser Weise unterstützen. Wir werden, wenn wir überhaupt aus der Bundesbahnmisere herauskommen wollen — wir können es hin und her überlegen, wie wir wollen —, nicht drum herumkommen, der Bundesbahn diese Lasten, die ihr nicht zugehören, abzunehmen. Vergessen wir doch vor allen Dingen eines nicht: die Bundesbahn gehört letzten Endes uns allen, und wir haben deshalb auch die Verpflichtung, sie vor weiterem Schaden zu bewahren.
Daß die Bundesbahn eine gemeinwirtschaftliche Aufgabe mit all den Nachteilen, die sich daraus ergeben, zu erfüllen hat, brauche ich hier nicht im einzelnen zu erläutern. Einer der Nachteile ist, daß sie praktisch nicht selbst ihre Tarife gestalten kann, sondern daß dies staatlicherseits geschieht,
während die Wirtschaft, wenn es hoch kommt, der Preisbehörde unterliegt.
Ich darf vielleicht daran erinnern, daß der Etat der Deutschen Bundesbahn bis zum Jahre 1952 praktisch ausbalanciert war und daß durch die dann eintretenden Gehaltserhöhungen in Höhe von rund 500 Millionen DM sowie durch die Kohlenverteuerung, die rund 100 Millionen DM ausmachte, und die Stahlverteuerung, die rund 90 Millionen DM ausmachte, das heutige Defizit zustande gekommen ist. Der Personaletat der Bundesbahn beträgt, wie Ihnen bekannt ist, 3,8 Milliarden DM, wovon allein 1 Milliarde an Pensionslasten aufzubringen sind. Vielleicht mag es auch ein Fingerzeig sein, wenn man versucht, die alten Reichsmark-Anleihen im Ausland zu konvertieren und damit auch den Kapitalmarkt für die Deutsche Bundesbahn wieder zu eröffnen. Jedenfalls muß ich mit allem Nachdruck darauf hinweisen, daß eine Sanierung der Bundesbahn auf finanzpolitischem Gebiet nur möglich ist — darüber dürfen wir uns keiner Täuschung hingeben —, wenn der Bundesfinanzminister für die Zukunft die Verantwortung für diese Dinge übernimmt. Auf der anderen Seite dürfte es klar sein, daß mit einer Lösung dieser Frage auch die Spannungen, die heute zwischen der Schiene und der Straße bestehen, weitgehend gelöst sein dürften.
Die Fraktion der Deutschen Partei ist deshalb der Auffassung, daß der Bundesfinanzminister, d. h. letzten Endes der Bundeshaushalt, diese Kosten übernehmen muß. Ich scheue mich gar nicht, zu sagen, daß die Bundesbahn auf der anderen Seite die verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat, auch ihre Karten offen auf den Tisch zu legen. Das ist, soviel ich weiß, bis heute noch nicht geschehen.
Die Bundestagsfraktion der Deutschen Partei erlaubt sich, Ihnen einen Antrag vorzulegen, in dem die Bundesregierung ersucht wird,
1. die bei der Deutschen Bundesbahn durch Beseitigung ihrer Kriegs- und Kriegsfolgeschäden entstandenen und entstehenden Schulden auf den Bund zu übernehmen und
2. die betriebsfremden Personalkosten der Deutschen Bundesbahn in den Bundeshaushalt zu übernehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach all dem, was hier heute schon zu dem Thema „Straße" gesagt worden ist, hieße es, Eulen nach Athen tragen, wenn ich mich noch des längeren und breiteren zu diesem Thema äußern würde. Ich muß aber dem Kollegen Rademacher recht geben, wenn er hier die Forderung aufgestellt hat und es als unbedingt notwendig bezeichnet hat, die Geschwindigkeitsbeschränkung, die früher bestand, nicht erneut auf die Landstraßen anzuwenden, auf der anderen Seite aber dafür zu sorgen, daß in den Gemeinden wieder eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung eingeführt wird. Man soll andererseits in den Ländern und Gemeinden nicht das alleinige Heil vom Bund erwarten; es gibt durchaus auch im Rahmen der derzeitigen bundesgesetzlichen Bestimmungen Möglichkeiten, durch Verwaltungs- und sonstige Maßnahmen eine solche Geschwindigkeitsbeschränkung einzuführen. Ich glaube, es ist in vielen Städten bisher viel zu wenig Gebrauch davon gemacht worden,
Es wird im Zusammenhang mit der Frage „Straße" immer das Schlagwort gebraucht, daß das
Bundesverkehrsministerium bzw. die Bundesregierung sich anschicke, in dirigistische Methoden zurückzufallen. Der Bundesverkehrsminister hat hier eben angeführt, daß es bei dem derzeitigen Zustand des Straßennetzes im Vergleich zur Kraftwagenproduktion einfach ein Ding der Unmöglichkeit sein wird — das wird wahrscheinlich auch von niemandem im Hause bestritten —, beides in absehbarer Zeit in eine vernünftige Relation zu bringen, so daß es notwendig sein wird, eine Notlösung zu treffen. Aus diesem Grunde ist es im Augenblick eben nicht möglich, nur mit rein marktwirtschaftlichem Denken diesem Problem zu Leibe zu rücken; es wird notwendig sein, eine gewisse Lenkung oder Planung in diesen Dingen zu betreiben. Deswegen braucht man nicht gleich zu glauben, daß nun etwa die Zwangs- und Planungswirtschaft auf dem Verkehrssektor in Sicht sei. Naturlich müssen die Probleme der Kraftfahrzeugindustrie mit ihren weitverzweigten Zubringerindustrien, die ja Hunderttausende von Menschen beschäftigt, entsprechend berücksichtigt werden. Daß es nicht geschehen ist, ist zweifellos — das geben auch wir zu — eine Schuld des Bundestages und letzten Endes auch der Bundesregierung. i- ber wir müssen nun einmal sehen, wie wir mit dem Problem, so wie es sich inzwischen ausgewachsen hat, fertig werden. Herr Dr. Seebohm hat hier ferner ganz richtig gesagt, daß die Kapitalarmut der verflossenen Jahre, verbunden mit der geringen Lagerhaltung bei der Industrie und beim Handel, dazu geführt hat, daß der Verkehr — jedenfalls der Lastverkehr — heute einen derartigen Umfang erreicht hat.
Ich habe hier heute keine konkreten Vorschläge gehört — ich habe sie unter Umständen überhört —, wie man die rund 10 bis 12 Milliarden DM aufzubringen gedenkt, die für einen angemessenen Ausbau unseres Straßennetzes notwendig sein würden. Ich möchte auch die Frage, ob hierzu Anleihen nötig sind oder ob man das auf steuerlichem Wege, sei es durch Kraftstoffsteuer oder sonstige Dinge, erreichen kann, nicht weiter ventilieren, da diese Frage wahrscheinlich noch eingehender Erörterung im Verkehrsausschuß bedarf. Im übrigen bin ich der Meinung, daß hier heute so viele und so wertvolle Anregungen für die Bundesregierung gegeben worden sind, daß sie sich bestimmt leichter als bis zum heutigen Tage tun wird, das Verkehrsproblem einer Lösung zuzuführen. Wie dem auch sei, woher das Geld auch kommen mag, ich glaube, es herrscht Einmütigkeit darüber, daß wir unter allen Umständen einen Weg finden müssen, den Straßenausbau dem Stande der Motorisierung anzupassen bzw. ihn mit der Motorisierung, die j a nicht aufzuhalten ist, Schritt halten zu lassen.
Ich will mich auch nicht weiter über die Frage des Werkverkehrs verbreiten; sie scheint mir nach der hier geführten Debatte noch zu unausgegoren, und ich möchte mich, ehrlich gesagt, auch nicht etwa nachher als Prügelknabe für einen Dirigismus in dieser Frage hinstellen lassen. Sie ist zu schwerwiegend, als daß sie mit leichter Hand vom Podium des Bundestages herab geregelt werden könnte; es bedarf dazu wirklich eingehender Überlegungen. Aber eins steht fest: Sollte es dazu kommen, daß der Werkverkehr eine Einschränkung erfährt, dann, meine Damen und Herren, werden wir alle die Verpflichtung haben — und ich habe mich gefreut, das auch auf der Linken des Hauses zu hören —, die kleinen bzw. die mittelständischen
Betriebe bei einer solchen Maßnahme weitestgehend zu schützen.
Ich möchte keinen Zweifel darüber lassen, daß wir in der Frage des Omnibusverkehrs mit der Sozialdemokratischen Partei und wohl auch mit den übrigen Fraktionen des Hauses konform gehen. Wir werden dem Antrag der SPD zustimmen. Es ist eine unabdingbare Forderung, daß sich auch die Bundespost bei verkehrspolitischen Maßnahmen letzten Endes dem Verkehrsministerium beugt. Wir wünschen ferner eine gemeinsam betriebene Gesellschaft von Bundespost und Bundesbahn, bitten allerdings, auch hierbei Bedacht darauf zu nehmen, daß diese Gesellschaft nicht etwa zu einer Monopolgesellschaft wird, die alle mittelständischen Betriebe kaputt macht, sondern daß man gerade diejenigen Zweige des Omnibusverkehrs, die sich für einen Mittelstandsbetrieb eignen, diesem auch unbedingt vorbehält.
Ich habe in der heutigen Morgenpresse eine Mitteilung über die Entschließung des Wirtschaftsausschusses der Christlich-Demokratischen Union gefunden und möchte mir gestatten, von seiten der Fraktion der Deutschen Partei kurz dazu Stellung zu nehmen. Eine Ausgleichsabgabe für das Kraftfahrzeug bedeutet nach unserer Ansicht praktisch eine Maßnahme zur Sanierung der Bundesbahn auf Kosten des Kraftverkehrs. Das kann von meiner Fraktion nicht anerkannt werden, vor allem deshalb nicht, weil es nach unserer Ansicht nicht möglich ist, den gewerblichen Mittelstand mit Abgaben zugunsten eines großen staatlichen Unternehmens zu belasten. Die Mittel für die Sanierung der Straße müssen nach Meinung meiner Fraktion ausschließlich von der Straße selbst aufgebracht werden, nicht aber die Mittel für die Sanierung der Bundesbahn. Die Sanierung der Bundesbahn — darin dürften Sie mit mir übereinstimmen — ist keineswegs Aufgabe irgendeines anderen Verkehrsträgers, sondern letzten Endes eine Aufgabe des Staates schlechthin. Der Vorschlag der ChristlichDemokratischen Union, alle Verkehrsträger — wenn ich mich recht entsinne, stand es so in der „Frankfurter Allgemeinen" — sollten ihre Verkehrswege selbst unterhalten, kann unseres Erachtens nur für die Bundesbahn und für die Straße in Frage kommen. Dabei muß ich darauf hinweisen, daß der Kraftverkehr in seiner Gesamtheit auf den drei Ebenen Bund, Länder und Kommunen ja auch die Mittel aufbringt, die für die Straßenunterhaltung ausgegeben werden können. Gleichzeitig muß ich allerdings bemerken, daß die Länder unid Kommunen gehalten sind, weit höhere Ausgaben zu tätigen, als sie an Einnahmen durch den Kraftverkehr selbst haben.
In diesem Zusammenhange erlaube ich mir außerdem darauf hinzuweisen, daß bei der Frage der Wegeunterhaltung die Wasserstraßen anders behandelt werden müssen, weil bei deren Ausbau nicht etwa die Verkehrsinteressen allein — diese nur in geringem Maße —, sondern überwiegend die Interessen der Wasserwirtschaft, des Wasserhaushalts und der Kraftgewinnung durch die Unterhaltungskosten befriedigt werden müssen. Die Fraktion der Deutschen Partei kann sich mit der vorgesehenen Kürzung der Beträge für den Ausbau der Wasserstraßen im Bundeshaushalt nicht einverstanden erklären. Wir hoffen zuversichtlich, daß wir hierbei unter Ihnen, meine Damen und Herren, noch Bundesgenossen finden. Ich bitte, zu beachten, daß für den Nord-Ostsee-Kanal, die Mittelweser
und den Dortmund-Ems-Kanal die ursprünglichen Ansätze des Bundesverkehrsministeriums wieder eingesetzt werden müssen. Im Nord-Ostsee-Kanal ist infolge ungenügender Baggerarbeiten inzwischen sogar die Gefahr heraufbeschworen worden, daß die Tauchtiefe im Kanal erheblich herabgesetzt werden muß, so daß die Schiffe bisheriger Größe den Kanal nicht mehr passieren können. Ich möchte die Haushaltsexperten der einzelnen Fraktionen herzlich bitten, dieser Angelegenheit ihr Augenmerk besonders zu schenken.
Ich komme zum Schluß. Das Thema des Verkehrs wäre nur halb behandelt, wenn nicht gleichzeitig auch die Frage der Schiffahrt und der Luftfahrt kurz angeschnitten würde. Ich hatte die Ehre, in einer der letzten Bundestagssitzungen bereits etwas über den Schiffbau zu sagen, und kann mich deswegen heute darauf beschränken, nochmals darauf hinzuweisen, daß es unbedingt notwendig ist, daß die Bundesregierung Maßnahmen überdenkt und ergreift, die die Fortführung des Schiffbaues wenigstens im bisherigen Umfang gewährleisten.
Ich darf in diesem Zusammenhang auch mit allem Respekt vor dem Bundeswirtschaftsministerium darauf hinweisen, daß es letzten Endes nicht Aufgabe des Bundesverkehrsministeriums, sondern in der Hauptsache Aufgabe eben des Bundeswirtschaftsministeriums ist, durch angemessene Eisenpreise, die ein rentables Arbeiten ermöglichen, dafür zu sorgen, daß weiterhin gebaut werden kann, ganz abgesehen von den Vergünstigungen— —
— Ja, Herr Bucerius, gerade deshalb!
Ich darf also bezüglich des Schiffbaues darauf hoffen, daß sich auch in anderen Fraktionen des Hauses Abgeordnete finden werden, die dieser großen Aufgabe ihr Interesse widmen, und daß wir anläßlich der Etatberatungen in den Stand versetzt werden, von der Bundesregierung zu erfahren, welche fördernden Maßnahmen sie für ,den Schiffbau vorgesehen hat.
Und ein Letztes, meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter keinen Umständen dürfen wir .die Luftfahrt vergessen. Sie wissen alle, daß in den verflossenen Monaten das Bundesverkehrsministerium auf diesem Sektor mehr oder minder im stillen erheblich gearbeitet hat. Wir stehen nun allerdings vor der Tatsache, daß durch die Nichtratifizierung der EVG und alle damit verbundenen Fragen in Zweifel gestellt ist, ob es überhaupt möglich sein wird, eine deutsche Luftfahrt zu begründen. Ich möchte deswegen die Bundesregierung von dieser Stelle aus bitten, mit den Alliierten in Verhandlungen einzutreten, um eine Änderung des Kontrollratsgesetzes zu erreichen mit dem Ziel, daß wir unter allen Umständen die nun einmal bestellten Flugzeuge abrufen und mit den freien Nationen in Europa, vor allem aber auch innerhalb Westdeutschlands einen Flugbetrieb aufnehmen können, wie wir es uns gedacht und gewünscht haben.
Zum Schluß möchte ich an die Vernunft und die Entschlossenheit nicht nur des Bundestages und der Mitglieder der zuständigen Ausschüsse, sondern auch der Bundesregierung appellieren und sie bitten, die zahlreichen Anregungen des Bundestages gut und schnell zu verwerten. Ich bin mit meinen Freunden der Meinung, ,daß es keinen Zweck hat,
nur halbe Lösungen oder Notlösungen zu treffen. Es muß hier einmal ein chirurgischer Eingriff gemacht werden, damit der Verkehr in Westdeutschland endlich in Ordnung kommt.
Das Wort hat der Abgeordnete Morgenthaler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit über fünf Stunden fahren wir zum Teil mit Schnellzugs-, D-Zugs-und Flugzeugsgeschwindigkeit durch die Gegend, und ich darf die Unentwegten bitten, jetzt einmal kurz auszusteigen und mit mir an einer Station zu halten, mit der sich der Antrag Drucksache 135 befaßt. Der Inhalt dieser Drucksache ist den Antragstellern schon lange ein Anliegen. Schon vor vier Jahren habe ich diese Frage mit dem ersten Bundesminister des Innern besprochen. Er hat damals gemeint, das sei eine Angelegenheit der Länder. Ich habe dann versucht, bei einzelnen Ländern Verständnis dafür zu wecken; es ist mir nicht gelungen. Ich muß aber grundsätzlich, auch als Föderalist, sagen, daß das nicht eine Angelegenheit der Länder sein kann. Wir Föderalisten wissen, daß es Dinge gibt, die nur durch den Bund geregelt werden können, und daß gerade diese Sache nur durch Bundesgesetz geregelt werden kann. Ich habe hernach in einer Fragestunde einmal an den Verkehrsminister die Frage gerichtet, ob eine Beschränkung des Lastwagenverkehrs möglich sei. Man hat mir darauf mit Ja geantwortet, hat sich aber in der Hauptsache darauf berufen, daß man bestrebt sei, die Lärmbekämpfung dieser Fahrzeuge mit allem Nachdruck in die Wege zu leiten.
Meine Damen und Herren, darum ist es den Antragstellern nicht allein zu tun, sondern es geht ihnen grundsätzlich darum, daß der Lastwagenverkehr an Sonn- und Feiertagen auf das Maß zurückgeschraubt wird, das notwendig ist, um den Menschen, die nicht motorisiert sind, die noch vom Sonntag etwas wissen, die erforderliche Ruhe zu geben.
Mein lieber Freund Rümmele hat in seiner wohltuenden Art den Antrag schon bis zu einem gewissen Grade durchgesprochen und hat aufgezählt, was zur Begründung des Antrags notwendig ist. Er hat zuerst darauf hingewiesen, daß es eigentlich die Anwohner der Bundesstraßen sind, die in ihren Häusern all das zu ertragen haben, was die großen Könige der Landstraße, die in Schnellzuggeschwindigkeit und mit Güterzugmethoden durch die Gegend sausen, Erschütterungen in Gebäuden hervorrufen, die den Menschen, die in diesen Wohnungen ein Heim haben wollen, Tag und Nacht, jahraus, jahrein ihre Ruhe stören und rauben. Es wird höchste Zeit, daran zu denken, daß die Fahrzeuge auch bauliche Schäden in nicht geringem Maße hervorrufen. Ich weiß, daß es Menschen gibt, die den Gedanken erwogen haben, ob es nicht möglich ist, den Bund für all diese Schäden haftbar zu machen.
Ich denke auch an die zweite Kategorie von Menschen, an diejenigen, die an Sonn- und Feiertagen mit ihren Familien zu Fuß durch die Gegend wandern, die mehr davon haben als diejenigen, die mit dem Auto durch die Gegend rasen. Diese Fußgänger haben noch die Möglichkeit, die Landschaft zu studieren, sie zu erleben und am Abend neu gestärkt nach Hause zu gehen. Ich denke auch an den Radfahrer, an den bescheidenen Mann der Landstraße, der keine Möglichkeit hat, motorisiert durch die Gegend zu sausen und von dem wir wissen, daß er beispielsweise in der Schweiz die allergrößte Rücksichtnahme der motorisierten Fahrer findet. Diesen Menschen zu helfen, damit sie nicht Opfer von Verkehrsunfällen auf der Landstraße werden, müßte doch unsere dringende Aufgabe sein.
Ich habe mich bemüht, beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden Zahlen darüber zu bekommen, welche Unfälle gerade an Sonntagen durch Lastwagen verursacht werden. Leider hat das Statistische Bundesamt eine derartige Statistik nicht geführt. Aber eines hat es mir mitgeteilt, und dieser Gedanke ist heute noch nie hervorgehoben worden: Man hat darauf hingewiesen, daß bei den Unfällen auf der Straße, die durch motorisierte Fahrzeuge, also auch durch Fernlaster, hervorgerufen worden sind, in vielen Fällen als Ursache die Ermüdung und das Einschlafen des Fahrers festgestellt worden sind. Wir sehen auch hier, daß alles Menschliche begrenzt ist und daß die Menschenkraft, die geistige und die körperliche, gewissen Gesetzen unterworfen ist, über die der Mensch nicht hinausgehen kann, ohne dafür gestraft zu werden.
Man hat vorhin auf die Gründe aufmerksam gemacht, die die Antragsteller veranlaßt haben, einen solchen Antrag zu stellen. Ich bekenne Ihnen ganz offen: der erste Gedanke, der uns veranlaßt hat, diesen Antrag zu stellen, ist der Gedanke der Sonntagsruhe und der Sonntagsheiligung.
Wir müssen heute in unserem Volke, das so vieles in all den Jahren des Krieges und der Nachkriegszeit mitgemacht hat, wieder dahin kommen, daß die göttliche Weltordnung in einem Lande und in einem Volke wieder Geltung hat, von dem man sagt, es sei ein christliches Volk. Diese Forderung zu erheben, ist der Grundgedanke unseres Antrags. Der Herr Kollege Rademacher hat gesagt, er habe Verständnis für das Anliegen der Sonntagsheiligung, er hat aber hinzugefügt, daß in der Wirtschaft andere Gesetze gelten. Dazu muß ich schon sagen: ich bin über diese Formulierung etwas erschrocken.
Auch in der Wirtschaft gilt nur das Gesetz, das der Herrgott uns gegeben hat.
Wir wären glücklich — auch hier in diesem
Hause —, wenn dieses Gesetz in der Wirtschaft
weitestgehend durchgeführt würde. Das ist nicht
ein stures, sondern ein lebendiges Gesetz, das sich
den Notwendigkeiten des Lebens anpaßt. Wir hätten viel weniger soziale Aufgaben zu erfüllen,
wenn dieser christliche Gedanke im Leben der
Wirtschaft unter allen Umständen Geltung hätte,
Dahin zu kommen, das muß unsere Aufgabe sein.
Der sehr geschätzte Herr Kollege Schoettle hat heute vor acht Tagen bei seiner Etatrede auf etwas hingewiesen, was mir besonders imponiert hat. Er hat davon gesprochen, daß wir Demokraten hätten, die im demokratischen Staat zwar mit den Füßen auf der demokratischen Linie stünden, aber mit dem Herzen nicht dabeiseien. Meine lieben Freunde, ich muß Ihnen ehrlich gestehen, wenn wir die Diktaturen unserer Zeit ansehen — wir ha-
ben es ja 12 Jahre mitgemacht —, so ist doch das Kennzeichen dieser Machthaber, daß sie den Menschen nicht zur Ruhe, zur Besinnung, zum Denken Zeit lassen. Denken wir an die Hitlerzeit zurück. Da ist der Sonn- und Feiertag vom frühen Morgen bis in die Nacht benützt worden, man hat den Menschen keine Ruhe zur Besinnung gelassen, um durch alle möglichen Veranstaltungen die Menschen vom Denken abzuhalten. Die echte, die wahre, die lebendige Demokratie ist darauf angewiesen, daß der Mensch zur Besinnung, zum Denken Zeit hat. Gerade aus dieser Stille sollen die großen Gedanken herauswachsen, die für den Staatsbürger notwendig sind, damit er sich als vollwertiges Glied im Dienste der Gemeinschaft auswirken kann.
Von diesem Gesichtspunkt geleitet glaube ich, daß auch unser Antrag für unser nationales Leben, für das Verhältnis der Menschen untereinander Bedeutung hat. Ich möchte den Herrn Innenminister bitten, dafür zu sorgen, daß wir wieder wie früher ein Gesetz bekommen — vielleicht ist es noch da, aber es ist lange nicht mehr lebendig —, das die Sonntagsruhe und die Sonntagsheiligung zum Gegenstand hat. Diese Vorschriften sind infolge des Krieges nicht mehr so befolgt worden, wie es notwendig ist. Helfen wir alle mit! Ich glaube, hier sind wir uns doch alle einig, ob wir Christen sind, ob wir die göttliche Weltordnung bejahen oder ob wir nur die Naturkräfte und die Naturgesetze als unsere Richtschnur nehmen, daß wir nach sechs Tagen Arbeit einen Tag der Ruhe und der Besinnung und des Friedens brauchen.
Helfen Sie mit, daß wir wieder einen Sonntag haben, einen Sonnentag, der für unser Volk, für unsere Heimat und für unseren Staat von allergrößter Bedeutung ist!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Worte der Begründung zum Antrag Drucksache 182 betreffend die Finanz- und Verkehrskrise der Deutschen Bundesbahn sagen. Ich werde mich bemühen, Gesagtes nicht zu wiederholen.
Gestatten Sie mir einige vorbereitende Bemerkungen. Zuerst bedaure ich sehr, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht die Regierungsbank drückt.
Die Verkehrspolitik von heute endet mehr denn je an der offenen oder geschlossenen Geldschranktür unseres Finanzministers. Deshalb bedaure ich sehr, daß er nicht anwesend ist. Dann hätten wir ihm den Ernst der Situation der Bundesbahn sehr drastisch vor Augen führen können.
Ich betrachte die verkehrspolitische Situation unter einem wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen, finanzpolitischen und auch staatspolitischen Aspekt.
In wirtschaftspolitischer Beziehung bin ich der Auffassung, daß Verkehrsbedienung nur nach dem Prinzip der Gemeinwirtschaft betrieben werden kann. Ich beziehe mich dabei auf eine Auslassung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie vom
Jahre 1951. Ich gestatte mir, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten daraus einiges vorzulesen. Es heißt in dieser Denkschrift:
Wenn auf dem Gebiet des Verkehrswesens, in historischer Entwicklung gewachsen, schon seit vielen Jahrzehnten auf maßgeblichen Gebieten kein freier Markt besteht, so ist dies eine Folge der gemeinwirtschaftlichen Bindungen namentlich im Tarifwesen, denen die Eisenbahnen unterworfen sind. Dieses gemeinwirtschaftlich aufgebaute Tarifsystem hat die deutsche Wirtschaft in ihrer heutigen dezentralisierten Struktur wachsen lassen. Die Gründe, die für eine Dezentralisierung der Wirtschaft und für eine Schonung der frachtungünstig gelegenen Gebiete sprechen, treffen heute durch die Kriegsfolgen für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik in erhöhtem Maße zu. Es kann daher auf die gemeinwirtschaftliche Führung des Eisenbahnbetriebes heute weniger denn je verzichtet werden. Es geht aber nicht an, bei dem heutigen Umfang des Güterkraftverkehrs und der damit bedingten Schärfe des Wettbewerbs den einen Beteiligten mit Bindungen zu belegen und den anderen frei zu lassen. Eine Gleichordnung kann nur erreicht werden, wenn man entweder beiden Beteiligten in gleichem Maße Bewegungsfreiheit gewährt oder indem man die dem einen auferlegten Bindungen auch auf den anderen, und zwar so überträgt, daß diese Bindungen auch geachtet und eingehalten werden.
In seiner Denkschrift vom November 1953 hat der Bundesverband der Deutschen Industrie einen andern Standpunkt eingenommen. Er hat sich also von seiner Denkschrift von 1951 distanziert. Ich möchte den in der Denkschrift von 1951 dargelegten Gründen nichts weiter hinzufügen, sondern nur noch einmal der Meinung Ausdruck geben, daß jede Verkehrsbedienung unter gemeinwirtschaftlichen Prinzipien geführt werden müßte. Dann kämen wir der Ordnung im Verkehrswesen, die wir alle gemeinsam erstreben, wahrscheinlich ein Stück näher.
Ich möchte ferner einen Blick auf die sozialen Bedingungen der in den Kraftverkehrsbetrieben Beschäftigten werfen. Ich habe hier eine Zeitschrift vor mir, die von der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr herausgegeben wird. Darin wird darauf hingewiesen, welche enormen Arbeitsstunden der Kraftfahrer in allen Zweigen des Lastkraftwagenverkehrs zu leisten hat und daß man nicht davor zurückschreckt, die Schichtenbücher zu fälschen.
Sehr verehrte Anwesende, ist es nicht diese soziale Unstruktur, sind es nicht diese sozial schlechten Verhältnisse, die überlange Arbeitszeit, die Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft, die mit wesentliche Ursache der Straßenunfälle von heute sind?! Mir wäre sehr viel wohler, wenn die sozialen Arbeitsbedingungen der im Kraftfahrwesen beschäftigten Arbeitnehmer mit den Arbeitsbedingungen meiner Eisenbahner gleichgeschaltet werden könnten, um einmal dies böse Wort zu gebrauchen. Dann würden wir auch einen wesentlich besseren Stand der Verhandlungen bekommen, wenn wir uns einmal zusammensetzen würden, um die Frage der Ordnung des Verkehrs zwischen den beiden großen Verkehrsträgern Schiene und Straße endgültig zu regeln.
Nun, das gemeinwirtschaftliche Prinzip bedingt bei der Bundesbahn die Einhaltung von Sozialtarifen. Ich muß Sie hier mit einigen Zahlen bebelästigen. Die Bundesbahn hat durch Vergünstigungen für Sozialtarife im Berufs- und im Schülerverkehr einen Einnahmeverlust von 97 Millionen DM, an sonstigen Sozialtarifen einen Verlust von 89,6 Millionen DM, an Subventionstarifen von 110 Millionen DM und an Mehrkosten infolge von Umleitungen der Transportwege nach Berlin 15 Millionen DM, so daß für Sozialtarife 186,6 Millionen DM und für Subventionstarife und für Mehrkosten der Umleitung nach West-Berlin insgesamt 125 Millionen DM ausgegeben werden. An durch die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn bedingten Tarifermäßigungen entsteht also ein Einnahmeausfall von 311,6 Millionen DM. Diese dem gemeinwirtschaftlichen Prinzip immanenten Tarifermäßigungen wird die Bundesbahn tragen müssen. Dazu kommt noch ein Einnahmeausfall für die Weiterführung unrentabler Strecken im Betrage von 175 Millionen DM, so daß die Bundesbahn aus ihren gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen heraus insgesamt pro Jahr Mindereinnahmen in Höhe von 486,6 Millionen DM hat.
Etwas anderes ist es mit den betriebsfremden Lasten; das Wort „politische Lasten" möchte ich vermeiden. Wir zahlen an Versorgungsbezügen für Vertriebene an rund 45 000 Menschen 133,1 Millionen DM. Wir zahlen weiter auf Grund eines allgemeinen Personalüberhangs, wie man so schön sagt, verursacht durch das Gesetz nach Art. 131, für rund 41 000 Personen pro Jahr 38,6 Millionen DM. Wenn wir diese 41 000 Personen bei der Bundesbahn nicht hätten einzustellen brauchen, dann wäre uns auch wohler. Aber wir haben sie eingestellt, und das ist auf einen fast einstimmigen Beschluß dieses Hohen Hauses hin geschehen. Ich bin deshalb der Meinung, daß die Bundesregierung bereit sein muß, diesen Betrag auf ihren Haushalt zu übernehmen. Wir zahlen an Versorgungsbezügen für Kriegsversehrte und Kriegshinterbliebene 85,7 Millionen DM und, wie mein Freund und Kollege Rümmele bereits mitgeteilt hat, an Personalmehrkosten für West-Berlin genau 31,2 Millionen DM. Wir können die Eisenbahner, die in Berlin für die Freiheit kämpfen und 1949 gekämpft haben, nicht im Stich lassen; das wäre ein Verrat an der demokratischen Gesinnung dieser braven Leute.
Insgesamt also belaufen sich die betriebsfremden Lasten auf 288,6 Millionen DM.
Dazu kommt noch auf Grund von der Hohen Behörde in Luxemburg verfügter Änderungen sogenannter diskriminierender Tarife ein Einnahmeausfall von rund 50 Millionen DM im Jahr. Es sind also betriebsfremde Lasten in Höhe von 338,6 Millionen DM zu verzeichnen. Wir sind der Auffassung, daß diese Summe auf den Bundeshaushalt zu übernehmen ist. Die Regierung sollte dieser Forderung so schnell wie möglich Rechnung tragen, weil das bei der außerordentlich prekären finanziellen Lage der Bundesbahn immerhin eine kleine Erleichterung wäre.
Ein Wort zu den technischen Rationalisierungsvorschlägen und der Frage einer Verwaltungsreform. Ich betone ausdrücklich: technische Rationalisierung; denn wenn das Personal draußen das Wort Rationalisierung hört, wird es mit starker sozialer Unruhe erfüllt, weil dort, wo dieses Wort ertönt, jeder bei der Bundesbahn Beschäftigte das
Damoklesschwert der Arbeitslosigkeit über sich fühlt. Diese soziale Unrast muß aber aus den Betrieben genommen werden. Deshalb sprechen wir von einer technischen Rationalisierung.
Nun wird aber sehr oft gesagt: Es muß ein Personalschnitt gemacht werden, damit eine finanzielle Erleichterung bei der Bundesbahn eintreten kann. Das kann man natürlich mit einem Federstrich verordnen; dann kostet es wenig Überlegungen. Auf die Dauer gesehen wird das aber ein Ding sein, das nicht nur zwei, sondern sogar drei Seiten hat und sich zum Schaden des Unternehmens auswirken wird. Ganz abgesehen davon mußten in der Zeit der letzten Kälteperiode, ich weiß nicht, wieviel Hunderttausende Überstunden geleistet werden, damit das Personal überhaupt den anfallenden Arbeiten gerecht werden konnte. Wenn ich verantwortungslos genug wäre, dann hätte ich in dieser Kälteperiode einmal für 48 Stunden den Betrieb der Bundesbahn lahmgelegt, damit die deutsche Wirtschaft und die Öffentlichkeit sehr drastisch darauf aufmerksam gemacht worden wäre, was die Bundesbahn bedeutet.
Ich sage: wenn ich verantwortungslos genug wäre;
aber das bin ich nicht.
— Seien Sie unbesorgt, das würde ich dann verantworten können.
Wir sind also der Auffassung, daß es sich beim technischen Rationalisierungsprozeß nicht nur darum handelt, Werke, die wir nun einmal besitzen, — —
— Der Präsident des Bundestages hat geantwortet.
— Meine Damen und Herren, ich will versuchen, ohne Lautsprecher auszukommen.
— Vielleicht hat den einen oder anderen meine Andeutung so ins Bockshorn gejagt, daß er tatsächlich eine kleine Sabotageaktion vornimmt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, das ist kein Sabotageakt aus dem Hause oder gar von hier oben. Ich höre eben, daß die Stadtwerke den Strom abgeschaltet haben.
Da der Fehler nicht im Hause liegt, frage ich: Wollen wir die Sitzung so lange unterbrechen, bis die technische Störung beseitigt ist?
— Es ist so beschlossen.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 42 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schneider wieder eröffnet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und
Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.
Das Wort hat noch der Abgeordnete Jahn.
Meine Damen und Herren! Nach der etwas unfreiwilligen Unterbrechung gestatten Sie mir, noch auf etwas hinzuweisen, was mir in diesem Augenblick besonders notwendig erscheint. Wir sprachen von der technischen Rationalisierung, die bei der Bundesbahn durchgeführt werden solle. Im Zusammenhang damit wird mehr und mehr — auch vom Herrn Bundesverkehrsminister Seebohm — die Frage angeschnitten, daß Schließungen von Betriebswerkstätten und Werkstätten bei der Bundesbahn im Zuge der Rationalisierung unabwendbar seien. Dagegen möchte ich mich in diesem Augenblick — gerade in diesem Augenblick! — doch wenden. Wir alle haben trotz des bisherigen Verlaufs der Konferenz in Berlin die Hoffnung, einmal unser Vaterland in Frieden und Freiheit vereint zu sehen. Wenn ich mir den Zustand des „Reichsbahn"betriebs in der Ostzone ansehe, dann habe ich äußerst schwere Bedenken, ob wir in Westdeuschland heute dazu übergehen können, technisch zu vervollkommnende Werke zu schließen, Personal, das seine demokratische Gesinnung unter Beweis gestellt hat, eventuell zu entlassen, um dann, wenn die Wiedervereinigung kommt, nicht in der Lage zu sein, den Osten verkehrstechnisch zu bedienen, wie es notwendig ist. Ich glaube also, daß man der Frage der Schließung von Werkstätten bei der Bundesbahn aus staatspolitischen Gründen erst nach einer ganz genauen Untersuchung überhaupt nähertreten könnte. Ich bin der Auffassung, daß man einmal genau zu prüfen hat, wie der Zustand des Oberbaus, der Brücken, der Viadukte, der Straßenübergänge und wie der Reparaturstand der Lokomotiven und Güterwagen in der Ostzone ist. Das Material steht uns zur Verfügung. Wir werden dann feststellen können, daß die heute in der Ostzone vorhandenen Eisenbahnwerkstätten in. Meiningen, Chemnitz, Stendal, Kottbus, Halle, Halberstadt, Berlin-Tempelhof, BerlinSchöneweide, Zwickau und Wittenberge technisch derart vernachlässigt und durch Demontagen ausgeraubt sind, daß wir in Westdeutschland auf Jahre hinaus den Reparaturanfall aus dem Osten werden übernehmen müssen. Es wäre tragisch, wenn wir dazu nicht in der Lage wären. Ich bitte deshalb, auch hierauf Rücksicht zu nehmen, wenn die Frage der Rationalisierung sich auf die Schließung von Werkstätten bei der Bundesbahn erstrecken sollte.
Täglich bekomme ich — auch heute wieder — Schriftstücke von den Kollegen der einzelnen Fraktionen dieses Hohen Hauses in die Hand gedrückt, in denen darum gebeten wird, daß die Frage der Schließung von Abteilungen oder von Gesamtwerken vorerst noch einmal hintangestellt wird, bis wir die Frage der Neuordnung des Verkehrs an sich endlich einmal in ein Stadium gebracht haben, das auch für die Bundesbahn die Aussicht auf Rentabilität wieder eröffnet.
Die Frage der Beseitigung der Kriegsschäden und der Übernahme der Kriegsfolgelasten scheint mir ein Problem zu sein, das bei uns in der westdeutschen Republik ähnlich wie in den übrigen Staaten Europas geregelt werden sollte. Diese Lasten sollten auch von dem Bundeshaushalt übernommen werden, damit die Deutsche Bundesbahn als größter Auftraggeber für die Zubringerindustrien auch wieder für Arbeit, Lohn und Brot der in diesen Industrien beschäftigten Menschen Sorge tragen kann. In den vergangenen Jahren gingen noch 965 Millionen DM an Leistungen und Lieferungen von der Bundesbahn an die Wirtschaft zur Erhaltung
der Anlagen und Fahrzeuge. Für das Jahr 1954 stehen hierfür nur noch 356 Millionen DM zur Verfügung. Das bedeutet, daß in den Zubringerindustrien für Eisen und Stahl, Kleineisenzeug, Lokomotivbau, Waggonbau, Steine und Erden, aber auch in der Holzschwellenindustrie die Frage nach der Beschäftigung der bei ihnen vorhandenen Arbeitskräfte akut werden wird. Wir sind der Auffassung, man müßte auch hier unter allen Umständen zu vermeiden suchen, daß diese sozialen Probleme Herr über uns werden, wie wir es bereits einmal im Jahre 1932 zu unser aller Schaden haben erleben müssen.
Ein Wort noch zu den Preis- und Tarifindizes der Bundesbahn. Wenn man den Index 100 für 1936 zugrunde legt, beträgt der Preis für Form- und Stabstahl heute 340, für Schnittholz 303, für Kohle 314, für Baukosten 229. Nur für Kautschuk, der wenig gebraucht wird, ist er auf 100 stehengeblieben. Dafür ist der Normaltarif für Personenverkehr nur auf 172,5 gestiegen, und der Warenladungstarif im Durchschnitt auf 213.
Die Schere zwischen Preisindizes und Tarifindizes ist also noch weit auseinandergezogen. Es dürfte auch hier ganz eindeutig nachgewiesen sein, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip der Bundesbahn, wenn sie weiter existieren soll — und sie muß weiter existieren —, auch auf die übrigen Verkehrsträger Anwendung finden muß, damit im Verkehrswesen der deutschen Wirtschaft eine gesunde Ordnung geschaffen werden kann.
Ein Wort noch zu dem Investitionsbedarf der Deutschen Bundesbahn. Zur Beseitigung der Kriegsschäden sind noch rund 1 Milliarde DM erforderlich, für den Nachholbedarf 3,2 Milliarden und für die Modernisierung der Anlagen und Fahrzeuge, damit überhaupt die Konkurrenzfähigkeit aufrechterhalten werden kann, 3,3 Milliarden DM. Das ergibt den Gesamtbetrag von 7,5 Milliarden DM. Diese Zahlen, meine Damen und Herren, bringen wohl jedem Mitglied dieses Hohen Hauses ins Bewußtsein, daß das, was bisher behandelt worden ist, nur als eine Übergangslösung angesprochen werden kann und daß die Zeit für diese Übergangslösung keine allzulange sein darf, daß aber für die Bundesbahn in ihrem derzeitigen finanziellen Status eine sofortige Kassenhilfe mindestens in Höhe von einer halben Milliarde DM notwendig ist.
— Mindestens, sage ich, eine Kassenhilfe im Augenblick! Wenn es eine Milliarde ist, kann man um so ruhiger den Dingen entgegensehen.
Das Defizit des vergangenen Jahres belief sich auf insgesamt 794 Millionen DM und der Kassenbedarf beläuft sich im Augenblick auf rund 460 Millionen DM. Wenn man also für die Leitung der Bundesbahn die Verschnaufpause, um über die Kassenschwierigkeiten hinwegzukommen, sehr kurzfristig faßt — und man kann sie nur kurzfristig fassen —, dann ist nach unserer Meinung eine Kassenhilfe von einer halben Milliarde das wenigste, was sofort zu leisten ist. Um diese Kassenhilfe möchte ich die Bundesregierung ganz besonders ersuchen, da sich sonst die Verhältnisse bei der Bundesbahn zu einem katastrophalen Ausmaß auswachsen. Von dieser Stelle ist heute mehr als einmal die Notwendigkeit betont worden, daß die Verantwortung für dieses größte Unternehmen Deutsch-
lands, das Volksunternehmen ist, übernommen werden muß. Dazu gehört, daß der starke Versuch gemacht werden muß, der Bundesbahn diese finanzielle Hilfe sofort zur Verfügung zu stellen.
Hier und da ist von den einzelnen Herren Kollegen, auch seitens des Bundesverkehrsministers, dem Personal der Bundesbahn Lob gespendet worden. Meine Damen und Herren, lassen wir es aber nicht dabei bewenden, von dieser Stelle das Lob auszusprechen; lassen wir dem Lob für ihre Dienstleistungen im Gesamtinteresse auch eine Tat folgen, nämlich erstens die Bereitstellung der Kassenhilfe und zweitens eine Überbrückungszeit, die nur so kurz wie möglich ist, damit wir dann an die Grundsatzfragen der Neuordnung des Verkehrs herangehen können.
In diesem Sinne bitte ich Sie, den Antrag Drucksache 182 dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen und mit uns dafür einzutreten, daß wir im Verkehrswesen Deutschlands endlich eine Ordnung bekommen, die allen berechtigten Anforderungen gerecht wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Scheuren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin meinen Freunden Dr. Bleiß und Helmut Schmidt dankbar, daß sie den Versuch gemacht haben, in ihren Ausführungen zu den heute hier anstehenden Problemen auch die nichtbundeseigenen Eisenbahnen wenigstens einmal zu erwähnen. In der Festschrift zur Verkehrsausstellung 1953 hat das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des „Verbandes Nichtbundeseigener Eisenbahnen" geschrieben, der Deutsche neige sehr gern dazu, unter dem Begriff Eisenbahnen schlechthin die Bundesbahn zu verstehen. Er hat treffend darauf hingewiesen, daß neben der Bundesbahn, organisch mit ihr zusammenarbeitend, etwa 240 nichtbundeseigene Eisenbahnen bestehen, von denen ein beachtlicher Teil, etwa 157, ebenso den gemeinwirtschaftlichen Aufgaben unterworfen ist wie die Bundesbahn. Für diese nichtbundeseigenen Bahnen, die ebenso unter den Kriegsfolgen und -schäden zu leiden haben, möchte ich ganz wenige Sätze sagen. Ich möchte zunächst, insbesondere den Herrn Verkehrsminister und das Hohe Haus, wenn es sich mit diesem Problem zu beschäftigen hat, darum bitten, sich dieser nichtbundeseigenen Eisenbahnen, von denen ein beachtlicher Teil, nämlich 127, seit einigen Jahren auch mit Defizit arbeitet, zu erinnern, und ich empfehle den interessierten Damen und Herren dieses Hohen Hauses die Festschrift, die der „Verband Nichtbundeseigener Eisenbahnen" zur Münchner Verkehrsausstellung im vorigen Jahre herausgegeben hat, zum Studium. Dort werden von einer beachtlichen Zahl versierter Experten und leitender Vorstandsmitglieder dieser Unternehmen sehr wertvolle Beiträge zum Gesamtproblem „Schiene und Straße" veröffentlicht. Ich habe dem nichts hinzuzufügen und möchte das Hohe Haus auch nicht allzu lange in Anspruch nehmen, sondern nur mit ganz wenigen Zahlen sagen, wie die Lage bei den nichtbundeseigenen Bahnen ist.
Die Kriegszerstörungen belaufen sich wertmäßig, wie bis zum Jahre 1952 exakt nachgewiesen ist, auf 66,7 Millionen DM, die Restitutionen, Demontagen usw. auf 12,2 Millionen DM, die Schäden
durch Betriebsverbote und ähnliche Beschränkungen auf 4,3 Millionen DM. Der Nachholbedarf infolge zwangsläufiger Unterlassung notwendiger Ersatzinvestitionen erfordert 90,7 Millionen DM, der Investitionsbedarf insgesamt für diese Bahnen 200 Millionen DM. Es ist klar, daß diese Unternehmen, von denen nur noch ein ganz winziger Teil sich eben hält, nicht in der Lage sind, aus eigener Kraft den derzeitigen Verkehrsbedürfnissen gerecht zu werden. Sie sind andererseits aber so eng mit der Bundesbahn verästelt, daß es unmöglich ist, sie untergehen zu lassen. Es wird deshalb zu einer echten Aufgabe der Bundesregierung und dieses Hohen Hauses, auch diesen Bahnen zu helfen.
Schließlich werden Sie sich — das darf ich am Schluß noch sagen — in aller Kürze auch mit den bei diesen Bahnen beschäftigten Menschen zu befassen haben. Ein Antrag hinsichtlich ihrer Versorgungsansprüche liegt Ihnen bereits vor. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie bei Beratung dieser Angelegenheit, die längst überfällig ist und der Erledigung dringend harrt, auch den nichtbundeseigenen Eisenbahnen die notwendige Hilfe und Unterstützung zuteil werden ließen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucerius.
Meine Damen und Herren! Ich bin beinahe geneigt, den Zwischenfall, daß vorhin das Licht ausging, als eine Fügung des Himmels anzusehen, als eine Mahnung, diese Debatte recht bald zu Ende zu bringen.
Nachdem die Aufmerksamkeit des Hauses auch noch darauf gelenkt worden ist, daß es in Deutschland auch nichtbundeseigene Bahnen gibt, ist zur Sache wirklich erschöpfend gesprochen worden.
Ich bin wohl von keiner Debatte in diesem Hause so wenig befriedigt worden wie von dieser. Wir haben heute sogar gehört, daß es im Grunde gar keine Verkehrskrise gibt. Herr Rademacher meinte, es könne ja aller Verkehr befriedigt werden. Allerdings, das Defizit der Bundesbahn beträgt 800 Millionen DM. Die ganze Geschichte kommt mir so vor, wie wenn ein Kaufmann sagt, er könne seine Ware verkaufen und jeden Kunden bedienen, verliere aber leider am Stück eine Mark, und nur jemanden sucht, der bereit ist, dieses Defizit zu decken. Wenn dann bei diesem Geschäft noch jeden Tag 30 Tote herauskommen, kann doch wohl eine gewisse Krise nicht ganz abgeleugnet werden.
Die Schuld an diesem Zustand ist in diesem Hause unentwegt hin- und hergeschoben worden. Die Sozialdemokratie hat sie der Koalition zugeschoben, die Koalition hat zum Teil auf den Herrn Bundesverkehrsminister verwiesen, dieser hat in einigen Punkten die Bundesbahn angezogen, und irgendwo ist die Sache dann auch wieder bei der SPD gelandet.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten uns alle an unsere Brust schlagen und sagen: Wir sind allzumal Sünder.
Ich bin im ersten Bundestag vier Jahre Mitglied des Verkehrsausschusses gewesen und kann darüber einiges berichten. Dort war einer großen Zahl von
Mitgliedern, der Mehrheit, die Bundesbahn eigentlich sehr ans Herz gewachsen. Eine Minderheit ließ sich die Interessen der übrigen Gewerbetreibenden im Verkehr sehr angelegen sein. Aus gegenseitiger Rücksichtnahme haben wir geglaubt, man könne die Dinge in Ordnung bringen, indem man sie einfach gehen lasse, statt sich darüber klarzuwerden, daß radikale und einschneidende Maßnahmen auch auf diesem wirtschaftlichen Gebiet unerläßlich sind. So stehen wir heute vor diesem sehr ärgerlichen Zustand.
Heute wieder haben wir von dem Herrn Kollegen Rademacher, dem Vorsitzenden des Verkehrsausschusses im ersten Bundestag und stellvertretenden Vorsitzenden in diesem Bundestag, gehört, daß die Tatsachen, über die wir zu urteilen haben, im wesentlichen festgestellt seien. Als die Frage der Kostenaufbringung angeschnitten wurde, sagte er, der Straßenverkehr trage, wie nachgewiesen sei, eigentlich alle von ihm verursachten Kosten. Er kassierte bei dieser Gelegenheit sehr schnell sämtliche Zölle, sämtliche Mineralölabgaben, ja sogar die Beförderungsteuer. Auf der anderen Seite wurden die Ausgaben, die für den Straßenverkehr geleistet werden, im einzelnen nicht detailliert dargelegt. Meine Damen und Herren, ich glaube und darin stimmen wir in diesem Hause sicherlich überein —, daß da der Kardinalfehler liegt. Wir haben es in der Tat in den letzten vier Jahren alle zusammen nicht fertiggebracht, eine exakte Kostenuntersuchung vorzunehmen, auch nicht im Verkehrsausschuß. Ich erinnere mich nicht, daß dort während meiner vierjährigen Tätigkeit ein einziges Mal eine solche Kostenuntersuchung gefordert worden wäre. Wäre sie gefordert worden, sei es auch von einer nur einigermaßen ins Gewicht
fallenden Minderheit — und Sie waren damals ei ne sehr erhebliche Minderheit, meine Herren von der Sozialdemokratie —, hätte eine solche Untersuchung auch stattgefunden. So ist alles, was wir heute gesagt haben, im Grunde in den Wind geredet. Es hat keinen Zweck, sich über Maßnahmen den Kopf zu zerbrechen, bevor wir exakte kostenmäßige Unterlagen haben.
Herr Rademacher hat heute eingeräumt, eine gewisse Erhöhung der Treibstoffabgabe sei zulässig. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich für meine Person einer solchen Erhöhung nur dann zustimmen werde, wenn die Untersuchung, die wir anzustellen haben, ergibt, daß der Kraftverkehr in der Tat nicht alles das bezahlt, was er an Kosten der Volkswirtschaft verursacht. Es hat keinen Sinn, auf den Verkehr als solchen Abgaben zu erheben. Das trifft z. B. auch die Beförderungsteuer, deren weitere Berechtigung mir mehr als zweifelhaft erscheint.
Im großen und ganzen hat die Diskussion jedoch Einigkeit in wesentlichen Punkten ergeben. Wir sind uns einig geworden darüber, daß die bisher unterlassene Kostenuntersuchung in der Form, daß wir streitig über diese zu verhandeln haben, daß wir eine gemeinsame Feststellung darüber zu treffen haben, welche Kosten dem Kraftverkehr zugute zu rechnen sind und welche Kosten er verursacht, alsbald stattzufinden hat. Ich füge hinzu, daß sie stattzufinden hat, bevor wir weitere gesetzliche Maßnahmen ergreifen.
Es ist ferner Einigkeit darüber erzielt, daß die gemeinwirtschaftliche Funktion der Bundesbahn in absehbarer Zeit nicht entbehrt werden kann. Daraus ergibt sich dann, daß auch die anderen Verkehrsträger in der einen oder anderen Weise ihren Beitrag zu der gemeinwirtschaftlichen Führung des Verkehrs zu leisten haben; sonst schaffen wir keine korrekten Wettbewerbsunterlagen. Darüber, wie das geschehen kann, besteht allerdings erheblicher Streit. Der Herr Kollege Schmidt hat eine differenzierte Beförderungsteuer vorgeschlagen. Wenn man die Beförderungsteuer überhaupt erheben will, erscheint mir das als ein angemessener Weg. Herr Minister, ich fürchte freilich, daß die von Ihnen anscheinend geplante und heute vorsichtig angedeutete Verbotsliste im Verkehr nur geringe Aussicht auf Erfolg hat. Wir werden also versuchen, wenn wir in diesen Punkten Wettbewerbsgleichheit haben wollen und wenn wir, was unser aller Wunsch ist, der Bundesbahn weitere Frachten zuweisen wollen, andere Wege zu gehen. Denkbar wäre vielleicht im Fernverkehr die Herausnahme einzelner Güter. Aber ich glaube, daß nicht einmal dafür die nötige Mehrheit in diesem Hause zu finden sein wird.
— Die Frage des Grundgesetzes wäre auch zu erörtern. Ich glaube freilich, daß, wenn eine solche Maßnahme getroffen würde, um die erforderliche Koordinierung der Verkehrsträger herbeizuführen, das Grundgesetz einer solchen Lenkungsmaßnahme nicht im Wege stünde. Die Marktwirtschaft ist nämlich im Grundgesetz nicht verankert.
Einigkeit ist auch darüber erzielt worden, daß eine engere Koordinierung zwischen Bahn und Post erfolgen muß.
Keine Einigkeit ist dagegen erzielt worden, lieber Herr Kollege Morgenthaler, über die Frage des Verbots des Sonntagsverkehrs. Ich für meine Person halte ein solches Verbot nicht für möglich. Denn das bedeutete ja auch, daß Fernverkehrstreibende vielfach auch am Sonnabend nicht fahren können, weil sie nämlich an diesem Tage ihr Ziel nicht erreichen können. Wenn wir in diesem Augenblick daran gehen, dem Fernverkehrsgewerbe erhebliche neue Lasten aufzuerlegen, indem wir an eine Erhöhung der Abgaben für Treibstoff oder vielleicht sogar an eine Verbotsliste denken, wenn wir an eine Zwangsanstalt denken, die den Verkehr ausgleichen soll, dann sollten wir mit einer solchen Auflage an das Kraftverkehrsgewerbe sehr vorsichtig sein. Heute jedenfalls ist der Zeitpunkt für eine solche Maßnahme nicht gekommen. Ich bin der Auffassung, daß die Sonntagsheiligung nicht in diesem Punkte beginnen sollte.
Begreiflicherweise ist in vielen Ausführungen heute die Bundesbahn Gegenstand mancher Kritik gewesen. Sie ist Gegenstand des Volkszorns in dem Augenblick, in dem wir das riesige Defizit heraufbeschwören. Ich verstehe, daß das Zurückbleiben der technischen Entwicklung der Bundesbahn hinter dem allgemeinen Aufbau Ungeduld hervorgerufen hat. Aber jeder Kaufmann wird Ihnen sagen können, wie schwer es ist, aufzubauen, wenn die Mittel dafür nicht vorhanden sind, und wie schnell ein circulus vitiosus beginnt, wenn erst einmal die Einnahmen geringer werden als die Ausgaben und man nicht mehr investieren kann, um weiterhin Ersparnisse zu erzielen. Es fängt dann eine Prozeß der Verkarstung, des Ausdorrens an. Die Leistung wird immer geringer, weitere Kunden springen ab, und so endet das im normalen Wirtschaftsleben schließlich mit der Zahlungsein-
Stellung. Auch hier drohte diese Gefahr, wenn nicht der Bund immer dahinterstünde.
Freilich sollten wir ruhig einmal — auch das ist heute schon angeregt worden — überlegen, ob das Bundesbahngesetz wirklich der Weisheit letzter Schluß ist. Herr Rademacher hat heute schon gesagt, der vierköpfige Vorstand müsse vielleicht noch einmal Gegenstand der Untersuchung sein. Ich möchte auch das Problem des Verwaltungsrates in die Debatte werfen. Herr Rademacher hat es nicht erwähnt; er ist ja selber Mitglied dieses Verwaltungsrats. Ich bin nicht unbedingt der Meinung, daß es richtig ist, für dieses große wirtschaftliche Unternehmen einen Verwaltungsrat, also gewissermaßen einen Aufsichtsrat zu haben, in welchem die Konkurrenten und die fremden Interessenten einen sehr maßgeblichen Einfluß besitzen.
Die Richtigkeit dieser Struktur kann man ernstlich bezweifeln. Damals erschien sie uns allen im Ausschuß als die richtige Lösung. Wir machen Fehler, sollten es offen zugeben und dieses Problem heute ruhig noch einmal anschneiden.
An der Spitze der Bundesbahn steht ein sehr erfahrener und international angesehener Techniker. Es ist sehr zweifelhaft und deshalb zu prüfen, ob in solchen Zeiten, in denen gerechnet, gerechnet und nochmals gerechnet werden muß, an die Spitze nicht ein Kaufmann gehört.
Jedenfalls bin ich der Meinung, daß der Platz, an dem in so schwierigen und für die Bundesbahn entscheidenden Zeiten die Leitung der Bundesbahn zu stehen hat, am Schreibtisch ist. Wir haben sehr viel davon gehört, daß Erfolge im Ausland erzielt worden sind. Ich bin aber der Meinung, daß wir in Zukunft in der Presse weniger von erfolgreichen Betriebsausflügen der Bundesbahn ins Ausland hören sollten als von den Erfolgen an der „Heimatfront".
Im ganzen halte ich die Bundesbahn für ein hoch rentables Unternehmen, wenn es gelingt — worauf sie Anspruch hat —, ihr in der Betriebsrechnung die betriebsfremden Lasten abzunehmen, wenn es gelingt, sie den Frachtenverlust, den sie überwiegend deshalb erlitten hat, weil sie wegen der gemeinwirtschaftlichen Leistungen unrentabel ist, wieder ausgleichen zu lassen. Ein gewisser Frachtenzuwachs ist allerdings unerläßlich. Ohne ihn wird die Bundesbahn niemals wieder in einen gesunden Zustand kommen. Ergreifen wir diese Maßnahmen, dann werden Sie alle, meine Damen und Herren, an diesem stolzen Besitz des deutschen Volkes Ihre Freude haben.
Zum Schluß möchte ich noch kurz das Problem der Verkehrsunfälle behandeln. Es gibt in der Tat nichts, was uns menschlich so sehr bewegt wie die Tatsache, daß — durch unser eigenes schuldhaftes Verhalten — jeden Tag 30 deutsche Menschen den Verkehrstod erleiden. Es ist hier sehr viel davon gesprochen worden, durch weitere gesetzliche oder polizeiliche Maßnahmen die Zahl der Verkehrsunfälle entscheidend einzudämmen. Auch das Wort von der Verkehrsdisziplin ist heute in die Debatte geworfen worden. Der Herr Bundesverkehrsminister hat selber davon gesprochen. Meine Damen und Herren, wenn Sie alle die Maßnahmen, die Sie auf diesem Gebiete vorhaben, angewandt und, wie der Herr Verkehrsminister von Nordrhein-Westfalen vor kurzem gesagt hat, brutal angewandt haben, dann möchte ich Ihnen vorschlagen, mit mir einmal folgendes Experiment zu machen. Sie setzen sich in meinen Wagen
— es ist kein Mercedes 300, es ist ein bescheidener Wagen, nur ein bescheidener Mercedes 180; hoffentlich reicht er Ihnen —, und wir fahren einmal die Koblenzer Straße entlang. Dann halten wir an einer Stelle an, an der wir sehen, daß eine Gruppe von Fußgängern die Fahrbahn überqueren will, und warten darauf, daß die Fußgänger vorbeigehen. Dann werden Sie etwas ganz Seltsames erleben. Die Fußgänger werden nämlich nicht über die Straße gehen, sondern sie werden Sie mit ganz besonders mißtrauischen Augen ansehen. Weit davon entfernt, zu glauben, daß man ihnen entgegenkommen will, sind sie der Überzeugung, daß der Kraftfahrer nur eine ganz besonders listige Form anwenden will, um sie — im Begriffe, die Fahrbahn zu überqueren — zu überfahren. Zwischen dem Fußgänger und dem Kraftfahrer herrscht in Deutschland ein Spannungszustand, der unerträglich ist. Es ist nicht etwa die Klasse der Fußgänger und die Klasse der Kraftfahrer. Ich habe beobachtet, daß derselbe Mann am Steuer seines Autos rücksichtslos drauflos fährt und sich als Fußgänger über die Rücksichtslosigkeit der Autofahrer lebhaft beschwert.
Zwei Weltkriege und die außerordentliche Härte des Wiederaufbaues haben in der Tat das deutsche Volk sehr stark verhärten lassen. Deshalb paßt schon das Wort von der Disziplin gar nicht. Disziplin ist die Haltung, die mich befugt, zu schimpfen, wenn der andere sich nicht sachgemäß verhält. Es gibt da eine sehr charakteristische Handbewegung des Kraftfahrers zum Kopf hin, wenn er den Eindruck hat, daß der andere einen Fehler gemacht hat. So kommen wir wirklich nicht mehr weiter. Ich bin überzeugt, daß alle Verkehrsvorschriften, die Sie durchsetzen wollen, kein richtiges Ergebnis haben werden. In einer Zeitung fand ich gerade gestern einen Leserbrief, den ich Ihnen einmal vorlesen möchte — wenn der Herr Präsident damit einverstanden ist —, weil er genau das wiedergibt, was ich in diesem Zusammenhang sagen möchte. Da heißt es zunächst: „Die Straßen sind schuld." Dann sollen die Kraftfahrer fahrtechnisch besser ausgebildet und gesundheitlich nachgeprüft werden. Weiter heißt es:
Ganz Schlaue
— das sind anscheinend wir —
haben einen Plan ausgeheckt, wonach man ein Zulassungssystem zur Beschränkung der Zahl der Führerscheine einführen will. Und das angesichts eines in USA, in England vielleicht dreimal stärkeren Verkehrs als hier. Das kommt einem vor, als wolle man den Nahrungsmittelkonsum kontingentieren, um der Fettleibigkeit zu steuern.
Der Grund für die beklagenswert hohe Zahl der Unglücksfälle liegt viel tiefer. Er liegt nämlich da, wo die Unhöflichkeit, die Taktlosigkeit, die Rücksichtslosigkeit herkommt, im Herzen. Von dem, der wie ein Irrsinniger in der Straßenbahn drängelt und alles umreißt, was nicht genau so rücksichtslos ist, kann man als Kraftfahrer kein rücksichtsvolles Verhalten
erwarten. Wer nur an sich denkt und Rücksichtnahme auf den anderen für Dummheit hält, ist identisch mit dem Autofahrer, der harmlose Fußgänger wie in einem Hühnerhof durcheinanderscheucht. Es fehlt hierzulande einfach die Erziehung. Der Blick auf das Technische allein ist falsch. In anderen Ländern gibt es viel mehr Autos, und doch geschehen bei uns im Verhältnis mehr Unfälle als in anderen Ländern. Eine Menge Unglücksfälle sind der unausweichliche Tribut, den die Menschheit der Technik zu entrichten hat. Aber was vermeidbar ist und deshalb die Öffentlichkeit mit Recht erregt, das sind die vielen Unfälle, die rücksichtslose, unerzogene, ja taktlose und höhnische Fahrer verursachen.
Ich kann mich dem nur anschließen und möchte noch einen Vorschlag machen. Lassen Sie uns die großen Automobilverbände bitten, die Kraftfahrer, die bereit sind, an der Besserung der Moral, der Ethik im Verkehr mitzuhelfen, ein Abzeichen sichtbar am Auto führen zu lassen. Wer dieses Abzeichen führt, erklärt damit, daß er bereit ist, die Rechte der anderen und den Anstand gegenüber den anderen im Verkehr zu wahren. Der Fußgänger kann sich darauf verlassen. Wir erwarten freilich von dem Fußgänger, daß er von diesem Recht nicht unangemessen Gebrauch macht. Ich glaube, ein solcher Versuch einer freundschaftlichen Zusammenarbeit der Menschen untereinander ist besser als weiterhin gesetzliche Vorschriften, die ihre Unzulänglichkeit in der letzten Zeit deutlich erwiesen haben.
Wir werden mit den Problemen des Verkehrs in absehbarer Zeit in dieser oder jener Weise nicht fertig werden. Aber lassen Sie uns nunmehr endlich mit der Arbeit daran beginnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Das Wort hat der Abgeordnete Valentin Baur.
Baur (SPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Mir obliegt die Pflicht, die Drucksache 184 zu begründen. Die täglichen tödlichen Unfälle auf unseren Straßen zeigen in erschreckender Weise, daß unser Straßennetz der Entwicklung des Verkehrs nicht mehr gewachsen ist. Am 10. Dezember 1952 hat der erste Bundestag das Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs verabschiedet. Lassen Sie mich aus einem besonderen Grunde feststellen, was meine Fraktion damals zur Frage der Sicherheit auf den Straßen und zu dem Straßenproblem durch mich zum Ausdruck bringen ließ. Ich habe damals in der ersten Lesung am 25. Oktober 1951 gesagt:
Wir Sozialdemokraten sind überzeugt, daß diese Maßnahmen zu einer wesentlichen Besserung führen werden. ... Wir glauben aber ferner, daß mit diesem Gesetz und den darin vorgesehenen Maßnahmen keine optimale Sicherheit erreicht werden kann. Deshalb möchte ich auf die Gesichtspunkte aufmerksam machen, die meines Erachtens vordringlich zu berücksichtigen sind. Das ist ein großzügiger Ausbau von Durchgangs- und Umgehungsstraßen, das ist, wo immer Straßenlinien und Straßenkurven zu besonderen Unfallgefahren
Anlaß geben, die rücksichtslose baldige Beseitigung dieser Gefahrenpunkte.
Und in der dritten Lesung dieses Gesetzes, die etwas mehr als ein Jahr später stattgefunden hat, wiederholte ich:
Um die kritische Lage im Verkehr wirklich wirksam zu verbessern, ist auch eine umfassende Verbesserung unserer Straßenverhältnisse unbedingt notwendig ... In planmäßigem Vorgehen müssen alle verkehrsgefährdenden Straßenstellen zügig beseitigt werden.
Auch Redner anderer Fraktionen brachten damals ähnliche Gesichtspunkte vor.
Und wie war das Echo auf diese Forderungen des Bundestags im Bundesverkehrsministerium? Ungenügend! Denn das Bundesverkehrsministerium stellte in den folgenden Haushaltsjahren für den Straßenbau nur in ganz beschränktem Maße Mittel zur Verfügung: 1952 220 Millionen, ein Jahr später 263 Millionen, und für das kommende Haushaltsjahr sind 315 Millionen vorgesehen. Das ist ein Betrag, der den Notwendigkeiten in keiner Weise entspricht. Ich habe mir von Fachkennern sagen lassen, daß, um die dringendsten Fälle dieser Art zu beheben, jährlich mindestens ein Betrag von ca. 500 Millionen notwendig wäre.
Welche Schlußfolgerungen hat das Bundesverkehrsministerium nun aus den Debatten des Bundestags über den herrschenden Straßennotstand bisher gezogen? Ich muß wiederum feststellen: ungenügende, denn erst kurz vor dem Ende des ersten Bundestags hat der Herr Bundesverkehrsminister eine Broschüre vorgelegt, in der er Vorschläge über die Finanzierung dieser Dinge macht. Eingangs dieser Broschüre stellt er fest, daß der durch die Vernachlässigung — „Gesamtunterlassung", wie er sich ausdrückt — des Straßenbaus gegenüber der Entwicklung des Verkehrs in den Jahren von 1940 bis 1949 entstandene Schaden auf ca. 5,35 Milliarden DM zu beziffern sei. Mit keinem Wort erwähnt er, wie groß die Gesamtunterlassung in der Zeit von 1949 bis 1953, also während seiner Amtszeit, gewesen ist. Er betont nur, daß das, was bisher habe geleistet werden können, die Deckung des Nachholbedarfs sei, der etwa, noch nicht ganz, den Straßenzustand von 1938 erreicht habe.
Er schlägt in dieser Broschüre nur eine Finanzierungsgesellschaft zum Ausbau des Autobahnnetzes in zwei Dringlichkeitsstufen vor, wobei er für die erste 830 Millionen DM und für die zweite 1300 Millionen DM vorsieht. Mit keinem Wort berührt er in dieser Broschüre den nicht minder wichtigen Ausbau der Bundesstraßen, die trotz des Ausbaus der Autobahnen mit einer Verkehrsdichte von, wie er heute gesagt hat, 28 Kraftfahrzeugen pro Kilometer überaus belastet sind. Nach Erfahrungswerten beträgt der Anteil der Unfälle auf der Autobahn etwa 3 % der gesamten Autounfälle. Wenn das richtig ist — und das hat mir ein Fachmann berichtet —, dann ist daraus zu ersehen, daß der Ausbau der Bundesstraßen ebenso wichtig und unaufschiebbar ist wie der Ausbau des Autobahnnetzes, ganz besonders im Hinblick darauf, daß wir, wie der Herr Bundesverkehrsminister zum Ausdruck gebracht hat, bei gleichbleibender Entwicklung des Verkehrs ohne nennenswerte Änderung unseres Straßennetzes in etwa fünf Jahren mit einer Zahl von täglich 65 Toten zu rechnen haben.
Vor dem Ausschuß für Verkehr sprach allerdings der Herr Bundesverkehrsminister so nebenbei auch
von zwei Dringlichkeitsstufen für den Ausbau der Bundesfernstraßen mit einem Kostenaufwand von zirka 4 Milliarden DM, ohne dabei auf Details einzugehen, in welcher Weise er sich die Finanzierung des ganzen Planes denkt. Er ließ durchblicken, daß der Gesamtaufwand von zirka 8 Milliarden DM für Autobahnnetz und Bundesstraßen sich über zehn oder etliche Jahre mehr verteilen werde. Wenn ich den Anteil, den die Bundesregierung zum Ausbau der Bundesfernstraßen in diesem Jahr in Höhe von 315 Millionen DM angesetzt hat, als Quote zugrunde lege, dann muß ich feststellen, daß wir in etwa zwölf Jahren bei diesem Tempo ungefähr den Stand erreicht haben werden, der vielleicht der heutigen Verkehrsdichte entspricht. Wir sind der Meinung, daß diese Art Planung viel zuviel Zeit vorsieht und in Anspruch nimmt. Wir befürworten daher den Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft für Deutsche Autobahnen, der den Ausbau des Autobahnnetzes in mindestens sechs Jahren vorsieht, und wünschen, daß uns gemäß unserem Antrag ein Finanzplan vorgelegt wird, der den beschleunigten Ausbau der Bundesfernstraßen — in Dringlichkeitsstufe I — ermöglicht.
Wir halten den Notstand des deutschen Straßennetzes für so gefahrdrohend, daß das Bundesverkehrsministerium und das Bundesfinanzministerium von dem Prinzip abkommen müssen, den Ausbau der Straßen nur in dem Maße vorzunehmen, als man bereit ist, dafür Mittel zu genehmigen. Man muß sich vielmehr zu dem Prinzip bekennen, Finanzquellen zu • erschließen, mit denen der vorhandene Gefahrenzustand rapide behoben werden kann. Die Absicht des Herrn Bundesfinanzministers, eine Finanzierungsgesellschaft für den Ausbau des Autobahnnetzes zu schaffen, kann ein guter Weg sein, wenn man ihn entschlossen geht und wenn man durch eine entsprechende Organisation einer solchen Anleihe namentlich die betroffenen Kreise ganz besonders anspricht. Ich denke dabei an die Kraftfahrzeugversicherungen, die ja von jedem Unfall, der vermieden wird, den größten Vorteil haben. Dann wird man hoffen dürfen, daß die betroffenen Kreise einschließlich der Kraftfahrzeugbesitzer, soweit sie dazu materiell in der Lage sind, alles tam werden, zu einer solchen Anleihe einen gewissen Beitrag zu leisten.
Hier sei mir, sehr verehrter Herr Bundesverkehrsminister, eine Anregung erlaubt. Der Ausbau unserer Bundesfernstraßen, von denen nach Ihrer Auffassung 80 % eine Straßenbreite von weniger als 61/2 m haben, muß so durchgeführt werden, daß die im Etat jeweils vorgesehenen Mittel des Bundesverkehrsministeriums sofort und mit Vorrang zur Verfügung gestellt werden, damit der Ausbau der Straßen möglichst großzügig während der Zeit vorbereitet werden kann, wo er am billigsten ist, am raschesten erfolgen und am wenigsten von Witterungseinflüssen behindert werden kann, d. h. also wesentlich rationeller und preiswerter ist. Man wird dabei nicht nur schneller, sondern, wie ich sagte, ganz bestimmt auch wesentlich billiger diese Aufgaben erfüllen können.
Ich möchte dann noch eine Frage ansprechen, die heute bereits angeklungen ist, aber nach meiner Meinung nicht angemessen klar zum Ausdruck kam. Sie sollte in unserem föderalen System künftig eigentlich doch stärker betont werden. Das Zusammenspiel der Straßenbaubehörden der Länder mit dem Bundesverkehrsministerium, so wurde mir gesagt, sei außerordentlich ungenügend und führe
zu einem unfruchtbaren Leerlauf. Deshalb möchte meine Fraktion — und ich hoffe, daß der Bundestag der gleichen Meinung ist — zum Ausdruck bringen, daß hier unbedingt eine freiwillige, straffe Zusammenarbeit der Baubehörden aller Länder mit dem Bundesverkehrsministerium anzustreben ist, soll nicht der Föderalismus 'der Länder zum Hohn der ganzen Bundesrepublik werden und mehr Schaden als Nutzen stiften. Vielleicht darf ich bei dieser Gelegenheit auch sagen, daß meines Wissens zur Zeit des Reichstags 1913 der Anteil der Straßenbaukosten in den Haushalten der Länder wie der Gemeinden und des Reiches wesentlich höher war, als das heute der Fall ist. Ich glaube, im Bundesverkehrsministerium ist man über diese Tatsache sicher auch im Bilde.
Wir stehen also hier vor der Tatsache, daß das Verkehrsmittel sich in .allen. Staaten der Welt schneller entwickelt hat als die Verkehrswege. Das" Bundesverkehrsministerium und die Bundesregierung haben nach unserer Auffassung dieses Problem nicht entscheidend und nicht früh genug in Angriff genommen und für so wichtig gehalten, wie es — was auch heute in der Debatte zum Ausdruck kam - in der Tat ist.
Lassen Sie mich, Herr Bundesverkehrsminister, noch eine Befürchtung zum Ausdruck bringen.
— Das überlassen Sie mir. Sie haben lange gsiug geredet, und es steht Ihnen am wenigsten an, den Redner, der in der Reihenfolge später drankommt, zu tadeln.
Ich befürchte, Herr Bundesverkehrsminister, daß man schon zu lange gewartet hat und daß die von Ihnen im kommenden Straßenentlastungsgesetz vorgesehenen Palliativmittel nicht ausreichen werden und Sie sehr bald vor der Alternative stehen, entweder den nationalen Notstand des zu kleinen Straßennetzes mit wirksamen Mitteln zu beheben oder die weitere Zulassung von Kraftwagen rapide zu beschränken, um die Kapazität an befahr- baren Straßenflächen mit der Steigerung an Fahrzeugen in einen kongruierenden Einklang zu bringen, der nicht zu dieser riesenhaften Masse von Toten führt. Vielleicht darf ich Sie daran erinnern, daß — wie mein Kollege Dr. Bleiß heute ausgerechnet hat —, wenn die Entwicklung so weitergeht, wir in 5 Jahren täglich 65 Tote haben und im Jahre rund 25 000 Tote. Sehr verehrter Herr Bundesverkehrsminister, das ist so ungefähr die Stärkeeiner Division.
Ich möchte dem Herrn Bundesverkehrsminister und auch der Industrie noch etwas zu bedenken geben. Die Automobilfirmen sind besessen von dem Gedanken der ständigen Steigerung der Geschwindigkeit und der Zugfähigkeit ihrer Maschinen und Motoren. „Immer schneller, immer rasender" heißt die Losung. Dabei bedenkt man nicht, daß - abgesehen von einigen Roboternaturen — der Durchschnittsmensch die schnell laufenden Maschinen auf die Dauer einfach nicht mehr zu beherrschen in der Lage ist. Ich frage Sie, Herr Bundesverkehrsminister, ob Sie .nicht mit mir der Meinung sind, daß es höchste Zeit ist, das Problem der Verkehrssicherheit auch einmal von diesem Gesichtspunkt aus mit fähigen Wissenschaftlern, Ärzten und Psychologen zu erforschen, um zu notwendigen Erkenntnissen auf diesem Gebiet zu kommen, bevor es zu spät ist.
Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang an das erinnern, was ich .ebenfalls in der dritten Lesung gesagt habe. Ich habe damals dem Bundestag den Beitrag zur Kenntnis gebracht, den seinerzeit der Herr Professor Dr. Piers t h von der Technischen Hochschule Stuttgart auf einer Tagung der Gewerkschaft ÖTV ober die positive Bekämpfung von Unfallgefahren geliefert hat.
Noch eine Bemerkung. Wenn Städte und Gemeinden schon zuwenig Mittel haben, um ihr Straßennetz den heutigen, besser noch gesagt: den Anforderungen des wachsenden künftigen Verkehrs in wirksamer und rascher Weise anzupassen, dann muß ihnen - das ist meine feste Überzeugung - das Recht eingeräumt werden, für ihr Ortsgebiet eine entsprechende Geschwindigkeitsbegrenzung einzuführen Das ist vielleicht ein Ausweg, der noch am wenigsten weh tut, wenn man demgegenüber an das denkt, was im Straßenverkehrssicherungsgesetz an Maßnahmen beabsichtigt ist.
Der Bundesverkehrsminister hat zum Ausdruck gebracht, daß der große Mangel an Disziplin viel-fach schuld an den Unfällen sei; das müsse man also berücksichtigen. Das ist richtig, Herr Bundesverkehrsminister. Dieser Zustand kann aber nur, wie mein Herr Vorredner sehr deutlich und sehr nett gesagt hat, auf die Weise erreicht werden, daß man die Menschen dazu erzieht, sich freiwillig diese Disziplin aufzuerlegen.
Es interessiert mich in diesem Zusammenhang, ob es richtig ist, daß die Kultusminister der Länder trotz der Anregung des Bundesverkehrsministeriums einen regelrechten Schulunterricht für die Kinder in Verkehrsfragen abgelehnt haben, durch den die Kinder zu verkehrsdisziplinierten jungen Bürgern erzogen werden sollen. Wenn dem so ist — der Herr Bundesverkehrsminister bestätigt mir das —,dann bitte ich die Bundesregierung und dieses Haus, den ganzen Einfluß geltend zu machen und dafür zu sorgen, daß ein solch rückständiger und nicht vertretbarer Standpunkt der Kultusminister der Erkenntnis Platz macht, daß eine auf die Dauer erfolgversprechende Methode wie ständiger Verkehrsunterricht in den Schulen notwendig ist, um die Menschen zu verkehrsdisziplinierten Staatsbürgern zu erziehen.
Ich möchte aber noch auf eines aufmerksam machen, und zwar gerade deshalb, weil Sie, Herr Kollege Bucerius, gegen die Einführung des Verbotes sind, an Sonntagen mit Lastfahrzeugen zu fahren. Lieber Kollege Bucerius,
mir sind Klagen zugegangen - ich lasse sie zur Zeit prüfen -, daß solche Transportunternehmen ihre Arbeiter und ihre Kraftfahrer in der Woche bitte, das ist kein Lapsus linguae: in der Woche — bis zu 120 Arbeitsstunden mit Fahrdienst und Verladearbeiten beschäftigen.
Und wenn die Leute sich beschweren, wird ihnen erklärt: Sie können gehen, draußen sind genug, die sofort eintreten.
Ich habe vorhin den Zwischenruf gemacht: Wo ist die Bundesanstalt für den Güterkraftverkehr, der ja nach dem Gesetz das Recht zu Kontrollen hinsichtlich der Einhaltung der sozialen Verpflichtungen zusteht? Ich erwarte von dem Vorstand und den anderen zuständigen Instanzen der Bundesanstalt, daß sie auf diesem Gebiet immer mehr Kontrollen ausüben, damit dieser geradezu menschengefährdende Arbeitszwang unter allen Umstände, verschwindet.
- Es wird gemacht, aber es wird ungenügend gemacht. Die Entwicklung ist noch nicht so weit geliehen, wie es notwendig wäre. Vielleicht hat aber
der eine oder der andere von Ihnen schon erfahren,
daß es solche Kontrollen gibt. Dann um so besser.
Ich frage, meine sehr verehrten Damen und Herren: Ist der derzeitige Zustand nicht schon höchste Alarmstufe? Sollte er nicht alle Instanzen verae lassen, mit außergewöhnlichen Mitteln und Maßnahmen Abhilfe zu schaffen? Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, daß das :geschehen muß, daß mit einer beschleunigten Beratung alles getan werden muß, um diesen Übelstand zu beseitigen. Sie
können sicher sein, daß, was wir zur Lösung des
Problems beitragen können, von uns geschehen
wird. In diesem Sinne bitte ich Sie, den Antrag
Drucksache 184 dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe noch zwei Wortmeldungen hier stehen, von dem Abgeordneten Körner und dem Abgeordneten Brück.
wurde mir gesagt, daß beide Herren auf das Wort verzichten wollen.
- Herr Abgeordneter Brück!
Ich möchte dazu erklären, daß
der Wunsch an mich herangetragen worden ist,
wegen der vorgeschrittenen Zeit auf das Wort zu
verzichten. Diesem Ansinnen wollte ich nachkommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit bin ich am Schluß der Rednerliste und schließe die Beratung
zu den Punkten 2 a bis h der heutigen Tagesordnung.
Die Funkte a und b sind durch die Aussprache erledigt.
Zu Punkt c, Antrag Drucksache 135, liegt der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Zu Punkt d, Antrag Drucksache 181 — Ordnung des Omnibusverkehrs —, liegt der Antrag auf
Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen
als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß
für Post- und Fernmeldewesen zur Mitberatung
vor. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist beschlossen.
Zu Punkt e, Antrag Drucksache 182 — Finanz-und Verkehrskrise der Deutschen Bundesbahn —, liegt der Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß und an
den Ausschuß für Verkehrswesen und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung vor.
Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Zu Punkt f, Antrag Drucksache 183 - Gutachten zur Verkehrspolitik —, liegt der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor. Ist das Haus damit einverstanden? —Es ist so beschlossen.
Zu Punkt g, Antrag Drucksache 184 — Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen —, liegt der Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Auf und an die Ausschüsse für Verkehrswesen und für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung vor. Das Haus ist damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Zu Punkt h, Antrag Drucksache 244 — Finanzierung der Deutschen Bundesbahn —, liegt dier Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß .und an den Ausschuß für Verkehrswesen zur Mitberatung vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Damit ist Punkt 2 der heutigen Tagesordnung erledigt.
Ich unterstelle die Zustimmung des Hauses, daß ich von der Tagesordnung, wie sie vorliegt, mit Rücksicht auf die nach einer Vereinbarung vom Ältestenrat für 17 Uhr vorgesehene Beendigung der Sitzung alle die Punkte vorziehe, die ohne Debatte und ohne Begründung über die Bühne gehen. Ist das Haus damit einverstanden?
— Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 3 der heutigen Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses . für Sozialpolitik über den Antrag dier Fraktion dier DP betreffend Wiederherstellung des einheitlichen Rechts in der Sozialversicherung (Drucksachen 208, 10).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Stingl als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der Deutschen . Partei auf Wiederherstellung des einheitlichen Rechts in der Sozialversicherung wurde gemäß Umdruck 2 in der Plenarsitzung vom 11. November 1953 dem 28. Ausschuß zur Beratung überwiesen. Dieser hat sich am 14. Januar 1954 damit beschäftigt. Bei der Beratung wurde davon ausgegangen, daß nach einhelliger Meinung der Ausschußmitglieder die Wiederherstellung des einheitlichen Rechts über Zonen- und Ländergrenzen hinweg unbedingt notwendig ist.
Was das speziell in dem Antrag angesprochene Problem der Sozialversicherung in Berlin anbetrifft, so wurde geäußert, daß auch hier keine Unterschiede in der Meinung bestehen, daß auch Berlin in das einheitliche Recht des Bundes einbezogen werden muß. Dies ist bis jetzt nicht der Fall. Es wurde bei der Beratung darauf hingewiesen, daß dafür die Entwicklung seit 1945 verantwortlich ist, daß andererseits aber auch der Umstand, daß in Berlin noch nicht die sozialen Zustände, wie sie im Bundesgebiet herrschen, erreicht sind, über den Zeitpunkt der Angleichung Debatten zuläßt. Das heißt, daß über die Notwendigkeit der Einführung des einheitlichen Rechts keine Meinungsverschiedenheit besteht, wohl aber über den Zeitpunkt. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß der Regierende Bürgermeister bei der Neubildung • der Regierung
in Berlin davon gesprochen hat, daß die Berliner Versicherung an das Recht im Bundesgebiet angeglichen werden solle, daß aber der Angleichung eine Überprüfung der Krankenversicherungsanstalt Berlin vorausgehen solle. Obwohl einige Ausschußmitglieder der Meinung waren, daß hier auf möglichste Beschleunigung gedrungen werden sollte, war im Ausschuß keine Äußerung dagegen zu hören, daß man dem Berliner Senat diese Zeit zur Überprüfung der Krankenversicherungsanstalt Berlin lassen und abwarten sollte, welche Schlüsse er aus dem Ergebnis dieser Prüfung zieht.
Der Ausschuß unterbreitet dem Plenum den Antrag, Drucksache 10 insbesondere auch wegen der zonen- und länderrechtlichen Unterschiede in der Sozialversicherung der Bundesregierung als Material zu überweisen. Ich bitte Sie, diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung zu diesem Punkt der Tagesordnung.
Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 208 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 4 der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Rentenversicherung (Drucksachen 209, 20).
Meine Damen und Herren, kann nicht auch hier auf die mündliche Berichterstattung verzichtet werden?
— So. Dann bitte, Frau Berichterstatterin!
Frau Döhring , Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei der Beratung der Drucksache 209 im Sozialpolitischen Ausschuß hat sich ergeben, daß der vorliegende Antrag betreffend Gleichberechtigung zwischen ,Mann und Frau in der Rentenversicherung viele Probleme aufwirft, und zwar nicht nur hinsichtlich der Beseitigung der Benachteiligung eines Teils weiblicher Versicherter, sondern auch bezüglich der Witwer z. B., für die die in der Rentenversicherung enthaltenen Bestimmungen ebenfalls abweichen. Der Antrag ist aber sowohl bezüglich der rechtlichen Fragen als auch der finanziellen Auswirkungen so wenig konkret gestellt, daß es dem Ausschuß nicht möglich war, bestimmte Entschlüsse zu fassen. Dies war um so weniger möglich, als die antragstellende Partei bei den Ausschußberatungen keine genaueren Vorstellungen hierüber entwickelt hat. Wohl war sich der Sozialpolitische Ausschuß darin einig, daß es sich bei der Frage der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau auch in der Rentenversicherung um eine äußerst wichtige Frage handelt. Der Ausschuß hat deshalb beschlossen, denn Hohen Hause vorzuschlagen, den Antrag der Regierung als Material für eine entsprechende Regelung zu überweisen.
Ich bitte das Hohe Haus, dementsprechend beschließen zu wollen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke der Frau Berichterstatterin. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Beratung und komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache 209, die Drucksache 20 der Bundesregierung als Material für eine entsprechende Regelung zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich u m ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Aufhebung der Zweiten Lohnabzugsverordnung (Drucksachen 210, 22).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Meyer.
Meyer ( SPD), Berichterstatter: Der Antrag Drucksache 22 fordert die Aufhebung der Lohnabzugsverordnung, die im Jahre 1942 erlassen wurde. Mit dieser Forderung wird aber gleichzeitig die auf Aufhebung der Zweiten Lohnabzugsverordnung verknüpft, die aus zwei Teilen und 13 Paragraphen besteht. Würde man diese Verordnung aufheben, würde das ganze Rentenberechnungsverfahren in sich zusammenfallen und würden auch noch wichtige Bestimmungen der Arbeitslosenversicherung, die in zwei oder drei Paragraphen dieser Verordnung enthalten sind, gegenstandslos werden.
Der Ausschuß konnte sich, ohne in eine Debatte über Theorie oder Praxis des Lohnabzugsverfahrens einzutreten, nicht zu der Empfehlung entschließen, diese Verordnung global aufzuheben. Der Sozial. politische Ausschuß schlägt deshalb — gegen 1 Stimme — vor, diesem Antrag nicht stattzugeben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. — Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Beratung.
Ich komme dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache 210. Meine Damen und Herren, ich mache darauf aufmerksam — damit hinterher nicht Anfechtungen wegen Irrtum kommen, wie es neulich einmal geschehen ist —, daß der Ausschuß vorschlägt, der Bundestag wolle beschließen, den Antrag Drucksache 22 abzulehnen. Stimmen Sie dem zu, dann heißt das, daß der auf Drucksache 22 von der Fraktion der DP gestellte Antrag abgelehnt ist und bleibt. Wir stimmen also ab. Wer dem Antrag auf Drucksache 210 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? — Das erste war die überwiegende. Mehrheit. Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache 210 ist damit angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. h. c. Müller , Schrader und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen (Drucksache 203).
Herr Präsident, ich beantrage die Überweisung an den Außenhandels- und den Ernährungsausschuß.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke verbinalichst! — Es soll nicht begründet und auch nicht debattiert werden. Der Antragsteller hat Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen — wohl federführend? —
und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend-' beantragt. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 8 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren (Drucksache 213).
Es ist vereinbart, weder eine Begründung zu geben noch eine Debatte zu führen. Ich schließe die Beratung und schlage Ihnen vor: Überweisung an den Ausschuß für Ernährung,. Landwirtschaft und Forsten — federführend — und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik. — Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 10 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte .
Bitte, Herr Abgeordneter Schmitt.
Schmitt (SPD), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion verzichtet auf eine mündliche Begründung und wird die Begründung schriftlich zu Protokoll geben*).
Wir bitten um Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und um Mitberatung in dem Ausschuß für Geld und Kredit und im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Hier war eigentlich eine Debatte vorgesehen, aber — —
Die Fraktionen haben vereinbart, daß keine Debatte stattfindet. Ich würde anregen zu überlegen, ob der Ausschuß für Mittelstandsfragen, den die Dinge sehr interessieren, mit hinzugezogen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich schließe die Beratung zu diesem Punkt. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft — federführend — und an den Ausschuß für Geld und Kredit, an den Mittelstandsausschuß und an den Ausschuß für Rechtswesen — mitberatend — beantragt. Ist das Haus damit einverstanden?
— Das ist wohl nicht ernst gemeint. — Ist das Haus mit der Überweisung an die genannten Ausschüsse einverstanden? — Das ist der Fall. Die Überweisung ist erfolgt.
*) Siehe Anlage 1 Seite 468
Ich rufe schließlich Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Wer diesem Antrag auf Umdruck 11*) zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Überweisung ist erfolgt.
Damit wären wir nicht am Ende, aber am Schluß der heutigen Sitzung. Es sind übriggeblieben die Punkte 6, 9, 11a bis c und 12 der heutigen Tagesordnung, die wir vertagen müssen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll morgen zuerst über die beiden Punkte der morgigen Tagesordnung, die Gleichberechtigung und den anderen Gegenstand, beraten werden.
Ich gebe noch folgendes bekannt:
Die Mitglieder des Verkehrsausschusses werden gebeten, eine halbe Stunde nach Schluß der Plenarsitzung zu einer kurzen Sitzung im Zimmer 210, Südflügel, 2. Stock, zu erscheinen.
*) Siehe Anlage 2 Seite 471
Die für heute 18 Uhr vorgesehene Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung fällt aus.
Die FDP hat um 18 Uhr Fraktionssitzung.
Schließlich wird gebeten, meine Damen und Herren, die Drucksachen 226, 215 und 248 — es sind die Drucksachen zu dem Straffreiheitsgesetz und dem, was dazu gehört - zur nächsten Sitzung wieder mitzubringen. Sie können nicht noch einmal verteilt werden, weil sie nicht mehr vorhanden sind.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 15. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 12. Februar 1954, 9 Uhr, und schließe damit die 14. Sitzung des Deutschen Bundestages.
— Es ist abgeändert! Damit es keinen Irrtum gibt: 9 Uhr, nicht 9 Uhr 30.