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    2. Deutscher Bundestag — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954 407 14. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 408 B, 465 A, 467 A, C Nachruf für den verstorbenen Abg. Görlinger 408 B Glückwünsche zu den Geburtstagen des Bundesministers Kaiser und der Abg. Hepp, Dr. Leiske, Geritzmann und Frau Dietz . 408 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 24 betr. Autobahnbau FrankfurtWürzburg—Nürnberg (Drucksachen 207, 246) 408 D Beratung der Übersicht 3 über Anträge von (B) Ausschüssen des Deutschen Bundestages betr. Petitionen (Drucksache 220) . . 409 A Beschlußfassung 409 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftliche Ordnung des Verkehrswesens (Drucksache 180) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Verkehrspolitik der Bundesregierung (Drucksache 185), mit der Beratung des Antrags des Abg. Morgenthaler u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn- und Feiertagen (Drucksache 135), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ordnung des Omnibusverkehrs (Drucksache 181), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Finanz- und Verkehrskrise der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 182), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Gutachten zur Verkehrspolitik (Drucksache 183), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen (Drucksache 184) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Finanzierung der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 244) 409 A Dr. Bleiß (SPD), Anfragender . . . . 409 B Müller-Hermann (CDU/CSU), Anfragender 412 B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 414 C, 446 D Rümmele (CDU/CSU) 423 A Rademacher (FDP) 428 C Schmidt (Hamburg) (SPD) 436 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . . 451 C Morgenthaler (CDU/CSU) 455 A Jahn (Frankfurt) (SPD) . . . . 456 B, 458 A Unterbrechung der Sitzung . . 457 D Scheuren (SPD) 459 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) 459 C Baur (Augsburg) (SPD) 462 B Brück (CDU/CSU) 464 D Überweisung der Anträge Drucksachen 135 und 183 an den Ausschuß für Verkehrswesen, des Antrags Drucksache 181 an den Ausschuß für Verkehrswesen und an den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen, der Anträge Drucksachen 182, 184 und 244 an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Verkehrswesen 464 D, 465 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Wiederherstellung des einheitlichen Rechtes in der Sozialversicherung (Drucksachen 208, 10) . . 465 A Stingl (CDU/CSU), Berichterstatter 465 B Beschlußfassung 465 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Rentenversicherung (Drucksachen 209, 20) . 465 C Frau Döhring (SPD), Berichterstatterin 465 D Beschlußfassung 466 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Aufhebung der Zweiten Lohnabzugsverordnung (Drucksachen 210, 22) 466 A Meyer (Wanne-Eickel) (SPD), Berichterstatter 466 A Beschlußfassung 466 B Erste Beratung des von den Abg. Dr. Dr. h. c Müller (Bonn), Schrader u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen (Drucksache 203) 466 B Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU), Antragsteller 466 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 466 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren (Fischgesetz) (Drucksache 213) 466 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . . 466 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) . 466 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD): als Antragsteller 466 D Schriftliche Begründung 468 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 466 D Überweisung an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik, für Geld und Kredit, für Mittelstandsfragen sowie an den Rechtsausschuß 466 D Beratung des interfraktionellen Antrags betr Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) 467 A Nächste Sitzung 467 C Anlage 1: Schriftliche Begründung des Abg Schmitt (Vockenhausen) (SPD) zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betr. die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) 468 Anlage 2: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) 471 Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    468 2 Deutscher_Bundestag — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag. den 11. Februar 1954 Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 14. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Schmitt [Vockenhausen] (SPD) zur ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur .nderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) Das Teilzahlungsgeschäft hatte sich vor dem Kriege gut entwickelt und wurde dann durch den Krieg und die Nachkriegsjahre völlig zurückgeworfen. Nach der Währungsreform, vor allem aber mit dem Obergang vorn Verkäufer- zum Käufermarkt, hat es wieder sehr stark an Bedeutung gewonnen und ist in seinem Umfang heute weit über das Volumen der Vorkriegszeit hinaus gewachsen. Die verschiedenen Untersuchugen über den Anteil des Abzahlungsgeschäfts am Un tz des Einzelhandels in der. Bundesrepublik haben ergeben, daß heute rund 10 % des Einzelhandel-Umsatzes, der im Jahre 1953 nach Ermittlungen des IFOInstitutes 41,9 Milliarden DM betrug, im Teilzahlungsgeschäft getätigt werden. Das wären also rund 4 Milliarden DM. Hinzukommen noch die Abzahlungsgeschäfte unmittelbar mit der Industrie und dem Handwerk, die schätzungsweise 1,5 bis 2,5, Milliarden DM betragen dürften; so daß man die gesamten Teilzahlungsumsätze mit etwa 6 Milliarden DM annehmen Die steigende Entwicklung des Teilzahlungsgeschäfts der Nachkriegszeit ist vor allein eine Auswirkung der in der Entwicklung zurückgebliebenen Löhne und Gehälter und ein Ausfluß des erheblichen Bedarfs unserer Arbeitnehmer und des gewerblichen Mittelstandes, die mit ihren Einkommen ihren Nachholbedarf bisher noch nicht, befriedigen konnten. Wir sind der Auffassung, daß das Teilzahlungsgeschäft an sich nicht als eine ungesunde Erscheinung angesehen werden sollte. Im Gegenteil sollte heute dafür gesorgt werden, daß insbesondere • den Arbeitnehmern und dem gewerblichen Mittelstand durch das Teilzahlungsgeschäft zu günstigen Bedingungen die Möglichkeit gegeben wird, ihren Lebensstandard durch vorausgenommenen Einkauf möglichst bald zu verbessern. Im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht natürlich, daß durch jedes Teilzahlungsgeschäft vorzeitig über Kaufkraft verfügt wird, so daß sie also am Zeitpunkt ihres Entstehens nicht mehr der freien Konsumwahl zur Verfügung steht. Für jeden einzelnen bringt das gewisse Gefahren für diesen Zeitpunkt mit sich, denn sein Verdienst kann durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität oder sogar Tod unterbrochen werden. Wenn auch der Ausfall von Ratenzahlungen in unserer heutigen konjunkturellen Situation verhältnismäßig gering ist und sich nach den verschiedenen Erhebungen über das Gebiet der Teilzahlungsgeschäfte unter 1 % der Umsätze im Teilzahlungsgeschäft beläuft, so darf jedoch volkswirtschaftlich nicht übersehen werden, daß bei einem konjunkturellen Rückgang der Anteil der Ausfälle plötzlich einen viel größeren Umfang annehmen wird. Auch darf nicht verkannt werden, daß das Teilzahlungsgeschäft in Wirklichkeit für die gesamte Industrie auf die Dauer keine Belebung bringen kann. Es wird sich immer nur, weil die Massenkaufkraft leider nicht erheblich gestiegen ist, um eine Umsatzverlagerung, um eine Kaufkraftvorwegnahme, handeln, denn man kann sein Geld nur einmal ausgeben. Wir wollen also nicht vergessen, daß die Konsumausweitung durch das Einkommen begrenzt ist. Die Konjunkturreserve ist durchaus nicht unerschöpflich. Der Umfang des Teilzahlungsgeschäfts ist allerdings auch landsmannschaftlich verschieden. So sind die Menschen im Badisch-Württembergischen weniger leicht für Abzahlungsgeschäfte zu gewinnen als vor allem im Ruhrgebiet. Hier vor allem haben sich nach der übereinstimmenden Meinung aller Beteiligten offenkundige Mißstände ergeben.. Unter Berücksichtigung dieser Umstände haben wir vorgeschlagen, das Teilzahlungsgesetz von 1894, das vor 60 Jahren natürlich unter ganz anderen Umständen und Voraussetzungen geschaffen wurde, durch zeitgemäße Bestimmungen zu ergänzen. Diese Bestimmungen sollen den gesunden Teilzahlungskredit fördern, den vorhandenen Übelständen entgegenwirken und vor allem den Grundsätzen der Wahrheit, Klarheit und des sozialen Schutzes des Verbrauchers zeitgemäßen Ausdruck verleihen. Die Grundsätze der Wahrheit und des sozialen Schutzes des Verbrauchers verstehen sich von selbst. Der Grundsatz der Klarheit ist volkswirtschaftlich mit dem Grundsatz der Markttransparenz identisch. Die Markttransparenz ist einer der wichtigsten Grundsätze der Marktwirtschaft, denn es ist auf dem Markt unerläßlich, daß der 'Käufer frei nach Qualität und Preis wählen kann. Es ist aus diesem Grunde auch sehr wichtig, daß er, bevor er ein Teilzahlungsgeschäft eingeht, die Möglichkeit hat, Preisvergleiche, nämlich zwischen dem Barpreis einer Ware und dem Teilzahlungspreis einer Ware anzustellen; denn nur so hat der Verbraucher die Möglichkeit, in freier Konsumwahl diesen Grundsätzen entsprechend sich zu entscheiden. Der Käufermarkt der letzten Jahre (Schmitt [Vockenhausen]) hat erwiesen, daß vielfach versucht wird, die wirklichen Marktbedingungen zu verschleiern, wodurch der Verbraucher in seiner Konsumwahl irregeführt wird und zu leicht Verpflichtungen eingeht, über deren Tragweite und Auswirkungen er sich bei Kaufabschluß allzuoft nicht im klaren ist. Es ist uns bekannt, daß es vielfach üblich ist, daß der Verkäufer einer Ware im Teilzahlungsgeschäft durch Einholung von Informationen über die Tätigkeit, die Einkommensverhältnisse und Familienverhältnisse des Teilzahlungskunden sowie durch Inanspruchnahme der „Schufa"-Organisationen sich eingehend informiert und nur unter Berücksichtigung der besonderen privaten und finanziellen Verhältnisse des Teilzahlungskunden entsprechende Teilzahlungskredite gewährt, die nach dem Ermessen des Verkäufers tragbar sind. Allerdings wird in anderen Fällen eine solche Auslese nicht getroffen und in unverantwortlicher Weise dem Teilzahlungskunden ein Teilzahlungskredit angeboten, den der Teilzahlungskunde überhaupt nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten zu tilgen vermag. Wir sind uns darüber im klaren, daß auch dieser Gesetzentwurf nicht ausreicht, um derartige Auswüchse in allen Fällen zu verhindern. Wir haben jedoch nach eingehender Überlegung uns zunächst auf diese Vorschriften des Gesetzentwurfs beschränkt, weil wir glauben, daß dadurch wenigstens der größte Teil der Mißstände in geregelte Bahnen geführt wird. Eine Beseitigung aller Mißstände und Auswüchse im Teilzahlungsgeschäft wäre unseres Erachtens nur durch eine derartig straffe und enge Kontrolle des Teilzahlungsgeschäftes möglich, die in nicht erwünschter Form die Handlungsfreiheit im Markt wiederum einschränken würde. Hinzukommt, daß das Teilzahlungsgeschäft in der Bundesrepublik in zahlreichen unterschiedlichen Systemen vor sich geht, die eine einheitliche Erfassung in einem Gesetzentwurf kaum ermöglichen dürften. So beschränkt sich beispielsweise das Gesetz betreffend Abzahlungsgeschäfte von 1894, das der vorliegende Gesetzentwurf erweitert, lediglich darauf, die Abzahlungsgeschäfte, die außerhalb des Bankverkehrs vor sich gehen, zu erfassen. Das bedeutet, daß Teilzahlungsbanken und sonstige Kreditinstitute, die das Teilzahlungsgeschäft betreiben, . in ihrem Geschäftsverkehr von diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht erfaßt werden. Erfaßt wird von diesem Gesetzentwurf lediglich das Teilzahlungsgeschäft, das außerhalb des Bankverkehrs getätigt wird, beispielsweise in "eigener Regie des Einzelhandels, des Handwerks oder auch der Industrie. Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit das Teilzahlungsgeschäft der Banken und Kreditinstitute in eine allgemeine Regelung einbezogen werden sollte. Soweit das Teilzahlungsgeschäft von den Kreditinstituten selbst durchgeführt wird, unterliegen diese mit ihren Bedingungen der Bankenaufsicht, so daß diese jederzeit in der Lage ist, entstehende- Auswüchse von vornherein auszuschließen. Ich glaube, wenn wir den vorliegenden Entwurf beraten, sollten wir uns trotzdem auch noch einmal mit den Anregungen des Sonderausschusses Bankenaufsicht beschäftigen, in denen dem Staat zumindest eine Ermächtigung zur Festlegung eines Kredithöchstsatzes vorgeschlagen wurde. Darüber hinaus ist natürlich eine Anpassung der Konditionen der Kreditinstitute an die Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlich, um die Startgleichheit zu gewährleisten. Soweit wir aus unseren eigenen. Erfahrungen, aber auch aus den verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen zu dem Gebiet der Teilzahlungsgeschäfte in der Bundesrepublik ersehen konnten, wurden Auswüchse im Teilzahlungsgeschäft vor allem festgestellt hinsichtlich der Anzahlung bei Aufnahme des Teilzahlungskredites. Wir wollen nicht übersehen, daß es heute im Einzelhandel, im Handwerk usw. in vielen Fällen üblich ist, daß der Verkäufer im Teilzahlungsgeschäft eine Anzahlung vom Teilzahlungskunden in Höhe von 30 und sogar 35 % des kreditierten Betrags fordert. In anderen Fällen hingegen wird eine Anzahlung bei Einräumung eines Teilzahlungskredites überhaupt nicht gefordert oder nur in einem geringen,, im Verhältnis zum Kaufpreis unangemessenen Anteil. So ist es volkswirtschaftlich und im Interess der Verbraucher unverständlich, daß beispielsweisem heute Kühlschränke auf dem Markt angeboten werden mit einer Anzahlung von 20 DM, und Radios von 5 DM. Der Teilzahlungskäufer ist sich nachrewiesenermaßen bei einem solchen Teilzahlungnkauf häufig überhaupt nicht im klaren darüber, welche Verpflichtungen ihm in Zukunft bei einem solchen Abzahlungsgeschäft entstehen, wobei die Ratenzahlungen in derartigen Fällen häufig über 24 Monate hinausgehen und sich auf drei Jahre und darüber erstrecken. Damit ist der Verbraucher, dem das Angebot eines solchen Verkäufers in die Hände fällt, über Jahre hinaus in seiner freien Konsumwahl, in seiner Entscheidungsfreiheit auf dem Markt festgelegt, wobei wir ganz davon absehen wollen, auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, die sich insbesondere bei einem Konjunkturrückgang oder aus persönlichen Gründen bei dem Teilzahlungskunden 'ergeben, noch näher hinzuweisen, da dies bereits geschehen ist. Die von uns vorgeschlagenen Bestimmungen schaffen mit der Begründung einer Anzahlungspflicht beim Verbraucher Hemmungen gegen eine leichtfertige Kreditaufnahme. Wenn man schon einmal eine Anzahlung in bar leisten muß, wird man sich normalerweise doch mehr Gedanken über die Zweckmäßigkeit des Kaufs und die Möglichkeiten der Rückzahlung des Kredits machen.. Jedenfalls kommt es allzu häufig vor, daß ein Arbeiter und vor allem auch seine Ehefrau, die sich in wirtschaftlichen Fragen nicht so auskennen, zum Schluß feststellen müssen, daß sie viel tiefer in die Tasche greifen und viel länger zahlen mußten, als man beim Abschluß des Geschäfts erzählte. Es ist ja auch niemandem damit gedient, daß er beliebig viel auf Raten kaufen kann. Allzu viele Hausfrauen sind schon überredet worden und haben nachher die Folgen für sich und ihre Familien gespürt. Aber nicht nur den Verbraucher wollen wir durch durch eine solche Mindestbegrenzung des Anzahlungsanteils schützen, sondern insbesondere auch die mittelständischen Gewerbetreibenden, die infolge des starken Wettbewerbs im Teilzahlungsgeschäft miteinander häufig dazu gezwungen werden, ihren Kreditkunden unseriöse Bedingungen einzuräumen, weil ihre Konkurrenten dies auch machen. Die in dem Gesetzentwurf angegebenen Mindestgrenzen sollen auch nur als solche gedacht sein. Es wäre unerwünscht, wenn ein solcher Gesetzentwurf zur Folge haben würde, daß Teilzahlungsverkäufer, die bisher höhere Anzahlungsbeträge gefordert haben, nunmehr auf diese Mindestsätze zurückgehen. Im Gegenteil wird es von uns begrüßt, wenn diejenigen Teilzahlungsverkäufer, die sich ihrer gesamtwirtschaftlichen Verpflich- (Schmitt [Vockenhausen]) tung bei der Einräumung von Teilzahlungskrediten bewußt sind, auch weiterhin ihr Marktverhalten beibehalten. Da der Kreditnehmer oder Käufer nur in den seltensten Fällen seine finanziellen Verhältnisse über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorher beurteilen kann, ist eine Begrenzung der Laufzeit der Kredite unerläßlich. Eine solche Begrenzung ist nicht nur zum Schutz des Kreditnehmers sondern darüber hinaus auch zum Schutz der Teilzahlungsgeschäfte tätigenden mittelständischen Gewerbetreibenden dringend erforderlich, weil diese aus Konkurrenzrücksichten bisher zu Auswüchsen gezwungen wurden. Entsprechende gesetzliche Regelungen sind auch in anderen Ländern eingeführt. Im Gegensatz zu den dortigen Bestimmungen beruht der Entwurf nicht auf einer Bewertung der vom Kreditnehmer gekauften Waren, weil dieses eine weitestgehende Katalogisierung der Waren erforderlich machen würde. Ein solcher Katalog müßte laufend geändert werden, weil insbesondere auf dem technischen Gebiet immer wieder Neuerungen :auf dem Markt erscheinen. Hinzukommt, daß eine Globalregelung, beispielsweise für bestimmte Warengruppen, nicht zweckmäßig erscheint, weil die Wertspanne einer solchen Warengruppe zu unterschiedlich ist. Bei der Bekleidung würde der Wert zwischen niedrigsten Beträgen und Summen von mehreren Tausend DM, etwa bei hochwertigen Pelzmänteln, liegen. Die Einführung einer DM-Grenze erscheint daher vorteilhafter. Wir halten es auch volkswirtschaftlich für verantwortungslos, wenn Teilzahlungsgeschäfte sich in den Ratenzahlungen über zwei Jahre hinaus erstrecken. Im Gegenteil sollte es das Bestreben der Teilzahlung gewährenden Wirtschaft sein, die Ratenzahlungen möglichst noch stärker auf höchstens ein Jahr zu begrenzen. Auch hier sind die Auswüchse auf einige wenige Branchen beschränkt. Diese sind aber in ihrer Bedeutung innerhalb der Gesamtwirtschaft so groß, daß eine Behandlung. dieser Auswüchse zum Schutz des Verbrauchers in den Gesetzentwurf mit einbezogen werden mußte. Insbesondere sollte es weiterhin bei den Teilzahlung gewährenden Gewerbetreibenden Gepflogenheit bleiben, daß kurzlebige Wirtschaftsgüter. wie insbesondere Schuhe, Textilien und Bekleidung in der Regel weiterhin nur in • fünf bis sechs Monatsraten abgezahlt werden. Außerdem wäre es erwünscht, daß Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie insbesondere Lebens- und Genußmittel, überhaupt nicht in das Teilzahlungsgeschäft mit einbezogen werden. In der Regel wird in diesen Gegenständen des täglichen Bedarfs ein Teilzahlungsgeschäft auch nicht in Frage kommen, sondern viel mehr das Anschreiben. Obwohl dieses nicht erwünscht ist, dürfte jedoch die Höhe der Anschreibungsbeträge im Verhältnis zum Umsatz des Lebensmitteleinzelhandels nicht mehr so bedeutend sein wie in der Vorkriegszeit, so daß wir von einer Einbeziehung des Anschreibens, soweit es nicht mit einer Zinszahlung verbunden ist, abgesehen haben. Dasselbe gilt hinsichtlich des Ansparens, das im Einzelhandel vielfach üblich Ist, aber in der Regel keinesfalls als unerwünscht angesehen werden kann. Beim Ansparen handelt es sich darum, daß der Käufer eine Ware kauft, aber lediglich einen bestimmten Betrag anzahlt, während die Ware so lange im Besitz des Verkäufers bleibt, bis der gesamte Betrag gezahlt ist. Derartige Anspargeschäfte vollziehen sich in der Regel innerhalb eines oder zweier Monate. Allerdings gibt es hier auch Auswüchse, indem das Anspar-System von Kaufleuten angewandt wurde, die die kreditierte Ware nicht auf Lager hatten. Sie haben dann die Ware erst aus den Ansparbeträgen erworben. Ein solches Verfahren ist aber nach der neuesten Rechtsprechung unzulässig und bedürfte gegebenenfalls der Genehmigung der Bankenaufsicht. Immerhin ist es vielleicht zweckmäßig, diese Frage im Ausschuß nochmals zu erörtern. Das Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte von 1894 schloß die Kaufleute im Sinn des Handelsgesetzbuchs von den Vorschriften aus. Da heute in nicht unerheblichem Umfang mittelständische Gewerbetreibende Teilzahlungskunden sind, halten wir es zum Schutz dieser Kaufleute für notwendig, diese insoweit in die Ergänzungen dieses Gesetzes einzubeziehen, um auch ihnen im Teilzahlungsgeschäft Schutz zu gewähren. Eine Ausnahme bilden lediglich Teilzahlungsgeschäfte über einen Betrag von 100 000 DM hinaus. Wer eine Ware mit einem Wert von 100 000 DM oder mehr kaufen kann, und wem sie geliefert wird, muß normalerweise über die geschäftlichen Erfahrungen. verfügen. Die Frage der Höchstzinssätze sollte im Ausschuß im Zusammenhang mit der von mir schon erwähnten Anregung des Sonderausschusses Bankenaufsicht noch einmal besprochen werden, obwohl sich bei dem Teilzahlungsgeschäft des Einzelhandels, das ja in dem Gesetz geregelt ist, gezeigt hat, daß die Teilzahlung gewährende Wirtschaft eine gewisse Selbstbeschränkung übt, die sich aus dem Wettbewerb ergibt. Die Meinung verschiedener Wirtschaftspolitiker, daß das Teilzahlungsgeschäft in der bisherigen Form unbegrenzt weiter betrieben, ja sogar durch noch niedrigere Anzahlungen und längere Laufzeiten gefördert werden sollte, muß jedem unverständlich sein, der sich über die wirtschaftliche Tragweite einer zügellosen Konsumausweitung auf Pump im klaren ist. Wir sind uns darüber im klaren, daß wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur den Auswüchsen steuern können. Wir wollen auch nicht etwa das Teilzahlungsgeschäft an sich einschränken. Dagegen sprechen die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik, denn Beamte, Arbeiter und Angestellte sowie weite Kreise des Mittelstandes, die sich heute eine Wohnung einrichten wollen und, wenn sie überhaupt eine Wohnung haben, nicht in leeren Wänden hausen und auf Margarinekisten sitzen wollen, sind gezwungen, mit Hilfe von Abzahlungsgeschäften wieder zu Eigentum zu kommen. Der Entwurf, den wir im Interesse des Kredits des kleinen Mannes und des mittelständischen Gewerbetreibenden eingebracht haben, soll aber diese Kreise veranlassen, vor allem zu prüfen, welche Gegenstände so dringend gebraucht werden, daß ein Kreditkauf nicht zu, umgehen ist, und dem Käufer bis zum letzten zeigen, welche Belastungen er auf sich nimmt, und schließlich soll es ihn vor Übervorteilungen schützen. Ich beantrage im Namen meiner Fraktion die Überweisung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Geld und Kredit und den Rechtsausschuß. Schmitt (Vockenhausen) Bonn, den 11. Februar 1954 Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 14. Sitzung Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung dem zuständigen Ausschuß überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Ritzel und Genossen an den Haushaltsausschuß; betreffend Bundeszuschuß zum Deutschen Leder- museum in Offenbach (Main) (Drucksache 190) 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Ein- an den Haushaltsausschuß (federführend), an den fuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; 3. Antrag der Abgeordneten Arndgen, Dr. Leiske an den Haushaltsausschuß (federführend), an den und Genossen betreffend Entlastung der Ver- Ausschuß für Verkehrswesen; kehrsverhältnisse in den engen Ortsdurchfahrten im Rheingaukreis (Bundesstraße 42) (Drucksache 206) 4. Antrag der Fraktion der FDP betreffend ab- an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. gabenfreie Einfuhr von Tabakwaren im Reise- verkehr (Drucksache 217) Bonn, den 2. Februar 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
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    Rede von Oskar Rümmele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man so die Zeitungen, die Zeitschriften, die Denkschriften und die Zuschriften, die wir ja alle bekommen, liest, dann hat man manchmal die Empfindung: Im Verkehr sieht immer jemand die Schuld für irgend etwas, was passiert ist, nicht bei sich, sondern nur beim anderen. Der Herrenfahrer — ich will diesen Ausdruck einmal gebrauchen, obwohl er deplaciert ist — sieht den Lastwagenfahrer; er sieht, daß der Lastzug ihm nicht Platz macht, daß der Überholvorgang zu langsam geht, daß er vielleicht aber auch einmal durch Abneigung gegen die Herrenfahrer aufgehalten wird. Umgekehrt ist der Motorradfahrer auch nicht der Liebling des Autofahrers und des Fernlastwagenfahrers; man gibt ihm viel Schuld. Zweifellos ist dort eine übersportliche Begeisterung, die zu vielen Unglücksfällen führt, festzustellen. Auf der anderen Seite sind die Radfahrer auch noch da, die Radfahrerinnen dazu. Es ist immer wieder die alte traurige Erfahrung, daß viele Leute, die, weil ihre Finanzen nicht groß genug sind, mit dem Fahrrad vorlieb nehmen müssen, glauben, daß die Straße der geeignete Platz sei, ein schönes Schwätzchen zu machen. Zu zweit, zu dritt, manchmal zu viert wird nebeneinander gefahren. Nicht alle tun das. Man soll überhaupt nicht verallgemeinern. Es gibt im deutschen Verkehr Gott sei Dank anständige Leute. Es gibt auch noch — was ein Wunder ist — Leute, die sich sogar an die Verkehrsvorschriften halten; auch das kommt vor.
    Aber — ich will den Satz gleich vorwegnehmen — wenn Sie die Verkehrsunfallursachen einmal nach der Statistik durchsehen, dann finden Sie, daß etwa 60 % aller Verkehrsunglücke mit oder ohne Todesfolge sich etwa so unterteilen: zwischen 5 und 10 % Zustand der Straße, Zustand des Fahrzeugs, Überholvorgang usw., daß aber rund 45 % sich auf die Übertretung von Verkehrsvorschriften beziehen. Das heißt: Die Disziplin im Verkehr ist trotz einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern, die die Sache ordentlich machen, noch äußerst mangelhaft durchgebildet.
    Nun gibt es aber noch eine Gruppe, die sogar der Herr Verkehrsminister vergessen hat: die Gruppe der Fußgänger.

    (Beifall.)

    Ich glaube, ungefähr die Hälfte der Mitglieder dieses Hohen Hauses gehört dieser Gruppe an,

    (Heiterkeit)

    und ich möchte sagen: Die andere Hälfte gehört ihr gelegentlich an. Aber diese Gruppe ist die Mehrheit im deutschen Vaterlande, und es wird wohl gut sein, wenn wir uns auch daran erinnern; denn der Fußgänger ist auch ein Mensch.

    (Beifall.)

    Wenn man nun den Verkehr so ansieht, daß man von der Bundesbahn aus bloß sagt: Der Verkehr auf der Straße macht uns bei der Bahn kaputt, und daß die auf der Straße sagen: Bei der Bundesbahn könnte noch viel mehr gespart werden, da könnte noch viel mehr rationalisiert werden, da könnten Leute entlassen werden, dann könnten wir unsere Lage verbessern, — dann ist das falsch. Denn der Straßenverkehr braucht und soll nicht ein Feind der Bundesbahn, sondern eine Ergänzung sein. Wenn man die Leute — und darin liegt vielleicht der Fehler auch bei der Regierung in den letzten Jahren — zwangsweise vor Jahren an
    den runden Tisch gebracht hätte — den Straßenverkehr, den Güterfernverkehr, den Nahverkehr, meinetwegen die Autoindustrie, die Bundesbahn, den Binnenschiffsverkehr — und sie gezwungen hätte, nicht nur gegeneinander Resolutionen zu fassen, sondern sich zu verständigen, dann wären wir vielleicht einen Schritt weiter. Nebenbei gesagt, es gibt ja in diesem berühmten klassischen Stück das schöne Wort: Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt!

    (Zuruf von der SPD: Stimmt hier aber nicht!)

    - Es gibt ja noch den Nachsatz: Der weite Weg entschuldigt Euer Säumen.

    (Heiterkeit.)

    Ich möchte das aber doch auch so aufgefaßt wissen: Wenn die Dinge nicht endgültig geklärt und geregelt werden konnten, dann liegt es tatsächlich zum Teil an den turbulenten Verhältnissen der letzten Jahre, an den vielen Notständen, die wir in Deutschland hatten, an dem erschwerten Wiederaufbau, an dem zu geringen Kapitaldeckungsmantel. Es liegt zweifellos auch an den verkehrsteilnehmenden Gruppen selbst. Es liegt aber ferner — meine Damen und Herren, seien wir ruhig selbstgerecht! — auch an uns. Es ist keiner Fraktion dieses Hohen Hauses je verwehrt gewesen, einen Initiativgesetzentwurf einzubringen, und es ist auch den Ländervertretungen nie verwehrt gewesen, diese Dinge — „Verkehrskoordinierung" ist ein Wort, das der Herr Minister nicht gern hört — der Verkehrsteilung und der Verkehrsordnung untereinander anzuschneiden und auch von dort aus dem Bundestag eventuell gesetzmäßig zu unterbreiten. Das soll keine Entschuldigung sein. Ich bin tatsächlich auch der Meinung, daß man im Bundesverkehrsministerium während der letzten Jahre zwar fleißig gearbeitet hat, daß man sich aber auf die Grundlagengesetze beschränkt hat, während die Verkehrsteilung der Punkt ist, an dem man ansetzen muß, wenn man in Deutschland zu einer Verkehrsgesundung kommen will.
    Wir von der CDU/CSU stehen nun immer auf dem Standpunkt — und das ist es ja, was vielen ein Gruseln über den Rücken laufen läßt —: Wir wollen möglichst wenig Eingriffe der Polizei gegenüber dem Zivilisten. Ich will es einmal folgendermaßen formulieren. Wir sagen mit Recht: Wir wollen den Menschen nicht verstaatlichen; wir wollen den Staat vermenschlichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dazu gehören aber natürlich immer alle; es ge- küren die beiden Seiten der Medaille dazu. Der selige Wilhelm Busch, der so wunderschöne Sachen gedichtet und gezeichnet hat, hat einmal gesagt:
    Vergebens predigt Salomo,
    die Menschen machen's doch nicht so!

    (Heiterkeit.)

    Und weil das so ist, werden wir um eine straffe Lenkung, um eine straffe Ordnung im Verkehr nicht herumkommen. Wir brauchen sie, und ich habe hierzu eins zu sagen.
    Eine Forderung des Herrn Bundesverkehrsministers hat mir — vor etwa einem halben Jahre wurde diese Forderung, glaube ich, zum erstenmal offiziell erhoben — eingeleuchtet. Da die Durchführung, die Kontrollen, die Ordnungsmaßnahmen Sache der Länder sind, nachdem die Gesetze hier


    (Rümmele)

    beschlossen worden sind, fehlt eigentlich dem Bundesverkehrsministerium eine bestimmte Ordnungspolizei, die nach einheitlichen Grundsätzen kontrolliert. Es kann und darf nicht so sein, daß man in Süddeutschland Verkehrskontrollen nach anderen Maßstäben durchführt als etwa in Nordrhein-Westfalen oder im Hamburger Bezirk. Auch da brauchen wir die Einheitlichkeit, um zu dem Ziel der Verringerung der Unfälle zu kommen.
    10 000 bis 11 000 Verkehrstote, — man spricht die Zahl so leicht, aber welche Unsumme Elend steckt hinter diesen Zahlen! Das sind mehr Menschen im besten Alter, als die Lungentuberkulose in einem ganzen Jahre in Deutschland an Opfern fordert. Diese 11 000 Menschen sind eine kriegsstarke Division. Hinzu kommen die Verkehrsverletzten. Herr Kollege Müller-Hermann, es sind nicht 30 000, sondern 300 000 im Jahre! Gewiß sind viele leichte Fälle, und wir freuen uns darüber; aber es sind auch viele schwere Fälle.
    Ich habe vorgestern abend, wie das alle von Ihnen auch tun, eine, Zeitung gelesen. Ich will sie nennen; es war die „Abendpost". Darin standen Berichte von drei Unglücken, die auf dem Verkehrssektor vorgekommen waren, und über zwei Urteile, mit denen Verkehrsvergehen geahndet wurden. Der Originalität halber will ich das eine Urteil vorwegnehmen. Es ist, ich glaube, in Pretoria oder Johannesburg, also im Lande des Herrn Malan, gesprochen worden. Nun, wie es dort zugeht, ist ja umstritten. Aber interessant ist fogendes. Dort drüben besteht noch die Prügelstrafe — ich will sie um Gottes willen nicht bei uns eingeführt haben;

    (Heiterkeit)

    denn das ist eine Segnung der Kultur, die wir nicht wollen —, und da wurde zum erstenmal ein Verkehrssünder, ein 23jähriger weißer Mann, der einen Neger totgefahren hatte, zu 6 Stockprügeln und ein paar Monaten Gefängnis verurteilt. So geschehen in Südafrika. Derartiges wollen wir also nicht, aber Sie sehen, daß auch dort Probleme auftauchen, die, wenn auch auf anderer Ebene, so doch im Grunde auf der gleichen Höhe liegen wie bei uns.
    Ich habe von einem weiteren Urteil — ich glaube, es war in Hamburg — gelesen. Die Hamburger sollen deswegen nicht etwa schlechter beurteilt werden. Im Gegenteil, ich habe mal in Hamburg als Verkehrssünder eine Mark Strafe bezahlt. Wie sagen doch die Hamburger? — „Und das freut einen denn ja auch." Aber das nur nebenbei. Es stand also drin, daß ein Schausteller 6 bis 8 Glas Bier getrunken, sich einen Kraftwagen gemietet hat und dann losgefahren ist. Schon bei der ersten Fahrt hat er am Stadtrand eine 23jährige Frau und einen 8jährigen Buben totgefahren. Ja, meine Damen und Herren, wenn hier die Polizei durchgreifen muß und wenn die Öffentlichkeit verlangt, daß im Verkehr Ordnung herrscht, dann möchte ich sagen, daß man trotz aller Bedenken gegen zu scharfe polizeiliche Funktionen einfach mitgehen muß, weil wir diese Dinge nicht mehr verantworten können.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das rührt doch an unser Gewissen, das ist doch eine Sache des Christentums ebenso wie der Humanität. Sollen wir denn die Menschen divisionsweise zugrunde gehen lassen?

    (Vizepräsident Dr. J a e g er übernimmt den Vorsitz.)

    Wir müssen den Mut zu ganzen Lösungen haben,
    und ich bin der Meinung, daß derjenige, der halbwegs anständig auf den deutschen Straßen fährt, auch eine Kontrolle wird überstehen können.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wer zuviel Alkohol getrunken hat, der muß in Gottes Namen noch so viel Disziplin besitzen, daß er sich nicht mehr ans Steuer setzt. Andererseits ist Rücksicht aufeinander im Verkehr auch eine dankenswerte Tugend.
    Ich war dieses Jahr einmal in Rom. Viele von Ihnen werden die Gegend am Bahnhof Termini kennen. Ich habe den Verkehr an diesem Hauptbahnhof, dem Prunkbahnhof, gesehen und habe ihn mir auch an anderen Plätzen angeguckt. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Der Autofahrer in Italien ist bestimmt kein besserer Mensch als der Deutsche. Er hat zum Teil auch keine besseren Wagen,, sondern ich hatte sogar die Empfindung, daß er im Durchschnitt schlechtere hat als wir. Aber er nimmt auf den Fußgänger weitgehend mehr Rücksicht, als es in Deutschland üblich ist.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Vor diesem Bahnhof war kein Verkehrsschutzmann aufgebaut, und es ging doch. Es hatte gerade geregnet. Die Italiener haben ja ganz große Regenschirme, sogar an ihren Droschken. Ich habe da folgendes erlebt. Ein Italiener, ein Mann mittleren Alters, wollte über die Straße, aber da waren gerade die Autos dran am Fahren. Da hat der seinen Regenschirm hochgenommen mit einem bösen Blick auf die Autos, und die ganze Autokolonne hat glatt gestoppt.

    ( sehen. An einigen Plätzen fängt man auch dort mit Verkehrsampeln an. Ich will nichts dagegen sagen, sondern nur an das erinnern, was ich schon zum Verkehtssicherheitsgesetz gesagt habe. Mir scheint, daß die Verkehrsdinge in Frankfurt am Main bei der Größe des Verkehrs dort, bei der sehr großen Zahl der Autos, die auch für die Besatzungsmacht fahren, doch verhältnismäßig gut geregelt sind. Hier sollten die Städte tatsächlich voneinander lernen. Das zu den Unfällen. Zur Sache, zum Verkehr selbst! Der Verkehr — das ist wohl die ganz einheitliche Auffassung der CDU/CSU-Fraktion — ist und muß Dienst am Volke und an der Wirtschaft bleiben. Der Verkehr kann nicht so gesehen werden, wie man die Industrie sieht. Er ist ja nur Diener der Industrie, Diener der Wirtschaft, Diener aber auch des gesamten Volkes. Man kann die Verkehrskapazität — oder sagen wir ein deutsches Wort: die Möglichkeiten des Verkehrs — nicht ins Uferlose erhöhen. Man kann auf der Straße, auf der Schiene oder mit der Binnenschiffahrt oder sonstwo immer nur das befördern, was die Wirtschaft an Gütern erzeugt hat. Die erzeugten Produkte sind letzten Endes der Maßstab des Verkehrs. Ich bin persönlich der Meinung, daß zwar nicht bei der Bundesbahn, aber auf der Straße der Laderaum viel schneller gewachsen ist als die Möglichkeit der Ausnutzung dieses Laderaumes. Auch unsere Fraktion lehnt den Kampf der Bundesbahn gegen die Straße, aber auch den Kampf der Straße gegen die Bundesbahn ab. Wir sind der Meinung, es haben beide in einem geordneten Verkehrswesen Platz. Auch auf der Straße wird man verdienen können. Ich sehe dieses Verdienen hier nicht als das alleinige Leitmotiv an; aber man wird diese mittelständischen Betriebe im Rahmen des Notwendigen durchaus erhalten können. Nur muß man dort auch mehr durchgreifen. Einige Kontrollen der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr zeigten uns doch, daß von allen kontrollierten Fahrzeugen etwa 30 °/o in irgendeiner Form — entweder steuerlich oder in bezug auf die Begleitpapiere, die Ladung oder die Konzession — nicht in Ordnung waren. Das ist ein Drittel! Die große Verkehrskontrolle von Nordrhein-Westfalen, die vor einiger Zeit auf Länderebene durchgeführt worden ist, hat doch innerhalb von sechs Stunden 11 000 Verkehrsübertretungen gezeigt. Das ist doch ein Zeichen, daß man, angefangen von der Schule, aber auch durch die Disziplin der Fachverbände hier einwirken muß. Wir sind also der Meinung: Bundesbahn, Straßenverkehr, Binnenschiffahrtsverkehr und die anderen Verkehrsträger können durchaus in eine Ordnung, in ein gesundes Verhältnis gebracht werden. Man sollte gegenseitige Angriffe unterlassen. In einem Gespräch mit einem maßgebenden Vertreter des Straßenverkehrs — ich will den Namen nicht nennen, er tut vorerst nichts zur Sache — sagte auch dieser Mann, der etwas mit Mißtrauen gegen die Bundesbahn erfüllt war: wenn die bestehenden Verkehrsgesetze richtig ausgeführt und die Kontrollen vernünftig durchgeführt würden und wenn man dort den Leuten mit Strafen nachginge, wo sie es verdienten, dann könnte man mit den bestehenden Gesetzen schon manches machen, wofür man jetzt eine gesetzliche Neuordnung für notwendig hält. Sehen Sie, da ist unser Freund von Pforzheim — ich nenne ihn unhöflicherweise, obwohl er noch nicht da ist —, der Abgeordnete Leonhard. Er hat mir vor etwa 8 oder 14 Tagen auf einer Bahnfahrt erzählt, daß sich dort beispielsweise ein Verkehrsrichter in einem Prozeß wegen eines Unfalles auf den Standpunkt stellte, man könnte dem Fahrer nicht zumuten, daß er auch noch andauernd den Rückspiegel beobachte; diese Zumutung ginge zu weit. Da möchte ich sagen: man muß das einem Fahrer zumuten. Der Rückspiegel ist gerade dazu da, um zu sehen, was hinter einem passiert und ob irgend jemand überholen möchte. Wenn man allerdings sieht, daß das Rückfenster der Karosserie manchmal mit Mänteln, manchmal aber auch mit Pappkartons zugedeckt ist, da ist verständlich, daß der Mann nichts mehr sehen kann. Deswegen wäre zu prüfen, ob nicht in der Verkehrszulassungsverordnung zu bestimmen wäre, daß auch für die Personenkraftwagen der Rückspiegel außerhalb am Fahrzeug, wie es bei den meisten Lastfahrzeugen der Fall ist, anzubringen ist. Darf ich bei der Gelegenheit gleich einen zweiten Wunsch vorbringen, der mir von einem meiner Kollegen unterbreitet worden ist und der auch berechtigt ist. Wir haben darüber beim Verkehrssicherheitsgesetz schon gesprochen. Auch Herr Kollege Rademacher hat sich damals zu diesen Dingen positiv geäußert, ebenso der Herr Verkehrsminister selbst und meine Wenigkeit. Wir haben damals gesagt: es gibt Geräte, die den Überholungsvorgang, der besonders oft zu Unglücksfällen führt, vereinfachen, und zwar akustische Geräte; sie werden aber wahrscheinlich nicht das Richtige sein, werden nicht immer durchschlagend sein. Sie machen auch zu viel Lärm. Es gibt jedoch Lichtgeräte, die auch dem Fahrer eines Lastzuges anzeigen, daß hinterdrein einer kommt, der überholen will. Das ist wahrscheinlich die beste Lösung. Man müßte das aber einführen. Meines Erachtens hätte man eine diesbezügliche Verordnung schon vor über einem Jahr bringen können. Nun ein Wort an den Herrn Vizekanzler. Der größte Ihrer Urahnen, Herr Vizekanzler, war der ,,Marschall Vorwärts". Ich wünschte, daß Sie, der Sie das kleine Wirtschaftskabinett präsidieren, bei jeder Sitzung dieses Wort „vorwärts" vorne dran-stellten. Man versteht es draußen nicht, daß noch zwei, drei Monate vergehen, bis man weiß, was die Regierung will. Es kommt dem einzelnen gar nicht so sehr darauf an, was jetzt in dem Entwurf steht, den der Herr Bundesverkehrsminister und der Herr Finanzminister aufgestellt haben. Es kommt auch nicht einmal so sehr darauf an, was im einzelnen in dem steht, was das kleine Wirtschaftskabinett nach Anhörung der Sachverständigen bringt. Aber es kommt darauf an, Herr Vizekanzler, daß bald etwas geschieht. Die Öffentlichkeit wartet darauf. Die Entwicklung der Dinge ist so, daß wir nicht länger warten dürfen, wenn wir uns an diesem Chaos nicht mitschuldig machen wollen. (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)


    (Sehr richtig! in der Mitte.)


    (Rümmele)


    (Sehr richtig! bei der SPD.)


    (Lebhafte Zustimmung.)

    Wir brauchen selbstverständlich Straßen. Ich habe dieses Problem mit manchen Landräten erörtert. Bekanntlich sind ja die Landstraßen zweiter Ordnung von den Kreisen, denen die Landräte vorstehen, in Ordnung zu halten und auszubauen. Ich hatte als Bürgermeister in meiner Gemeinde etwa 30 km Gemeindewege. Meinem verehrten Nachbarn, dem Kollegen Stahl, der in Titisee Bürgermeister ist — ich bin inzwischen von dem Amt zurückgetreten —, ist es etwas besser gegangen. Er hat weniger Gemeindewege. Aber jeder Bürgermeister oder Landrat, der es einmal war oder noch ist, wird mir bestätigen, daß auch diese Gemeindestraßen eine Belastung für die Gemeinden bedeuten und sie in finanzielle Not bringen können. Wir brauchen also Geld. Wenn man kein Geld hat, muß man sehen, daß man es vielleicht auf dem Anleihewege bekommt. Anleihen haben aber nun die Eigenschaft, daß sie verzinst und amortisiert werden müssen. Es ist auch die Frage, ob die Leute in Deutschland schon wieder so weit sind, daß sie Verkehrsanleihen in großem Stile zeichnen. Bekanntlich hoffen noch andere Wirtschaftsunternehmungen auf die Ergebnisse von Anleihen. Ich bin daher der Meinung, daß der Grundgedanke richtig ist, entsprechende Aufschläge auf die Mineralölsteuer, Aufschläge auf Benzin, Dieselkraftstoff usw. zu nehmen. Diese Aufschläge sollten aber in der Gesamtheit zweckgebunden sein für den Ausbau der Autostraßen, der Bundesstraßen, der Landstraßen erster und zweiter Ordnung.
    Ich bin davon überzeugt, daß auch das Nah- und Fernverkehrsgewerbe für eine solche Maßnahme Verständnis hat. Selbstverständlich darf man dabei nicht ins Uferlose gehen, sondern muß die Grenzen kennen.
    Meine Damen und Herren, es ist aber zuwenig, in einem Jahr 100 km Autostraßen zu bauen, da-


    (Rümmele)

    neben Bundesfernstraßen auszubauen. Sie haben dann erst in zehn Jahren 1000 km Autostraßen gebaut und die Lücken ungefähr ausgefüllt.
    Wir haben vor ein oder zwei Tagen die bekannte Denkschrift des Straßenverkehrsgewerbes bekommen; aber die meisten werden sie noch nicht haben durchlesen können, weil wir dauernd zuviel zum Lesen kriegen. Ich bin der Meinung, daß das Straßenverkehrsgewerbe völlig recht hat, wenn es in dieser Denkschrift noch einen höheren Aufschlag auf den Benzinpreis vorsieht, als dies der Herr Bundesfinanzminister Schäffer selbst vorzuschlagen sich getraut hat. Soweit ich nämlich informiert bin
    — man liest ja viel in den Zeitungen usw. —, ist vorgesehen gewesen, zwei Pfennig auf den Liter Benzin zu nehmen, allerdings, glaube ich, sechs Pfennig auf den Liter Diesel-Kraftstoff, um damit die Straßenfinanzierung durchführen zu können. Das Gewerbe selber hat vier Pfennig, allerdings vier Pfennig für beides, für das Benzin und für den Diesel-Kraftstoff, vorgeschlagen.

    (Lachen in der Mitte.)

    — Es wäre natürlich zu prüfen, ob diese Relation richtig ist. Aber ich bin der Meinung, diese vier Pfennig können ohne weiteres von dem, der auf der Straße fährt, getragen werden, und sie werden getragen werden, wenn man weiß: dafür werden die Straßen verbessert und verbreitert, Umgehungsstraßen gebaut; aber wohlgemerkt: nicht nur Radfahrwege auf den Bundesfernstraßen und Landstraßen erster und zweiter Ordnung, sondern auch Fußgängerwege brauchen wir. Das läuft wieder auf die alte Melodie hinaus, daß der Fußgänger auch ein Mensch ist und nach dem Grundgesetz auch ein Recht hat, sich irgendwie in seinem eigenen Heimatlande noch zu bewegen.

    (Heiterkeit und Beifall in der Mitte.)

    Die Auffassungen sind nun sehr verschieden. Man erhält so manchmal Briefe, wo irgendeiner schreibt: Ihr seid ja von allen guten Geistern verlassen, ihr macht uns mit den neuen Steuern auf den Anhänger, auf den Lastwagen völlig kaputt, und was ihr sonst noch vorhabt, ist auch sinnwidrig usw. — Aber es gibt doch auch Männer aus dem Gewerbe, die haben bei aller Sorge um die Aufrechterhaltung ihrer Existenz ganz vernünftige, solide Meinungen, die man mit vertreten kann. Gestatten Sie mir, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur etwa sechs Zeilen aus einem Brief vorzulesen, den ein Mann an unseren Kollegen Gerstenmaier geschrieben hat. Herr Gerstenmaier hat zuständigkeitshalber den Verkehrsausschuß bemüht, und wir haben dem Mann Antwort gegeben. Der Betreffende fährt mit Lastwagen und hat Lastzüge laufen. Er schreibt also: Bitte, die Steuern dürft ihr nicht so hoch machen, sonst würgt ihr uns ab. Aber er schreibt auch noch etwas anderes, und das möchte ich doch einmal hier sagen, damit man sieht, daß in allen Schichten des Verkehrs sehr vernünftige Meinungen vorhanden sind. Er schreibt:
    Gehen Sie
    — also an Gerstenmaier gerichtet --
    auf folgendes aus:
    1. Reduzierung der hohen Geschwindigkeiten der schweren Autozüge (60 km genügen vollkommen).

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    2. Begrenzung der übermäßigen Gewichtszulassung, vor allem der schweren Anhänger. (Sehr richtig! in der Mitte)

    Dann in Klammern:

    (Faustregel nach alter Erfahrung: Gewicht des Anhängers nicht größer als des Zugwagens).


    (Sehr gut! in der Mitte.)

    3. Gerechte Aufbringung der Steuer durch eine mäßige Rohölpreiserhöhung, weil dann der am meisten bezahlt, der eine schwere Maschine mit schwerem Anhänger fährt und der gut beschäftigt ist.
    4. Unterlassen Sie eine kalte Liquidation durch eine zum voraus auf die Existenzvernichtung ausgehende Steuererhöhung.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, das können wir wohl alle unterschreiben. Wir wollen nicht Existenzen vernichten; das wäre völlig falsch. Wir wollen aber im Interesse dieser Existenzen die Ordnung herstellen. Denn wenn im Verkehr etwa eine uferlose gegenseitige Schmutzkonkurrenz, ein gegenseitiger Tarifkampf auf Leben und Tod einreißen würde, dann allerdings müßten die kleinen Existenzen zugrunde gehen, und dann allerdings wird einmal die Bundesregierung die ganze Zeche bezahlen; und wenn die Bundesregierung sie bezahlt, dann zahlt sie ja doch der deutsche Steuerzahler.
    Ich will — es wäre noch viel zu sagen — versuchen, „zum Schluß zu kommen", wie man so schön sagt. Uns liegt auch ein Antrag vor, den mein geschätzter Freund Morgenthaler an erster Stelle unterschrieben hat, daß der Lastwagenverkehr an Sonn- und Feiertagen auf das Notwendigste beschränkt werden sollte. Dieser Antrag hat in den Kreisen des Straßenverkehrsgewerbes, vor allem des Straßenfernverkehrs — der Nahverkehr dürfte zum großen Teil einverstanden sein, weil er ja normalerweise an Sonntagen keinen Lastwagenverkehr betreibt —, etwas Widerstand gefunden. Er wurde auch, wie ich in einer Zeitungsnotiz gelesen habe, von der Organisation des Straßengüterfernverkehrs abgelehnt. Meine Damen und Herren, haben denn die, die das unterschrieben haben — ich habe es mit unterschrieben —, etwas Unrechtes verlangt? Sind wir nicht in einem Zeitalter, wo wir die Arbeitszeit geregelt haben, wo es selbstverständlich sein sollte, daß jeder, der nicht unbedingt an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden muß, nicht beschäftigt wird?

    (Beifall in der Mitte.)

    Streiten wir nicht darüber, ob man am Samstagnachmittag um 2 Uhr in den Ladengeschäften Schluß macht, um 3 oder um 5 Uhr oder schon mittags um 1 Uhr, oder ob wir am Mittwochnachmittag einen halben Tag frei geben? Wir halten es doch für selbstverständlich, daß die schaffenden Menschen — auch die Eigentümer dieser Betriebe — auch einmal zur Ruhe kommen sollten. Es steht im übrigen ja auch in der Heiligen Schrift geschrieben: Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebenten aber sollst du ruhen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn man formuliert „an Sonn- und Feiertagen auf das Lebensnotwendige zu beschränken", hat man damit ja noch nicht das Gewerbe getroffen, indem etwa einzelne Existenzen geschädigt würden. Wenn nämlich keiner, der es nicht nötig hat, am Sonntag oder Feiertag fährt, dann hat auch keiner den Schaden, weil ja dann die Wettbewerbsbedingungen für alle die gleichen sind.


    (Rümmele)

    Ich gehe allerdings weiter und sage, es wäre durchaus zu prüfen, ob nicht auch eine ähnliche Regelung gefunden werden kann, wie sie meines Wissens schon vielfach bei der Bundesbahn besteht. Auch die Bundesbahn läßt an Sonntagen nur die lebensnotwendigen Güterzüge verkehren, die also Lebensmittel, Frischware und andere Dinge enthalten. Das können Seefische sein und was weiß ich alles. Dort ist also die Konsequenz gezogen.
    Meine Damen und Herren, es wird vielfach nicht erkannt, daß es solche Dinge in Europa schon gibt. Sehen Sie einmal in unser Nachbarland, die Schweiz! Ich habe für dieses Land immer eine Schwäche gehabt. Ich bin in seiner Nachbarschaft aufgewachsen, dort im badischen Wiesental, bei den Alemannen. Die Schweiz ist eine Musterdemokratie. Manches kommt uns zwar klein vor; aber ich möchte doch sagen, diese demokratische Erziehung und Gesinnung von Jahrhunderten her in Verbindung mit anderen Dingen hat doch auch manches Schöne in diesem Lande bewirkt, und wir sollten auch ruhig den Mut haben, von einem solchen kleineren Lande zu lernen, wenn es etwas Besseres hat als wir.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dort gibt es eine Gesetzesvorschrift, daß ab 10 Uhr abends keine Lastwagen mehr fahren dürfen und daß der Lastwagenverkehr an Sonn- und Feiertagen verboten ist. Ist es also eine Todsünde, wenn man aus christlichen, aus menschlichen, aus humanitären Gründen, aber auch mit Rücksicht auf die Anwohner an den Straßen, eine solche Frage stellt?
    Ich wohne in Bonn in der Poppelsdorfer Allee. Ich will nicht sagen, daß da nur feine Leute wohnen,

    (Heiterkeit)

    aber ich wohne dort.

    (Erneute Heiterkeit.)

    — Herr Dr. von Brentano, über diese stille Anerkennung freue ich mich eigentlich.

    (Heiterkeit.)

    Da ist also keine Straßenbahn und normalerweise nachts kein Verkehr. Nur wenn die Lastwagenfahrer heimkommen, fahren sie manchmal noch mit dem Lastwagen nach Hause. Es ist auch mal ein Motorradfahrer dabei. Ab und zu kommt aber auch ein schwerer Lastzug nachts durch. Ich kann Ihnen sagen — die Häuser dort sind alt, gut und solid gebaut mit dicken Mauern —: wenn ein solcher Lastzug durchfährt, dann ist das tatsächlich für das Haus und für die Bewohner eine einzige Erschütterung, und so ungefähr jeder wacht vom Schlaf auf.

    (Sehr richtig! — Zuruf links: Koblenzer Straße!)

    — In der Koblenzer Straße ist es noch schlimmer.
    Denken Sie aber auch an die Bundesfernstraße 3, die durch meinen Wahlkreis und durch den Wahlkreis des Herrn Abgeordneten Morgenthaler durchgeht. Dort hat man also die Autostraße noch nicht gebaut. Denken Sie auch an den Streit, ob die ganze Autostraße Basel—Karlsruhe in die Dringlichkeitsstufe 1 oder 2 gehört. Denken Sie daran, daß man die Bundesstraße auf 71/2 m verbreitern muß. Es ist allerhand getan worden, das muß man anerkennen, wenn man offenen Auges durch die Gegend geht. Aber das hat dazu geführt, daß man die Straße in den Dörfern bis an die kleinen Bauernhäuser, bis an den Eingang, bis an die Tür hin hat verbreitern müssen. Und nun stellen Sie sich bitte einmal eine
    Durchgangsstraße vor, wo der Verkehr Tag und Nacht geht. Daß diese Leute den Wunsch haben, am Sonn- und Feiertag nicht mehr durch das Erzittern ihrer Häuser und durch den durch diese Lastwagenzüge verursachten Lärm belästigt zu werden, ist verständlich.
    Ich glaube auch nicht an eine Notwendigkeit, daß man ausgerechnet am Sonntag Baustoffe, Bretter, Balken, Eisenzeug und derartige Dinge auf den Straßen befördern muß.

    (Sehr richtig!)

    Ich halte das nicht für eine Lebensnotwendigkeit.
    Man ist nun aber, wenn man so etwas ausspricht, da und dort immer der Gefahr ausgesetzt, daß einem gesagt wird, man habe etwas gegen den Straßenverkehr. Ich sage noch einmal: nein und nochmals nein! Ich halte den gewerblichen Straßenverkehr im Nahverkehr wie im Fernverkehr für eine technisch und wirtschaftlich durchaus vertretbare notwendige Ergänzung. Ich sage es noch einmal als Standpunkt der gesamten Fraktion: es ist Lebensraum und Lebensrecht für beide Teile da.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Dann darf ich noch eine Sache anschneiden, die mir übergeben wurde, als ich hier heraufging. Es handelt sich um die Frage Berlin — sie hängt mit der Bundesbahn zusammen —, über die vielleicht bei dieser Gelegenheit zum Schluß ein paar Worte zu sagen sind. Die Bundesbahn gleicht einem Manne, der in ein Rennen geht und mit irgendeinem Tornister oder irgendeiner anderen schweren Last vorbelastet ist. Man kann aber, wenn man gleiche Startbedingungen schaffen und ein Rennen ehrlich ausfechten will, nicht mit ungleichen Belastungen hineingehen. Die Bundesbahn trägt u. a. als betriebsfremde Lasten - ich möchte sagen, wir sollten das Wort „politische Lasten" vermeiden — eine ganze Reihe von Millionen DM — es geht meines Wissens in Berlin an die 90 Millionen heran; ich will mich nicht genau auf die Zahl festlegen — für Unterstützungen, die aus dem Befreiungskampf für Berlin notwendig wurden. Damals mußten die Eisenbahner einfach gegen die Ostzone antreten, und sie sind angetreten, und heute noch liegen über 500 Eisenbahner mit ihren Familien auf der Straße. Die Bahn zahlt hierfür Unterstützungen, und es ehrt sie, daß sie das tut. Aber jede 100 Millionen sind auch für die Bahn 100 Millionen, und 100 Millionen DM sind gleichzeitig 100 Lokomotiven oder auch 50, je nachdem, um welche Gattung es sich handelt. Mit 100 Millionen DM könnte man eine ganze Menge moderner Schnellzugwagen, Personenwagen oder Güterwagen anschaffen. Das ist aber nur eine dieser Lasten.
    Hier schreibt nun ein solcher Mann von Berlin: „Ich kriege wohl die Unterstützung; auch die Gewerkschaft tut noch etwas darauf. Aber wir haben doch auch das Recht, so wie die 131er behandelt zu werden und wieder irgendwo im Bundesgebiet hineinzukommen und bei der Bahn Unterschlupf zu finden." Die Frage der 131er hat die Bundesbahn auch auf dem Rücken. Es ist die übereinstimmende Meinung auch im Straßenverkehrsgewerbe, bei der deutschen Industrie, selbstverständlich bei der Bundesbahn und ebenso bei der Binnenschiffahrt, daß man der Bundesbahn diese betriebsfremden Belastungen, die neben der Pflicht des Wiederaufbaues der Betriebssicherheit usw. aus eigener Kraft bestehen, abnehmen muß. Darum kommt das Kabinett einfach nicht herum.


    (Rümmele)

    Hinzu kommen dann noch die anderen Verpflichtungen aus dem gemeinwirtschaftlichen Betrieb. Erfreulich ist hierbei, daß es auch in dieser Zeit im Rahmen der konkurrierenden Träger des Verkehrs — Straße, Schiene und anderen — noch gemeinsame Ansatzpunkte gibt. Völlige Übereinstimmung besteht wohl darüber, daß die Bundesbahn in einer Art und Weise weitergeführt werden muß, daß sie gemeinwirtschaftlich fährt. Völlige Klarheit besteht darüber, daß die Bundesbahn, die ja Treuhänderin des Staatsvermögens von, umgerechnet, etwa 13 Milliarden ist — früher ja viel mehr —, den Fahrplanzwang, den Betriebszwang, den Beförderungszwang, den Veröffentlichungszwang usw. aus dem Wesen der Gemeinwirtschaft und dazu die sozialen Tarife zu tragen hat. Das ist in der ganzen Welt so, wenn auch nicht ganz einheitlich. Aber durch die Bank haben die Bahnen zum Ausgleich für andere Dinge, die den Bahnen zugute kommen, die Möglichkeit und die Verpflichtung, gemeinwirtschaftlich für das Volk zu arbeiten.
    Darf ich eines noch zur Ehre der Bundesbahn sagen. Die Bundesbahn ist der sicherste Betrieb, den es gibt. Die Bundesbahn veröffentlicht voll Stolz die Nachricht — „Statistik" ist da, möchte ich sagen, wirklich zuviel gesagt, weil man daraus keine Statistik mehr machen kann! —, daß im ganzen Jahre 1953 bei 1,2 Milliarden Reisenden, die befördert wurden, nur eine einzige Reisende ihr Leben durch Schuld der Bahn verloren hat.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, betrachten Sie demgegenüber die Unfallzahlen des Straßenverkehrs; dann sehen Sie den Unterschied. Auch deswegen müssen wir Ordnung hineinbekommen.
    Dann kommt noch eines allerdings, was gesagt werden muß, hinzu. Es sterben täglich einige Eisenbahner — die genauen Zahlen habe ich nicht, aber es sind mehrere hundert Eisenbahner im Jahr — im Dienste des Verkehrs den Eisenbahnertod, ruhmlos, klanglos, ohne daß man viel davon erfährt. Hut ab vor dieser Pflichterfüllung! Anerkennung aber auch den Beamten, Arbeitern und Angestellten, den Menschen, die bei der Bundesbahn das Rückgrat des Verkehrs bilden.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Wir wünschen, daß bei den kommenden Reformen erstens einmal die Sache beschleunigt wird. Wir haben im Süden unseres schönen Vaterlandes ein Wort, das heißt: „Die Birnen werden im Herbst reif." Bis im Herbst, verehrter Herr Vizekanzler, verehrter Herr Bundesverkehrsminister, müssen wir meiner Schätzung nach die Verkehrsgesetze hier im Bundestag verabschiedet haben, wenn wir unsere Pflicht tun wollen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Diese Pflicht wollen wir tun, und wir wollen dabei unser Herz vorauswerfen und Verantwortung auf uns nehmen. Ich bin überzeugt, daß man das Problem in einer Art und Weise lösen kann, die weder der deutschen Wirtschaft noch einem Träger des Verkehrs in der deutschen Wirtschaft schadet, die aber allen nützt und die, ich möchte es noch einmal sagen, eine Christen- und eine Menschenpflicht ist.

    (Beifall bei den Koalitionsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willy Max Rademacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei, für die ich hier spreche, begrüßt es, daß es in diesem Hohen Hause endlich zu einer großen Verkehrsdebatte kommt. Mit diesem „endlich" habe ich schon ein Wort der Kritik ausgesprochen, der Kritik, die sich in erster Linie darauf bezieht, daß es uns in der ersten Legislaturperiode nicht möglich war, eine grundsätzliche Verkehrsdebatte zu führen, obgleich genug Anträge, Gesetze usw. vorgelegen haben. Ich kann sogar erinnern, daß es sehr schwierig war, Fragen des Verkehrs an den Anfang einer Tagesordnung zu setzen; meistens wurden diese Dinge vor einem fast leeren und ermüdeten Hause absolviert.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob ich in der weiteren Kritik, die am Eingang meiner Ausführungen steht, immer den Grundsatz meines Freundes Reinhold Maier befolgen kann, „to be His Majesty's most loyal opposition". Ich werde mich bemühen; aber ich glaube, die Fragen sind so ernst, daß man auch vor einer Kritik nicht zurückscheuen darf, auch nicht als Angehöriger dieser Koalition und gegenüber der eigenen Koalitionsregierung.
    Wenn wir aber kritisieren, meine Damen und Herren, dann müssen wir zurückgehen auf den Parlamentarischen Rat und auf die Schaffung des Grundgesetzes. Ich freue mich, daß die Bundesratsbank in diesem Augenblick sehr gut besetzt ist. Damals, bei der Schaffung der Verkehrsartikel im Grundgesetz, sind von Verbänden und von Fachleuten unzählige Eingaben gemacht worden, den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung der Straßen des Fernverkehrs der Bundesgesetzgebung zu unterwerfen und nicht, wie es dann in Art. 74 Ziffer 22 geschehen ist, der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Folgen und die Nachteile dieser Unterlassung bzw. dieses Fehlers haben sich besonders bei der Schaffung des .Sicherheitsgesetzes und des Güterkraftverkehrsgesetzes gezeigt, des Güterkraftverkehrsgesetzes, das vornehmlich dazu dient, die Ordnung auf der Straße herzustellen, dessen Vorbereitung aber, wie Sie alle wissen, Jahre gedauert hat, so daß es erst vor wenigen Monaten praktisch in Funktion treten konnte.
    Ich habe noch eine Kritik an dem unzulänglichen Verkehrsetat anzubringen. Verzeihen Sie, daß ich an diesen Grundlagen zuerst kritisiere, aber sie sind überhaupt erst die Voraussetzungen einer Verkehrspolitik, und ich spreche dazu, weil diese notwendigen Voraussetzungen eben nicht geschaffen worden sind. Ich habe wiederholt von dieser Stelle aus auf die Unzulänglichkeit des Verkehrsetats hingewiesen. Daß er im Wirtschaftsplan 1954 nun die Milliarde überschritten hat, ist nichts weiter als eine künstliche Ausweitung; denn er ist nicht größer als der Wirtschaftsplan 1952/53, nämlich etwa 750 Millionen DM, es sind nur die 250 Millionen DM der gestundeten Beförderungsteuer hinzugekommen. Herr Dr. Seebohm, Sie werden sich erinnern, daß ich auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Nahverkehr in Hamburg die Worte gesprochen habe: „Herr Minister, ich bewundere Sie, daß Sie mit einem solchen Etat überhaupt Verkehrspolitik machen wollen." Wenn Sie sich nämlich, meine Damen und Herren, den Einzelplan 12 einmal etwas genauer ansehen, insbesondere die vielen Aufgaben, die


    (Rademacher)

    im Rahmen dieses Verkehrsetats erfüllt werden müssen, werden Sie die Unzulänglichkeit des Etats nicht bestreiten. Sie ist auch nicht damit zu entschuldigen, daß sich der Bund — das wissen wir alle — wegen seiner vielen sonstigen Verpflichtungen in einer außerordentlich schwierigen finanziellen Lage befindet. Ich weiß nicht — ich hoffe es, aber es scheint doch nicht so auszusehen —, ob sich der Herr Bundesverkehrsminister, der ja nun die Probleme und die schweren Aufgaben seit vier Jahren kennt, bei der Wiederübernahme seines schweren Amtes Sicherungen seitens des Bundesfinanzministers oder der Regierung hat geben lassen, um eine wirklich zügige Verkehrspolitik zu betreiben.
    Der Herr Bundesverkehrsminister hat mit Recht gesagt, es sei ein völlig verkehrter Ausgangspunkt, von einer Verkehrskrise an sich zu sprechen. Eine Verkehrskrise, meine Damen und Herren, würde bedeuten, daß der deutsche Verkehrsapparat — Schiene, Straße, Binnenschiffahrt, Seeschifffahrt — nicht in der Lage wäre, die Ansprüche der deutschen Wirtschaft zu befriedigen. So ist es ja nicht, die Situation ist vielmehr genau umgekehrt. Wir haben eine Überkapazität an Laderaum, und daraus ist zum Teil die Krise der Verkehrsträger entstanden, der Verkehrsträger, nicht des Verkehrs. Wir haben vornehmlich eine Krise des Verkehrsträgers Bundesbahn und eine Krise im Straßenverkehr schlechthin.
    Fraglich ist nur, ob man mit einem Gesetz, das in aller Munde ist, das aber die Legislative offiziell überhaupt nicht kennt, das nachholen kann, was in vier Jahren offensichtlich versäumt worden ist. Wir sollen ja heute nicht die erste Lesung dieses I) uns offiziell unbekannten Gesetzes halten, aber man muß doch ein Wort darüber verlieren. Mein Freund Dehler hat in der Haushaltsdebatte schon gesagt — und der Herr Bundesverkehrsminister hat es hier eben in seiner Beantwortung der beiden Großen Anfragen bestätigt —, daß diejenigen, die von der neuen Verkehrsgesetzgebung betroffen werden — Wirtschaftsverbände und einzelne Wirtschaftsführer — von den zuständigen Ministerien durchaus Auskunft über den Inhalt des Gesetzentwurfs erhalten haben, während die Legislative über die Presse und über diese Verbände von den Dingen Kenntnis nehmen muß. Ich halte das für einen unmöglichen Zustand. Sicherlich hat die Regierung das Recht, ein Gesetz in der Kamera zu behalten, um die Dinge nicht zu stören. Wenn darüber aber eine solche Zeit vergeht, dann geschieht eben das, was geschehen ist. Die Korruption setzt ein, und man kann dann, wie ein Vorredner sehr richtig gesagt hat, für 110 oder für 55 Mark diese Gesetzesvorlage an der Milchbar kaufen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Es geht auch billiger! — Heiterkeit.)

    — Ich habe sie nicht gekauft, Herr Kollege, seien Sie ganz beruhigt!
    Meine Damen und Herren, in eine Verkehrsdebatte einzusteigen, bedeutet, sich um zwei Schwerpunkte herum zu bewegen. Der eine ist der Zustand der Deutschen Bundesbahn, der andere ist das Problem nicht des Straßenverkehrs, sondern — um gleich richtig zu sagen, wie ich die Dinge sehe — des Straßenbaus. Es geht also weniger um den Straßenverkehr an sich als vielmehr um die Notwendigkeit, Autobahnen, Bundesstraßen, Länderstraßen usw. so auszubauen, daß sie dem modernen Verkehr angepaßt sind.
    Aber befassen wir uns zunächst einmal mit der Situation der Deutschen Bundesbahn, dieses größten deutschen Vermögens, dessen Wert heute auf eine Größenordnung von 12 bis 15 Milliarden DM beziffert wird. Auch die Freie Demokratische Partei betont von vornherein, daß sie am gemeinwirtschaftlichen Prinzip der Deutschen Bundesbahn festhalten will. Aber eines darf ich mit aller Deutlichkeit hinzufügen, und ich werde das auch begründen: dieses gemeinwirtschaftliche Prinzip darf nicht zur Subventionierung der Wirtschaft führen. Dort ist die Grenze, und hier bleibt zu überlegen, wie die Tarife nun der wirklichen Selbstkostensituation sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße angepaßt werden können.
    In diesem Zusammenhang muß man sich auch ein wenig mit der inneren Organisation der Deutschen Bundesbahn selbst befassen. Ich habe ja die Auszeichnung, im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn zu sitzen. Ich erinnere mich sehr deutlich der Behandlung des Bundesbahngesetzes in unserem Ausschuß für Verkehrswesen. Bekanntlich lagen damals zwei Anträge vor, ein Antrag der Bundesregierung und ein Initiativantrag des Bundesrats. Der Bundesrat hat in Übereinstimmung mit meiner eigenen Auffassung seinerzeit erklärt — und er hat damit recht behalten, denn heute ist das klar und deutlich zu sehen —, es sei verkehrt, einen Kollegialvorstand zu schaffen. Notwendig wären gewesen ein mit entsprechenden Befugnissen ausgestatteter Generaldirektor und ein ausgeweiteter Vorstand, dem die leitenden und verantwortlichen Leute aus der Hauptverwaltung, mit anderen Worten, die Leute, die das Geschäft innerhalb der Deutschen Bundesbahn von morgens bis abends wirklich betreiben, zur Seite gestanden hätten.
    Es ist also die erste Forderung der Freien Demokratischen Partei — ohne daß wir heute hier schon zu formulierten Anträgen kommen —, daß die Bundesregierung eine Novelle vorlegt, die sich einmal mit der Frage der Zusammensetzung des Vorstandes, zum andern aber und vor allen Dingen auch mit einer Änderung des § 4 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes befaßt, um dessen Formulierung wir ja auch in vielen Stunden und Sitzungen mit dem Herrn Bundesverkehrsminister gerungen haben, Verzeihung, mit dem Herrn Bundesfinanzminister; der Herr Bundesverkehrsminister war durchaus unserer Auffassung. Ein gewisser Nachholbedarf, für den die Bundesbahn nicht verantwortlich ist, da er eine Kriegsfolge darstellt, müßte jährlich aus Mitteln des Bundesetats gedeckt werden. Statt dessen heißt es, daß die Bundesregierung entsprechende Zuschüsse leisten soll, soweit es die Haushaltslage gestatte. Sie werden mir zugeben, meine Damen und Herren, daß man mit einem solchen Paragraphen natürlich so gut wie nichts anfangen kann.
    Ich möchte aber auf das gemeinwirtschaftliche Prinzip zurückkommen und auf die Gestaltung der Tarife nach Selbstkosten entsprechend der tatsächlichen Situation auf dem Preismarkt.
    Wenn man sich mit dem Problem Bundesbahn und mit ihrer Situation befaßt, muß man stets ein paar Zahlen im Gedächtnis haben, beispielsweise die, daß im Personenverkehr nur 28 % der Menschen nach dem Regeltarif und 72% unter Tarif gefahren werden. Das muß man wissen, um die


    (Rademacher)

    Situation zu verstehen. Dabei will ich nicht grundsätzlich etwas gegen die Sozialtarife sagen. Ich muß aber fordern, daß eine genaue Untersuchung darüber angestellt wird, ob nicht in den Tarifen, die unter dem Regeltarif liegen — bis zu den niedrigsten Sozialtarifen hinunter —, ohne daß man das ganze Preis- und Lohngebäude erschüttert, eine vernünftige Erhöhung berechtigt ist und auch durchgeführt werden kann.
    Im Güterverkehr ist die Lage ähnlich. Wenn Sie den Kohletarif 6 B 1 als einen Regeltarif ansehen, ergibt sich immerhin noch die Situation, daß 56% der Güter auf der Schiene -- damit analog übrigens auch auf der Straße, denn wir haben ja das Paritätsverhältnis — unter dem Regeltarif und nur 44 0/o zu Regeltarifen gefahren werden. Aber, wie gesagt, die Stellung des Kohletarifs ist dabei strittig.
    Ich glaube, die Deutsche Bundesbahn und die verantwortlichen Stellen haben in der Vergangenheit in ihrer Tarifgestaltung und ihrer Tarifbehandlung einen Kardinalfehler begangen. Ich habe das vor Fachleuten einmal so ausgedrückt: Warum dieses vertikale und horizontale Spiel der Ziehharmonika, bevor man nicht über die echten Selbstkosten bei den Verkehrsträgern überhaupt Grundlagen besitzt? Alle diese Dinge haben wenig genutzt. Man hat die Tarife mal erhöht, mal oben abgeflacht, mal unten angehoben, und wie diese schönen Dinge alle heißen. Als man bei der dritt- oder viertvorletzten Tarifreform daranging, die oberen Sätze abzukappen und die unteren anzuheben, habe ich mir erlaubt, den Herren zu sagen: Nun werden Sie das erleben, was Sie eigentlich vermeiden wollen, denn jetzt wird nämlich der Massentransport auf der Straße durch die Anhebung der unteren Tarife für den Straßenverkehr plötzlich außerordentlich interessant. So ist es gekommen. Nun versucht man, diese Fehler einer Tarifpolitik auf andere Weise wieder zu beseitigen. Genau so ist es mit der letzten Abtarifierung gewesen, die der Bundesbahn pro anno 50 bis 60 Millionen DM gekostet hat bzw. kosten wird und die dazu führen soll, daß die Güter in den Tarifen A bis C oder A bis D wieder in stärkerem Maße auf die Schiene kommen.
    Hier können Sie eine interessante Feststellung machen. Es ist nun einmal so, daß die Bundesbahn wegen ihrer Beförderungspflicht und wegen ihrer gemeinwirtschaftlichen Aufgaben in diesen Dingen nicht so beweglich wie der Straßenverkehr sein kann. Als Folge davon wird die Bundesbahn den effektiven Verlust dieser 50 bis 60 Millionen DM haben. Hier wurde vorhin gesagt, es sei nicht festzustellen, ob die Sache positiv oder negativ ausgegangen sei. Ich möchte sagen, sie ist null ausgegangen, d. h. es ist nicht mehr verloren worden, es ist aber auch nicht mehr an Gütern hinzugekommen. Tatsache ist, daß es die Bundesbahn diese 50 bis 60 Millionen DM gekostet hat. Auf der anderen Seite hat der zu paritätischen Tarifen fahrende Straßenverkehr wegen seiner privaten Leistungsfähigkeit, wegen seiner nicht vorhandenen Belastung gemeinwirtschaftlicher Art und der Beförderungspflicht — wie es dem Privatverkehr und dem Privatbetrieb überhaupt eigen ist — diese 50 bis 60 Millionen DM verdauen können. Der lachende Dritte bei dieser ganzen Geschichte ist die deutsche Wirtschaft gewesen. Sie erinnern sich meiner Ausführungen, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip nicht zur Subventionierung der Wirtschaft führen dürfe. Der Wirtschaft hat man 100 bis 120 Millionen DM geschenkt, und die Wirtschaft, die im allgemeinen immer sehr empfangsbereit ist — das ist ja bekannt —, hat das Geschenk in diesem Falle nicht einmal haben wollen. Sie hat ihre Bedenken erhoben und hat sich gegen diese Abtarifierung gewehrt.
    Ich wollte im ganzen nur einmal sagen — und damit zu dem Schluß des Themas Tarife kommen —, daß eine vernünftige Anpassung der Tarife der Bundesbahn durchaus notwendig ist. Sie ist ein Teil der Maßnahmen, um auch die Deutsche Bundesbahn wieder leistungsfähig zu gestalten. Natürlich spielt bei diesen Dingen auch die Rationalisierungsfrage eine entscheidende Rolle. Die Rationalisierung ist ja der Deutschen Bundesbahn von dem Herrn Bundesfinanzminister auferlegt worden. Werkstättenabbau, Personalabbau, Verwaltungsreform und alle diese Dinge sind bekannt und werden nun wohl auch — ich kann Ihnen das als Mitglied des Verwaltungsrates durchaus bestätigen — zügig in Angriff genommen.
    Aber eine wirkliche Rationalisierung ist ein großes Mosaik. Ich denke dabei jetzt an eine Rationalisierung des Betriebs überhaupt. Es gehört — verzeihen Sie, wenn ich das sage — eine recht erhebliche Kenntnis der inneren Zusammenhänge des Verkehrs dazu, um zu verstehen, wie auf dem Gebiet der Rationalisierung, beispielsweise, um nur ein Gebiet zu nennen, der stärkeren Konzentration der Ladung — man nennt das bei der Bundesbahn den Sammelladungsverkehr —, noch einiges zu erreichen ist. Freilich würde eine zügige Rationalisierung — dies muß auch einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden — möglicherweise einen noch größeren Personalüberhang bei den Instituten der Deutschen Bundesbahn sichtbar machen. Wir sind aber hier, um diese Dinge so zu sehen, wie sie gesehen werden müssen, wenn man die Deutsche Bundesbahn erhalten will.
    Ich sprach von dem Mosaik. Ich habe manchmal das Gefühl, daß es anscheinend auf die vielen klein en Dinge nicht so ankommt, auch im Hause der Deutschen Bundesbahn nicht. Wir müssen uns aber doch wohl zu dem Grundsatz bekennen, daß viele kleine Dinge ein Großes machen können. Wenn ich Zahlen wie 300 000, 2 Millionen, 17 Millionen, 60 Millionen nenne, so sind das nicht willkürlich gegriffene Zahlen. Ich möchte diese Zahlen heute nicht vertiefen, ich möchte nur zeigen, daß diese vielen einzelnen Dinge zusammen mit einer zügigen Rationalisierung innerhalb der Deutschen Bundesbahn auch eine Einsparung von einigen hundert Millionen D-Mark bringen könnten. Vielleicht besteht auch die Notwendigkeit einer Auflage durch den Bundesfinanzminister oder durch die Bundesregierung an die Bundesbahn. Die Frage ist nur: Müssen wir nicht, um zu wirklich objektiven und neutralen Erkenntnissen und zu einer wirklichen Rationalisierung bei der Deutschen Bundesbahn zu kommen, unter Umständen eine neutrale Instanz einsetzen, die ohne Ansehen der Person diese Dinge einmal von Grund auf prüft?
    Zu dem vorliegenden Antrag, der schon in der Anfrage der SPD zum Ausdruck kommt, nachher aber durch den Antrag der Deutschen Partei sehr deutlich gemacht wird, betreffend die Übernahme der betriebsfremden Lasten durch den Bundeshaushalt darf ich Ihnen im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir diesem Antrag voll und ganz zustimmen. Wir sind der Meinung, daß, was immer auch auf dem Gebiete einer neuen Verkehrsgesetzgebung geschehen möge, alle diese Dinge nicht aus-


    (Rademacher)

    reichen, wenn man sich nicht grundsätzlich dazu aufrafft, die Bundesbahn von den betriebsfremden Lasten —etwa zwischen 300 unid 400 Millionen DM; die Meinungen gehen auch da etwas auseinander — zu entlasten. Daß das im letzten Haushalt nicht mehr möglich gewesen ist, bedaure ich sehr. Sie werden sich meiner Worte erinnern: der nach meiner Ansicht notwendigen Absicherung, die der Herr Bundesverkehrsminister bei der Wiederübernahme seines Amtes sich hätte geben lassen sollen. Jetzt bleibt nichts anderes übrig, als der Deutschen Bundesbahn durch einen klaren Beschluß dieses Hohen Hauses in Form eines Nachtragshaushalts diese betriebsfremden Lasten abzunehmen. Dabei bin ich von einem Parteifreund auf ein interessantes Moment hingewiesen worden, das ich diesem Hause nicht vorenthalten möchte.
    Die Frage ist natürlich, wenn man solche Forderungen stellt, wo das Geld herkommen soll, und damit hängt ja auch die Frage der großen Steuerreform und manche andere Frage zusammen. Nun, wir wissen ja, daß der Herr Bundesfinanzminister noch ein ganz schönes Fettpolster von 2 Milliarden hat, das ihm allerdings täglich von den Alliierten abgerufen werden kann. Wie wäre es, wenn man einmal in diesem Zusammenhang mit den Alliierten verhandelte und auch auf die strategische Bedeutung der Deutschen Bundesbahn hinwiese, um so vielleicht einen Teil dieses Betrags von 2 Milliarden oder den ganzen Betrag für den Nachtragshaushalt sicherzustellen?

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Bundesbahn noch einige Zahlen. Der Bundesverkehrsminister hat richtig gesagt, daß die Dinge bis 1951 ungefähr ausgeglichen waren. Ich
    B) habe manchmal das Gefühl, daß man im Hause der Bundesbahn etwas überrascht war, als in den darauf folgenden Jahren Lasten gekommen sind, die man nicht erwartet hatte. Aber eine Verwaltung der Deutschen Bundesbahn, die nach kaufmännischen Grundsätzen geleitet wird, mußte ja wissen, daß die Folgen des 131er-Gesetzes an sie herankommen. Eine solche Leitung mußte wissen, daß die Beamtengehälter sowie die Löhne der Arbeiter einer Aufbesserung bedurften und daß diese Lasten eines Tages auch an die Bundesbahn herankommen würden. Man kann also nicht sagen, die Not der Bundesbahn sei eigentlich erst vom Jahre 1952 an sichtbar geworden, als wir im Wirtschaftsplan erstmals ein Minus von 154 Millionen hatten, das sich im Jahre 1953 auf voraussichtlich 605 Millionen gesteigert hat und im Wirtschaftsplan 1954 mit 794 Millionen ausgewiesen ist. Allerdings handelt es sich um Zahlen auf der Grundlage einer kameralistischen Buchführung. Auch darüber muß man sich in diesem Augenblick einmal unterhalten. Denn wenn man weiß, daß die Deutsche Bundesbahn für 900 bis 1000 Millionen an Aufträgen an die Wirtschaft vergibt, dann treten die Verlustzahlen im Rahmen einer kameralistischen Buchführung sehr deutlich in Erscheinung, während umgekehrt nach einer kaufmännischen Buchführung ein großer Teil bei entsprechender Abschreibung dazu dienen würde, das Vermögen der Deutschen Bundesbahn sichtbar zu erhöhen und so vielleicht auch bessere Voraussetzungen für eine Anleihe der Deutschen Bundesbahn zu schaffen, bei der allerdings noch Voraussetzung wäre, daß wir das Problem der alten Reichsbahnanleihen bereinigen.
    Fast alle. europäischen Eisenbahnen arbeiten defizitär. Fast alle Eisenbahnen erhalten die direkte Unterstützung des Staates. Selbst bei unserm Nachbarn im Westen, in Frankreich, ist es so, daß trotz eines starken Schutzes gegenüber dem Straßenverkehr bei der französischen Staatsbahn immer noch ein jährliches Defizit in Höhe einer Milliarde vorhanden ist. Ich glaube, wir sind auf dem Wege, ein grundsätzliches Defizit der Deutschen Bundesbahn auszuräumen, wenn wir zunächst einmal eine gesunde Grundlage für diesen größten Verkehrsapparat schaffen. Denn alle und nicht nur die Verkehrsfachleute, sondern jeder, der mit der deutschen Wirtschaft verknüpft ist, wird dem Grundsatz zustimmen, daß die Bundesbahn auf die Dauer nicht Kostgänger des Staates und damit des Steuerzahlers sein darf. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, damit die Deutsche Bundesbahn nach einer gewissen Anlaufzeit in der Lage ist, aus eigenem zum mindesten ihren Kostenausgleich, d. h. eine ausgeglichene Betriebsrechnung zu haben.

    (Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß sich eine Debatte über Verkehrspolitik nur zwischen zwei Polen bewegen kann: Zwischen dem Zustand der Deutschen Bundesbahn und der Untersuchung, wie wir sie wieder in Ordnung bringen, und auf der anderen Seite natürlich den Zuständen im Straßenverkehr. Es muß an dieser Stelle wohl auch einmal gesagt werden, welche Bedeutung die Kraftverkehrswirtschaft innerhalb der deutschen Wirtschaft insgesamt hat. Sie wissen, daß die Bundesbahn 500 000 Menschen beschäftigt. Sie vergibt rund 1 Milliarde DM Aufträge. Fachleute behaupten, daß in der Kraftfahrzeugwirtschaft 11/2 Millionen Menschen beschäftigt sind und daß das Auftragsvolumen dieser Industrie sich um rund 6 Milliarden herum bewegt. An dieser Tatsache kann sowohl die Legislative ,als auch die Exekutive sicherlich nicht vorbeigehen. Aber im Vordergrund steht doch und das ist heute morgen hier auch schon in großer Besorgnis immer wieder angeklungen — die Sicherheit auf den Straßen. Die 29 Toten, die wir täglich haben, sind wahrhaftig eine Kulturschande für das deutsche Volk,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und es muß alles, aber auch alles geschehen, um diese Zahl auf ein erträgliches Maß herunterzubringen; denn es ist unhaltbar, zu wissen, daß jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht, mehr oder weniger 29 Menschen — und mancher von uns kann dabei sein — sazusagen schon zum Tode verurteilt sind.
    Hier darf ich noch einmal auf das Grundgesetz Artikel 74 Ziffer 22 zurückkommen und darauf hinweisen, daß wir schon viel weiter hätten sein können, wenn nicht die Dinge sehr häufig an den notwendigen gemeinsamen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gescheitert wären. Das muß gesagt werden, und wenn ich jetzt die Resolution betrachte, die auf der letzten gemeinsamen Konferenz des Herrn Bundesverkehrsministers mit den Länderministern zustande gekommen ist, dann muß ich sagen: Welch eine Erkenntnis nach vier Jahren! In dieser Resolution heißt es z. B.: „Die von Bundes- und Länderministern in ihren Zuständigkeitsbereichen zu treffenden Maßnahmen bedürfen sorgfältiger Abstimmung und setzen eine ständige enge Fühlungnahme voraus". Ich will nur hoffen, daß das die Wiederholung einer These ist, die doch eigentlich schon hätte im Jahre 1949 Grundsatz sein sollen, als wir anfingen zu arbeiten.


    (Rademacher)

    Es wird dann weiter gesagt: „Ferner sind unverzüglich die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zu treffen, um alle Führerscheinbewerber und Führerscheininhaber ärztlich zu untersuchen." Ja, meine Damen und Herren, diese Forderung steht in § 6 des Sicherheitsgesetzes drin. Es tut mir sehr leid — und wir haben diese Dinge im Ausschuß sehr gründlich behandelt —, daß diese Rechtsverordnung, die für die Verkehrssicherheit von entscheidender Bedeutung ist, bis heute noch nicht mit Zustimmung des Bundesrats heraus ist.
    Die Frage der Geschwindigkeitsbegrenzung soll noch einmal untersucht werden. Ich halte die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Landstraßen für absolut richtig. Was ich aber nicht verstanden habe, ist, daß am Tage X in den geschlossenen Ortschaften ohne weiteres sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen aufgehoben wurden. Ich habe damals noch selbst an den hamburgischen Polizeisenator geschrieben und erklärt: Belassen Sie die Geschwindigkeitsbegrenzung generell. Für Ausfallstraßen usw. mag man eine Aufhebung oder eine Auflockerung vornehmen. Die Statistik 'beweist heute, daß die größte Zahl der Unfälle sich in geschlossenen Ortschaften ereignet. Wir müssen uns sehr eingehend überlegen, ob nicht die Geschwindigkeitsbegrenzung so schnell wie möglich durch eine Novelle zum Sicherheitsgesetz wieder einzuführen ist. Auf den Landstraßen dagegen halte ich die Begrenzung für einen baren Unfug. Wen wir Automobile mit 120 und 140 Stundenkilometer bauen und wenn wir die Voraussetzungen des Straßenbaus dazu schaffen, dann soll man keine Gesetze schaffen, die praktisch. einfach doch nicht eingehalten werden und nicht eingehalten werden können. Wir -dürfen uns bei der ganzen Frage der Verkehrssicherheit ,auch nicht in die Gefahr begeben und den großen Fehler begehen, daß hinter jedem Verkehrsnutzer ein Polizist steht. Auch das ist hier heute morgen schon angeklungen. Es muß andere Mittel und Möglichkeiten geben, uni der Verkehrsnot auf den Straßen Herr zu werden.
    Ich darf wiederholen: Im Vordergrund der Frage der Sicherheit auf der Straße steht der Straßenbau. Ich darf von dieser Stelle aus an die Länder die Frage richten: Haben die Länder die Kraftfahrzeugsteuer, die als Bundessteuer erhoben wird, restlos im Straßenbau verwandt? Es wäre sehr gut, einmal hierüber in allen deutschen Ländern eine sehr eingehende Untersuchung anzustellen.
    Die zweite Frage muß ich allerdings an den Bund richten. Nehmen wir die Zölle, die Mineralölsteuer, die Beförderungsteuer usw. Hierdurch werden — und diese Zahlen sind von dem Ver- band Deutscher Automobilfabriken im Jahrbuch 1953 einwandfrei errechnet - 1,2 Milliarden DM aufgebracht. Wir wissen sehr genau, daß nur ein Bruchteil dieser Summe für Bundesstraßen und für Autobahnen aufgewandt wird.
    Diejenigen Kollegen, die im alten Bundestag waren, erinnern sich, wie ich. manchmal eine Lanze für den Straßenverkehr gebrochen habe. Sie erinnern sich insbesondere der Debatte mit meinem verstorbenen Freund von Rechenberg, der von den „Biestern der Landstraße" sprach, - von den Biestern, von denen ich übrigens nicht ein einziges besitze. Ich darf das bei dieser Gelegenheit wegen der verkehrten Propaganda auch noch einmal wiederholen. Aber warum habe ich das getan? Wenn Sie einmal die einschlägigen Verbände, die jetzt
    anfangen, zu petitionieren, befragten, würde Ihnen das jeder bestätigen, und ich habe das zuletzt auch auf einer Kundgebung im Marmorsaal in Berlin gesagt: Ich werde sie nicht davor schützen, daß sie nicht noch einmal einen erheblichen Beitrag für einen zweckgebundenen Straßenbau leisten. Das wird auch -- der Kollege Rümmele hat das sehr richtig gesagt — seitens dieser Gruppen in jedem Fall anerkannt. Aber man hat sich - und meiner Ansicht nach mit Recht — in der Vergangenheit dagegen gewehrt, daß immer wieder von Erhöhungen und von erneuten Belastungen gesprochen worden ist, ohne daß die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister bereit waren, dieses Mehraufkommen zweckgebunden für den Straßenbau zu verwenden. Jetzt haben wir eine Linksum-Kehrtwendung gemacht. Ich sage ja, man darf immer nur aus der Schule plaudern von dem neuen Gesetz, von dem man offiziell nicht sprechen darf. Da steht drin oder soll drin stehen ich muß mich vorsichtig ausdrücken, sonst muß ich vielleicht meine Immunität aufheben lassen -, daß das Mehr von zwei und sechs Pfennigen zweckgebunden für den Straßenbau verwendet werden soll. Ich kann auch wieder nur sagen: Warum eigentlich nicht drei oder vier Jahre früher? Wir hätten dann nicht diesen schauderhaften Zustand im Straßenverkehr und auch nicht das schlechte Verhältnis von Straßenverkehr zur Deutschen Bundesbahn. Vor etwa zwei Jahren wurde, well die Regierung auf diesem Gebiet wenig initiativ gewesen ist, eine Arbeitsgemeinschaft, die „Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen", gegründet. Drei Kollegen dieses Hauses, der Kollege Leiske, der Kollege Schmidt und ich, sind maßgeblich an der Arbeit beteiligt. Die Herren können Ihnen in Ihren Fraktionen die näheren Zusammenhänge und die Zielsetzung der Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen auseinandersetzen. Wir haben einen Plan gefunden, der es ermöglicht, durch eine Anhöhung des Treibstoffpreises, allerdings auch durch eine Hergabe eines Teils der Mineralölsteuer, nunmehr die Grundlage für Verzinsung und Amortisation durch eine besondere . Finanzierungsgesellschaft zu schaffen, so daß es auch möglich ist — und Finanzleute bestätigen das —, eine entsprechende Anleihe für diese Dinge zu bekommen. Während im Anfang, - das war, glaube ich, im August — der Herr Bundesverkehrsminister einen vollkommen anderen Weg ging und die Dinge durch Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer, durch Zweckbindung usw. zu meistern versuchte, kann ich jetzt feststellen, daß die Pläne der Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen und die neuen Pläne der Bundesregierung doch ziemlich parallel laufen. So glaube ich, Herr Leiske und Herr Schmidt, daß wir außerordentlich wertvolle Arbeit geleistet haben, an der man nicht vorbeigegangen ist. Man wird auch auf diesem Gebiet zu einer Einigung kommen, um den Torso des deutschen Autobahnnetzes zu beseitigen.
    Allerdings, meine Damen und Herren, möchte ich vor einem warnen. Soweit ich unterrichtet bin, besteht auch die Absicht in dem neuen Gesetz, in Deutschland eine Autobahngebühr einzuführen. Offenbar ist der Herr Bundesfinanzminister von dem beeindruckt gewesen, was er kürzlich in den Vereinigten Staaten gesehen hat. Viele Kollegen dieses Hauses kennen wie ich die Verkehrsverhältnisse in den Vereinigten Staaten, und sie werden mir, glaube ich, zugeben, daß die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten anders liegen als bei uns.


    (Rademacher)

    Daher können diese Maßnahmen nicht einfach auf Deutschland angewendet werden, wie auch umgekehrt unsere Verhältnisse nicht auf die Vereinigten Staaten übertragen werden können. Ich würde es für einen unsinnigen Aufwand ansehen, mit der dazu gehörigen gesamten Bürokratie aus Autobahngebühren, wie es der Plan vorsieht, jährlich 20 Millionen DM herauszuholen. Lassen Sie uns dann lieber schon tabula rasa machen und einen Treibstoffpreis für Vergaserstoff und für Dieselkraftstoff finden, der das alles beinhaltet, und zwar auch, meine Herren vom Bundesrat, die Kraftfahrzeugsteuer, damit wir endlich einmal mit dieser Bürokratie fertigwerden. Vergessen Sie doch nicht, daß heute der kleine Mann monatlich oder alle zwei oder drei Monate hinläuft und seine Kfz-Steuer mit dem Aufschlag bezahlt. Dazu wäre allerdings erforderlich, daß sich der Herr Bundesfinanzminister zunächst einmal mit den Ländern über seinen Anteil an der Einkommensteuer überhaupt einigt. Dann müssen wir an die Frage herangehen, ob man nicht aus der erhöhten Mineralölsteuer einen Ausgleich für die Länder schafft, damit sie aus der Kfz-Steuer die Kosten für die Länderstraßen bestreiten können, allerdings auch wieder unter der Voraussetzung der absoluten Zweckbindung, damit das Geld wirklich dafür verwandt wird.
    Ich bin vor dieser Verkehrsdebatte gefragt worden, ob im Zuge der Erhöhung der Treibstoffpreise die Privilegierung der Landwirtschaft und Binnenschiffahrt erhalten bleibt. Ich kann darüber ja keine offizielle Auskunft geben. Soviel ich weiß, ist es der Fall. Vielleicht wird der Herr Bundesverkehrsminister, wenn er noch einmal das Wort nimmt, dazu sehr klar und deutlich Stellung nehmen. Wir wissen ja, wie notwendig es beispielsweise hier auf dem Rhein ist — auch das ist schon angeklungen —, die Binnenschiffahrt auch treibstoffmäßig gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu erhalten. Das gleiche gilt übrigens für die Hafenschiffahrt in Bremen, Hamburg und den anderen Häfen Norddeutschlands.
    Die ernste Frage des Straßenbaus hat in meiner Fraktion die Erwägung auftauchen lassen, ob es nicht notwendig sei — und hiermit wende ich mich an den Herrn Vizekanzler als Vorsitzenden des Wirtschaftskabinetts —, die Fragen der Straßenbaufinanzierung vorzuziehen und vordringlich in den Ausschüssen zu behandeln, damit wenigstens diese Dinge so schnell wie möglich zum Zuge kommen. Was nämlich sonst noch im Verkehrsgesetz geplant ist, ist eine sehr, sehr umstrittene Angelegenheit. Ich glaube, daß von den Betroffenen darüber ja auch bei Ihnen schon zum großen Teil Vorstellungen erhoben worden sind.
    Damit komme ich zu der sehr entscheidenden Frage, inwieweit der deutsche Werkverkehr eingeschränkt werden soll oder muß. Sie wissen, daß aus einer alten Gesetzgebung heraus bis zum Güterkraftverkehrsgesetz der gewerbliche Verkehr kontingentiert und konzessioniert ist. Als ich das Güterkraftverkehrsgesetz nach zweijährigen, schmerzlichen Vorarbeiten von dieser Stelle aus vertreten konnte, wies ich mit aller Deutlichkeit auf folgendes hin: Sollte es mit diesem Güterkraftverkehrsgesetz, das sich vornehmlich mit der Regelung des gewerblichen Verkehrs befaßt, nicht gelingen, die Ordnung zu schaffen und das Spannungsverhältnis zwischen den Verkehrsträgern zu
    vermindern, so werden wir eines Tages allerdings vor die sehr schwerwiegende Frage gestellt, was nun mit dem Werkverkehr geschehen soll. Ich weiß, daß der Werkverkehr in der ganzen Welt seine Freiheit erkämpft und erhalten will. Die Dinge gehen bis zur internationalen Handelkammer in Paris und von dort bis zur UNO in New York, wo die Grundsätze festgelegt werden. Alles kann geschehen in den nationalen Räumen mit der Ordnung der Verkehrsträger, aber der Werkverkehr darf unter gar keinen Umständen angefaßt werden. Nun ist es so, meine Damen und Herren: er ist angefaßt; der unechte Werkverkehr ist verboten, und der unechte Werkverkehr ist ja in erster Linie der, der den bestehenden Verkehrsträgern, den staatlichen und den privaten, die allergrößten Sorgen bereitet. Nun ist man zu der Auffassung gekommen, man sollte den Werkverkehr in einem noch viel stärkeren Maße einschränken, d. h. ihm generell gewisse Massentransporte auf der Straße verbieten, und auf der andern Seite so weit gehen, daß er seine Endfabrikate nicht mehr bis zum letzten Bezieher fahren darf.
    Dabei taucht die Frage auf, Herr Bundesverkehrsminister: wie ist es, wenn umgekehrt der letzte Bezieher die Dinge mit Werkfahrzeugen abholt? Ich glaube, die Frage ist noch ungeklärt. De müßte das Gesetz noch etwas anders formuliert werden. Aber ich wollte dem Hohen Hause nur zeigen, wie weitgehend nunmehr die Einschränkungen gegenüber dem Werkverkehr sein sollen. Ich habe etwas Zweifel, ob es möglich ist, es in dieser konsequenten und konkreten Form durchzuführen. Sie kennen ja die Widerstände im Hause des Bundeswirtschaftsministers, der eine vollkommen andere Auffassung von diesen Dingen hat.
    Aber wie ist es denn überhaupt zu dieser Ausweitung des Werkverkehrs gekommen? Können wir nicht von dort ausgehend zu einer Regelung gelangen, ohne daß der Staat allzu stark in diese Dinge eingreift? Zunächst war es doch einmal die verkehrte Steuerpolitik; denn wenn man 500/o abschreiben konnte, dann war ja gar nicht mehr in den großen Fabrikationsbetrieben die Frage vordergründig: brauche ich den Werkverkehr betriebsmäßig zur Fortschaffung meiner Waren, zur Heranholung meiner Rohstoffe?, sondern die primäre Überlegung war: eine wunderbare Gelegenheit, auf diese Weise 50% von dem Wert dieses Lastwagens abzubuchen! Es kommt ein weiteres hinzu — man muß die Dinge durch eine gewisse Erfahrung im einzelnen kennen —: Nach dem Kriege ist bei Transportleitern und bei Transportabteilungen in großen Werken ein seltsamer Ehrgeiz entstanden, sich einen eigenen Verkehrsapparat anzuzüchten. Ich bin dankbar, und wir sollten es alle sein, für eine Denkschrift, die der Bundesverband der deutschen Industrie vor Monaten herausgegeben hat, in der er seinen Werken klarmacht: rechnet doch einmal nach, was euch diese Geschichte einbringt bzw. besser gesagt, was sie euch kostet! Da würde mancher Fabrikdirektor, mancher Leiter einer großen Handelsfirma zu ganz anderen Ergebnissen kommen, und er würde seinen künstlich hochgezüchteten Werkverkehrsapparat abbauen, um sich der natürlichen Verkehrsträger, nämlich der Bundesbahn, der Binnenschiffahrt und des gewerblichen Verkehrs, zu bedienen. Das müßte die Folge sein, wozu allerdings eine weitere Voraussetzung gehört, nämlich eine erhöhte gemeinsame Leistung dieser beiden Verkehrsträger überhaupt.


    (Rademacher)

    Damit kommt man zu der entscheidenden Frage der Verkehrsordnung und der Verkehrsteilung überhaupt. Das neue Gesetz der Bundesregierung geht aus von einer Teilung der Güter. Ich persönlich bin seit Jahren immer der Meinung gewesen und habe das auch von dieser Stelle hier vertreten, daß bei einer Verkehrsteilung ebensosehr die Teilung nach Strecken, nach Gebieten von Bedeutung ist.
    Es wurde ja auch heute morgen schon zum Ausdruck gebracht: der Straßenverkehr gehört eigentlich in erster Linie in den Flächenverkehr als Zubringer, als Abholer der Schienenverkehre. Man kann es nicht verallgemeinern; denn die Bedeutung des Straßenverkehrs, des gewerblichen Verkehrs, beispielsweise auch bei gewissen Massengütern usw., ist ja sehr davon abhängig, wie jeweils die Anforderungen der Wirtschaft sind.
    Darf ich einige wenige Beispiele dafür geben. Wenn Fisch- und Zitrusdampfer in den Häfen von Bremen, Hamburg oder Lübeck und in anderen Häfen ankommen, dann spielt eben die Zeit di entscheidende Rolle und nicht so sehr die Frachthöhe. Die Zeit ist allerdings dann auch entscheidend, Genau umgekehrt kann man x Beispiele leider dafür anführen, daß in dem großen deutschen Exportgeschäft Akkreditive verfallen, Dampferanschlüsse erreicht werden müssen und daß man sich die Zeiten exakt, auf Stunden genau, ausrechnen muß und dann vor der Wahl steht: will ich beispielsweise — und dies ist ein echtes Beispiel! — in 24 Stunden von Reutlingen an den Dampfer Soundso in Hamburg kommen, oder kann ich mich damit begnügen, die Bundesbahn in diesem Fall zu benutzen, die 39 Stunden fährt? —, und dann erreiche ich eben diesen Dampfer nicht mehr. Ich wollte an diesem Beispiel nur einmal zeigen, daß die Dinge eben nicht so generell und so allgemein sind, wie sie manchmal von laienhafter Seite angesehen werden.
    Nun sprach ich ja von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Verkehrsträger. Der Herr Bundesverkehrsminister sagte hier heute morgen: Wo Begriffe fehlen, da stellt sich zur rechten Zeit ein Fremdwort ein. Das Wort „Koordinierung" hat er, glaube ich, nicht erfunden, wohl aber, wenn ich recht unterrichtet bin, das Wort „Harmonisierung". Das ist ja wohl auch ein Fremdwort, das der Herr Bundesverkehrsminister gebraucht hat. Aber diese „Harmonisierung" ist nun einmal in den letzten vier Jahren ausgeblieben, und es hätte dazu vielleicht nur einer einzigen Initiative der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministeriums bedurft: nämlich die beiden Verkehrsträger Schiene und Straße so lange zusammenzuzwingen, bis sie zu einer echten Verkehrsaufteilung — gütermäßig unter Umständen, vor allen Dingen aber flächenmäßig — gekommen wären.
    Diese Sache hat also bedauerlicherweise nicht stattgefunden, und wir von den Freien Demokraten wollen nur hoffen, daß nun aber auch alle Anstrengungen gemacht werden. Selbst wenn der eine oder andere Verkehrsträger sich weigern sollte, an solchen Verhandlungen teilzunehmen, muß er an einen Tisch gezwungen werden. Ich glaube, wenn so verfahren wird, bestehen eine ganze Menge guter Aussichten, um zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit beider Verkehrsträger zu kommen und damit wieder den unnatürlich aufgebauschten Werkverkehr mit den übrigen Maßnahmen abzubauen.
    Meine Damen und Herren, heute morgen ist hier auch von der „Selbstkostenorientierung" der Verkehrsträger gesprochen worden. Ich glaube, das ist ein etwas trauriges und unrühmliches Kapitel im Hause des Bundesverkehrsministeriums. Soviel ich weiß, arbeitet seit ungefähr drei Jahren ein Ausschuß an der Ermittlung der Selbstkosten. Auch der Herr Bundesverkehrsminister wird sich einer gemeinsamen Tagung erinnern, bei der ich sagte: Herr Minister, hoffentlich kommt es nicht eines Tages so weit, daß wir die Selbstkosten des Selbstkostenausschusses ermitteln müssen. — Ich fürchte, daß es leider jetzt so weit gekommen ist. Man spricht von einer Viertelmillion. Man spricht davon, daß nunmehr die Waren-Treuhand- und Revisionsgesellschaft — die sicherlich nicht sehr billig ist; ich weiß nicht, ob ich richtig unterrichtet bin — diese Aufgabe nun für eine halbe Million vollenden soll. Aber wir haben große Hoffnung, daß es vielleicht endlich einmal wenigstens im Zeitraum eines Jahres möglich sein wird, wirklich die Selbstkosten der einzelnen Verkehrsträger zu ermitteln, worauf j a, Herr Bundesverkehrsminister, zusammen mit einer zügigen Statistik überhaupt erst eine echte Verkehrspolitik des Bundes richtig aufgebaut werden kann.
    Ich habe heute morgen in der Zeitung Vorschläge des Verkehrsausschusses der CDU gelesen. Ich muß sagen, ich war doch etwas erschüttert. Ich meine, sehr viel Neues war es nicht. Es gibt ja auch nicht allzuviel Neues auf dem Gebiet des Verkehrs; es sind allmählich schon Grunderkenntnisse. Wenn man die vielen Denkschriften liest, stellt man fest, daß dann plötzlich ganz neue Weisheiten verzapft werden, aber sie sind uralt, beispielsweise daß man sagt: „Nicht Schiene oder Straße, sondern Schiene u n d Straße!" Ich glaube, das haben wir schon vor einigen Jahren gehört. Ich habe dieses Wort immer sehr gern benutzt, und das wird also nun plötzlich als sehr neue Weisheit herausgestellt.
    Aber dann heißt es, man wolle den Straßenverkehr insgesamt einer Ausgleichsabgabe unterziehen, ohne dabei zu sagen, ob nun vielleicht — —

    (Zuruf von der CDU: Vollkommen falsch!)

    — Ja, dann hat die Presse wieder verkehrt berichtet, oder die Herren in der Pressekonferenz haben sich nicht deutlich genug ausgedrückt — das kommt natürlich auch vor —, oder es waren verschiedene Meinungen da; das kann ja auch sein.
    Meine Damen und Herren, was soll nun eigentlich geschehen? Hier wurde von allen Rednern einschließlich meines Kollegen Rümmele gesagt, alle Maßnahmen, die getroffen werden, müßten dort ihre Grenze finden, wo sie die Gefahr hervorriefen, die Existenz eines Betriebes zu vernichten. Wenn Sie aber jetzt aufzählen: Kfz-Steuer, neue Mineralölsteuer, dann Sperrung der Massengüter, und wenn dann noch Ihre Ausgleichsabgabe hinzukommt, meine Herren von der CDU, — ich fürchte, dann ist es allerdings mit einem privaten Verkehr auf der Straße endgültig zu Ende.
    Dann taucht auch wieder der alte Wunsch auf, einen Reichskraftwagenbetriebsverband zu gründen. Das war bekanntlich eine nationalsozialistische Zwangsorganisation seligen Angedenkens.
    Ich habe nun für eines kein Verständnis: Durch die unglückliche Gesetzgebung im Grundgesetz sind wir erst vor einem Jahr zum Güterkraftver-


    (Rademacher)

    kehrsgesetz gekommen. Die Bundesanstalt als der Kern des Güterkraftverkehrsgesetzes arbeitet erst seit einigen Monaten. Das ist nicht die Schuld der Bundesanstalt; das ist eben leider die Folge der langen Behandlung im Bundesrat und im Bundestag. Ehe nun noch diese Bundesanstalt, zu der ich das größte Vertrauen habe, insbesondere auch zu ihrem Leiter, richtig an die Arbeit gehen kann, um die Ordnung auf der Straße, die Einheit der Tarife, die Verhinderung des unechten Werkverkehrs sicherzustellen, soll schon wieder etwas ganz Neues kommen, und zwar in Form einer Zwangsorganisation, die von der Freien Demokratischen Partei auf jeden Fall mit aller Energie abgelehnt werden würde.
    Wenn man die Fragen des Verkehrs und der Verkehrsordnung behandelt, kann man selbstverständlich nicht an dem zweitgrößten Verkehrsträger, der deutschen Binnenschiffahrt, vorbeigehen. Das Schwergewicht liegt hier auf dem Rhein. Die Binnenschiffahrt führt in ihrer letzten Denkschrift meines Erachtens nicht ganz zu Unrecht an, daß im Vergleich zur Deutschen Bundesbahn auch sie politische Lasten zu tragen hat, nämlich z. B. in der Form, daß 20% der Flotte von Elbe und Oder zum Rhein herübergekommen sind und hier nun natürlich die Situation der eingesessenen Rheinschiffahrt außerordentlich erschweren. Wir haben ein Binnenschiffahrtsgesetz geschaffen. Wir haben dort durch einen besonderen Paragraphen einen vernünftigen Ausgleich gefunden, so daß die Bundesbahn zu der Tarifgestaltung der Binnenschifffahrt jederzeit gehört wird. Wenn jetzt seitens der Bundesbahn gefordert wird, die Zu- und Ablauftarife aufzuheben bzw. zu erhöhen, dann habe ich doch im Interesse der deutschen Binnenschiffahrt erhebliche Bedenken. Denn dieser Verkehrsträger steht ja unter der Überschrift „Freiheit der Flüsse" gleichzeitig in einem starken Wettbewerb mit der holländischen, der belgischen, der französischen und der schweizerischen Binnenschiffahrt. Ich möchte also warnen und möchte bitten, an diese Dinge mit aller Vorsicht heranzugehen. Ich glaube auch, daß die Behauptung der Binnenschiffahrt nicht unrichtig ist, wenn sie sagt, daß ihr Kostenanteil am Wasserweg — wie Sie wissen, spielt der Oberbau bei allen Verkehrsträgern immer eine große Rolle — bereits 40% betrage und daß schließlich und letzten Endes die Flüsse und Kanäle auch noch für die Wasserversorgung der Industrie, der Städte und für die Energie daseien. Alle diese Dinge müssen eingehend untersucht werden.
    Wir haben uns in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Haushaltsdebatten hier auch über die Frage unterhalten, wieweit die Wasserstraßen in Deutschland überhaupt noch entwickelt und ausgebaut werden sollen. Es kann keinen Streit darüber geben, daß die vorhandenen Wasserstraßen erhalten und den modernen Erfordernissen entsprechend angepaßt werden müssen. Aber ich möchte doch an dieser Stelle nochmals warnend meine Stimme gegen neue Kanal- und Flußschifffahrtsprojekte erheben.

    (Abg. Dr. Bucerius: Richtig!)

    Ich will hier heute nicht polemisieren wegen des Neckarkanals, ich will auch nicht polemisieren wegen des Rhein-Main-Donau-Kanals. Niemand weiß, wie sich die politischen Verhältnisse entwickeln. Aber ich glaube, mit aller Deutlichkeit sollten wir hier sagen, daß wir in Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesbahn von der Bundesregierung erwarten, daß man sich absolut querlegt gegen eine Moselkanalisierung und ähnliche Projekte, die eventuell noch auftauchen sollten.

    (Sehr richtig! rechts, bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

    Abschließend darf ich dann zu den einzelnen Anträgen kommen. Ich glaube, das meiste ist bereits in meinen Ausführungen enthalten gewesen. Auch ich begrüße den Antrag der SDP — Drucksache 181 — zum Personenbeförderungsgesetz. Dieses ist ja das große Grundgesetz des Verkehrs, das leider — auch ich bedaure das außerordentlich — hängengeblieben ist, nicht durch die Schuld des Bundesverkehrsministeriums, sondern weil sich die Ressorts innerhalb der Bundesregierung nicht einig werden konnten. Was vom Personenbeförderungsgesetz abhängt, darf ich an folgender Tatsache illustrieren: hier fährt die Bundesbahn auf der Schiene, daneben hat sie ihren eigenen Omnibusverkehr, dann kommt die Post, und dann kommt der private und eventuell noch der kommunale Verkehr. Alles dies muß einmal gründlich geklärt und geordnet werden.
    Es ist auch höchst bedauerlich — das muß an dieser Stelle ebenfalls mit Deutlichkeit gesagt werden —, daß es in vier Jahren nicht möglich gewesen ist, die Interessen der beiden größten staatlichen Verkehrsträger, der Bahn und der Post, gegeneinander abzugleichen. Es sind zwar unzählige Schriftsätze gewechselt worden, aber es ist in keinem Falle zu irgendwelchen konkreten Maßnahmen gekommen. Ich glaube, das geht noch viel weiter als in der Koordinierung, Abgleichung und Ordnung der nebeneinander laufenden Verkehre. Wenn man sich die Dinge bei diesen beiden großen staatlichen Verkehrsträgern einmal richtig ansieht, dann kommt man zu dem Schluß, daß es noch manche Rationalisierungsmaßnahme geben mag, in kleinen Orten z. B. durch Zusammenlegen der Güterabfertigung mit einer Postabfertigungsstelle usw. Mit diesem Thema möge man sich wirklich einmal ernstlich befassen, und vor allen Dingen möge man diesem Hause so schnell wie möglich das Personenbeförderungsgesetz vorlegen. Denn was sich da in der gegenseitigen Konkurrenzierung abspielt, meine Damen und Herren, spottet überhaupt jeder Beschreibung.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    In der Drucksache 183 fordert die SPD-Fraktion die Vorlage einer Reihe von Gutachten. Ich habe hier — ich bitte, mir das nicht übelzunehmen, meine Herren von der SPD — das Wort „Klamotten" mit Fragezeichen dabeigeschrieben. Ich meine, wir sind inzwischen so flügge und so souverän geworden, daß wir uns nicht mehr an die ausländischen Gutachten hängen sollten. Wir haben soviel Erkenntnis von den Dingen gewonnen, daß wir dazu selbst genügend Grundlagen schaffen können.

    (Zuruf von der SPD.)

    - Es sind natürlich auch deutsche dabei, z. B. die Denkschrift der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn: „Warum Bundesbahnkrise?" Mit dieser Denkschrift ging es genau so wie mit der kleinen blauen, die heute schon vorgezeigt wurde: sie kam heraus; niemand wußte etwas davon, nicht einmal diejenigen, die eigentlich etwas davon wissen sollten, nämlich die Aufsichtsorgane der Deutschen Bundesbahn. Bedenken Sie, meine Damen und


    (Rademacher)

    Herren: Wenn ich mich recht erinnere, steht entweder in dem Gutachten von Homberger und Cottier oder in dem Gutachten von Coverdale und Colpitts die geniale Empfehlung, die Deutsche Bundesbahn möge zur Einsparung von Personal sämtliche Schranken an den Bahnübergängen aufheben. Das ist nur ein Beispiel, um Ihnen zu sagen, daß es eben Dinge gibt, die hier nicht anwendbar sind, und daß wir unsere eigenen Gesetze hier in der deutschen Bundesrepublik haben. Meine Damen und Herren: Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen, — das war alles in den Forderungen enthalten, ist auch in dem Gesetz enthalten, das wir jetzt zu erwarten haben.
    Nun noch ein Wort zur Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn- und Feiertagen. Meine Damen und Herren, ich habe die Antragsteller durchaus verstanden. Ich hoffe nur, daß sie alle in erster Linie den Gedanken gehabt haben: Du sollst den Feiertag heiligen! Aber die Wirtschaft hat ja nun mal andere Gesetze, und es wird immer Berufsgruppen und Wirtschaftsgruppen geben, die von solchen Segnungen ausgenommen sind. Ich brauche das nicht weiter zu erklären. Dazu gehören Unterhaltungsstätten, Vergnügungsstätten, Restaurationen, Theater usw. usw. In gewissem Sinne, wahrscheinlich sogar in stärkstem Maße bezieht bezieht sich das auch auf den Verkehr. Ich glaube nicht, daß sich meine Fraktion zur Unterstützung dieses Antrages bereit finden kann. Ich möchte die Dinge aber hier nicht weiter vertiefen. Wir wollen uns darüber sehr offen und aufgeschlossen im Ausschuß unterhalten.
    Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich auf etwas hinweisen, was heute morgen zum Ausdruck gekommen ist. Auch für mich — und so sollte es für alle sein — ist der Verkehr ein Ganzes. Wir brauchen die Schiene, die Straße, die Binnenschiffahrt, die Seeschiffahrt, und wir brauchen die deutsche Luftfahrt, die wir durch Initiative der Bundesregierung hoffentlich auch bald bekommen. Der Verkehr hat seine besonderen Gesetze. Wir müssen eine Verkehrsordnung schaffen und sind dabei in der außerordentlich schwierigen Situation, eine Sache zu vertreten, die eigentlich nicht nur den Grundsätzen der Bundesregierung, sondern auch den Grundsätzen der Opposition widerspricht: wo immer es nur geht, in der deutschen Wirtschaft den freien Wettbewerb zu erhalten. Meine Damen und Herren, die Liberalisierung des Verkehrs wäre das Ende der Deutschen Bundesbahn. Darüber muß man sich vollkommen klar sein. Ob man der Bundesbahn und damit auch anderen Verkehrsträgern etwas mehr Beweglichkeit in der endgültigen Tarifgestaltung gibt, ist eine Sache, die einer eingehenden Überlegung bedarf. Es gibt kein Land der Erde, in dem der Verkehr liberalisiert ist, nicht einmal in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in denen sich ja bekanntlich die Bahnen im Privatbesitz befinden. Jeder Tarif der Bahn in den Vereinigten Staaten von Amerika muß von der Interstate Commerce Commission genehmigt werden und wird von dieser eben wegen der entgegengesetzten Interessen der verschiedenen Verkehrsträger in schärfster Weise überwacht.
    Eine weitere Eigenart des Verkehrs, die seine Liberalisierung nicht zuläßt, ist die Notwendigkeit, immer einen Überhang von Transportraum durchzuschleppen, wenn er überhaupt in der Lage sein soll, den saisonalen Anforderungen des ganzen
    Jahres zu genügen. Es genügt, auf den Herbstverkehr zu verweisen. Und wo wären wir jetzt im Winter, der die Binnenschiffahrt völlig lahmgelegt hat, wenn nun kein Transportüberhang bei der Deutschen Bundesbahn und im Straßenverkehr vorhanden wäre! Die Folgen wären gar nicht auszudenken.
    Wenn ich für die Notwendigkeit der Erhaltung des gesamten Verkehrs spreche, dann bewegen mich außer der Sorge um den Verkehr und die Interessen der Verkehrsträger noch größere, politische Gesichtspunkte, die ich hier einmal anschneiden möchte. Man müßte einmal den Herrn Wohnungsbauminister fragen, welche Auswirkung die Verkehrsteilung, die Beseitigung der Massentransporte von der Straße, auf den Quadratmeterpreis im sozialen Wohnungsbau hätte, wenn die Möglichkeiten der Haus-Haus-Beförderung auch des Baumaterials nicht mehr beständen. Ich will keine Antwort geben. Ich meine nur, wir haben die Pflicht, die Sache sehr eingehend zu untersuchen.
    Ich darf schließlich darauf hinweisen, daß auch die Frage der Verteidigung bei der Überlegung, wieweit wir einen Verkehrsapparat einschränken, ob wir ihn auf dem einen oder anderen Gebiete drosseln, eine entscheidende Rolle spielen kann. Diesen Hinweis möchte ich an das Haus Blank richten.
    Aber noch mehr bewegen mich, meine Damen und Herren — und alle Kenner der Verhältnisse in Mittel- und Ostdeutschland werden mir recht geben —, die großen wirtschaftlichen Aufgaben, die an uns herantreten, wenn — und wir alle hoffen es doch — die Wiedervereinigung eines Tages Wirklichkeit wird. Wenn wir dann keinen potenten Verkehrsapparat auf allen Gebieten vorhalten können, werden wir auch dort dieser Dinge nicht Herr.
    So darf ich insgesamt noch einmal feststellen: Verkehrsordnung, sinnvolle Verkehrsordnung: ja. Kein wilder Preiswettbewerb, aber Erhaltung eines Leistungswettbewerbs. Diese Erhaltung eines Leistungswettbewerbs ist nur gewährleistet, wenn wir alle Verkehrsträger am Leben belassen. Die Freie Demokratische Partei wird sich jedenfalls mit allem Nachdruck dagegen wehren, daß die Entwicklung im deutschen Verkehr unter Umständen zu einem Monopol führt. Denn dann könnte der Verkehr nicht mehr das sein, was er — in Anerkennung seiner Leistung — stets sein will: ein Diener der deutschen Wirtschaft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)