Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei, für die ich hier spreche, begrüßt es, daß es in diesem Hohen Hause endlich zu einer großen Verkehrsdebatte kommt. Mit diesem „endlich" habe ich schon ein Wort der Kritik ausgesprochen, der Kritik, die sich in erster Linie darauf bezieht, daß es uns in der ersten Legislaturperiode nicht möglich war, eine grundsätzliche Verkehrsdebatte zu führen, obgleich genug Anträge, Gesetze usw. vorgelegen haben. Ich kann sogar erinnern, daß es sehr schwierig war, Fragen des Verkehrs an den Anfang einer Tagesordnung zu setzen; meistens wurden diese Dinge vor einem fast leeren und ermüdeten Hause absolviert.
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob ich in der weiteren Kritik, die am Eingang meiner Ausführungen steht, immer den Grundsatz meines Freundes Reinhold Maier befolgen kann, „to be His Majesty's most loyal opposition". Ich werde mich bemühen; aber ich glaube, die Fragen sind so ernst, daß man auch vor einer Kritik nicht zurückscheuen darf, auch nicht als Angehöriger dieser Koalition und gegenüber der eigenen Koalitionsregierung.
Wenn wir aber kritisieren, meine Damen und Herren, dann müssen wir zurückgehen auf den Parlamentarischen Rat und auf die Schaffung des Grundgesetzes. Ich freue mich, daß die Bundesratsbank in diesem Augenblick sehr gut besetzt ist. Damals, bei der Schaffung der Verkehrsartikel im Grundgesetz, sind von Verbänden und von Fachleuten unzählige Eingaben gemacht worden, den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung der Straßen des Fernverkehrs der Bundesgesetzgebung zu unterwerfen und nicht, wie es dann in Art. 74 Ziffer 22 geschehen ist, der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Folgen und die Nachteile dieser Unterlassung bzw. dieses Fehlers haben sich besonders bei der Schaffung des .Sicherheitsgesetzes und des Güterkraftverkehrsgesetzes gezeigt, des Güterkraftverkehrsgesetzes, das vornehmlich dazu dient, die Ordnung auf der Straße herzustellen, dessen Vorbereitung aber, wie Sie alle wissen, Jahre gedauert hat, so daß es erst vor wenigen Monaten praktisch in Funktion treten konnte.
Ich habe noch eine Kritik an dem unzulänglichen Verkehrsetat anzubringen. Verzeihen Sie, daß ich an diesen Grundlagen zuerst kritisiere, aber sie sind überhaupt erst die Voraussetzungen einer Verkehrspolitik, und ich spreche dazu, weil diese notwendigen Voraussetzungen eben nicht geschaffen worden sind. Ich habe wiederholt von dieser Stelle aus auf die Unzulänglichkeit des Verkehrsetats hingewiesen. Daß er im Wirtschaftsplan 1954 nun die Milliarde überschritten hat, ist nichts weiter als eine künstliche Ausweitung; denn er ist nicht größer als der Wirtschaftsplan 1952/53, nämlich etwa 750 Millionen DM, es sind nur die 250 Millionen DM der gestundeten Beförderungsteuer hinzugekommen. Herr Dr. Seebohm, Sie werden sich erinnern, daß ich auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Nahverkehr in Hamburg die Worte gesprochen habe: „Herr Minister, ich bewundere Sie, daß Sie mit einem solchen Etat überhaupt Verkehrspolitik machen wollen." Wenn Sie sich nämlich, meine Damen und Herren, den Einzelplan 12 einmal etwas genauer ansehen, insbesondere die vielen Aufgaben, die
im Rahmen dieses Verkehrsetats erfüllt werden müssen, werden Sie die Unzulänglichkeit des Etats nicht bestreiten. Sie ist auch nicht damit zu entschuldigen, daß sich der Bund — das wissen wir alle — wegen seiner vielen sonstigen Verpflichtungen in einer außerordentlich schwierigen finanziellen Lage befindet. Ich weiß nicht — ich hoffe es, aber es scheint doch nicht so auszusehen —, ob sich der Herr Bundesverkehrsminister, der ja nun die Probleme und die schweren Aufgaben seit vier Jahren kennt, bei der Wiederübernahme seines schweren Amtes Sicherungen seitens des Bundesfinanzministers oder der Regierung hat geben lassen, um eine wirklich zügige Verkehrspolitik zu betreiben.
Der Herr Bundesverkehrsminister hat mit Recht gesagt, es sei ein völlig verkehrter Ausgangspunkt, von einer Verkehrskrise an sich zu sprechen. Eine Verkehrskrise, meine Damen und Herren, würde bedeuten, daß der deutsche Verkehrsapparat — Schiene, Straße, Binnenschiffahrt, Seeschifffahrt — nicht in der Lage wäre, die Ansprüche der deutschen Wirtschaft zu befriedigen. So ist es ja nicht, die Situation ist vielmehr genau umgekehrt. Wir haben eine Überkapazität an Laderaum, und daraus ist zum Teil die Krise der Verkehrsträger entstanden, der Verkehrsträger, nicht des Verkehrs. Wir haben vornehmlich eine Krise des Verkehrsträgers Bundesbahn und eine Krise im Straßenverkehr schlechthin.
Fraglich ist nur, ob man mit einem Gesetz, das in aller Munde ist, das aber die Legislative offiziell überhaupt nicht kennt, das nachholen kann, was in vier Jahren offensichtlich versäumt worden ist. Wir sollen ja heute nicht die erste Lesung dieses I) uns offiziell unbekannten Gesetzes halten, aber man muß doch ein Wort darüber verlieren. Mein Freund Dehler hat in der Haushaltsdebatte schon gesagt — und der Herr Bundesverkehrsminister hat es hier eben in seiner Beantwortung der beiden Großen Anfragen bestätigt —, daß diejenigen, die von der neuen Verkehrsgesetzgebung betroffen werden — Wirtschaftsverbände und einzelne Wirtschaftsführer — von den zuständigen Ministerien durchaus Auskunft über den Inhalt des Gesetzentwurfs erhalten haben, während die Legislative über die Presse und über diese Verbände von den Dingen Kenntnis nehmen muß. Ich halte das für einen unmöglichen Zustand. Sicherlich hat die Regierung das Recht, ein Gesetz in der Kamera zu behalten, um die Dinge nicht zu stören. Wenn darüber aber eine solche Zeit vergeht, dann geschieht eben das, was geschehen ist. Die Korruption setzt ein, und man kann dann, wie ein Vorredner sehr richtig gesagt hat, für 110 oder für 55 Mark diese Gesetzesvorlage an der Milchbar kaufen.
— Ich habe sie nicht gekauft, Herr Kollege, seien Sie ganz beruhigt!
Meine Damen und Herren, in eine Verkehrsdebatte einzusteigen, bedeutet, sich um zwei Schwerpunkte herum zu bewegen. Der eine ist der Zustand der Deutschen Bundesbahn, der andere ist das Problem nicht des Straßenverkehrs, sondern — um gleich richtig zu sagen, wie ich die Dinge sehe — des Straßenbaus. Es geht also weniger um den Straßenverkehr an sich als vielmehr um die Notwendigkeit, Autobahnen, Bundesstraßen, Länderstraßen usw. so auszubauen, daß sie dem modernen Verkehr angepaßt sind.
Aber befassen wir uns zunächst einmal mit der Situation der Deutschen Bundesbahn, dieses größten deutschen Vermögens, dessen Wert heute auf eine Größenordnung von 12 bis 15 Milliarden DM beziffert wird. Auch die Freie Demokratische Partei betont von vornherein, daß sie am gemeinwirtschaftlichen Prinzip der Deutschen Bundesbahn festhalten will. Aber eines darf ich mit aller Deutlichkeit hinzufügen, und ich werde das auch begründen: dieses gemeinwirtschaftliche Prinzip darf nicht zur Subventionierung der Wirtschaft führen. Dort ist die Grenze, und hier bleibt zu überlegen, wie die Tarife nun der wirklichen Selbstkostensituation sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße angepaßt werden können.
In diesem Zusammenhang muß man sich auch ein wenig mit der inneren Organisation der Deutschen Bundesbahn selbst befassen. Ich habe ja die Auszeichnung, im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn zu sitzen. Ich erinnere mich sehr deutlich der Behandlung des Bundesbahngesetzes in unserem Ausschuß für Verkehrswesen. Bekanntlich lagen damals zwei Anträge vor, ein Antrag der Bundesregierung und ein Initiativantrag des Bundesrats. Der Bundesrat hat in Übereinstimmung mit meiner eigenen Auffassung seinerzeit erklärt — und er hat damit recht behalten, denn heute ist das klar und deutlich zu sehen —, es sei verkehrt, einen Kollegialvorstand zu schaffen. Notwendig wären gewesen ein mit entsprechenden Befugnissen ausgestatteter Generaldirektor und ein ausgeweiteter Vorstand, dem die leitenden und verantwortlichen Leute aus der Hauptverwaltung, mit anderen Worten, die Leute, die das Geschäft innerhalb der Deutschen Bundesbahn von morgens bis abends wirklich betreiben, zur Seite gestanden hätten.
Es ist also die erste Forderung der Freien Demokratischen Partei — ohne daß wir heute hier schon zu formulierten Anträgen kommen —, daß die Bundesregierung eine Novelle vorlegt, die sich einmal mit der Frage der Zusammensetzung des Vorstandes, zum andern aber und vor allen Dingen auch mit einer Änderung des § 4 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes befaßt, um dessen Formulierung wir ja auch in vielen Stunden und Sitzungen mit dem Herrn Bundesverkehrsminister gerungen haben, Verzeihung, mit dem Herrn Bundesfinanzminister; der Herr Bundesverkehrsminister war durchaus unserer Auffassung. Ein gewisser Nachholbedarf, für den die Bundesbahn nicht verantwortlich ist, da er eine Kriegsfolge darstellt, müßte jährlich aus Mitteln des Bundesetats gedeckt werden. Statt dessen heißt es, daß die Bundesregierung entsprechende Zuschüsse leisten soll, soweit es die Haushaltslage gestatte. Sie werden mir zugeben, meine Damen und Herren, daß man mit einem solchen Paragraphen natürlich so gut wie nichts anfangen kann.
Ich möchte aber auf das gemeinwirtschaftliche Prinzip zurückkommen und auf die Gestaltung der Tarife nach Selbstkosten entsprechend der tatsächlichen Situation auf dem Preismarkt.
Wenn man sich mit dem Problem Bundesbahn und mit ihrer Situation befaßt, muß man stets ein paar Zahlen im Gedächtnis haben, beispielsweise die, daß im Personenverkehr nur 28 % der Menschen nach dem Regeltarif und 72% unter Tarif gefahren werden. Das muß man wissen, um die
Situation zu verstehen. Dabei will ich nicht grundsätzlich etwas gegen die Sozialtarife sagen. Ich muß aber fordern, daß eine genaue Untersuchung darüber angestellt wird, ob nicht in den Tarifen, die unter dem Regeltarif liegen — bis zu den niedrigsten Sozialtarifen hinunter —, ohne daß man das ganze Preis- und Lohngebäude erschüttert, eine vernünftige Erhöhung berechtigt ist und auch durchgeführt werden kann.
Im Güterverkehr ist die Lage ähnlich. Wenn Sie den Kohletarif 6 B 1 als einen Regeltarif ansehen, ergibt sich immerhin noch die Situation, daß 56% der Güter auf der Schiene -- damit analog übrigens auch auf der Straße, denn wir haben ja das Paritätsverhältnis — unter dem Regeltarif und nur 44 0/o zu Regeltarifen gefahren werden. Aber, wie gesagt, die Stellung des Kohletarifs ist dabei strittig.
Ich glaube, die Deutsche Bundesbahn und die verantwortlichen Stellen haben in der Vergangenheit in ihrer Tarifgestaltung und ihrer Tarifbehandlung einen Kardinalfehler begangen. Ich habe das vor Fachleuten einmal so ausgedrückt: Warum dieses vertikale und horizontale Spiel der Ziehharmonika, bevor man nicht über die echten Selbstkosten bei den Verkehrsträgern überhaupt Grundlagen besitzt? Alle diese Dinge haben wenig genutzt. Man hat die Tarife mal erhöht, mal oben abgeflacht, mal unten angehoben, und wie diese schönen Dinge alle heißen. Als man bei der dritt- oder viertvorletzten Tarifreform daranging, die oberen Sätze abzukappen und die unteren anzuheben, habe ich mir erlaubt, den Herren zu sagen: Nun werden Sie das erleben, was Sie eigentlich vermeiden wollen, denn jetzt wird nämlich der Massentransport auf der Straße durch die Anhebung der unteren Tarife für den Straßenverkehr plötzlich außerordentlich interessant. So ist es gekommen. Nun versucht man, diese Fehler einer Tarifpolitik auf andere Weise wieder zu beseitigen. Genau so ist es mit der letzten Abtarifierung gewesen, die der Bundesbahn pro anno 50 bis 60 Millionen DM gekostet hat bzw. kosten wird und die dazu führen soll, daß die Güter in den Tarifen A bis C oder A bis D wieder in stärkerem Maße auf die Schiene kommen.
Hier können Sie eine interessante Feststellung machen. Es ist nun einmal so, daß die Bundesbahn wegen ihrer Beförderungspflicht und wegen ihrer gemeinwirtschaftlichen Aufgaben in diesen Dingen nicht so beweglich wie der Straßenverkehr sein kann. Als Folge davon wird die Bundesbahn den effektiven Verlust dieser 50 bis 60 Millionen DM haben. Hier wurde vorhin gesagt, es sei nicht festzustellen, ob die Sache positiv oder negativ ausgegangen sei. Ich möchte sagen, sie ist null ausgegangen, d. h. es ist nicht mehr verloren worden, es ist aber auch nicht mehr an Gütern hinzugekommen. Tatsache ist, daß es die Bundesbahn diese 50 bis 60 Millionen DM gekostet hat. Auf der anderen Seite hat der zu paritätischen Tarifen fahrende Straßenverkehr wegen seiner privaten Leistungsfähigkeit, wegen seiner nicht vorhandenen Belastung gemeinwirtschaftlicher Art und der Beförderungspflicht — wie es dem Privatverkehr und dem Privatbetrieb überhaupt eigen ist — diese 50 bis 60 Millionen DM verdauen können. Der lachende Dritte bei dieser ganzen Geschichte ist die deutsche Wirtschaft gewesen. Sie erinnern sich meiner Ausführungen, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip nicht zur Subventionierung der Wirtschaft führen dürfe. Der Wirtschaft hat man 100 bis 120 Millionen DM geschenkt, und die Wirtschaft, die im allgemeinen immer sehr empfangsbereit ist — das ist ja bekannt —, hat das Geschenk in diesem Falle nicht einmal haben wollen. Sie hat ihre Bedenken erhoben und hat sich gegen diese Abtarifierung gewehrt.
Ich wollte im ganzen nur einmal sagen — und damit zu dem Schluß des Themas Tarife kommen —, daß eine vernünftige Anpassung der Tarife der Bundesbahn durchaus notwendig ist. Sie ist ein Teil der Maßnahmen, um auch die Deutsche Bundesbahn wieder leistungsfähig zu gestalten. Natürlich spielt bei diesen Dingen auch die Rationalisierungsfrage eine entscheidende Rolle. Die Rationalisierung ist ja der Deutschen Bundesbahn von dem Herrn Bundesfinanzminister auferlegt worden. Werkstättenabbau, Personalabbau, Verwaltungsreform und alle diese Dinge sind bekannt und werden nun wohl auch — ich kann Ihnen das als Mitglied des Verwaltungsrates durchaus bestätigen — zügig in Angriff genommen.
Aber eine wirkliche Rationalisierung ist ein großes Mosaik. Ich denke dabei jetzt an eine Rationalisierung des Betriebs überhaupt. Es gehört — verzeihen Sie, wenn ich das sage — eine recht erhebliche Kenntnis der inneren Zusammenhänge des Verkehrs dazu, um zu verstehen, wie auf dem Gebiet der Rationalisierung, beispielsweise, um nur ein Gebiet zu nennen, der stärkeren Konzentration der Ladung — man nennt das bei der Bundesbahn den Sammelladungsverkehr —, noch einiges zu erreichen ist. Freilich würde eine zügige Rationalisierung — dies muß auch einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden — möglicherweise einen noch größeren Personalüberhang bei den Instituten der Deutschen Bundesbahn sichtbar machen. Wir sind aber hier, um diese Dinge so zu sehen, wie sie gesehen werden müssen, wenn man die Deutsche Bundesbahn erhalten will.
Ich sprach von dem Mosaik. Ich habe manchmal das Gefühl, daß es anscheinend auf die vielen klein en Dinge nicht so ankommt, auch im Hause der Deutschen Bundesbahn nicht. Wir müssen uns aber doch wohl zu dem Grundsatz bekennen, daß viele kleine Dinge ein Großes machen können. Wenn ich Zahlen wie 300 000, 2 Millionen, 17 Millionen, 60 Millionen nenne, so sind das nicht willkürlich gegriffene Zahlen. Ich möchte diese Zahlen heute nicht vertiefen, ich möchte nur zeigen, daß diese vielen einzelnen Dinge zusammen mit einer zügigen Rationalisierung innerhalb der Deutschen Bundesbahn auch eine Einsparung von einigen hundert Millionen D-Mark bringen könnten. Vielleicht besteht auch die Notwendigkeit einer Auflage durch den Bundesfinanzminister oder durch die Bundesregierung an die Bundesbahn. Die Frage ist nur: Müssen wir nicht, um zu wirklich objektiven und neutralen Erkenntnissen und zu einer wirklichen Rationalisierung bei der Deutschen Bundesbahn zu kommen, unter Umständen eine neutrale Instanz einsetzen, die ohne Ansehen der Person diese Dinge einmal von Grund auf prüft?
Zu dem vorliegenden Antrag, der schon in der Anfrage der SPD zum Ausdruck kommt, nachher aber durch den Antrag der Deutschen Partei sehr deutlich gemacht wird, betreffend die Übernahme der betriebsfremden Lasten durch den Bundeshaushalt darf ich Ihnen im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir diesem Antrag voll und ganz zustimmen. Wir sind der Meinung, daß, was immer auch auf dem Gebiete einer neuen Verkehrsgesetzgebung geschehen möge, alle diese Dinge nicht aus-
reichen, wenn man sich nicht grundsätzlich dazu aufrafft, die Bundesbahn von den betriebsfremden Lasten —etwa zwischen 300 unid 400 Millionen DM; die Meinungen gehen auch da etwas auseinander — zu entlasten. Daß das im letzten Haushalt nicht mehr möglich gewesen ist, bedaure ich sehr. Sie werden sich meiner Worte erinnern: der nach meiner Ansicht notwendigen Absicherung, die der Herr Bundesverkehrsminister bei der Wiederübernahme seines Amtes sich hätte geben lassen sollen. Jetzt bleibt nichts anderes übrig, als der Deutschen Bundesbahn durch einen klaren Beschluß dieses Hohen Hauses in Form eines Nachtragshaushalts diese betriebsfremden Lasten abzunehmen. Dabei bin ich von einem Parteifreund auf ein interessantes Moment hingewiesen worden, das ich diesem Hause nicht vorenthalten möchte.
Die Frage ist natürlich, wenn man solche Forderungen stellt, wo das Geld herkommen soll, und damit hängt ja auch die Frage der großen Steuerreform und manche andere Frage zusammen. Nun, wir wissen ja, daß der Herr Bundesfinanzminister noch ein ganz schönes Fettpolster von 2 Milliarden hat, das ihm allerdings täglich von den Alliierten abgerufen werden kann. Wie wäre es, wenn man einmal in diesem Zusammenhang mit den Alliierten verhandelte und auch auf die strategische Bedeutung der Deutschen Bundesbahn hinwiese, um so vielleicht einen Teil dieses Betrags von 2 Milliarden oder den ganzen Betrag für den Nachtragshaushalt sicherzustellen?
Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Bundesbahn noch einige Zahlen. Der Bundesverkehrsminister hat richtig gesagt, daß die Dinge bis 1951 ungefähr ausgeglichen waren. Ich
B) habe manchmal das Gefühl, daß man im Hause der Bundesbahn etwas überrascht war, als in den darauf folgenden Jahren Lasten gekommen sind, die man nicht erwartet hatte. Aber eine Verwaltung der Deutschen Bundesbahn, die nach kaufmännischen Grundsätzen geleitet wird, mußte ja wissen, daß die Folgen des 131er-Gesetzes an sie herankommen. Eine solche Leitung mußte wissen, daß die Beamtengehälter sowie die Löhne der Arbeiter einer Aufbesserung bedurften und daß diese Lasten eines Tages auch an die Bundesbahn herankommen würden. Man kann also nicht sagen, die Not der Bundesbahn sei eigentlich erst vom Jahre 1952 an sichtbar geworden, als wir im Wirtschaftsplan erstmals ein Minus von 154 Millionen hatten, das sich im Jahre 1953 auf voraussichtlich 605 Millionen gesteigert hat und im Wirtschaftsplan 1954 mit 794 Millionen ausgewiesen ist. Allerdings handelt es sich um Zahlen auf der Grundlage einer kameralistischen Buchführung. Auch darüber muß man sich in diesem Augenblick einmal unterhalten. Denn wenn man weiß, daß die Deutsche Bundesbahn für 900 bis 1000 Millionen an Aufträgen an die Wirtschaft vergibt, dann treten die Verlustzahlen im Rahmen einer kameralistischen Buchführung sehr deutlich in Erscheinung, während umgekehrt nach einer kaufmännischen Buchführung ein großer Teil bei entsprechender Abschreibung dazu dienen würde, das Vermögen der Deutschen Bundesbahn sichtbar zu erhöhen und so vielleicht auch bessere Voraussetzungen für eine Anleihe der Deutschen Bundesbahn zu schaffen, bei der allerdings noch Voraussetzung wäre, daß wir das Problem der alten Reichsbahnanleihen bereinigen.
Fast alle. europäischen Eisenbahnen arbeiten defizitär. Fast alle Eisenbahnen erhalten die direkte Unterstützung des Staates. Selbst bei unserm Nachbarn im Westen, in Frankreich, ist es so, daß trotz eines starken Schutzes gegenüber dem Straßenverkehr bei der französischen Staatsbahn immer noch ein jährliches Defizit in Höhe einer Milliarde vorhanden ist. Ich glaube, wir sind auf dem Wege, ein grundsätzliches Defizit der Deutschen Bundesbahn auszuräumen, wenn wir zunächst einmal eine gesunde Grundlage für diesen größten Verkehrsapparat schaffen. Denn alle und nicht nur die Verkehrsfachleute, sondern jeder, der mit der deutschen Wirtschaft verknüpft ist, wird dem Grundsatz zustimmen, daß die Bundesbahn auf die Dauer nicht Kostgänger des Staates und damit des Steuerzahlers sein darf. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, damit die Deutsche Bundesbahn nach einer gewissen Anlaufzeit in der Lage ist, aus eigenem zum mindesten ihren Kostenausgleich, d. h. eine ausgeglichene Betriebsrechnung zu haben.
Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß sich eine Debatte über Verkehrspolitik nur zwischen zwei Polen bewegen kann: Zwischen dem Zustand der Deutschen Bundesbahn und der Untersuchung, wie wir sie wieder in Ordnung bringen, und auf der anderen Seite natürlich den Zuständen im Straßenverkehr. Es muß an dieser Stelle wohl auch einmal gesagt werden, welche Bedeutung die Kraftverkehrswirtschaft innerhalb der deutschen Wirtschaft insgesamt hat. Sie wissen, daß die Bundesbahn 500 000 Menschen beschäftigt. Sie vergibt rund 1 Milliarde DM Aufträge. Fachleute behaupten, daß in der Kraftfahrzeugwirtschaft 11/2 Millionen Menschen beschäftigt sind und daß das Auftragsvolumen dieser Industrie sich um rund 6 Milliarden herum bewegt. An dieser Tatsache kann sowohl die Legislative ,als auch die Exekutive sicherlich nicht vorbeigehen. Aber im Vordergrund steht doch und das ist heute morgen hier auch schon in großer Besorgnis immer wieder angeklungen — die Sicherheit auf den Straßen. Die 29 Toten, die wir täglich haben, sind wahrhaftig eine Kulturschande für das deutsche Volk,
und es muß alles, aber auch alles geschehen, um diese Zahl auf ein erträgliches Maß herunterzubringen; denn es ist unhaltbar, zu wissen, daß jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht, mehr oder weniger 29 Menschen — und mancher von uns kann dabei sein — sazusagen schon zum Tode verurteilt sind.
Hier darf ich noch einmal auf das Grundgesetz Artikel 74 Ziffer 22 zurückkommen und darauf hinweisen, daß wir schon viel weiter hätten sein können, wenn nicht die Dinge sehr häufig an den notwendigen gemeinsamen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gescheitert wären. Das muß gesagt werden, und wenn ich jetzt die Resolution betrachte, die auf der letzten gemeinsamen Konferenz des Herrn Bundesverkehrsministers mit den Länderministern zustande gekommen ist, dann muß ich sagen: Welch eine Erkenntnis nach vier Jahren! In dieser Resolution heißt es z. B.: „Die von Bundes- und Länderministern in ihren Zuständigkeitsbereichen zu treffenden Maßnahmen bedürfen sorgfältiger Abstimmung und setzen eine ständige enge Fühlungnahme voraus". Ich will nur hoffen, daß das die Wiederholung einer These ist, die doch eigentlich schon hätte im Jahre 1949 Grundsatz sein sollen, als wir anfingen zu arbeiten.
Es wird dann weiter gesagt: „Ferner sind unverzüglich die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zu treffen, um alle Führerscheinbewerber und Führerscheininhaber ärztlich zu untersuchen." Ja, meine Damen und Herren, diese Forderung steht in § 6 des Sicherheitsgesetzes drin. Es tut mir sehr leid — und wir haben diese Dinge im Ausschuß sehr gründlich behandelt —, daß diese Rechtsverordnung, die für die Verkehrssicherheit von entscheidender Bedeutung ist, bis heute noch nicht mit Zustimmung des Bundesrats heraus ist.
Die Frage der Geschwindigkeitsbegrenzung soll noch einmal untersucht werden. Ich halte die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Landstraßen für absolut richtig. Was ich aber nicht verstanden habe, ist, daß am Tage X in den geschlossenen Ortschaften ohne weiteres sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen aufgehoben wurden. Ich habe damals noch selbst an den hamburgischen Polizeisenator geschrieben und erklärt: Belassen Sie die Geschwindigkeitsbegrenzung generell. Für Ausfallstraßen usw. mag man eine Aufhebung oder eine Auflockerung vornehmen. Die Statistik 'beweist heute, daß die größte Zahl der Unfälle sich in geschlossenen Ortschaften ereignet. Wir müssen uns sehr eingehend überlegen, ob nicht die Geschwindigkeitsbegrenzung so schnell wie möglich durch eine Novelle zum Sicherheitsgesetz wieder einzuführen ist. Auf den Landstraßen dagegen halte ich die Begrenzung für einen baren Unfug. Wen wir Automobile mit 120 und 140 Stundenkilometer bauen und wenn wir die Voraussetzungen des Straßenbaus dazu schaffen, dann soll man keine Gesetze schaffen, die praktisch. einfach doch nicht eingehalten werden und nicht eingehalten werden können. Wir -dürfen uns bei der ganzen Frage der Verkehrssicherheit ,auch nicht in die Gefahr begeben und den großen Fehler begehen, daß hinter jedem Verkehrsnutzer ein Polizist steht. Auch das ist hier heute morgen schon angeklungen. Es muß andere Mittel und Möglichkeiten geben, uni der Verkehrsnot auf den Straßen Herr zu werden.
Ich darf wiederholen: Im Vordergrund der Frage der Sicherheit auf der Straße steht der Straßenbau. Ich darf von dieser Stelle aus an die Länder die Frage richten: Haben die Länder die Kraftfahrzeugsteuer, die als Bundessteuer erhoben wird, restlos im Straßenbau verwandt? Es wäre sehr gut, einmal hierüber in allen deutschen Ländern eine sehr eingehende Untersuchung anzustellen.
Die zweite Frage muß ich allerdings an den Bund richten. Nehmen wir die Zölle, die Mineralölsteuer, die Beförderungsteuer usw. Hierdurch werden — und diese Zahlen sind von dem Ver- band Deutscher Automobilfabriken im Jahrbuch 1953 einwandfrei errechnet - 1,2 Milliarden DM aufgebracht. Wir wissen sehr genau, daß nur ein Bruchteil dieser Summe für Bundesstraßen und für Autobahnen aufgewandt wird.
Diejenigen Kollegen, die im alten Bundestag waren, erinnern sich, wie ich. manchmal eine Lanze für den Straßenverkehr gebrochen habe. Sie erinnern sich insbesondere der Debatte mit meinem verstorbenen Freund von Rechenberg, der von den „Biestern der Landstraße" sprach, - von den Biestern, von denen ich übrigens nicht ein einziges besitze. Ich darf das bei dieser Gelegenheit wegen der verkehrten Propaganda auch noch einmal wiederholen. Aber warum habe ich das getan? Wenn Sie einmal die einschlägigen Verbände, die jetzt
anfangen, zu petitionieren, befragten, würde Ihnen das jeder bestätigen, und ich habe das zuletzt auch auf einer Kundgebung im Marmorsaal in Berlin gesagt: Ich werde sie nicht davor schützen, daß sie nicht noch einmal einen erheblichen Beitrag für einen zweckgebundenen Straßenbau leisten. Das wird auch -- der Kollege Rümmele hat das sehr richtig gesagt — seitens dieser Gruppen in jedem Fall anerkannt. Aber man hat sich - und meiner Ansicht nach mit Recht — in der Vergangenheit dagegen gewehrt, daß immer wieder von Erhöhungen und von erneuten Belastungen gesprochen worden ist, ohne daß die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister bereit waren, dieses Mehraufkommen zweckgebunden für den Straßenbau zu verwenden. Jetzt haben wir eine Linksum-Kehrtwendung gemacht. Ich sage ja, man darf immer nur aus der Schule plaudern von dem neuen Gesetz, von dem man offiziell nicht sprechen darf. Da steht drin oder soll drin stehen ich muß mich vorsichtig ausdrücken, sonst muß ich vielleicht meine Immunität aufheben lassen -, daß das Mehr von zwei und sechs Pfennigen zweckgebunden für den Straßenbau verwendet werden soll. Ich kann auch wieder nur sagen: Warum eigentlich nicht drei oder vier Jahre früher? Wir hätten dann nicht diesen schauderhaften Zustand im Straßenverkehr und auch nicht das schlechte Verhältnis von Straßenverkehr zur Deutschen Bundesbahn. Vor etwa zwei Jahren wurde, well die Regierung auf diesem Gebiet wenig initiativ gewesen ist, eine Arbeitsgemeinschaft, die „Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen", gegründet. Drei Kollegen dieses Hauses, der Kollege Leiske, der Kollege Schmidt und ich, sind maßgeblich an der Arbeit beteiligt. Die Herren können Ihnen in Ihren Fraktionen die näheren Zusammenhänge und die Zielsetzung der Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen auseinandersetzen. Wir haben einen Plan gefunden, der es ermöglicht, durch eine Anhöhung des Treibstoffpreises, allerdings auch durch eine Hergabe eines Teils der Mineralölsteuer, nunmehr die Grundlage für Verzinsung und Amortisation durch eine besondere . Finanzierungsgesellschaft zu schaffen, so daß es auch möglich ist — und Finanzleute bestätigen das —, eine entsprechende Anleihe für diese Dinge zu bekommen. Während im Anfang, - das war, glaube ich, im August — der Herr Bundesverkehrsminister einen vollkommen anderen Weg ging und die Dinge durch Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer, durch Zweckbindung usw. zu meistern versuchte, kann ich jetzt feststellen, daß die Pläne der Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen und die neuen Pläne der Bundesregierung doch ziemlich parallel laufen. So glaube ich, Herr Leiske und Herr Schmidt, daß wir außerordentlich wertvolle Arbeit geleistet haben, an der man nicht vorbeigegangen ist. Man wird auch auf diesem Gebiet zu einer Einigung kommen, um den Torso des deutschen Autobahnnetzes zu beseitigen.
Allerdings, meine Damen und Herren, möchte ich vor einem warnen. Soweit ich unterrichtet bin, besteht auch die Absicht in dem neuen Gesetz, in Deutschland eine Autobahngebühr einzuführen. Offenbar ist der Herr Bundesfinanzminister von dem beeindruckt gewesen, was er kürzlich in den Vereinigten Staaten gesehen hat. Viele Kollegen dieses Hauses kennen wie ich die Verkehrsverhältnisse in den Vereinigten Staaten, und sie werden mir, glaube ich, zugeben, daß die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten anders liegen als bei uns.
Daher können diese Maßnahmen nicht einfach auf Deutschland angewendet werden, wie auch umgekehrt unsere Verhältnisse nicht auf die Vereinigten Staaten übertragen werden können. Ich würde es für einen unsinnigen Aufwand ansehen, mit der dazu gehörigen gesamten Bürokratie aus Autobahngebühren, wie es der Plan vorsieht, jährlich 20 Millionen DM herauszuholen. Lassen Sie uns dann lieber schon tabula rasa machen und einen Treibstoffpreis für Vergaserstoff und für Dieselkraftstoff finden, der das alles beinhaltet, und zwar auch, meine Herren vom Bundesrat, die Kraftfahrzeugsteuer, damit wir endlich einmal mit dieser Bürokratie fertigwerden. Vergessen Sie doch nicht, daß heute der kleine Mann monatlich oder alle zwei oder drei Monate hinläuft und seine Kfz-Steuer mit dem Aufschlag bezahlt. Dazu wäre allerdings erforderlich, daß sich der Herr Bundesfinanzminister zunächst einmal mit den Ländern über seinen Anteil an der Einkommensteuer überhaupt einigt. Dann müssen wir an die Frage herangehen, ob man nicht aus der erhöhten Mineralölsteuer einen Ausgleich für die Länder schafft, damit sie aus der Kfz-Steuer die Kosten für die Länderstraßen bestreiten können, allerdings auch wieder unter der Voraussetzung der absoluten Zweckbindung, damit das Geld wirklich dafür verwandt wird.
Ich bin vor dieser Verkehrsdebatte gefragt worden, ob im Zuge der Erhöhung der Treibstoffpreise die Privilegierung der Landwirtschaft und Binnenschiffahrt erhalten bleibt. Ich kann darüber ja keine offizielle Auskunft geben. Soviel ich weiß, ist es der Fall. Vielleicht wird der Herr Bundesverkehrsminister, wenn er noch einmal das Wort nimmt, dazu sehr klar und deutlich Stellung nehmen. Wir wissen ja, wie notwendig es beispielsweise hier auf dem Rhein ist — auch das ist schon angeklungen —, die Binnenschiffahrt auch treibstoffmäßig gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu erhalten. Das gleiche gilt übrigens für die Hafenschiffahrt in Bremen, Hamburg und den anderen Häfen Norddeutschlands.
Die ernste Frage des Straßenbaus hat in meiner Fraktion die Erwägung auftauchen lassen, ob es nicht notwendig sei — und hiermit wende ich mich an den Herrn Vizekanzler als Vorsitzenden des Wirtschaftskabinetts —, die Fragen der Straßenbaufinanzierung vorzuziehen und vordringlich in den Ausschüssen zu behandeln, damit wenigstens diese Dinge so schnell wie möglich zum Zuge kommen. Was nämlich sonst noch im Verkehrsgesetz geplant ist, ist eine sehr, sehr umstrittene Angelegenheit. Ich glaube, daß von den Betroffenen darüber ja auch bei Ihnen schon zum großen Teil Vorstellungen erhoben worden sind.
Damit komme ich zu der sehr entscheidenden Frage, inwieweit der deutsche Werkverkehr eingeschränkt werden soll oder muß. Sie wissen, daß aus einer alten Gesetzgebung heraus bis zum Güterkraftverkehrsgesetz der gewerbliche Verkehr kontingentiert und konzessioniert ist. Als ich das Güterkraftverkehrsgesetz nach zweijährigen, schmerzlichen Vorarbeiten von dieser Stelle aus vertreten konnte, wies ich mit aller Deutlichkeit auf folgendes hin: Sollte es mit diesem Güterkraftverkehrsgesetz, das sich vornehmlich mit der Regelung des gewerblichen Verkehrs befaßt, nicht gelingen, die Ordnung zu schaffen und das Spannungsverhältnis zwischen den Verkehrsträgern zu
vermindern, so werden wir eines Tages allerdings vor die sehr schwerwiegende Frage gestellt, was nun mit dem Werkverkehr geschehen soll. Ich weiß, daß der Werkverkehr in der ganzen Welt seine Freiheit erkämpft und erhalten will. Die Dinge gehen bis zur internationalen Handelkammer in Paris und von dort bis zur UNO in New York, wo die Grundsätze festgelegt werden. Alles kann geschehen in den nationalen Räumen mit der Ordnung der Verkehrsträger, aber der Werkverkehr darf unter gar keinen Umständen angefaßt werden. Nun ist es so, meine Damen und Herren: er ist angefaßt; der unechte Werkverkehr ist verboten, und der unechte Werkverkehr ist ja in erster Linie der, der den bestehenden Verkehrsträgern, den staatlichen und den privaten, die allergrößten Sorgen bereitet. Nun ist man zu der Auffassung gekommen, man sollte den Werkverkehr in einem noch viel stärkeren Maße einschränken, d. h. ihm generell gewisse Massentransporte auf der Straße verbieten, und auf der andern Seite so weit gehen, daß er seine Endfabrikate nicht mehr bis zum letzten Bezieher fahren darf.
Dabei taucht die Frage auf, Herr Bundesverkehrsminister: wie ist es, wenn umgekehrt der letzte Bezieher die Dinge mit Werkfahrzeugen abholt? Ich glaube, die Frage ist noch ungeklärt. De müßte das Gesetz noch etwas anders formuliert werden. Aber ich wollte dem Hohen Hause nur zeigen, wie weitgehend nunmehr die Einschränkungen gegenüber dem Werkverkehr sein sollen. Ich habe etwas Zweifel, ob es möglich ist, es in dieser konsequenten und konkreten Form durchzuführen. Sie kennen ja die Widerstände im Hause des Bundeswirtschaftsministers, der eine vollkommen andere Auffassung von diesen Dingen hat.
Aber wie ist es denn überhaupt zu dieser Ausweitung des Werkverkehrs gekommen? Können wir nicht von dort ausgehend zu einer Regelung gelangen, ohne daß der Staat allzu stark in diese Dinge eingreift? Zunächst war es doch einmal die verkehrte Steuerpolitik; denn wenn man 500/o abschreiben konnte, dann war ja gar nicht mehr in den großen Fabrikationsbetrieben die Frage vordergründig: brauche ich den Werkverkehr betriebsmäßig zur Fortschaffung meiner Waren, zur Heranholung meiner Rohstoffe?, sondern die primäre Überlegung war: eine wunderbare Gelegenheit, auf diese Weise 50% von dem Wert dieses Lastwagens abzubuchen! Es kommt ein weiteres hinzu — man muß die Dinge durch eine gewisse Erfahrung im einzelnen kennen —: Nach dem Kriege ist bei Transportleitern und bei Transportabteilungen in großen Werken ein seltsamer Ehrgeiz entstanden, sich einen eigenen Verkehrsapparat anzuzüchten. Ich bin dankbar, und wir sollten es alle sein, für eine Denkschrift, die der Bundesverband der deutschen Industrie vor Monaten herausgegeben hat, in der er seinen Werken klarmacht: rechnet doch einmal nach, was euch diese Geschichte einbringt bzw. besser gesagt, was sie euch kostet! Da würde mancher Fabrikdirektor, mancher Leiter einer großen Handelsfirma zu ganz anderen Ergebnissen kommen, und er würde seinen künstlich hochgezüchteten Werkverkehrsapparat abbauen, um sich der natürlichen Verkehrsträger, nämlich der Bundesbahn, der Binnenschiffahrt und des gewerblichen Verkehrs, zu bedienen. Das müßte die Folge sein, wozu allerdings eine weitere Voraussetzung gehört, nämlich eine erhöhte gemeinsame Leistung dieser beiden Verkehrsträger überhaupt.
Damit kommt man zu der entscheidenden Frage der Verkehrsordnung und der Verkehrsteilung überhaupt. Das neue Gesetz der Bundesregierung geht aus von einer Teilung der Güter. Ich persönlich bin seit Jahren immer der Meinung gewesen und habe das auch von dieser Stelle hier vertreten, daß bei einer Verkehrsteilung ebensosehr die Teilung nach Strecken, nach Gebieten von Bedeutung ist.
Es wurde ja auch heute morgen schon zum Ausdruck gebracht: der Straßenverkehr gehört eigentlich in erster Linie in den Flächenverkehr als Zubringer, als Abholer der Schienenverkehre. Man kann es nicht verallgemeinern; denn die Bedeutung des Straßenverkehrs, des gewerblichen Verkehrs, beispielsweise auch bei gewissen Massengütern usw., ist ja sehr davon abhängig, wie jeweils die Anforderungen der Wirtschaft sind.
Darf ich einige wenige Beispiele dafür geben. Wenn Fisch- und Zitrusdampfer in den Häfen von Bremen, Hamburg oder Lübeck und in anderen Häfen ankommen, dann spielt eben die Zeit di entscheidende Rolle und nicht so sehr die Frachthöhe. Die Zeit ist allerdings dann auch entscheidend, Genau umgekehrt kann man x Beispiele leider dafür anführen, daß in dem großen deutschen Exportgeschäft Akkreditive verfallen, Dampferanschlüsse erreicht werden müssen und daß man sich die Zeiten exakt, auf Stunden genau, ausrechnen muß und dann vor der Wahl steht: will ich beispielsweise — und dies ist ein echtes Beispiel! — in 24 Stunden von Reutlingen an den Dampfer Soundso in Hamburg kommen, oder kann ich mich damit begnügen, die Bundesbahn in diesem Fall zu benutzen, die 39 Stunden fährt? —, und dann erreiche ich eben diesen Dampfer nicht mehr. Ich wollte an diesem Beispiel nur einmal zeigen, daß die Dinge eben nicht so generell und so allgemein sind, wie sie manchmal von laienhafter Seite angesehen werden.
Nun sprach ich ja von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Verkehrsträger. Der Herr Bundesverkehrsminister sagte hier heute morgen: Wo Begriffe fehlen, da stellt sich zur rechten Zeit ein Fremdwort ein. Das Wort „Koordinierung" hat er, glaube ich, nicht erfunden, wohl aber, wenn ich recht unterrichtet bin, das Wort „Harmonisierung". Das ist ja wohl auch ein Fremdwort, das der Herr Bundesverkehrsminister gebraucht hat. Aber diese „Harmonisierung" ist nun einmal in den letzten vier Jahren ausgeblieben, und es hätte dazu vielleicht nur einer einzigen Initiative der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministeriums bedurft: nämlich die beiden Verkehrsträger Schiene und Straße so lange zusammenzuzwingen, bis sie zu einer echten Verkehrsaufteilung — gütermäßig unter Umständen, vor allen Dingen aber flächenmäßig — gekommen wären.
Diese Sache hat also bedauerlicherweise nicht stattgefunden, und wir von den Freien Demokraten wollen nur hoffen, daß nun aber auch alle Anstrengungen gemacht werden. Selbst wenn der eine oder andere Verkehrsträger sich weigern sollte, an solchen Verhandlungen teilzunehmen, muß er an einen Tisch gezwungen werden. Ich glaube, wenn so verfahren wird, bestehen eine ganze Menge guter Aussichten, um zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit beider Verkehrsträger zu kommen und damit wieder den unnatürlich aufgebauschten Werkverkehr mit den übrigen Maßnahmen abzubauen.
Meine Damen und Herren, heute morgen ist hier auch von der „Selbstkostenorientierung" der Verkehrsträger gesprochen worden. Ich glaube, das ist ein etwas trauriges und unrühmliches Kapitel im Hause des Bundesverkehrsministeriums. Soviel ich weiß, arbeitet seit ungefähr drei Jahren ein Ausschuß an der Ermittlung der Selbstkosten. Auch der Herr Bundesverkehrsminister wird sich einer gemeinsamen Tagung erinnern, bei der ich sagte: Herr Minister, hoffentlich kommt es nicht eines Tages so weit, daß wir die Selbstkosten des Selbstkostenausschusses ermitteln müssen. — Ich fürchte, daß es leider jetzt so weit gekommen ist. Man spricht von einer Viertelmillion. Man spricht davon, daß nunmehr die Waren-Treuhand- und Revisionsgesellschaft — die sicherlich nicht sehr billig ist; ich weiß nicht, ob ich richtig unterrichtet bin — diese Aufgabe nun für eine halbe Million vollenden soll. Aber wir haben große Hoffnung, daß es vielleicht endlich einmal wenigstens im Zeitraum eines Jahres möglich sein wird, wirklich die Selbstkosten der einzelnen Verkehrsträger zu ermitteln, worauf j a, Herr Bundesverkehrsminister, zusammen mit einer zügigen Statistik überhaupt erst eine echte Verkehrspolitik des Bundes richtig aufgebaut werden kann.
Ich habe heute morgen in der Zeitung Vorschläge des Verkehrsausschusses der CDU gelesen. Ich muß sagen, ich war doch etwas erschüttert. Ich meine, sehr viel Neues war es nicht. Es gibt ja auch nicht allzuviel Neues auf dem Gebiet des Verkehrs; es sind allmählich schon Grunderkenntnisse. Wenn man die vielen Denkschriften liest, stellt man fest, daß dann plötzlich ganz neue Weisheiten verzapft werden, aber sie sind uralt, beispielsweise daß man sagt: „Nicht Schiene oder Straße, sondern Schiene u n d Straße!" Ich glaube, das haben wir schon vor einigen Jahren gehört. Ich habe dieses Wort immer sehr gern benutzt, und das wird also nun plötzlich als sehr neue Weisheit herausgestellt.
Aber dann heißt es, man wolle den Straßenverkehr insgesamt einer Ausgleichsabgabe unterziehen, ohne dabei zu sagen, ob nun vielleicht — —
— Ja, dann hat die Presse wieder verkehrt berichtet, oder die Herren in der Pressekonferenz haben sich nicht deutlich genug ausgedrückt — das kommt natürlich auch vor —, oder es waren verschiedene Meinungen da; das kann ja auch sein.
Meine Damen und Herren, was soll nun eigentlich geschehen? Hier wurde von allen Rednern einschließlich meines Kollegen Rümmele gesagt, alle Maßnahmen, die getroffen werden, müßten dort ihre Grenze finden, wo sie die Gefahr hervorriefen, die Existenz eines Betriebes zu vernichten. Wenn Sie aber jetzt aufzählen: Kfz-Steuer, neue Mineralölsteuer, dann Sperrung der Massengüter, und wenn dann noch Ihre Ausgleichsabgabe hinzukommt, meine Herren von der CDU, — ich fürchte, dann ist es allerdings mit einem privaten Verkehr auf der Straße endgültig zu Ende.
Dann taucht auch wieder der alte Wunsch auf, einen Reichskraftwagenbetriebsverband zu gründen. Das war bekanntlich eine nationalsozialistische Zwangsorganisation seligen Angedenkens.
Ich habe nun für eines kein Verständnis: Durch die unglückliche Gesetzgebung im Grundgesetz sind wir erst vor einem Jahr zum Güterkraftver-
kehrsgesetz gekommen. Die Bundesanstalt als der Kern des Güterkraftverkehrsgesetzes arbeitet erst seit einigen Monaten. Das ist nicht die Schuld der Bundesanstalt; das ist eben leider die Folge der langen Behandlung im Bundesrat und im Bundestag. Ehe nun noch diese Bundesanstalt, zu der ich das größte Vertrauen habe, insbesondere auch zu ihrem Leiter, richtig an die Arbeit gehen kann, um die Ordnung auf der Straße, die Einheit der Tarife, die Verhinderung des unechten Werkverkehrs sicherzustellen, soll schon wieder etwas ganz Neues kommen, und zwar in Form einer Zwangsorganisation, die von der Freien Demokratischen Partei auf jeden Fall mit aller Energie abgelehnt werden würde.
Wenn man die Fragen des Verkehrs und der Verkehrsordnung behandelt, kann man selbstverständlich nicht an dem zweitgrößten Verkehrsträger, der deutschen Binnenschiffahrt, vorbeigehen. Das Schwergewicht liegt hier auf dem Rhein. Die Binnenschiffahrt führt in ihrer letzten Denkschrift meines Erachtens nicht ganz zu Unrecht an, daß im Vergleich zur Deutschen Bundesbahn auch sie politische Lasten zu tragen hat, nämlich z. B. in der Form, daß 20% der Flotte von Elbe und Oder zum Rhein herübergekommen sind und hier nun natürlich die Situation der eingesessenen Rheinschiffahrt außerordentlich erschweren. Wir haben ein Binnenschiffahrtsgesetz geschaffen. Wir haben dort durch einen besonderen Paragraphen einen vernünftigen Ausgleich gefunden, so daß die Bundesbahn zu der Tarifgestaltung der Binnenschifffahrt jederzeit gehört wird. Wenn jetzt seitens der Bundesbahn gefordert wird, die Zu- und Ablauftarife aufzuheben bzw. zu erhöhen, dann habe ich doch im Interesse der deutschen Binnenschiffahrt erhebliche Bedenken. Denn dieser Verkehrsträger steht ja unter der Überschrift „Freiheit der Flüsse" gleichzeitig in einem starken Wettbewerb mit der holländischen, der belgischen, der französischen und der schweizerischen Binnenschiffahrt. Ich möchte also warnen und möchte bitten, an diese Dinge mit aller Vorsicht heranzugehen. Ich glaube auch, daß die Behauptung der Binnenschiffahrt nicht unrichtig ist, wenn sie sagt, daß ihr Kostenanteil am Wasserweg — wie Sie wissen, spielt der Oberbau bei allen Verkehrsträgern immer eine große Rolle — bereits 40% betrage und daß schließlich und letzten Endes die Flüsse und Kanäle auch noch für die Wasserversorgung der Industrie, der Städte und für die Energie daseien. Alle diese Dinge müssen eingehend untersucht werden.
Wir haben uns in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Haushaltsdebatten hier auch über die Frage unterhalten, wieweit die Wasserstraßen in Deutschland überhaupt noch entwickelt und ausgebaut werden sollen. Es kann keinen Streit darüber geben, daß die vorhandenen Wasserstraßen erhalten und den modernen Erfordernissen entsprechend angepaßt werden müssen. Aber ich möchte doch an dieser Stelle nochmals warnend meine Stimme gegen neue Kanal- und Flußschifffahrtsprojekte erheben.
Ich will hier heute nicht polemisieren wegen des Neckarkanals, ich will auch nicht polemisieren wegen des Rhein-Main-Donau-Kanals. Niemand weiß, wie sich die politischen Verhältnisse entwickeln. Aber ich glaube, mit aller Deutlichkeit sollten wir hier sagen, daß wir in Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesbahn von der Bundesregierung erwarten, daß man sich absolut querlegt gegen eine Moselkanalisierung und ähnliche Projekte, die eventuell noch auftauchen sollten.
Abschließend darf ich dann zu den einzelnen Anträgen kommen. Ich glaube, das meiste ist bereits in meinen Ausführungen enthalten gewesen. Auch ich begrüße den Antrag der SDP — Drucksache 181 — zum Personenbeförderungsgesetz. Dieses ist ja das große Grundgesetz des Verkehrs, das leider — auch ich bedaure das außerordentlich — hängengeblieben ist, nicht durch die Schuld des Bundesverkehrsministeriums, sondern weil sich die Ressorts innerhalb der Bundesregierung nicht einig werden konnten. Was vom Personenbeförderungsgesetz abhängt, darf ich an folgender Tatsache illustrieren: hier fährt die Bundesbahn auf der Schiene, daneben hat sie ihren eigenen Omnibusverkehr, dann kommt die Post, und dann kommt der private und eventuell noch der kommunale Verkehr. Alles dies muß einmal gründlich geklärt und geordnet werden.
Es ist auch höchst bedauerlich — das muß an dieser Stelle ebenfalls mit Deutlichkeit gesagt werden —, daß es in vier Jahren nicht möglich gewesen ist, die Interessen der beiden größten staatlichen Verkehrsträger, der Bahn und der Post, gegeneinander abzugleichen. Es sind zwar unzählige Schriftsätze gewechselt worden, aber es ist in keinem Falle zu irgendwelchen konkreten Maßnahmen gekommen. Ich glaube, das geht noch viel weiter als in der Koordinierung, Abgleichung und Ordnung der nebeneinander laufenden Verkehre. Wenn man sich die Dinge bei diesen beiden großen staatlichen Verkehrsträgern einmal richtig ansieht, dann kommt man zu dem Schluß, daß es noch manche Rationalisierungsmaßnahme geben mag, in kleinen Orten z. B. durch Zusammenlegen der Güterabfertigung mit einer Postabfertigungsstelle usw. Mit diesem Thema möge man sich wirklich einmal ernstlich befassen, und vor allen Dingen möge man diesem Hause so schnell wie möglich das Personenbeförderungsgesetz vorlegen. Denn was sich da in der gegenseitigen Konkurrenzierung abspielt, meine Damen und Herren, spottet überhaupt jeder Beschreibung.
In der Drucksache 183 fordert die SPD-Fraktion die Vorlage einer Reihe von Gutachten. Ich habe hier — ich bitte, mir das nicht übelzunehmen, meine Herren von der SPD — das Wort „Klamotten" mit Fragezeichen dabeigeschrieben. Ich meine, wir sind inzwischen so flügge und so souverän geworden, daß wir uns nicht mehr an die ausländischen Gutachten hängen sollten. Wir haben soviel Erkenntnis von den Dingen gewonnen, daß wir dazu selbst genügend Grundlagen schaffen können.
- Es sind natürlich auch deutsche dabei, z. B. die Denkschrift der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn: „Warum Bundesbahnkrise?" Mit dieser Denkschrift ging es genau so wie mit der kleinen blauen, die heute schon vorgezeigt wurde: sie kam heraus; niemand wußte etwas davon, nicht einmal diejenigen, die eigentlich etwas davon wissen sollten, nämlich die Aufsichtsorgane der Deutschen Bundesbahn. Bedenken Sie, meine Damen und
Herren: Wenn ich mich recht erinnere, steht entweder in dem Gutachten von Homberger und Cottier oder in dem Gutachten von Coverdale und Colpitts die geniale Empfehlung, die Deutsche Bundesbahn möge zur Einsparung von Personal sämtliche Schranken an den Bahnübergängen aufheben. Das ist nur ein Beispiel, um Ihnen zu sagen, daß es eben Dinge gibt, die hier nicht anwendbar sind, und daß wir unsere eigenen Gesetze hier in der deutschen Bundesrepublik haben. Meine Damen und Herren: Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen, — das war alles in den Forderungen enthalten, ist auch in dem Gesetz enthalten, das wir jetzt zu erwarten haben.
Nun noch ein Wort zur Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn- und Feiertagen. Meine Damen und Herren, ich habe die Antragsteller durchaus verstanden. Ich hoffe nur, daß sie alle in erster Linie den Gedanken gehabt haben: Du sollst den Feiertag heiligen! Aber die Wirtschaft hat ja nun mal andere Gesetze, und es wird immer Berufsgruppen und Wirtschaftsgruppen geben, die von solchen Segnungen ausgenommen sind. Ich brauche das nicht weiter zu erklären. Dazu gehören Unterhaltungsstätten, Vergnügungsstätten, Restaurationen, Theater usw. usw. In gewissem Sinne, wahrscheinlich sogar in stärkstem Maße bezieht bezieht sich das auch auf den Verkehr. Ich glaube nicht, daß sich meine Fraktion zur Unterstützung dieses Antrages bereit finden kann. Ich möchte die Dinge aber hier nicht weiter vertiefen. Wir wollen uns darüber sehr offen und aufgeschlossen im Ausschuß unterhalten.
Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich auf etwas hinweisen, was heute morgen zum Ausdruck gekommen ist. Auch für mich — und so sollte es für alle sein — ist der Verkehr ein Ganzes. Wir brauchen die Schiene, die Straße, die Binnenschiffahrt, die Seeschiffahrt, und wir brauchen die deutsche Luftfahrt, die wir durch Initiative der Bundesregierung hoffentlich auch bald bekommen. Der Verkehr hat seine besonderen Gesetze. Wir müssen eine Verkehrsordnung schaffen und sind dabei in der außerordentlich schwierigen Situation, eine Sache zu vertreten, die eigentlich nicht nur den Grundsätzen der Bundesregierung, sondern auch den Grundsätzen der Opposition widerspricht: wo immer es nur geht, in der deutschen Wirtschaft den freien Wettbewerb zu erhalten. Meine Damen und Herren, die Liberalisierung des Verkehrs wäre das Ende der Deutschen Bundesbahn. Darüber muß man sich vollkommen klar sein. Ob man der Bundesbahn und damit auch anderen Verkehrsträgern etwas mehr Beweglichkeit in der endgültigen Tarifgestaltung gibt, ist eine Sache, die einer eingehenden Überlegung bedarf. Es gibt kein Land der Erde, in dem der Verkehr liberalisiert ist, nicht einmal in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in denen sich ja bekanntlich die Bahnen im Privatbesitz befinden. Jeder Tarif der Bahn in den Vereinigten Staaten von Amerika muß von der Interstate Commerce Commission genehmigt werden und wird von dieser eben wegen der entgegengesetzten Interessen der verschiedenen Verkehrsträger in schärfster Weise überwacht.
Eine weitere Eigenart des Verkehrs, die seine Liberalisierung nicht zuläßt, ist die Notwendigkeit, immer einen Überhang von Transportraum durchzuschleppen, wenn er überhaupt in der Lage sein soll, den saisonalen Anforderungen des ganzen
Jahres zu genügen. Es genügt, auf den Herbstverkehr zu verweisen. Und wo wären wir jetzt im Winter, der die Binnenschiffahrt völlig lahmgelegt hat, wenn nun kein Transportüberhang bei der Deutschen Bundesbahn und im Straßenverkehr vorhanden wäre! Die Folgen wären gar nicht auszudenken.
Wenn ich für die Notwendigkeit der Erhaltung des gesamten Verkehrs spreche, dann bewegen mich außer der Sorge um den Verkehr und die Interessen der Verkehrsträger noch größere, politische Gesichtspunkte, die ich hier einmal anschneiden möchte. Man müßte einmal den Herrn Wohnungsbauminister fragen, welche Auswirkung die Verkehrsteilung, die Beseitigung der Massentransporte von der Straße, auf den Quadratmeterpreis im sozialen Wohnungsbau hätte, wenn die Möglichkeiten der Haus-Haus-Beförderung auch des Baumaterials nicht mehr beständen. Ich will keine Antwort geben. Ich meine nur, wir haben die Pflicht, die Sache sehr eingehend zu untersuchen.
Ich darf schließlich darauf hinweisen, daß auch die Frage der Verteidigung bei der Überlegung, wieweit wir einen Verkehrsapparat einschränken, ob wir ihn auf dem einen oder anderen Gebiete drosseln, eine entscheidende Rolle spielen kann. Diesen Hinweis möchte ich an das Haus Blank richten.
Aber noch mehr bewegen mich, meine Damen und Herren — und alle Kenner der Verhältnisse in Mittel- und Ostdeutschland werden mir recht geben —, die großen wirtschaftlichen Aufgaben, die an uns herantreten, wenn — und wir alle hoffen es doch — die Wiedervereinigung eines Tages Wirklichkeit wird. Wenn wir dann keinen potenten Verkehrsapparat auf allen Gebieten vorhalten können, werden wir auch dort dieser Dinge nicht Herr.
So darf ich insgesamt noch einmal feststellen: Verkehrsordnung, sinnvolle Verkehrsordnung: ja. Kein wilder Preiswettbewerb, aber Erhaltung eines Leistungswettbewerbs. Diese Erhaltung eines Leistungswettbewerbs ist nur gewährleistet, wenn wir alle Verkehrsträger am Leben belassen. Die Freie Demokratische Partei wird sich jedenfalls mit allem Nachdruck dagegen wehren, daß die Entwicklung im deutschen Verkehr unter Umständen zu einem Monopol führt. Denn dann könnte der Verkehr nicht mehr das sein, was er — in Anerkennung seiner Leistung — stets sein will: ein Diener der deutschen Wirtschaft.