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    2. Deutscher Bundestag — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954 407 14. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 408 B, 465 A, 467 A, C Nachruf für den verstorbenen Abg. Görlinger 408 B Glückwünsche zu den Geburtstagen des Bundesministers Kaiser und der Abg. Hepp, Dr. Leiske, Geritzmann und Frau Dietz . 408 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 24 betr. Autobahnbau FrankfurtWürzburg—Nürnberg (Drucksachen 207, 246) 408 D Beratung der Übersicht 3 über Anträge von (B) Ausschüssen des Deutschen Bundestages betr. Petitionen (Drucksache 220) . . 409 A Beschlußfassung 409 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftliche Ordnung des Verkehrswesens (Drucksache 180) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Verkehrspolitik der Bundesregierung (Drucksache 185), mit der Beratung des Antrags des Abg. Morgenthaler u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn- und Feiertagen (Drucksache 135), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ordnung des Omnibusverkehrs (Drucksache 181), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Finanz- und Verkehrskrise der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 182), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Gutachten zur Verkehrspolitik (Drucksache 183), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen (Drucksache 184) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Finanzierung der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 244) 409 A Dr. Bleiß (SPD), Anfragender . . . . 409 B Müller-Hermann (CDU/CSU), Anfragender 412 B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 414 C, 446 D Rümmele (CDU/CSU) 423 A Rademacher (FDP) 428 C Schmidt (Hamburg) (SPD) 436 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . . 451 C Morgenthaler (CDU/CSU) 455 A Jahn (Frankfurt) (SPD) . . . . 456 B, 458 A Unterbrechung der Sitzung . . 457 D Scheuren (SPD) 459 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) 459 C Baur (Augsburg) (SPD) 462 B Brück (CDU/CSU) 464 D Überweisung der Anträge Drucksachen 135 und 183 an den Ausschuß für Verkehrswesen, des Antrags Drucksache 181 an den Ausschuß für Verkehrswesen und an den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen, der Anträge Drucksachen 182, 184 und 244 an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Verkehrswesen 464 D, 465 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Wiederherstellung des einheitlichen Rechtes in der Sozialversicherung (Drucksachen 208, 10) . . 465 A Stingl (CDU/CSU), Berichterstatter 465 B Beschlußfassung 465 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Rentenversicherung (Drucksachen 209, 20) . 465 C Frau Döhring (SPD), Berichterstatterin 465 D Beschlußfassung 466 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Aufhebung der Zweiten Lohnabzugsverordnung (Drucksachen 210, 22) 466 A Meyer (Wanne-Eickel) (SPD), Berichterstatter 466 A Beschlußfassung 466 B Erste Beratung des von den Abg. Dr. Dr. h. c Müller (Bonn), Schrader u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen (Drucksache 203) 466 B Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU), Antragsteller 466 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 466 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren (Fischgesetz) (Drucksache 213) 466 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . . 466 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) . 466 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD): als Antragsteller 466 D Schriftliche Begründung 468 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 466 D Überweisung an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik, für Geld und Kredit, für Mittelstandsfragen sowie an den Rechtsausschuß 466 D Beratung des interfraktionellen Antrags betr Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) 467 A Nächste Sitzung 467 C Anlage 1: Schriftliche Begründung des Abg Schmitt (Vockenhausen) (SPD) zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betr. die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) 468 Anlage 2: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) 471 Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    468 2 Deutscher_Bundestag — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag. den 11. Februar 1954 Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 14. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Schmitt [Vockenhausen] (SPD) zur ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur .nderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) Das Teilzahlungsgeschäft hatte sich vor dem Kriege gut entwickelt und wurde dann durch den Krieg und die Nachkriegsjahre völlig zurückgeworfen. Nach der Währungsreform, vor allem aber mit dem Obergang vorn Verkäufer- zum Käufermarkt, hat es wieder sehr stark an Bedeutung gewonnen und ist in seinem Umfang heute weit über das Volumen der Vorkriegszeit hinaus gewachsen. Die verschiedenen Untersuchugen über den Anteil des Abzahlungsgeschäfts am Un tz des Einzelhandels in der. Bundesrepublik haben ergeben, daß heute rund 10 % des Einzelhandel-Umsatzes, der im Jahre 1953 nach Ermittlungen des IFOInstitutes 41,9 Milliarden DM betrug, im Teilzahlungsgeschäft getätigt werden. Das wären also rund 4 Milliarden DM. Hinzukommen noch die Abzahlungsgeschäfte unmittelbar mit der Industrie und dem Handwerk, die schätzungsweise 1,5 bis 2,5, Milliarden DM betragen dürften; so daß man die gesamten Teilzahlungsumsätze mit etwa 6 Milliarden DM annehmen Die steigende Entwicklung des Teilzahlungsgeschäfts der Nachkriegszeit ist vor allein eine Auswirkung der in der Entwicklung zurückgebliebenen Löhne und Gehälter und ein Ausfluß des erheblichen Bedarfs unserer Arbeitnehmer und des gewerblichen Mittelstandes, die mit ihren Einkommen ihren Nachholbedarf bisher noch nicht, befriedigen konnten. Wir sind der Auffassung, daß das Teilzahlungsgeschäft an sich nicht als eine ungesunde Erscheinung angesehen werden sollte. Im Gegenteil sollte heute dafür gesorgt werden, daß insbesondere • den Arbeitnehmern und dem gewerblichen Mittelstand durch das Teilzahlungsgeschäft zu günstigen Bedingungen die Möglichkeit gegeben wird, ihren Lebensstandard durch vorausgenommenen Einkauf möglichst bald zu verbessern. Im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht natürlich, daß durch jedes Teilzahlungsgeschäft vorzeitig über Kaufkraft verfügt wird, so daß sie also am Zeitpunkt ihres Entstehens nicht mehr der freien Konsumwahl zur Verfügung steht. Für jeden einzelnen bringt das gewisse Gefahren für diesen Zeitpunkt mit sich, denn sein Verdienst kann durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität oder sogar Tod unterbrochen werden. Wenn auch der Ausfall von Ratenzahlungen in unserer heutigen konjunkturellen Situation verhältnismäßig gering ist und sich nach den verschiedenen Erhebungen über das Gebiet der Teilzahlungsgeschäfte unter 1 % der Umsätze im Teilzahlungsgeschäft beläuft, so darf jedoch volkswirtschaftlich nicht übersehen werden, daß bei einem konjunkturellen Rückgang der Anteil der Ausfälle plötzlich einen viel größeren Umfang annehmen wird. Auch darf nicht verkannt werden, daß das Teilzahlungsgeschäft in Wirklichkeit für die gesamte Industrie auf die Dauer keine Belebung bringen kann. Es wird sich immer nur, weil die Massenkaufkraft leider nicht erheblich gestiegen ist, um eine Umsatzverlagerung, um eine Kaufkraftvorwegnahme, handeln, denn man kann sein Geld nur einmal ausgeben. Wir wollen also nicht vergessen, daß die Konsumausweitung durch das Einkommen begrenzt ist. Die Konjunkturreserve ist durchaus nicht unerschöpflich. Der Umfang des Teilzahlungsgeschäfts ist allerdings auch landsmannschaftlich verschieden. So sind die Menschen im Badisch-Württembergischen weniger leicht für Abzahlungsgeschäfte zu gewinnen als vor allem im Ruhrgebiet. Hier vor allem haben sich nach der übereinstimmenden Meinung aller Beteiligten offenkundige Mißstände ergeben.. Unter Berücksichtigung dieser Umstände haben wir vorgeschlagen, das Teilzahlungsgesetz von 1894, das vor 60 Jahren natürlich unter ganz anderen Umständen und Voraussetzungen geschaffen wurde, durch zeitgemäße Bestimmungen zu ergänzen. Diese Bestimmungen sollen den gesunden Teilzahlungskredit fördern, den vorhandenen Übelständen entgegenwirken und vor allem den Grundsätzen der Wahrheit, Klarheit und des sozialen Schutzes des Verbrauchers zeitgemäßen Ausdruck verleihen. Die Grundsätze der Wahrheit und des sozialen Schutzes des Verbrauchers verstehen sich von selbst. Der Grundsatz der Klarheit ist volkswirtschaftlich mit dem Grundsatz der Markttransparenz identisch. Die Markttransparenz ist einer der wichtigsten Grundsätze der Marktwirtschaft, denn es ist auf dem Markt unerläßlich, daß der 'Käufer frei nach Qualität und Preis wählen kann. Es ist aus diesem Grunde auch sehr wichtig, daß er, bevor er ein Teilzahlungsgeschäft eingeht, die Möglichkeit hat, Preisvergleiche, nämlich zwischen dem Barpreis einer Ware und dem Teilzahlungspreis einer Ware anzustellen; denn nur so hat der Verbraucher die Möglichkeit, in freier Konsumwahl diesen Grundsätzen entsprechend sich zu entscheiden. Der Käufermarkt der letzten Jahre (Schmitt [Vockenhausen]) hat erwiesen, daß vielfach versucht wird, die wirklichen Marktbedingungen zu verschleiern, wodurch der Verbraucher in seiner Konsumwahl irregeführt wird und zu leicht Verpflichtungen eingeht, über deren Tragweite und Auswirkungen er sich bei Kaufabschluß allzuoft nicht im klaren ist. Es ist uns bekannt, daß es vielfach üblich ist, daß der Verkäufer einer Ware im Teilzahlungsgeschäft durch Einholung von Informationen über die Tätigkeit, die Einkommensverhältnisse und Familienverhältnisse des Teilzahlungskunden sowie durch Inanspruchnahme der „Schufa"-Organisationen sich eingehend informiert und nur unter Berücksichtigung der besonderen privaten und finanziellen Verhältnisse des Teilzahlungskunden entsprechende Teilzahlungskredite gewährt, die nach dem Ermessen des Verkäufers tragbar sind. Allerdings wird in anderen Fällen eine solche Auslese nicht getroffen und in unverantwortlicher Weise dem Teilzahlungskunden ein Teilzahlungskredit angeboten, den der Teilzahlungskunde überhaupt nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten zu tilgen vermag. Wir sind uns darüber im klaren, daß auch dieser Gesetzentwurf nicht ausreicht, um derartige Auswüchse in allen Fällen zu verhindern. Wir haben jedoch nach eingehender Überlegung uns zunächst auf diese Vorschriften des Gesetzentwurfs beschränkt, weil wir glauben, daß dadurch wenigstens der größte Teil der Mißstände in geregelte Bahnen geführt wird. Eine Beseitigung aller Mißstände und Auswüchse im Teilzahlungsgeschäft wäre unseres Erachtens nur durch eine derartig straffe und enge Kontrolle des Teilzahlungsgeschäftes möglich, die in nicht erwünschter Form die Handlungsfreiheit im Markt wiederum einschränken würde. Hinzukommt, daß das Teilzahlungsgeschäft in der Bundesrepublik in zahlreichen unterschiedlichen Systemen vor sich geht, die eine einheitliche Erfassung in einem Gesetzentwurf kaum ermöglichen dürften. So beschränkt sich beispielsweise das Gesetz betreffend Abzahlungsgeschäfte von 1894, das der vorliegende Gesetzentwurf erweitert, lediglich darauf, die Abzahlungsgeschäfte, die außerhalb des Bankverkehrs vor sich gehen, zu erfassen. Das bedeutet, daß Teilzahlungsbanken und sonstige Kreditinstitute, die das Teilzahlungsgeschäft betreiben, . in ihrem Geschäftsverkehr von diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht erfaßt werden. Erfaßt wird von diesem Gesetzentwurf lediglich das Teilzahlungsgeschäft, das außerhalb des Bankverkehrs getätigt wird, beispielsweise in "eigener Regie des Einzelhandels, des Handwerks oder auch der Industrie. Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit das Teilzahlungsgeschäft der Banken und Kreditinstitute in eine allgemeine Regelung einbezogen werden sollte. Soweit das Teilzahlungsgeschäft von den Kreditinstituten selbst durchgeführt wird, unterliegen diese mit ihren Bedingungen der Bankenaufsicht, so daß diese jederzeit in der Lage ist, entstehende- Auswüchse von vornherein auszuschließen. Ich glaube, wenn wir den vorliegenden Entwurf beraten, sollten wir uns trotzdem auch noch einmal mit den Anregungen des Sonderausschusses Bankenaufsicht beschäftigen, in denen dem Staat zumindest eine Ermächtigung zur Festlegung eines Kredithöchstsatzes vorgeschlagen wurde. Darüber hinaus ist natürlich eine Anpassung der Konditionen der Kreditinstitute an die Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlich, um die Startgleichheit zu gewährleisten. Soweit wir aus unseren eigenen. Erfahrungen, aber auch aus den verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen zu dem Gebiet der Teilzahlungsgeschäfte in der Bundesrepublik ersehen konnten, wurden Auswüchse im Teilzahlungsgeschäft vor allem festgestellt hinsichtlich der Anzahlung bei Aufnahme des Teilzahlungskredites. Wir wollen nicht übersehen, daß es heute im Einzelhandel, im Handwerk usw. in vielen Fällen üblich ist, daß der Verkäufer im Teilzahlungsgeschäft eine Anzahlung vom Teilzahlungskunden in Höhe von 30 und sogar 35 % des kreditierten Betrags fordert. In anderen Fällen hingegen wird eine Anzahlung bei Einräumung eines Teilzahlungskredites überhaupt nicht gefordert oder nur in einem geringen,, im Verhältnis zum Kaufpreis unangemessenen Anteil. So ist es volkswirtschaftlich und im Interess der Verbraucher unverständlich, daß beispielsweisem heute Kühlschränke auf dem Markt angeboten werden mit einer Anzahlung von 20 DM, und Radios von 5 DM. Der Teilzahlungskäufer ist sich nachrewiesenermaßen bei einem solchen Teilzahlungnkauf häufig überhaupt nicht im klaren darüber, welche Verpflichtungen ihm in Zukunft bei einem solchen Abzahlungsgeschäft entstehen, wobei die Ratenzahlungen in derartigen Fällen häufig über 24 Monate hinausgehen und sich auf drei Jahre und darüber erstrecken. Damit ist der Verbraucher, dem das Angebot eines solchen Verkäufers in die Hände fällt, über Jahre hinaus in seiner freien Konsumwahl, in seiner Entscheidungsfreiheit auf dem Markt festgelegt, wobei wir ganz davon absehen wollen, auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, die sich insbesondere bei einem Konjunkturrückgang oder aus persönlichen Gründen bei dem Teilzahlungskunden 'ergeben, noch näher hinzuweisen, da dies bereits geschehen ist. Die von uns vorgeschlagenen Bestimmungen schaffen mit der Begründung einer Anzahlungspflicht beim Verbraucher Hemmungen gegen eine leichtfertige Kreditaufnahme. Wenn man schon einmal eine Anzahlung in bar leisten muß, wird man sich normalerweise doch mehr Gedanken über die Zweckmäßigkeit des Kaufs und die Möglichkeiten der Rückzahlung des Kredits machen.. Jedenfalls kommt es allzu häufig vor, daß ein Arbeiter und vor allem auch seine Ehefrau, die sich in wirtschaftlichen Fragen nicht so auskennen, zum Schluß feststellen müssen, daß sie viel tiefer in die Tasche greifen und viel länger zahlen mußten, als man beim Abschluß des Geschäfts erzählte. Es ist ja auch niemandem damit gedient, daß er beliebig viel auf Raten kaufen kann. Allzu viele Hausfrauen sind schon überredet worden und haben nachher die Folgen für sich und ihre Familien gespürt. Aber nicht nur den Verbraucher wollen wir durch durch eine solche Mindestbegrenzung des Anzahlungsanteils schützen, sondern insbesondere auch die mittelständischen Gewerbetreibenden, die infolge des starken Wettbewerbs im Teilzahlungsgeschäft miteinander häufig dazu gezwungen werden, ihren Kreditkunden unseriöse Bedingungen einzuräumen, weil ihre Konkurrenten dies auch machen. Die in dem Gesetzentwurf angegebenen Mindestgrenzen sollen auch nur als solche gedacht sein. Es wäre unerwünscht, wenn ein solcher Gesetzentwurf zur Folge haben würde, daß Teilzahlungsverkäufer, die bisher höhere Anzahlungsbeträge gefordert haben, nunmehr auf diese Mindestsätze zurückgehen. Im Gegenteil wird es von uns begrüßt, wenn diejenigen Teilzahlungsverkäufer, die sich ihrer gesamtwirtschaftlichen Verpflich- (Schmitt [Vockenhausen]) tung bei der Einräumung von Teilzahlungskrediten bewußt sind, auch weiterhin ihr Marktverhalten beibehalten. Da der Kreditnehmer oder Käufer nur in den seltensten Fällen seine finanziellen Verhältnisse über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorher beurteilen kann, ist eine Begrenzung der Laufzeit der Kredite unerläßlich. Eine solche Begrenzung ist nicht nur zum Schutz des Kreditnehmers sondern darüber hinaus auch zum Schutz der Teilzahlungsgeschäfte tätigenden mittelständischen Gewerbetreibenden dringend erforderlich, weil diese aus Konkurrenzrücksichten bisher zu Auswüchsen gezwungen wurden. Entsprechende gesetzliche Regelungen sind auch in anderen Ländern eingeführt. Im Gegensatz zu den dortigen Bestimmungen beruht der Entwurf nicht auf einer Bewertung der vom Kreditnehmer gekauften Waren, weil dieses eine weitestgehende Katalogisierung der Waren erforderlich machen würde. Ein solcher Katalog müßte laufend geändert werden, weil insbesondere auf dem technischen Gebiet immer wieder Neuerungen :auf dem Markt erscheinen. Hinzukommt, daß eine Globalregelung, beispielsweise für bestimmte Warengruppen, nicht zweckmäßig erscheint, weil die Wertspanne einer solchen Warengruppe zu unterschiedlich ist. Bei der Bekleidung würde der Wert zwischen niedrigsten Beträgen und Summen von mehreren Tausend DM, etwa bei hochwertigen Pelzmänteln, liegen. Die Einführung einer DM-Grenze erscheint daher vorteilhafter. Wir halten es auch volkswirtschaftlich für verantwortungslos, wenn Teilzahlungsgeschäfte sich in den Ratenzahlungen über zwei Jahre hinaus erstrecken. Im Gegenteil sollte es das Bestreben der Teilzahlung gewährenden Wirtschaft sein, die Ratenzahlungen möglichst noch stärker auf höchstens ein Jahr zu begrenzen. Auch hier sind die Auswüchse auf einige wenige Branchen beschränkt. Diese sind aber in ihrer Bedeutung innerhalb der Gesamtwirtschaft so groß, daß eine Behandlung. dieser Auswüchse zum Schutz des Verbrauchers in den Gesetzentwurf mit einbezogen werden mußte. Insbesondere sollte es weiterhin bei den Teilzahlung gewährenden Gewerbetreibenden Gepflogenheit bleiben, daß kurzlebige Wirtschaftsgüter. wie insbesondere Schuhe, Textilien und Bekleidung in der Regel weiterhin nur in • fünf bis sechs Monatsraten abgezahlt werden. Außerdem wäre es erwünscht, daß Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie insbesondere Lebens- und Genußmittel, überhaupt nicht in das Teilzahlungsgeschäft mit einbezogen werden. In der Regel wird in diesen Gegenständen des täglichen Bedarfs ein Teilzahlungsgeschäft auch nicht in Frage kommen, sondern viel mehr das Anschreiben. Obwohl dieses nicht erwünscht ist, dürfte jedoch die Höhe der Anschreibungsbeträge im Verhältnis zum Umsatz des Lebensmitteleinzelhandels nicht mehr so bedeutend sein wie in der Vorkriegszeit, so daß wir von einer Einbeziehung des Anschreibens, soweit es nicht mit einer Zinszahlung verbunden ist, abgesehen haben. Dasselbe gilt hinsichtlich des Ansparens, das im Einzelhandel vielfach üblich Ist, aber in der Regel keinesfalls als unerwünscht angesehen werden kann. Beim Ansparen handelt es sich darum, daß der Käufer eine Ware kauft, aber lediglich einen bestimmten Betrag anzahlt, während die Ware so lange im Besitz des Verkäufers bleibt, bis der gesamte Betrag gezahlt ist. Derartige Anspargeschäfte vollziehen sich in der Regel innerhalb eines oder zweier Monate. Allerdings gibt es hier auch Auswüchse, indem das Anspar-System von Kaufleuten angewandt wurde, die die kreditierte Ware nicht auf Lager hatten. Sie haben dann die Ware erst aus den Ansparbeträgen erworben. Ein solches Verfahren ist aber nach der neuesten Rechtsprechung unzulässig und bedürfte gegebenenfalls der Genehmigung der Bankenaufsicht. Immerhin ist es vielleicht zweckmäßig, diese Frage im Ausschuß nochmals zu erörtern. Das Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte von 1894 schloß die Kaufleute im Sinn des Handelsgesetzbuchs von den Vorschriften aus. Da heute in nicht unerheblichem Umfang mittelständische Gewerbetreibende Teilzahlungskunden sind, halten wir es zum Schutz dieser Kaufleute für notwendig, diese insoweit in die Ergänzungen dieses Gesetzes einzubeziehen, um auch ihnen im Teilzahlungsgeschäft Schutz zu gewähren. Eine Ausnahme bilden lediglich Teilzahlungsgeschäfte über einen Betrag von 100 000 DM hinaus. Wer eine Ware mit einem Wert von 100 000 DM oder mehr kaufen kann, und wem sie geliefert wird, muß normalerweise über die geschäftlichen Erfahrungen. verfügen. Die Frage der Höchstzinssätze sollte im Ausschuß im Zusammenhang mit der von mir schon erwähnten Anregung des Sonderausschusses Bankenaufsicht noch einmal besprochen werden, obwohl sich bei dem Teilzahlungsgeschäft des Einzelhandels, das ja in dem Gesetz geregelt ist, gezeigt hat, daß die Teilzahlung gewährende Wirtschaft eine gewisse Selbstbeschränkung übt, die sich aus dem Wettbewerb ergibt. Die Meinung verschiedener Wirtschaftspolitiker, daß das Teilzahlungsgeschäft in der bisherigen Form unbegrenzt weiter betrieben, ja sogar durch noch niedrigere Anzahlungen und längere Laufzeiten gefördert werden sollte, muß jedem unverständlich sein, der sich über die wirtschaftliche Tragweite einer zügellosen Konsumausweitung auf Pump im klaren ist. Wir sind uns darüber im klaren, daß wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur den Auswüchsen steuern können. Wir wollen auch nicht etwa das Teilzahlungsgeschäft an sich einschränken. Dagegen sprechen die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik, denn Beamte, Arbeiter und Angestellte sowie weite Kreise des Mittelstandes, die sich heute eine Wohnung einrichten wollen und, wenn sie überhaupt eine Wohnung haben, nicht in leeren Wänden hausen und auf Margarinekisten sitzen wollen, sind gezwungen, mit Hilfe von Abzahlungsgeschäften wieder zu Eigentum zu kommen. Der Entwurf, den wir im Interesse des Kredits des kleinen Mannes und des mittelständischen Gewerbetreibenden eingebracht haben, soll aber diese Kreise veranlassen, vor allem zu prüfen, welche Gegenstände so dringend gebraucht werden, daß ein Kreditkauf nicht zu, umgehen ist, und dem Käufer bis zum letzten zeigen, welche Belastungen er auf sich nimmt, und schließlich soll es ihn vor Übervorteilungen schützen. Ich beantrage im Namen meiner Fraktion die Überweisung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Geld und Kredit und den Rechtsausschuß. Schmitt (Vockenhausen) Bonn, den 11. Februar 1954 Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 14. Sitzung Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung dem zuständigen Ausschuß überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Ritzel und Genossen an den Haushaltsausschuß; betreffend Bundeszuschuß zum Deutschen Leder- museum in Offenbach (Main) (Drucksache 190) 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Ein- an den Haushaltsausschuß (federführend), an den fuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; 3. Antrag der Abgeordneten Arndgen, Dr. Leiske an den Haushaltsausschuß (federführend), an den und Genossen betreffend Entlastung der Ver- Ausschuß für Verkehrswesen; kehrsverhältnisse in den engen Ortsdurchfahrten im Rheingaukreis (Bundesstraße 42) (Drucksache 206) 4. Antrag der Fraktion der FDP betreffend ab- an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. gabenfreie Einfuhr von Tabakwaren im Reise- verkehr (Drucksache 217) Bonn, den 2. Februar 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
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    Rede von Willy Max Rademacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei, für die ich hier spreche, begrüßt es, daß es in diesem Hohen Hause endlich zu einer großen Verkehrsdebatte kommt. Mit diesem „endlich" habe ich schon ein Wort der Kritik ausgesprochen, der Kritik, die sich in erster Linie darauf bezieht, daß es uns in der ersten Legislaturperiode nicht möglich war, eine grundsätzliche Verkehrsdebatte zu führen, obgleich genug Anträge, Gesetze usw. vorgelegen haben. Ich kann sogar erinnern, daß es sehr schwierig war, Fragen des Verkehrs an den Anfang einer Tagesordnung zu setzen; meistens wurden diese Dinge vor einem fast leeren und ermüdeten Hause absolviert.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob ich in der weiteren Kritik, die am Eingang meiner Ausführungen steht, immer den Grundsatz meines Freundes Reinhold Maier befolgen kann, „to be His Majesty's most loyal opposition". Ich werde mich bemühen; aber ich glaube, die Fragen sind so ernst, daß man auch vor einer Kritik nicht zurückscheuen darf, auch nicht als Angehöriger dieser Koalition und gegenüber der eigenen Koalitionsregierung.
    Wenn wir aber kritisieren, meine Damen und Herren, dann müssen wir zurückgehen auf den Parlamentarischen Rat und auf die Schaffung des Grundgesetzes. Ich freue mich, daß die Bundesratsbank in diesem Augenblick sehr gut besetzt ist. Damals, bei der Schaffung der Verkehrsartikel im Grundgesetz, sind von Verbänden und von Fachleuten unzählige Eingaben gemacht worden, den Straßenverkehr, das Kraftfahrwesen, den Bau und die Unterhaltung der Straßen des Fernverkehrs der Bundesgesetzgebung zu unterwerfen und nicht, wie es dann in Art. 74 Ziffer 22 geschehen ist, der konkurrierenden Gesetzgebung. Die Folgen und die Nachteile dieser Unterlassung bzw. dieses Fehlers haben sich besonders bei der Schaffung des .Sicherheitsgesetzes und des Güterkraftverkehrsgesetzes gezeigt, des Güterkraftverkehrsgesetzes, das vornehmlich dazu dient, die Ordnung auf der Straße herzustellen, dessen Vorbereitung aber, wie Sie alle wissen, Jahre gedauert hat, so daß es erst vor wenigen Monaten praktisch in Funktion treten konnte.
    Ich habe noch eine Kritik an dem unzulänglichen Verkehrsetat anzubringen. Verzeihen Sie, daß ich an diesen Grundlagen zuerst kritisiere, aber sie sind überhaupt erst die Voraussetzungen einer Verkehrspolitik, und ich spreche dazu, weil diese notwendigen Voraussetzungen eben nicht geschaffen worden sind. Ich habe wiederholt von dieser Stelle aus auf die Unzulänglichkeit des Verkehrsetats hingewiesen. Daß er im Wirtschaftsplan 1954 nun die Milliarde überschritten hat, ist nichts weiter als eine künstliche Ausweitung; denn er ist nicht größer als der Wirtschaftsplan 1952/53, nämlich etwa 750 Millionen DM, es sind nur die 250 Millionen DM der gestundeten Beförderungsteuer hinzugekommen. Herr Dr. Seebohm, Sie werden sich erinnern, daß ich auf einer Tagung der Arbeitsgemeinschaft Nahverkehr in Hamburg die Worte gesprochen habe: „Herr Minister, ich bewundere Sie, daß Sie mit einem solchen Etat überhaupt Verkehrspolitik machen wollen." Wenn Sie sich nämlich, meine Damen und Herren, den Einzelplan 12 einmal etwas genauer ansehen, insbesondere die vielen Aufgaben, die


    (Rademacher)

    im Rahmen dieses Verkehrsetats erfüllt werden müssen, werden Sie die Unzulänglichkeit des Etats nicht bestreiten. Sie ist auch nicht damit zu entschuldigen, daß sich der Bund — das wissen wir alle — wegen seiner vielen sonstigen Verpflichtungen in einer außerordentlich schwierigen finanziellen Lage befindet. Ich weiß nicht — ich hoffe es, aber es scheint doch nicht so auszusehen —, ob sich der Herr Bundesverkehrsminister, der ja nun die Probleme und die schweren Aufgaben seit vier Jahren kennt, bei der Wiederübernahme seines schweren Amtes Sicherungen seitens des Bundesfinanzministers oder der Regierung hat geben lassen, um eine wirklich zügige Verkehrspolitik zu betreiben.
    Der Herr Bundesverkehrsminister hat mit Recht gesagt, es sei ein völlig verkehrter Ausgangspunkt, von einer Verkehrskrise an sich zu sprechen. Eine Verkehrskrise, meine Damen und Herren, würde bedeuten, daß der deutsche Verkehrsapparat — Schiene, Straße, Binnenschiffahrt, Seeschifffahrt — nicht in der Lage wäre, die Ansprüche der deutschen Wirtschaft zu befriedigen. So ist es ja nicht, die Situation ist vielmehr genau umgekehrt. Wir haben eine Überkapazität an Laderaum, und daraus ist zum Teil die Krise der Verkehrsträger entstanden, der Verkehrsträger, nicht des Verkehrs. Wir haben vornehmlich eine Krise des Verkehrsträgers Bundesbahn und eine Krise im Straßenverkehr schlechthin.
    Fraglich ist nur, ob man mit einem Gesetz, das in aller Munde ist, das aber die Legislative offiziell überhaupt nicht kennt, das nachholen kann, was in vier Jahren offensichtlich versäumt worden ist. Wir sollen ja heute nicht die erste Lesung dieses I) uns offiziell unbekannten Gesetzes halten, aber man muß doch ein Wort darüber verlieren. Mein Freund Dehler hat in der Haushaltsdebatte schon gesagt — und der Herr Bundesverkehrsminister hat es hier eben in seiner Beantwortung der beiden Großen Anfragen bestätigt —, daß diejenigen, die von der neuen Verkehrsgesetzgebung betroffen werden — Wirtschaftsverbände und einzelne Wirtschaftsführer — von den zuständigen Ministerien durchaus Auskunft über den Inhalt des Gesetzentwurfs erhalten haben, während die Legislative über die Presse und über diese Verbände von den Dingen Kenntnis nehmen muß. Ich halte das für einen unmöglichen Zustand. Sicherlich hat die Regierung das Recht, ein Gesetz in der Kamera zu behalten, um die Dinge nicht zu stören. Wenn darüber aber eine solche Zeit vergeht, dann geschieht eben das, was geschehen ist. Die Korruption setzt ein, und man kann dann, wie ein Vorredner sehr richtig gesagt hat, für 110 oder für 55 Mark diese Gesetzesvorlage an der Milchbar kaufen.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Es geht auch billiger! — Heiterkeit.)

    — Ich habe sie nicht gekauft, Herr Kollege, seien Sie ganz beruhigt!
    Meine Damen und Herren, in eine Verkehrsdebatte einzusteigen, bedeutet, sich um zwei Schwerpunkte herum zu bewegen. Der eine ist der Zustand der Deutschen Bundesbahn, der andere ist das Problem nicht des Straßenverkehrs, sondern — um gleich richtig zu sagen, wie ich die Dinge sehe — des Straßenbaus. Es geht also weniger um den Straßenverkehr an sich als vielmehr um die Notwendigkeit, Autobahnen, Bundesstraßen, Länderstraßen usw. so auszubauen, daß sie dem modernen Verkehr angepaßt sind.
    Aber befassen wir uns zunächst einmal mit der Situation der Deutschen Bundesbahn, dieses größten deutschen Vermögens, dessen Wert heute auf eine Größenordnung von 12 bis 15 Milliarden DM beziffert wird. Auch die Freie Demokratische Partei betont von vornherein, daß sie am gemeinwirtschaftlichen Prinzip der Deutschen Bundesbahn festhalten will. Aber eines darf ich mit aller Deutlichkeit hinzufügen, und ich werde das auch begründen: dieses gemeinwirtschaftliche Prinzip darf nicht zur Subventionierung der Wirtschaft führen. Dort ist die Grenze, und hier bleibt zu überlegen, wie die Tarife nun der wirklichen Selbstkostensituation sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße angepaßt werden können.
    In diesem Zusammenhang muß man sich auch ein wenig mit der inneren Organisation der Deutschen Bundesbahn selbst befassen. Ich habe ja die Auszeichnung, im Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn zu sitzen. Ich erinnere mich sehr deutlich der Behandlung des Bundesbahngesetzes in unserem Ausschuß für Verkehrswesen. Bekanntlich lagen damals zwei Anträge vor, ein Antrag der Bundesregierung und ein Initiativantrag des Bundesrats. Der Bundesrat hat in Übereinstimmung mit meiner eigenen Auffassung seinerzeit erklärt — und er hat damit recht behalten, denn heute ist das klar und deutlich zu sehen —, es sei verkehrt, einen Kollegialvorstand zu schaffen. Notwendig wären gewesen ein mit entsprechenden Befugnissen ausgestatteter Generaldirektor und ein ausgeweiteter Vorstand, dem die leitenden und verantwortlichen Leute aus der Hauptverwaltung, mit anderen Worten, die Leute, die das Geschäft innerhalb der Deutschen Bundesbahn von morgens bis abends wirklich betreiben, zur Seite gestanden hätten.
    Es ist also die erste Forderung der Freien Demokratischen Partei — ohne daß wir heute hier schon zu formulierten Anträgen kommen —, daß die Bundesregierung eine Novelle vorlegt, die sich einmal mit der Frage der Zusammensetzung des Vorstandes, zum andern aber und vor allen Dingen auch mit einer Änderung des § 4 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes befaßt, um dessen Formulierung wir ja auch in vielen Stunden und Sitzungen mit dem Herrn Bundesverkehrsminister gerungen haben, Verzeihung, mit dem Herrn Bundesfinanzminister; der Herr Bundesverkehrsminister war durchaus unserer Auffassung. Ein gewisser Nachholbedarf, für den die Bundesbahn nicht verantwortlich ist, da er eine Kriegsfolge darstellt, müßte jährlich aus Mitteln des Bundesetats gedeckt werden. Statt dessen heißt es, daß die Bundesregierung entsprechende Zuschüsse leisten soll, soweit es die Haushaltslage gestatte. Sie werden mir zugeben, meine Damen und Herren, daß man mit einem solchen Paragraphen natürlich so gut wie nichts anfangen kann.
    Ich möchte aber auf das gemeinwirtschaftliche Prinzip zurückkommen und auf die Gestaltung der Tarife nach Selbstkosten entsprechend der tatsächlichen Situation auf dem Preismarkt.
    Wenn man sich mit dem Problem Bundesbahn und mit ihrer Situation befaßt, muß man stets ein paar Zahlen im Gedächtnis haben, beispielsweise die, daß im Personenverkehr nur 28 % der Menschen nach dem Regeltarif und 72% unter Tarif gefahren werden. Das muß man wissen, um die


    (Rademacher)

    Situation zu verstehen. Dabei will ich nicht grundsätzlich etwas gegen die Sozialtarife sagen. Ich muß aber fordern, daß eine genaue Untersuchung darüber angestellt wird, ob nicht in den Tarifen, die unter dem Regeltarif liegen — bis zu den niedrigsten Sozialtarifen hinunter —, ohne daß man das ganze Preis- und Lohngebäude erschüttert, eine vernünftige Erhöhung berechtigt ist und auch durchgeführt werden kann.
    Im Güterverkehr ist die Lage ähnlich. Wenn Sie den Kohletarif 6 B 1 als einen Regeltarif ansehen, ergibt sich immerhin noch die Situation, daß 56% der Güter auf der Schiene -- damit analog übrigens auch auf der Straße, denn wir haben ja das Paritätsverhältnis — unter dem Regeltarif und nur 44 0/o zu Regeltarifen gefahren werden. Aber, wie gesagt, die Stellung des Kohletarifs ist dabei strittig.
    Ich glaube, die Deutsche Bundesbahn und die verantwortlichen Stellen haben in der Vergangenheit in ihrer Tarifgestaltung und ihrer Tarifbehandlung einen Kardinalfehler begangen. Ich habe das vor Fachleuten einmal so ausgedrückt: Warum dieses vertikale und horizontale Spiel der Ziehharmonika, bevor man nicht über die echten Selbstkosten bei den Verkehrsträgern überhaupt Grundlagen besitzt? Alle diese Dinge haben wenig genutzt. Man hat die Tarife mal erhöht, mal oben abgeflacht, mal unten angehoben, und wie diese schönen Dinge alle heißen. Als man bei der dritt- oder viertvorletzten Tarifreform daranging, die oberen Sätze abzukappen und die unteren anzuheben, habe ich mir erlaubt, den Herren zu sagen: Nun werden Sie das erleben, was Sie eigentlich vermeiden wollen, denn jetzt wird nämlich der Massentransport auf der Straße durch die Anhebung der unteren Tarife für den Straßenverkehr plötzlich außerordentlich interessant. So ist es gekommen. Nun versucht man, diese Fehler einer Tarifpolitik auf andere Weise wieder zu beseitigen. Genau so ist es mit der letzten Abtarifierung gewesen, die der Bundesbahn pro anno 50 bis 60 Millionen DM gekostet hat bzw. kosten wird und die dazu führen soll, daß die Güter in den Tarifen A bis C oder A bis D wieder in stärkerem Maße auf die Schiene kommen.
    Hier können Sie eine interessante Feststellung machen. Es ist nun einmal so, daß die Bundesbahn wegen ihrer Beförderungspflicht und wegen ihrer gemeinwirtschaftlichen Aufgaben in diesen Dingen nicht so beweglich wie der Straßenverkehr sein kann. Als Folge davon wird die Bundesbahn den effektiven Verlust dieser 50 bis 60 Millionen DM haben. Hier wurde vorhin gesagt, es sei nicht festzustellen, ob die Sache positiv oder negativ ausgegangen sei. Ich möchte sagen, sie ist null ausgegangen, d. h. es ist nicht mehr verloren worden, es ist aber auch nicht mehr an Gütern hinzugekommen. Tatsache ist, daß es die Bundesbahn diese 50 bis 60 Millionen DM gekostet hat. Auf der anderen Seite hat der zu paritätischen Tarifen fahrende Straßenverkehr wegen seiner privaten Leistungsfähigkeit, wegen seiner nicht vorhandenen Belastung gemeinwirtschaftlicher Art und der Beförderungspflicht — wie es dem Privatverkehr und dem Privatbetrieb überhaupt eigen ist — diese 50 bis 60 Millionen DM verdauen können. Der lachende Dritte bei dieser ganzen Geschichte ist die deutsche Wirtschaft gewesen. Sie erinnern sich meiner Ausführungen, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip nicht zur Subventionierung der Wirtschaft führen dürfe. Der Wirtschaft hat man 100 bis 120 Millionen DM geschenkt, und die Wirtschaft, die im allgemeinen immer sehr empfangsbereit ist — das ist ja bekannt —, hat das Geschenk in diesem Falle nicht einmal haben wollen. Sie hat ihre Bedenken erhoben und hat sich gegen diese Abtarifierung gewehrt.
    Ich wollte im ganzen nur einmal sagen — und damit zu dem Schluß des Themas Tarife kommen —, daß eine vernünftige Anpassung der Tarife der Bundesbahn durchaus notwendig ist. Sie ist ein Teil der Maßnahmen, um auch die Deutsche Bundesbahn wieder leistungsfähig zu gestalten. Natürlich spielt bei diesen Dingen auch die Rationalisierungsfrage eine entscheidende Rolle. Die Rationalisierung ist ja der Deutschen Bundesbahn von dem Herrn Bundesfinanzminister auferlegt worden. Werkstättenabbau, Personalabbau, Verwaltungsreform und alle diese Dinge sind bekannt und werden nun wohl auch — ich kann Ihnen das als Mitglied des Verwaltungsrates durchaus bestätigen — zügig in Angriff genommen.
    Aber eine wirkliche Rationalisierung ist ein großes Mosaik. Ich denke dabei jetzt an eine Rationalisierung des Betriebs überhaupt. Es gehört — verzeihen Sie, wenn ich das sage — eine recht erhebliche Kenntnis der inneren Zusammenhänge des Verkehrs dazu, um zu verstehen, wie auf dem Gebiet der Rationalisierung, beispielsweise, um nur ein Gebiet zu nennen, der stärkeren Konzentration der Ladung — man nennt das bei der Bundesbahn den Sammelladungsverkehr —, noch einiges zu erreichen ist. Freilich würde eine zügige Rationalisierung — dies muß auch einmal mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden — möglicherweise einen noch größeren Personalüberhang bei den Instituten der Deutschen Bundesbahn sichtbar machen. Wir sind aber hier, um diese Dinge so zu sehen, wie sie gesehen werden müssen, wenn man die Deutsche Bundesbahn erhalten will.
    Ich sprach von dem Mosaik. Ich habe manchmal das Gefühl, daß es anscheinend auf die vielen klein en Dinge nicht so ankommt, auch im Hause der Deutschen Bundesbahn nicht. Wir müssen uns aber doch wohl zu dem Grundsatz bekennen, daß viele kleine Dinge ein Großes machen können. Wenn ich Zahlen wie 300 000, 2 Millionen, 17 Millionen, 60 Millionen nenne, so sind das nicht willkürlich gegriffene Zahlen. Ich möchte diese Zahlen heute nicht vertiefen, ich möchte nur zeigen, daß diese vielen einzelnen Dinge zusammen mit einer zügigen Rationalisierung innerhalb der Deutschen Bundesbahn auch eine Einsparung von einigen hundert Millionen D-Mark bringen könnten. Vielleicht besteht auch die Notwendigkeit einer Auflage durch den Bundesfinanzminister oder durch die Bundesregierung an die Bundesbahn. Die Frage ist nur: Müssen wir nicht, um zu wirklich objektiven und neutralen Erkenntnissen und zu einer wirklichen Rationalisierung bei der Deutschen Bundesbahn zu kommen, unter Umständen eine neutrale Instanz einsetzen, die ohne Ansehen der Person diese Dinge einmal von Grund auf prüft?
    Zu dem vorliegenden Antrag, der schon in der Anfrage der SPD zum Ausdruck kommt, nachher aber durch den Antrag der Deutschen Partei sehr deutlich gemacht wird, betreffend die Übernahme der betriebsfremden Lasten durch den Bundeshaushalt darf ich Ihnen im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir diesem Antrag voll und ganz zustimmen. Wir sind der Meinung, daß, was immer auch auf dem Gebiete einer neuen Verkehrsgesetzgebung geschehen möge, alle diese Dinge nicht aus-


    (Rademacher)

    reichen, wenn man sich nicht grundsätzlich dazu aufrafft, die Bundesbahn von den betriebsfremden Lasten —etwa zwischen 300 unid 400 Millionen DM; die Meinungen gehen auch da etwas auseinander — zu entlasten. Daß das im letzten Haushalt nicht mehr möglich gewesen ist, bedaure ich sehr. Sie werden sich meiner Worte erinnern: der nach meiner Ansicht notwendigen Absicherung, die der Herr Bundesverkehrsminister bei der Wiederübernahme seines Amtes sich hätte geben lassen sollen. Jetzt bleibt nichts anderes übrig, als der Deutschen Bundesbahn durch einen klaren Beschluß dieses Hohen Hauses in Form eines Nachtragshaushalts diese betriebsfremden Lasten abzunehmen. Dabei bin ich von einem Parteifreund auf ein interessantes Moment hingewiesen worden, das ich diesem Hause nicht vorenthalten möchte.
    Die Frage ist natürlich, wenn man solche Forderungen stellt, wo das Geld herkommen soll, und damit hängt ja auch die Frage der großen Steuerreform und manche andere Frage zusammen. Nun, wir wissen ja, daß der Herr Bundesfinanzminister noch ein ganz schönes Fettpolster von 2 Milliarden hat, das ihm allerdings täglich von den Alliierten abgerufen werden kann. Wie wäre es, wenn man einmal in diesem Zusammenhang mit den Alliierten verhandelte und auch auf die strategische Bedeutung der Deutschen Bundesbahn hinwiese, um so vielleicht einen Teil dieses Betrags von 2 Milliarden oder den ganzen Betrag für den Nachtragshaushalt sicherzustellen?

    (Beifall bei der FDP.)

    Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit der Bundesbahn noch einige Zahlen. Der Bundesverkehrsminister hat richtig gesagt, daß die Dinge bis 1951 ungefähr ausgeglichen waren. Ich
    B) habe manchmal das Gefühl, daß man im Hause der Bundesbahn etwas überrascht war, als in den darauf folgenden Jahren Lasten gekommen sind, die man nicht erwartet hatte. Aber eine Verwaltung der Deutschen Bundesbahn, die nach kaufmännischen Grundsätzen geleitet wird, mußte ja wissen, daß die Folgen des 131er-Gesetzes an sie herankommen. Eine solche Leitung mußte wissen, daß die Beamtengehälter sowie die Löhne der Arbeiter einer Aufbesserung bedurften und daß diese Lasten eines Tages auch an die Bundesbahn herankommen würden. Man kann also nicht sagen, die Not der Bundesbahn sei eigentlich erst vom Jahre 1952 an sichtbar geworden, als wir im Wirtschaftsplan erstmals ein Minus von 154 Millionen hatten, das sich im Jahre 1953 auf voraussichtlich 605 Millionen gesteigert hat und im Wirtschaftsplan 1954 mit 794 Millionen ausgewiesen ist. Allerdings handelt es sich um Zahlen auf der Grundlage einer kameralistischen Buchführung. Auch darüber muß man sich in diesem Augenblick einmal unterhalten. Denn wenn man weiß, daß die Deutsche Bundesbahn für 900 bis 1000 Millionen an Aufträgen an die Wirtschaft vergibt, dann treten die Verlustzahlen im Rahmen einer kameralistischen Buchführung sehr deutlich in Erscheinung, während umgekehrt nach einer kaufmännischen Buchführung ein großer Teil bei entsprechender Abschreibung dazu dienen würde, das Vermögen der Deutschen Bundesbahn sichtbar zu erhöhen und so vielleicht auch bessere Voraussetzungen für eine Anleihe der Deutschen Bundesbahn zu schaffen, bei der allerdings noch Voraussetzung wäre, daß wir das Problem der alten Reichsbahnanleihen bereinigen.
    Fast alle. europäischen Eisenbahnen arbeiten defizitär. Fast alle Eisenbahnen erhalten die direkte Unterstützung des Staates. Selbst bei unserm Nachbarn im Westen, in Frankreich, ist es so, daß trotz eines starken Schutzes gegenüber dem Straßenverkehr bei der französischen Staatsbahn immer noch ein jährliches Defizit in Höhe einer Milliarde vorhanden ist. Ich glaube, wir sind auf dem Wege, ein grundsätzliches Defizit der Deutschen Bundesbahn auszuräumen, wenn wir zunächst einmal eine gesunde Grundlage für diesen größten Verkehrsapparat schaffen. Denn alle und nicht nur die Verkehrsfachleute, sondern jeder, der mit der deutschen Wirtschaft verknüpft ist, wird dem Grundsatz zustimmen, daß die Bundesbahn auf die Dauer nicht Kostgänger des Staates und damit des Steuerzahlers sein darf. Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, damit die Deutsche Bundesbahn nach einer gewissen Anlaufzeit in der Lage ist, aus eigenem zum mindesten ihren Kostenausgleich, d. h. eine ausgeglichene Betriebsrechnung zu haben.

    (Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, ich sagte schon, daß sich eine Debatte über Verkehrspolitik nur zwischen zwei Polen bewegen kann: Zwischen dem Zustand der Deutschen Bundesbahn und der Untersuchung, wie wir sie wieder in Ordnung bringen, und auf der anderen Seite natürlich den Zuständen im Straßenverkehr. Es muß an dieser Stelle wohl auch einmal gesagt werden, welche Bedeutung die Kraftverkehrswirtschaft innerhalb der deutschen Wirtschaft insgesamt hat. Sie wissen, daß die Bundesbahn 500 000 Menschen beschäftigt. Sie vergibt rund 1 Milliarde DM Aufträge. Fachleute behaupten, daß in der Kraftfahrzeugwirtschaft 11/2 Millionen Menschen beschäftigt sind und daß das Auftragsvolumen dieser Industrie sich um rund 6 Milliarden herum bewegt. An dieser Tatsache kann sowohl die Legislative ,als auch die Exekutive sicherlich nicht vorbeigehen. Aber im Vordergrund steht doch und das ist heute morgen hier auch schon in großer Besorgnis immer wieder angeklungen — die Sicherheit auf den Straßen. Die 29 Toten, die wir täglich haben, sind wahrhaftig eine Kulturschande für das deutsche Volk,

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und es muß alles, aber auch alles geschehen, um diese Zahl auf ein erträgliches Maß herunterzubringen; denn es ist unhaltbar, zu wissen, daß jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht, mehr oder weniger 29 Menschen — und mancher von uns kann dabei sein — sazusagen schon zum Tode verurteilt sind.
    Hier darf ich noch einmal auf das Grundgesetz Artikel 74 Ziffer 22 zurückkommen und darauf hinweisen, daß wir schon viel weiter hätten sein können, wenn nicht die Dinge sehr häufig an den notwendigen gemeinsamen Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gescheitert wären. Das muß gesagt werden, und wenn ich jetzt die Resolution betrachte, die auf der letzten gemeinsamen Konferenz des Herrn Bundesverkehrsministers mit den Länderministern zustande gekommen ist, dann muß ich sagen: Welch eine Erkenntnis nach vier Jahren! In dieser Resolution heißt es z. B.: „Die von Bundes- und Länderministern in ihren Zuständigkeitsbereichen zu treffenden Maßnahmen bedürfen sorgfältiger Abstimmung und setzen eine ständige enge Fühlungnahme voraus". Ich will nur hoffen, daß das die Wiederholung einer These ist, die doch eigentlich schon hätte im Jahre 1949 Grundsatz sein sollen, als wir anfingen zu arbeiten.


    (Rademacher)

    Es wird dann weiter gesagt: „Ferner sind unverzüglich die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen zu treffen, um alle Führerscheinbewerber und Führerscheininhaber ärztlich zu untersuchen." Ja, meine Damen und Herren, diese Forderung steht in § 6 des Sicherheitsgesetzes drin. Es tut mir sehr leid — und wir haben diese Dinge im Ausschuß sehr gründlich behandelt —, daß diese Rechtsverordnung, die für die Verkehrssicherheit von entscheidender Bedeutung ist, bis heute noch nicht mit Zustimmung des Bundesrats heraus ist.
    Die Frage der Geschwindigkeitsbegrenzung soll noch einmal untersucht werden. Ich halte die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf den Landstraßen für absolut richtig. Was ich aber nicht verstanden habe, ist, daß am Tage X in den geschlossenen Ortschaften ohne weiteres sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen aufgehoben wurden. Ich habe damals noch selbst an den hamburgischen Polizeisenator geschrieben und erklärt: Belassen Sie die Geschwindigkeitsbegrenzung generell. Für Ausfallstraßen usw. mag man eine Aufhebung oder eine Auflockerung vornehmen. Die Statistik 'beweist heute, daß die größte Zahl der Unfälle sich in geschlossenen Ortschaften ereignet. Wir müssen uns sehr eingehend überlegen, ob nicht die Geschwindigkeitsbegrenzung so schnell wie möglich durch eine Novelle zum Sicherheitsgesetz wieder einzuführen ist. Auf den Landstraßen dagegen halte ich die Begrenzung für einen baren Unfug. Wen wir Automobile mit 120 und 140 Stundenkilometer bauen und wenn wir die Voraussetzungen des Straßenbaus dazu schaffen, dann soll man keine Gesetze schaffen, die praktisch. einfach doch nicht eingehalten werden und nicht eingehalten werden können. Wir -dürfen uns bei der ganzen Frage der Verkehrssicherheit ,auch nicht in die Gefahr begeben und den großen Fehler begehen, daß hinter jedem Verkehrsnutzer ein Polizist steht. Auch das ist hier heute morgen schon angeklungen. Es muß andere Mittel und Möglichkeiten geben, uni der Verkehrsnot auf den Straßen Herr zu werden.
    Ich darf wiederholen: Im Vordergrund der Frage der Sicherheit auf der Straße steht der Straßenbau. Ich darf von dieser Stelle aus an die Länder die Frage richten: Haben die Länder die Kraftfahrzeugsteuer, die als Bundessteuer erhoben wird, restlos im Straßenbau verwandt? Es wäre sehr gut, einmal hierüber in allen deutschen Ländern eine sehr eingehende Untersuchung anzustellen.
    Die zweite Frage muß ich allerdings an den Bund richten. Nehmen wir die Zölle, die Mineralölsteuer, die Beförderungsteuer usw. Hierdurch werden — und diese Zahlen sind von dem Ver- band Deutscher Automobilfabriken im Jahrbuch 1953 einwandfrei errechnet - 1,2 Milliarden DM aufgebracht. Wir wissen sehr genau, daß nur ein Bruchteil dieser Summe für Bundesstraßen und für Autobahnen aufgewandt wird.
    Diejenigen Kollegen, die im alten Bundestag waren, erinnern sich, wie ich. manchmal eine Lanze für den Straßenverkehr gebrochen habe. Sie erinnern sich insbesondere der Debatte mit meinem verstorbenen Freund von Rechenberg, der von den „Biestern der Landstraße" sprach, - von den Biestern, von denen ich übrigens nicht ein einziges besitze. Ich darf das bei dieser Gelegenheit wegen der verkehrten Propaganda auch noch einmal wiederholen. Aber warum habe ich das getan? Wenn Sie einmal die einschlägigen Verbände, die jetzt
    anfangen, zu petitionieren, befragten, würde Ihnen das jeder bestätigen, und ich habe das zuletzt auch auf einer Kundgebung im Marmorsaal in Berlin gesagt: Ich werde sie nicht davor schützen, daß sie nicht noch einmal einen erheblichen Beitrag für einen zweckgebundenen Straßenbau leisten. Das wird auch -- der Kollege Rümmele hat das sehr richtig gesagt — seitens dieser Gruppen in jedem Fall anerkannt. Aber man hat sich - und meiner Ansicht nach mit Recht — in der Vergangenheit dagegen gewehrt, daß immer wieder von Erhöhungen und von erneuten Belastungen gesprochen worden ist, ohne daß die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister bereit waren, dieses Mehraufkommen zweckgebunden für den Straßenbau zu verwenden. Jetzt haben wir eine Linksum-Kehrtwendung gemacht. Ich sage ja, man darf immer nur aus der Schule plaudern von dem neuen Gesetz, von dem man offiziell nicht sprechen darf. Da steht drin oder soll drin stehen ich muß mich vorsichtig ausdrücken, sonst muß ich vielleicht meine Immunität aufheben lassen -, daß das Mehr von zwei und sechs Pfennigen zweckgebunden für den Straßenbau verwendet werden soll. Ich kann auch wieder nur sagen: Warum eigentlich nicht drei oder vier Jahre früher? Wir hätten dann nicht diesen schauderhaften Zustand im Straßenverkehr und auch nicht das schlechte Verhältnis von Straßenverkehr zur Deutschen Bundesbahn. Vor etwa zwei Jahren wurde, well die Regierung auf diesem Gebiet wenig initiativ gewesen ist, eine Arbeitsgemeinschaft, die „Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen", gegründet. Drei Kollegen dieses Hauses, der Kollege Leiske, der Kollege Schmidt und ich, sind maßgeblich an der Arbeit beteiligt. Die Herren können Ihnen in Ihren Fraktionen die näheren Zusammenhänge und die Zielsetzung der Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen auseinandersetzen. Wir haben einen Plan gefunden, der es ermöglicht, durch eine Anhöhung des Treibstoffpreises, allerdings auch durch eine Hergabe eines Teils der Mineralölsteuer, nunmehr die Grundlage für Verzinsung und Amortisation durch eine besondere . Finanzierungsgesellschaft zu schaffen, so daß es auch möglich ist — und Finanzleute bestätigen das —, eine entsprechende Anleihe für diese Dinge zu bekommen. Während im Anfang, - das war, glaube ich, im August — der Herr Bundesverkehrsminister einen vollkommen anderen Weg ging und die Dinge durch Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer, durch Zweckbindung usw. zu meistern versuchte, kann ich jetzt feststellen, daß die Pläne der Arbeitsgemeinschaft deutscher Autobahnen und die neuen Pläne der Bundesregierung doch ziemlich parallel laufen. So glaube ich, Herr Leiske und Herr Schmidt, daß wir außerordentlich wertvolle Arbeit geleistet haben, an der man nicht vorbeigegangen ist. Man wird auch auf diesem Gebiet zu einer Einigung kommen, um den Torso des deutschen Autobahnnetzes zu beseitigen.
    Allerdings, meine Damen und Herren, möchte ich vor einem warnen. Soweit ich unterrichtet bin, besteht auch die Absicht in dem neuen Gesetz, in Deutschland eine Autobahngebühr einzuführen. Offenbar ist der Herr Bundesfinanzminister von dem beeindruckt gewesen, was er kürzlich in den Vereinigten Staaten gesehen hat. Viele Kollegen dieses Hauses kennen wie ich die Verkehrsverhältnisse in den Vereinigten Staaten, und sie werden mir, glaube ich, zugeben, daß die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten anders liegen als bei uns.


    (Rademacher)

    Daher können diese Maßnahmen nicht einfach auf Deutschland angewendet werden, wie auch umgekehrt unsere Verhältnisse nicht auf die Vereinigten Staaten übertragen werden können. Ich würde es für einen unsinnigen Aufwand ansehen, mit der dazu gehörigen gesamten Bürokratie aus Autobahngebühren, wie es der Plan vorsieht, jährlich 20 Millionen DM herauszuholen. Lassen Sie uns dann lieber schon tabula rasa machen und einen Treibstoffpreis für Vergaserstoff und für Dieselkraftstoff finden, der das alles beinhaltet, und zwar auch, meine Herren vom Bundesrat, die Kraftfahrzeugsteuer, damit wir endlich einmal mit dieser Bürokratie fertigwerden. Vergessen Sie doch nicht, daß heute der kleine Mann monatlich oder alle zwei oder drei Monate hinläuft und seine Kfz-Steuer mit dem Aufschlag bezahlt. Dazu wäre allerdings erforderlich, daß sich der Herr Bundesfinanzminister zunächst einmal mit den Ländern über seinen Anteil an der Einkommensteuer überhaupt einigt. Dann müssen wir an die Frage herangehen, ob man nicht aus der erhöhten Mineralölsteuer einen Ausgleich für die Länder schafft, damit sie aus der Kfz-Steuer die Kosten für die Länderstraßen bestreiten können, allerdings auch wieder unter der Voraussetzung der absoluten Zweckbindung, damit das Geld wirklich dafür verwandt wird.
    Ich bin vor dieser Verkehrsdebatte gefragt worden, ob im Zuge der Erhöhung der Treibstoffpreise die Privilegierung der Landwirtschaft und Binnenschiffahrt erhalten bleibt. Ich kann darüber ja keine offizielle Auskunft geben. Soviel ich weiß, ist es der Fall. Vielleicht wird der Herr Bundesverkehrsminister, wenn er noch einmal das Wort nimmt, dazu sehr klar und deutlich Stellung nehmen. Wir wissen ja, wie notwendig es beispielsweise hier auf dem Rhein ist — auch das ist schon angeklungen —, die Binnenschiffahrt auch treibstoffmäßig gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu erhalten. Das gleiche gilt übrigens für die Hafenschiffahrt in Bremen, Hamburg und den anderen Häfen Norddeutschlands.
    Die ernste Frage des Straßenbaus hat in meiner Fraktion die Erwägung auftauchen lassen, ob es nicht notwendig sei — und hiermit wende ich mich an den Herrn Vizekanzler als Vorsitzenden des Wirtschaftskabinetts —, die Fragen der Straßenbaufinanzierung vorzuziehen und vordringlich in den Ausschüssen zu behandeln, damit wenigstens diese Dinge so schnell wie möglich zum Zuge kommen. Was nämlich sonst noch im Verkehrsgesetz geplant ist, ist eine sehr, sehr umstrittene Angelegenheit. Ich glaube, daß von den Betroffenen darüber ja auch bei Ihnen schon zum großen Teil Vorstellungen erhoben worden sind.
    Damit komme ich zu der sehr entscheidenden Frage, inwieweit der deutsche Werkverkehr eingeschränkt werden soll oder muß. Sie wissen, daß aus einer alten Gesetzgebung heraus bis zum Güterkraftverkehrsgesetz der gewerbliche Verkehr kontingentiert und konzessioniert ist. Als ich das Güterkraftverkehrsgesetz nach zweijährigen, schmerzlichen Vorarbeiten von dieser Stelle aus vertreten konnte, wies ich mit aller Deutlichkeit auf folgendes hin: Sollte es mit diesem Güterkraftverkehrsgesetz, das sich vornehmlich mit der Regelung des gewerblichen Verkehrs befaßt, nicht gelingen, die Ordnung zu schaffen und das Spannungsverhältnis zwischen den Verkehrsträgern zu
    vermindern, so werden wir eines Tages allerdings vor die sehr schwerwiegende Frage gestellt, was nun mit dem Werkverkehr geschehen soll. Ich weiß, daß der Werkverkehr in der ganzen Welt seine Freiheit erkämpft und erhalten will. Die Dinge gehen bis zur internationalen Handelkammer in Paris und von dort bis zur UNO in New York, wo die Grundsätze festgelegt werden. Alles kann geschehen in den nationalen Räumen mit der Ordnung der Verkehrsträger, aber der Werkverkehr darf unter gar keinen Umständen angefaßt werden. Nun ist es so, meine Damen und Herren: er ist angefaßt; der unechte Werkverkehr ist verboten, und der unechte Werkverkehr ist ja in erster Linie der, der den bestehenden Verkehrsträgern, den staatlichen und den privaten, die allergrößten Sorgen bereitet. Nun ist man zu der Auffassung gekommen, man sollte den Werkverkehr in einem noch viel stärkeren Maße einschränken, d. h. ihm generell gewisse Massentransporte auf der Straße verbieten, und auf der andern Seite so weit gehen, daß er seine Endfabrikate nicht mehr bis zum letzten Bezieher fahren darf.
    Dabei taucht die Frage auf, Herr Bundesverkehrsminister: wie ist es, wenn umgekehrt der letzte Bezieher die Dinge mit Werkfahrzeugen abholt? Ich glaube, die Frage ist noch ungeklärt. De müßte das Gesetz noch etwas anders formuliert werden. Aber ich wollte dem Hohen Hause nur zeigen, wie weitgehend nunmehr die Einschränkungen gegenüber dem Werkverkehr sein sollen. Ich habe etwas Zweifel, ob es möglich ist, es in dieser konsequenten und konkreten Form durchzuführen. Sie kennen ja die Widerstände im Hause des Bundeswirtschaftsministers, der eine vollkommen andere Auffassung von diesen Dingen hat.
    Aber wie ist es denn überhaupt zu dieser Ausweitung des Werkverkehrs gekommen? Können wir nicht von dort ausgehend zu einer Regelung gelangen, ohne daß der Staat allzu stark in diese Dinge eingreift? Zunächst war es doch einmal die verkehrte Steuerpolitik; denn wenn man 500/o abschreiben konnte, dann war ja gar nicht mehr in den großen Fabrikationsbetrieben die Frage vordergründig: brauche ich den Werkverkehr betriebsmäßig zur Fortschaffung meiner Waren, zur Heranholung meiner Rohstoffe?, sondern die primäre Überlegung war: eine wunderbare Gelegenheit, auf diese Weise 50% von dem Wert dieses Lastwagens abzubuchen! Es kommt ein weiteres hinzu — man muß die Dinge durch eine gewisse Erfahrung im einzelnen kennen —: Nach dem Kriege ist bei Transportleitern und bei Transportabteilungen in großen Werken ein seltsamer Ehrgeiz entstanden, sich einen eigenen Verkehrsapparat anzuzüchten. Ich bin dankbar, und wir sollten es alle sein, für eine Denkschrift, die der Bundesverband der deutschen Industrie vor Monaten herausgegeben hat, in der er seinen Werken klarmacht: rechnet doch einmal nach, was euch diese Geschichte einbringt bzw. besser gesagt, was sie euch kostet! Da würde mancher Fabrikdirektor, mancher Leiter einer großen Handelsfirma zu ganz anderen Ergebnissen kommen, und er würde seinen künstlich hochgezüchteten Werkverkehrsapparat abbauen, um sich der natürlichen Verkehrsträger, nämlich der Bundesbahn, der Binnenschiffahrt und des gewerblichen Verkehrs, zu bedienen. Das müßte die Folge sein, wozu allerdings eine weitere Voraussetzung gehört, nämlich eine erhöhte gemeinsame Leistung dieser beiden Verkehrsträger überhaupt.


    (Rademacher)

    Damit kommt man zu der entscheidenden Frage der Verkehrsordnung und der Verkehrsteilung überhaupt. Das neue Gesetz der Bundesregierung geht aus von einer Teilung der Güter. Ich persönlich bin seit Jahren immer der Meinung gewesen und habe das auch von dieser Stelle hier vertreten, daß bei einer Verkehrsteilung ebensosehr die Teilung nach Strecken, nach Gebieten von Bedeutung ist.
    Es wurde ja auch heute morgen schon zum Ausdruck gebracht: der Straßenverkehr gehört eigentlich in erster Linie in den Flächenverkehr als Zubringer, als Abholer der Schienenverkehre. Man kann es nicht verallgemeinern; denn die Bedeutung des Straßenverkehrs, des gewerblichen Verkehrs, beispielsweise auch bei gewissen Massengütern usw., ist ja sehr davon abhängig, wie jeweils die Anforderungen der Wirtschaft sind.
    Darf ich einige wenige Beispiele dafür geben. Wenn Fisch- und Zitrusdampfer in den Häfen von Bremen, Hamburg oder Lübeck und in anderen Häfen ankommen, dann spielt eben die Zeit di entscheidende Rolle und nicht so sehr die Frachthöhe. Die Zeit ist allerdings dann auch entscheidend, Genau umgekehrt kann man x Beispiele leider dafür anführen, daß in dem großen deutschen Exportgeschäft Akkreditive verfallen, Dampferanschlüsse erreicht werden müssen und daß man sich die Zeiten exakt, auf Stunden genau, ausrechnen muß und dann vor der Wahl steht: will ich beispielsweise — und dies ist ein echtes Beispiel! — in 24 Stunden von Reutlingen an den Dampfer Soundso in Hamburg kommen, oder kann ich mich damit begnügen, die Bundesbahn in diesem Fall zu benutzen, die 39 Stunden fährt? —, und dann erreiche ich eben diesen Dampfer nicht mehr. Ich wollte an diesem Beispiel nur einmal zeigen, daß die Dinge eben nicht so generell und so allgemein sind, wie sie manchmal von laienhafter Seite angesehen werden.
    Nun sprach ich ja von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Verkehrsträger. Der Herr Bundesverkehrsminister sagte hier heute morgen: Wo Begriffe fehlen, da stellt sich zur rechten Zeit ein Fremdwort ein. Das Wort „Koordinierung" hat er, glaube ich, nicht erfunden, wohl aber, wenn ich recht unterrichtet bin, das Wort „Harmonisierung". Das ist ja wohl auch ein Fremdwort, das der Herr Bundesverkehrsminister gebraucht hat. Aber diese „Harmonisierung" ist nun einmal in den letzten vier Jahren ausgeblieben, und es hätte dazu vielleicht nur einer einzigen Initiative der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministeriums bedurft: nämlich die beiden Verkehrsträger Schiene und Straße so lange zusammenzuzwingen, bis sie zu einer echten Verkehrsaufteilung — gütermäßig unter Umständen, vor allen Dingen aber flächenmäßig — gekommen wären.
    Diese Sache hat also bedauerlicherweise nicht stattgefunden, und wir von den Freien Demokraten wollen nur hoffen, daß nun aber auch alle Anstrengungen gemacht werden. Selbst wenn der eine oder andere Verkehrsträger sich weigern sollte, an solchen Verhandlungen teilzunehmen, muß er an einen Tisch gezwungen werden. Ich glaube, wenn so verfahren wird, bestehen eine ganze Menge guter Aussichten, um zu einer erhöhten Leistungsfähigkeit beider Verkehrsträger zu kommen und damit wieder den unnatürlich aufgebauschten Werkverkehr mit den übrigen Maßnahmen abzubauen.
    Meine Damen und Herren, heute morgen ist hier auch von der „Selbstkostenorientierung" der Verkehrsträger gesprochen worden. Ich glaube, das ist ein etwas trauriges und unrühmliches Kapitel im Hause des Bundesverkehrsministeriums. Soviel ich weiß, arbeitet seit ungefähr drei Jahren ein Ausschuß an der Ermittlung der Selbstkosten. Auch der Herr Bundesverkehrsminister wird sich einer gemeinsamen Tagung erinnern, bei der ich sagte: Herr Minister, hoffentlich kommt es nicht eines Tages so weit, daß wir die Selbstkosten des Selbstkostenausschusses ermitteln müssen. — Ich fürchte, daß es leider jetzt so weit gekommen ist. Man spricht von einer Viertelmillion. Man spricht davon, daß nunmehr die Waren-Treuhand- und Revisionsgesellschaft — die sicherlich nicht sehr billig ist; ich weiß nicht, ob ich richtig unterrichtet bin — diese Aufgabe nun für eine halbe Million vollenden soll. Aber wir haben große Hoffnung, daß es vielleicht endlich einmal wenigstens im Zeitraum eines Jahres möglich sein wird, wirklich die Selbstkosten der einzelnen Verkehrsträger zu ermitteln, worauf j a, Herr Bundesverkehrsminister, zusammen mit einer zügigen Statistik überhaupt erst eine echte Verkehrspolitik des Bundes richtig aufgebaut werden kann.
    Ich habe heute morgen in der Zeitung Vorschläge des Verkehrsausschusses der CDU gelesen. Ich muß sagen, ich war doch etwas erschüttert. Ich meine, sehr viel Neues war es nicht. Es gibt ja auch nicht allzuviel Neues auf dem Gebiet des Verkehrs; es sind allmählich schon Grunderkenntnisse. Wenn man die vielen Denkschriften liest, stellt man fest, daß dann plötzlich ganz neue Weisheiten verzapft werden, aber sie sind uralt, beispielsweise daß man sagt: „Nicht Schiene oder Straße, sondern Schiene u n d Straße!" Ich glaube, das haben wir schon vor einigen Jahren gehört. Ich habe dieses Wort immer sehr gern benutzt, und das wird also nun plötzlich als sehr neue Weisheit herausgestellt.
    Aber dann heißt es, man wolle den Straßenverkehr insgesamt einer Ausgleichsabgabe unterziehen, ohne dabei zu sagen, ob nun vielleicht — —

    (Zuruf von der CDU: Vollkommen falsch!)

    — Ja, dann hat die Presse wieder verkehrt berichtet, oder die Herren in der Pressekonferenz haben sich nicht deutlich genug ausgedrückt — das kommt natürlich auch vor —, oder es waren verschiedene Meinungen da; das kann ja auch sein.
    Meine Damen und Herren, was soll nun eigentlich geschehen? Hier wurde von allen Rednern einschließlich meines Kollegen Rümmele gesagt, alle Maßnahmen, die getroffen werden, müßten dort ihre Grenze finden, wo sie die Gefahr hervorriefen, die Existenz eines Betriebes zu vernichten. Wenn Sie aber jetzt aufzählen: Kfz-Steuer, neue Mineralölsteuer, dann Sperrung der Massengüter, und wenn dann noch Ihre Ausgleichsabgabe hinzukommt, meine Herren von der CDU, — ich fürchte, dann ist es allerdings mit einem privaten Verkehr auf der Straße endgültig zu Ende.
    Dann taucht auch wieder der alte Wunsch auf, einen Reichskraftwagenbetriebsverband zu gründen. Das war bekanntlich eine nationalsozialistische Zwangsorganisation seligen Angedenkens.
    Ich habe nun für eines kein Verständnis: Durch die unglückliche Gesetzgebung im Grundgesetz sind wir erst vor einem Jahr zum Güterkraftver-


    (Rademacher)

    kehrsgesetz gekommen. Die Bundesanstalt als der Kern des Güterkraftverkehrsgesetzes arbeitet erst seit einigen Monaten. Das ist nicht die Schuld der Bundesanstalt; das ist eben leider die Folge der langen Behandlung im Bundesrat und im Bundestag. Ehe nun noch diese Bundesanstalt, zu der ich das größte Vertrauen habe, insbesondere auch zu ihrem Leiter, richtig an die Arbeit gehen kann, um die Ordnung auf der Straße, die Einheit der Tarife, die Verhinderung des unechten Werkverkehrs sicherzustellen, soll schon wieder etwas ganz Neues kommen, und zwar in Form einer Zwangsorganisation, die von der Freien Demokratischen Partei auf jeden Fall mit aller Energie abgelehnt werden würde.
    Wenn man die Fragen des Verkehrs und der Verkehrsordnung behandelt, kann man selbstverständlich nicht an dem zweitgrößten Verkehrsträger, der deutschen Binnenschiffahrt, vorbeigehen. Das Schwergewicht liegt hier auf dem Rhein. Die Binnenschiffahrt führt in ihrer letzten Denkschrift meines Erachtens nicht ganz zu Unrecht an, daß im Vergleich zur Deutschen Bundesbahn auch sie politische Lasten zu tragen hat, nämlich z. B. in der Form, daß 20% der Flotte von Elbe und Oder zum Rhein herübergekommen sind und hier nun natürlich die Situation der eingesessenen Rheinschiffahrt außerordentlich erschweren. Wir haben ein Binnenschiffahrtsgesetz geschaffen. Wir haben dort durch einen besonderen Paragraphen einen vernünftigen Ausgleich gefunden, so daß die Bundesbahn zu der Tarifgestaltung der Binnenschifffahrt jederzeit gehört wird. Wenn jetzt seitens der Bundesbahn gefordert wird, die Zu- und Ablauftarife aufzuheben bzw. zu erhöhen, dann habe ich doch im Interesse der deutschen Binnenschiffahrt erhebliche Bedenken. Denn dieser Verkehrsträger steht ja unter der Überschrift „Freiheit der Flüsse" gleichzeitig in einem starken Wettbewerb mit der holländischen, der belgischen, der französischen und der schweizerischen Binnenschiffahrt. Ich möchte also warnen und möchte bitten, an diese Dinge mit aller Vorsicht heranzugehen. Ich glaube auch, daß die Behauptung der Binnenschiffahrt nicht unrichtig ist, wenn sie sagt, daß ihr Kostenanteil am Wasserweg — wie Sie wissen, spielt der Oberbau bei allen Verkehrsträgern immer eine große Rolle — bereits 40% betrage und daß schließlich und letzten Endes die Flüsse und Kanäle auch noch für die Wasserversorgung der Industrie, der Städte und für die Energie daseien. Alle diese Dinge müssen eingehend untersucht werden.
    Wir haben uns in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Haushaltsdebatten hier auch über die Frage unterhalten, wieweit die Wasserstraßen in Deutschland überhaupt noch entwickelt und ausgebaut werden sollen. Es kann keinen Streit darüber geben, daß die vorhandenen Wasserstraßen erhalten und den modernen Erfordernissen entsprechend angepaßt werden müssen. Aber ich möchte doch an dieser Stelle nochmals warnend meine Stimme gegen neue Kanal- und Flußschifffahrtsprojekte erheben.

    (Abg. Dr. Bucerius: Richtig!)

    Ich will hier heute nicht polemisieren wegen des Neckarkanals, ich will auch nicht polemisieren wegen des Rhein-Main-Donau-Kanals. Niemand weiß, wie sich die politischen Verhältnisse entwickeln. Aber ich glaube, mit aller Deutlichkeit sollten wir hier sagen, daß wir in Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesbahn von der Bundesregierung erwarten, daß man sich absolut querlegt gegen eine Moselkanalisierung und ähnliche Projekte, die eventuell noch auftauchen sollten.

    (Sehr richtig! rechts, bei der CDU/CSU und bei der SPD.)

    Abschließend darf ich dann zu den einzelnen Anträgen kommen. Ich glaube, das meiste ist bereits in meinen Ausführungen enthalten gewesen. Auch ich begrüße den Antrag der SDP — Drucksache 181 — zum Personenbeförderungsgesetz. Dieses ist ja das große Grundgesetz des Verkehrs, das leider — auch ich bedaure das außerordentlich — hängengeblieben ist, nicht durch die Schuld des Bundesverkehrsministeriums, sondern weil sich die Ressorts innerhalb der Bundesregierung nicht einig werden konnten. Was vom Personenbeförderungsgesetz abhängt, darf ich an folgender Tatsache illustrieren: hier fährt die Bundesbahn auf der Schiene, daneben hat sie ihren eigenen Omnibusverkehr, dann kommt die Post, und dann kommt der private und eventuell noch der kommunale Verkehr. Alles dies muß einmal gründlich geklärt und geordnet werden.
    Es ist auch höchst bedauerlich — das muß an dieser Stelle ebenfalls mit Deutlichkeit gesagt werden —, daß es in vier Jahren nicht möglich gewesen ist, die Interessen der beiden größten staatlichen Verkehrsträger, der Bahn und der Post, gegeneinander abzugleichen. Es sind zwar unzählige Schriftsätze gewechselt worden, aber es ist in keinem Falle zu irgendwelchen konkreten Maßnahmen gekommen. Ich glaube, das geht noch viel weiter als in der Koordinierung, Abgleichung und Ordnung der nebeneinander laufenden Verkehre. Wenn man sich die Dinge bei diesen beiden großen staatlichen Verkehrsträgern einmal richtig ansieht, dann kommt man zu dem Schluß, daß es noch manche Rationalisierungsmaßnahme geben mag, in kleinen Orten z. B. durch Zusammenlegen der Güterabfertigung mit einer Postabfertigungsstelle usw. Mit diesem Thema möge man sich wirklich einmal ernstlich befassen, und vor allen Dingen möge man diesem Hause so schnell wie möglich das Personenbeförderungsgesetz vorlegen. Denn was sich da in der gegenseitigen Konkurrenzierung abspielt, meine Damen und Herren, spottet überhaupt jeder Beschreibung.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    In der Drucksache 183 fordert die SPD-Fraktion die Vorlage einer Reihe von Gutachten. Ich habe hier — ich bitte, mir das nicht übelzunehmen, meine Herren von der SPD — das Wort „Klamotten" mit Fragezeichen dabeigeschrieben. Ich meine, wir sind inzwischen so flügge und so souverän geworden, daß wir uns nicht mehr an die ausländischen Gutachten hängen sollten. Wir haben soviel Erkenntnis von den Dingen gewonnen, daß wir dazu selbst genügend Grundlagen schaffen können.

    (Zuruf von der SPD.)

    - Es sind natürlich auch deutsche dabei, z. B. die Denkschrift der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn: „Warum Bundesbahnkrise?" Mit dieser Denkschrift ging es genau so wie mit der kleinen blauen, die heute schon vorgezeigt wurde: sie kam heraus; niemand wußte etwas davon, nicht einmal diejenigen, die eigentlich etwas davon wissen sollten, nämlich die Aufsichtsorgane der Deutschen Bundesbahn. Bedenken Sie, meine Damen und


    (Rademacher)

    Herren: Wenn ich mich recht erinnere, steht entweder in dem Gutachten von Homberger und Cottier oder in dem Gutachten von Coverdale und Colpitts die geniale Empfehlung, die Deutsche Bundesbahn möge zur Einsparung von Personal sämtliche Schranken an den Bahnübergängen aufheben. Das ist nur ein Beispiel, um Ihnen zu sagen, daß es eben Dinge gibt, die hier nicht anwendbar sind, und daß wir unsere eigenen Gesetze hier in der deutschen Bundesrepublik haben. Meine Damen und Herren: Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen, — das war alles in den Forderungen enthalten, ist auch in dem Gesetz enthalten, das wir jetzt zu erwarten haben.
    Nun noch ein Wort zur Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn- und Feiertagen. Meine Damen und Herren, ich habe die Antragsteller durchaus verstanden. Ich hoffe nur, daß sie alle in erster Linie den Gedanken gehabt haben: Du sollst den Feiertag heiligen! Aber die Wirtschaft hat ja nun mal andere Gesetze, und es wird immer Berufsgruppen und Wirtschaftsgruppen geben, die von solchen Segnungen ausgenommen sind. Ich brauche das nicht weiter zu erklären. Dazu gehören Unterhaltungsstätten, Vergnügungsstätten, Restaurationen, Theater usw. usw. In gewissem Sinne, wahrscheinlich sogar in stärkstem Maße bezieht bezieht sich das auch auf den Verkehr. Ich glaube nicht, daß sich meine Fraktion zur Unterstützung dieses Antrages bereit finden kann. Ich möchte die Dinge aber hier nicht weiter vertiefen. Wir wollen uns darüber sehr offen und aufgeschlossen im Ausschuß unterhalten.
    Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich auf etwas hinweisen, was heute morgen zum Ausdruck gekommen ist. Auch für mich — und so sollte es für alle sein — ist der Verkehr ein Ganzes. Wir brauchen die Schiene, die Straße, die Binnenschiffahrt, die Seeschiffahrt, und wir brauchen die deutsche Luftfahrt, die wir durch Initiative der Bundesregierung hoffentlich auch bald bekommen. Der Verkehr hat seine besonderen Gesetze. Wir müssen eine Verkehrsordnung schaffen und sind dabei in der außerordentlich schwierigen Situation, eine Sache zu vertreten, die eigentlich nicht nur den Grundsätzen der Bundesregierung, sondern auch den Grundsätzen der Opposition widerspricht: wo immer es nur geht, in der deutschen Wirtschaft den freien Wettbewerb zu erhalten. Meine Damen und Herren, die Liberalisierung des Verkehrs wäre das Ende der Deutschen Bundesbahn. Darüber muß man sich vollkommen klar sein. Ob man der Bundesbahn und damit auch anderen Verkehrsträgern etwas mehr Beweglichkeit in der endgültigen Tarifgestaltung gibt, ist eine Sache, die einer eingehenden Überlegung bedarf. Es gibt kein Land der Erde, in dem der Verkehr liberalisiert ist, nicht einmal in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in denen sich ja bekanntlich die Bahnen im Privatbesitz befinden. Jeder Tarif der Bahn in den Vereinigten Staaten von Amerika muß von der Interstate Commerce Commission genehmigt werden und wird von dieser eben wegen der entgegengesetzten Interessen der verschiedenen Verkehrsträger in schärfster Weise überwacht.
    Eine weitere Eigenart des Verkehrs, die seine Liberalisierung nicht zuläßt, ist die Notwendigkeit, immer einen Überhang von Transportraum durchzuschleppen, wenn er überhaupt in der Lage sein soll, den saisonalen Anforderungen des ganzen
    Jahres zu genügen. Es genügt, auf den Herbstverkehr zu verweisen. Und wo wären wir jetzt im Winter, der die Binnenschiffahrt völlig lahmgelegt hat, wenn nun kein Transportüberhang bei der Deutschen Bundesbahn und im Straßenverkehr vorhanden wäre! Die Folgen wären gar nicht auszudenken.
    Wenn ich für die Notwendigkeit der Erhaltung des gesamten Verkehrs spreche, dann bewegen mich außer der Sorge um den Verkehr und die Interessen der Verkehrsträger noch größere, politische Gesichtspunkte, die ich hier einmal anschneiden möchte. Man müßte einmal den Herrn Wohnungsbauminister fragen, welche Auswirkung die Verkehrsteilung, die Beseitigung der Massentransporte von der Straße, auf den Quadratmeterpreis im sozialen Wohnungsbau hätte, wenn die Möglichkeiten der Haus-Haus-Beförderung auch des Baumaterials nicht mehr beständen. Ich will keine Antwort geben. Ich meine nur, wir haben die Pflicht, die Sache sehr eingehend zu untersuchen.
    Ich darf schließlich darauf hinweisen, daß auch die Frage der Verteidigung bei der Überlegung, wieweit wir einen Verkehrsapparat einschränken, ob wir ihn auf dem einen oder anderen Gebiete drosseln, eine entscheidende Rolle spielen kann. Diesen Hinweis möchte ich an das Haus Blank richten.
    Aber noch mehr bewegen mich, meine Damen und Herren — und alle Kenner der Verhältnisse in Mittel- und Ostdeutschland werden mir recht geben —, die großen wirtschaftlichen Aufgaben, die an uns herantreten, wenn — und wir alle hoffen es doch — die Wiedervereinigung eines Tages Wirklichkeit wird. Wenn wir dann keinen potenten Verkehrsapparat auf allen Gebieten vorhalten können, werden wir auch dort dieser Dinge nicht Herr.
    So darf ich insgesamt noch einmal feststellen: Verkehrsordnung, sinnvolle Verkehrsordnung: ja. Kein wilder Preiswettbewerb, aber Erhaltung eines Leistungswettbewerbs. Diese Erhaltung eines Leistungswettbewerbs ist nur gewährleistet, wenn wir alle Verkehrsträger am Leben belassen. Die Freie Demokratische Partei wird sich jedenfalls mit allem Nachdruck dagegen wehren, daß die Entwicklung im deutschen Verkehr unter Umständen zu einem Monopol führt. Denn dann könnte der Verkehr nicht mehr das sein, was er — in Anerkennung seiner Leistung — stets sein will: ein Diener der deutschen Wirtschaft.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Hamburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ist hier der Versuchsballon gestiegen, ob man nicht die heutige Debatte um einige Wochen oder Monate vertagen könne. Wir waren der Meinung, daß die Öffentlichkeit und die Wirtschaft, die mit Recht über die gegenwärtigen Mißstände beunruhigt sind, einen Anspruch darauf haben, die Auffassung des Parlaments kennenzulernen, und mir scheint, daß der bisherige Verlauf der Debatte uns durchaus recht gegeben hat.
    Es ist doch wohl so, daß alle bisherigen Redner in weiten materiellen Bereichen einig waren. Fast alle Vorredner waren sich auch darin einig, daß sie mit der seitherigen Verkehrspolitik nicht ein-


    (Schmidt [Hamburg])

    verstanden sind. Ich halte es für notwendig, daß das Parlament rechtzeitig zu diesen Dingen Stellung nimmt, wenn auch die Vorlagen, wie Herr Kollege Rademacher gesagt hat, einstweilen nur an der Milchbar erhältlich sind. Herr Kollege Rademacher, ich habe sie auch nicht an der Milchbar gekauft, mir war ,das einstweilen auch noch zu teuer. Aber es steht ja auch in den Zeitungen, und auch Herr Bundesminister Seebohm hat hier einige Andeutungen über diese Gesetze gemacht.
    Nun hat Herr Kollege Müller-Hermann in der Begründung der CDU/CSU-Interpellation gesagt, man könne nicht das Bundesverkehrsministerium allein für die Verkehrspolitik verantwortlich machen. Darin ist ihm sicher recht zu geben. Das ganze Bundeskabinett trägt die Verantwortung für die Verkehrspolitik. Denn Verkehrspolitik wird auch im Finanzministerium gemacht, auch im Wirtschaftministerium. Sicher hat auch der alte Bundestag, Herr Kollege Müller-Hermann, seine Verantwortung für das gegenwärtige Desaster in der Verkehrswirtschaft. Aber wir müssen es ablehnen, von Ihnen mit einem Teil dieser Verantwortung belastet zu werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sie haben mit Hilfe Ihrer Mehrheit im alten Bundestag eine Reihe sehr wesentlicher Anträge, die wir zu diesem Problem gestellt hatten, nicht zum Zuge kommen lassen. Das hat mein Kollege Dr. Bleiß schon dargetan. Wir können daher mit gutem Recht eine Mitverantwortung dafür ablehnen, daß sich nun seit vier Jahren die Probleme angesammelt und zusammengeschoben haben zu dem Gesamtkomplex, vor dem wir heute stehen.
    Ich kann auch dem sehr geschätzten Herrn Kollegen Rademacher nicht ganz beipflichten, wenn er sich hier so etwas von der Mitverantwortlichkeit freisprechen wollte; denn immerhin ist er in den vergangenen vier Jahren der Vorsitzende des Verkehrsausschusses gewesen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Andererseits bin ich allerdings Herrn Rademacher außerordentlich dankbar, daß er eine Reihe unserer Anträge so liebenswürdig und sachkundig unterstützt hat, wobei ich allerdings gleich hinzufügen möchte, daß ich den Ausdruck „alte Klamotten" für die Gutachten, die wir hier auf dem Tisch des Hauses haben wollen, nicht für unbedingt zweckmäßig halte. Gewiß, diese Gutachten stammen von Ausländern, wie Herr Kollege Rademacher gesagt hat. Aber er selber hat ja später, an anderer Stelle, durchaus das Ausland als Vorbild anerkannt, nämlich als er von der Interstate Commerce Commission in den Vereinigten Staaten sprach. Aber es ist ja egal, wer die Gutachten erstellt hat. Wichtig ist, daß in diesen Gutachten, die zum Teil seit vier Jahren hier vorliegen, Dinge stehen, die, wenn sie rechtzeitig bekanntgeworden und befolgt worden wären, verhütet hätten, daß es zu dem heutigen Debakel kam.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es scheint uns notwendig, diese Gutachten auch deswegen einmal herauszuholen, damit die Verantwortlichkeit klargestellt wird, wer und weshalb man die Vorschläge, die dort niedergelegt worden sind, nicht befolgt hat.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Herr Bundesverkehrsminister hat in seiner Beantwortung unserer Großen Anfrage zum Schluß
    eine Art Erfolgsbilanz angehängt. Die politische Fairneß verlangt, daß man die Wiederaufbauleistungen bei der deutschen Seeschiffahrt und den Anfang des Wiederauferstehens der deutschen Zivilluftfahrt anerkennt. Aber, Herr Bundesminister Dr. Seebohm, es handelt sich im Augenblick gar nicht um diese Dinge. Uns interessiert in diesem Augenblick die Passivseite Ihrer Bilanz. Zu den Aktivposten, die Sie vorgetragen haben — den Leistungen des Personals der Deutschen Bundesbahn, den Wiederaufbauleistungen auf Schiene und Straße und all den durchaus zu Recht als Aktivposten vorgebrachten Tatsachen — sind doch sehr gewichtige massive Wertberichtigungen auf der Passivseite anzubringen.
    Wir haben zunächst die Frage gestellt: Welche Maßnahmen — und mit welchem Erfolg — hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um der Eisenbahn zu helfen? Sie haben sehr ausführlich und sehr detailliert eine Reihe von Maßnahmen dargelegt. Sie haben dargelegt, das Bundeskabinett habe im Frühjahr des vorigen Jahres auf Ihren Antrag hin ein Programm für die Eisenbahn im Grundsatz gebilligt. Wir müssen aber doch insgesamt leider feststellen, daß alle diese vielen Einzelheiten, die Sie uns über die bisher ergriffenen Maßnahmen vorgetragen haben, hinsichtlich des Gesamteffektes eigentlich in dem einen Satz hätten zusammengefaßt werden können: Leider sind unsere Maßnahmen ohne wesentlichen Erfolg geblieben. Das wäre eine klare und den Tatsachen entsprechende Antwort gewesen. Denn was nützt uns ein Finanzprogramm — von dem im vorigen Frühjahr die Rede war —, wenn — nicht nur vorher, sondern auch seither — die monatlichen Verluste der Bahn ständig wachsen und wenn wir für das Jahr 1954 mit einem monatlichen Unterschuß von nunmehr 70 Millionen DM rechnen müssen.
    Nun zu der Antwort auf unsere zweite Frage, die Frage nach den Vorschlägen, die die Bahn gemacht hat. Herr Bundesminister Seebohm, Sie haben erklärt, Sie hätten die Gesetzesvorlage — die wir alle noch nicht genauer kennen — bereits ausgearbeitet und fix und fertig gehabt, ehe die Bundesbahn ihre Vorschläge gemacht habe. Da kann man nur fragen: Haben Sie denn die Bundesbahn gar nicht um ihren Rat gefragt, als Sie Ihren Gesetzentwurf machten?

    (Beifall bei der SPD.)

    Mir scheinen überhaupt ganz eigenartige Verhältnisse im Zusammenspiel zwischen Bundesbahn und Bundesverkehrsministerium zu herrschen. Ich darf z. B. darauf aufmerksam machen, daß Sie seit dem 12. Mai vorigen Jahres im Besitz eines sehr umfangreichen Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Verkehrsministerium — den Sie selber ernannt haben — sind. Dieses Gutachten befaßt sich mit den verkehrspolitischen Voraussetzungen einer Tarifreform und mit dieser Tarifreform selber. Das Gutachten ist Ihnen im Mai erstattet worden. Im Juli vorigen Jahres sind die Verhandlungen gewesen, die auch der Herr Kollege Rademacher vorhin berührt hat, die Verhandlungen über die neuen Tarifmaßnahmen, die dann zum 1. August in Kraft getreten sind. Soweit mir bekanntgeworden ist — ich habe an diesen Verhandlungen ja selber teilnehmen können —, ist allen diesen Leuten, die die Tarifmaßnahmen damals beraten haben, ehe sie erlassen worden sind, das Gutachten, das schon drei Monate vorlag, überhaupt nicht in die Hand gegeben worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)



    (Schmidt [Hamburg])

    Auch die Bundesbahn selber — wenn ich einmal von der obersten Spitze absehe, das kann ich nicht beurteilen — hat in diesen Verhandlungen nicht über das Gutachten verfügt — das Sie drei Monate vorher hatten! -, das sich sehr ausführlich und sehr fundiert mit der komplexen Problematik der Verkehrspolitik und der Tarifpolitik auseinandersetzte. Mir scheint, die Frage ist gerechtfertigt: Welche Art von Zusammenarbeit herrscht da eigentlich?

    (Zustimmung bei der SPD. — Zuruf: Der sagt's ihm aber! — Heiterkeit.)

    Die Folge des Mangels an Zusammenarbeit ist nun die höchst unerfreuliche und unsachliche Auseinandersetzung, das höchst unerfreuliche Klima, das in der Verkehrswirtschaft herrscht. Es ist eine Auseinandersetzung, die in ihrer Intensität, ihrer Vitalität und in ihrer Tonart an die großen weltanschaulichen Kämpfe erinnert, die dieses Jahrhundert erschüttern. Wir haben in Deutschland geradezu eine „Eisenbahner-Weltanschauung", wir haben eine „Kraftverkehrswirtschafts-Ideologie", und der Kampf zwischen diesen vollzieht sich manchmal in denselben Formen wie der Kampf zwischen dem Kommunismus und der westlichen Lebensauffassung.

    (Heiterkeit.)

    Daß diese extremen Zustände sich so entwickelt haben, ist, glaube ich, auch in gewisser Weise auf das Konto des Herrn Bundesverkehrsministers zu bringen. Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Rümmele völlig recht, der gesagt hat, wenn man schon in diesen Gesetzen für die Binnenschiffahrt, für die Bundesbahn, für den Güterkraftverkehr nur ganz bescheidene Ansätze zur Ordnung dieser Verkehrsträger untereinander hatte und wenn man schon in der eigenen Exekutive und Verwaltung diese bescheidenen Ansätze noch nicht einmal voll ausnutzte, dann war es doch mindestens notwendig, außerhalb der Gesetzgebung auf dem Wege der Vereinbarung, der Verhandlung, des Vertrags die einzelnen Partner einmal zusammenzubringen und in ein geordnetes System zu bringen. Diese Parole „Die Partner an einen Tisch!", die in der ganzen Zeit immer wiederholt worden ist, hätte eigentlich das Stichwort, Herr Minister Seebohm, für Sie sein müssen. Denn Sie waren doch der einzige legitimierte Einladende, der einzige legitimierte Initiator dieser Verhandlungen. Auf diesem Gebiet — ich kann Ihnen den Vorwurf abermals nicht ersparen — scheint uns ein ernster Versuch wirklich nicht gemacht worden zu sein.
    Der Herr Minister Seebohm hat auf die Frage, die ja hier im Raum liegt, warum denn das alles so sein muß und warum wir denn zu dem gegenwärtigen Debakel gekommen sind, auf die Zonentrennung hingewiesen. Diese sei schuld; die bösen Alliierten, die Deutschland in zwei Teile geschnitten haben, seien schuld an der gegenwärtigen Verkehrskrise. Das ist doch von Ihnen gesagt worden. Ich glaube, so kann man nun wirklich nicht antworten, Herr Minister.
    Sie haben weiter ausgeführt, wenn demnächst die Wiedervereinigung käme, würde die durchschnittliche Transportentfernung der Eisenbahn nicht mehr 203 km, sondern vielleicht 300 km sein; dadurch würden die Einnahmen steigen, und dann würde sich zeigen, daß die Bundesbahn wieder völlig gesund sei. Zunächst einmal darf ich einen kleinen Irrtum korrigieren. Früher, vor 1945, in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 hat die
    Durchschnittsentfernung der Eisenbahn keineswegs
    200 km betragen, sondern sie war sogar noch geringer als heute.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das werden mir die Fachleute von der Eisenbahn bestätigen. Es mag sein, daß durch die besonderen Verhältnisse in der Sowjetzone nach der Wiedervereinigung zunächst eine Vergrößerung der durchschnittlichen Transportweite eintritt; keineswegs wird aber eine so große Steigerung eintreten. Insbesondere bringt das auch größere Kosten, Herr Minister Seebohm. Wenn ich 300 km weit fahre, muß ich eben auch die Kosten für 300 km aufbringen. Abschließend zu diesem Thema darf man vielleicht noch sagen, so wichtig und so dringend uns allen die Wiedervereinigung mit der Sowjetzone am Herzen liegt und sosehr wir hoffen, daß sie möglichst bald geschieht, sowenig kann die Verkehrspolitik sich darauf verlassen, daß einzig und allein durch dieses Ereignis die gegenwärtige Misere wieder in Ordnung kommt.
    Welches sind die Gründe der gegenwärtigen Verkehrskrise? Oder nehmen wir dafür ein anderes Wort, wenngleich mir das nur ein Streit um Be- griffe zu sein scheint. Der Herr Minister Seebohm und auch der Herr Abgeordnete Rademacher haben sich ja gegen das Wort Verkehrskrise gewehrt. Ich bin gern bereit, mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Herr Minister Seebohm, statt dessen das Wort Krise der Verkehrspolitik zu setzen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Welches sind nun eigentlich die Gründe für diese gegenwärtige Krise der Verkehrspolitik? Da muß man wohl erstens sagen: die Bundesverkehrspolitik hat nicht die notwendige Zivilcourage gegenüber den widerstreitenden Auffassungen dieser erratischen Interessenblöcke besessen, die wir auf diesem Gebiet in Deutschland haben. Zweitens hat sie vor allem selber — und das ist noch wichtiger — viel zu spät erkannt, daß wir in diese Krise hineingewurstelt sind. Drittens — nachdem das nun glücklich erkannt wurde — liegt offenbar bis heute noch kein ökonomisches Konzept dafür vor, wie man dann mit der Sache fertig werden will.

    (Abg. Schmidt-Wittmack: Wie in Hamburg!)

    — Wir sind hier in Bonn, wir reden von der Bonner Verkehrspolitik, Herr Kollege Schmidt-Wittmack. Diese Ablenkungsversuche, wie manche Ablenkungsversuche vorhin, sollten uns von dem eigentlichen Thema, das hier — Hic Rhodus, hic salta! -- zu behandeln ist, nicht abbringen.
    Ich darf meine Behauptung von der jahrelangen Konzeptionslosigkeit des Bundesverkehrsministeriums mit ein paar kleinen Randvignetten illustrieren. Ich darf z. B. darauf aufmerksam machen, daß das Bundesverkehrsministerium genau wie andere Ministerien in Fachabteilungen gegliedert ist: Straßenbau, Straßenverkehr, Binnenschiffahrt, Seeschiffahrt, Luftfahrt, Eisenbahn usw. Diese Fachabteilungen sind bestimmt nicht schlechter als die Fachabteilungen anderer Ministerien. Aber neben diesen Fachabteilungen gab es eine allgemeine Verwaltungsabteilung, die bis zum 1. Januar 1953 auch die Verkehrspolitik machte, nämlich das, was oberhalb dieser Fachabteilungen im zusammenfassenden Blick geschehen mußte. Erst vor einem Jahr hat man sich dort entschlossen, an die Stelle des armen Referenten, eines Ministerialrats, der die schwierige Aufgabe der Verkehrskoordination in Deutschland hatte, nunmehr eine verkehrspoliti-


    (Schmidt [Hamburg])

    sche Abteilung mit einem Ministerialdirigenten und soundso viel Referenten zu setzen. Ich glaube daraus schließen zu dürfen, daß man sich erst vor Jahresfrist darüber klargeworden ist, daß die eigentliche Verkehrspolitik nicht lediglich in der Finanzierung von Straßen- oder Kanalbauten oder in der technischen Planung von Kanalbauten und nicht nur darin liegt, die Straßenverkehrsordnung alle Jahre einmal zu ändern, sondern daß das wesentliche Problem eben in der zusammenfassenden Ordnung aller Verkehrsträger liegt.
    Und eine andere kleine Randvignette! Da hat mir Herr Kollege Rademacher leider etwas vorweggenommen. Herr Minister Seebohm, Sie haben das von meinem Kollegen Dr. Bleiß benutzte Wort der Koordination leise mißbilligt und haben davon gesprochen, daß, wenn man die Argumente nicht hat, man die Fremdworte bemüht. Herr Abgeordneter Rademacher hat Sie schon darauf hingewiesen, daß Sie selber im vergangenen Jahr ständig den etwas verniedlichenden, übrigens aus der Schumanplan-Terminologie übernommenen Ausdruck „Harmonisierung" gebraucht haben, so ungefähr nach dem Motto einer großen norddeutschen Zeitung: Seid nett zueinander! Schleifen wir doch die Kanten ab, harmonisieren wir doch das Ganze ein bißchen!

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    An dieser Stelle muß ich auch auf die Ausführungen von Herrn Müller-Hermann eingehen, der sich ausführlich mit der klar und zielstrebig durchgeführten Konzeption des Herrn Bundeswirtschaftsministers beschäftigt hat. Mir scheint, das war auch ein Ablenkungsmanöver. Aber vielleicht können wir diesem Beispiel eins entnehmen: genau so, wie auf Grund seiner Konzeption der Herr Bundeswirtschaftsminister vor dem harten und haarigen ordnungspolitischen Problem der Kartellfrage steht, genau so, Herr Minister Seebohm, stehen Sie nicht vor der Frage der Harmonisierung, sondern vor der genau so harten und haarigen ordnungspolitischen Frage der gemeinwirtschaftlichen Ordnung im Verkehr. Aber der Streit um die Begriffe, wie man das nennt, scheint mir ziemlich unerheblich zu sein. Wenn man schon hier aus dem Schumanplan das Wort Harmonisierung übernimmt, darf ich bei der Gelegenheit die Bitte äußern, daß wir gelegentlich einmal etwas über die außerordentlichen Probleme zu hören bekommen, die dem deutschen Verkehrswesen aus dem Schumanplan bereits erwachsen sind und in Zukunft noch erwachsen werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich darf aber noch ein letztes kleines Schlaglicht auf die Konzeptionslangsamkeit im Verkehrsministerium werfen. Ich sprach bereits von dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats, das uns vor wenigen Tagen in die Postfächer gelegt worden ist. Dieses Gutachten ist am 12. Mai vorigen Jahres erstattet worden. Ich will mich nicht länger über das eigenartige Wunder auslassen, daß ausgerechnet in einem Zeitpunkt, wo die Sozialdemokraten einen Antrag stellen, daß dieses Gutachten vorgelegt werde, das Gutachten sich in unseren Postkästen einfindet, nach drei Vierteljahren.
    Aber lassen wir das beiseite. Ich will nur davon sprechen, daß der Auftrag, den das Bundesverkehrsministerium seinem Wissenschaftlichen Beirat gegeben hat — dieser Auftrag datiert vom Frühjahr 1951 —, lautete, Vorschläge für eine Reform des deutschen Eisenbahngütertarifs vorzulegen.
    Und zwei Jahre später, im Mai vorigen Jahres, als das Gutachten abgeliefert wird, belehrt der Wissenschaftliche Beirat das Bundesverkehrsministerium darüber, daß man überhaupt keine Vorschläge für die Reform des Eisenbahngütertarifs machen könne, wenn man nicht zuvor die verkehrspolitischen Voraussetzungen geklärt habe, unter denen diese Tarifreform stattfinden solle. Dann sind allerdings die Ausführungen des Gutachtens über die verkehrspolitischen Voraussetzungen genau so lang wie die Ausführungen zu dem vom Verkehrsministerium gestellten Teilthema Tarifpolitik. Nun hat Herr Bundesverkehrsminister Seebohm heute selbst ausgeführt, daß man in der gegenwärtigen Situation mit tarifpolitischen Mitteln allein nicht mehr auskäme, und in dieser Erkenntnis wird er sicherlich von allen gestützt werden, die hier anwesend sind. Es geht eben nicht an, daß man einen schwerkranken Mann, nämlich den deutschen Verkehr, einfach nur in das Streckbett der Tarife packt und glaubt, er wird davon gesunden, sondern man muß dann auch noch ein wenig Therapie an diesem Kranken treiben, und ehe man eine Therapie treibt, muß man eine Diagnose stellen. Nun, das Bundesverkehrsministerium scheint in den letzten Monaten bereit, zu einer gründlichen Diagnose und zu einer neuen Therapie kommen zu wollen. Insofern scheint also aus dem Saulus ein Paulus geworden zu sein.
    Vielleicht dürfen wir nun diese Betrachtung der bisherigen Verkehrspolitik, diese Erfolgsbilanz, mit einem Schlußstrich abschließen. Herr Präsident, ich darf wohl als Schlußstrich unter diese Erfolgsbilanz statt einer eigenen Meinung die Meinung einer völlig unverdächtigen, mit der Sozialdemokratie in keinerlei Zusammenhang stehenden großen deutschen Wirtschaftszeitung zitieren. Ich meine das „Handelsblatt", das in seiner Nummer vom 8. Januar 1954 in einem Leitartikel diese Verkehrskrise behandelt hat. Nach der Frage in bezug auf die Verantwortlichkeit für dieses „unerträgliche Dilemma", wie es dort heißt, wird dann weiter ausgeführt — ich zitiere wörtlich --:
    ,.Wie dem auch sei, was wir erleben, ist jedenfalls ein klares Fiasko der bisherigen Verkehrspolitik."
    Meine Damen und Herren, unsere Fraktion schließt sich in diesem Punkte durchaus den Ausführungen des „Handelsblatts" an.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es bliebe vielleicht noch die Frage, ob man danach nicht so sehr von einer Erfolgsbilanz, als vielmehr von einer Liquidationsbilanz sprechen sollte.
    Nun aber zu den Antworten, die uns zu den Fragen 3 und 4 gegeben worden sind. Ich darf die Frage 4 vorziehen, die darauf abzielte, ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Aufrechterhaltung der gemeinwirtschaftlichen Tarifgebarung und Verkehrsbedienung der Bundesbahn zu erhalten. Diese Antwort haben wir bekommen. Wir sind dafür sehr dankbar und stellen mit Befriedigung fest, daß sich in diesem Punkte offenbar alle Fraktionen des Hauses einig sind. Immerhin muß ich da doch eine kleine Besorgnis zum Ausdruck bringen. Ich habe nämlich in dem Vierjahresbericht, den Sie, Herr Minister Seebohm, vor einigen Monaten über die vergangenen vier Jahre deutscher Verkehrspolitik vorgelegt haben, gelesen, daß Sie an dem Prinzip der Gemeinwirtschaftlichkeit im wesentlichen festhalten wollen. Ich darf mir die Frage erlauben, was mit dieser Einschränkung


    (Schmidt [Hamburg])

    gemeint ist, denn die liegt ja doch darin. Ich darf auch an den Herrn Abgeordneten Rademacher, der sich mit diesem Prinzip befaßt hat, ausdrücklich die Frage stellen, wie weit die Einschränkungen gehen sollen, von denen er gesprochen hat. Wo sollen die Grenzen liegen? Ich hätte mir das einmal gern etwas näher und deutlicher erläutern lassen. Vielleicht ist dazu Gelegenheit, wenn die Verkehrsgesetzentwürfe dem Hohen Hause vorgelegt werden; denn es kann ja gar kein Zweifel darüber bestehen, daß, wenn auch dieses Haus keine Befugnisse in bezug auf die Eisenbahntarife haben sollte, sondern nur in bezug auf die Gesetzgebung, es doch notwendig sein wird, bei der Meinungsbildung über die Gesetze auch die beabsichtigte Tarifpolitik unter die Lupe zu nehmen, denn beides zusammen ergibt erst das Ganze. Wir werden uns also bei jener Gelegenheit erneut über das Prinzip und über die Tragfähigkeit des Prinzips der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung unterhalten müssen.
    Eins darf ich an dieser Stelle schon sagen: Wenn etwa nun die Sozialtarife und die Massenguttarife en bloc angehoben werden sollen, dann werden wir — und das möchten wir mit allem Nachdruck erklären — niemals zustimmen, daß der kleine Mann, der Fahrgast, die Fehler der bisherigen Politik ausbadet, und auch nicht der kleine Fuhrunternehmer. Tarifpolitischen Maßnahmen, die auf Anhebung des Gesamtniveaus hinauslaufen — Sie haben, Herr Minister, in den letzten Tagen immer wieder vor der Presse erklärt, daß Sie das beabsichtigen —, kann man erst dann zustimmen, wenn man die Gewähr dafür hat, daß der Gesamtrahmen Ihrer übrigen Maßnahmen und der Gesetzgebung wirklich zu einem Erfolg führt. Sonst bleibt es nämlich dabei, daß auf dem Wege über die Tarife alles auf die Schultern des kleinen Mannes, des Verladers, des Fahrgastes, letzten Endes des Verbrauchers, abgewälzt wird.
    Nun zu Punkt 3 unserer Großen Anfrage — das scheint mir das Wesentlichste zu sein —:
    Welche Maßnahmen und Gesetze zur Behebung der Eisenbahn-Krise und zur Herstellung einer volkswirtschaftlich zweckmäßigen Ordnung des deutschen Binnenverkehrs hat die Bundesregierung in Aussicht genommen?
    Aber ehe ich mich mit Ihrer Antwort beschäftige, Herr Minister, darf ich noch einmal auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zurückkommen. Es ist eine beinahe unerschöpfliche Quelle für die Diskussion. Wenn man es durchsieht, wird man darin viele klare, sorgfältig erarbeitete und richtige Gedanken finden, die uns heute morgen in Ihrer Antwort, Herr Minister Seebohm, gefehlt haben. Ich darf vielleicht, Herr Präsident, einen einzigen Satz vorlesen. Auf der ersten Seite dieses Gutachtens steht unter der Überschrift „Ziele der Neuordnung" folgender Satz:
    Die möglichst vollkommene Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der Volkswirtschaft erfordert, daß nicht nur die staatlichen, sondern auch die privatwirtschaftlich betriebenen Verkehrsmittel auf eine gemeinwirtschaftliche Bedienung des Verkehrs im Rahmen des nach ihrer Kostenstruktur und Leistungsart Möglichen ausgerichtet werden.
    Dieser Grundgedanke, mit dem das ganze Kernproblem in einem einzigen Satz in seiner Lösung schon angedeutet und formuliert ist, wird dann im weiteren Teil des Gutachtens sehr sorgfältig behandelt. Herr Minister Seebohm, um diese Lösung des Kernproblems haben Sie sich in Ihrer einstündigen Rede allerdings wie die bekannte Katze um den bekannten Brei herumgedrückt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn das Kernproblem, darüber sind wir uns doch klar, ist nicht nur, daß den einzelnen Verkehrsträgern ihre anteiligen Kasten, die Wegekosten usw. zugelastet werden, sondern darüber hinaus, daß der eine Verkehrsträger, die Bahn, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu erfüllen, gemeinwirtschaftliche Leistungen zu erbringen hat, während die andren Verkehrsträger nach dem — durchaus legitimen — privatwirtschaftlichen Prinzip der Gewinnmaximierung arbeiten, abgesehen von gewissen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die ich hier nicht bagatellisieren will, die auch beim gewerblichen Kraftwagenverkehr gegeben sind. Alle Thesen, die man heute immer wieder hört und die ich im Prinzip durchaus bejahen möchte, über die Herstellung gleicher Startbedingungen für die einzelnen Verkehrszweige bleiben doch so lange Lippenbekenntnisse, als man nicht auch in bezug auf die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gleiche Startverhältnisse herstellt. Es ist doch ein Unsinn, zu glauben, daß sich nur durch eine richtige Kostenzulastung in bezug auf die Wegekosten schon irgendwie gleiche Startverhältnisse herstellen lassen, sondern das muß insbesondere in bezug auf die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und Aufgaben geschehen. Nur wenn ich auch hier gleiche Verhältnisse, gleiche Startbedingungen schaffe, kann ich im Ernst davon reden, daß nunmehr ein echter Leistungswettbewerb möglich wird, der auf gleichen Startchancen beruht.
    Für diese Übertragung und für diese Aufbürdung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auch auf den Kraftwagenverkehr und auf die Binnenschiffahrt — um sie nicht ganz zu vergessen — und damit für die Herstellung gleicher Startchancen gibt es im Prinzip eigentlich nur drei Möglichkeiten. Entweder man sagt, wir verzichten bei allen Verkehrsträgern auf das gemeinwirtschaftliche Prinzip; dann sind sie gleichgestellt. Diese Möglicheit kommt nicht in Frage, kein Mensch hier im Hause will das, sie scheidet also aus. Die zweite Möglichkeit wäre, daß man, wenn die Eisenbahn diese gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu tragen hat, der Kraftwagenverkehr aber nicht, diesem Kraftwagenverkehr eine irgendwie geartete Ausgleichsabgabe, ein irgendwie gearteter Finanzausgleich oder Lastenausgleich auferlegt wird. Das will man offenbar auch nicht. Dann bleibt nur die dritte Möglichkeit. Das ist die vom Wissenschaftlichen Beirat einstimmig empfohlene Lösung, daß man eben allen Verkehrsträgern die gleichen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auferlegt,. insbesondere dem Kraftverkehr.
    Ehe ich mich nun der Frage zuwende, wie denn dies zu ermöglichen wäre, darf ich mich vorweg — quasi in Form eines Exkurses—der hypothetischen Frage zuwenden, wie denn dieses Marktordnungsproblem im Verkehr liegen würde, wenn wir das Problem der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nicht hätten. Diese Auseinandersetzung scheint mir insbesondere deswegen notwendig zu sein, weil es nicht nur im Bundeswirtschaftsministerium, sondern auch sonst in der Wirtschaft gewisse Kreise gibt, die eine möglichst wettbewerbs-


    (Schmidt [Hamburg])

    wirtschaftlich orientierte Verfassung des Verkehrswesens wünschen.
    Die Wettbewerbswirtschaft und ihre Ideologie in Deutschland heute, die sich ja auf die neoliberale Schule stützt, wird bei den Erzvätern dieser Schule, bei den Professoren Eucken, Röpke und MüllerArmack sowie auch bei dem hier anwesenden verehrten Kollegen Professor Böhm nichts zu diesem Verkehrsordnungsproblem finden. Ich habe versucht, in den Schriften der neoliberalen Schule gerade dieses Problem zu finden, das ja für fast alle Länder der Welt vorliegt, also kein singuläres Problem Deutschlands in diesem Zeitpunkt darstellt. Aber zu dieser Frage hat sich die neoliberale Schule nicht geäußert mit einer Ausnahme, nämlich Leonhard Miksch in dem bekannten Buch „Wettbewerb als Aufgabe", wo er sich auf zehn Seiten mit dem Verkehrsproblem beschäftigt und eine historische Darstellung der Entwicklung gibt, die zum Schluß in dem Satz gipfelt, daß die Kosten der einzelnen Verkehrsarten als Regulativ für die Verkehrslenkung betrachtet werden müssen. Er spricht auch ausdrücklich von staatlicher Verkehrsaufsicht. Das sage ich nur an die Adresse des Bundeswirtschaftsministeriums, das sich ja ansonsten immer auf die neoliberale Schule beruft.
    Wie ist es nun, wenn man die markttheoretischen Grundlagen der neoliberalen Schule einmal hervorzieht? Ich darf da einen Aufsatz zitieren, den Herr Professor A l f o n s Schmitt in der Buch-Reihe „Ordo" — das sind ja die Apokryphen der neoliberalen Schule — über die Verkehrsfrage geschrieben hat. Dieser Aufsatz ist also in diese Apokryphen aufgenommen worden. Wenn man diese Veröffentlichung liest, kommt man zu der Überzeugung, daß, markttheoretisch gesehen, das ganze Binnenverkehrssystem bei uns in einem Gesamtzusammenhang steht: ein Gesamtverkehrsmarkt mit vielen verschiedenen Teilmärkten, die aber immer miteinander zusammenhängen, weil man von dem einen auf den anderen ausweichen kann. Es gibt also, wie vielleicht Theoretiker sagen würden, unzählige Substitutionsmöglichkeiten, und daher ist es gerechtfertigt, das gesamte Verkehrswesen als einen großen Gesamtverkehrsmarkt anzusehen, der teilmonopolistische und teiloligopolistische Struktur hat. Die Markttheoretiker — ich hoffe, daß der Herr Kollege Böhm mit dem Kopfe nicken wird, wenn ich das sage — sind sich seit je darüber klar, daß man einen teils monopolistischen, teils oligopolistischen Markt sich niemals selbst überlassen darf, weil er die Tendenz zum Ungleichgewicht in sich trägt. Man könnte höchstens auf die Idee verfallen, die Bundesbahn zu atomisieren, in tausend Teile aufzuspalten; dann würde man vielleicht einen konkurrenzwirtschaftlichen Verkehr haben. Da das kein Mensch will, muß man auch vom Gesichtspunkt der Markttheorie her einsehen, daß der Verkehrsmarkt eine Sache ist, die nicht der bloßen Wettbewerbswirtschaft, dem freien Konkurrenzkampf überlassen werden kann, sondern von Staats wegen geordnet werden muß.
    Nun ist die Frage, wie diese Marktverfassung aussehen soll, wenn sie insbesondere nicht nur die Ordnung, sondern auch die Aufrechterhaltung und die Auflastung des gemeinschaftlichen Prinzips auf die anderen Verkehrsträger garantieren soll. Der Herr Abgeordnete Rademacher hat ja hier vorhin das Güterkraftverkehrsgesetz zitiert, das vor zwei Jahren verabschiedet worden ist. Man muß sagen, daß damals vielleicht eine Chance bestanden hat,
    den Gesamtverkehrsmarkt — jedenfalls insoweit, als er das Verhältnis Schiene-Straße betrifft —, befriedigend zu ordnen. Nachdem das Gesetz zwei Jahre lang beraten worden war, kam damals ziemlich in letzter Minute der Vorschlag, über den Entwurf doch wesentlich hinauszugehen und wieder das aufzurichten, was die Besatzungsmächte 1945 in ihrem Antikartelleifer zerschlagen hatten, nämlich den früheren Reichskraftwagenbetriebsverband. Es war also die Frage, ob man in diesem Güterkraftverkehrsgesetz nicht doch einen Bundeskraftwagenbetriebsverband aufrichten sollte. NeoRKB war damals das Schlagwort. Inzwischen — das habe ich auch aus der Presseverlautbarung der CDU von gestern entnommen, die mir in diesem Punkte, Herr Abgeordneter Rademacher, etwas durchaus Neues gesagt hat, denn ich habe bisher ein so klares Bekenntnis zu diesen Dingen auf der Regierungsseite nicht gekannt — scheinen also doch auf verschiedensten Seiten die Fachleute, die weder zur Schiene noch zur Straße in einem Abhängigkeitsverhältnis finanzieller oder ideologischer Art stehen, sich mehr und mehr dem Gedanken zuzuneigen, daß man das Güterkraftverkehrsgewerbe doch wieder in einem großen Verband zusammenschließen müsse, in einer großen Selbstverwaltungskörperschaft, damit man nämlich die Möglichkeit hat, dann diesem Verbande jene gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen aufzuerlegen, die die Bahn heute und schon seit eh und je hat, nämlich die Beförderungspflicht, d. h. den Kontrahierungszwang, den Tarifzwang und eine gewisse gemeinwirtschaftliche Differenzierung der Tarife. Man könnte damit erreichen, daß nun wirklich der Kraftwagen in den Flächenverkehr geht. Man müßte sicherlich intern zu einem gewissen Poolausgleich kommen, wie das auch 1936/37 in dem damaligen Reichskraftwagenbetriebsverband angefangen war. Eine solche Zusammenfassung ist vielleicht dann auch geeignet, wenn sie einmal besteht, die gegenwärtig noch notwendige starre Verkoppelung des Kraftwagentarifs mit dem Eisenbahntarif, die ja völlig kostenunecht ist, endlich einmal aufzuheben, so daß man zu einem — wie es so schön in der Fachliteratur heißt — „arteigenen", d. h. auf deutsch: kostengerechten Kraftwagentarif kommt. Diese kostenungerechte Anhängung des Kraftwagentarifs an den Eisenbahntarif, die wir heute haben — und ich betone noch einmal: man kann zur Zeit noch nicht darauf verzichten—, ist ja einer der Gründe mit, weswegen diese ganze Entwicklung des Wettbewerbs im Verkehrssektor so völlig verfälschend gegenüber den tatsächlichen Kostenrelationen verlaufen ist.
    Die Sache hätte einen weiteren Vorteil. Nicht nur der Herr Bundesverkehrsminister, sondern auch die deutsche Bundesbahn hätten in diesem Bundeskraftwagenbetriebsverband endlich einmal einen legitimierten Partner, wir hätten endlich einmal eine große Gruppe, mit der sich über diese Dinge verhandeln läßt und die man auch festlegen kann, die auch in der Lage ist, sich zu verpflichten.
    Solche Gedankengänge stammen nicht vor mir hier im Augenblick, sondern sie sind in den letzten Jahren immer wieder in der Debatte aufgetaucht und insbesondere von Nationalökonomen aus den Kreisen der Industrie- und Handelskammern und des Deutschen Industrie- und Handelstages vorgebracht worden. Ich darf mir an dieser Stelle die Bemerkung erlauben, daß die Verkehrspolitik des Deutschen Industrie- und Handelstages wesentlich objektiver und fachgerechter ist als die-


    (Schmidt [Hamburg])

    jenige des von Herrn Rademacher zitierten Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Nun hat ja Gott sei Dank der Bundesverband der Deutschen Industrie seine November-Denkschrift so klammheimlich, still und leise etwas zurückgezogen, und man sollte nicht mehr allzu viel Worte darüber verlieren. Ich habe den Eindruck, daß man in puncto Werkverkehr seine eigenen Interessen doch etwas zu sehr in den Vordergrund gestellt hatte. Aber mit besonderer Freude berufe ich mich darauf, daß die Industrie- und Handelskammern und der Industrie- und Handelstag diese Vorstellung eines Bundeskraftwagenbetriebsverbandes zum Teil bereits vertreten haben, und ich darf meinerseits anregen, Herr Minister, sich doch einmal mit diesem Lösungsvorschlag eingehend zu befassen.
    Natürlich würde aus einer solchen Regelung der Werkverkehr herausbleiben müssen.

    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Na also!)

    Man kann dem Werkverkehr keine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegen. — Sie sagen „na also", Herr Minister.

    (Abg. Dr. Bucerius: Eine andere Meinung!)

    — Wahrscheinlich differieren wir doch in dem einem oder anderen Punkt in bezug auf den Werkverkehr. Ich glaube durchaus, daß man den Werkverkehr auch in Zukunft gebraucht als Hecht im Karpfenteich; nur darf dieser Hecht nicht so groß. und stark werden, daß er die anderen legitimen Verkehrsträger, die die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und volkswirtschaftlichen Lasten im Verkehr zu tragen haben, von innen aushöhlt.
    Man muß also gewisse Mittel ersinnen, um diesen Werkverkehr im Zaum zu halten. Mir scheint vor allen Dingen das Mittel, ihn zu verbieten, we nig geeignet. Das ist ein Griff in die zwangswirtschaftliche Mottenkiste, die Sie uns immer anhängen wollen, die Sie aber selber heute benutzen. Dann kann man doch schon zu marktkonformerer, Mitteln greifen. Ich erinnere zum Beispiel an die Vorstellung einer differenzierten Beförderungsteuer. Das wäre ja nichts Neues. Schon heute haben wir Beförderungsteuersätze in Deutschland, die zwischen 2 und 16% differieren. Wie wäre es, wenn man die Beförderungsteuer einmal unter dem Gesichtspunkt differenzieren würde: wer gemeinwirtschaftliche Lasten trägt, zahlt wenig Beförderungsteuer, 2 % oder was weiß ich — die Straßenbahnen, die Eisenbahn —; wer nur einen Teil gemeinwirtschaftlicher Lasten zu tragen hat, der zahlt 6% oder etwas mehr, und derjenige, der nur nach seinem privaten Ermessen und zu seinem persönlichen Vorteil und nur unter dem Gesichtspunkt der privaten Gewinnmaximierung fährt, der zahlt eben die 16 Prozent, die heute die Obergrenze in der Beförderungsteuer darstellen. Warum versucht man nicht mit einem solchen marktkonformeren Mittel dem Werkverkehr beizukommen, das auch in die echte Kostenstruktur des Werkverkehrs eingeht, statt mit Polizeivorschriften die Sache abzuschneiden?
    Nun, Herr Bundesverkehrsminister, Ihre Zielvorstellung von der Lösung des Ordnungsproblems war eine andere. Sie haben gesprochen von der Idee der Verkehrsaufteilung. Sie möchten den großen Verkehrskuchen in einzelne Schnitten schneiden, fein säuberlich begrenzen, und jeder soll wissen, was er zu fahren hat. In diesem Sinne wollen
    Sie verbieten, daß auf der Straße gewisse Massengüter gefahren werden. Von Rohrzucker bis Kohle, und alles Mögliche darf dann nicht mehr gefahren werden, und für diese Güter soll also die Bahn wieder eine Art Monopol bekommen.
    Mir schiene es sinnvoller, statt nach Güterarten dann schon im Sinne der Ausführungen des Herrn Kollegen Rademacher nach Transportentfernungen zu teilen; denn das entspricht doch den Kostenrelationen. Es ist ja allgemein bekannt, daß der Kraftwagen auf Transportentfernungen bis zu, sagen wir, 150 km volkswirtschaftlich gesehen leistungsfähiger ist und daß auf Transportentfernungen über 150 km volkswirtschaftlich gesehen die Eisenbahn kostengünstiger ist. Wenn man schon den Verkehr aufteilen will, wäre es doch wohl zweckmäßig, ihn nach den Transportentfernungen aufzuteilen und zu sagen: Es entspricht den Selbstkostenrelationen, daß du, Kraftwagen, unter 150 km fährst, und du, Eisenbahn, über 150 km. Das würde mir schon sehr viel besser gefallen, und in diesem Sinne hat auch schon Herr Kollege Rademacher gesprochen.
    Eines muß man aber doch grundsätzlich gegen diese ganze Verkehrsaufteilung einwenden, ganz gleich, ob sie nach Gütern oder auf Grund der Transportentfernung gemacht wird. Ich meine die Gefahr, daß jede statische Verkehrsaufteilung auf die Dauer den technischen Fortschritt und die dynamische Entwicklung der Volkswirtschaft abschneidet. Sie läßt die einzelnen Verkehrsträger träge werden. Sie wissen ja, daß Ihnen gewisse Güter garantiert sind und brauchen sich nicht mehr sonderlich anzustrengen und zu rationalisieren. Ein für allemal fährt der eine diese Güter und der andere jene Güter. Eine solche starre, konservierende Politik der Besitzstanderhaltung kann meines Erachtens immer nur eine Notlösung auf Zeit sein, meinetwegen eine Notlösung auf Zeitgewinn, aber kein auf die Dauer akzeptables wirtschaftspolitisches Ziel. Dieses schöne Wort „Besitzstanderhaltung" ist ja typisch für die Interessentendebatte im Verkehr. „Verkehrsbesitzstanderhaltung", darum geht immer der Streit, um die Konservierung der Verkehrsbesitzstände.
    Ich sage also, daß diese Verkehrsbesitzstanderhaltung auf die Dauer kein akzeptables wirtschaftspolitisches Ziel ist; denn auf die Dauer, wenn einmal die Leistungsfähigkeit unseres Straßennetzes nachgezogen sein wird, muß sich ja doch wohl der säkulare Trend von der Schiene zur Straße auch fortsetzen dürfen. Wir sind uns völlig darüber klar, daß wir auf Jahre und auf Jahrzehnte und vielleicht auf Generationen hinaus die Schiene als das Rückgrat unseres ganzen Verkehrs weiterhin brauchen und daß sie deshalb auch wieder lebens- und leistungsfähig gemacht werden muß. Aber darüber hinaus wollen wir uns auch darüber klar sein, daß das nun nicht heißen kann, die ganze technische Entwicklung und die volkswirtschaftliche Dynamik an diesem Punkt abzuschneiden. Ein bißchen Luft für die Entwicklung muß doch in der Sache noch drin sein dürfen!

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich darf dann einem Vorschlag beitreten — wenn ich ihn richtig verstanden habe —, der hier in der Debatte schon gemacht worden ist. Wenn wir also bestenfalls zur Zeit nur eine Notlösung auf Zeitgewinn bekommen können, dann sollte man den damit erzielten Zeitgewinn nun aber auch aus-


    (Schmidt [Hamburg])

    nutzen, um endlich zu einem Konzept auf die Dauer zu gelangen. Da scheint es mir ganz gut, vielleicht einmal nach England oder in andere Staaten zu schauen, wo man schon längst zur Lösung dieses Problems eine Royal Commission von völlig unabhängigen Leuten eingesetzt hätte

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und wo man schon längst dafür gesorgt hätte, daß die vorhandenen Unterlagen, Gutachten und Statistiken auf den Tisch kommen, damit man darüber sprechen kann. Nirgendwo sind ja die Statistiken verlogener als in den Denkschriften unserer verschiedenen Verkehrsträger. Es muß doch endlich einmal zu einer wirklich stimmenden offiziellen Statistik kommen. Die muß auf den Tisch des Hauses und darf nicht in den Gutachten verborgen bleiben, die in den Panzerschränken des Verkehrsministeriums und der Bundesbahn liegen.
    Dann aber soll man die Pause, den Zeitgewinn, auch dazu benützen, endlich die Verkehrspartner — wie schon mehrfach gesagt — an einen Tisch zu kriegen, und nicht nur die Verkehrsträger, sondern auch diejenigen, die letzten Endes davon betroffen werden: die Verkehrsnutzer, die verladende Wirtschaft, die Fahrgäste und die Teile der deutschen Volkswirtschaft, denen der Verkehr dienen will, wie hier heute ausgeführt worden ist.
    Aber man sollte diese Pause auch dazu benützen, um beispielsweise auf diesem sehr ungeklärten Gebiet der tatsächlichen Kosten des Straßenverkehrs doch etwas voranzukommen. Herr Abgeordneter Rademacher hat meinem Kollegen Dr. Bleiß wohl etwas vorweggenommen, wenn er aus unserem Antrag, einmal diesen Selbstkostenbericht zu bekommen, seinerseits die Forderung entnommen und aufgestellt hat: Wir möchten endlich etwas hören! Aber das ist wirklich einer der entscheidenden Punkte. Wie sind denn die tatsächlichen Kostenrelationen im Straßenbau und in der ganzen Straßenunterhaltung, um zu einer Ordnung des Verkehrs zu kommen?
    Nach dieser Beschäftigung mit dem ordnungspolitischen Konzept des Herrn Bundesverkehrsministers sind vielleicht noch einige wenige Worte notwendig zu den Methoden der Durchführung, die uns hier angedeutet worden sind.
    Über die beabsichtigte polizeiliche Strangulierung des Werkverkehrs habe ich mich vorhin schon ausgesprochen. Ich kann Herrn Rademacher nur beistimmen. Diese zwangswirtschaftliche Maßnahme wird wie jede andere zwangswirtschaftliche Maßnahme nur dazu führen, daß das Verbot illegal, aber auch legal umgangen wird. Aus dem bisherigen und nunmehr verbotenen Bring-Werkverkehr wird dann ein Hol-Werkverkehr. Dann bringen eben die einen die Sachen nicht mehr weg, sondern die andern holen sie ab, und dann haben Sie wieder dieselbe Geschichte! Oder aber die Firma, die nun ihre Produkte, die sie verkaufen will, nicht mehr zu dem Kunden fahren darf, errichtet jetzt in der Stadt, in der der Kunde wohnt, eine Niederlassung, wenn auch vielleicht nur auf dem Papier, und fährt dann eben zu ihrer Niederlassung. Diese Methode wird also letzten Endes zu nichts anderem führen als nur zu einem außerordentlich umfangreichen Kontrollapparat, der doch des Problems nicht Herr werden kann.
    Nun zu dem Massengüterverbot. Da wird also argumentiert, daß die schweren Lastkraftwagenzüge mit 40 t Gesamtgewicht mit ihren Ladungen von Kohle, Eisen oder Holz die Straßen kaputtfahren. Das ist sicher richtig. Aber das ist doch nun keine Begründung dafür, daß man verbietet, auf der Straße Kohle, Eisen und Holz zu transportieren, wenn man andererseits Maschinenteile in 40-t-Lkws über die Straße ziehen darf. Das hat doch mit einer Straßenentlastung überhaupt nichts zu tun. Viel wichtiger scheint mir zu sein, einmal zu überlegen, ob es nicht doch falsch war, das höchstzulässige Gesamtgewicht unserer Lkw-Züge auf 40 t festzusetzen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben nicht nur einen schleichenden Substanzverzehr in der Bundesbahn, der durch die dankenswerte Publizitätsfreudigkeit wenigstens einiger Mitglieder des Vorstandes der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Wochen kund und offenbar geworden ist, sondern wir haben auch einen verdeckten Substanzverzehr in unserem deutschen Straßensystem. Nach zwei bis drei Jahren wird sich herausstellen, daß unsere Straßendecken für die gegenwärtige Gewichtsbelastung überhaupt nicht gebaut sind, und daß wir dann sehr viel größere jährliche Unterhaltungs- und Erneuerungsbeträge als derzeit in unseren Jahreshaushalt werden einstellen müssen.
    Wenn man also von einer Entlastung der Straße redet, dann bitte nicht mit diesem Polizeiverbot „Du darfst keinen Zucker und keine Kohle mehr fahren, sondern nur noch Spielzeug und Maschinenteile!", sondern dann muß es entscheidend auf das Gesamtgewicht ankommen, ganz gleichgültig, was für eine Fracht auf dem Wagen ist.
    Dann zur Absicht, zwischen dem Reichskraftwagentarif und dem Eisenbahngütertarif ein Gefälle herzustellen, d. h. die Eisenbahn soll in allen Relationen und Gütern etwas billiger sein als der Kraftwagen zum Ausgleich dafür, daß und insoweit die Eisenbahn eben nur von Laderampe zu Laderampe befördert und der Kraftwagen von Haus zu Haus. Mir scheint, daß das ein außerordentlich richtiges und bei der gegenwärtigen Struktur der Verkehrstarife notwendiges Prinzip ist. Ich darf nur die Frage stellen, warum diese Anregung, die bereits vor mindestens acht oder neun Monaten in der Tarifdebatte des vorigen Jahres gegeben wurde, erst heute zur Verwirklichung gelangen soll.
    Dann ein besonderes Wort zu den Omnibustarifen, die ja auch im Zuge dieser ganzen Gesetzgebung angehoben werden sollen. Herr Rademacher hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir hier einige Mißstände haben. Zur Zeit kostet der Personenkilometer auf der Schiene 6,85 Pfennig. So viel muß ich zahlen, wenn ich auf der Eisenbahn 1 km in der dritten Klasse fahre. Bei den privaten Omnibussen brauche ich nur 6 Pfennig zu bezahlen. Wenn ich also irgendwie auch nur die Wahl habe, fahre ich mit dem Omnibus. Das tun die meisten Menschen in Deutschland.
    Auf der andern Seite gewährt die Eisenbahn außerordentlich weitgehende soziale Tarife, die wir für sehr notwendig halten und die wir auch nicht angetastet sehen möchten, die aber immerhin dazu führen, daß der einzelne „Sozialfahrer" mit seiner Arbeiterwochenkarte, Schülermonatskarte oder was es immer ist, zum Teil nur 1 bis 2 Pfennig für den Kilometer zahlt. Der Omnibus gewährt solche Sozialtarife nicht; sie sind jedenfalls ganz minimal


    (Schmidt [Hamburg])

    und ganz unerheblich. Das führt also dazu, daß alle Normalfahrer, die das Geld in die Kasse bringen, auf den Omnibus abwandern und alle Sozialfahrer auf die Eisenbahn. Wenn man das jahrelang zuläßt, braucht man sich nicht zu wundern, daß die Eisenbahn nun für ihren Berufsverkehr nicht mehr tun kann, als sie heute tut, und daß diese Züge, Herr Minister, im Arbeiterberufsverkehr dann zum Teil doch recht überfüllt und unfreundlich aussehen, was Sie zwar neulich abgestritten haben; aber Herr Abgeordneter Mommer wird, glaube ich, Ihrer Aufforderung entsprechen und Ihnen das Beweismaterial dafür noch liefern.

    (Zuruf von der SPD: Wird nicht vergessen!)

    Nun soll das dadurch korrigiert werden, daß man den Omnibus-Normaltarif verteuert, von 6 auf 7 Pfennig je km heraufsetzt. Das ist immer das einfachste, durch Preiserhöhungen die Geschichte aus der Welt zu schaffen. Es wäre doch viel vernünftiger und organischer, wenn man, genau wie das auf dem Güterverkehrssektor der Fall ist, auch auf dem Omnibussektor, idem Personenverkehrssektor das ganze Tarifgefüge des Eisenbahnpersonentarifs auf den Autobusverkehr überträgt. Dann bekommt er dieselbe Normalfahrkarte für 6,8 Pfennig, muß aber auch dieselben und genau so weitgehende Sozialtarife gewähren. Das wäre ein vernünftiger Ausgleich, dabei könnte auch die Bahn existieren, und das würde nicht die Abwälzung dieses Konkurrenzproblems auf die armen Fahrgäste bedeuten.
    In diesem Zusammenhang darf ich ein paar Worte der Begründung zu unserem Antrag auf Drucksache 181 betreffend Ordnung des Omnibusverkehrs sagen. Auch dieses Antrags hat sich ja liebenswürdigerweise Herr Rademacher schon angenommen. Ich bin dafür sehr dankbar. Ich darf nur noch darauf hinweisen, daß das gegenwärtig gültige Personenbeförderungsgesetz dringend der Novellierung bedarf, nachdem überall die Verwaltung und auch die Rechtsprechung mit den gegenwärtigen gesetzlichen Grundlagen nicht mehr auszukommen in der Lage sind. Ich verweise nur auf den einen Ihnen aus der Presse bekannten, berühmten Fall Rammelmann. Ich nehme nicht materiell Stellung, sondern verweise nur darauf, daß dieser Fall seit drei Jahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden herumgezerrt wird, und seine Erledigung nicht finden kann, weil die Rechtsgrundlagen des alten Personenbeförderungsgesetzes unzureichend und unklar sind, weil die Zuständigkeiten unklar geregelt sind. Kein Mensch kann zu einer Entscheidung kommen.
    Der Herr Bundesverkehrsminister hat seit langer Zeit versucht, ein Personenbeförderungsgesetz im Kabinett durchzudrücken. Leider hat die Post immer große Schwierigkeiten gemacht. Denn der Postomnibus, das ist ja so eine Sache, die man in seiner eigenen Zuständigkeit retten muß; in die Postomnibusgeschichte darf ja kein anderer hineinreden, das ist ein ganz wesentliches Recht, ein Regal, das die Postverwaltung sich um Gottes willen bewahren muß! Da kann man also nur hoffen, daß der neue Postminister nicht nur die Briefmarken und die Telefongebühren verteuert, sondern daß er auf diesem Gebiet endlich einmal den Zuständigkeitsfimmel der Post zum Teufel schickt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das geht doch so weit, daß die Bundesbahn und die Bundespost vor den Verwaltungsgerichten der Länder gegeneinander Prozesse um die Omnibuslinien führen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Das sind doch skurrile Tatbestände. Ich darf einmal einen Satz aus den „alten Klamotten", nämlich aus dem Gutachten von Coverdale und Colpitts aus dem Jahre 1950 zitieren. Diese klugen Amerikaner schrieben damals schon in ihren Schlußfolgerungen:
    Daß eine Koordinierung und Regelung des
    Omnibusverkehrs für den Gesamtbereich der
    Bundesrepublik notwendig ist, liegt auf der
    Hand.
    Also mindestens seit 1950 liegt das auf der Hand. Warum kann es denn nun nicht endlich einmal verwirklicht werden und von der Hand in die Gesetzgebung hineinkommen?

    (Zuruf von der SPD: Das sind nach Herrn Rademacher aber bloß „alte Klamotten"!)

    — Na, ich glaube, Herr Rademacher meint das mit den „alten Klamotten" gar nicht so; das ist ihm so herausgerutscht.

    (Zuruf von der SPD: Nein, er hat es auf einen Zettel geschrieben!)

    Im zweiten Teil des Antrags bitten wir, daß nicht nur eine Koordinierung der verschiedenen Bus-Linien von Post und Bahn zustande kommt, die ja nicht nur verschiedene Tarife, sondern auch verschiedene Fahrpläne haben, so daß man nicht von der einen auf die andere umsteigen kann — beides Omnibusbetriebe, die idem Bund gehören! —, sondern daß man überhaupt einmal diese beiden Omnibusverkehre in ein gemeinsames Betriebssystem bringt, eine gemeinsame Betriebsgesellschaft mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen gründet. Da könnte man sehr viel Geld und Investitionen sparen und eine echte Rationalisierung vornehmen.
    Wir haben dann die Frage angefügt — wir bitten, sie im Schoße des Bundesverkehrsministeriums und mit den Verbänden zu besprechen —, ob man nicht vielleicht auch die privaten und die sonstigen öffentlichen Omnibuslinien in diese Gesellschaft einbeziehen oder ihnen jedenfalls die Möglichkeit geben will, mit hineinzugehen. Dann kämen wir nämlich endlich zu einem abgestimmten System auf diesem Sektor.
    Noch ein Wort muß ich leider zum Thema „Post und Bahn" sagen. Die streiten sich nicht nur bei den Omnibussen und führen Prozesse, sie haben auch auf dem Gebiet des Paketverkehrs ein ganz eigenartiges System. Es gibt in Deutschland Expreßgut, und es gibt Postpakete. Das Expreßgut wird an den Personenbahnhöfen aufgegeben und kommt von da auf verschiedenen Umwegen und Anstalten in den Expreßgutwagen, den Güterwagen des Personenzuges. Die Post nimmt die Postpakete am Postamt an; dann werden sie vom Postamt zu demselben Bahnhof gefahren und auf verschiedenen Wegen zu demselben Zug gebracht, aber nicht in den Expreßgutwagen, sondern in den Postwagen. Da fahren diese beiden Pakete, die ungefähr gleich teuer sind, in den beiden Wagen hintereinander her bis in die Stadt, in die sie kommen sollen, und werden hier wieder auf völlig verschiedenen Wegen dem Empfänger zugestellt. Eine eigenartige Geschichte! Kann man das nicht auch einmal einheitlich und sauber organisieren, also entweder Postpakete oder Expreßgut?

    (Zuruf von der SPD: Da dürfen sie [nach rechts] rationalisieren!)

    — Ja, das ist eine echte Rationalisierungsaufgabe,
    keineswegs die wichtigste, aber mir kommt es dar-


    (Schmidt [Hamburg])

    auf an, hier einmal diese skurrilen Beispiele hervorzukehren, um zu zeigen, wieviel man in den vergangenen vier Jahren versäumt hat.
    Ich darf also bitten, unsern Antrag auf Drucksache Nr. 181 dem Post- und idem Verkehrsausschuß zu überweisen, dem letzteren federführend.
    Zu dem großen Komplex des Verkehrsfinanzgesetzes möchte ich nur noch wenige Sätze sagen, da unsere Anträge, soweit sie diesen Komplex berühren, hinterher gesondert begründet werden sollen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß wir sehr dafür sind, daß heute die Kraftfahrzeugsteuern für die Pkws gesenkt werden sollen. Ich finde das ausgezeichnet. Vielleicht ist es ein Schritt auf dem Wege zu idem Ziel, daß sich endlich auch einmal der Lohnsteuerzahler in Deutschland einen Kraftwagen kaufen und ihn unterhalten kann. Ich habe in meiner Vaterstadt Hamburg im vorigen Jahr eine Untersuchung angestellt und dabei festgestellt, daß von den angeschafften fabrikneuen Pkws 96 % von Firmen gekauft wurden und nur 4 % von Privaten, d. h. von Leuten, die ihn aus ihrem versteuerten Einkommen bezahlen müssen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Angesichts dieses Zustandes wäre es doch sehr schön, wenn es nun auch einmal dem Lohnsteuerzahler erleichtert würde, sich, wenn er sparsam ist, ein kleines Wägelchen zu kaufen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Andererseits scheint uns auch die Kehrseite der Medaille wichtig zu sein, nämlich die Knickbeseitigung. Den Knick für die schweren Lkws und die schweren Omnibusse, haben wir seit 1936, seit der Aufrüstungsperiode, in der Kraftfahrzeugsteuer. Die sind damals aus rüstungswirtschaftlichen Gründen begünstigt worden. Es ist eine ganz ungerechte Sache, daß so ein schwerer Brummer im Verhältnis zu den kleinen viel zuwenig Kraftfahrzeugsteuer zahlt. Da sind wir uns völlig einig. Über das Ausmaß, in dem jetzt der Knick nach oben gebogen werden soll, kann man erst sprechen, wenn man diese Änderung der Kraftfahrzeugsteuer der zukünftigen Benzin- ud Treibstoffbelastung gegen-überhalten kann. Da möchte ich die konkrete Vorlage abwarten; wir müssen zuerst die Einzelheiten kennen, ehe wir dazu sprechen können. Auch die Erhöhung der Mineralölabgaben scheint uns im Prinzip unumgänglich zu sein, wenn man dem Straßenbau wirklich höhere Mittel als bisher zuführen will. Darüber gibt es keinen Zweifel. Ich habe mit besonderer Freude gesehen, daß sich vor wenigen Tagen auch der Arbeitsausschuß der Kraftverkehrswirtschaft dazu bekannt hat, nachdem er noch vor drei Wochen wüste Proteste und Kassandra-Rufe in die Gegend geschickt hatte. Also auch auf dieser Seite wechselt Gott sei Dank die Meinung.
    Ich kann dem Kollegen Rademacher auch in diesem Punkt wiederum nur recht geben, wenn er den Finger darauf legt: Wie ist das mit der Zweckbindung, fließt das nachher in den allgemeinen Haushalt? Ich weiß, daß gewisse Schwierigkeiten in der Haushaltssystematik und dem ganzen System unserer Finanzwirtschaft liegen. Aber nach den Erfahrungen, die wir mit der bisherigen Verwendung der Mineralölabgaben gemacht haben, scheint es doch sehr notwendig, eine Festlegung zu treffen, damit diese Mittel nicht eines Tages in andere Kanäle fließen, sondern als die vom Kraftverkehr aufgebrachten spezifischen Beiträge auch für die Straßen, zur Deckung der Straßenkosten verwandt werden.
    Was über die finanzielle Seite der Eisenbahnsanierung gesagt wurde oder vielmehr besser: von Herrn Minister Seebohm nicht gesagt wurde, hat mich sehr bedenklich gemacht. Wir haben kein Wort über ein Finanzprogramm gehört, das in die Zukunft weisen würde, kein Wort über einen Beschluß des Kabinetts in bezug auf die Abnahme der betriebsfremden Lasten. Alles idas ist in der Schwebe geblieben. Herr Minister Schäffer hat in seiner Haushaltsrede nur erklärt: Nemo ultra posse obligatur — „Ich kann nicht mehr, die Grenze ist erreicht." Was wir in diesem Punkte von Herrn Minister Seebohm vorhin zu hören bekommen haben, scheint mir einer der unbefriedigendsten Punkte in dem ganzen Gemälde zu sein.
    Die Opposition hat schon in der Debatte über die Regierungserklärung auf den legitimen Anleihebedarf der öffentlichen Hand hingewiesen, und gerade auch in der gegenwärtigen Kapitalmarktdebatte ist der folgende Hinweis von Bedeutung. Ich glaube, man kann mit allgemeinem Konsens des Hohen Hauses feststellen, daß die notwendigen Ersatz- und Wiederaufbauinvestitionen auf der Bahn und die Erweiterungsinvestitionen im Straßennetz heute tatsächlich einer der vordringlichsten und legitimsten Investitionsbereiche der deutschen Volkswirtschaft sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    An dem Anleiheproblem wird man daher nicht vorbeikommen. Wir sind gespannt darauf, im Zusammenhang mit der Vorlage des Verkehrsfinanzgesetzes darüber etwas mehr zu erfahren, als heute aus dem Munde des Herrn Bundesverkehrsministers zu erfahren gewesen ist. Das Kabinett muß sich doch auch darüber klar sein: wenn man nicht heute oder morgen die Finanzen der Bundesbahn grundlegend saniert — übrigens gilt das auch für die nicht bundeseigenen Bahnen, die meistens vergessen werden, die in genau der gleichen Finanzmisere stecken und die überdies ein Sechstel der ganzen deutschen Schienenstrecken bei sich beherbergen, was immerhin nicht unwichtig ist; sie sind auch sehr wichtige Zubringer für die Deutsche Bundesbahn; die Bundesbahn steht immer im Vordergrund der Betrachtung, aber man sollte auch einmal auf diese nicht bundeseigenen Bahnen hinweisen, die daran hängen —, wenn man also heute oder morgen keine grundlegende Sanierung der Bundesbahn vornimmt, wird man ständig diese Kassendefizite abzudecken haben, die sich einstweilen im kommenden Jahr auf 70 Millionen DM monatlich belaufen, und die Länder, die Kommunen und Kommunalverbände werden ebenfalls mit Kassendefiziten bei den nicht bundeseigenen Bahnen zu krebsen haben. Es bleibt die Frage, welche Methode dem Fiskus teurer und welche ihm billiger kommt.
    Ich darf mit den bisherigen Debatterednern die Forderung erheben: die Gesetze müssen schnell kommen, und zwar zunächst als Notlösung, als Übergangslösung. Daß es keine Endlösungen sein können, glaube ich deutlich gemacht zu haben. Wir müssen diese Gesetze, um Zeit zu gewinnen, wirklich schnell haben. Vielleicht ist es möglich, Herr Minister Seebohm, daß diese Gesetze genau so schnell verabschiedet und auf den Tisch des Hauses gelegt werden, wie Sie vorhin gesprochen haben.

    (Heiterkeit links. — Zurufe von der Mitte.)



    (Schmidt [Hamburg])

    — Ja, es war nicht immer leicht, den Darlegungen zu folgen. Man kam manchmal gar nicht mit.

    (Erneute Heiterkeit und Zurufe.)

    — Im Tempo, im Tempo! — Eine Entschuldigung aber — und das darf ich Herrn Kollegen Rümmele sagen — gilt nicht. Man kann nicht mit Schiller sagen: Der weite Weg entschuldigt euer Säumen. Es handelt sich nämlich um Umwege, und die hat Schiller nicht entschuldigt!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Damit darf ich zum Schluß kommen. Wir wissen, daß nicht alle Probleme auf einmal gelöst werden können. Jede Entwicklung muß schrittweise vor sich gehen. Aber gerade im Verkehrswesen, in dem sich seit vier oder fünf Jahren die ungelösten Probleme aufgestaut haben, ist eine besondere Anstrengung notwendig. Dabei glaube ich, der bisherige Verlauf der Debatte in diesem Hause hat gezeigt, daß das verkehrspolitische Ordnungsproblem hier wohl sehr weitgehend wird gelöst werden können; dieser Eindruck hat sich aus der bisherigen Debatte ergeben. Allerdings wird es wohl in einer anderen Weise gelöst werden müssen, als wir es bisher von der Regierungsbank vernommen haben.
    Wir haben zu diesem ganzen Komplex einige Anträge gestellt, die im Prinzip auf keinen ernsthaften Widerspruch gestoßen sind.

    (Zuruf des Abg. Dr. Bucerius.)

    — Herr Dr. Bucerius meldet an, daß der Widerspruch noch kommen soll. Oder habe ich nicht richtig verstanden?

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Bucerius.)

    — Nein, er wird zurückgezogen, also kein Widerspruch!

    (Heiterkeit links. — Zuruf von der Mitte: Abwarten!)

    Ich freue mich sehr, daß das hier ausdrücklich festgestellt wird. Es handelt sich bei diesen Anträgen auch nicht um heute noch unausgegorene Probleme, sondern wir haben diejenigen Dinge in den Vordergrund geschoben und hier einmal zur Debatte gestellt, über die sich alle diejenigen, die sich ehrlich um die Probleme bemühen, die objektive Fachwelt, einig sind. Ich gebe gern zu, daß diese Anträge, wenn Sie etwas schneller gewesen wären, genau so gut von Ihrer Seite hätten kommen können. Sie waren nur eben gehandicapt durch eine gewisse Rücksichtnahme, die Sie sich gegenüber der Regierung auferlegen mußten. Das sehe ich ein.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Wir hoffen auch, daß auf allen Seiten des Hauses die Überzeugung geteilt wird, daß die Bundesbahn auf lange, lange Zeit hinaus für die deutsche Volkswirtschaft unentbehrlich bleibt und daß ihr deswegen wieder zur Lebens- und Leistungsfähigkeit verholfen werden muß, daß aber auf der anderen Seite bestehende Fehlentwicklungen bei der Bahn nicht dadurch kuriert werden können, daß man auf der Seite der Straßen neue Fehlentwicklungen in Gang setzt; und schließlich, daß das ganze Problem nicht auf den Rücken des Dritten, nämlich des Fahrgastes und des Verladers, d. h. letztlich auf den Rücken des Verbrauchers abgeschoben werden darf.
    Zum Schluß — das hat mit der Verkehrspolitik eigentlich nichts mehr zu tun, sondern mit einem
    Bereich, der nun allerdings durch diese Verkehrspolitik außerordentlich in Mitleidenschaft gezogen wird — möchte ich an den anwesenden Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums eine Frage stellen. Herr Staatssekretär Westrick, ganz egal, welche Maßnahmen Herr Minister Seebohm im Kabinett zum Beschluß bringen wird, es ist doch deutlich, daß sie zu einer erheblichen Auftragsschrumpfung in unserer deutschen Kraftfahrzeugindustrie, so- weit sie Lkws herstellt, und in der Zubehörindustrie führen werden. Es handelt sich um Industrien mit Hunderttausenden von Beschäftigten, wenn man die Zubehörindustrien mit ins Auge faßt. Wie auch immer die Maßnahmen geartet sein werden, die man jetzt ergreift, eine sehr ernste Auswirkung auf unsere Lkw-Produktion und die Zubringerproduktion ist zu befürchten; der ist nicht auszuweichen. Tatsächlich sind unsere Produktionskapazitäten im Automobilbau und in der Zubehörindustrie im Verhältnis zu den Leistungsfähigkeiten des Straßennetzes wirklich weit in eine Disproportionalität geraten. Das muß nun langsam, aber sicher bereinigt werden. Die Frage ist: Was geschieht nun mit den Überkapazitäten der Kraftfahrzeugindustrie, da die Straße ja nicht von heute auf morgen in der Leistungsfähigkeit nachziehen kann? Wir möchten gerne wissen, welche Überleitungsmaßnahmen, welche Umstellungen in der Produktion oder welche anderen Maßnahmen die Bundesregierung ins Auge gefaßt hat, damit nicht das Unglück bei der Schiene auf dem Wege über eine gewisse Drosselung des Lkw-Verkehrs auf die Automobilproduktion und die daran hängenden Produktionsbereiche abgewälzt wird.

    (Beifall bei der SPD.)