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ID0201401300

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    2. Deutscher Bundestag — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954 407 14. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 408 B, 465 A, 467 A, C Nachruf für den verstorbenen Abg. Görlinger 408 B Glückwünsche zu den Geburtstagen des Bundesministers Kaiser und der Abg. Hepp, Dr. Leiske, Geritzmann und Frau Dietz . 408 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 24 betr. Autobahnbau FrankfurtWürzburg—Nürnberg (Drucksachen 207, 246) 408 D Beratung der Übersicht 3 über Anträge von (B) Ausschüssen des Deutschen Bundestages betr. Petitionen (Drucksache 220) . . 409 A Beschlußfassung 409 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftliche Ordnung des Verkehrswesens (Drucksache 180) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Verkehrspolitik der Bundesregierung (Drucksache 185), mit der Beratung des Antrags des Abg. Morgenthaler u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn- und Feiertagen (Drucksache 135), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ordnung des Omnibusverkehrs (Drucksache 181), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Finanz- und Verkehrskrise der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 182), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Gutachten zur Verkehrspolitik (Drucksache 183), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen (Drucksache 184) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Finanzierung der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 244) 409 A Dr. Bleiß (SPD), Anfragender . . . . 409 B Müller-Hermann (CDU/CSU), Anfragender 412 B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 414 C, 446 D Rümmele (CDU/CSU) 423 A Rademacher (FDP) 428 C Schmidt (Hamburg) (SPD) 436 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . . 451 C Morgenthaler (CDU/CSU) 455 A Jahn (Frankfurt) (SPD) . . . . 456 B, 458 A Unterbrechung der Sitzung . . 457 D Scheuren (SPD) 459 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) 459 C Baur (Augsburg) (SPD) 462 B Brück (CDU/CSU) 464 D Überweisung der Anträge Drucksachen 135 und 183 an den Ausschuß für Verkehrswesen, des Antrags Drucksache 181 an den Ausschuß für Verkehrswesen und an den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen, der Anträge Drucksachen 182, 184 und 244 an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Verkehrswesen 464 D, 465 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Wiederherstellung des einheitlichen Rechtes in der Sozialversicherung (Drucksachen 208, 10) . . 465 A Stingl (CDU/CSU), Berichterstatter 465 B Beschlußfassung 465 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Rentenversicherung (Drucksachen 209, 20) . 465 C Frau Döhring (SPD), Berichterstatterin 465 D Beschlußfassung 466 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Aufhebung der Zweiten Lohnabzugsverordnung (Drucksachen 210, 22) 466 A Meyer (Wanne-Eickel) (SPD), Berichterstatter 466 A Beschlußfassung 466 B Erste Beratung des von den Abg. Dr. Dr. h. c Müller (Bonn), Schrader u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen (Drucksache 203) 466 B Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU), Antragsteller 466 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 466 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren (Fischgesetz) (Drucksache 213) 466 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . . 466 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) . 466 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD): als Antragsteller 466 D Schriftliche Begründung 468 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 466 D Überweisung an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik, für Geld und Kredit, für Mittelstandsfragen sowie an den Rechtsausschuß 466 D Beratung des interfraktionellen Antrags betr Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) 467 A Nächste Sitzung 467 C Anlage 1: Schriftliche Begründung des Abg Schmitt (Vockenhausen) (SPD) zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betr. die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) 468 Anlage 2: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) 471 Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    468 2 Deutscher_Bundestag — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag. den 11. Februar 1954 Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 14. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Schmitt [Vockenhausen] (SPD) zur ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur .nderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) Das Teilzahlungsgeschäft hatte sich vor dem Kriege gut entwickelt und wurde dann durch den Krieg und die Nachkriegsjahre völlig zurückgeworfen. Nach der Währungsreform, vor allem aber mit dem Obergang vorn Verkäufer- zum Käufermarkt, hat es wieder sehr stark an Bedeutung gewonnen und ist in seinem Umfang heute weit über das Volumen der Vorkriegszeit hinaus gewachsen. Die verschiedenen Untersuchugen über den Anteil des Abzahlungsgeschäfts am Un tz des Einzelhandels in der. Bundesrepublik haben ergeben, daß heute rund 10 % des Einzelhandel-Umsatzes, der im Jahre 1953 nach Ermittlungen des IFOInstitutes 41,9 Milliarden DM betrug, im Teilzahlungsgeschäft getätigt werden. Das wären also rund 4 Milliarden DM. Hinzukommen noch die Abzahlungsgeschäfte unmittelbar mit der Industrie und dem Handwerk, die schätzungsweise 1,5 bis 2,5, Milliarden DM betragen dürften; so daß man die gesamten Teilzahlungsumsätze mit etwa 6 Milliarden DM annehmen Die steigende Entwicklung des Teilzahlungsgeschäfts der Nachkriegszeit ist vor allein eine Auswirkung der in der Entwicklung zurückgebliebenen Löhne und Gehälter und ein Ausfluß des erheblichen Bedarfs unserer Arbeitnehmer und des gewerblichen Mittelstandes, die mit ihren Einkommen ihren Nachholbedarf bisher noch nicht, befriedigen konnten. Wir sind der Auffassung, daß das Teilzahlungsgeschäft an sich nicht als eine ungesunde Erscheinung angesehen werden sollte. Im Gegenteil sollte heute dafür gesorgt werden, daß insbesondere • den Arbeitnehmern und dem gewerblichen Mittelstand durch das Teilzahlungsgeschäft zu günstigen Bedingungen die Möglichkeit gegeben wird, ihren Lebensstandard durch vorausgenommenen Einkauf möglichst bald zu verbessern. Im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht natürlich, daß durch jedes Teilzahlungsgeschäft vorzeitig über Kaufkraft verfügt wird, so daß sie also am Zeitpunkt ihres Entstehens nicht mehr der freien Konsumwahl zur Verfügung steht. Für jeden einzelnen bringt das gewisse Gefahren für diesen Zeitpunkt mit sich, denn sein Verdienst kann durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität oder sogar Tod unterbrochen werden. Wenn auch der Ausfall von Ratenzahlungen in unserer heutigen konjunkturellen Situation verhältnismäßig gering ist und sich nach den verschiedenen Erhebungen über das Gebiet der Teilzahlungsgeschäfte unter 1 % der Umsätze im Teilzahlungsgeschäft beläuft, so darf jedoch volkswirtschaftlich nicht übersehen werden, daß bei einem konjunkturellen Rückgang der Anteil der Ausfälle plötzlich einen viel größeren Umfang annehmen wird. Auch darf nicht verkannt werden, daß das Teilzahlungsgeschäft in Wirklichkeit für die gesamte Industrie auf die Dauer keine Belebung bringen kann. Es wird sich immer nur, weil die Massenkaufkraft leider nicht erheblich gestiegen ist, um eine Umsatzverlagerung, um eine Kaufkraftvorwegnahme, handeln, denn man kann sein Geld nur einmal ausgeben. Wir wollen also nicht vergessen, daß die Konsumausweitung durch das Einkommen begrenzt ist. Die Konjunkturreserve ist durchaus nicht unerschöpflich. Der Umfang des Teilzahlungsgeschäfts ist allerdings auch landsmannschaftlich verschieden. So sind die Menschen im Badisch-Württembergischen weniger leicht für Abzahlungsgeschäfte zu gewinnen als vor allem im Ruhrgebiet. Hier vor allem haben sich nach der übereinstimmenden Meinung aller Beteiligten offenkundige Mißstände ergeben.. Unter Berücksichtigung dieser Umstände haben wir vorgeschlagen, das Teilzahlungsgesetz von 1894, das vor 60 Jahren natürlich unter ganz anderen Umständen und Voraussetzungen geschaffen wurde, durch zeitgemäße Bestimmungen zu ergänzen. Diese Bestimmungen sollen den gesunden Teilzahlungskredit fördern, den vorhandenen Übelständen entgegenwirken und vor allem den Grundsätzen der Wahrheit, Klarheit und des sozialen Schutzes des Verbrauchers zeitgemäßen Ausdruck verleihen. Die Grundsätze der Wahrheit und des sozialen Schutzes des Verbrauchers verstehen sich von selbst. Der Grundsatz der Klarheit ist volkswirtschaftlich mit dem Grundsatz der Markttransparenz identisch. Die Markttransparenz ist einer der wichtigsten Grundsätze der Marktwirtschaft, denn es ist auf dem Markt unerläßlich, daß der 'Käufer frei nach Qualität und Preis wählen kann. Es ist aus diesem Grunde auch sehr wichtig, daß er, bevor er ein Teilzahlungsgeschäft eingeht, die Möglichkeit hat, Preisvergleiche, nämlich zwischen dem Barpreis einer Ware und dem Teilzahlungspreis einer Ware anzustellen; denn nur so hat der Verbraucher die Möglichkeit, in freier Konsumwahl diesen Grundsätzen entsprechend sich zu entscheiden. Der Käufermarkt der letzten Jahre (Schmitt [Vockenhausen]) hat erwiesen, daß vielfach versucht wird, die wirklichen Marktbedingungen zu verschleiern, wodurch der Verbraucher in seiner Konsumwahl irregeführt wird und zu leicht Verpflichtungen eingeht, über deren Tragweite und Auswirkungen er sich bei Kaufabschluß allzuoft nicht im klaren ist. Es ist uns bekannt, daß es vielfach üblich ist, daß der Verkäufer einer Ware im Teilzahlungsgeschäft durch Einholung von Informationen über die Tätigkeit, die Einkommensverhältnisse und Familienverhältnisse des Teilzahlungskunden sowie durch Inanspruchnahme der „Schufa"-Organisationen sich eingehend informiert und nur unter Berücksichtigung der besonderen privaten und finanziellen Verhältnisse des Teilzahlungskunden entsprechende Teilzahlungskredite gewährt, die nach dem Ermessen des Verkäufers tragbar sind. Allerdings wird in anderen Fällen eine solche Auslese nicht getroffen und in unverantwortlicher Weise dem Teilzahlungskunden ein Teilzahlungskredit angeboten, den der Teilzahlungskunde überhaupt nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten zu tilgen vermag. Wir sind uns darüber im klaren, daß auch dieser Gesetzentwurf nicht ausreicht, um derartige Auswüchse in allen Fällen zu verhindern. Wir haben jedoch nach eingehender Überlegung uns zunächst auf diese Vorschriften des Gesetzentwurfs beschränkt, weil wir glauben, daß dadurch wenigstens der größte Teil der Mißstände in geregelte Bahnen geführt wird. Eine Beseitigung aller Mißstände und Auswüchse im Teilzahlungsgeschäft wäre unseres Erachtens nur durch eine derartig straffe und enge Kontrolle des Teilzahlungsgeschäftes möglich, die in nicht erwünschter Form die Handlungsfreiheit im Markt wiederum einschränken würde. Hinzukommt, daß das Teilzahlungsgeschäft in der Bundesrepublik in zahlreichen unterschiedlichen Systemen vor sich geht, die eine einheitliche Erfassung in einem Gesetzentwurf kaum ermöglichen dürften. So beschränkt sich beispielsweise das Gesetz betreffend Abzahlungsgeschäfte von 1894, das der vorliegende Gesetzentwurf erweitert, lediglich darauf, die Abzahlungsgeschäfte, die außerhalb des Bankverkehrs vor sich gehen, zu erfassen. Das bedeutet, daß Teilzahlungsbanken und sonstige Kreditinstitute, die das Teilzahlungsgeschäft betreiben, . in ihrem Geschäftsverkehr von diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht erfaßt werden. Erfaßt wird von diesem Gesetzentwurf lediglich das Teilzahlungsgeschäft, das außerhalb des Bankverkehrs getätigt wird, beispielsweise in "eigener Regie des Einzelhandels, des Handwerks oder auch der Industrie. Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit das Teilzahlungsgeschäft der Banken und Kreditinstitute in eine allgemeine Regelung einbezogen werden sollte. Soweit das Teilzahlungsgeschäft von den Kreditinstituten selbst durchgeführt wird, unterliegen diese mit ihren Bedingungen der Bankenaufsicht, so daß diese jederzeit in der Lage ist, entstehende- Auswüchse von vornherein auszuschließen. Ich glaube, wenn wir den vorliegenden Entwurf beraten, sollten wir uns trotzdem auch noch einmal mit den Anregungen des Sonderausschusses Bankenaufsicht beschäftigen, in denen dem Staat zumindest eine Ermächtigung zur Festlegung eines Kredithöchstsatzes vorgeschlagen wurde. Darüber hinaus ist natürlich eine Anpassung der Konditionen der Kreditinstitute an die Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlich, um die Startgleichheit zu gewährleisten. Soweit wir aus unseren eigenen. Erfahrungen, aber auch aus den verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen zu dem Gebiet der Teilzahlungsgeschäfte in der Bundesrepublik ersehen konnten, wurden Auswüchse im Teilzahlungsgeschäft vor allem festgestellt hinsichtlich der Anzahlung bei Aufnahme des Teilzahlungskredites. Wir wollen nicht übersehen, daß es heute im Einzelhandel, im Handwerk usw. in vielen Fällen üblich ist, daß der Verkäufer im Teilzahlungsgeschäft eine Anzahlung vom Teilzahlungskunden in Höhe von 30 und sogar 35 % des kreditierten Betrags fordert. In anderen Fällen hingegen wird eine Anzahlung bei Einräumung eines Teilzahlungskredites überhaupt nicht gefordert oder nur in einem geringen,, im Verhältnis zum Kaufpreis unangemessenen Anteil. So ist es volkswirtschaftlich und im Interess der Verbraucher unverständlich, daß beispielsweisem heute Kühlschränke auf dem Markt angeboten werden mit einer Anzahlung von 20 DM, und Radios von 5 DM. Der Teilzahlungskäufer ist sich nachrewiesenermaßen bei einem solchen Teilzahlungnkauf häufig überhaupt nicht im klaren darüber, welche Verpflichtungen ihm in Zukunft bei einem solchen Abzahlungsgeschäft entstehen, wobei die Ratenzahlungen in derartigen Fällen häufig über 24 Monate hinausgehen und sich auf drei Jahre und darüber erstrecken. Damit ist der Verbraucher, dem das Angebot eines solchen Verkäufers in die Hände fällt, über Jahre hinaus in seiner freien Konsumwahl, in seiner Entscheidungsfreiheit auf dem Markt festgelegt, wobei wir ganz davon absehen wollen, auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, die sich insbesondere bei einem Konjunkturrückgang oder aus persönlichen Gründen bei dem Teilzahlungskunden 'ergeben, noch näher hinzuweisen, da dies bereits geschehen ist. Die von uns vorgeschlagenen Bestimmungen schaffen mit der Begründung einer Anzahlungspflicht beim Verbraucher Hemmungen gegen eine leichtfertige Kreditaufnahme. Wenn man schon einmal eine Anzahlung in bar leisten muß, wird man sich normalerweise doch mehr Gedanken über die Zweckmäßigkeit des Kaufs und die Möglichkeiten der Rückzahlung des Kredits machen.. Jedenfalls kommt es allzu häufig vor, daß ein Arbeiter und vor allem auch seine Ehefrau, die sich in wirtschaftlichen Fragen nicht so auskennen, zum Schluß feststellen müssen, daß sie viel tiefer in die Tasche greifen und viel länger zahlen mußten, als man beim Abschluß des Geschäfts erzählte. Es ist ja auch niemandem damit gedient, daß er beliebig viel auf Raten kaufen kann. Allzu viele Hausfrauen sind schon überredet worden und haben nachher die Folgen für sich und ihre Familien gespürt. Aber nicht nur den Verbraucher wollen wir durch durch eine solche Mindestbegrenzung des Anzahlungsanteils schützen, sondern insbesondere auch die mittelständischen Gewerbetreibenden, die infolge des starken Wettbewerbs im Teilzahlungsgeschäft miteinander häufig dazu gezwungen werden, ihren Kreditkunden unseriöse Bedingungen einzuräumen, weil ihre Konkurrenten dies auch machen. Die in dem Gesetzentwurf angegebenen Mindestgrenzen sollen auch nur als solche gedacht sein. Es wäre unerwünscht, wenn ein solcher Gesetzentwurf zur Folge haben würde, daß Teilzahlungsverkäufer, die bisher höhere Anzahlungsbeträge gefordert haben, nunmehr auf diese Mindestsätze zurückgehen. Im Gegenteil wird es von uns begrüßt, wenn diejenigen Teilzahlungsverkäufer, die sich ihrer gesamtwirtschaftlichen Verpflich- (Schmitt [Vockenhausen]) tung bei der Einräumung von Teilzahlungskrediten bewußt sind, auch weiterhin ihr Marktverhalten beibehalten. Da der Kreditnehmer oder Käufer nur in den seltensten Fällen seine finanziellen Verhältnisse über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorher beurteilen kann, ist eine Begrenzung der Laufzeit der Kredite unerläßlich. Eine solche Begrenzung ist nicht nur zum Schutz des Kreditnehmers sondern darüber hinaus auch zum Schutz der Teilzahlungsgeschäfte tätigenden mittelständischen Gewerbetreibenden dringend erforderlich, weil diese aus Konkurrenzrücksichten bisher zu Auswüchsen gezwungen wurden. Entsprechende gesetzliche Regelungen sind auch in anderen Ländern eingeführt. Im Gegensatz zu den dortigen Bestimmungen beruht der Entwurf nicht auf einer Bewertung der vom Kreditnehmer gekauften Waren, weil dieses eine weitestgehende Katalogisierung der Waren erforderlich machen würde. Ein solcher Katalog müßte laufend geändert werden, weil insbesondere auf dem technischen Gebiet immer wieder Neuerungen :auf dem Markt erscheinen. Hinzukommt, daß eine Globalregelung, beispielsweise für bestimmte Warengruppen, nicht zweckmäßig erscheint, weil die Wertspanne einer solchen Warengruppe zu unterschiedlich ist. Bei der Bekleidung würde der Wert zwischen niedrigsten Beträgen und Summen von mehreren Tausend DM, etwa bei hochwertigen Pelzmänteln, liegen. Die Einführung einer DM-Grenze erscheint daher vorteilhafter. Wir halten es auch volkswirtschaftlich für verantwortungslos, wenn Teilzahlungsgeschäfte sich in den Ratenzahlungen über zwei Jahre hinaus erstrecken. Im Gegenteil sollte es das Bestreben der Teilzahlung gewährenden Wirtschaft sein, die Ratenzahlungen möglichst noch stärker auf höchstens ein Jahr zu begrenzen. Auch hier sind die Auswüchse auf einige wenige Branchen beschränkt. Diese sind aber in ihrer Bedeutung innerhalb der Gesamtwirtschaft so groß, daß eine Behandlung. dieser Auswüchse zum Schutz des Verbrauchers in den Gesetzentwurf mit einbezogen werden mußte. Insbesondere sollte es weiterhin bei den Teilzahlung gewährenden Gewerbetreibenden Gepflogenheit bleiben, daß kurzlebige Wirtschaftsgüter. wie insbesondere Schuhe, Textilien und Bekleidung in der Regel weiterhin nur in • fünf bis sechs Monatsraten abgezahlt werden. Außerdem wäre es erwünscht, daß Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie insbesondere Lebens- und Genußmittel, überhaupt nicht in das Teilzahlungsgeschäft mit einbezogen werden. In der Regel wird in diesen Gegenständen des täglichen Bedarfs ein Teilzahlungsgeschäft auch nicht in Frage kommen, sondern viel mehr das Anschreiben. Obwohl dieses nicht erwünscht ist, dürfte jedoch die Höhe der Anschreibungsbeträge im Verhältnis zum Umsatz des Lebensmitteleinzelhandels nicht mehr so bedeutend sein wie in der Vorkriegszeit, so daß wir von einer Einbeziehung des Anschreibens, soweit es nicht mit einer Zinszahlung verbunden ist, abgesehen haben. Dasselbe gilt hinsichtlich des Ansparens, das im Einzelhandel vielfach üblich Ist, aber in der Regel keinesfalls als unerwünscht angesehen werden kann. Beim Ansparen handelt es sich darum, daß der Käufer eine Ware kauft, aber lediglich einen bestimmten Betrag anzahlt, während die Ware so lange im Besitz des Verkäufers bleibt, bis der gesamte Betrag gezahlt ist. Derartige Anspargeschäfte vollziehen sich in der Regel innerhalb eines oder zweier Monate. Allerdings gibt es hier auch Auswüchse, indem das Anspar-System von Kaufleuten angewandt wurde, die die kreditierte Ware nicht auf Lager hatten. Sie haben dann die Ware erst aus den Ansparbeträgen erworben. Ein solches Verfahren ist aber nach der neuesten Rechtsprechung unzulässig und bedürfte gegebenenfalls der Genehmigung der Bankenaufsicht. Immerhin ist es vielleicht zweckmäßig, diese Frage im Ausschuß nochmals zu erörtern. Das Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte von 1894 schloß die Kaufleute im Sinn des Handelsgesetzbuchs von den Vorschriften aus. Da heute in nicht unerheblichem Umfang mittelständische Gewerbetreibende Teilzahlungskunden sind, halten wir es zum Schutz dieser Kaufleute für notwendig, diese insoweit in die Ergänzungen dieses Gesetzes einzubeziehen, um auch ihnen im Teilzahlungsgeschäft Schutz zu gewähren. Eine Ausnahme bilden lediglich Teilzahlungsgeschäfte über einen Betrag von 100 000 DM hinaus. Wer eine Ware mit einem Wert von 100 000 DM oder mehr kaufen kann, und wem sie geliefert wird, muß normalerweise über die geschäftlichen Erfahrungen. verfügen. Die Frage der Höchstzinssätze sollte im Ausschuß im Zusammenhang mit der von mir schon erwähnten Anregung des Sonderausschusses Bankenaufsicht noch einmal besprochen werden, obwohl sich bei dem Teilzahlungsgeschäft des Einzelhandels, das ja in dem Gesetz geregelt ist, gezeigt hat, daß die Teilzahlung gewährende Wirtschaft eine gewisse Selbstbeschränkung übt, die sich aus dem Wettbewerb ergibt. Die Meinung verschiedener Wirtschaftspolitiker, daß das Teilzahlungsgeschäft in der bisherigen Form unbegrenzt weiter betrieben, ja sogar durch noch niedrigere Anzahlungen und längere Laufzeiten gefördert werden sollte, muß jedem unverständlich sein, der sich über die wirtschaftliche Tragweite einer zügellosen Konsumausweitung auf Pump im klaren ist. Wir sind uns darüber im klaren, daß wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur den Auswüchsen steuern können. Wir wollen auch nicht etwa das Teilzahlungsgeschäft an sich einschränken. Dagegen sprechen die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik, denn Beamte, Arbeiter und Angestellte sowie weite Kreise des Mittelstandes, die sich heute eine Wohnung einrichten wollen und, wenn sie überhaupt eine Wohnung haben, nicht in leeren Wänden hausen und auf Margarinekisten sitzen wollen, sind gezwungen, mit Hilfe von Abzahlungsgeschäften wieder zu Eigentum zu kommen. Der Entwurf, den wir im Interesse des Kredits des kleinen Mannes und des mittelständischen Gewerbetreibenden eingebracht haben, soll aber diese Kreise veranlassen, vor allem zu prüfen, welche Gegenstände so dringend gebraucht werden, daß ein Kreditkauf nicht zu, umgehen ist, und dem Käufer bis zum letzten zeigen, welche Belastungen er auf sich nimmt, und schließlich soll es ihn vor Übervorteilungen schützen. Ich beantrage im Namen meiner Fraktion die Überweisung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Geld und Kredit und den Rechtsausschuß. Schmitt (Vockenhausen) Bonn, den 11. Februar 1954 Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 14. Sitzung Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung dem zuständigen Ausschuß überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Ritzel und Genossen an den Haushaltsausschuß; betreffend Bundeszuschuß zum Deutschen Leder- museum in Offenbach (Main) (Drucksache 190) 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Ein- an den Haushaltsausschuß (federführend), an den fuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; 3. Antrag der Abgeordneten Arndgen, Dr. Leiske an den Haushaltsausschuß (federführend), an den und Genossen betreffend Entlastung der Ver- Ausschuß für Verkehrswesen; kehrsverhältnisse in den engen Ortsdurchfahrten im Rheingaukreis (Bundesstraße 42) (Drucksache 206) 4. Antrag der Fraktion der FDP betreffend ab- an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. gabenfreie Einfuhr von Tabakwaren im Reise- verkehr (Drucksache 217) Bonn, den 2. Februar 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
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    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ist hier der Versuchsballon gestiegen, ob man nicht die heutige Debatte um einige Wochen oder Monate vertagen könne. Wir waren der Meinung, daß die Öffentlichkeit und die Wirtschaft, die mit Recht über die gegenwärtigen Mißstände beunruhigt sind, einen Anspruch darauf haben, die Auffassung des Parlaments kennenzulernen, und mir scheint, daß der bisherige Verlauf der Debatte uns durchaus recht gegeben hat.
    Es ist doch wohl so, daß alle bisherigen Redner in weiten materiellen Bereichen einig waren. Fast alle Vorredner waren sich auch darin einig, daß sie mit der seitherigen Verkehrspolitik nicht ein-


    (Schmidt [Hamburg])

    verstanden sind. Ich halte es für notwendig, daß das Parlament rechtzeitig zu diesen Dingen Stellung nimmt, wenn auch die Vorlagen, wie Herr Kollege Rademacher gesagt hat, einstweilen nur an der Milchbar erhältlich sind. Herr Kollege Rademacher, ich habe sie auch nicht an der Milchbar gekauft, mir war ,das einstweilen auch noch zu teuer. Aber es steht ja auch in den Zeitungen, und auch Herr Bundesminister Seebohm hat hier einige Andeutungen über diese Gesetze gemacht.
    Nun hat Herr Kollege Müller-Hermann in der Begründung der CDU/CSU-Interpellation gesagt, man könne nicht das Bundesverkehrsministerium allein für die Verkehrspolitik verantwortlich machen. Darin ist ihm sicher recht zu geben. Das ganze Bundeskabinett trägt die Verantwortung für die Verkehrspolitik. Denn Verkehrspolitik wird auch im Finanzministerium gemacht, auch im Wirtschaftministerium. Sicher hat auch der alte Bundestag, Herr Kollege Müller-Hermann, seine Verantwortung für das gegenwärtige Desaster in der Verkehrswirtschaft. Aber wir müssen es ablehnen, von Ihnen mit einem Teil dieser Verantwortung belastet zu werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Sie haben mit Hilfe Ihrer Mehrheit im alten Bundestag eine Reihe sehr wesentlicher Anträge, die wir zu diesem Problem gestellt hatten, nicht zum Zuge kommen lassen. Das hat mein Kollege Dr. Bleiß schon dargetan. Wir können daher mit gutem Recht eine Mitverantwortung dafür ablehnen, daß sich nun seit vier Jahren die Probleme angesammelt und zusammengeschoben haben zu dem Gesamtkomplex, vor dem wir heute stehen.
    Ich kann auch dem sehr geschätzten Herrn Kollegen Rademacher nicht ganz beipflichten, wenn er sich hier so etwas von der Mitverantwortlichkeit freisprechen wollte; denn immerhin ist er in den vergangenen vier Jahren der Vorsitzende des Verkehrsausschusses gewesen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Andererseits bin ich allerdings Herrn Rademacher außerordentlich dankbar, daß er eine Reihe unserer Anträge so liebenswürdig und sachkundig unterstützt hat, wobei ich allerdings gleich hinzufügen möchte, daß ich den Ausdruck „alte Klamotten" für die Gutachten, die wir hier auf dem Tisch des Hauses haben wollen, nicht für unbedingt zweckmäßig halte. Gewiß, diese Gutachten stammen von Ausländern, wie Herr Kollege Rademacher gesagt hat. Aber er selber hat ja später, an anderer Stelle, durchaus das Ausland als Vorbild anerkannt, nämlich als er von der Interstate Commerce Commission in den Vereinigten Staaten sprach. Aber es ist ja egal, wer die Gutachten erstellt hat. Wichtig ist, daß in diesen Gutachten, die zum Teil seit vier Jahren hier vorliegen, Dinge stehen, die, wenn sie rechtzeitig bekanntgeworden und befolgt worden wären, verhütet hätten, daß es zu dem heutigen Debakel kam.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es scheint uns notwendig, diese Gutachten auch deswegen einmal herauszuholen, damit die Verantwortlichkeit klargestellt wird, wer und weshalb man die Vorschläge, die dort niedergelegt worden sind, nicht befolgt hat.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Herr Bundesverkehrsminister hat in seiner Beantwortung unserer Großen Anfrage zum Schluß
    eine Art Erfolgsbilanz angehängt. Die politische Fairneß verlangt, daß man die Wiederaufbauleistungen bei der deutschen Seeschiffahrt und den Anfang des Wiederauferstehens der deutschen Zivilluftfahrt anerkennt. Aber, Herr Bundesminister Dr. Seebohm, es handelt sich im Augenblick gar nicht um diese Dinge. Uns interessiert in diesem Augenblick die Passivseite Ihrer Bilanz. Zu den Aktivposten, die Sie vorgetragen haben — den Leistungen des Personals der Deutschen Bundesbahn, den Wiederaufbauleistungen auf Schiene und Straße und all den durchaus zu Recht als Aktivposten vorgebrachten Tatsachen — sind doch sehr gewichtige massive Wertberichtigungen auf der Passivseite anzubringen.
    Wir haben zunächst die Frage gestellt: Welche Maßnahmen — und mit welchem Erfolg — hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um der Eisenbahn zu helfen? Sie haben sehr ausführlich und sehr detailliert eine Reihe von Maßnahmen dargelegt. Sie haben dargelegt, das Bundeskabinett habe im Frühjahr des vorigen Jahres auf Ihren Antrag hin ein Programm für die Eisenbahn im Grundsatz gebilligt. Wir müssen aber doch insgesamt leider feststellen, daß alle diese vielen Einzelheiten, die Sie uns über die bisher ergriffenen Maßnahmen vorgetragen haben, hinsichtlich des Gesamteffektes eigentlich in dem einen Satz hätten zusammengefaßt werden können: Leider sind unsere Maßnahmen ohne wesentlichen Erfolg geblieben. Das wäre eine klare und den Tatsachen entsprechende Antwort gewesen. Denn was nützt uns ein Finanzprogramm — von dem im vorigen Frühjahr die Rede war —, wenn — nicht nur vorher, sondern auch seither — die monatlichen Verluste der Bahn ständig wachsen und wenn wir für das Jahr 1954 mit einem monatlichen Unterschuß von nunmehr 70 Millionen DM rechnen müssen.
    Nun zu der Antwort auf unsere zweite Frage, die Frage nach den Vorschlägen, die die Bahn gemacht hat. Herr Bundesminister Seebohm, Sie haben erklärt, Sie hätten die Gesetzesvorlage — die wir alle noch nicht genauer kennen — bereits ausgearbeitet und fix und fertig gehabt, ehe die Bundesbahn ihre Vorschläge gemacht habe. Da kann man nur fragen: Haben Sie denn die Bundesbahn gar nicht um ihren Rat gefragt, als Sie Ihren Gesetzentwurf machten?

    (Beifall bei der SPD.)

    Mir scheinen überhaupt ganz eigenartige Verhältnisse im Zusammenspiel zwischen Bundesbahn und Bundesverkehrsministerium zu herrschen. Ich darf z. B. darauf aufmerksam machen, daß Sie seit dem 12. Mai vorigen Jahres im Besitz eines sehr umfangreichen Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats beim Verkehrsministerium — den Sie selber ernannt haben — sind. Dieses Gutachten befaßt sich mit den verkehrspolitischen Voraussetzungen einer Tarifreform und mit dieser Tarifreform selber. Das Gutachten ist Ihnen im Mai erstattet worden. Im Juli vorigen Jahres sind die Verhandlungen gewesen, die auch der Herr Kollege Rademacher vorhin berührt hat, die Verhandlungen über die neuen Tarifmaßnahmen, die dann zum 1. August in Kraft getreten sind. Soweit mir bekanntgeworden ist — ich habe an diesen Verhandlungen ja selber teilnehmen können —, ist allen diesen Leuten, die die Tarifmaßnahmen damals beraten haben, ehe sie erlassen worden sind, das Gutachten, das schon drei Monate vorlag, überhaupt nicht in die Hand gegeben worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)



    (Schmidt [Hamburg])

    Auch die Bundesbahn selber — wenn ich einmal von der obersten Spitze absehe, das kann ich nicht beurteilen — hat in diesen Verhandlungen nicht über das Gutachten verfügt — das Sie drei Monate vorher hatten! -, das sich sehr ausführlich und sehr fundiert mit der komplexen Problematik der Verkehrspolitik und der Tarifpolitik auseinandersetzte. Mir scheint, die Frage ist gerechtfertigt: Welche Art von Zusammenarbeit herrscht da eigentlich?

    (Zustimmung bei der SPD. — Zuruf: Der sagt's ihm aber! — Heiterkeit.)

    Die Folge des Mangels an Zusammenarbeit ist nun die höchst unerfreuliche und unsachliche Auseinandersetzung, das höchst unerfreuliche Klima, das in der Verkehrswirtschaft herrscht. Es ist eine Auseinandersetzung, die in ihrer Intensität, ihrer Vitalität und in ihrer Tonart an die großen weltanschaulichen Kämpfe erinnert, die dieses Jahrhundert erschüttern. Wir haben in Deutschland geradezu eine „Eisenbahner-Weltanschauung", wir haben eine „Kraftverkehrswirtschafts-Ideologie", und der Kampf zwischen diesen vollzieht sich manchmal in denselben Formen wie der Kampf zwischen dem Kommunismus und der westlichen Lebensauffassung.

    (Heiterkeit.)

    Daß diese extremen Zustände sich so entwickelt haben, ist, glaube ich, auch in gewisser Weise auf das Konto des Herrn Bundesverkehrsministers zu bringen. Ich gebe dem Herrn Abgeordneten Rümmele völlig recht, der gesagt hat, wenn man schon in diesen Gesetzen für die Binnenschiffahrt, für die Bundesbahn, für den Güterkraftverkehr nur ganz bescheidene Ansätze zur Ordnung dieser Verkehrsträger untereinander hatte und wenn man schon in der eigenen Exekutive und Verwaltung diese bescheidenen Ansätze noch nicht einmal voll ausnutzte, dann war es doch mindestens notwendig, außerhalb der Gesetzgebung auf dem Wege der Vereinbarung, der Verhandlung, des Vertrags die einzelnen Partner einmal zusammenzubringen und in ein geordnetes System zu bringen. Diese Parole „Die Partner an einen Tisch!", die in der ganzen Zeit immer wiederholt worden ist, hätte eigentlich das Stichwort, Herr Minister Seebohm, für Sie sein müssen. Denn Sie waren doch der einzige legitimierte Einladende, der einzige legitimierte Initiator dieser Verhandlungen. Auf diesem Gebiet — ich kann Ihnen den Vorwurf abermals nicht ersparen — scheint uns ein ernster Versuch wirklich nicht gemacht worden zu sein.
    Der Herr Minister Seebohm hat auf die Frage, die ja hier im Raum liegt, warum denn das alles so sein muß und warum wir denn zu dem gegenwärtigen Debakel gekommen sind, auf die Zonentrennung hingewiesen. Diese sei schuld; die bösen Alliierten, die Deutschland in zwei Teile geschnitten haben, seien schuld an der gegenwärtigen Verkehrskrise. Das ist doch von Ihnen gesagt worden. Ich glaube, so kann man nun wirklich nicht antworten, Herr Minister.
    Sie haben weiter ausgeführt, wenn demnächst die Wiedervereinigung käme, würde die durchschnittliche Transportentfernung der Eisenbahn nicht mehr 203 km, sondern vielleicht 300 km sein; dadurch würden die Einnahmen steigen, und dann würde sich zeigen, daß die Bundesbahn wieder völlig gesund sei. Zunächst einmal darf ich einen kleinen Irrtum korrigieren. Früher, vor 1945, in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 hat die
    Durchschnittsentfernung der Eisenbahn keineswegs
    200 km betragen, sondern sie war sogar noch geringer als heute.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das werden mir die Fachleute von der Eisenbahn bestätigen. Es mag sein, daß durch die besonderen Verhältnisse in der Sowjetzone nach der Wiedervereinigung zunächst eine Vergrößerung der durchschnittlichen Transportweite eintritt; keineswegs wird aber eine so große Steigerung eintreten. Insbesondere bringt das auch größere Kosten, Herr Minister Seebohm. Wenn ich 300 km weit fahre, muß ich eben auch die Kosten für 300 km aufbringen. Abschließend zu diesem Thema darf man vielleicht noch sagen, so wichtig und so dringend uns allen die Wiedervereinigung mit der Sowjetzone am Herzen liegt und sosehr wir hoffen, daß sie möglichst bald geschieht, sowenig kann die Verkehrspolitik sich darauf verlassen, daß einzig und allein durch dieses Ereignis die gegenwärtige Misere wieder in Ordnung kommt.
    Welches sind die Gründe der gegenwärtigen Verkehrskrise? Oder nehmen wir dafür ein anderes Wort, wenngleich mir das nur ein Streit um Be- griffe zu sein scheint. Der Herr Minister Seebohm und auch der Herr Abgeordnete Rademacher haben sich ja gegen das Wort Verkehrskrise gewehrt. Ich bin gern bereit, mit Ihrer gütigen Erlaubnis, Herr Minister Seebohm, statt dessen das Wort Krise der Verkehrspolitik zu setzen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Welches sind nun eigentlich die Gründe für diese gegenwärtige Krise der Verkehrspolitik? Da muß man wohl erstens sagen: die Bundesverkehrspolitik hat nicht die notwendige Zivilcourage gegenüber den widerstreitenden Auffassungen dieser erratischen Interessenblöcke besessen, die wir auf diesem Gebiet in Deutschland haben. Zweitens hat sie vor allem selber — und das ist noch wichtiger — viel zu spät erkannt, daß wir in diese Krise hineingewurstelt sind. Drittens — nachdem das nun glücklich erkannt wurde — liegt offenbar bis heute noch kein ökonomisches Konzept dafür vor, wie man dann mit der Sache fertig werden will.

    (Abg. Schmidt-Wittmack: Wie in Hamburg!)

    — Wir sind hier in Bonn, wir reden von der Bonner Verkehrspolitik, Herr Kollege Schmidt-Wittmack. Diese Ablenkungsversuche, wie manche Ablenkungsversuche vorhin, sollten uns von dem eigentlichen Thema, das hier — Hic Rhodus, hic salta! -- zu behandeln ist, nicht abbringen.
    Ich darf meine Behauptung von der jahrelangen Konzeptionslosigkeit des Bundesverkehrsministeriums mit ein paar kleinen Randvignetten illustrieren. Ich darf z. B. darauf aufmerksam machen, daß das Bundesverkehrsministerium genau wie andere Ministerien in Fachabteilungen gegliedert ist: Straßenbau, Straßenverkehr, Binnenschiffahrt, Seeschiffahrt, Luftfahrt, Eisenbahn usw. Diese Fachabteilungen sind bestimmt nicht schlechter als die Fachabteilungen anderer Ministerien. Aber neben diesen Fachabteilungen gab es eine allgemeine Verwaltungsabteilung, die bis zum 1. Januar 1953 auch die Verkehrspolitik machte, nämlich das, was oberhalb dieser Fachabteilungen im zusammenfassenden Blick geschehen mußte. Erst vor einem Jahr hat man sich dort entschlossen, an die Stelle des armen Referenten, eines Ministerialrats, der die schwierige Aufgabe der Verkehrskoordination in Deutschland hatte, nunmehr eine verkehrspoliti-


    (Schmidt [Hamburg])

    sche Abteilung mit einem Ministerialdirigenten und soundso viel Referenten zu setzen. Ich glaube daraus schließen zu dürfen, daß man sich erst vor Jahresfrist darüber klargeworden ist, daß die eigentliche Verkehrspolitik nicht lediglich in der Finanzierung von Straßen- oder Kanalbauten oder in der technischen Planung von Kanalbauten und nicht nur darin liegt, die Straßenverkehrsordnung alle Jahre einmal zu ändern, sondern daß das wesentliche Problem eben in der zusammenfassenden Ordnung aller Verkehrsträger liegt.
    Und eine andere kleine Randvignette! Da hat mir Herr Kollege Rademacher leider etwas vorweggenommen. Herr Minister Seebohm, Sie haben das von meinem Kollegen Dr. Bleiß benutzte Wort der Koordination leise mißbilligt und haben davon gesprochen, daß, wenn man die Argumente nicht hat, man die Fremdworte bemüht. Herr Abgeordneter Rademacher hat Sie schon darauf hingewiesen, daß Sie selber im vergangenen Jahr ständig den etwas verniedlichenden, übrigens aus der Schumanplan-Terminologie übernommenen Ausdruck „Harmonisierung" gebraucht haben, so ungefähr nach dem Motto einer großen norddeutschen Zeitung: Seid nett zueinander! Schleifen wir doch die Kanten ab, harmonisieren wir doch das Ganze ein bißchen!

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    An dieser Stelle muß ich auch auf die Ausführungen von Herrn Müller-Hermann eingehen, der sich ausführlich mit der klar und zielstrebig durchgeführten Konzeption des Herrn Bundeswirtschaftsministers beschäftigt hat. Mir scheint, das war auch ein Ablenkungsmanöver. Aber vielleicht können wir diesem Beispiel eins entnehmen: genau so, wie auf Grund seiner Konzeption der Herr Bundeswirtschaftsminister vor dem harten und haarigen ordnungspolitischen Problem der Kartellfrage steht, genau so, Herr Minister Seebohm, stehen Sie nicht vor der Frage der Harmonisierung, sondern vor der genau so harten und haarigen ordnungspolitischen Frage der gemeinwirtschaftlichen Ordnung im Verkehr. Aber der Streit um die Begriffe, wie man das nennt, scheint mir ziemlich unerheblich zu sein. Wenn man schon hier aus dem Schumanplan das Wort Harmonisierung übernimmt, darf ich bei der Gelegenheit die Bitte äußern, daß wir gelegentlich einmal etwas über die außerordentlichen Probleme zu hören bekommen, die dem deutschen Verkehrswesen aus dem Schumanplan bereits erwachsen sind und in Zukunft noch erwachsen werden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich darf aber noch ein letztes kleines Schlaglicht auf die Konzeptionslangsamkeit im Verkehrsministerium werfen. Ich sprach bereits von dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats, das uns vor wenigen Tagen in die Postfächer gelegt worden ist. Dieses Gutachten ist am 12. Mai vorigen Jahres erstattet worden. Ich will mich nicht länger über das eigenartige Wunder auslassen, daß ausgerechnet in einem Zeitpunkt, wo die Sozialdemokraten einen Antrag stellen, daß dieses Gutachten vorgelegt werde, das Gutachten sich in unseren Postkästen einfindet, nach drei Vierteljahren.
    Aber lassen wir das beiseite. Ich will nur davon sprechen, daß der Auftrag, den das Bundesverkehrsministerium seinem Wissenschaftlichen Beirat gegeben hat — dieser Auftrag datiert vom Frühjahr 1951 —, lautete, Vorschläge für eine Reform des deutschen Eisenbahngütertarifs vorzulegen.
    Und zwei Jahre später, im Mai vorigen Jahres, als das Gutachten abgeliefert wird, belehrt der Wissenschaftliche Beirat das Bundesverkehrsministerium darüber, daß man überhaupt keine Vorschläge für die Reform des Eisenbahngütertarifs machen könne, wenn man nicht zuvor die verkehrspolitischen Voraussetzungen geklärt habe, unter denen diese Tarifreform stattfinden solle. Dann sind allerdings die Ausführungen des Gutachtens über die verkehrspolitischen Voraussetzungen genau so lang wie die Ausführungen zu dem vom Verkehrsministerium gestellten Teilthema Tarifpolitik. Nun hat Herr Bundesverkehrsminister Seebohm heute selbst ausgeführt, daß man in der gegenwärtigen Situation mit tarifpolitischen Mitteln allein nicht mehr auskäme, und in dieser Erkenntnis wird er sicherlich von allen gestützt werden, die hier anwesend sind. Es geht eben nicht an, daß man einen schwerkranken Mann, nämlich den deutschen Verkehr, einfach nur in das Streckbett der Tarife packt und glaubt, er wird davon gesunden, sondern man muß dann auch noch ein wenig Therapie an diesem Kranken treiben, und ehe man eine Therapie treibt, muß man eine Diagnose stellen. Nun, das Bundesverkehrsministerium scheint in den letzten Monaten bereit, zu einer gründlichen Diagnose und zu einer neuen Therapie kommen zu wollen. Insofern scheint also aus dem Saulus ein Paulus geworden zu sein.
    Vielleicht dürfen wir nun diese Betrachtung der bisherigen Verkehrspolitik, diese Erfolgsbilanz, mit einem Schlußstrich abschließen. Herr Präsident, ich darf wohl als Schlußstrich unter diese Erfolgsbilanz statt einer eigenen Meinung die Meinung einer völlig unverdächtigen, mit der Sozialdemokratie in keinerlei Zusammenhang stehenden großen deutschen Wirtschaftszeitung zitieren. Ich meine das „Handelsblatt", das in seiner Nummer vom 8. Januar 1954 in einem Leitartikel diese Verkehrskrise behandelt hat. Nach der Frage in bezug auf die Verantwortlichkeit für dieses „unerträgliche Dilemma", wie es dort heißt, wird dann weiter ausgeführt — ich zitiere wörtlich --:
    ,.Wie dem auch sei, was wir erleben, ist jedenfalls ein klares Fiasko der bisherigen Verkehrspolitik."
    Meine Damen und Herren, unsere Fraktion schließt sich in diesem Punkte durchaus den Ausführungen des „Handelsblatts" an.

    (Beifall bei der SPD.)

    Es bliebe vielleicht noch die Frage, ob man danach nicht so sehr von einer Erfolgsbilanz, als vielmehr von einer Liquidationsbilanz sprechen sollte.
    Nun aber zu den Antworten, die uns zu den Fragen 3 und 4 gegeben worden sind. Ich darf die Frage 4 vorziehen, die darauf abzielte, ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zur Aufrechterhaltung der gemeinwirtschaftlichen Tarifgebarung und Verkehrsbedienung der Bundesbahn zu erhalten. Diese Antwort haben wir bekommen. Wir sind dafür sehr dankbar und stellen mit Befriedigung fest, daß sich in diesem Punkte offenbar alle Fraktionen des Hauses einig sind. Immerhin muß ich da doch eine kleine Besorgnis zum Ausdruck bringen. Ich habe nämlich in dem Vierjahresbericht, den Sie, Herr Minister Seebohm, vor einigen Monaten über die vergangenen vier Jahre deutscher Verkehrspolitik vorgelegt haben, gelesen, daß Sie an dem Prinzip der Gemeinwirtschaftlichkeit im wesentlichen festhalten wollen. Ich darf mir die Frage erlauben, was mit dieser Einschränkung


    (Schmidt [Hamburg])

    gemeint ist, denn die liegt ja doch darin. Ich darf auch an den Herrn Abgeordneten Rademacher, der sich mit diesem Prinzip befaßt hat, ausdrücklich die Frage stellen, wie weit die Einschränkungen gehen sollen, von denen er gesprochen hat. Wo sollen die Grenzen liegen? Ich hätte mir das einmal gern etwas näher und deutlicher erläutern lassen. Vielleicht ist dazu Gelegenheit, wenn die Verkehrsgesetzentwürfe dem Hohen Hause vorgelegt werden; denn es kann ja gar kein Zweifel darüber bestehen, daß, wenn auch dieses Haus keine Befugnisse in bezug auf die Eisenbahntarife haben sollte, sondern nur in bezug auf die Gesetzgebung, es doch notwendig sein wird, bei der Meinungsbildung über die Gesetze auch die beabsichtigte Tarifpolitik unter die Lupe zu nehmen, denn beides zusammen ergibt erst das Ganze. Wir werden uns also bei jener Gelegenheit erneut über das Prinzip und über die Tragfähigkeit des Prinzips der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung unterhalten müssen.
    Eins darf ich an dieser Stelle schon sagen: Wenn etwa nun die Sozialtarife und die Massenguttarife en bloc angehoben werden sollen, dann werden wir — und das möchten wir mit allem Nachdruck erklären — niemals zustimmen, daß der kleine Mann, der Fahrgast, die Fehler der bisherigen Politik ausbadet, und auch nicht der kleine Fuhrunternehmer. Tarifpolitischen Maßnahmen, die auf Anhebung des Gesamtniveaus hinauslaufen — Sie haben, Herr Minister, in den letzten Tagen immer wieder vor der Presse erklärt, daß Sie das beabsichtigen —, kann man erst dann zustimmen, wenn man die Gewähr dafür hat, daß der Gesamtrahmen Ihrer übrigen Maßnahmen und der Gesetzgebung wirklich zu einem Erfolg führt. Sonst bleibt es nämlich dabei, daß auf dem Wege über die Tarife alles auf die Schultern des kleinen Mannes, des Verladers, des Fahrgastes, letzten Endes des Verbrauchers, abgewälzt wird.
    Nun zu Punkt 3 unserer Großen Anfrage — das scheint mir das Wesentlichste zu sein —:
    Welche Maßnahmen und Gesetze zur Behebung der Eisenbahn-Krise und zur Herstellung einer volkswirtschaftlich zweckmäßigen Ordnung des deutschen Binnenverkehrs hat die Bundesregierung in Aussicht genommen?
    Aber ehe ich mich mit Ihrer Antwort beschäftige, Herr Minister, darf ich noch einmal auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zurückkommen. Es ist eine beinahe unerschöpfliche Quelle für die Diskussion. Wenn man es durchsieht, wird man darin viele klare, sorgfältig erarbeitete und richtige Gedanken finden, die uns heute morgen in Ihrer Antwort, Herr Minister Seebohm, gefehlt haben. Ich darf vielleicht, Herr Präsident, einen einzigen Satz vorlesen. Auf der ersten Seite dieses Gutachtens steht unter der Überschrift „Ziele der Neuordnung" folgender Satz:
    Die möglichst vollkommene Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse der Volkswirtschaft erfordert, daß nicht nur die staatlichen, sondern auch die privatwirtschaftlich betriebenen Verkehrsmittel auf eine gemeinwirtschaftliche Bedienung des Verkehrs im Rahmen des nach ihrer Kostenstruktur und Leistungsart Möglichen ausgerichtet werden.
    Dieser Grundgedanke, mit dem das ganze Kernproblem in einem einzigen Satz in seiner Lösung schon angedeutet und formuliert ist, wird dann im weiteren Teil des Gutachtens sehr sorgfältig behandelt. Herr Minister Seebohm, um diese Lösung des Kernproblems haben Sie sich in Ihrer einstündigen Rede allerdings wie die bekannte Katze um den bekannten Brei herumgedrückt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Denn das Kernproblem, darüber sind wir uns doch klar, ist nicht nur, daß den einzelnen Verkehrsträgern ihre anteiligen Kasten, die Wegekosten usw. zugelastet werden, sondern darüber hinaus, daß der eine Verkehrsträger, die Bahn, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zu erfüllen, gemeinwirtschaftliche Leistungen zu erbringen hat, während die andren Verkehrsträger nach dem — durchaus legitimen — privatwirtschaftlichen Prinzip der Gewinnmaximierung arbeiten, abgesehen von gewissen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die ich hier nicht bagatellisieren will, die auch beim gewerblichen Kraftwagenverkehr gegeben sind. Alle Thesen, die man heute immer wieder hört und die ich im Prinzip durchaus bejahen möchte, über die Herstellung gleicher Startbedingungen für die einzelnen Verkehrszweige bleiben doch so lange Lippenbekenntnisse, als man nicht auch in bezug auf die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen gleiche Startverhältnisse herstellt. Es ist doch ein Unsinn, zu glauben, daß sich nur durch eine richtige Kostenzulastung in bezug auf die Wegekosten schon irgendwie gleiche Startverhältnisse herstellen lassen, sondern das muß insbesondere in bezug auf die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und Aufgaben geschehen. Nur wenn ich auch hier gleiche Verhältnisse, gleiche Startbedingungen schaffe, kann ich im Ernst davon reden, daß nunmehr ein echter Leistungswettbewerb möglich wird, der auf gleichen Startchancen beruht.
    Für diese Übertragung und für diese Aufbürdung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen auch auf den Kraftwagenverkehr und auf die Binnenschiffahrt — um sie nicht ganz zu vergessen — und damit für die Herstellung gleicher Startchancen gibt es im Prinzip eigentlich nur drei Möglichkeiten. Entweder man sagt, wir verzichten bei allen Verkehrsträgern auf das gemeinwirtschaftliche Prinzip; dann sind sie gleichgestellt. Diese Möglicheit kommt nicht in Frage, kein Mensch hier im Hause will das, sie scheidet also aus. Die zweite Möglichkeit wäre, daß man, wenn die Eisenbahn diese gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen zu tragen hat, der Kraftwagenverkehr aber nicht, diesem Kraftwagenverkehr eine irgendwie geartete Ausgleichsabgabe, ein irgendwie gearteter Finanzausgleich oder Lastenausgleich auferlegt wird. Das will man offenbar auch nicht. Dann bleibt nur die dritte Möglichkeit. Das ist die vom Wissenschaftlichen Beirat einstimmig empfohlene Lösung, daß man eben allen Verkehrsträgern die gleichen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auferlegt,. insbesondere dem Kraftverkehr.
    Ehe ich mich nun der Frage zuwende, wie denn dies zu ermöglichen wäre, darf ich mich vorweg — quasi in Form eines Exkurses—der hypothetischen Frage zuwenden, wie denn dieses Marktordnungsproblem im Verkehr liegen würde, wenn wir das Problem der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen nicht hätten. Diese Auseinandersetzung scheint mir insbesondere deswegen notwendig zu sein, weil es nicht nur im Bundeswirtschaftsministerium, sondern auch sonst in der Wirtschaft gewisse Kreise gibt, die eine möglichst wettbewerbs-


    (Schmidt [Hamburg])

    wirtschaftlich orientierte Verfassung des Verkehrswesens wünschen.
    Die Wettbewerbswirtschaft und ihre Ideologie in Deutschland heute, die sich ja auf die neoliberale Schule stützt, wird bei den Erzvätern dieser Schule, bei den Professoren Eucken, Röpke und MüllerArmack sowie auch bei dem hier anwesenden verehrten Kollegen Professor Böhm nichts zu diesem Verkehrsordnungsproblem finden. Ich habe versucht, in den Schriften der neoliberalen Schule gerade dieses Problem zu finden, das ja für fast alle Länder der Welt vorliegt, also kein singuläres Problem Deutschlands in diesem Zeitpunkt darstellt. Aber zu dieser Frage hat sich die neoliberale Schule nicht geäußert mit einer Ausnahme, nämlich Leonhard Miksch in dem bekannten Buch „Wettbewerb als Aufgabe", wo er sich auf zehn Seiten mit dem Verkehrsproblem beschäftigt und eine historische Darstellung der Entwicklung gibt, die zum Schluß in dem Satz gipfelt, daß die Kosten der einzelnen Verkehrsarten als Regulativ für die Verkehrslenkung betrachtet werden müssen. Er spricht auch ausdrücklich von staatlicher Verkehrsaufsicht. Das sage ich nur an die Adresse des Bundeswirtschaftsministeriums, das sich ja ansonsten immer auf die neoliberale Schule beruft.
    Wie ist es nun, wenn man die markttheoretischen Grundlagen der neoliberalen Schule einmal hervorzieht? Ich darf da einen Aufsatz zitieren, den Herr Professor A l f o n s Schmitt in der Buch-Reihe „Ordo" — das sind ja die Apokryphen der neoliberalen Schule — über die Verkehrsfrage geschrieben hat. Dieser Aufsatz ist also in diese Apokryphen aufgenommen worden. Wenn man diese Veröffentlichung liest, kommt man zu der Überzeugung, daß, markttheoretisch gesehen, das ganze Binnenverkehrssystem bei uns in einem Gesamtzusammenhang steht: ein Gesamtverkehrsmarkt mit vielen verschiedenen Teilmärkten, die aber immer miteinander zusammenhängen, weil man von dem einen auf den anderen ausweichen kann. Es gibt also, wie vielleicht Theoretiker sagen würden, unzählige Substitutionsmöglichkeiten, und daher ist es gerechtfertigt, das gesamte Verkehrswesen als einen großen Gesamtverkehrsmarkt anzusehen, der teilmonopolistische und teiloligopolistische Struktur hat. Die Markttheoretiker — ich hoffe, daß der Herr Kollege Böhm mit dem Kopfe nicken wird, wenn ich das sage — sind sich seit je darüber klar, daß man einen teils monopolistischen, teils oligopolistischen Markt sich niemals selbst überlassen darf, weil er die Tendenz zum Ungleichgewicht in sich trägt. Man könnte höchstens auf die Idee verfallen, die Bundesbahn zu atomisieren, in tausend Teile aufzuspalten; dann würde man vielleicht einen konkurrenzwirtschaftlichen Verkehr haben. Da das kein Mensch will, muß man auch vom Gesichtspunkt der Markttheorie her einsehen, daß der Verkehrsmarkt eine Sache ist, die nicht der bloßen Wettbewerbswirtschaft, dem freien Konkurrenzkampf überlassen werden kann, sondern von Staats wegen geordnet werden muß.
    Nun ist die Frage, wie diese Marktverfassung aussehen soll, wenn sie insbesondere nicht nur die Ordnung, sondern auch die Aufrechterhaltung und die Auflastung des gemeinschaftlichen Prinzips auf die anderen Verkehrsträger garantieren soll. Der Herr Abgeordnete Rademacher hat ja hier vorhin das Güterkraftverkehrsgesetz zitiert, das vor zwei Jahren verabschiedet worden ist. Man muß sagen, daß damals vielleicht eine Chance bestanden hat,
    den Gesamtverkehrsmarkt — jedenfalls insoweit, als er das Verhältnis Schiene-Straße betrifft —, befriedigend zu ordnen. Nachdem das Gesetz zwei Jahre lang beraten worden war, kam damals ziemlich in letzter Minute der Vorschlag, über den Entwurf doch wesentlich hinauszugehen und wieder das aufzurichten, was die Besatzungsmächte 1945 in ihrem Antikartelleifer zerschlagen hatten, nämlich den früheren Reichskraftwagenbetriebsverband. Es war also die Frage, ob man in diesem Güterkraftverkehrsgesetz nicht doch einen Bundeskraftwagenbetriebsverband aufrichten sollte. NeoRKB war damals das Schlagwort. Inzwischen — das habe ich auch aus der Presseverlautbarung der CDU von gestern entnommen, die mir in diesem Punkte, Herr Abgeordneter Rademacher, etwas durchaus Neues gesagt hat, denn ich habe bisher ein so klares Bekenntnis zu diesen Dingen auf der Regierungsseite nicht gekannt — scheinen also doch auf verschiedensten Seiten die Fachleute, die weder zur Schiene noch zur Straße in einem Abhängigkeitsverhältnis finanzieller oder ideologischer Art stehen, sich mehr und mehr dem Gedanken zuzuneigen, daß man das Güterkraftverkehrsgewerbe doch wieder in einem großen Verband zusammenschließen müsse, in einer großen Selbstverwaltungskörperschaft, damit man nämlich die Möglichkeit hat, dann diesem Verbande jene gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen aufzuerlegen, die die Bahn heute und schon seit eh und je hat, nämlich die Beförderungspflicht, d. h. den Kontrahierungszwang, den Tarifzwang und eine gewisse gemeinwirtschaftliche Differenzierung der Tarife. Man könnte damit erreichen, daß nun wirklich der Kraftwagen in den Flächenverkehr geht. Man müßte sicherlich intern zu einem gewissen Poolausgleich kommen, wie das auch 1936/37 in dem damaligen Reichskraftwagenbetriebsverband angefangen war. Eine solche Zusammenfassung ist vielleicht dann auch geeignet, wenn sie einmal besteht, die gegenwärtig noch notwendige starre Verkoppelung des Kraftwagentarifs mit dem Eisenbahntarif, die ja völlig kostenunecht ist, endlich einmal aufzuheben, so daß man zu einem — wie es so schön in der Fachliteratur heißt — „arteigenen", d. h. auf deutsch: kostengerechten Kraftwagentarif kommt. Diese kostenungerechte Anhängung des Kraftwagentarifs an den Eisenbahntarif, die wir heute haben — und ich betone noch einmal: man kann zur Zeit noch nicht darauf verzichten—, ist ja einer der Gründe mit, weswegen diese ganze Entwicklung des Wettbewerbs im Verkehrssektor so völlig verfälschend gegenüber den tatsächlichen Kostenrelationen verlaufen ist.
    Die Sache hätte einen weiteren Vorteil. Nicht nur der Herr Bundesverkehrsminister, sondern auch die deutsche Bundesbahn hätten in diesem Bundeskraftwagenbetriebsverband endlich einmal einen legitimierten Partner, wir hätten endlich einmal eine große Gruppe, mit der sich über diese Dinge verhandeln läßt und die man auch festlegen kann, die auch in der Lage ist, sich zu verpflichten.
    Solche Gedankengänge stammen nicht vor mir hier im Augenblick, sondern sie sind in den letzten Jahren immer wieder in der Debatte aufgetaucht und insbesondere von Nationalökonomen aus den Kreisen der Industrie- und Handelskammern und des Deutschen Industrie- und Handelstages vorgebracht worden. Ich darf mir an dieser Stelle die Bemerkung erlauben, daß die Verkehrspolitik des Deutschen Industrie- und Handelstages wesentlich objektiver und fachgerechter ist als die-


    (Schmidt [Hamburg])

    jenige des von Herrn Rademacher zitierten Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Nun hat ja Gott sei Dank der Bundesverband der Deutschen Industrie seine November-Denkschrift so klammheimlich, still und leise etwas zurückgezogen, und man sollte nicht mehr allzu viel Worte darüber verlieren. Ich habe den Eindruck, daß man in puncto Werkverkehr seine eigenen Interessen doch etwas zu sehr in den Vordergrund gestellt hatte. Aber mit besonderer Freude berufe ich mich darauf, daß die Industrie- und Handelskammern und der Industrie- und Handelstag diese Vorstellung eines Bundeskraftwagenbetriebsverbandes zum Teil bereits vertreten haben, und ich darf meinerseits anregen, Herr Minister, sich doch einmal mit diesem Lösungsvorschlag eingehend zu befassen.
    Natürlich würde aus einer solchen Regelung der Werkverkehr herausbleiben müssen.

    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Na also!)

    Man kann dem Werkverkehr keine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegen. — Sie sagen „na also", Herr Minister.

    (Abg. Dr. Bucerius: Eine andere Meinung!)

    — Wahrscheinlich differieren wir doch in dem einem oder anderen Punkt in bezug auf den Werkverkehr. Ich glaube durchaus, daß man den Werkverkehr auch in Zukunft gebraucht als Hecht im Karpfenteich; nur darf dieser Hecht nicht so groß. und stark werden, daß er die anderen legitimen Verkehrsträger, die die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen und volkswirtschaftlichen Lasten im Verkehr zu tragen haben, von innen aushöhlt.
    Man muß also gewisse Mittel ersinnen, um diesen Werkverkehr im Zaum zu halten. Mir scheint vor allen Dingen das Mittel, ihn zu verbieten, we nig geeignet. Das ist ein Griff in die zwangswirtschaftliche Mottenkiste, die Sie uns immer anhängen wollen, die Sie aber selber heute benutzen. Dann kann man doch schon zu marktkonformerer, Mitteln greifen. Ich erinnere zum Beispiel an die Vorstellung einer differenzierten Beförderungsteuer. Das wäre ja nichts Neues. Schon heute haben wir Beförderungsteuersätze in Deutschland, die zwischen 2 und 16% differieren. Wie wäre es, wenn man die Beförderungsteuer einmal unter dem Gesichtspunkt differenzieren würde: wer gemeinwirtschaftliche Lasten trägt, zahlt wenig Beförderungsteuer, 2 % oder was weiß ich — die Straßenbahnen, die Eisenbahn —; wer nur einen Teil gemeinwirtschaftlicher Lasten zu tragen hat, der zahlt 6% oder etwas mehr, und derjenige, der nur nach seinem privaten Ermessen und zu seinem persönlichen Vorteil und nur unter dem Gesichtspunkt der privaten Gewinnmaximierung fährt, der zahlt eben die 16 Prozent, die heute die Obergrenze in der Beförderungsteuer darstellen. Warum versucht man nicht mit einem solchen marktkonformeren Mittel dem Werkverkehr beizukommen, das auch in die echte Kostenstruktur des Werkverkehrs eingeht, statt mit Polizeivorschriften die Sache abzuschneiden?
    Nun, Herr Bundesverkehrsminister, Ihre Zielvorstellung von der Lösung des Ordnungsproblems war eine andere. Sie haben gesprochen von der Idee der Verkehrsaufteilung. Sie möchten den großen Verkehrskuchen in einzelne Schnitten schneiden, fein säuberlich begrenzen, und jeder soll wissen, was er zu fahren hat. In diesem Sinne wollen
    Sie verbieten, daß auf der Straße gewisse Massengüter gefahren werden. Von Rohrzucker bis Kohle, und alles Mögliche darf dann nicht mehr gefahren werden, und für diese Güter soll also die Bahn wieder eine Art Monopol bekommen.
    Mir schiene es sinnvoller, statt nach Güterarten dann schon im Sinne der Ausführungen des Herrn Kollegen Rademacher nach Transportentfernungen zu teilen; denn das entspricht doch den Kostenrelationen. Es ist ja allgemein bekannt, daß der Kraftwagen auf Transportentfernungen bis zu, sagen wir, 150 km volkswirtschaftlich gesehen leistungsfähiger ist und daß auf Transportentfernungen über 150 km volkswirtschaftlich gesehen die Eisenbahn kostengünstiger ist. Wenn man schon den Verkehr aufteilen will, wäre es doch wohl zweckmäßig, ihn nach den Transportentfernungen aufzuteilen und zu sagen: Es entspricht den Selbstkostenrelationen, daß du, Kraftwagen, unter 150 km fährst, und du, Eisenbahn, über 150 km. Das würde mir schon sehr viel besser gefallen, und in diesem Sinne hat auch schon Herr Kollege Rademacher gesprochen.
    Eines muß man aber doch grundsätzlich gegen diese ganze Verkehrsaufteilung einwenden, ganz gleich, ob sie nach Gütern oder auf Grund der Transportentfernung gemacht wird. Ich meine die Gefahr, daß jede statische Verkehrsaufteilung auf die Dauer den technischen Fortschritt und die dynamische Entwicklung der Volkswirtschaft abschneidet. Sie läßt die einzelnen Verkehrsträger träge werden. Sie wissen ja, daß Ihnen gewisse Güter garantiert sind und brauchen sich nicht mehr sonderlich anzustrengen und zu rationalisieren. Ein für allemal fährt der eine diese Güter und der andere jene Güter. Eine solche starre, konservierende Politik der Besitzstanderhaltung kann meines Erachtens immer nur eine Notlösung auf Zeit sein, meinetwegen eine Notlösung auf Zeitgewinn, aber kein auf die Dauer akzeptables wirtschaftspolitisches Ziel. Dieses schöne Wort „Besitzstanderhaltung" ist ja typisch für die Interessentendebatte im Verkehr. „Verkehrsbesitzstanderhaltung", darum geht immer der Streit, um die Konservierung der Verkehrsbesitzstände.
    Ich sage also, daß diese Verkehrsbesitzstanderhaltung auf die Dauer kein akzeptables wirtschaftspolitisches Ziel ist; denn auf die Dauer, wenn einmal die Leistungsfähigkeit unseres Straßennetzes nachgezogen sein wird, muß sich ja doch wohl der säkulare Trend von der Schiene zur Straße auch fortsetzen dürfen. Wir sind uns völlig darüber klar, daß wir auf Jahre und auf Jahrzehnte und vielleicht auf Generationen hinaus die Schiene als das Rückgrat unseres ganzen Verkehrs weiterhin brauchen und daß sie deshalb auch wieder lebens- und leistungsfähig gemacht werden muß. Aber darüber hinaus wollen wir uns auch darüber klar sein, daß das nun nicht heißen kann, die ganze technische Entwicklung und die volkswirtschaftliche Dynamik an diesem Punkt abzuschneiden. Ein bißchen Luft für die Entwicklung muß doch in der Sache noch drin sein dürfen!

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich darf dann einem Vorschlag beitreten — wenn ich ihn richtig verstanden habe —, der hier in der Debatte schon gemacht worden ist. Wenn wir also bestenfalls zur Zeit nur eine Notlösung auf Zeitgewinn bekommen können, dann sollte man den damit erzielten Zeitgewinn nun aber auch aus-


    (Schmidt [Hamburg])

    nutzen, um endlich zu einem Konzept auf die Dauer zu gelangen. Da scheint es mir ganz gut, vielleicht einmal nach England oder in andere Staaten zu schauen, wo man schon längst zur Lösung dieses Problems eine Royal Commission von völlig unabhängigen Leuten eingesetzt hätte

    (Sehr richtig! in der Mitte)

    und wo man schon längst dafür gesorgt hätte, daß die vorhandenen Unterlagen, Gutachten und Statistiken auf den Tisch kommen, damit man darüber sprechen kann. Nirgendwo sind ja die Statistiken verlogener als in den Denkschriften unserer verschiedenen Verkehrsträger. Es muß doch endlich einmal zu einer wirklich stimmenden offiziellen Statistik kommen. Die muß auf den Tisch des Hauses und darf nicht in den Gutachten verborgen bleiben, die in den Panzerschränken des Verkehrsministeriums und der Bundesbahn liegen.
    Dann aber soll man die Pause, den Zeitgewinn, auch dazu benützen, endlich die Verkehrspartner — wie schon mehrfach gesagt — an einen Tisch zu kriegen, und nicht nur die Verkehrsträger, sondern auch diejenigen, die letzten Endes davon betroffen werden: die Verkehrsnutzer, die verladende Wirtschaft, die Fahrgäste und die Teile der deutschen Volkswirtschaft, denen der Verkehr dienen will, wie hier heute ausgeführt worden ist.
    Aber man sollte diese Pause auch dazu benützen, um beispielsweise auf diesem sehr ungeklärten Gebiet der tatsächlichen Kosten des Straßenverkehrs doch etwas voranzukommen. Herr Abgeordneter Rademacher hat meinem Kollegen Dr. Bleiß wohl etwas vorweggenommen, wenn er aus unserem Antrag, einmal diesen Selbstkostenbericht zu bekommen, seinerseits die Forderung entnommen und aufgestellt hat: Wir möchten endlich etwas hören! Aber das ist wirklich einer der entscheidenden Punkte. Wie sind denn die tatsächlichen Kostenrelationen im Straßenbau und in der ganzen Straßenunterhaltung, um zu einer Ordnung des Verkehrs zu kommen?
    Nach dieser Beschäftigung mit dem ordnungspolitischen Konzept des Herrn Bundesverkehrsministers sind vielleicht noch einige wenige Worte notwendig zu den Methoden der Durchführung, die uns hier angedeutet worden sind.
    Über die beabsichtigte polizeiliche Strangulierung des Werkverkehrs habe ich mich vorhin schon ausgesprochen. Ich kann Herrn Rademacher nur beistimmen. Diese zwangswirtschaftliche Maßnahme wird wie jede andere zwangswirtschaftliche Maßnahme nur dazu führen, daß das Verbot illegal, aber auch legal umgangen wird. Aus dem bisherigen und nunmehr verbotenen Bring-Werkverkehr wird dann ein Hol-Werkverkehr. Dann bringen eben die einen die Sachen nicht mehr weg, sondern die andern holen sie ab, und dann haben Sie wieder dieselbe Geschichte! Oder aber die Firma, die nun ihre Produkte, die sie verkaufen will, nicht mehr zu dem Kunden fahren darf, errichtet jetzt in der Stadt, in der der Kunde wohnt, eine Niederlassung, wenn auch vielleicht nur auf dem Papier, und fährt dann eben zu ihrer Niederlassung. Diese Methode wird also letzten Endes zu nichts anderem führen als nur zu einem außerordentlich umfangreichen Kontrollapparat, der doch des Problems nicht Herr werden kann.
    Nun zu dem Massengüterverbot. Da wird also argumentiert, daß die schweren Lastkraftwagenzüge mit 40 t Gesamtgewicht mit ihren Ladungen von Kohle, Eisen oder Holz die Straßen kaputtfahren. Das ist sicher richtig. Aber das ist doch nun keine Begründung dafür, daß man verbietet, auf der Straße Kohle, Eisen und Holz zu transportieren, wenn man andererseits Maschinenteile in 40-t-Lkws über die Straße ziehen darf. Das hat doch mit einer Straßenentlastung überhaupt nichts zu tun. Viel wichtiger scheint mir zu sein, einmal zu überlegen, ob es nicht doch falsch war, das höchstzulässige Gesamtgewicht unserer Lkw-Züge auf 40 t festzusetzen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben nicht nur einen schleichenden Substanzverzehr in der Bundesbahn, der durch die dankenswerte Publizitätsfreudigkeit wenigstens einiger Mitglieder des Vorstandes der deutschen Öffentlichkeit in den letzten Wochen kund und offenbar geworden ist, sondern wir haben auch einen verdeckten Substanzverzehr in unserem deutschen Straßensystem. Nach zwei bis drei Jahren wird sich herausstellen, daß unsere Straßendecken für die gegenwärtige Gewichtsbelastung überhaupt nicht gebaut sind, und daß wir dann sehr viel größere jährliche Unterhaltungs- und Erneuerungsbeträge als derzeit in unseren Jahreshaushalt werden einstellen müssen.
    Wenn man also von einer Entlastung der Straße redet, dann bitte nicht mit diesem Polizeiverbot „Du darfst keinen Zucker und keine Kohle mehr fahren, sondern nur noch Spielzeug und Maschinenteile!", sondern dann muß es entscheidend auf das Gesamtgewicht ankommen, ganz gleichgültig, was für eine Fracht auf dem Wagen ist.
    Dann zur Absicht, zwischen dem Reichskraftwagentarif und dem Eisenbahngütertarif ein Gefälle herzustellen, d. h. die Eisenbahn soll in allen Relationen und Gütern etwas billiger sein als der Kraftwagen zum Ausgleich dafür, daß und insoweit die Eisenbahn eben nur von Laderampe zu Laderampe befördert und der Kraftwagen von Haus zu Haus. Mir scheint, daß das ein außerordentlich richtiges und bei der gegenwärtigen Struktur der Verkehrstarife notwendiges Prinzip ist. Ich darf nur die Frage stellen, warum diese Anregung, die bereits vor mindestens acht oder neun Monaten in der Tarifdebatte des vorigen Jahres gegeben wurde, erst heute zur Verwirklichung gelangen soll.
    Dann ein besonderes Wort zu den Omnibustarifen, die ja auch im Zuge dieser ganzen Gesetzgebung angehoben werden sollen. Herr Rademacher hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir hier einige Mißstände haben. Zur Zeit kostet der Personenkilometer auf der Schiene 6,85 Pfennig. So viel muß ich zahlen, wenn ich auf der Eisenbahn 1 km in der dritten Klasse fahre. Bei den privaten Omnibussen brauche ich nur 6 Pfennig zu bezahlen. Wenn ich also irgendwie auch nur die Wahl habe, fahre ich mit dem Omnibus. Das tun die meisten Menschen in Deutschland.
    Auf der andern Seite gewährt die Eisenbahn außerordentlich weitgehende soziale Tarife, die wir für sehr notwendig halten und die wir auch nicht angetastet sehen möchten, die aber immerhin dazu führen, daß der einzelne „Sozialfahrer" mit seiner Arbeiterwochenkarte, Schülermonatskarte oder was es immer ist, zum Teil nur 1 bis 2 Pfennig für den Kilometer zahlt. Der Omnibus gewährt solche Sozialtarife nicht; sie sind jedenfalls ganz minimal


    (Schmidt [Hamburg])

    und ganz unerheblich. Das führt also dazu, daß alle Normalfahrer, die das Geld in die Kasse bringen, auf den Omnibus abwandern und alle Sozialfahrer auf die Eisenbahn. Wenn man das jahrelang zuläßt, braucht man sich nicht zu wundern, daß die Eisenbahn nun für ihren Berufsverkehr nicht mehr tun kann, als sie heute tut, und daß diese Züge, Herr Minister, im Arbeiterberufsverkehr dann zum Teil doch recht überfüllt und unfreundlich aussehen, was Sie zwar neulich abgestritten haben; aber Herr Abgeordneter Mommer wird, glaube ich, Ihrer Aufforderung entsprechen und Ihnen das Beweismaterial dafür noch liefern.

    (Zuruf von der SPD: Wird nicht vergessen!)

    Nun soll das dadurch korrigiert werden, daß man den Omnibus-Normaltarif verteuert, von 6 auf 7 Pfennig je km heraufsetzt. Das ist immer das einfachste, durch Preiserhöhungen die Geschichte aus der Welt zu schaffen. Es wäre doch viel vernünftiger und organischer, wenn man, genau wie das auf dem Güterverkehrssektor der Fall ist, auch auf dem Omnibussektor, idem Personenverkehrssektor das ganze Tarifgefüge des Eisenbahnpersonentarifs auf den Autobusverkehr überträgt. Dann bekommt er dieselbe Normalfahrkarte für 6,8 Pfennig, muß aber auch dieselben und genau so weitgehende Sozialtarife gewähren. Das wäre ein vernünftiger Ausgleich, dabei könnte auch die Bahn existieren, und das würde nicht die Abwälzung dieses Konkurrenzproblems auf die armen Fahrgäste bedeuten.
    In diesem Zusammenhang darf ich ein paar Worte der Begründung zu unserem Antrag auf Drucksache 181 betreffend Ordnung des Omnibusverkehrs sagen. Auch dieses Antrags hat sich ja liebenswürdigerweise Herr Rademacher schon angenommen. Ich bin dafür sehr dankbar. Ich darf nur noch darauf hinweisen, daß das gegenwärtig gültige Personenbeförderungsgesetz dringend der Novellierung bedarf, nachdem überall die Verwaltung und auch die Rechtsprechung mit den gegenwärtigen gesetzlichen Grundlagen nicht mehr auszukommen in der Lage sind. Ich verweise nur auf den einen Ihnen aus der Presse bekannten, berühmten Fall Rammelmann. Ich nehme nicht materiell Stellung, sondern verweise nur darauf, daß dieser Fall seit drei Jahren vor Gerichten und Verwaltungsbehörden herumgezerrt wird, und seine Erledigung nicht finden kann, weil die Rechtsgrundlagen des alten Personenbeförderungsgesetzes unzureichend und unklar sind, weil die Zuständigkeiten unklar geregelt sind. Kein Mensch kann zu einer Entscheidung kommen.
    Der Herr Bundesverkehrsminister hat seit langer Zeit versucht, ein Personenbeförderungsgesetz im Kabinett durchzudrücken. Leider hat die Post immer große Schwierigkeiten gemacht. Denn der Postomnibus, das ist ja so eine Sache, die man in seiner eigenen Zuständigkeit retten muß; in die Postomnibusgeschichte darf ja kein anderer hineinreden, das ist ein ganz wesentliches Recht, ein Regal, das die Postverwaltung sich um Gottes willen bewahren muß! Da kann man also nur hoffen, daß der neue Postminister nicht nur die Briefmarken und die Telefongebühren verteuert, sondern daß er auf diesem Gebiet endlich einmal den Zuständigkeitsfimmel der Post zum Teufel schickt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Das geht doch so weit, daß die Bundesbahn und die Bundespost vor den Verwaltungsgerichten der Länder gegeneinander Prozesse um die Omnibuslinien führen.

    (Lachen bei der SPD.)

    Das sind doch skurrile Tatbestände. Ich darf einmal einen Satz aus den „alten Klamotten", nämlich aus dem Gutachten von Coverdale und Colpitts aus dem Jahre 1950 zitieren. Diese klugen Amerikaner schrieben damals schon in ihren Schlußfolgerungen:
    Daß eine Koordinierung und Regelung des
    Omnibusverkehrs für den Gesamtbereich der
    Bundesrepublik notwendig ist, liegt auf der
    Hand.
    Also mindestens seit 1950 liegt das auf der Hand. Warum kann es denn nun nicht endlich einmal verwirklicht werden und von der Hand in die Gesetzgebung hineinkommen?

    (Zuruf von der SPD: Das sind nach Herrn Rademacher aber bloß „alte Klamotten"!)

    — Na, ich glaube, Herr Rademacher meint das mit den „alten Klamotten" gar nicht so; das ist ihm so herausgerutscht.

    (Zuruf von der SPD: Nein, er hat es auf einen Zettel geschrieben!)

    Im zweiten Teil des Antrags bitten wir, daß nicht nur eine Koordinierung der verschiedenen Bus-Linien von Post und Bahn zustande kommt, die ja nicht nur verschiedene Tarife, sondern auch verschiedene Fahrpläne haben, so daß man nicht von der einen auf die andere umsteigen kann — beides Omnibusbetriebe, die idem Bund gehören! —, sondern daß man überhaupt einmal diese beiden Omnibusverkehre in ein gemeinsames Betriebssystem bringt, eine gemeinsame Betriebsgesellschaft mit gemeinsamen Betriebseinrichtungen gründet. Da könnte man sehr viel Geld und Investitionen sparen und eine echte Rationalisierung vornehmen.
    Wir haben dann die Frage angefügt — wir bitten, sie im Schoße des Bundesverkehrsministeriums und mit den Verbänden zu besprechen —, ob man nicht vielleicht auch die privaten und die sonstigen öffentlichen Omnibuslinien in diese Gesellschaft einbeziehen oder ihnen jedenfalls die Möglichkeit geben will, mit hineinzugehen. Dann kämen wir nämlich endlich zu einem abgestimmten System auf diesem Sektor.
    Noch ein Wort muß ich leider zum Thema „Post und Bahn" sagen. Die streiten sich nicht nur bei den Omnibussen und führen Prozesse, sie haben auch auf dem Gebiet des Paketverkehrs ein ganz eigenartiges System. Es gibt in Deutschland Expreßgut, und es gibt Postpakete. Das Expreßgut wird an den Personenbahnhöfen aufgegeben und kommt von da auf verschiedenen Umwegen und Anstalten in den Expreßgutwagen, den Güterwagen des Personenzuges. Die Post nimmt die Postpakete am Postamt an; dann werden sie vom Postamt zu demselben Bahnhof gefahren und auf verschiedenen Wegen zu demselben Zug gebracht, aber nicht in den Expreßgutwagen, sondern in den Postwagen. Da fahren diese beiden Pakete, die ungefähr gleich teuer sind, in den beiden Wagen hintereinander her bis in die Stadt, in die sie kommen sollen, und werden hier wieder auf völlig verschiedenen Wegen dem Empfänger zugestellt. Eine eigenartige Geschichte! Kann man das nicht auch einmal einheitlich und sauber organisieren, also entweder Postpakete oder Expreßgut?

    (Zuruf von der SPD: Da dürfen sie [nach rechts] rationalisieren!)

    — Ja, das ist eine echte Rationalisierungsaufgabe,
    keineswegs die wichtigste, aber mir kommt es dar-


    (Schmidt [Hamburg])

    auf an, hier einmal diese skurrilen Beispiele hervorzukehren, um zu zeigen, wieviel man in den vergangenen vier Jahren versäumt hat.
    Ich darf also bitten, unsern Antrag auf Drucksache Nr. 181 dem Post- und idem Verkehrsausschuß zu überweisen, dem letzteren federführend.
    Zu dem großen Komplex des Verkehrsfinanzgesetzes möchte ich nur noch wenige Sätze sagen, da unsere Anträge, soweit sie diesen Komplex berühren, hinterher gesondert begründet werden sollen. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß wir sehr dafür sind, daß heute die Kraftfahrzeugsteuern für die Pkws gesenkt werden sollen. Ich finde das ausgezeichnet. Vielleicht ist es ein Schritt auf dem Wege zu idem Ziel, daß sich endlich auch einmal der Lohnsteuerzahler in Deutschland einen Kraftwagen kaufen und ihn unterhalten kann. Ich habe in meiner Vaterstadt Hamburg im vorigen Jahr eine Untersuchung angestellt und dabei festgestellt, daß von den angeschafften fabrikneuen Pkws 96 % von Firmen gekauft wurden und nur 4 % von Privaten, d. h. von Leuten, die ihn aus ihrem versteuerten Einkommen bezahlen müssen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Angesichts dieses Zustandes wäre es doch sehr schön, wenn es nun auch einmal dem Lohnsteuerzahler erleichtert würde, sich, wenn er sparsam ist, ein kleines Wägelchen zu kaufen.

    (Beifall bei der SPD.)

    Andererseits scheint uns auch die Kehrseite der Medaille wichtig zu sein, nämlich die Knickbeseitigung. Den Knick für die schweren Lkws und die schweren Omnibusse, haben wir seit 1936, seit der Aufrüstungsperiode, in der Kraftfahrzeugsteuer. Die sind damals aus rüstungswirtschaftlichen Gründen begünstigt worden. Es ist eine ganz ungerechte Sache, daß so ein schwerer Brummer im Verhältnis zu den kleinen viel zuwenig Kraftfahrzeugsteuer zahlt. Da sind wir uns völlig einig. Über das Ausmaß, in dem jetzt der Knick nach oben gebogen werden soll, kann man erst sprechen, wenn man diese Änderung der Kraftfahrzeugsteuer der zukünftigen Benzin- ud Treibstoffbelastung gegen-überhalten kann. Da möchte ich die konkrete Vorlage abwarten; wir müssen zuerst die Einzelheiten kennen, ehe wir dazu sprechen können. Auch die Erhöhung der Mineralölabgaben scheint uns im Prinzip unumgänglich zu sein, wenn man dem Straßenbau wirklich höhere Mittel als bisher zuführen will. Darüber gibt es keinen Zweifel. Ich habe mit besonderer Freude gesehen, daß sich vor wenigen Tagen auch der Arbeitsausschuß der Kraftverkehrswirtschaft dazu bekannt hat, nachdem er noch vor drei Wochen wüste Proteste und Kassandra-Rufe in die Gegend geschickt hatte. Also auch auf dieser Seite wechselt Gott sei Dank die Meinung.
    Ich kann dem Kollegen Rademacher auch in diesem Punkt wiederum nur recht geben, wenn er den Finger darauf legt: Wie ist das mit der Zweckbindung, fließt das nachher in den allgemeinen Haushalt? Ich weiß, daß gewisse Schwierigkeiten in der Haushaltssystematik und dem ganzen System unserer Finanzwirtschaft liegen. Aber nach den Erfahrungen, die wir mit der bisherigen Verwendung der Mineralölabgaben gemacht haben, scheint es doch sehr notwendig, eine Festlegung zu treffen, damit diese Mittel nicht eines Tages in andere Kanäle fließen, sondern als die vom Kraftverkehr aufgebrachten spezifischen Beiträge auch für die Straßen, zur Deckung der Straßenkosten verwandt werden.
    Was über die finanzielle Seite der Eisenbahnsanierung gesagt wurde oder vielmehr besser: von Herrn Minister Seebohm nicht gesagt wurde, hat mich sehr bedenklich gemacht. Wir haben kein Wort über ein Finanzprogramm gehört, das in die Zukunft weisen würde, kein Wort über einen Beschluß des Kabinetts in bezug auf die Abnahme der betriebsfremden Lasten. Alles idas ist in der Schwebe geblieben. Herr Minister Schäffer hat in seiner Haushaltsrede nur erklärt: Nemo ultra posse obligatur — „Ich kann nicht mehr, die Grenze ist erreicht." Was wir in diesem Punkte von Herrn Minister Seebohm vorhin zu hören bekommen haben, scheint mir einer der unbefriedigendsten Punkte in dem ganzen Gemälde zu sein.
    Die Opposition hat schon in der Debatte über die Regierungserklärung auf den legitimen Anleihebedarf der öffentlichen Hand hingewiesen, und gerade auch in der gegenwärtigen Kapitalmarktdebatte ist der folgende Hinweis von Bedeutung. Ich glaube, man kann mit allgemeinem Konsens des Hohen Hauses feststellen, daß die notwendigen Ersatz- und Wiederaufbauinvestitionen auf der Bahn und die Erweiterungsinvestitionen im Straßennetz heute tatsächlich einer der vordringlichsten und legitimsten Investitionsbereiche der deutschen Volkswirtschaft sind.

    (Beifall bei der SPD.)

    An dem Anleiheproblem wird man daher nicht vorbeikommen. Wir sind gespannt darauf, im Zusammenhang mit der Vorlage des Verkehrsfinanzgesetzes darüber etwas mehr zu erfahren, als heute aus dem Munde des Herrn Bundesverkehrsministers zu erfahren gewesen ist. Das Kabinett muß sich doch auch darüber klar sein: wenn man nicht heute oder morgen die Finanzen der Bundesbahn grundlegend saniert — übrigens gilt das auch für die nicht bundeseigenen Bahnen, die meistens vergessen werden, die in genau der gleichen Finanzmisere stecken und die überdies ein Sechstel der ganzen deutschen Schienenstrecken bei sich beherbergen, was immerhin nicht unwichtig ist; sie sind auch sehr wichtige Zubringer für die Deutsche Bundesbahn; die Bundesbahn steht immer im Vordergrund der Betrachtung, aber man sollte auch einmal auf diese nicht bundeseigenen Bahnen hinweisen, die daran hängen —, wenn man also heute oder morgen keine grundlegende Sanierung der Bundesbahn vornimmt, wird man ständig diese Kassendefizite abzudecken haben, die sich einstweilen im kommenden Jahr auf 70 Millionen DM monatlich belaufen, und die Länder, die Kommunen und Kommunalverbände werden ebenfalls mit Kassendefiziten bei den nicht bundeseigenen Bahnen zu krebsen haben. Es bleibt die Frage, welche Methode dem Fiskus teurer und welche ihm billiger kommt.
    Ich darf mit den bisherigen Debatterednern die Forderung erheben: die Gesetze müssen schnell kommen, und zwar zunächst als Notlösung, als Übergangslösung. Daß es keine Endlösungen sein können, glaube ich deutlich gemacht zu haben. Wir müssen diese Gesetze, um Zeit zu gewinnen, wirklich schnell haben. Vielleicht ist es möglich, Herr Minister Seebohm, daß diese Gesetze genau so schnell verabschiedet und auf den Tisch des Hauses gelegt werden, wie Sie vorhin gesprochen haben.

    (Heiterkeit links. — Zurufe von der Mitte.)



    (Schmidt [Hamburg])

    — Ja, es war nicht immer leicht, den Darlegungen zu folgen. Man kam manchmal gar nicht mit.

    (Erneute Heiterkeit und Zurufe.)

    — Im Tempo, im Tempo! — Eine Entschuldigung aber — und das darf ich Herrn Kollegen Rümmele sagen — gilt nicht. Man kann nicht mit Schiller sagen: Der weite Weg entschuldigt euer Säumen. Es handelt sich nämlich um Umwege, und die hat Schiller nicht entschuldigt!

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Damit darf ich zum Schluß kommen. Wir wissen, daß nicht alle Probleme auf einmal gelöst werden können. Jede Entwicklung muß schrittweise vor sich gehen. Aber gerade im Verkehrswesen, in dem sich seit vier oder fünf Jahren die ungelösten Probleme aufgestaut haben, ist eine besondere Anstrengung notwendig. Dabei glaube ich, der bisherige Verlauf der Debatte in diesem Hause hat gezeigt, daß das verkehrspolitische Ordnungsproblem hier wohl sehr weitgehend wird gelöst werden können; dieser Eindruck hat sich aus der bisherigen Debatte ergeben. Allerdings wird es wohl in einer anderen Weise gelöst werden müssen, als wir es bisher von der Regierungsbank vernommen haben.
    Wir haben zu diesem ganzen Komplex einige Anträge gestellt, die im Prinzip auf keinen ernsthaften Widerspruch gestoßen sind.

    (Zuruf des Abg. Dr. Bucerius.)

    — Herr Dr. Bucerius meldet an, daß der Widerspruch noch kommen soll. Oder habe ich nicht richtig verstanden?

    (Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Bucerius.)

    — Nein, er wird zurückgezogen, also kein Widerspruch!

    (Heiterkeit links. — Zuruf von der Mitte: Abwarten!)

    Ich freue mich sehr, daß das hier ausdrücklich festgestellt wird. Es handelt sich bei diesen Anträgen auch nicht um heute noch unausgegorene Probleme, sondern wir haben diejenigen Dinge in den Vordergrund geschoben und hier einmal zur Debatte gestellt, über die sich alle diejenigen, die sich ehrlich um die Probleme bemühen, die objektive Fachwelt, einig sind. Ich gebe gern zu, daß diese Anträge, wenn Sie etwas schneller gewesen wären, genau so gut von Ihrer Seite hätten kommen können. Sie waren nur eben gehandicapt durch eine gewisse Rücksichtnahme, die Sie sich gegenüber der Regierung auferlegen mußten. Das sehe ich ein.

    (Erneute Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

    Wir hoffen auch, daß auf allen Seiten des Hauses die Überzeugung geteilt wird, daß die Bundesbahn auf lange, lange Zeit hinaus für die deutsche Volkswirtschaft unentbehrlich bleibt und daß ihr deswegen wieder zur Lebens- und Leistungsfähigkeit verholfen werden muß, daß aber auf der anderen Seite bestehende Fehlentwicklungen bei der Bahn nicht dadurch kuriert werden können, daß man auf der Seite der Straßen neue Fehlentwicklungen in Gang setzt; und schließlich, daß das ganze Problem nicht auf den Rücken des Dritten, nämlich des Fahrgastes und des Verladers, d. h. letztlich auf den Rücken des Verbrauchers abgeschoben werden darf.
    Zum Schluß — das hat mit der Verkehrspolitik eigentlich nichts mehr zu tun, sondern mit einem
    Bereich, der nun allerdings durch diese Verkehrspolitik außerordentlich in Mitleidenschaft gezogen wird — möchte ich an den anwesenden Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums eine Frage stellen. Herr Staatssekretär Westrick, ganz egal, welche Maßnahmen Herr Minister Seebohm im Kabinett zum Beschluß bringen wird, es ist doch deutlich, daß sie zu einer erheblichen Auftragsschrumpfung in unserer deutschen Kraftfahrzeugindustrie, so- weit sie Lkws herstellt, und in der Zubehörindustrie führen werden. Es handelt sich um Industrien mit Hunderttausenden von Beschäftigten, wenn man die Zubehörindustrien mit ins Auge faßt. Wie auch immer die Maßnahmen geartet sein werden, die man jetzt ergreift, eine sehr ernste Auswirkung auf unsere Lkw-Produktion und die Zubringerproduktion ist zu befürchten; der ist nicht auszuweichen. Tatsächlich sind unsere Produktionskapazitäten im Automobilbau und in der Zubehörindustrie im Verhältnis zu den Leistungsfähigkeiten des Straßennetzes wirklich weit in eine Disproportionalität geraten. Das muß nun langsam, aber sicher bereinigt werden. Die Frage ist: Was geschieht nun mit den Überkapazitäten der Kraftfahrzeugindustrie, da die Straße ja nicht von heute auf morgen in der Leistungsfähigkeit nachziehen kann? Wir möchten gerne wissen, welche Überleitungsmaßnahmen, welche Umstellungen in der Produktion oder welche anderen Maßnahmen die Bundesregierung ins Auge gefaßt hat, damit nicht das Unglück bei der Schiene auf dem Wege über eine gewisse Drosselung des Lkw-Verkehrs auf die Automobilproduktion und die daran hängenden Produktionsbereiche abgewälzt wird.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Bundesverkehrsminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Christoph Seebohm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte Frage von Herrn Kollegen Schmidt möchte ich dahin beantworten: Stimmen Sie der EVG zu, dann werden wir über diese Frage leicht hinwegkommen!

    (Stürmisches Gelächter bei der SPD. — Lebhafte Zurufe. — Glocke des Präsidenten.)


    (Zurufe von der SPD.)

    Ich habe mich mit den Ausführungen, die Herr Kollege Schmidt gemacht hat, ein wenig auseinanderzusetzen. Sie werden verstehen, daß ich dabei mit jenen Bemerkungen beginne, in denen er sich sehr intensiv mit Begriffen aus der Bilanzwirtschaft abgegeben hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben — und daran sind wir alle nicht schuld, sondern das tragen wir alle gemeinsam — einen Konkurs übernommen. Herr Kollege Schmidt sprach von einer Liquidations-


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    bilanz, die wir jetzt erreicht hätten. Ich bin der Meinung, wir sollten, nachdem wir uns aus der Konkurslage des Jahres 1945 allmählich in die Lage eines Vergleichs in der Jetztzeit emporgearbeitet haben, die Schwierigkeiten nicht unterschätzen, die ein solcher Vergleich jedem Kaufmann bietet, der in das Unglück eines Konkurses hineingekommen ist und sich wieder herausarbeiten, wieder ehrlich werden will.

    (Zuruf von der SPD: Das hat er ihm zugestanden!)

    — Verzeihung, nicht so ganz! Sonst würde ich darauf ja nicht antworten. Ich habe sehr genau zugehört.
    Ich möchte mich ja gern sachlich mit Herrn Schmidt auseinandersetzen.

    (Zurufe von der SPD: Das ist etwas ganz Neues!)

    — Das ist nicht neu. Herr Schmidt und ich kennen uns schon seit einer Reihe von Jahren, und von manchem, was er gesagt hat, hätte ich eigentlich erwartet, daß er es aus seiner Kenntnis der Verhältnisse und aus seiner bisherigen Tätigkeit in Hamburg heraus nicht erklärt hätte. Ich nehme z. B. seine Bemerkungen über den Aufbau des Bundesministeriums für Verkehr. Ihm ist ganz genau bekannt, daß wir diese Arbeitsgebiete vorher genau so behandelt haben und daß wir nur, nachdem der Abteilungsleiter A in die Position des Staatssekretärs kam, diese beiden Arbeitsgebiete auch in zwei Abteilungen auseinanderentwickelt haben. Alle Referate, die sich befassen mit der Verkehrsleitung, Verkehrspolitik, Tarifpolitik oder wie immer Sie diese Aufgabengebiete nennen wollen, haben von Anfang an bestanden. Bei der Teilung der Abteilung A in die Abteilungen Z und A ist nicht ein einziges neues Referat gebildet worden, sondern es hat nur eine gewisse Umschichtung stattgefunden. Das weiß Herr Schmidt aus seiner Tätigkeit in Hamburg sehr genau; denn er hat diese Dinge damals mit beobachtet. Er kennt auch die personellen Verhältnisse, die zu dieser Umwandlung Veranlassung gegeben haben. Ich freue mich aber, daß er der Auffassung ist, daß diese neue Organisation eine bessere ist. Das zeigt ihm doch, daß wir bemüht sind, aus den Verhältnissen heraus stets das Bessere zu gestalten.
    Der Herr Kollege Schmidt hat sich vor allen Dingen dem — wie er sagte — Kernproblem zugewendet und hat die Frage aufgeworfen, ob es möglich ist, die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn — die wir, wie ich ausgeführt habe, wegen der Arbeitsteiligkeit unserer Wirtschaft unbedingt erhalten wollen und müssen, die wir' auch erhalten wollen und müssen, um den Randgebieten weiter die notwendige wirtschaftliche Entwicklung zu sichern — also die Gemeinwirtschaftlichkeit auf die anderen Verkehrsträger zu übertragen oder Ihnen, wie er das genannt hat, aufzulasten. Ich hatte mir schon eine Zwischenbemerkung erlaubt. Denn wenn man die Frage bejaht und als These begründet, um damit einen neuen Vorschlag zur Lösung der Probleme zu bringen, ist es natürlich die entscheidende Frage, ob denn diese drei Verkehrsträger ihrer Art und Struktur nach so gleich sind und ob ihre Aufgaben so gleichartig sind, daß sie ohne weiteres die Gemeinwirtschaftlichkeit auf sich nehmen können.
    Ich hatte mir erlaubt, darauf hinzuweisen — das ist auch in der Debatte wiederholt mit aufgeklungen —, daß wir die Binnenschiffahrt keineswegs in diese Gleichbehandlung einbeziehen können, weil die Binnenschiffahrt auf unseren deutschen Wasserstraßen seit dem Wiener Kongreß, ja eigentlich seit dem Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück, auf dem Rhein in der internationalen Konkurrenz steht und seit Versailles und durch die Folgen von Versailles auch auf Elbe, Oder und Donau in der internationalen Konkurrenz steht. Infolgedessen ist eine Übertragung gemeinwirtschaftlicher Prinzipien auf die Binnenschiffahrt so lange nicht möglich, als es uns nicht möglich ist — und das wird nie der Fall sein —, diese gemeinwirtschaftlichen Prinzipien auch auf die konkurrierenden ausländischen Binnenschiffahrtszweige, die ja vorhanden sind, zu übertragen, besser gesagt, ihnen aufzulasten. Wir können nicht einmal ohne weiteres in der Frage dier Besteuerung des Verkehrs einheitlich vorgehen, weil nach den internationalen Bestimmungen die Besteuerung, die wir unserer Binnenschiffahrt auferlegen könnten, der ausländischen Binnenschiffahrt nicht auferlegt werden kann. Durch eine Maßnahme, wie sie hier vorgeschlagen wird, würde sich nur eine sehr ungerechtfertigte starke einseitige Belastung unserer Binnenschiffahrt gegenüber ihrer in Deutschland tätigen ausländischen Konkurrenz und gegenüber dieser Konkurrenz im grenzüberschreitenden Verkehr ergeben.
    Nun zum anderen Inlandsverkehrsträger, zur Straße. Wenn die Sache so einfach wäre, daß wir auf der Straße wie in der Binnenschiffahrt und auf der Eisenbahn nur gewerblichen Verkehr hätten, wäre das Problem sicher lösbar. Aber wir haben eben auf der Straße nicht nur gewerblichen, sondern sogar in überwiegendem Maße Eigenverkehr, den wir als Personenverkehr durch die Personenautos und Motorräder alle kennen und den wir auf der anderen Seite als Werkverkehr bezeichnen. Wenn Herr Schmidt die bemerkenswerten Anmerkungen gemacht hat, daß er wieder einen Reichskraftwagen-Betriebsverband haben möchte, wie wir ihn im Dritten Reich hatten, wenn er gesagt hat, daß er daneben den Werkverkehr als Hecht im Karpfenteich weiter zu sehen wünsche, dann muß er mir zugeben, daß er dem Reichskraftwagen-Betriebsverband nicht gemeinwirtschaftliche Lasten auferlegen kann, wenn der Werkverkehr daneben ohne weiteres frei ausgeht. Er hat, weil ihm selbst bekannt war, daß er hier in seiner Konzeption an eine schwache Stelle kommt, vorgeschlagen, diese Untiefe durch eine differenzierte Beförderungsteuer zu überbrücken. Aber, verehrter Herr Schmidt, wenn Sie sich einmal die Summen der Beförderungsteuer und ihren Einfluß auf den Preis ansehen, dann werden Sie feststellen, daß die Spanne, von der Sie gesprochen haben, bei weitem nicht genügt, um darin das unterzubringen, was in der Verkehrsmöglichkeit und in der Bedienungsmöglichkeit zwischen gewerblichem Verkehr und Eigenverkehr — sprich hier: Güterfernverkehr und Werkfernverkehr — als Unterschied gegeben ist.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Ich habe die bisherige Spanne doch nur als Beispiel genannt!)

    — Jawohl. Ich sage nur: Sie können diese Unterschiede in der Spanne nicht unterbringen, und wenn Sie diese Spanne ungebührlich ausweiten, kommen Sie sicherlich zu Klagen vor dem Verfassungsgericht wegen einer Verletzung des Grundrechtes der Gleichheit vor dem Gesetz, die wir ja


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    L) auch sonst schon befürchten und die zu vermeiden
    unsere Entscheidungen oft so schwierig macht.
    Aber die Geschichte hat ja noch einen andern Nachteil. Ich habe mir schon heute früh erlaubt, darauf hinzuweisen, daß die Lösung der Frage ja nicht vom Preis abhängt, und eben weil sie nicht vom Preis abhängt, sondern weil der Werkverkehr seine Rolle spielen kann aus einer ganzen Reihe von anderen Komponenten, die ich aufgezählt habe — sprechen wir vielleicht im Hafendeutsch: weil er Faszilitäten besitzt, Herr Schmidt,

    (Heiterkeit)

    die der gewerbliche Güterfernverkehr nicht aufzubringen vermag —,

    (Abg. Dr. Bucerius: Ein Fremdwort!)

    — natürlich ein Fremdwort, aber ein Fremdwort, das man in Hamburg versteht —, lassen sich diese Faszilitäten leider durch den Preis und also auch durch eine Besteuerung nicht ausgleichen, so daß man deswegen bei diesem Versuch einer Lösung in erhebliche Schwierigkeiten kommen wird. Sie werden, wenn Sie dieser Frage einmal wirklich gründlich nachgehen, zu dem Ergebnis kommen, daß es so nicht geht. Ich gebe Ihnen dazu, weil Sie heute bei Ihren Darlegungen so gern ins Ausland abgeschweift sind, noch ein Stichwort: England. In England hatten wir einen gewerblichen Güterverkehr, private Eisenbahnen, aber kaum einen Werkverkehr. Da kam die sozialistische Regierung. Sie hat die Eisenbahnen verstaatlicht, sie hat auch den gewerblichen Güterfernverkehr verstaatlicht. Und was ist der Effekt? Der Werkverkehr hat sich in dieser Zeit in England etwa verzehnfacht. Irgend so eine Größenordnung wird es sein; ich habe die Zahl nicht genau im Kopf. Jedenfalls hat er unangemessen zugenommen, und der Versuch, diese Entwicklung jetzt wieder zurückzudrehen, ist natürlich sehr viel schwieriger, nachdem sich nunmehr in England ein solcher Werkverkehr entwickelt hat.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Darf ich ein Wort einwerfen, Herr Minister?)

    — Bitte, Herr Schmidt!

    (Abg. Schmidt [Hamburg]: Sie müssen bei dieser Geschichte über England erwähnen, daß die neue konservative Verkehrsgesetzgebung eine Ausgleichsabgabe für den Kraftwagen eingeführt hat!)

    — Es ist mir völlig klar, daß sie das getan hat. Sie hat diese Ausgleichsabgabe eingeführt. Aber Sie wissen sicherlich, daß die Frage Straße-Schiene damit bisher in England nicht geregelt werden konnte. Der jetzige Generaldirektor der englischen Eisenbahnen, Mr. Elliot , hat mir noch vor wenigen Monaten gesprächsweise gesagt, daß durch die bisher getroffenen Maßnahmen das Chaos, wie er es nannte, in den Relationen zwischen Schiene und Straße in England nicht gelöst worden ist.
    Es ist nicht so, daß wir uns um diese Lösungsversuche in anderen Ländern nicht bekümmerten. Genau so habe ich mich für den Lösungsversuch in Holland interessiert. In Holland hat man eine sehr schöne marktkonforme Lösung getroffen, die man vielleicht auch für Deutschland empfehlen könnte, wenn man die Voraussetzungen nicht gründlich nachprüft. Sie, Herr Kollege Schmidt, wünschten ja marktkonforme Mittel; ich wünsche verkehrskonforme Mittel. Das ist ein gewisser Unterschied. Die marktkonforme Lösung in
    Holland sieht so aus, daß man die Festtarife zu Höchsttarifen gemacht hat, und das hat sich in Holland auch durchaus bewährt. Warum? Weil es ein kleines Land ist, in dem man eben im allgemeinen nur Nahverkehr und nicht wie bei uns Fernverkehr hat.
    Hier kommen wir auf eine wirklich interessante Erscheinung, auf die Sie, Herr Schmidt, auch hingewiesen haben. Sie sprachen davon, daß man nicht eine Verkehrsteilung nach Güterarten, sondern eine Verkehrsteilung nach Entfernungen machen sollte. Nun, die Vorschläge, die ich gemacht habe, zielen ab auf eine Verkehrsteilung nach Güterarten und Entfernungen. Hier sind beide Momente berücksichtigt. Leider sind Sie darauf nicht eingegangen.
    Sie entnehmen dem Morgenthaler-Gutachten die Zahl von 150 km. Verehrter Herr Schmidt, das Morgenthaler-Gutachten ist das Arbeitsergebnis einer Untersuchung von Wirtschaftsprüfern, die von diesen ganzen Betriebsabrechnungen mehr verstehen, als ich es kann. Ich muß aber sagen, daß diese Repräsentativuntersuchung wirklich eine Reihe solcher Fehler aufweist, ja nach Lage der Voraussetzungen aufweisen muß, daß ich sie nicht zur Grundlage einer Betrachtung habe machen können. Die Tatsachen beweisen ja auch, daß das Morgenthaler-Gutachten gar nicht so entscheidend in Frage kommen kann: denn sonst würden ja doch nicht alle Kraftverkehrsunternehmen im Fernverkehr grundsätzlich weiter fahren als die berühmten 150 km, bei denen sich nach Herrn Morgenthaler die Kurven eigentlich schneiden müßten, so daß das Weiterfahren unwirtschaftlich wird. Hier spielt eine Rolle, daß sie eben mit den Tarifen anstoßen können, und dieses Anstoßen der Tarife ist dabei der entscheidende Punkt, den Herr Morgenthaler nicht vorausgesehen hat.
    Sie haben dann gesagt, Sie seien der Ansicht, daß der Kraftwagentarif und der Eisenbahntarif — seinerzeit in ihrer gegenseitigen Bindung in der Ara Dorpmüller geschaffen — auseinanderentwikkelt werden sollten; man könnte aber zur Zeit auf die Gemeinschaft dieser Tarife noch nicht verzichten. Darin stimme ich mit Ihnen völlig überein. Aber wenn Sie die Tarifentwicklung der letzten vier Jahre überprüft haben, werden Sie festgestellt haben, daß wir uns um diese sanfte Auseinanderentwicklung sehr wohl bemüht haben und daß wir da in mancher Beziehung nicht unerheblich an Boden gewonnen haben. Ich glaube also, daß dieses Problem eben nicht allein vom Tarif her gesehen werden kann. Als ich die Frage der Verkehrsteilung ansprach, wollte ich der Meinung Ausdruck geben, daß man das Problem Schiene-Straße nicht durch den Tarif allein lösen kann, etwa in dem Sinne, daß man die Massengütertarife bei der Eisenbahn herabsetzt und beim Güterfernverkehr heraufsetzt und die Tarife der oberen Klassen bei der Eisenbahn herauf- und beim Güterfernverkehr heruntersetzt, indem man also ein ganz differenziertes, auch in den einzelnen Regeltarifklassen verschiedenes System entwickelt. Ein solches System wird ja auch nicht etwa von den Gutachten der Herren Professoren vorgeschlagen. Wenn man es entwickeln wollte, so glaube ich, daß man damit doch nicht zum Erfolg kommen kann, weil eben der Werkverkehr als der von Ihnen gerühmte Hecht im Karpfenteich so stark ist, daß er dann die ganzen anderen Karpfen alle verspeist — er wird sich dann auf der Straße noch mehr ausdeh-


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    nen —, so daß wir nur die Gräten von dem gewerblichen Verkehr übrigbehalten, die wir dann mit Fleisch, also Subventionen, wieder füllen müssen. Bedenken Sie doch bitte, daß bei diesen Entscheidungen immer wieder der Faktor Zeit die entscheidende Rolle spielt. Ich habe auch schon heute früh darauf hingewiesen, verehrter Herr Schmidt, daß der Faktor Zeit sehr bedeutungsvoll ist, so daß eben das hochwertige Gut dem schnelleren Verkehrsmittel automatisch zuläuft und wir das weder mit gemeinwirtschaftlichen noch mit tarifarischen Maßnahmen verhindern können.
    Wir haben davon gesprochen, daß wir die Massengüter auf der Straße einschränken wollen. Wir werden uns wohl zu gegebener Zeit darüber in diesem Hohen Hause noch unterhalten können, wenn sich die Bundesregierung entschließt, solchen Gedankengängen Raum zu geben. Man kann aber hier ernsthaft nicht von einer Strangulierung reden, einmal deswegen nicht, weil die Massengüter in der Nahzone, also bis 50 km im Umkreis des Standorts des Fahrzeuges — natürlich genau wie alle anderen Güter —, der Straße vollständig erhalten bleiben, die Beschränkung der Transporte der Massengüter auf der Straße also nur eine Frage des Fernverkehrs ist, und zum anderen deshalb nicht, weil diese Massengüter nun tatsächlich besonderen Anlaß zu der Vergrößerung des Lastkraftwagens gegeben haben. Tatsächlich sehen wir, daß in der Masse die großen Lastwagen nur so ausgenutzt werden, daß sie Massengüter fahren, mindestens auf einer Fahrt.
    Sie sprachen aber, verehrter Herr Schmidt, von der Strangulierung des Werkverkehrs. Der Anteil des Werkverkehrs, der im Bringverkehr fährt, ist im Rahmen des gesamten Werkverkehrs, d. h. Nah-und Fernverkehr zusammen, verhältnismäßig gering. Dieser Werkverkehr, der im Bringverkehr fährt, hat aber eine andere Eigenschaft, nämlich die, die Leute entweder zu gewissen „marktkonformen Mitteln", d. h. Liberalisierung ohne Kostenberechnung für den Transport, anzuregen oder im Gegenverkehr andere Güter zurückzubringen, die hauptsächlich dem Massengutverkehr zugehören, vielfach also unechten Werkverkehr zu betreiben. Deswegen hängen diese Fragen miteinander zusammen.
    Sie sind der Meinung, daß sich der Bringverkehr durch den Holverkehr ersetzen wird. Nun, wir haben den Holverkehr nie verboten. Dort, wo An-transport von Roh- und Halbzeug zu einer echten Produktion für die Industrie notwendig ist, da ist es ein echter Werkverkehr, genau so wie die Versorgung der Außenbetriebsstellen mit den Produkten oder weiterzuverarbeitenden Produkten mit Hilfe des Eigenverkehrs. Ein Endprodukt eines Unternehmens kann selbstverständlich für ein anderes Unternehmen Ausgangs- und Rohprodukt sein. Wenn ich in Troisdorf Kunststoffe herstelle, dann sind sie natürlich für den weiterverarbeitenden Betrieb, der daraus Lagerschalen oder irgend etwas anderes fertigt, Rohprodukte. Die Verhältnisse spielen so natürlich in einer etwas eigenartigen Weise durcheinander. Man kann die Grenze nicht klar ziehen. Aber Sie verhindern jedenfalls mit dem Verbot des Bringverkehrs auch eine Vertrübung der Marktverhältnisse, die sich jetzt in immer stärkerem Maße zeigt und die zweifellos auf dem Rücken der Bundesbahn ausgetragen wird. Ich bin nicht der Meinung, daß man diese Entwicklungen ohne Bedenken so weiter laufen lassen kann.
    Sie haben uns weiter den Vorwurf gemacht, daß wir, seinerzeit, im Jahre 1950/51 das Maximalgesamtgewicht des beladenen Lastzuges auf 40 t festgesetzt haben. Herr Schmidt, das Maximalgesamtgewicht ist damals im Zusammenhang mit den anderen Abmessungen — einmal im Zusammenhang mit den internationalen Bestimmungen der Verträge in Genf von 1949 und 1950 und zum anderen auf Grund sehr eingehender Beratungen mit allen Experten — festgesetzt worden. Es waren gerade die Vertreter der Lastkraftwagenindustrie, die auch mit dieser Begrenzung sehr unzufrieden waren und eine wesentlich höhere Zahl haben wollten. Das ergibt sich auch daraus, daß wir inzwischen wiederholt Anträge von Lastkraftwagenfabriken gehabt haben, Lastzüge mit Gesamtgewichten von 50 und mehr Tonnen als Ausnahmen zuzulassen; das haben wir regelmäßig abgelehnt. Wir mußten damals eine Entwicklung abstoppen, die schon in vollem Gange war, und konnten nur so die Hypertrophie der Lastkraftwagen eindämmen. Wenn wir in Zukunft keine Massengüter mehr auf den Straßen zu fahren brauchen — sie stellen nämlich einmal vielfach eine besondere Gefährdung des Straßenverkehrs und dann eine ganz besondere Belastung der Straße dar, während diese Güter auf der anderen Seite volkswirtschaftlich ohne weiteres auf der Schiene und mit der Binnenschiffahrt transportiert werden könnten, denn wir sind ja aus der Zeit des Mangels an diesen Gütern hoffentlich auf die Dauer heraus —, so werden wir sicherlich dazukommen, daß diese Wünsche, so übertrieben große Lastkraftwagen zu fahren, gar nicht mehr gegeben sind. Wir werden dann eine langsame Umstellung unserer Lastkraftwagenproduktion bekommen, wie wir sie auch damals bekamen, als wir den zweiten Anhänger verboten haben. Solche Entwicklungen laufen also, wenn man sie einigermaßen organisch und vernünftig anfaßt, durchaus in Ordnung.
    Sie haben sich dann sehr eingehend mit dem Verhältnis von Post und Eisenbahn beschäftigt. Herr Schmidt, ich darf sehr hoffen und wünschen — ich weiß nicht, ob ich richtig unterrichtet bin, daß Sie dem Verwaltungsrat der Post zugehören werden —, daß Sie dann diese Tendenzen weiter vertreten werden.

    (Abg. Schmidt [Hamburg]: Ich werde mich bemühen!)

    Sie werden dann in mir einen guten Bundesgenossen finden, denn wir bemühen uns um diese Fragen seit langer Zeit wirklich sehr ernstlich. Ich glaube, man kann weder der Bundesbahn noch dem Bundesverkehrsministerium einen Vorwurf machen, daß wir in dieser Beziehung nicht weiter gekommen sind.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Da sind wir einer Meinung!)

    Ich darf darauf hinweisen, daß es erfreulicherweise in letzter Zeit über den Paket- und Expreßgutverkehr zu gewissen Abstimmungen zwischen Bahn und Post gekommen ist, und ich hoffe, daß das ein gutes Zeichen für die weitere Entwicklung ist.
    Bezüglich der Omnibustarife darf ich darauf hinweisen, daß es nicht etwa der private Unternehmer ist, der den Preis nicht heraufsetzen wollte; es war die Post, die das nicht wünschte, und zwar aus bestimmten Gründen, die ich durchaus verstehe. Sie wollte ihre eigene Rolle auch auf diesem Gebiet tarifarisch besonders betonen. Denn sie steht auf dem Standpunkt, daß sie den Verkehr auf der


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    Straße mit Omnibussen auf Grund des ihr seinerzeit einmal gegebenen Regals betreiben kann. Sie kennen das berühmte Wort von dem „Loch im Verkehr", das einmal eine deutsche Verkehrszeitung aufgeworfen hat, um zu zeigen, daß hier tatsächlich die Schwierigkeiten liegen, die uns auch beim Personenbeförderungsgesetz ganz außerordentlich hemmen. Ich hoffe sehr, daß es uns gemeinsam gelingt, diese Schwierigkeiten einmal, nein, bald zu überbrücken. Ich bin mit Ihnen durchaus in all dem einverstanden, was Sie über die Unsinnigkeit dieser Konkurrenz zweier großer staatlicher Unternehmungen gesagt haben. Nicht jede Berufsverkehrsstrecke der Eisenbahn wird aber durch eine Omnibusstrecke begleitet. Infolgedessen ist die Sache doch nicht ganz so, wie Sie sie dargestellt haben. Ich darf auch darauf hinweisen, daß die Bahn auf ihren Omnibusstrecken Sozialtarife hat, die zwar etwas höher liegen als ihre übrigen Sozialtarife auf der Schiene, aber doch etwa 50 % niedriger als die Regeltarife sind. Ich wünschte selbst, wir hätten die Möglichkeit, durch einen vernünftigen Ausgleich dazuzukommen, daß unsere Arbeiter so befördert werden, wie ich das gern haben möchte, in vernünftigen und ordentlichen, gut beleuchteten und gut gelüfteten Wagen. Ich muß allerdings sagen: Herr Mommer hat mir bisher das erbetene Material noch nicht zur Verfügung gestellt; ich warte aber gerne weiter und bin sehr gespannt darauf.
    Verehrter Herr Schmidt, Sie haben sich dann sehr eingehend — und darüber darf ich noch einiges sagen — mit dem Gutachten unseres Wissenschaftlichen Beirats beschäftigt. Da Sie das so stark herausgestellt haben, sollte ich eigentlich den Schluß ziehen: wie schade, daß ich das drucken und allen Mitgliedern des Hohen Hauses in die Schublade habe legen lassen. Sonst hätten Sie sich gar nicht so eingehend damit beschäftigen können. Aber ich habe diesen Druckauftrag bereits im Oktober gegeben, sobald ich wieder mit dem Amt des Bundesverkehrsministers betraut war.
    Das Gutachten hat ein falsches Datum. Der Wissenschaftliche Beirat hatte damals noch Bedenken, es herauszugeben, auch an mich. Es ist noch einmal überarbeitet worden. Ich darf aber auch bemerken, daß in dem Wissenschaftlichen Beirat einige Herren der Eisenbahn sitzen und daß zu der Zeit der Vorsitzende noch Herr Professor Dr. Frohne war, weshalb ich wohl annehmen darf, daß die Bundesbahn über die Entwicklung dieser Sache laufend unterrichtet gewesen ist.

    (Abg. Schmidt [Hamburg] : Der hat hier nicht mit unterschrieben!)

    — Er hat nicht unterschrieben, weil er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn diese nicht an das Gutachten binden wollte. Er hat aber den ganzen Verhandlungen vorgesessen und ist über jede Einzelheit in der Entwicklung dieser Arbeit im Bilde gewesen, und die Experten der Bundesbahn — das können Sie mir glauben — haben den Herren Professoren bei der Abfassung dieses Gutachtens dauernd zur Verfügung gestanden. Es ist also eine Gemeinschaftsarbeit gewesen, wobei die Herren das Material, was ihnen vorgelegt worden ist, entsprechend ausgewertet haben. Zu der Zeit aber, als die Bundesbahn die Anträge auf Abwertung der A- bis D-Tarife stellte — das war nämlich im März/ April —, lag das Gutachten leider noch nicht vor. Infolgedessen konnte es damals noch niemandem in die Hand gegeben werden. Warum die Bundes-
    bahn es damals nicht benutzt hat, das wird sie sicherlich sehr genau geprüft haben!
    Sie haben weiter auf die Verhandlungen zwischen den Verkehrsträgern hingewiesen. Ich wiederhole dazu, was ich vorhin gesagt habe, daß im Jahre 1950 auf meine Veranlassung die Verhandlungen zwischen Bundesbahn und Binnenschiffahrt eingesetzt haben, die laufend weitergeführt worden sind und zu den günstigen Erfolgen geführt haben, die ich aufzeigen konnte. Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß die Verhandlungen — und diesen Punkt haben Sie sehr richtig erwähnt —zwischen Straße und Schiene eben deswegen so schwierig sind, weil immer nur ein Teil der Straße, nämlich der gewerbliche Verkehr, an den Verhandlungstisch zu bringen ist, während der größere Teil des Straßengüterverkehrs, der Werkverkehr, draußen bleibt und nicht zu fassen ist. Das ist für beide Verhandlungspartner des gewerblichen Verkehrssektors eine sehr unangenehme Situation. Würde es aber gelingen, mit einer Verkehrsteilung nach Entfernung und Güterarten — man kann die Schnitte legen, wie man will — eine Grundlage zu schaffen, die nicht zu einem neuen Monopol führen kann — denn die Binnenschiffahrt bleibt ja Konkurrent —, wohl aber zu klaren Verhältnissen, dann wären allerdings, glaube ich, die Voraussetzungen geschaffen, einen besseren Ausgleich zwischen diesen beiden Verkehrsträgern zu finden, die auf Schiene und Straße gewerblichen Verkehr betreiben. Dazu sind aber noch gewisse Entwicklungen abzuwarten.
    Wir haben gesetzlich festgelegt, daß die Zahl der Konzessionen im gewerblichen Güterfernverkehr nach und nach schrumpft. Verehrter Herr Schmidt, ich bin der Meinung — und ich glaube, diese Ansicht wird das Haus mit mir teilen —, daß wir, nachdem wir uns auf der einen Seite im Güterkraftverkehrsgesetz wiederholt zu dem Prinzip der Konzession im gewerblichen Verkehr auf der Straße, soweit er Fernverkehr ist, bekannt haben, daß wir dann auf der andern Seite auch bereit sein müssen, diesem gewerblichen Verkehr in eindeutiger Weise seinen Lebensraum zu garantieren. Deswegen können bei einer Verkehrsteilung die Schnitte naturgemäß nicht so gelegt werden, daß der gewerbliche Verkehr einseitig oder hauptsächlich betroffen wird, sondern dann muß leider Gottes und mit Vorrang eben auch der Werkverkehr
    Haare lassen. Er muß Haare lassen, weil wir ein ausreichendes Straßensystem für diesen Grad der Motorisierung leider nicht besitzen und in nur kurzer Zeit auch nicht schaffen können.
    Ich würde zu diesen Vorschlägen einer Einschränkung auf der Straße niemals kommen, wenn ich auch nur den Schimmer einer Hoffnung sähe, daß wir in den nächsten Jahren unser Straßensystem so ausbauen könnten, wie es dem jeweiligen Stand unserer Motorisierung entspricht. Sie entwickelt sich ja immer weiter. Wir werden mit dem Straßenausbau immer in der berühmten, aber nicht beneidenswerten Lage sein, daß wir der Motorisierung zu Fuß nachhinken; notabene ist das nicht eine Schuld unserer Zeit oder gar der letzten vier Jahre, sondern diese Schuld erfaßt die ganzen ersten 50 Jahre dieses Jahrhunderts. So wenig, wie die Leute im Jahre 1910 die Entwicklung der Motorisierung durch den Krieg 1914/1918 vorausgesehen haben, so wenig konnten wir 1948/1949 glauben, daß sich die Zahl der vorhandenen Kraftfahrzeuge in vier Jahren mehr als verdoppeln würde. Das ist sicherlich eine Folge der guten Wirtschaftspolitik, die sehr vielen Menschen die Möglichkeit


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    gegeben hat, sich Autos und Motorräder anzuschaffen. Sicherlich ist es auch ein Element, das nicht wenig zur Hebung des Lebensstandards weiter Kreise unseres Volkes beigetragen hat.
    Noch eine Bemerkung zu der Frage der Einnahmesteigerung für die Bundesbahn, die ich vorhin angeschnitten habe. Sie haben vollständig recht, daß früher, also in den dreißiger Jahren, die durchschnittliche Länge des Transportweges der beförderten Güter bei der Eisenbahn sogar etwas niedriger war als heute. Aber vergessen Sie doch bitte nicht, daß in der Zwischenzeit eine erheblich Wandlung eingetreten ist, weil der Kraftwagen im Nah- und Flächenverkehr der Eisenbahn weitgehend die Transporte abgenommen hat, so daß wir heute praktisch bei weitem nicht mehr jenen Anteil des Nahverkehrs an den Eisenbahntransporten haben wie früher, also auch zu der Zeit, in der diese Zahlen damals festgelegt wurden. Damals drückte der weit umfangreichere Nahverkehr auf diese mittlere Entfernungslänge, und diese mittlere Entfernungslänge hätte auch nicht wachsen können in der so viel kleineren Bundesrepublik Deutschland, wenn diese Verhältnisse sich nicht auch hier ausgeprägt hätten. Insofern bin ich durchaus berechtigt, anzunehmen, daß, wenn wir nicht nur Mitteldeutschland, sondern Deutschland in seiner alten Form, auf die die Bundesbahn schließlich zugeschnitten war, wiederhaben könnten, die Verkehrslänge entsprechend größer sein würde, als jetzt bei unserem Raum. Ich habe sie einmal mit 50 % größer angenommen, nur um zu beweisen, daß dann die Verhältnisse sich für die Bahn wesentlich günstiger gestalten würden. Ich habe das nicht als ein Mittel angesehen, verehrter Herr Schmidt, auf das man warten sollte, damit die Bahn dann gesundet, sondern ich habe in der Kontroverse mit Ihrem verehrten Herrn Kollegen Dr. Bleiß nur ausgeführt, daß hierin eigentlich einer der wesentlichen Gründe liege, weshalb es der Bundesbahn heute soviel schlechter geht als früher der Reichsbahn. Wir wissen wohl sicher, daß die Beschränkung des Betriebsnetzes der Bahn auf das Gebiet der Bundesrepublik für die Eisenbahn in vielfältigster Beziehung, nicht nur in dieser einen, eine ungeheure Belastung dargestellt hat, mit der sie auch fertig werden muß, wobei ich noch bemerken darf, daß -- wie Ihnen natürlich bekannt ist — die Mehreinnahmen, die ich erziele, wenn die durchschnittliche Entfernung größer wird, praktisch zu 80 % echte Mehreinnahmen sind, die verbleiben, weil ja die Zugbildungs- und die Zugauflösungsvorgänge, die einen sehr großen Anteil an den gesamten Transportkosten ausmachen, die gleichen bleiben. Insofern habe ich an dieser Steigerung der mittleren Entfernung ein unerhörtes Interesse, genau so wie ich ein unerhörtes Interesse daran habe, daß die Umlaufszeit der Waggons weiter herabgesetzt wird, weil damit eine wesentlich größere Ausnutzung der Eisenbahnanlagen erreicht wird.
    Sie haben dann weiter gesagt, verehrter Herr Kollege Schmidt, Sie sprächen von einer Krise der Verkehrspolitik, und Sie wollten nicht von einer Verkehrskrise sprechen. Ich sagte vorhin schon: wir haben ja zunächst eine Phase gehabt, in der wir Fundamente legen mußten. Ich glaube, die Situation wird von allen, die im ersten Bundestag mitgearbeitet haben, in gewisser Weise anerkannt werden müssen: daß dieses Legen der Fundamente notwendig war und daß es natürlich Arbeit und Kraft erforderte, daß aber vielleicht auch in dieser
    Zeit sich erst einmal die Entwicklungslinien ausbilden mußten, aus denen heraus man jetzt retrospektiv natürlich manches sagen kann. Ich glaube nicht, daß Sie Ihre Rede im Jahre 1949 so gehalten hätten wie heute, und ich hätte meine Rede auch nicht so gehalten wie heute. Die Verhältnisse, die wir heute rückwärts übersehen, haben wir damals vorwärts nicht übersehen können; das ist eindeutig klar. Sie haben nicht an den ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung geglaubt, der dank der Politik der Bundesregierung eingetreten ist. Nicht einmal wir haben geglaubt, daß es so gut gehen würde, und erst die Wahl am 6. September hat uns ja dann bewiesen, wie gut es gegangen ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren,
    möchte ich diese Diskussionsbemerkung schließen.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)