Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzte Frage von Herrn Kollegen Schmidt möchte ich dahin beantworten: Stimmen Sie der EVG zu, dann werden wir über diese Frage leicht hinwegkommen!
Ich habe mich mit den Ausführungen, die Herr Kollege Schmidt gemacht hat, ein wenig auseinanderzusetzen. Sie werden verstehen, daß ich dabei mit jenen Bemerkungen beginne, in denen er sich sehr intensiv mit Begriffen aus der Bilanzwirtschaft abgegeben hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben — und daran sind wir alle nicht schuld, sondern das tragen wir alle gemeinsam — einen Konkurs übernommen. Herr Kollege Schmidt sprach von einer Liquidations-
bilanz, die wir jetzt erreicht hätten. Ich bin der Meinung, wir sollten, nachdem wir uns aus der Konkurslage des Jahres 1945 allmählich in die Lage eines Vergleichs in der Jetztzeit emporgearbeitet haben, die Schwierigkeiten nicht unterschätzen, die ein solcher Vergleich jedem Kaufmann bietet, der in das Unglück eines Konkurses hineingekommen ist und sich wieder herausarbeiten, wieder ehrlich werden will.
— Verzeihung, nicht so ganz! Sonst würde ich darauf ja nicht antworten. Ich habe sehr genau zugehört.
Ich möchte mich ja gern sachlich mit Herrn Schmidt auseinandersetzen.
— Das ist nicht neu. Herr Schmidt und ich kennen uns schon seit einer Reihe von Jahren, und von manchem, was er gesagt hat, hätte ich eigentlich erwartet, daß er es aus seiner Kenntnis der Verhältnisse und aus seiner bisherigen Tätigkeit in Hamburg heraus nicht erklärt hätte. Ich nehme z. B. seine Bemerkungen über den Aufbau des Bundesministeriums für Verkehr. Ihm ist ganz genau bekannt, daß wir diese Arbeitsgebiete vorher genau so behandelt haben und daß wir nur, nachdem der Abteilungsleiter A in die Position des Staatssekretärs kam, diese beiden Arbeitsgebiete auch in zwei Abteilungen auseinanderentwickelt haben. Alle Referate, die sich befassen mit der Verkehrsleitung, Verkehrspolitik, Tarifpolitik oder wie immer Sie diese Aufgabengebiete nennen wollen, haben von Anfang an bestanden. Bei der Teilung der Abteilung A in die Abteilungen Z und A ist nicht ein einziges neues Referat gebildet worden, sondern es hat nur eine gewisse Umschichtung stattgefunden. Das weiß Herr Schmidt aus seiner Tätigkeit in Hamburg sehr genau; denn er hat diese Dinge damals mit beobachtet. Er kennt auch die personellen Verhältnisse, die zu dieser Umwandlung Veranlassung gegeben haben. Ich freue mich aber, daß er der Auffassung ist, daß diese neue Organisation eine bessere ist. Das zeigt ihm doch, daß wir bemüht sind, aus den Verhältnissen heraus stets das Bessere zu gestalten.
Der Herr Kollege Schmidt hat sich vor allen Dingen dem — wie er sagte — Kernproblem zugewendet und hat die Frage aufgeworfen, ob es möglich ist, die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn — die wir, wie ich ausgeführt habe, wegen der Arbeitsteiligkeit unserer Wirtschaft unbedingt erhalten wollen und müssen, die wir' auch erhalten wollen und müssen, um den Randgebieten weiter die notwendige wirtschaftliche Entwicklung zu sichern — also die Gemeinwirtschaftlichkeit auf die anderen Verkehrsträger zu übertragen oder Ihnen, wie er das genannt hat, aufzulasten. Ich hatte mir schon eine Zwischenbemerkung erlaubt. Denn wenn man die Frage bejaht und als These begründet, um damit einen neuen Vorschlag zur Lösung der Probleme zu bringen, ist es natürlich die entscheidende Frage, ob denn diese drei Verkehrsträger ihrer Art und Struktur nach so gleich sind und ob ihre Aufgaben so gleichartig sind, daß sie ohne weiteres die Gemeinwirtschaftlichkeit auf sich nehmen können.
Ich hatte mir erlaubt, darauf hinzuweisen — das ist auch in der Debatte wiederholt mit aufgeklungen —, daß wir die Binnenschiffahrt keineswegs in diese Gleichbehandlung einbeziehen können, weil die Binnenschiffahrt auf unseren deutschen Wasserstraßen seit dem Wiener Kongreß, ja eigentlich seit dem Westfälischen Frieden von Münster und Osnabrück, auf dem Rhein in der internationalen Konkurrenz steht und seit Versailles und durch die Folgen von Versailles auch auf Elbe, Oder und Donau in der internationalen Konkurrenz steht. Infolgedessen ist eine Übertragung gemeinwirtschaftlicher Prinzipien auf die Binnenschiffahrt so lange nicht möglich, als es uns nicht möglich ist — und das wird nie der Fall sein —, diese gemeinwirtschaftlichen Prinzipien auch auf die konkurrierenden ausländischen Binnenschiffahrtszweige, die ja vorhanden sind, zu übertragen, besser gesagt, ihnen aufzulasten. Wir können nicht einmal ohne weiteres in der Frage dier Besteuerung des Verkehrs einheitlich vorgehen, weil nach den internationalen Bestimmungen die Besteuerung, die wir unserer Binnenschiffahrt auferlegen könnten, der ausländischen Binnenschiffahrt nicht auferlegt werden kann. Durch eine Maßnahme, wie sie hier vorgeschlagen wird, würde sich nur eine sehr ungerechtfertigte starke einseitige Belastung unserer Binnenschiffahrt gegenüber ihrer in Deutschland tätigen ausländischen Konkurrenz und gegenüber dieser Konkurrenz im grenzüberschreitenden Verkehr ergeben.
Nun zum anderen Inlandsverkehrsträger, zur Straße. Wenn die Sache so einfach wäre, daß wir auf der Straße wie in der Binnenschiffahrt und auf der Eisenbahn nur gewerblichen Verkehr hätten, wäre das Problem sicher lösbar. Aber wir haben eben auf der Straße nicht nur gewerblichen, sondern sogar in überwiegendem Maße Eigenverkehr, den wir als Personenverkehr durch die Personenautos und Motorräder alle kennen und den wir auf der anderen Seite als Werkverkehr bezeichnen. Wenn Herr Schmidt die bemerkenswerten Anmerkungen gemacht hat, daß er wieder einen Reichskraftwagen-Betriebsverband haben möchte, wie wir ihn im Dritten Reich hatten, wenn er gesagt hat, daß er daneben den Werkverkehr als Hecht im Karpfenteich weiter zu sehen wünsche, dann muß er mir zugeben, daß er dem Reichskraftwagen-Betriebsverband nicht gemeinwirtschaftliche Lasten auferlegen kann, wenn der Werkverkehr daneben ohne weiteres frei ausgeht. Er hat, weil ihm selbst bekannt war, daß er hier in seiner Konzeption an eine schwache Stelle kommt, vorgeschlagen, diese Untiefe durch eine differenzierte Beförderungsteuer zu überbrücken. Aber, verehrter Herr Schmidt, wenn Sie sich einmal die Summen der Beförderungsteuer und ihren Einfluß auf den Preis ansehen, dann werden Sie feststellen, daß die Spanne, von der Sie gesprochen haben, bei weitem nicht genügt, um darin das unterzubringen, was in der Verkehrsmöglichkeit und in der Bedienungsmöglichkeit zwischen gewerblichem Verkehr und Eigenverkehr — sprich hier: Güterfernverkehr und Werkfernverkehr — als Unterschied gegeben ist.
— Jawohl. Ich sage nur: Sie können diese Unterschiede in der Spanne nicht unterbringen, und wenn Sie diese Spanne ungebührlich ausweiten, kommen Sie sicherlich zu Klagen vor dem Verfassungsgericht wegen einer Verletzung des Grundrechtes der Gleichheit vor dem Gesetz, die wir ja
L) auch sonst schon befürchten und die zu vermeiden
unsere Entscheidungen oft so schwierig macht.
Aber die Geschichte hat ja noch einen andern Nachteil. Ich habe mir schon heute früh erlaubt, darauf hinzuweisen, daß die Lösung der Frage ja nicht vom Preis abhängt, und eben weil sie nicht vom Preis abhängt, sondern weil der Werkverkehr seine Rolle spielen kann aus einer ganzen Reihe von anderen Komponenten, die ich aufgezählt habe — sprechen wir vielleicht im Hafendeutsch: weil er Faszilitäten besitzt, Herr Schmidt,
die der gewerbliche Güterfernverkehr nicht aufzubringen vermag —,
— natürlich ein Fremdwort, aber ein Fremdwort, das man in Hamburg versteht —, lassen sich diese Faszilitäten leider durch den Preis und also auch durch eine Besteuerung nicht ausgleichen, so daß man deswegen bei diesem Versuch einer Lösung in erhebliche Schwierigkeiten kommen wird. Sie werden, wenn Sie dieser Frage einmal wirklich gründlich nachgehen, zu dem Ergebnis kommen, daß es so nicht geht. Ich gebe Ihnen dazu, weil Sie heute bei Ihren Darlegungen so gern ins Ausland abgeschweift sind, noch ein Stichwort: England. In England hatten wir einen gewerblichen Güterverkehr, private Eisenbahnen, aber kaum einen Werkverkehr. Da kam die sozialistische Regierung. Sie hat die Eisenbahnen verstaatlicht, sie hat auch den gewerblichen Güterfernverkehr verstaatlicht. Und was ist der Effekt? Der Werkverkehr hat sich in dieser Zeit in England etwa verzehnfacht. Irgend so eine Größenordnung wird es sein; ich habe die Zahl nicht genau im Kopf. Jedenfalls hat er unangemessen zugenommen, und der Versuch, diese Entwicklung jetzt wieder zurückzudrehen, ist natürlich sehr viel schwieriger, nachdem sich nunmehr in England ein solcher Werkverkehr entwickelt hat.
— Bitte, Herr Schmidt!
— Es ist mir völlig klar, daß sie das getan hat. Sie hat diese Ausgleichsabgabe eingeführt. Aber Sie wissen sicherlich, daß die Frage Straße-Schiene damit bisher in England nicht geregelt werden konnte. Der jetzige Generaldirektor der englischen Eisenbahnen, Mr. Elliot , hat mir noch vor wenigen Monaten gesprächsweise gesagt, daß durch die bisher getroffenen Maßnahmen das Chaos, wie er es nannte, in den Relationen zwischen Schiene und Straße in England nicht gelöst worden ist.
Es ist nicht so, daß wir uns um diese Lösungsversuche in anderen Ländern nicht bekümmerten. Genau so habe ich mich für den Lösungsversuch in Holland interessiert. In Holland hat man eine sehr schöne marktkonforme Lösung getroffen, die man vielleicht auch für Deutschland empfehlen könnte, wenn man die Voraussetzungen nicht gründlich nachprüft. Sie, Herr Kollege Schmidt, wünschten ja marktkonforme Mittel; ich wünsche verkehrskonforme Mittel. Das ist ein gewisser Unterschied. Die marktkonforme Lösung in
Holland sieht so aus, daß man die Festtarife zu Höchsttarifen gemacht hat, und das hat sich in Holland auch durchaus bewährt. Warum? Weil es ein kleines Land ist, in dem man eben im allgemeinen nur Nahverkehr und nicht wie bei uns Fernverkehr hat.
Hier kommen wir auf eine wirklich interessante Erscheinung, auf die Sie, Herr Schmidt, auch hingewiesen haben. Sie sprachen davon, daß man nicht eine Verkehrsteilung nach Güterarten, sondern eine Verkehrsteilung nach Entfernungen machen sollte. Nun, die Vorschläge, die ich gemacht habe, zielen ab auf eine Verkehrsteilung nach Güterarten und Entfernungen. Hier sind beide Momente berücksichtigt. Leider sind Sie darauf nicht eingegangen.
Sie entnehmen dem Morgenthaler-Gutachten die Zahl von 150 km. Verehrter Herr Schmidt, das Morgenthaler-Gutachten ist das Arbeitsergebnis einer Untersuchung von Wirtschaftsprüfern, die von diesen ganzen Betriebsabrechnungen mehr verstehen, als ich es kann. Ich muß aber sagen, daß diese Repräsentativuntersuchung wirklich eine Reihe solcher Fehler aufweist, ja nach Lage der Voraussetzungen aufweisen muß, daß ich sie nicht zur Grundlage einer Betrachtung habe machen können. Die Tatsachen beweisen ja auch, daß das Morgenthaler-Gutachten gar nicht so entscheidend in Frage kommen kann: denn sonst würden ja doch nicht alle Kraftverkehrsunternehmen im Fernverkehr grundsätzlich weiter fahren als die berühmten 150 km, bei denen sich nach Herrn Morgenthaler die Kurven eigentlich schneiden müßten, so daß das Weiterfahren unwirtschaftlich wird. Hier spielt eine Rolle, daß sie eben mit den Tarifen anstoßen können, und dieses Anstoßen der Tarife ist dabei der entscheidende Punkt, den Herr Morgenthaler nicht vorausgesehen hat.
Sie haben dann gesagt, Sie seien der Ansicht, daß der Kraftwagentarif und der Eisenbahntarif — seinerzeit in ihrer gegenseitigen Bindung in der Ara Dorpmüller geschaffen — auseinanderentwikkelt werden sollten; man könnte aber zur Zeit auf die Gemeinschaft dieser Tarife noch nicht verzichten. Darin stimme ich mit Ihnen völlig überein. Aber wenn Sie die Tarifentwicklung der letzten vier Jahre überprüft haben, werden Sie festgestellt haben, daß wir uns um diese sanfte Auseinanderentwicklung sehr wohl bemüht haben und daß wir da in mancher Beziehung nicht unerheblich an Boden gewonnen haben. Ich glaube also, daß dieses Problem eben nicht allein vom Tarif her gesehen werden kann. Als ich die Frage der Verkehrsteilung ansprach, wollte ich der Meinung Ausdruck geben, daß man das Problem Schiene-Straße nicht durch den Tarif allein lösen kann, etwa in dem Sinne, daß man die Massengütertarife bei der Eisenbahn herabsetzt und beim Güterfernverkehr heraufsetzt und die Tarife der oberen Klassen bei der Eisenbahn herauf- und beim Güterfernverkehr heruntersetzt, indem man also ein ganz differenziertes, auch in den einzelnen Regeltarifklassen verschiedenes System entwickelt. Ein solches System wird ja auch nicht etwa von den Gutachten der Herren Professoren vorgeschlagen. Wenn man es entwickeln wollte, so glaube ich, daß man damit doch nicht zum Erfolg kommen kann, weil eben der Werkverkehr als der von Ihnen gerühmte Hecht im Karpfenteich so stark ist, daß er dann die ganzen anderen Karpfen alle verspeist — er wird sich dann auf der Straße noch mehr ausdeh-
nen —, so daß wir nur die Gräten von dem gewerblichen Verkehr übrigbehalten, die wir dann mit Fleisch, also Subventionen, wieder füllen müssen. Bedenken Sie doch bitte, daß bei diesen Entscheidungen immer wieder der Faktor Zeit die entscheidende Rolle spielt. Ich habe auch schon heute früh darauf hingewiesen, verehrter Herr Schmidt, daß der Faktor Zeit sehr bedeutungsvoll ist, so daß eben das hochwertige Gut dem schnelleren Verkehrsmittel automatisch zuläuft und wir das weder mit gemeinwirtschaftlichen noch mit tarifarischen Maßnahmen verhindern können.
Wir haben davon gesprochen, daß wir die Massengüter auf der Straße einschränken wollen. Wir werden uns wohl zu gegebener Zeit darüber in diesem Hohen Hause noch unterhalten können, wenn sich die Bundesregierung entschließt, solchen Gedankengängen Raum zu geben. Man kann aber hier ernsthaft nicht von einer Strangulierung reden, einmal deswegen nicht, weil die Massengüter in der Nahzone, also bis 50 km im Umkreis des Standorts des Fahrzeuges — natürlich genau wie alle anderen Güter —, der Straße vollständig erhalten bleiben, die Beschränkung der Transporte der Massengüter auf der Straße also nur eine Frage des Fernverkehrs ist, und zum anderen deshalb nicht, weil diese Massengüter nun tatsächlich besonderen Anlaß zu der Vergrößerung des Lastkraftwagens gegeben haben. Tatsächlich sehen wir, daß in der Masse die großen Lastwagen nur so ausgenutzt werden, daß sie Massengüter fahren, mindestens auf einer Fahrt.
Sie sprachen aber, verehrter Herr Schmidt, von der Strangulierung des Werkverkehrs. Der Anteil des Werkverkehrs, der im Bringverkehr fährt, ist im Rahmen des gesamten Werkverkehrs, d. h. Nah-und Fernverkehr zusammen, verhältnismäßig gering. Dieser Werkverkehr, der im Bringverkehr fährt, hat aber eine andere Eigenschaft, nämlich die, die Leute entweder zu gewissen „marktkonformen Mitteln", d. h. Liberalisierung ohne Kostenberechnung für den Transport, anzuregen oder im Gegenverkehr andere Güter zurückzubringen, die hauptsächlich dem Massengutverkehr zugehören, vielfach also unechten Werkverkehr zu betreiben. Deswegen hängen diese Fragen miteinander zusammen.
Sie sind der Meinung, daß sich der Bringverkehr durch den Holverkehr ersetzen wird. Nun, wir haben den Holverkehr nie verboten. Dort, wo An-transport von Roh- und Halbzeug zu einer echten Produktion für die Industrie notwendig ist, da ist es ein echter Werkverkehr, genau so wie die Versorgung der Außenbetriebsstellen mit den Produkten oder weiterzuverarbeitenden Produkten mit Hilfe des Eigenverkehrs. Ein Endprodukt eines Unternehmens kann selbstverständlich für ein anderes Unternehmen Ausgangs- und Rohprodukt sein. Wenn ich in Troisdorf Kunststoffe herstelle, dann sind sie natürlich für den weiterverarbeitenden Betrieb, der daraus Lagerschalen oder irgend etwas anderes fertigt, Rohprodukte. Die Verhältnisse spielen so natürlich in einer etwas eigenartigen Weise durcheinander. Man kann die Grenze nicht klar ziehen. Aber Sie verhindern jedenfalls mit dem Verbot des Bringverkehrs auch eine Vertrübung der Marktverhältnisse, die sich jetzt in immer stärkerem Maße zeigt und die zweifellos auf dem Rücken der Bundesbahn ausgetragen wird. Ich bin nicht der Meinung, daß man diese Entwicklungen ohne Bedenken so weiter laufen lassen kann.
Sie haben uns weiter den Vorwurf gemacht, daß wir, seinerzeit, im Jahre 1950/51 das Maximalgesamtgewicht des beladenen Lastzuges auf 40 t festgesetzt haben. Herr Schmidt, das Maximalgesamtgewicht ist damals im Zusammenhang mit den anderen Abmessungen — einmal im Zusammenhang mit den internationalen Bestimmungen der Verträge in Genf von 1949 und 1950 und zum anderen auf Grund sehr eingehender Beratungen mit allen Experten — festgesetzt worden. Es waren gerade die Vertreter der Lastkraftwagenindustrie, die auch mit dieser Begrenzung sehr unzufrieden waren und eine wesentlich höhere Zahl haben wollten. Das ergibt sich auch daraus, daß wir inzwischen wiederholt Anträge von Lastkraftwagenfabriken gehabt haben, Lastzüge mit Gesamtgewichten von 50 und mehr Tonnen als Ausnahmen zuzulassen; das haben wir regelmäßig abgelehnt. Wir mußten damals eine Entwicklung abstoppen, die schon in vollem Gange war, und konnten nur so die Hypertrophie der Lastkraftwagen eindämmen. Wenn wir in Zukunft keine Massengüter mehr auf den Straßen zu fahren brauchen — sie stellen nämlich einmal vielfach eine besondere Gefährdung des Straßenverkehrs und dann eine ganz besondere Belastung der Straße dar, während diese Güter auf der anderen Seite volkswirtschaftlich ohne weiteres auf der Schiene und mit der Binnenschiffahrt transportiert werden könnten, denn wir sind ja aus der Zeit des Mangels an diesen Gütern hoffentlich auf die Dauer heraus —, so werden wir sicherlich dazukommen, daß diese Wünsche, so übertrieben große Lastkraftwagen zu fahren, gar nicht mehr gegeben sind. Wir werden dann eine langsame Umstellung unserer Lastkraftwagenproduktion bekommen, wie wir sie auch damals bekamen, als wir den zweiten Anhänger verboten haben. Solche Entwicklungen laufen also, wenn man sie einigermaßen organisch und vernünftig anfaßt, durchaus in Ordnung.
Sie haben sich dann sehr eingehend mit dem Verhältnis von Post und Eisenbahn beschäftigt. Herr Schmidt, ich darf sehr hoffen und wünschen — ich weiß nicht, ob ich richtig unterrichtet bin, daß Sie dem Verwaltungsrat der Post zugehören werden —, daß Sie dann diese Tendenzen weiter vertreten werden.
Sie werden dann in mir einen guten Bundesgenossen finden, denn wir bemühen uns um diese Fragen seit langer Zeit wirklich sehr ernstlich. Ich glaube, man kann weder der Bundesbahn noch dem Bundesverkehrsministerium einen Vorwurf machen, daß wir in dieser Beziehung nicht weiter gekommen sind.
Ich darf darauf hinweisen, daß es erfreulicherweise in letzter Zeit über den Paket- und Expreßgutverkehr zu gewissen Abstimmungen zwischen Bahn und Post gekommen ist, und ich hoffe, daß das ein gutes Zeichen für die weitere Entwicklung ist.
Bezüglich der Omnibustarife darf ich darauf hinweisen, daß es nicht etwa der private Unternehmer ist, der den Preis nicht heraufsetzen wollte; es war die Post, die das nicht wünschte, und zwar aus bestimmten Gründen, die ich durchaus verstehe. Sie wollte ihre eigene Rolle auch auf diesem Gebiet tarifarisch besonders betonen. Denn sie steht auf dem Standpunkt, daß sie den Verkehr auf der
Straße mit Omnibussen auf Grund des ihr seinerzeit einmal gegebenen Regals betreiben kann. Sie kennen das berühmte Wort von dem „Loch im Verkehr", das einmal eine deutsche Verkehrszeitung aufgeworfen hat, um zu zeigen, daß hier tatsächlich die Schwierigkeiten liegen, die uns auch beim Personenbeförderungsgesetz ganz außerordentlich hemmen. Ich hoffe sehr, daß es uns gemeinsam gelingt, diese Schwierigkeiten einmal, nein, bald zu überbrücken. Ich bin mit Ihnen durchaus in all dem einverstanden, was Sie über die Unsinnigkeit dieser Konkurrenz zweier großer staatlicher Unternehmungen gesagt haben. Nicht jede Berufsverkehrsstrecke der Eisenbahn wird aber durch eine Omnibusstrecke begleitet. Infolgedessen ist die Sache doch nicht ganz so, wie Sie sie dargestellt haben. Ich darf auch darauf hinweisen, daß die Bahn auf ihren Omnibusstrecken Sozialtarife hat, die zwar etwas höher liegen als ihre übrigen Sozialtarife auf der Schiene, aber doch etwa 50 % niedriger als die Regeltarife sind. Ich wünschte selbst, wir hätten die Möglichkeit, durch einen vernünftigen Ausgleich dazuzukommen, daß unsere Arbeiter so befördert werden, wie ich das gern haben möchte, in vernünftigen und ordentlichen, gut beleuchteten und gut gelüfteten Wagen. Ich muß allerdings sagen: Herr Mommer hat mir bisher das erbetene Material noch nicht zur Verfügung gestellt; ich warte aber gerne weiter und bin sehr gespannt darauf.
Verehrter Herr Schmidt, Sie haben sich dann sehr eingehend — und darüber darf ich noch einiges sagen — mit dem Gutachten unseres Wissenschaftlichen Beirats beschäftigt. Da Sie das so stark herausgestellt haben, sollte ich eigentlich den Schluß ziehen: wie schade, daß ich das drucken und allen Mitgliedern des Hohen Hauses in die Schublade habe legen lassen. Sonst hätten Sie sich gar nicht so eingehend damit beschäftigen können. Aber ich habe diesen Druckauftrag bereits im Oktober gegeben, sobald ich wieder mit dem Amt des Bundesverkehrsministers betraut war.
Das Gutachten hat ein falsches Datum. Der Wissenschaftliche Beirat hatte damals noch Bedenken, es herauszugeben, auch an mich. Es ist noch einmal überarbeitet worden. Ich darf aber auch bemerken, daß in dem Wissenschaftlichen Beirat einige Herren der Eisenbahn sitzen und daß zu der Zeit der Vorsitzende noch Herr Professor Dr. Frohne war, weshalb ich wohl annehmen darf, daß die Bundesbahn über die Entwicklung dieser Sache laufend unterrichtet gewesen ist.
— Er hat nicht unterschrieben, weil er in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn diese nicht an das Gutachten binden wollte. Er hat aber den ganzen Verhandlungen vorgesessen und ist über jede Einzelheit in der Entwicklung dieser Arbeit im Bilde gewesen, und die Experten der Bundesbahn — das können Sie mir glauben — haben den Herren Professoren bei der Abfassung dieses Gutachtens dauernd zur Verfügung gestanden. Es ist also eine Gemeinschaftsarbeit gewesen, wobei die Herren das Material, was ihnen vorgelegt worden ist, entsprechend ausgewertet haben. Zu der Zeit aber, als die Bundesbahn die Anträge auf Abwertung der A- bis D-Tarife stellte — das war nämlich im März/ April —, lag das Gutachten leider noch nicht vor. Infolgedessen konnte es damals noch niemandem in die Hand gegeben werden. Warum die Bundes-
bahn es damals nicht benutzt hat, das wird sie sicherlich sehr genau geprüft haben!
Sie haben weiter auf die Verhandlungen zwischen den Verkehrsträgern hingewiesen. Ich wiederhole dazu, was ich vorhin gesagt habe, daß im Jahre 1950 auf meine Veranlassung die Verhandlungen zwischen Bundesbahn und Binnenschiffahrt eingesetzt haben, die laufend weitergeführt worden sind und zu den günstigen Erfolgen geführt haben, die ich aufzeigen konnte. Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß die Verhandlungen — und diesen Punkt haben Sie sehr richtig erwähnt —zwischen Straße und Schiene eben deswegen so schwierig sind, weil immer nur ein Teil der Straße, nämlich der gewerbliche Verkehr, an den Verhandlungstisch zu bringen ist, während der größere Teil des Straßengüterverkehrs, der Werkverkehr, draußen bleibt und nicht zu fassen ist. Das ist für beide Verhandlungspartner des gewerblichen Verkehrssektors eine sehr unangenehme Situation. Würde es aber gelingen, mit einer Verkehrsteilung nach Entfernung und Güterarten — man kann die Schnitte legen, wie man will — eine Grundlage zu schaffen, die nicht zu einem neuen Monopol führen kann — denn die Binnenschiffahrt bleibt ja Konkurrent —, wohl aber zu klaren Verhältnissen, dann wären allerdings, glaube ich, die Voraussetzungen geschaffen, einen besseren Ausgleich zwischen diesen beiden Verkehrsträgern zu finden, die auf Schiene und Straße gewerblichen Verkehr betreiben. Dazu sind aber noch gewisse Entwicklungen abzuwarten.
Wir haben gesetzlich festgelegt, daß die Zahl der Konzessionen im gewerblichen Güterfernverkehr nach und nach schrumpft. Verehrter Herr Schmidt, ich bin der Meinung — und ich glaube, diese Ansicht wird das Haus mit mir teilen —, daß wir, nachdem wir uns auf der einen Seite im Güterkraftverkehrsgesetz wiederholt zu dem Prinzip der Konzession im gewerblichen Verkehr auf der Straße, soweit er Fernverkehr ist, bekannt haben, daß wir dann auf der andern Seite auch bereit sein müssen, diesem gewerblichen Verkehr in eindeutiger Weise seinen Lebensraum zu garantieren. Deswegen können bei einer Verkehrsteilung die Schnitte naturgemäß nicht so gelegt werden, daß der gewerbliche Verkehr einseitig oder hauptsächlich betroffen wird, sondern dann muß leider Gottes und mit Vorrang eben auch der Werkverkehr
Haare lassen. Er muß Haare lassen, weil wir ein ausreichendes Straßensystem für diesen Grad der Motorisierung leider nicht besitzen und in nur kurzer Zeit auch nicht schaffen können.
Ich würde zu diesen Vorschlägen einer Einschränkung auf der Straße niemals kommen, wenn ich auch nur den Schimmer einer Hoffnung sähe, daß wir in den nächsten Jahren unser Straßensystem so ausbauen könnten, wie es dem jeweiligen Stand unserer Motorisierung entspricht. Sie entwickelt sich ja immer weiter. Wir werden mit dem Straßenausbau immer in der berühmten, aber nicht beneidenswerten Lage sein, daß wir der Motorisierung zu Fuß nachhinken; notabene ist das nicht eine Schuld unserer Zeit oder gar der letzten vier Jahre, sondern diese Schuld erfaßt die ganzen ersten 50 Jahre dieses Jahrhunderts. So wenig, wie die Leute im Jahre 1910 die Entwicklung der Motorisierung durch den Krieg 1914/1918 vorausgesehen haben, so wenig konnten wir 1948/1949 glauben, daß sich die Zahl der vorhandenen Kraftfahrzeuge in vier Jahren mehr als verdoppeln würde. Das ist sicherlich eine Folge der guten Wirtschaftspolitik, die sehr vielen Menschen die Möglichkeit
gegeben hat, sich Autos und Motorräder anzuschaffen. Sicherlich ist es auch ein Element, das nicht wenig zur Hebung des Lebensstandards weiter Kreise unseres Volkes beigetragen hat.
Noch eine Bemerkung zu der Frage der Einnahmesteigerung für die Bundesbahn, die ich vorhin angeschnitten habe. Sie haben vollständig recht, daß früher, also in den dreißiger Jahren, die durchschnittliche Länge des Transportweges der beförderten Güter bei der Eisenbahn sogar etwas niedriger war als heute. Aber vergessen Sie doch bitte nicht, daß in der Zwischenzeit eine erheblich Wandlung eingetreten ist, weil der Kraftwagen im Nah- und Flächenverkehr der Eisenbahn weitgehend die Transporte abgenommen hat, so daß wir heute praktisch bei weitem nicht mehr jenen Anteil des Nahverkehrs an den Eisenbahntransporten haben wie früher, also auch zu der Zeit, in der diese Zahlen damals festgelegt wurden. Damals drückte der weit umfangreichere Nahverkehr auf diese mittlere Entfernungslänge, und diese mittlere Entfernungslänge hätte auch nicht wachsen können in der so viel kleineren Bundesrepublik Deutschland, wenn diese Verhältnisse sich nicht auch hier ausgeprägt hätten. Insofern bin ich durchaus berechtigt, anzunehmen, daß, wenn wir nicht nur Mitteldeutschland, sondern Deutschland in seiner alten Form, auf die die Bundesbahn schließlich zugeschnitten war, wiederhaben könnten, die Verkehrslänge entsprechend größer sein würde, als jetzt bei unserem Raum. Ich habe sie einmal mit 50 % größer angenommen, nur um zu beweisen, daß dann die Verhältnisse sich für die Bahn wesentlich günstiger gestalten würden. Ich habe das nicht als ein Mittel angesehen, verehrter Herr Schmidt, auf das man warten sollte, damit die Bahn dann gesundet, sondern ich habe in der Kontroverse mit Ihrem verehrten Herrn Kollegen Dr. Bleiß nur ausgeführt, daß hierin eigentlich einer der wesentlichen Gründe liege, weshalb es der Bundesbahn heute soviel schlechter geht als früher der Reichsbahn. Wir wissen wohl sicher, daß die Beschränkung des Betriebsnetzes der Bahn auf das Gebiet der Bundesrepublik für die Eisenbahn in vielfältigster Beziehung, nicht nur in dieser einen, eine ungeheure Belastung dargestellt hat, mit der sie auch fertig werden muß, wobei ich noch bemerken darf, daß -- wie Ihnen natürlich bekannt ist — die Mehreinnahmen, die ich erziele, wenn die durchschnittliche Entfernung größer wird, praktisch zu 80 % echte Mehreinnahmen sind, die verbleiben, weil ja die Zugbildungs- und die Zugauflösungsvorgänge, die einen sehr großen Anteil an den gesamten Transportkosten ausmachen, die gleichen bleiben. Insofern habe ich an dieser Steigerung der mittleren Entfernung ein unerhörtes Interesse, genau so wie ich ein unerhörtes Interesse daran habe, daß die Umlaufszeit der Waggons weiter herabgesetzt wird, weil damit eine wesentlich größere Ausnutzung der Eisenbahnanlagen erreicht wird.
Sie haben dann weiter gesagt, verehrter Herr Kollege Schmidt, Sie sprächen von einer Krise der Verkehrspolitik, und Sie wollten nicht von einer Verkehrskrise sprechen. Ich sagte vorhin schon: wir haben ja zunächst eine Phase gehabt, in der wir Fundamente legen mußten. Ich glaube, die Situation wird von allen, die im ersten Bundestag mitgearbeitet haben, in gewisser Weise anerkannt werden müssen: daß dieses Legen der Fundamente notwendig war und daß es natürlich Arbeit und Kraft erforderte, daß aber vielleicht auch in dieser
Zeit sich erst einmal die Entwicklungslinien ausbilden mußten, aus denen heraus man jetzt retrospektiv natürlich manches sagen kann. Ich glaube nicht, daß Sie Ihre Rede im Jahre 1949 so gehalten hätten wie heute, und ich hätte meine Rede auch nicht so gehalten wie heute. Die Verhältnisse, die wir heute rückwärts übersehen, haben wir damals vorwärts nicht übersehen können; das ist eindeutig klar. Sie haben nicht an den ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung geglaubt, der dank der Politik der Bundesregierung eingetreten ist. Nicht einmal wir haben geglaubt, daß es so gut gehen würde, und erst die Wahl am 6. September hat uns ja dann bewiesen, wie gut es gegangen ist.
Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren,
möchte ich diese Diskussionsbemerkung schließen.