Rede von
Dr.
Hans-Christoph
Seebohm
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für das Interesse an der Verkehrspolitik, das die beiden großen Fraktionen des Hohen Hauses durch ihre Großen Anfragen bekundet haben, kann der Bundesminister für Verkehr nur dankbar sein. Aus Zeitgründen werde ich mich in meiner Antwort allerdings im wesentlichen auf die beiden großen Inlandsverkehrsträger und ihre Probleme beschränken müssen.
Die beiden Großen Anfragen der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU decken sich zu einem Teil. Die Punkte 3 unid 4 der Großen Anfrage der SPD werde ich zusammen mit der Großen Anfrage der CDU/CSU beantworten können. Nur die beiden ersten Punkte der SPD-Anträge bedürfen gesonderter Beantwortung, und ich möchte mich daher ihnen vorweg zuwenden.
Die Fraktion der SPD fragt zunächst, welche Maßnahmen die Bundesregierung zur Wiederherstellung einer geordneten Wirtschaftsentwicklung im Bereich der Deutschen Bundesbahn ergriffen hat unid welchen Erfolg diese Maßnahmen zu verzeichnen hatten.
Meine Damen unid Herren! Bereits im Frühjahr des vorigen Jahres hat das Bundesverkehrsministerium eine Reihe von Vorschlägen ausgearbeitet und sie in einer Kabinettsvorlage vom 16. April 1953 zusammengefaßt. Diese Vorschläge sollten der Verbesserung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Deutschen Bundesbahn dienen. Dieses sogenannte erste Bundesbahnprogramm erstreckte sich auf
1. Kreditmaßnahmen,
2. Steuermaßnahmen,
3. tarifpolitische Maßnahmen,
4. Rationalisierungsmaßnahmen,
5. Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen der Bundespost und der Bundesbahn.
Dias Kabinett hat dieses erste Bundesbahnprogramm eingehend beraten und es in seiner Sitzung am 8. Mai 1953 im Grundsatz gebilligt. Bedauerlicherweise konnten jedoch in der Zwischenzeit, durch die Neuwahlen und ihre Vorbereitung bedingt, nicht alle wichtigen Punkte, insbesondere nicht die gesetzgeberisch zu regelnden Punkte, dieses Programms durchgeführt werden.
Im einzelnen möchte ich dazu noch ausführen:
1. Die von mir vorgeschlagenen Kreditmaßnahmen sahen die Gewährung eines Darlehens des
Bundes an die Deutsche Bundesbahn vor, und zwar in Höhe des in einem Zeitraum von vier Jahren entstehenden Aufkommens an Beförderungsteuer im Bundesbahnverkehr. Dieses Darlehn sollte vor allem der Erneuerung und Ausbesserung des Oberbaus der Deutschen Bundesbahn, also besonders der Wiederherstellung und Verbesserung der Gleisanlagen, dienen. Das Aufkommen an Beförderungsteuer im Bundesbahnverkehr beläuft sich jährlich auf etwa 250 Millionen DM. Der Deutschen Bundesbahn sollte demnach in vier Jahren der Betrag von insgesamt einer Milliarde D-Mark für den genannten Zweck zufließen. Im Jahre 1953 hat die Deutsche Bundesbahn zwar keine Beförderungsteuer an den Bund abgeführt; der Betrag von 250 Millionen DM aber konnte nicht wie beabsichtigt für zusätzliche Arbeiten im Oberbau verwendet werden, sondern mußte zur Dekkung des Kassendefizits herangezogen werden.
Ferner hatte ich vorgeschlagen, daß die Deutsche Bundesbahn eine Forderung aus Leistungen für die Besatzungsmächte an den Bund abtritt. Die gesamte Forderung der Deutschen Bundesbahn aus Leistungen für die Besatzungsmächte belief sich auf 106,7 Millionen DM. Davon hat der Herr Bundesminister der Finanzen einen Betrag von 93,5 Millionen DM auf den Bund übernommen und gegen rückständige Beförderungsteuern aufgerechnet. In Höhe dieses Betrages ist also der finanzielle Status der Deutschen Bundesbahn verbessert worden. Außerdem hatte der Herr Bundesminister der Finanzen Ende April 1953 die Zahlung der gesetzlichen Gehaltserhöhung dadurch ermöglicht, daß er der Deutschen Bundesbahn im Vorgriff auf das Bundesdarlehen aus dem Haushalt 1953/54 einen Betrag von 60 Millionen DM überwies. Dieser Betrag soll der Deutschen Bundesbahn zusätzlich als Darlehen belassen bleiben.
Schließlich hat die Deutsche Bundesbahn auf meinen Antrag zur Behebung der Kassenschwierigkeiten eine Überbrückungshilfe von 200 Millionen DM erhalten. Die Bank deutscher Länder hat in dieser Höhe unverzinsliche Schatzanweisungen der Deutschen Bundesbahn auf dem Kreditmarkt untergebracht.
2. Die Steuermaßnahmen, die in meinem ersten Bundesbahnprogramm vom 16. April 1953 vorgesehen waren, sind in diesem Hohen Hause im Sommer vorigen Jahres eingehend beraten worden. Diejenigen von Ihnen, meine Damen und Herren, die bereits dem ersten Bundestag angehörten, werden sich daran erinnern. Bekanntlich haben damals die Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der DP sowie drei Abgeordnete der SPD zwei Initiativanträge eingebracht. Der eine Initiativantrag betraf die Änderung der Kraftfahrzeugsteuer, der andere die Änderung der Beförderungsteuer. Beide Anträge entsprachen etwa den vom Kabinett am 8. Mai 1953 grundsätzlich gebilligten Vorschlägen des Bundesministers für Verkehr.
In der Kraftfahrzeugsteuer sollte die bisherige Begünstigung für die schweren Lastkraftwagen und Kraftomnibusse wegfallen. Der sogenannte Knick in der Steuerstaffel sollte beseitigt werden. Ferner sollte der Steuersatz für Anhänger erhöht werden. Die Beförderungsteuer sollte auf den gewerblichen Güternahverkehr, der bisher nur Umsatzsteuer bezahlt hat, und auf den Werknahverkehr, der bisher steuerfrei war, ausgedehnt werden. Der Werkfernverkehr ist bekanntlich seit längerer Zeit der Beförderungsteuer unterworfen.
Beide Initiativanträge wurden von dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und von dem Ausschuß für Verkehrswesen des 1. Bundestages beraten und im wesentlichen mit Stimmenmehrheit angenommen. Das Plenum des 1. Bundestages hat diese beiden Änderungsgesetze leider nicht mehr verabschieden können.
3. Bei den tarifpolitischen Maßnahmen stand besonders die Ermäßigung der Eisenbahntarifklassen A bis D des deutschen Eisenbahn-Gütertarifs im Vordergrund. Ich habe gegen diese Maßnahmen Bedenken gehabt, weil ich bezweifelte, daß für die Deutsche Bundesbahn ein echter Verkehrszuwachs eintreten werde, der den Verlust durch die Tarifminderung aufwiegen würde. Daneben habe ich den Einnahmeausfall des gewerblichen Güterverkehrs vermeiden wollen und weiter vermeiden wollen, daß der gewerbliche Güterverkehr zwecks Ausgleichs verstärkt in die Massengüter einzudringen versucht. Die Deutsche Bundesbahn dagegen hatte auf diese Tarifänderung besonderen Wert gelegt, weil sie der weiteren Abwanderung hochtarifierter Güter von der Schiene zur Straße vorbeugen wollte. Die Bundesregierung hat durch Beschluß dem Antrag der Deutschen Bundesbahn entsprochen. Der Beobachtungszeitraum reicht heute noch nicht aus, um endgültig über Erfolg oder Mißerfolg dieser Maßnahme zu urteilen.
Von weiteren größeren tarifpolitischen Maßnahmen wurde damals abgesehen; denn sie können ihre volle Wirkung nur im Rahmen eines verkehrspolitischen Gesamtprogramms entfalten. Hierauf werde ich noch eingehen.
4. Ich bin mit der Leitung der Deutschen Bundesbahn darüber einig, daß die Deutsche Bundesbahn ihren Betrieb verstärkt rationalisieren und modernisieren muß, um den wachsenden Anforderungen der Wirtschaft entsprechen zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben. Nur einige wenige bereits eingeleitete wichtige Rationalisierungsmaßnahmen möchte ich hier kurz erwähnen.
Das Bundesbahnprogramm vom 16. April 1953 sieht eine Personaleinsparung in den Jahren 1953, 1954 und 1955 um weitere 45 000 Köpfe vor. Ich darf das Hohe Haus daran erinnern, daß die Bundesbahn bereits seit 1949 eine Einstellungssperre erlassen hat, um Personaleinsparungen durchzuführen, die sozial vertretbar sind. Diese Einstellungssperre hat zu einer erheblichen Verminderung des Personalbestandes geführt; aber diese Verminderung ist größtenteils aufgewogen worden durch die gesetzlichen Maßnahmen, die in der ersten Legislaturperiode beschlossen wurden, insbesondere durch das Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes, das zu einer Neueinstellung, besser gesagt zu einer Wiedereinstellung von 41 000 Bediensteten führte. Bei der Personaleinsparung, die jetzt vorgesehen ist, sollen wie bisher alle sozialen Härten nach Möglichkeit vermieden werden. Von. den natürlichen Abgängen in Höhe von 22 000 Köpfen jährlich sollen jeweils 15 000 nicht wieder ersetzt werden. Dadurch sind im Jahre 1953 bereits 30 Millionen DM an Personalausgaben eingespart worden. Die Einsprung wird sich bis Ende 1956 auf jährlich 180 Millionen DM erhöhen.
Außerdem konnten im Jahre 1953 die Lagervorräte der Deutschen Bundesbahn, durch die erhebliche Mittel gebunden waren, im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung, die eine schnelle Deckung der notwendigen Materialien aus dem Markt ermöglicht, um 80 Millionen DM gesenkt werden. Die
Einsparung ist allerdings einmalig. Im laufenden Jahr werden wesentliche Einsparungen auf diesem Gebiet nicht mehr erzielt werden können.
Ein weiterer Punkt der Rationalisierung war die Einschränkung des Werkstättendienstes. In Ausführung des Bundesbahnprogramms vom 16. April 1953 hat die Deutsche Bundesbahn Maßnahmen eingeleitet, die den Werkstättendienst dem infolge der technischen Entwicklung abnehmenden Arbeitsvolumen anpassen und gleichzeitig weiter rationalisieren sollen. In gleicher Weise sind Bestrebungen im Gange, überzählige Ämter einzusparen. Sie wissen, daß das hier im Raume Bonn in letzter Zeit zu gewissen Auseinandersetzungen, auch in den Zeitungen, geführt hat. Dabei ist die Deutsche Bundesbahn anerkennenswerterweise bemüht, einen gerechten Ausgleich zwischen ihren wirtschaftlichen Interessen, den arbeitsmarktpolitischen Notwendigkeiten und den sozialen Belangen ihrer Bediensteten zu finden.
Eine besondere Sorge bereitet dem Bundesminister für Verkehr und der Deutschen Bundesbahn die Vereinfachung des Nebenbahnbetriebes. Auf Grund des Bundesbahnprogramms vom 16. April 1953 habe ich den Vorstand der Deutschen Bundesbahn gebeten, eingehend zu untersuchen, wie der Nebenbahnbetrieb wirtschaftlich gestaltet werden kann. Seit 1949 hatte die Leitung der Deutschen Bundesbahn bei dem Bundesminister für Verkehr nur in drei Fällen Antrag auf Teileinstellung des Betriebes von Nebenbahnen gestellt. In welchem Umfange Nebenbahnen geschlossen werden, steht noch dahin. Diese Frage darf nicht allein unter sozialen und politischen Gesichtspunkten gesehen werden. Die Nebenbahnen sind vielmehr auch Zubringer des Verkehrs auf den Hauptstrekken und haben dadurch oft eine wesentlich größere wirtschaftliche Bedeutung für das Gesamtnetz, als ihre spezielle Betriebsabrechnung ergibt. Die umfangreichen Untersuchungen bei den 482 Nebenbahnen sind noch nicht abgeschlossen. Anträge auf Einstellung bestimmter Strecken sind bei dem Bundesminister für Verkehr bisher noch nicht gestellt. Wir haben allerdings bereits durch eine Vereinfachung in der Bedienung der Nebenbahnen, z. B. durch den Einsatz von Schienenomnibussen an Stelle aufwendiger Dampfzüge, Ersparnisse auf diesem Gebiet erzielt und Nebenstrecken wirtschaftlich aktiv gestalten können, und wir hoffen, im Laufe der nächsten Jahre auch hier zu einer spürbaren Ausgabenminderung zu gelangen.
5. Als letzte Maßnahme war in dem vom Bundeskabinett gebilligten ersten Bundesbahnprogramm vom 16. April 1953 eine enge Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost im Kleingut- und im Straßenomnibusverkehr vorgesehen. Die Verhandlungen darüber sind noch nicht abgeschlossen. Leider konnte auch das Gesetz über die Personenbeförderung zu Lande wegen sehr schwieriger Ressortverhandlungen von der Bundesregierung noch nicht verabschiedet und dem Hohen Hause zugeleitet werden. Im ersten Bundestag war es leider zeitlich nicht mehr möglich, diese Frage noch zu behandeln.
Meine Damen und Herren! Wenn ich jetzt zu Punkt 2 der Großen Anfrage der Fraktion der SPD übergehe, so glaube ich, mich sehr kurz fassen zu können. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat vor einigen Wochen eine Broschüre „Verkehrspolitische Forderungen der Deutschen Bundesbahn" veröffentlicht, die der Herr Abgeordneter Dr. Bleiß hier soeben in der Hand gehabt hat und die auch in der Presse, insbesondere in der Fachpresse, eingehend besprochen worden ist. Ich darf ihren Inhalt daher als bekannt voraussetzen. Weitere Forderungen hat die Leitung der Deutschen Bundesbahn auch der deutschen Bundesregierung nicht unterbreitet. Die Denkschrift der Deutschen Bundesbahn ist mir erst zu einem Zeitpunkt überreicht worden, in dem die verkehrspolitische Konzeption des Bundesministeriums für Verkehr nach der Neubildung der Bundesregierung bereits vorgelegt war.
Der Verband Deutscher Nichtbundeseigener Eisenbahnen hat der neugebildeten Bundesregierung offiziell keine Vorschläge unterbreitet. Allerdings steht mein Haus mit dem Verband Nichtbundeseigener Eisenbahnen in laufender enger Verbindung. Obwohl für die nichtbundeseigenen Eisenbahnen in erster Linie die Länder zuständig sind, hat sich der Bundesminister für Verkehr stets bemüht, den berechtigten Wünschen der nichtbundeseigenen Eisenbahnen im Rahmen des Möglichen Rechnung zu tragen.
Ich darf in diesem Zusammenhang auf die Frage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann eingehen, der sich erkundigt hat, ob mit allen beteiligten Wirtschaftsgruppen Gespräche geführt worden sind, bevor die Konzeption des Bundesministeriums für Verkehr endgültig abgeschlossen worden ist. Sie wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es üblich ist, solange im Kabinett keine Abstimmung über grundsätzliche Voraussetzungen bestimmter Vorlagen erfolgt ist, diese Vorlagen als vertraulich zu behandeln. Ich habe deshalb zwar Gespräche mit den Spitzen der beteiligten Wirtschaftsgruppen geführt, aber streng unter dieser Voraussetzung der Vertraulichkeit, die es den Herren nicht gestattete, etwa die Mitglieder ihrer Verbände über die geplanten Maßnahmen zu unterrichten, die es aber wohl zuließ, daß diese Herren meinen Mitarbeitern und mir ihre speziellen Sorgen und Wünsche vortrugen.
Daß in der letzten Zeit eine solche Fülle von Denkschriften erschienen ist, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß die Herren aus diesen Gesprächen mit uns doch ein ganz erhebliches Material sowie Anregungen geschöpft haben, die sie dann veranlaßt haben, ohne direkt auf diese Gespräche einzugehen, ihre Stellungnahme zu den Verkehrsproblemen darzulegen. Wir verfügen daher über eine Fülle von Denkschriften, aus denen wir die Auffassungen der einzelnen Verbände und Wirtschaftsgruppen sehr wohl kennen. Ich darf darauf hinweisen, daß selbstverständlich in den letzten vier Jahren stets in enger Zusammenarbeit mit all diesen Gruppen gearbeitet worden ist und daß die Probleme, die jetzt anstehen, wie auch aus den Begründungen der Großen Anfragen hervorgegangen ist, nicht etwa neuesten Datums sind, sondern uns schon lange beschäftigen.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann hat weiter nach Zahlenmaterial gefragt. Worüber wir zur Zeit an Zahlenmaterial zur Begründung der Regierungsvorlage verfügen, haben wir den Mitgliedern des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestags unterbreitet.
Ich darf aber hier auf folgendes aufmerksam machen. Die Frage des statistischen Materials und sei-
ner Beschaffung für den Verkehr hat uns in den letzten Jahren schon laufend große Sorge bereitet und uns in ständige und enge Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt geführt. Die Möglichkeiten, statistisches Material über die Verkehrsvorgänge zu beschaffen, sind leider nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt verhältnismäßig beschränkt. Die Bundesbahn verfügt natürlich über ausreichendes statistisches Material; aber auf dem Gebiet der anderen Verkehrszweige, insbesondere auf dem Gebiete des Straßenverkehrs, ist dieses statistische Material sehr dünn und lange nicht in dem gewünschtem Maße vorhanden, auch nicht bei dem Statistischen Bundesamt. Erst mit dem Güterkraftverkehrsgesetz, das der Erste Bundestag beschlossen hat, haben wir überhaupt die gesetzlichen Voraussetzungen erhalten, um den Werkverkehr in die Verkehrsstatistik einzubeziehen. Naturgemäß brauchen solche statistischen Maßnahmen erhebliche Anlaufzeiten und bereiten in ihrer endgültigen Formung viel Schwierigkeiten. Ich darf darauf hinweisen, daß wir deswegen ja niemals eine laufende statistische Untersuchung im ganzen Verkehrswesen, sondern immer nur Repräsentativuntersuchungen und -erhebungen gehabt haben. Es ist aber mein ständiges Bemühen gewesen, Unterlagen zu schaffen, die wir dauernd benutzen können. Deshalb habe ich seinerzeit einen Ausschuß einberufen, der sich mit der Schaffung der Grundlagen für die Selbstkostenermittlung bei den Verkehrsträgern beschäftigen soll. Wir kennen Selbstkostenrechnungen im Verkehr in der Welt nur für einzelne Sparten, kennen sie auch in den Vereinigten Staaten nicht so, daß wir auch nur Vergleichszahlen gewinnen könnten. Wir haben uns sehr große Mühe machen müssen — und das hat des Schweißes wirklich sehr guter Sachverständiger bedurft, und zwar in einer verhältnismäßig langen Zeit, wobei ich selbst sehr bedaure, daß ich die Arbeiten in ihrem Zeitablauf nicht stärker habe straffen können —, um überhaupt erst die Grundlagen für diese Statistik zu erarbeiten. Wir brauchten ja eine Statistik, die nicht nur den einzelnen Verkehrsvorgang mit seiner Vorbereitung, mit dem eigentlichen Transport, der Auflösung des Transportes und seinen Nebenkosten erfaßt, sondern wir müssen, nach Kostenstellen und Kostenarten gegliedert, eine Selbstkostenrechnung des Verkehrs erarbeiten, die hinsichtlich der einzelnen Verkehrsträger brauchbare und vergleichbare Resultate liefert. Und hier liegt allerdings der Hund begraben.
Ich darf Sie bitten, wenn Sie diese Frage einmal sehr ernsthaft untersuchen wollen, sich mit den Verkehrswissenschaftlern unserer Universitäten und Hochschulen darüber zu unterhalten. Sie werden von ihnen bestätigt bekommen, daß bisher derartige statistische Unterlagen über den Verkehr nur unzureichend vorlagen und über die Selbstkosten im Verkehr praktisch überhaupt nichts vorhanden gewesen ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige Ausführungen unseres Herrn Kollegen Dr. Bleiß eingehen. Er hat darauf hingewiesen, daß nach Zeitungsnachrichten die Bundesbahn ein Defizit für das verflossene Jahr von 680 Millionen DM zu verzeichnen habe. Wenn ich sage, daß sie nur ein Defizit von 605 Millionen DM aufzuweisen hat, so will ich damit der Tatsache, die Herr Dr. Bleiß herausstellen wollte, natürlich nicht entgegentreten. Ich teile mit ihm die Sorge, die er über diese Entwicklung hat. Ich darf aber das Hohe Haus
darauf aufmerksam machen, daß die Deutsche Bundesbahn im Schnitt der Jahre 1949 bis 1952 einen
Ausgleich ihrer Betriebsausgaben durch die Betriebseinnahmen aufweist und daß in diesen vier
Jahren, also im ganzen gerechnet, kein Defizit entstanden ist, das sich aus dem Verhältnis der Betriebseinnahmen zu den Betriebsausgaben, also aus
der reinen Betriebsrechnung, ergab. Die Verluste,
die im Jahre 1953 eingetreten sind, sind im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß wir durch
gesetzliche Maßnahmen eine Erhöhung der Gehälter, denen eine Erhöhung der Löhne folgte, gehabt
haben und daß die Eisen- und Kohlenpreise für
die Bundesbahn nicht unerheblich gestiegen sind,
Mehrbelastungen, die ich insgesamt pro Jahr mit 600 bis 700 Millionen DM beziffere, die also praktisch jenem Defizit entsprechen, das im letzten Jahr ausgewiesen worden ist.
Dazu darf ich darauf hinweisen — und das dürfen wir in dieser Diskussion nicht vergessen —, daß die Einnahmen des gesamten Verkehrs gegenüber der gesamtwirtschaftlichen Preisentwicklung zurückgeblieben sind. Der Anteil der Verkehrsleistungen am Brutto-Sozialprodukt ist 1952 gegenüber dem Jahre 1936 um 10% gesunken und also nicht gestiegen. Die Indizes der Tonnenkilometerleistung liegen für 1952, wenn wir 1936 gleich 100 setzen, für die Bundesbahn bei 120 und für die Binnenschiffahrt ohne den internationalen Durchgangsverkehr bei 101. Der Rückgang der Wertschöpfung der Verkehrsleistung am Sozialprodukt ist also rein wert- oder besser rein preismäßig zu erklären. Diese Entwicklung wird durch einen Vergleich der Transportkostenanteile am Warenpreis bestätigt. Zum Beispiel lag im süddeutschen Kohlenverkehr die Transportkostenbelastung vor dem Krieg bei etwa 40 bis 42% des Preises; heute ist sie auf etwa 28 bis 30% des Preises abgesunken. Fs kann daher wohl kaum bestritten werden, daß die Entgelte der Verkehrsträger, insonderheit der Bundesbahn, weit hinter der Entwicklung der Warenpreise zurückgeblieben sind. Infolgedessen wird im Zuge der Sanierung der Bundesbahn — darauf habe ich auch schon früher hingewiesen — eine Verbesserung der Einnahmen im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen unerläßlich sein.
Der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß hat sich weiter zu den Gründen der Verkehrskrise geäußert. Ich darf sagen, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß: für mich liegt der tiefste Grund dieser Verkehrskrise — worauf auch Herr Abgeordneter Müller-Hermann schon hinwies — in der Zerreißung Deutschlands. ich werde Ihnen das mit einer sehr einfachen Zahl belegen. Die durchschnittliche Entfernung der Transporte der Bundesbahn beträgt zur Zeit 203 km. Würde diese durchschnittliche Entfernung der Transporte auf 300 km steigen, so würden wir um ein Drittel mehr Einnahmen aus dem Güterverkehr haben, und dieses Drittel Mehreinnahmen würde etwa einer Milliarde DM entsprechen. Auch wenn Sie die Mehrkosten, die dabei anfallen, in Abzug bringen, kommen Sie daraus doch zu einer wesentlichen Deckung des zur Zeit vorliegenden Defizits, rein in seiner Zahlengröße betrachtet.
Wir dürfen auch nicht vergessen — darauf ist ja ebenfalls bereits hingewiesen worden —, daß der Wiederaufbau der zerstörten Anlagen bei unseren Eisenbahnen aus ihrer eigenen Kraft erfolgt
ist und bisher außer Darlehen und Anleihen keinerlei verlorene Zuschüsse der Deutschen Bundesbahn zugeflossen sind. Aber ich möchte doch fragen, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, ob Sie Ihr Wort aufrechterhalten, daß kein ernster Versuch zur Behebung des technischen Rückstands der Bundesbahn gemacht worden sei. Ich glaube, im Interesse der Bediensteten der Bundesbahn und ihrer Leitung doch sagen zu können, daß das, was an Behebung der technischen Rückstände unter den gegebenen Voraussetzungen gerade in den letzten vier Jahren geleistet worden ist, doch der allseitigen Anerkennung dieses Hohen Hauses würdig ist.
Sie haben, sehr verehrter Herr Dr. Bleiß, mir den Vorwurf gemacht, daß wir kein Gesetz über die Koordinierung vorgelegt hätten. Ich darf das Hohe Haus ergebenst darauf aufmerksam machen, daß es mir bisher trotz eifrigen Suchens nicht gelungen ist. festzustellen, daß in irgendeinem Land der Welt dieses berühmte Wort „Koordinierung" durch ein Gesetz zur Wirklichkeit geworden ist. Ich habe schon wiederholt darauf hingewiesen, daß dort, wo im Deutschen die Begriffe fehlen, zur rechten Zeit ein Fremdwort sich einstellt und daß an dieses Fremdwort, das eben nicht ein klarer Begriff ist, sich die verschiedenen Illusionen der einzelnen Betrachter klammern. Man kann eine solche Illusion gesetzmäßig kaum fassen, und deswegen hat man auch in den übrigen Ländern der Welt den Ausgleich der Interessen der Verkehrsträger immer wieder mit administrativen Mitteln versucht. Auch wir haben das getan, z. B. in bezug auf das Verhältnis von Binnenschiffahrt zu Bundesbahn. Ich glaube, diese administrativ erreichte Zusammenarbeit zwischen Binnenschiffahrt und Bundesbahn hat doch ein sehr gutes Ergebnis gehabt, nämlich das, daß der Deutsche Bundestag sich bisher nicht, wie es der Deutsche Reichstag nach 1918 in regelmäßigen Abständen tun mußte, mit der Frage einer Subventionierung der Binnenschiffahrt hat beschäftigen müssen. Im Gegenteil, die Binnenschiffahrt hat sich in dieser Relation eines gesunden, freiwillig erreichten Ausgleichs mit der Deutschen Bundesbahn zu unserer Zufriedenheit entwickelt. Sie ist zwar kein ganz stabiles Element geworden, weil sie viel zu sehr innerhalb unserer Grenzen der ausländischen Konkurrenz ausgesetzt ist. Die deutsche Binnenschiffahrt — und das ist einer der Gründe, weshalb man nicht von einer grundsätzlichen Übertragung marktwirtschaftlicher Komponenten auf den Gesamtverkehr sprechen kann — ist kein Inlandsverkehrsträger wie die Binnenschiffahrt in anderen Ländern, denn sie unterliegt im Inland schärfster ausländischer Konkurrenz, insbesondere im grenzüberschreitenden Verkehr und im Transitverkehr. Sie hat daher Anspruch auf einen besonderen Schutz des Staates und kann daher nicht Belastungen auf sich nehmen, die sie zwar im Verhältnis zu den anderen Inlandsverkehrsträgern — nämlich Schiene und Straße — zu tragen vermöchte, die ihr aber im Verhältnis zu ihrer ausländischen Konkurrenz das Lebenslicht ausblasen würde.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich nun den Punkten 3 und 4 der Großen Anfrage der Fraktion der SPD zuwenden und diese beiden Punkte zusammen mit der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CDU beantworten.
Die SPD-Fraktion fragt, welche Maßnahmen und Gesetze zur Behebung der Eisenbahnkrise und zur Herstellung einer volkswirtschaftlich zweckmäßigen Ordnung des deutschen Binnenverkehrs von der Bundesregierung in Aussicht genommen sind. Sie fragt ferner, ob die Bundesregierung der Meinung ist, daß die gemeinwirtschaftliche Tarifgebarung der Deutschen Bundesbahn auch in Zukunft das Rückgrat der deutschen Verkehrspolitik bleiben muß.
Die CDU/CSU ersucht in der Großen Anfrage die Bundesregierung um Auskunft, welche verkehrspolitische Linie sie in den nächsten vier Jahren einzuschlagen gedenkt und insbesondere wie sie das Problem Schiene und — ich sage es mit besonderer Bedeutung —, Schiene und Straße einer Lösung zuzuführen beabsichtigt.
Auf diese beiden Anfragen möchte ich Ihnen folgendes antworten: Das Bundesministerium für Verkehr hat auf Grund von Vorarbeiten, die in das Frühjahr 1953 zurückgehen, nämlich in jene Zeit, als wir erkannten, daß die Bundesbahn infolge der gesetzlichen Belastungen einem Defizit entgegensteuern müßte, bereits umfassende verkehrspolitische Vorschläge ausgearbeitet. Diese Vorschläge sind nach den Besprechungen mit den hauptbeteiligten anderen Ministerien in eine Kabinettsvorlage zusammengefaßt worden, die ich am 12. Dezember 1953 dem Kabinett zugeleitet habe. Die Beratung im Kabinett hat sich jedoch zu meinem Bedauern verzögert.
In Verfolg der Vorarbeiten aus dem ersten Bundesbahnprogramm hat dann der Herr Bundesminister der Finanzen gemeinsam mit mir den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes am 14. Januar 1954 im Kabinett eingebracht. Am 22. Januar hat sich das Kabinett erstmalig mit der von mir vorgelegten verkehrspolitischen Konzeption vom 12. Dezember 1953 und dem Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes vom 14. Januar 1954 befassen können. Beide Kabinettsvorlagen wurden von ihm zur eingehenden Prüfung an den Kabinettsausschuß verwiesen.
Ich darf hier darauf verweisen, daß die grundsätzliche Meinung der Bundesregierung im Protokoll der Kabinettssitzung vom 22. Januar niedergelegt und im Bulletin vom 26. Januar 1954 veröffentlicht worden ist. Ich darf mich darauf beziehen und diese Unterlage als bekannt voraussetzen.
Die Beratungen im Kabinettsausschuß, die eine Entscheidung des Bundeskabinetts vorbereiten sollen, sind noch nicht abgeschlossen, da die Probleme sehr schwierig sind. Auch Sachverständige werden selbstverständlich dazu gehört. Die Beratungen sind jedoch so weit gediehen, daß ich hoffe, daß der Wirtschaftsausschuß des Kabinetts noch in diesem Monat die Entscheidung des Kabinetts anrufen kann. Ich kann daher heute zu meinem großen Bedauern noch nicht die verkehrspolitischen Maßnahmen und Gesetze behandeln, die die Bundesregierung durchzuführen gedenkt, wohl aber kann ich Ihnen die Probleme aufzeigen, um deren Lösung wir uns bemühen.
Wenn die Bundesregierung in der Lage ist, Anfang März die Gesetzesvorlagen zu verabschieden und die übrigen Punkte des Programms zustimmend oder ablehnend oder mit Abänderungen zu behandeln, dann wird — das darf ich auf die An-
frage des Herrn Abgeordneten Müller-Hermann noch bemerken — naturgemäß mit dem Vorlauf an den Bundesrat, dem Rücklauf zum Kabinett und der Einbringung beim Bundestag sicherlich eine Zeit von zwei Monaten vergehen — das ist erfahrungsgemäß der Zeitablauf —, bis das Problem dann hier in erster Lesung besprochen werden kann. Daher war die Auskunft, daß ich nicht damit rechne, daß wir uns vor dem Monat Mai hier im Hohen Hause mit diesen Fragen auseinandersetzen könnten, wohl nicht ganz unbegründet. Wenn es schneller geht, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist darüber niemand glücklicher als ich.