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    2. Deutscher Bundestag — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954 407 14. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954. Geschäftliche Mitteilungen 408 B, 465 A, 467 A, C Nachruf für den verstorbenen Abg. Görlinger 408 B Glückwünsche zu den Geburtstagen des Bundesministers Kaiser und der Abg. Hepp, Dr. Leiske, Geritzmann und Frau Dietz . 408 B Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfrage 24 betr. Autobahnbau FrankfurtWürzburg—Nürnberg (Drucksachen 207, 246) 408 D Beratung der Übersicht 3 über Anträge von (B) Ausschüssen des Deutschen Bundestages betr. Petitionen (Drucksache 220) . . 409 A Beschlußfassung 409 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftliche Ordnung des Verkehrswesens (Drucksache 180) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Verkehrspolitik der Bundesregierung (Drucksache 185), mit der Beratung des Antrags des Abg. Morgenthaler u. Gen. betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Beschränkung des Lastwagenverkehrs an Sonn- und Feiertagen (Drucksache 135), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ordnung des Omnibusverkehrs (Drucksache 181), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Finanz- und Verkehrskrise der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 182), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Gutachten zur Verkehrspolitik (Drucksache 183), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Ausbau des Netzes der Bundesfernstraßen (Drucksache 184) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Finanzierung der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 244) 409 A Dr. Bleiß (SPD), Anfragender . . . . 409 B Müller-Hermann (CDU/CSU), Anfragender 412 B Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 414 C, 446 D Rümmele (CDU/CSU) 423 A Rademacher (FDP) 428 C Schmidt (Hamburg) (SPD) 436 D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . . 451 C Morgenthaler (CDU/CSU) 455 A Jahn (Frankfurt) (SPD) . . . . 456 B, 458 A Unterbrechung der Sitzung . . 457 D Scheuren (SPD) 459 A Dr. Bucerius (CDU/CSU) 459 C Baur (Augsburg) (SPD) 462 B Brück (CDU/CSU) 464 D Überweisung der Anträge Drucksachen 135 und 183 an den Ausschuß für Verkehrswesen, des Antrags Drucksache 181 an den Ausschuß für Verkehrswesen und an den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen, der Anträge Drucksachen 182, 184 und 244 an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Verkehrswesen 464 D, 465 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Wiederherstellung des einheitlichen Rechtes in der Sozialversicherung (Drucksachen 208, 10) . . 465 A Stingl (CDU/CSU), Berichterstatter 465 B Beschlußfassung 465 C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Rentenversicherung (Drucksachen 209, 20) . 465 C Frau Döhring (SPD), Berichterstatterin 465 D Beschlußfassung 466 A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik über den Antrag der Fraktion der DP betr. Aufhebung der Zweiten Lohnabzugsverordnung (Drucksachen 210, 22) 466 A Meyer (Wanne-Eickel) (SPD), Berichterstatter 466 A Beschlußfassung 466 B Erste Beratung des von den Abg. Dr. Dr. h. c Müller (Bonn), Schrader u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen (Drucksache 203) 466 B Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) (CDU/CSU), Antragsteller 466 B Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 466 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren (Fischgesetz) (Drucksache 213) 466 C Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik . . 466 C Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) . 466 C Schmitt (Vockenhausen) (SPD): als Antragsteller 466 D Schriftliche Begründung 468 Dr. Dr. h. c. Müller (Bonn) 466 D Überweisung an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik, für Geld und Kredit, für Mittelstandsfragen sowie an den Rechtsausschuß 466 D Beratung des interfraktionellen Antrags betr Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) 467 A Nächste Sitzung 467 C Anlage 1: Schriftliche Begründung des Abg Schmitt (Vockenhausen) (SPD) zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes betr. die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) 468 Anlage 2: Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) 471 Die Sitzung wird um 9 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten D. Dr. Ehlers eröffnet.
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    468 2 Deutscher_Bundestag — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag. den 11. Februar 1954 Anlage 1 zum Stenographischen Bericht der 14. Sitzung Schriftliche Begründung des Abgeordneten Schmitt [Vockenhausen] (SPD) zur ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur .nderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (Drucksache 197) Das Teilzahlungsgeschäft hatte sich vor dem Kriege gut entwickelt und wurde dann durch den Krieg und die Nachkriegsjahre völlig zurückgeworfen. Nach der Währungsreform, vor allem aber mit dem Obergang vorn Verkäufer- zum Käufermarkt, hat es wieder sehr stark an Bedeutung gewonnen und ist in seinem Umfang heute weit über das Volumen der Vorkriegszeit hinaus gewachsen. Die verschiedenen Untersuchugen über den Anteil des Abzahlungsgeschäfts am Un tz des Einzelhandels in der. Bundesrepublik haben ergeben, daß heute rund 10 % des Einzelhandel-Umsatzes, der im Jahre 1953 nach Ermittlungen des IFOInstitutes 41,9 Milliarden DM betrug, im Teilzahlungsgeschäft getätigt werden. Das wären also rund 4 Milliarden DM. Hinzukommen noch die Abzahlungsgeschäfte unmittelbar mit der Industrie und dem Handwerk, die schätzungsweise 1,5 bis 2,5, Milliarden DM betragen dürften; so daß man die gesamten Teilzahlungsumsätze mit etwa 6 Milliarden DM annehmen Die steigende Entwicklung des Teilzahlungsgeschäfts der Nachkriegszeit ist vor allein eine Auswirkung der in der Entwicklung zurückgebliebenen Löhne und Gehälter und ein Ausfluß des erheblichen Bedarfs unserer Arbeitnehmer und des gewerblichen Mittelstandes, die mit ihren Einkommen ihren Nachholbedarf bisher noch nicht, befriedigen konnten. Wir sind der Auffassung, daß das Teilzahlungsgeschäft an sich nicht als eine ungesunde Erscheinung angesehen werden sollte. Im Gegenteil sollte heute dafür gesorgt werden, daß insbesondere • den Arbeitnehmern und dem gewerblichen Mittelstand durch das Teilzahlungsgeschäft zu günstigen Bedingungen die Möglichkeit gegeben wird, ihren Lebensstandard durch vorausgenommenen Einkauf möglichst bald zu verbessern. Im Mittelpunkt unserer Überlegungen steht natürlich, daß durch jedes Teilzahlungsgeschäft vorzeitig über Kaufkraft verfügt wird, so daß sie also am Zeitpunkt ihres Entstehens nicht mehr der freien Konsumwahl zur Verfügung steht. Für jeden einzelnen bringt das gewisse Gefahren für diesen Zeitpunkt mit sich, denn sein Verdienst kann durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, Invalidität oder sogar Tod unterbrochen werden. Wenn auch der Ausfall von Ratenzahlungen in unserer heutigen konjunkturellen Situation verhältnismäßig gering ist und sich nach den verschiedenen Erhebungen über das Gebiet der Teilzahlungsgeschäfte unter 1 % der Umsätze im Teilzahlungsgeschäft beläuft, so darf jedoch volkswirtschaftlich nicht übersehen werden, daß bei einem konjunkturellen Rückgang der Anteil der Ausfälle plötzlich einen viel größeren Umfang annehmen wird. Auch darf nicht verkannt werden, daß das Teilzahlungsgeschäft in Wirklichkeit für die gesamte Industrie auf die Dauer keine Belebung bringen kann. Es wird sich immer nur, weil die Massenkaufkraft leider nicht erheblich gestiegen ist, um eine Umsatzverlagerung, um eine Kaufkraftvorwegnahme, handeln, denn man kann sein Geld nur einmal ausgeben. Wir wollen also nicht vergessen, daß die Konsumausweitung durch das Einkommen begrenzt ist. Die Konjunkturreserve ist durchaus nicht unerschöpflich. Der Umfang des Teilzahlungsgeschäfts ist allerdings auch landsmannschaftlich verschieden. So sind die Menschen im Badisch-Württembergischen weniger leicht für Abzahlungsgeschäfte zu gewinnen als vor allem im Ruhrgebiet. Hier vor allem haben sich nach der übereinstimmenden Meinung aller Beteiligten offenkundige Mißstände ergeben.. Unter Berücksichtigung dieser Umstände haben wir vorgeschlagen, das Teilzahlungsgesetz von 1894, das vor 60 Jahren natürlich unter ganz anderen Umständen und Voraussetzungen geschaffen wurde, durch zeitgemäße Bestimmungen zu ergänzen. Diese Bestimmungen sollen den gesunden Teilzahlungskredit fördern, den vorhandenen Übelständen entgegenwirken und vor allem den Grundsätzen der Wahrheit, Klarheit und des sozialen Schutzes des Verbrauchers zeitgemäßen Ausdruck verleihen. Die Grundsätze der Wahrheit und des sozialen Schutzes des Verbrauchers verstehen sich von selbst. Der Grundsatz der Klarheit ist volkswirtschaftlich mit dem Grundsatz der Markttransparenz identisch. Die Markttransparenz ist einer der wichtigsten Grundsätze der Marktwirtschaft, denn es ist auf dem Markt unerläßlich, daß der 'Käufer frei nach Qualität und Preis wählen kann. Es ist aus diesem Grunde auch sehr wichtig, daß er, bevor er ein Teilzahlungsgeschäft eingeht, die Möglichkeit hat, Preisvergleiche, nämlich zwischen dem Barpreis einer Ware und dem Teilzahlungspreis einer Ware anzustellen; denn nur so hat der Verbraucher die Möglichkeit, in freier Konsumwahl diesen Grundsätzen entsprechend sich zu entscheiden. Der Käufermarkt der letzten Jahre (Schmitt [Vockenhausen]) hat erwiesen, daß vielfach versucht wird, die wirklichen Marktbedingungen zu verschleiern, wodurch der Verbraucher in seiner Konsumwahl irregeführt wird und zu leicht Verpflichtungen eingeht, über deren Tragweite und Auswirkungen er sich bei Kaufabschluß allzuoft nicht im klaren ist. Es ist uns bekannt, daß es vielfach üblich ist, daß der Verkäufer einer Ware im Teilzahlungsgeschäft durch Einholung von Informationen über die Tätigkeit, die Einkommensverhältnisse und Familienverhältnisse des Teilzahlungskunden sowie durch Inanspruchnahme der „Schufa"-Organisationen sich eingehend informiert und nur unter Berücksichtigung der besonderen privaten und finanziellen Verhältnisse des Teilzahlungskunden entsprechende Teilzahlungskredite gewährt, die nach dem Ermessen des Verkäufers tragbar sind. Allerdings wird in anderen Fällen eine solche Auslese nicht getroffen und in unverantwortlicher Weise dem Teilzahlungskunden ein Teilzahlungskredit angeboten, den der Teilzahlungskunde überhaupt nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten zu tilgen vermag. Wir sind uns darüber im klaren, daß auch dieser Gesetzentwurf nicht ausreicht, um derartige Auswüchse in allen Fällen zu verhindern. Wir haben jedoch nach eingehender Überlegung uns zunächst auf diese Vorschriften des Gesetzentwurfs beschränkt, weil wir glauben, daß dadurch wenigstens der größte Teil der Mißstände in geregelte Bahnen geführt wird. Eine Beseitigung aller Mißstände und Auswüchse im Teilzahlungsgeschäft wäre unseres Erachtens nur durch eine derartig straffe und enge Kontrolle des Teilzahlungsgeschäftes möglich, die in nicht erwünschter Form die Handlungsfreiheit im Markt wiederum einschränken würde. Hinzukommt, daß das Teilzahlungsgeschäft in der Bundesrepublik in zahlreichen unterschiedlichen Systemen vor sich geht, die eine einheitliche Erfassung in einem Gesetzentwurf kaum ermöglichen dürften. So beschränkt sich beispielsweise das Gesetz betreffend Abzahlungsgeschäfte von 1894, das der vorliegende Gesetzentwurf erweitert, lediglich darauf, die Abzahlungsgeschäfte, die außerhalb des Bankverkehrs vor sich gehen, zu erfassen. Das bedeutet, daß Teilzahlungsbanken und sonstige Kreditinstitute, die das Teilzahlungsgeschäft betreiben, . in ihrem Geschäftsverkehr von diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht erfaßt werden. Erfaßt wird von diesem Gesetzentwurf lediglich das Teilzahlungsgeschäft, das außerhalb des Bankverkehrs getätigt wird, beispielsweise in "eigener Regie des Einzelhandels, des Handwerks oder auch der Industrie. Wir haben uns auch mit der Frage beschäftigt, ob und inwieweit das Teilzahlungsgeschäft der Banken und Kreditinstitute in eine allgemeine Regelung einbezogen werden sollte. Soweit das Teilzahlungsgeschäft von den Kreditinstituten selbst durchgeführt wird, unterliegen diese mit ihren Bedingungen der Bankenaufsicht, so daß diese jederzeit in der Lage ist, entstehende- Auswüchse von vornherein auszuschließen. Ich glaube, wenn wir den vorliegenden Entwurf beraten, sollten wir uns trotzdem auch noch einmal mit den Anregungen des Sonderausschusses Bankenaufsicht beschäftigen, in denen dem Staat zumindest eine Ermächtigung zur Festlegung eines Kredithöchstsatzes vorgeschlagen wurde. Darüber hinaus ist natürlich eine Anpassung der Konditionen der Kreditinstitute an die Bestimmungen dieses Gesetzes erforderlich, um die Startgleichheit zu gewährleisten. Soweit wir aus unseren eigenen. Erfahrungen, aber auch aus den verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen zu dem Gebiet der Teilzahlungsgeschäfte in der Bundesrepublik ersehen konnten, wurden Auswüchse im Teilzahlungsgeschäft vor allem festgestellt hinsichtlich der Anzahlung bei Aufnahme des Teilzahlungskredites. Wir wollen nicht übersehen, daß es heute im Einzelhandel, im Handwerk usw. in vielen Fällen üblich ist, daß der Verkäufer im Teilzahlungsgeschäft eine Anzahlung vom Teilzahlungskunden in Höhe von 30 und sogar 35 % des kreditierten Betrags fordert. In anderen Fällen hingegen wird eine Anzahlung bei Einräumung eines Teilzahlungskredites überhaupt nicht gefordert oder nur in einem geringen,, im Verhältnis zum Kaufpreis unangemessenen Anteil. So ist es volkswirtschaftlich und im Interess der Verbraucher unverständlich, daß beispielsweisem heute Kühlschränke auf dem Markt angeboten werden mit einer Anzahlung von 20 DM, und Radios von 5 DM. Der Teilzahlungskäufer ist sich nachrewiesenermaßen bei einem solchen Teilzahlungnkauf häufig überhaupt nicht im klaren darüber, welche Verpflichtungen ihm in Zukunft bei einem solchen Abzahlungsgeschäft entstehen, wobei die Ratenzahlungen in derartigen Fällen häufig über 24 Monate hinausgehen und sich auf drei Jahre und darüber erstrecken. Damit ist der Verbraucher, dem das Angebot eines solchen Verkäufers in die Hände fällt, über Jahre hinaus in seiner freien Konsumwahl, in seiner Entscheidungsfreiheit auf dem Markt festgelegt, wobei wir ganz davon absehen wollen, auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen, die sich insbesondere bei einem Konjunkturrückgang oder aus persönlichen Gründen bei dem Teilzahlungskunden 'ergeben, noch näher hinzuweisen, da dies bereits geschehen ist. Die von uns vorgeschlagenen Bestimmungen schaffen mit der Begründung einer Anzahlungspflicht beim Verbraucher Hemmungen gegen eine leichtfertige Kreditaufnahme. Wenn man schon einmal eine Anzahlung in bar leisten muß, wird man sich normalerweise doch mehr Gedanken über die Zweckmäßigkeit des Kaufs und die Möglichkeiten der Rückzahlung des Kredits machen.. Jedenfalls kommt es allzu häufig vor, daß ein Arbeiter und vor allem auch seine Ehefrau, die sich in wirtschaftlichen Fragen nicht so auskennen, zum Schluß feststellen müssen, daß sie viel tiefer in die Tasche greifen und viel länger zahlen mußten, als man beim Abschluß des Geschäfts erzählte. Es ist ja auch niemandem damit gedient, daß er beliebig viel auf Raten kaufen kann. Allzu viele Hausfrauen sind schon überredet worden und haben nachher die Folgen für sich und ihre Familien gespürt. Aber nicht nur den Verbraucher wollen wir durch durch eine solche Mindestbegrenzung des Anzahlungsanteils schützen, sondern insbesondere auch die mittelständischen Gewerbetreibenden, die infolge des starken Wettbewerbs im Teilzahlungsgeschäft miteinander häufig dazu gezwungen werden, ihren Kreditkunden unseriöse Bedingungen einzuräumen, weil ihre Konkurrenten dies auch machen. Die in dem Gesetzentwurf angegebenen Mindestgrenzen sollen auch nur als solche gedacht sein. Es wäre unerwünscht, wenn ein solcher Gesetzentwurf zur Folge haben würde, daß Teilzahlungsverkäufer, die bisher höhere Anzahlungsbeträge gefordert haben, nunmehr auf diese Mindestsätze zurückgehen. Im Gegenteil wird es von uns begrüßt, wenn diejenigen Teilzahlungsverkäufer, die sich ihrer gesamtwirtschaftlichen Verpflich- (Schmitt [Vockenhausen]) tung bei der Einräumung von Teilzahlungskrediten bewußt sind, auch weiterhin ihr Marktverhalten beibehalten. Da der Kreditnehmer oder Käufer nur in den seltensten Fällen seine finanziellen Verhältnisse über einen Zeitraum von mehreren Jahren vorher beurteilen kann, ist eine Begrenzung der Laufzeit der Kredite unerläßlich. Eine solche Begrenzung ist nicht nur zum Schutz des Kreditnehmers sondern darüber hinaus auch zum Schutz der Teilzahlungsgeschäfte tätigenden mittelständischen Gewerbetreibenden dringend erforderlich, weil diese aus Konkurrenzrücksichten bisher zu Auswüchsen gezwungen wurden. Entsprechende gesetzliche Regelungen sind auch in anderen Ländern eingeführt. Im Gegensatz zu den dortigen Bestimmungen beruht der Entwurf nicht auf einer Bewertung der vom Kreditnehmer gekauften Waren, weil dieses eine weitestgehende Katalogisierung der Waren erforderlich machen würde. Ein solcher Katalog müßte laufend geändert werden, weil insbesondere auf dem technischen Gebiet immer wieder Neuerungen :auf dem Markt erscheinen. Hinzukommt, daß eine Globalregelung, beispielsweise für bestimmte Warengruppen, nicht zweckmäßig erscheint, weil die Wertspanne einer solchen Warengruppe zu unterschiedlich ist. Bei der Bekleidung würde der Wert zwischen niedrigsten Beträgen und Summen von mehreren Tausend DM, etwa bei hochwertigen Pelzmänteln, liegen. Die Einführung einer DM-Grenze erscheint daher vorteilhafter. Wir halten es auch volkswirtschaftlich für verantwortungslos, wenn Teilzahlungsgeschäfte sich in den Ratenzahlungen über zwei Jahre hinaus erstrecken. Im Gegenteil sollte es das Bestreben der Teilzahlung gewährenden Wirtschaft sein, die Ratenzahlungen möglichst noch stärker auf höchstens ein Jahr zu begrenzen. Auch hier sind die Auswüchse auf einige wenige Branchen beschränkt. Diese sind aber in ihrer Bedeutung innerhalb der Gesamtwirtschaft so groß, daß eine Behandlung. dieser Auswüchse zum Schutz des Verbrauchers in den Gesetzentwurf mit einbezogen werden mußte. Insbesondere sollte es weiterhin bei den Teilzahlung gewährenden Gewerbetreibenden Gepflogenheit bleiben, daß kurzlebige Wirtschaftsgüter. wie insbesondere Schuhe, Textilien und Bekleidung in der Regel weiterhin nur in • fünf bis sechs Monatsraten abgezahlt werden. Außerdem wäre es erwünscht, daß Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie insbesondere Lebens- und Genußmittel, überhaupt nicht in das Teilzahlungsgeschäft mit einbezogen werden. In der Regel wird in diesen Gegenständen des täglichen Bedarfs ein Teilzahlungsgeschäft auch nicht in Frage kommen, sondern viel mehr das Anschreiben. Obwohl dieses nicht erwünscht ist, dürfte jedoch die Höhe der Anschreibungsbeträge im Verhältnis zum Umsatz des Lebensmitteleinzelhandels nicht mehr so bedeutend sein wie in der Vorkriegszeit, so daß wir von einer Einbeziehung des Anschreibens, soweit es nicht mit einer Zinszahlung verbunden ist, abgesehen haben. Dasselbe gilt hinsichtlich des Ansparens, das im Einzelhandel vielfach üblich Ist, aber in der Regel keinesfalls als unerwünscht angesehen werden kann. Beim Ansparen handelt es sich darum, daß der Käufer eine Ware kauft, aber lediglich einen bestimmten Betrag anzahlt, während die Ware so lange im Besitz des Verkäufers bleibt, bis der gesamte Betrag gezahlt ist. Derartige Anspargeschäfte vollziehen sich in der Regel innerhalb eines oder zweier Monate. Allerdings gibt es hier auch Auswüchse, indem das Anspar-System von Kaufleuten angewandt wurde, die die kreditierte Ware nicht auf Lager hatten. Sie haben dann die Ware erst aus den Ansparbeträgen erworben. Ein solches Verfahren ist aber nach der neuesten Rechtsprechung unzulässig und bedürfte gegebenenfalls der Genehmigung der Bankenaufsicht. Immerhin ist es vielleicht zweckmäßig, diese Frage im Ausschuß nochmals zu erörtern. Das Gesetz betreffend die Abzahlungsgeschäfte von 1894 schloß die Kaufleute im Sinn des Handelsgesetzbuchs von den Vorschriften aus. Da heute in nicht unerheblichem Umfang mittelständische Gewerbetreibende Teilzahlungskunden sind, halten wir es zum Schutz dieser Kaufleute für notwendig, diese insoweit in die Ergänzungen dieses Gesetzes einzubeziehen, um auch ihnen im Teilzahlungsgeschäft Schutz zu gewähren. Eine Ausnahme bilden lediglich Teilzahlungsgeschäfte über einen Betrag von 100 000 DM hinaus. Wer eine Ware mit einem Wert von 100 000 DM oder mehr kaufen kann, und wem sie geliefert wird, muß normalerweise über die geschäftlichen Erfahrungen. verfügen. Die Frage der Höchstzinssätze sollte im Ausschuß im Zusammenhang mit der von mir schon erwähnten Anregung des Sonderausschusses Bankenaufsicht noch einmal besprochen werden, obwohl sich bei dem Teilzahlungsgeschäft des Einzelhandels, das ja in dem Gesetz geregelt ist, gezeigt hat, daß die Teilzahlung gewährende Wirtschaft eine gewisse Selbstbeschränkung übt, die sich aus dem Wettbewerb ergibt. Die Meinung verschiedener Wirtschaftspolitiker, daß das Teilzahlungsgeschäft in der bisherigen Form unbegrenzt weiter betrieben, ja sogar durch noch niedrigere Anzahlungen und längere Laufzeiten gefördert werden sollte, muß jedem unverständlich sein, der sich über die wirtschaftliche Tragweite einer zügellosen Konsumausweitung auf Pump im klaren ist. Wir sind uns darüber im klaren, daß wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur den Auswüchsen steuern können. Wir wollen auch nicht etwa das Teilzahlungsgeschäft an sich einschränken. Dagegen sprechen die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik, denn Beamte, Arbeiter und Angestellte sowie weite Kreise des Mittelstandes, die sich heute eine Wohnung einrichten wollen und, wenn sie überhaupt eine Wohnung haben, nicht in leeren Wänden hausen und auf Margarinekisten sitzen wollen, sind gezwungen, mit Hilfe von Abzahlungsgeschäften wieder zu Eigentum zu kommen. Der Entwurf, den wir im Interesse des Kredits des kleinen Mannes und des mittelständischen Gewerbetreibenden eingebracht haben, soll aber diese Kreise veranlassen, vor allem zu prüfen, welche Gegenstände so dringend gebraucht werden, daß ein Kreditkauf nicht zu, umgehen ist, und dem Käufer bis zum letzten zeigen, welche Belastungen er auf sich nimmt, und schließlich soll es ihn vor Übervorteilungen schützen. Ich beantrage im Namen meiner Fraktion die Überweisung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Geld und Kredit und den Rechtsausschuß. Schmitt (Vockenhausen) Bonn, den 11. Februar 1954 Anlage 2 zum Stenographischen Bericht der 14. Sitzung Interfraktioneller Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Umdruck 11) Der Bundestag wolle beschließen: Die folgenden Anträge werden ohne Beratung gemäß § 99 Abs. 1 der Geschäftsordnung dem zuständigen Ausschuß überwiesen: 1. Antrag der Abgeordneten Ritzel und Genossen an den Haushaltsausschuß; betreffend Bundeszuschuß zum Deutschen Leder- museum in Offenbach (Main) (Drucksache 190) 2. Antrag der Fraktion der DP betreffend Ein- an den Haushaltsausschuß (federführend), an den fuhr- und Vorratsstellen (Drucksache 196) Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten; 3. Antrag der Abgeordneten Arndgen, Dr. Leiske an den Haushaltsausschuß (federführend), an den und Genossen betreffend Entlastung der Ver- Ausschuß für Verkehrswesen; kehrsverhältnisse in den engen Ortsdurchfahrten im Rheingaukreis (Bundesstraße 42) (Drucksache 206) 4. Antrag der Fraktion der FDP betreffend ab- an den Ausschuß für Außenhandelsfragen. gabenfreie Einfuhr von Tabakwaren im Reise- verkehr (Drucksache 217) Bonn, den 2. Februar 1954 Dr. von Brentano und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Dehler und Fraktion Haasler und Fraktion Dr. von Merkatz und Fraktion
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    1. Im Vordergrund steht die Tatsache, daß die Zunahme der Straßenverkehrsunfälle im Bundesgebiet außerordentlich besorgniserregend ist. Im Oktober 1953 beispielsweise wurden täglich 38 Tote und etwa 900 Verletzte gezählt. Die Todesopfer im Straßenverkehr sind weit zahlreicher als die Unfälle mit tödlichem Ausgang in der gesamten deutschen gewerblichen Wirtschaft einschließlich des Bergbaus.
    Gehen wir den Ursachen dieser Unfallgefahr im Straßenverkehr nach, so stoßen wir leider vor allem auf den Mangel an Disziplin bei unseren Verkehrsteilnehmern. Dieser Mangel an Disziplin bereitet der Bundesregierung große Sorge. Notwendig ist, daß die vom Bund erlassenen Vorschriften zur Sicherung des Straßenverkehrs unbedingt beachtet werden, daß z. B. rechts und nicht in der Mitte oder gar links gefahren wird.
    Der Bund hat hier nur die Legislative, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Exekutive liegt bei den Ländern. Ich hatte daher im Einvernehmen mit den Herren Bundesministern des Innern, der Finanzen und der Justiz die Herren Verkehrsminister, Innenminister und Finanzminister der Länder zu einer Verkehrssicherheitskonferenz eingeladen, die am 28. Januar 1954 erstmalig stattgefunden hat. Auf dieser Konferenz wurde einstimmig eine Resolution gefaßt, die der Öffentlichkeit bekanntgegeben und gleichfalls im Bulletin veröffentlicht worden ist. Ich darf das Hohe Haus ,auf diese Veröffentlichung freundlichst verweisen. Ich glaube, daß sich diese erste Verkehrssicherheitskonferenz sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den nachgeordneten Dienststellen der Länder, bei den Kreisen, Städten und Gemeinden, durchaus positiv auswirken wird.
    Ende Februar will ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Justiz die Herren Justizminister der Länder und die Herren Generalstaatsanwälte zu einer zweiten Verkehrssicherheitskonferenz bitten. Denn ich halte es für notwendig, daß eine einheitliche und wirksame strafrechtliche Verfolgung der Verkehrsdelikte in allen Ländern des Bundesgebietes gewährleistet ist.
    Bemerken möchte ich noch, daß diese Verkehrssicherheitskonferenzen von Zeit zu Zeit wiederholt werden sollen, damit Legislative, Exekutive und Rechtsprechung — die drei Säulen, auf denen unser staatliches Leben ruht — im Interesse des gemeinsamen Zieles einer intensiven Bekämpfung
    des Verkehrstodes eng zusammenarbeiten und ihre Methoden aufeinander abstimmen können.
    2. Mit der Verkehrserziehung, die insbesondere in den Schulen verstärkt werden werden muß, mit dem Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften, mit der Einführung von Unfallverhütungsmitteln, mit Maßnahmen der Exekutive und mit schärferer Ahndung der Verkehrsdelikte allein aber werden wir das Problem nicht meistern können. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der zunehmende Kraftverkehr eine Verbesserung und einen Ausbau des Straßennetzes erfordert. Diese Aufgaben können aber mit den heute verfügbaren Haushaltsmitteln nicht gelöst werden. Das ist bereits in einer Denkschrift, die ich im Sommer vorigen Jahres den Mitgliedern des ersten Bundestages und der Öffentlichkeit übergeben habe, eingehend dargelegt worden. Zwar sind auf die Unterhaltung und Verbesserung unserer Straßen auf allen drei Ebenen, nämlich Bund, Länder und Kommunen, jährlich über 1 Milliarde DM aufgewendet worden. Aber das ist, von der Sache aus gesehen, nicht ausreichend. Insoweit stimme ich mit unserem verehrten Herrn Kollegen Schoettle überein, der erst vor wenigen Tagen bei der Haushaltsdebatte dargelegt hat, wie unzureichend die Haushaltsmittel für den Straßenbau, ja für den gesamten Verkehrshaushalt sind.
    Wo aber soll der Herr Bundesminister der Finanzen das Geld für einen beschleunigten Ausbau unseres viel zu engen und beschränkten Straßennetzes hernehmen? Wir sind uns beide darüber einig, daß neue Quellen erschlossen werden müssen, die in der Periode des ersten Bundestages anderen Aufgaben, insbesondere den Aufgaben des Wohnungsbaus, ausschließlich vorbehalten bleiben mußten.
    In der Baulast des Bundes stehen rund 24 000 km Bundesautobahnen und Bundesstraßen, während in der Baulast der Länder rund 104 000 km Landstraßen erster und zweiter Ordnung stehen; d. h. die Länder und Gemeinden verfügen über ein viermal größeres Straßennetz als das. das durch das Bundesministerium für Verkehr betreut wird. Für die Instandsetzung und den Ausbau dieser Straßen müssen neue Mittel beschafft werden. Zu diesem Zweck werden sich leider Steuererhöhungen nicht vermeiden lassen, die in dem bereits erwähnten Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes zusammengefaßt worden sind.
    Bei der Kraftfahrzeugsteuer, deren Aufkommen den Ländern zufließt und dem Straßenbau dienen soll, wird insbesondere an eine Steuererhöhung bei Omnibussen, Lastkraftwagen und Anhängern gedacht, die gewichtsmäßig diese mit weniger starken Decken und Unterbau versehenen Straßen 1. und 2. Ordnung ganz besonders stark belasten und erhebliche Zerstörungen auf ihnen anrichten. Diese Steuererhöhung wird voraussichtlich etwa der entsprechen, die in dem Initiativantrag der Koalitionsparteien und der drei Herren Abgeordneten der SPD im Sommer vorigen Jahres enthalten war. Grundsatz ist, daß das schwere Fahrzeug, das die Straßen mehr abnützt, steuerlich auch entsprechend höher belastet werden soll.
    Um dem Bund die notwendigen Mittel für einen beschleunigten Ausbau der Bundesstraßen, vor allem aber für eine Ergänzung des Autobahnnetzes, zu geben, wird an eine Erhöhung der Mineralölsteuer gedacht, die bekanntlich dem Bund zufließt. Damit auch der Kapitalmarkt für den Bau von


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    Autobahnen herangezogen werden kann, wird beabsichtigt, eine Finanzierungsgesellschaft zu gründen, ähnlich wie wir das auch bei den großen Wasserstraßenbauten bereits mit Erfolg seit Jahren durchgeführt haben. Sie soll jährlich vom Bund einen bestimmten Betrag aus dem Mehraufkommen der Mineralölsteuer erhalten und so in die Lage versetzt werden, Anleihen aufzunehmen und auf diese Weise die finanzielle Basis zu erhalten, um jedes Jahr mindestens etwa 100 km Autobahn neu zu bauen. 100 km Autobahn neu zu bauen, — ein sehr bescheidenes Programm im Rahmen der gegebenen Notwendigkeiten!
    Der Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes sieht neben Änderung der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer und neben der Finanzierung des Autobahnbaues auch eine Änderung der Beförderungsteuer vor. Durch diese Änderung sollen bestehende steuerliche Ungleichheiten beseitigt werden. Auch dieser Änderungsvorschlag entspricht dem bereits erwähnten Initiativantrag vom Sommer 1953.
    3. Der Ausbau des Straßennetzes wird aber keinesfalls so schnell fortschreiten können, wie die Motorisierung zunimmt. Die Zahl der Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik hatte am 1. Juli 1953 den Stand von 1938 bereits bei weitem überschritten. Besonders beschleunigt war das Tempo der Zunahme in den Nachkriegsjahren. Wer nach dem Grunde forscht, den darf ich darauf aufmerksam machen, daß zum Ankauf von Verkehrsmitteln auf der Straße Geld, zum Ankauf von Verkehrsmitteln auf den Schienen und Wasserstraßen Kapital gehört. Die Tatsache, daß wir in diesen Jahren kapitalarm waren, aber laufend an Geld zunahmen,
    ist sicher neben anderen ein wesentlicher Grund dafür gewesen, daß diese Verhältnisse sich so entwickelt haben.
    Auf je einen Kilometer klassifizierter Straßen — das sind also die Autobahnen, die Bundesstraßen und die Landstraßen 1. und 2. Ordnung — entfielen 1949 12,6 im Betrieb befindliche Kraftfahrzeuge. Im Jahre 1953 waren es 28,4. Wenn die Entwicklung in diesem Tempo fortschreitet, so werden wir in vier Jahren annähernd 55 bis 60 Fahrzeuge pro Kilometer klassifizierter Straßen zählen können. Dann allerdings wird das Fahren auf den deutschen Straßen, insbesondere auf den Hauptverkehrsschlagadern, kaum noch möglich sein.
    Denken wir dabei auch an die weiteren Folgen: bei 12,6 Kraftfahrzeugen je Kilometer Straße hatten wir 1949 13 Tote im Straßenverkehr täglich zu beklagen. Bei 28,4 Kraftfahrzeugen im Jahre 1953 beklagten wir durchschnittlich 30 Tote am Tag, und bei 55 bis 60 Kraftfahrzeugen werden wir leider zu mehr als 60 Toten am Tage kommen. Eine fürchterliche Zahl und eine noch größere Verantwortung!
    All unser Bemühen in der Unfallbekämpfung hat bisher nur zu erreichen vermocht, daß das im Verhältnis zur Zunahme der Kraftfahrzeugzahl vorausgesagte raschere Ansteigen der Zahl der Unfalltoten nicht Wirklichkeit geworden ist, daß vielmehr die Zahl der Todesfälle nur linear zur Zunahme der Kraftfahrzeuge gestiegen ist. Das ist ein indirekter Erfolg, der nach außen nicht so in Erscheinung tritt und der trotzdem, wenn man die Probleme einmal durchdenkt, nicht ohne Bedeutung ist.
    Ob wir wollen oder nicht, wir sind gezwungen, aus diesen Tatsachen die Folgerungen zu ziehen. Wir müssen die Straßen entlasten. Wir müssen vor allem die Fußgänger in Stadt und Land besser schützen. Wir sollten deshalb die Straßen von dem Verkehr entlasten, der nicht aus volkswirtschaftlichen oder verkehrspolitischen Gründen unbedingt auf die Straße angewiesen ist. Wir sollten sie von den Fahrzeugen entlasten, die den Verkehr am meisten behindern und die Straßen am meisten beanspruchen. Nur dann können wir die Unfallgefahr vermindern und Raum für die weitere Motorisierung schaffen.
    Dabei darf ich darauf hinweisen, daß auch hier die Statistik nicht ausreicht. Es kommt nicht darauf an, ob dieser oder jener Katalog die direkte Beteiligung der Fahrzeugarten an den Unfällen aufzeigt. Denken wir daran, daß es zahlreiche Fahrzeuge gibt, die indirekt Unfälle hervorrufen. Wenn ein Fahrzeug ein anderes zu überholen versucht und beim Überholungsvorgang verunglückt — und das ist statistisch eine Hauptursache der Unfälle —, so ist das überholte Fahrzeug an dem Unfall im allgemeinen statistisch nicht beteiligt. In Wirklichkeit ist es jedoch die Veranlassung dieses Unfalls. Deswegen kommt es darauf an, zu studieren, wann und wo die meisten und die schwierigsten Überholungsvorgänge auf der Straße auszuführen sind. Ich brauche das, glaube ich, nicht weiter auszuführen. Die meisten von Ihnen sind Autofahrer und kennen die Überholungsvorgänge und diejenigen, die solche Unfälle beim Überholen veranlassen.
    Das Kabinett wird abschließend prüfen müssen, welche Mittel und Methoden in Aussicht genommen werden sollen, um das wohl von allen Beteiligten jahte Ziel der Herabdrückung der Zahl der Unfalltoten und überhaupt aller Unfälle auf der Straße zu erreichen. Es wird sich ferner mit der Frage zu beschäftigen haben, ob nicht vorwiegend solche Maßnahmen zu ergreifen sind, die in ihrer Auswirkung gleichzeitig auch zu einer verkehrspolitisch und volkswirtschaftlich sinnvollen Teilung des Verkehrsaufkommens zwischen Schiene und Straße und damit zu einem Ausgleich zwischen beiden Verkehrsträgern beitragen. Das Kabinett wird sich hierbei darüber klarwerden müssen, daß mit Mitteln der Tarifpolitik allein ein nachhaltiger und wirksamer Erfolg nicht zu erzielen sein wird. Es werden Opfer gebracht werden müssen — auch das ist dankenswerterweise hier schon festgestellt worden —, und zwar von allen Beteiligten. Aber auch hier müssen wir dafür sorgen, daß nicht die sozial Schwächeren allein getroffen werden. Der gewerbliche Güterverkehr ist eine Domäne des Mittelstandes. Wie in der Binnenschiffahrt die Partikuliere gegenüber den großen Reedereien Schutz beanspruchen dürfen, so kann auch der gewerbliche Mittelstand auf der Straße gegenüber dem Werkverkehr Schutz beanspruchen, der ihm von der Bundesregierung gewährt werden muß.
    4. Gewiß haben die Tarife nicht unbeträchtlichen Einfluß darauf, welches Transportmittel der Verkehrsnutzer von Fall zu Fall wählt. Aber das Beförderungsentgelt, mit anderen Worten der Preis für die Transportleistung, ist für die Wahl des Transportmittels keineswegs allein ausschlaggebend. Darin, daß der Preis nicht entscheidet, zeigt sich, daß auch hier der Markt ein anderer ist als der normale Markt und daß man, wenn man für den normalen Markt von marktkonformen Mitteln


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    spricht, für den Verkehr von verkehrskonformen Mitteln und Maßnahmen sprechen sollte.
    Oft spielen doch andere Momente als der Preis die entscheidende Rolle, vor allem die Transportdauer, der von mir so oft erwähnte Faktor Zeit, ferner die sonstigen Vorzüge und Annehmlichkeiten, die ein Verkehrsmittel jeweils für einen bestimmten Transport bietet. Die Fahrt auf einem Rheindampfer von Mainz nach Köln kann noch so billig sein. Wer wenig Zeit hat, wird doch die Bundesbahn oder den Kraftwagen benutzen. Wer Möbel von Trier nach Hamburg senden will, wird sich vorher sehr genau überlegen, welcher Transport am schnellsten geht und die geringsten Schäden an seinen Möbeln verursacht. Unter bestimmten Voraussetzungen wird er den Kraftwagen wählen, selbst dann, wenn ihm die Bundesbahn ein billigeres Angebot macht. Derartige Beispiele lassen sich beliebig vermehren.
    Dazu kommt aber noch ein Weiteres. Der umfangreiche Werkverkehr wird von der Tarifpolitik überhaupt nicht erfaßt; denn der Werkverkehr bietet den Firmen heute viel zu große Vorteile, die auch nicht mit dem Preis zusammenhängen. Sie können mit dem Betrieb eigener Kraftfahrzeuge ihre Werbung und das Inkasso-Geschäft verbinden, vor allem aber können sie alle Unkosten ihres Werkverkehrs von ihrem aus der Produktion stammenden zu versteuernden Reingewinn abbuchen.
    Wenn man den von uns vorgetragenen Vorschlag befolgen könnte, die Verkehrsbetriebe des Werkverkehrs gesondert von den zugehörigen Produktionsbetrieben abrechnen zu lassen und sie gesondert zu besteuern, würde man diesem Problem sehr schnell und sehr einfach beikommen können. Leider entspricht es nicht den Grundsätzen unserer Finanzpolitik und gewissen Grundsätzen unseres Grundgesetzes, daß man diesen Unterschied macht. Man kann also mit der Tarifpolitik und der Steuer allein die Verkehrsströme nicht in die gewünschte Richtung lenken.
    5. Eine volkswirtschaftlich und verkehrspolitisch sinnvolle Verkehrsteilung wird sich besonders für die Bundesbahn und die Binnenschiffahrt positiv auswirken. Es wäre aber abwegig, der Bundesbahn auf diesem Wege allein helfen zu wollen. Die Bundesbahn wird in erster Linie ihre anerkennenswerten Anstrengungen zur Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit mit aller Entschiedenheit selbst fortsetzen müssen. Im Interesse der deutschen Wirtschaft und ihrer Konkurrenzfähigkeit darf nichts getan werden, was zu einer schlechteren Verkehrsbedienung im Lande führen könnte. Man darf also den Straßenverkehr nicht einseitig belasten, nur um etwa der Bundesbahn zu helfen. Die technischen, wirtschaftlichen und finanziellen Vorteile des Kraftwagentransports von Menschen und Gütern sind nicht zu leugnen. Die Bundesbahn ist also unter den obwaltenden Verhältnissen gezwungen, ihren Betrieb nach besten Kräften weiter zu modernisieren und zu rationalisieren. Vorstand, Verwaltungsrat und die Bediensteten der Deutschen Bundesbahn sind in anerkennenswerter Weise bemüht, diese Aufgabe zu lösen, und leisten dabei auch wagemutige Pionierarbeit. Allerdings kostet der technische Fortschritt hier, wie überall, Kapital und nicht nur Geld.
    Aus eigenen Mitteln kann die Bundesbahn den an sie gestellten Anforderungen keinesfalls genügen. Um das Ziel zu erreichen, muß dafür gesorgt werden, daß die Kreditfähigkeit der Bundesbahn wiederhergestellt wird. Dazu sollten der Bundesbahn die betriebsfremden Personallasten und die zur Beseitigung der Kriegsschäden aufgenommenen Schulden durch den Bundeshaushalt abgenommen werden. Bei der außerordentlich starken finanziellen Inanspruchnahme des Bundes aber wird der Herr Bundesminister der Finanzen kaum alle Wünsche erfüllen können. Die angespannte Haushaltslage hat der Hilfe des Bundes für die Bundesbahn bisher leider enge Grenzen gezogen. Um so notwendiger ist es, alle sinnvollen verkehrspolitischen Möglichkeiten beschleunigt auszuschöpfen. Der danach sicher noch verbleibende Rest wird auf den Bundeshaushalt zukommen.
    6. Die gemeinwirtschaftliche Tarifgebarung der Deutschen Bundesbahn wird auch in Zukunft aufrechterhalten werden müssen. Damit beantworte ich den Punkt 4 der Großen Anfrage der SPD. Auch die Betriebspflicht und Beförderungspflicht der Deutschen Bundesbahn kann keinesfalls aufgehoben werden. Ein Verzicht auf die gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung der Eisenbahn würde tiefgreifende Wirkungen auf die arbeitsteilige Wirtschaftsstruktur der Bundesrepublik hervorrufen. Die Wettbewerbsfähigkeit peripher gelagerter Industrien und landwirtschaftlicher Produktionsstätten würde aufgehoben. Die Randzonen würden wirtschaftlich schnell absinken, zum Teil sogar vielleicht veröden. Damit wäre aber auch der bisherige Erfolg der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung gefährdet.
    7. Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren! Wenn die brauchbaren verkehrspolitischen Vorschläge und Überlegungen verwirklicht werden, kann, sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse sich in den nächsten Jahren nicht wesentlich ändern, folgendes erreicht werden:
    1. Eine Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Entlastung der Straßen.
    2. Eine volkswirtschaftlich sinnvolle Verkehrsteilung zwischen Schiene, Straße und Wasserstraße.
    3. Eine organische Tarifreform auf der Grundlage dieser Verkehrsteilung.
    4. Eine Annäherung der Wettbewerbsvoraussetzungen der verschiedenen Verkehrsträger untereinander, insbesondere durch Beseitigung des Steuervorteils der schweren Fahrzeuge in der Kraftfahrzeugsteuer und durch gleichmäßige Behandlung gleichartiger Transporte in der Beförderungsteuer.
    5. Eine finanzielle Entlastung und ein echter Verkehrszuwachs für die Deutsche Bundesbahn, so daß eine Verbesserung ihres finanziellen Status eintritt, der weitere Rationalisierung und Modernisierung ihres Betriebes sichert.
    6. Zusätzliche Mittel für den Straßenbau, insbesondere ein beschleunigter Ausbau des Autobahnnetzes, vor allem ein Anschluß unserer Häfen an dieses Autobahnnetz, durch Errichtung einer Finanzierungsgesellschaft, die vom Bund Mittel aus dem erhöhten Aufkommen an Mineralölsteuer erhält und Anleihen aufnehmen kann.
    Wenn wir dieses angestrebte Ziel erreichen, wird — darauf möchte ich noch aufmerksam machen — die gewerbliche Wirtschaft umfangreiche zusätzliche Aufträge erhalten. Eine finanziell gesunde Bundesbahn ist der größte und beste Auftraggeber der ge-


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    werblichen Wirtschaft und wird es bei ihrem aufgestauten Erweiterungs- und Erneuerungsbedarf auf Jahre hinaus auch bleiben. Der Straßenbau ist von jeher sehr arbeitsintensiv. Der Ausbau unserer Binnen- und Seewasserstraßen bringt eine weitere erhebliche Anregung für unsere Wirtschaft. Im Verkehr liegen also wertvolle Reserven für eine Stützung der Inlandskonjunktur. Diese Reserven werden besonders wichtig sein, wenn einmal andere konjunkturelle Impulse, wie etwa der Auslandsabsatz, an Stärke und Intensität nachlassen sollten. Auch an diese Zusammenhänge muß bei verkehrspolitischen Entscheidungen gedacht werden.
    Ich hoffe, daß die Bundesregierung über die beiden Kabinettsvorlagen vom 12. Dezember 1953 und 14. Januar 1954 bald entscheiden und die Gesetzesvorlagen dem Bundesrat und dem Hohen Haus zur Beratung und Beschlußfassung zuleiten kann.
    Gestatten Sie mir noch wenige Schlußbemerkungen über einige wichtige verkehrspolitische Aufgaben, die ich bisher bei meinen Darlegungen nicht behandelt habe. Sie wissen, daß wir die Wiederaufnahme einer deutschen zivilen Luftfahrt mit allem Nachdruck weiter vorbereiten. Sie kann erst in Tätigkeit treten, wenn der Deutschland-Vertrag ratifiziert ist. Wir haben inzwischen das Kapital der Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf auf 25 Millionen DM erhöht. Wir streben an, daß die künftige Luftverkehrsgesellschaft ebenso wie die alte Lufthansa zu einem Unternehmen ausgestaltet wird, das vom Bund, von den Ländern und der Privatwirtschaft gemeinsam getragen wird.
    Der Ausbau unserer Seeschiffahrt und unserer Binnenschiffahrt ist trotz der bisher erzielten Erfolge bei weitem noch nicht abgeschlossen. Heute verfügt die Bundesrepublik zwar wieder über eine Handelstonnage von fast 2 Millionen BRT; aber die Schwierigkeiten der Finanzierung der weiteren Neubaupläne und die Höhe der Eisenpreise werfen ernste Probleme auf, um deren Lösung wir uns bemühen.
    Gestatten Sie mir noch einige grundsätzliche Bemerkungen: Aufgabe des Verkehrs ist es, der Wirtschaft und den Menschen die Transportmöglichkeiten, die sie wünschen, stets zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Das ist seit 1949 trotz der ungeheuren Expansion, die unsere Wirtschaft genommen hat, regelmäßig geschehen. Mit dieser Feststellung darf ich zum Ausdruck bringen, daß es bei uns in Deutschland keine Verkehrskrise gibt, sondern Schwierigkeiten auf der Straße und auf der Schiene.
    Der Verkehr ist ein einheitliches Ganzes. Er sollte Diener und Träger der Wirtschaft sein. Dadurch, daß die Einnahmen für den Verkehr immer mehr geschmälert worden sind — ich wies vorhin darauf hin —, ist der Verkehr fast zu einem Prügelknaben der Wirtschaft geworden.
    Dieser Verkehr, der sich aus den fünf großen Gruppen der Seeschiffahrt, der Luftfahrt, der Eisenbahn, den Straßen und der Binnenschiffahrt zusammensetzt, ist ein interessantes und komplexes Gebilde. So sehr der Verkehr auch in sich zusammenhängt, so sehr die einzelnen Gruppen miteinander arbeiten sollten und dazu aufeinander abzustimmen sind, so wichtig ist auf der anderen Seite, daß jeweils die Probleme aus der Sicht des einzelnen Verkehrsträgers und seiner Bedürfnisse erfaßt werden. Technisch gesehen zerfallen die genannten Gruppen doch in zwei bestimmte Arten von Verkehrsträgern: erstens die Verkehrsträger, die Kin-
    der des Dampfmaschinen-Zeitalters sind — das sind die Schiffahrt und die Eisenbahn --, und zweitens die Verkehrsträger, die Kinder des Verbrennungsmotoren-Zeitalters sind — das ist die Straße und die Luftfahrt. Wenn auch der Verbrennungsmotor in die alten Verkehrsträger mit eingedrungen ist, so sind doch ihre grundsätzlichen Voraussetzungen noch vielfach unverändert, selbst wenn man berücksichtigt, daß die Elektrizität, diese entscheidende Kraft, die uns in so vielen Fällen hilft, nur für den schienengebundenen Verkehr zur Verfügung steht und ihm einen besonderen Vorsprung geben kann. In dieser technischen Verschiedenheit ist aber auch die verschiedene Geschwindigkeit begründet, mit der sich diese Verkehrsträger bewegen, und der Einfluß, den der Faktor Zeit dadurch gewinnt, weil er das Wandern des Verkehrsgutes zu den einzelnen Verkehrsträgern mehr bestimmt als der Preis.
    Zu der Frage, wie diese Einteilung im Vergleich zum Ausland aussieht, darf ich Ihnen folgendes sagen: Wir unterscheiden beim Verkehr zwei Gruppen: Die Inlandsverkehrsträger bestehen aus der Binnenschiffahrt — die bei uns eben kein echter Inlandstransport-Träger ist —, aus der Eisenbahn und aus dem Kraftwagen, weil diese Verkehrsmittel nur einen verhältnismäßig geringfügigen grenzüberschreitenden Verkehr aufweisen, aber sich maßgeblich im Inland betätigen. Die beiden anderen Verkehrsträger dagegen — Seeschiffahrt und Luftfahrt — haben als Auslandsverkehrsträger bei nur geringfügigem Inlandsverkehr überwiegend einen Verkehr zwischen unserem Land und den verschiedenen anderen Ländern und Erdteilen über den Meeren aufzuweisen und zu bewältigen. Deswegen ist der Verkehr auch nicht nur vom Standpunkt eines Landes aus zu beurteilen. Er ist großräumig. Er kann nur kontinental, in vielen Beziehungen sogar nur überkontinental gesehen und geregelt werden.
    Aus diesem Grunde hat sich auch im vergangenen Jahre der Bundesminister für Verkehr sehr eingehend mit den Fragen und Aufgaben der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Verkehrswesens beschäftigt. Ich erinnere Sie an die Pariser Verkehrsministerkonferenz vom Januar 1953 und an die Brüsseler Verkehrsministerkonferenz vom Oktober 1953, die mit der Schaffung der Ständigen Europäischen Verkehrsministerkonferenz abgeschlossen werden konnte, einer Institution, in der Anregungen, die wir geben durften, sich maßgeblich verwirklicht haben. Ich glaube, daß wir 1953 auf dem Gebiet des Verkehrs ein bedeutendes Stück Weges in der Richtung auf Europa zurückgelegt haben. Sie können gewiß sein, daß die Bundesregierung sich auch in Zukunft diesen Aufgaben nach besten Kräften widmen wird in der Überzeugung, daß von einer internationalen Zusammenarbeit im Verkehrswesen auch starke und entscheidende Impulse auf eine weitere Annäherung und auf eine bessere Zusammenarbeit der freien Völker Europas ausgehen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der beiden Großen Anfragen gehört. Ich glaube unterstellen zu dürfen, daß eine Aussprache gewünscht wird. Ich eröffne diese Aussprache, zugleich mit der Aussprache über die Anträge unter 2 c bis h der heutigen Tagesordnung.
Das Wort hat der Abgeordnete Rümmele.
2. Deutscher Bundestag — N. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Februar 1954 423

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Oskar Rümmele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man so die Zeitungen, die Zeitschriften, die Denkschriften und die Zuschriften, die wir ja alle bekommen, liest, dann hat man manchmal die Empfindung: Im Verkehr sieht immer jemand die Schuld für irgend etwas, was passiert ist, nicht bei sich, sondern nur beim anderen. Der Herrenfahrer — ich will diesen Ausdruck einmal gebrauchen, obwohl er deplaciert ist — sieht den Lastwagenfahrer; er sieht, daß der Lastzug ihm nicht Platz macht, daß der Überholvorgang zu langsam geht, daß er vielleicht aber auch einmal durch Abneigung gegen die Herrenfahrer aufgehalten wird. Umgekehrt ist der Motorradfahrer auch nicht der Liebling des Autofahrers und des Fernlastwagenfahrers; man gibt ihm viel Schuld. Zweifellos ist dort eine übersportliche Begeisterung, die zu vielen Unglücksfällen führt, festzustellen. Auf der anderen Seite sind die Radfahrer auch noch da, die Radfahrerinnen dazu. Es ist immer wieder die alte traurige Erfahrung, daß viele Leute, die, weil ihre Finanzen nicht groß genug sind, mit dem Fahrrad vorlieb nehmen müssen, glauben, daß die Straße der geeignete Platz sei, ein schönes Schwätzchen zu machen. Zu zweit, zu dritt, manchmal zu viert wird nebeneinander gefahren. Nicht alle tun das. Man soll überhaupt nicht verallgemeinern. Es gibt im deutschen Verkehr Gott sei Dank anständige Leute. Es gibt auch noch — was ein Wunder ist — Leute, die sich sogar an die Verkehrsvorschriften halten; auch das kommt vor.
    Aber — ich will den Satz gleich vorwegnehmen — wenn Sie die Verkehrsunfallursachen einmal nach der Statistik durchsehen, dann finden Sie, daß etwa 60 % aller Verkehrsunglücke mit oder ohne Todesfolge sich etwa so unterteilen: zwischen 5 und 10 % Zustand der Straße, Zustand des Fahrzeugs, Überholvorgang usw., daß aber rund 45 % sich auf die Übertretung von Verkehrsvorschriften beziehen. Das heißt: Die Disziplin im Verkehr ist trotz einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern, die die Sache ordentlich machen, noch äußerst mangelhaft durchgebildet.
    Nun gibt es aber noch eine Gruppe, die sogar der Herr Verkehrsminister vergessen hat: die Gruppe der Fußgänger.

    (Beifall.)

    Ich glaube, ungefähr die Hälfte der Mitglieder dieses Hohen Hauses gehört dieser Gruppe an,

    (Heiterkeit)

    und ich möchte sagen: Die andere Hälfte gehört ihr gelegentlich an. Aber diese Gruppe ist die Mehrheit im deutschen Vaterlande, und es wird wohl gut sein, wenn wir uns auch daran erinnern; denn der Fußgänger ist auch ein Mensch.

    (Beifall.)

    Wenn man nun den Verkehr so ansieht, daß man von der Bundesbahn aus bloß sagt: Der Verkehr auf der Straße macht uns bei der Bahn kaputt, und daß die auf der Straße sagen: Bei der Bundesbahn könnte noch viel mehr gespart werden, da könnte noch viel mehr rationalisiert werden, da könnten Leute entlassen werden, dann könnten wir unsere Lage verbessern, — dann ist das falsch. Denn der Straßenverkehr braucht und soll nicht ein Feind der Bundesbahn, sondern eine Ergänzung sein. Wenn man die Leute — und darin liegt vielleicht der Fehler auch bei der Regierung in den letzten Jahren — zwangsweise vor Jahren an
    den runden Tisch gebracht hätte — den Straßenverkehr, den Güterfernverkehr, den Nahverkehr, meinetwegen die Autoindustrie, die Bundesbahn, den Binnenschiffsverkehr — und sie gezwungen hätte, nicht nur gegeneinander Resolutionen zu fassen, sondern sich zu verständigen, dann wären wir vielleicht einen Schritt weiter. Nebenbei gesagt, es gibt ja in diesem berühmten klassischen Stück das schöne Wort: Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt!

    (Zuruf von der SPD: Stimmt hier aber nicht!)

    - Es gibt ja noch den Nachsatz: Der weite Weg entschuldigt Euer Säumen.

    (Heiterkeit.)

    Ich möchte das aber doch auch so aufgefaßt wissen: Wenn die Dinge nicht endgültig geklärt und geregelt werden konnten, dann liegt es tatsächlich zum Teil an den turbulenten Verhältnissen der letzten Jahre, an den vielen Notständen, die wir in Deutschland hatten, an dem erschwerten Wiederaufbau, an dem zu geringen Kapitaldeckungsmantel. Es liegt zweifellos auch an den verkehrsteilnehmenden Gruppen selbst. Es liegt aber ferner — meine Damen und Herren, seien wir ruhig selbstgerecht! — auch an uns. Es ist keiner Fraktion dieses Hohen Hauses je verwehrt gewesen, einen Initiativgesetzentwurf einzubringen, und es ist auch den Ländervertretungen nie verwehrt gewesen, diese Dinge — „Verkehrskoordinierung" ist ein Wort, das der Herr Minister nicht gern hört — der Verkehrsteilung und der Verkehrsordnung untereinander anzuschneiden und auch von dort aus dem Bundestag eventuell gesetzmäßig zu unterbreiten. Das soll keine Entschuldigung sein. Ich bin tatsächlich auch der Meinung, daß man im Bundesverkehrsministerium während der letzten Jahre zwar fleißig gearbeitet hat, daß man sich aber auf die Grundlagengesetze beschränkt hat, während die Verkehrsteilung der Punkt ist, an dem man ansetzen muß, wenn man in Deutschland zu einer Verkehrsgesundung kommen will.
    Wir von der CDU/CSU stehen nun immer auf dem Standpunkt — und das ist es ja, was vielen ein Gruseln über den Rücken laufen läßt —: Wir wollen möglichst wenig Eingriffe der Polizei gegenüber dem Zivilisten. Ich will es einmal folgendermaßen formulieren. Wir sagen mit Recht: Wir wollen den Menschen nicht verstaatlichen; wir wollen den Staat vermenschlichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)

    Dazu gehören aber natürlich immer alle; es ge- küren die beiden Seiten der Medaille dazu. Der selige Wilhelm Busch, der so wunderschöne Sachen gedichtet und gezeichnet hat, hat einmal gesagt:
    Vergebens predigt Salomo,
    die Menschen machen's doch nicht so!

    (Heiterkeit.)

    Und weil das so ist, werden wir um eine straffe Lenkung, um eine straffe Ordnung im Verkehr nicht herumkommen. Wir brauchen sie, und ich habe hierzu eins zu sagen.
    Eine Forderung des Herrn Bundesverkehrsministers hat mir — vor etwa einem halben Jahre wurde diese Forderung, glaube ich, zum erstenmal offiziell erhoben — eingeleuchtet. Da die Durchführung, die Kontrollen, die Ordnungsmaßnahmen Sache der Länder sind, nachdem die Gesetze hier


    (Rümmele)

    beschlossen worden sind, fehlt eigentlich dem Bundesverkehrsministerium eine bestimmte Ordnungspolizei, die nach einheitlichen Grundsätzen kontrolliert. Es kann und darf nicht so sein, daß man in Süddeutschland Verkehrskontrollen nach anderen Maßstäben durchführt als etwa in Nordrhein-Westfalen oder im Hamburger Bezirk. Auch da brauchen wir die Einheitlichkeit, um zu dem Ziel der Verringerung der Unfälle zu kommen.
    10 000 bis 11 000 Verkehrstote, — man spricht die Zahl so leicht, aber welche Unsumme Elend steckt hinter diesen Zahlen! Das sind mehr Menschen im besten Alter, als die Lungentuberkulose in einem ganzen Jahre in Deutschland an Opfern fordert. Diese 11 000 Menschen sind eine kriegsstarke Division. Hinzu kommen die Verkehrsverletzten. Herr Kollege Müller-Hermann, es sind nicht 30 000, sondern 300 000 im Jahre! Gewiß sind viele leichte Fälle, und wir freuen uns darüber; aber es sind auch viele schwere Fälle.
    Ich habe vorgestern abend, wie das alle von Ihnen auch tun, eine, Zeitung gelesen. Ich will sie nennen; es war die „Abendpost". Darin standen Berichte von drei Unglücken, die auf dem Verkehrssektor vorgekommen waren, und über zwei Urteile, mit denen Verkehrsvergehen geahndet wurden. Der Originalität halber will ich das eine Urteil vorwegnehmen. Es ist, ich glaube, in Pretoria oder Johannesburg, also im Lande des Herrn Malan, gesprochen worden. Nun, wie es dort zugeht, ist ja umstritten. Aber interessant ist fogendes. Dort drüben besteht noch die Prügelstrafe — ich will sie um Gottes willen nicht bei uns eingeführt haben;

    (Heiterkeit)

    denn das ist eine Segnung der Kultur, die wir nicht wollen —, und da wurde zum erstenmal ein Verkehrssünder, ein 23jähriger weißer Mann, der einen Neger totgefahren hatte, zu 6 Stockprügeln und ein paar Monaten Gefängnis verurteilt. So geschehen in Südafrika. Derartiges wollen wir also nicht, aber Sie sehen, daß auch dort Probleme auftauchen, die, wenn auch auf anderer Ebene, so doch im Grunde auf der gleichen Höhe liegen wie bei uns.
    Ich habe von einem weiteren Urteil — ich glaube, es war in Hamburg — gelesen. Die Hamburger sollen deswegen nicht etwa schlechter beurteilt werden. Im Gegenteil, ich habe mal in Hamburg als Verkehrssünder eine Mark Strafe bezahlt. Wie sagen doch die Hamburger? — „Und das freut einen denn ja auch." Aber das nur nebenbei. Es stand also drin, daß ein Schausteller 6 bis 8 Glas Bier getrunken, sich einen Kraftwagen gemietet hat und dann losgefahren ist. Schon bei der ersten Fahrt hat er am Stadtrand eine 23jährige Frau und einen 8jährigen Buben totgefahren. Ja, meine Damen und Herren, wenn hier die Polizei durchgreifen muß und wenn die Öffentlichkeit verlangt, daß im Verkehr Ordnung herrscht, dann möchte ich sagen, daß man trotz aller Bedenken gegen zu scharfe polizeiliche Funktionen einfach mitgehen muß, weil wir diese Dinge nicht mehr verantworten können.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Das rührt doch an unser Gewissen, das ist doch eine Sache des Christentums ebenso wie der Humanität. Sollen wir denn die Menschen divisionsweise zugrunde gehen lassen?

    (Vizepräsident Dr. J a e g er übernimmt den Vorsitz.)

    Wir müssen den Mut zu ganzen Lösungen haben,
    und ich bin der Meinung, daß derjenige, der halbwegs anständig auf den deutschen Straßen fährt, auch eine Kontrolle wird überstehen können.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wer zuviel Alkohol getrunken hat, der muß in Gottes Namen noch so viel Disziplin besitzen, daß er sich nicht mehr ans Steuer setzt. Andererseits ist Rücksicht aufeinander im Verkehr auch eine dankenswerte Tugend.
    Ich war dieses Jahr einmal in Rom. Viele von Ihnen werden die Gegend am Bahnhof Termini kennen. Ich habe den Verkehr an diesem Hauptbahnhof, dem Prunkbahnhof, gesehen und habe ihn mir auch an anderen Plätzen angeguckt. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Der Autofahrer in Italien ist bestimmt kein besserer Mensch als der Deutsche. Er hat zum Teil auch keine besseren Wagen,, sondern ich hatte sogar die Empfindung, daß er im Durchschnitt schlechtere hat als wir. Aber er nimmt auf den Fußgänger weitgehend mehr Rücksicht, als es in Deutschland üblich ist.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Vor diesem Bahnhof war kein Verkehrsschutzmann aufgebaut, und es ging doch. Es hatte gerade geregnet. Die Italiener haben ja ganz große Regenschirme, sogar an ihren Droschken. Ich habe da folgendes erlebt. Ein Italiener, ein Mann mittleren Alters, wollte über die Straße, aber da waren gerade die Autos dran am Fahren. Da hat der seinen Regenschirm hochgenommen mit einem bösen Blick auf die Autos, und die ganze Autokolonne hat glatt gestoppt.

    ( sehen. An einigen Plätzen fängt man auch dort mit Verkehrsampeln an. Ich will nichts dagegen sagen, sondern nur an das erinnern, was ich schon zum Verkehtssicherheitsgesetz gesagt habe. Mir scheint, daß die Verkehrsdinge in Frankfurt am Main bei der Größe des Verkehrs dort, bei der sehr großen Zahl der Autos, die auch für die Besatzungsmacht fahren, doch verhältnismäßig gut geregelt sind. Hier sollten die Städte tatsächlich voneinander lernen. Das zu den Unfällen. Zur Sache, zum Verkehr selbst! Der Verkehr — das ist wohl die ganz einheitliche Auffassung der CDU/CSU-Fraktion — ist und muß Dienst am Volke und an der Wirtschaft bleiben. Der Verkehr kann nicht so gesehen werden, wie man die Industrie sieht. Er ist ja nur Diener der Industrie, Diener der Wirtschaft, Diener aber auch des gesamten Volkes. Man kann die Verkehrskapazität — oder sagen wir ein deutsches Wort: die Möglichkeiten des Verkehrs — nicht ins Uferlose erhöhen. Man kann auf der Straße, auf der Schiene oder mit der Binnenschiffahrt oder sonstwo immer nur das befördern, was die Wirtschaft an Gütern erzeugt hat. Die erzeugten Produkte sind letzten Endes der Maßstab des Verkehrs. Ich bin persönlich der Meinung, daß zwar nicht bei der Bundesbahn, aber auf der Straße der Laderaum viel schneller gewachsen ist als die Möglichkeit der Ausnutzung dieses Laderaumes. Auch unsere Fraktion lehnt den Kampf der Bundesbahn gegen die Straße, aber auch den Kampf der Straße gegen die Bundesbahn ab. Wir sind der Meinung, es haben beide in einem geordneten Verkehrswesen Platz. Auch auf der Straße wird man verdienen können. Ich sehe dieses Verdienen hier nicht als das alleinige Leitmotiv an; aber man wird diese mittelständischen Betriebe im Rahmen des Notwendigen durchaus erhalten können. Nur muß man dort auch mehr durchgreifen. Einige Kontrollen der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr zeigten uns doch, daß von allen kontrollierten Fahrzeugen etwa 30 °/o in irgendeiner Form — entweder steuerlich oder in bezug auf die Begleitpapiere, die Ladung oder die Konzession — nicht in Ordnung waren. Das ist ein Drittel! Die große Verkehrskontrolle von Nordrhein-Westfalen, die vor einiger Zeit auf Länderebene durchgeführt worden ist, hat doch innerhalb von sechs Stunden 11 000 Verkehrsübertretungen gezeigt. Das ist doch ein Zeichen, daß man, angefangen von der Schule, aber auch durch die Disziplin der Fachverbände hier einwirken muß. Wir sind also der Meinung: Bundesbahn, Straßenverkehr, Binnenschiffahrtsverkehr und die anderen Verkehrsträger können durchaus in eine Ordnung, in ein gesundes Verhältnis gebracht werden. Man sollte gegenseitige Angriffe unterlassen. In einem Gespräch mit einem maßgebenden Vertreter des Straßenverkehrs — ich will den Namen nicht nennen, er tut vorerst nichts zur Sache — sagte auch dieser Mann, der etwas mit Mißtrauen gegen die Bundesbahn erfüllt war: wenn die bestehenden Verkehrsgesetze richtig ausgeführt und die Kontrollen vernünftig durchgeführt würden und wenn man dort den Leuten mit Strafen nachginge, wo sie es verdienten, dann könnte man mit den bestehenden Gesetzen schon manches machen, wofür man jetzt eine gesetzliche Neuordnung für notwendig hält. Sehen Sie, da ist unser Freund von Pforzheim — ich nenne ihn unhöflicherweise, obwohl er noch nicht da ist —, der Abgeordnete Leonhard. Er hat mir vor etwa 8 oder 14 Tagen auf einer Bahnfahrt erzählt, daß sich dort beispielsweise ein Verkehrsrichter in einem Prozeß wegen eines Unfalles auf den Standpunkt stellte, man könnte dem Fahrer nicht zumuten, daß er auch noch andauernd den Rückspiegel beobachte; diese Zumutung ginge zu weit. Da möchte ich sagen: man muß das einem Fahrer zumuten. Der Rückspiegel ist gerade dazu da, um zu sehen, was hinter einem passiert und ob irgend jemand überholen möchte. Wenn man allerdings sieht, daß das Rückfenster der Karosserie manchmal mit Mänteln, manchmal aber auch mit Pappkartons zugedeckt ist, da ist verständlich, daß der Mann nichts mehr sehen kann. Deswegen wäre zu prüfen, ob nicht in der Verkehrszulassungsverordnung zu bestimmen wäre, daß auch für die Personenkraftwagen der Rückspiegel außerhalb am Fahrzeug, wie es bei den meisten Lastfahrzeugen der Fall ist, anzubringen ist. Darf ich bei der Gelegenheit gleich einen zweiten Wunsch vorbringen, der mir von einem meiner Kollegen unterbreitet worden ist und der auch berechtigt ist. Wir haben darüber beim Verkehrssicherheitsgesetz schon gesprochen. Auch Herr Kollege Rademacher hat sich damals zu diesen Dingen positiv geäußert, ebenso der Herr Verkehrsminister selbst und meine Wenigkeit. Wir haben damals gesagt: es gibt Geräte, die den Überholungsvorgang, der besonders oft zu Unglücksfällen führt, vereinfachen, und zwar akustische Geräte; sie werden aber wahrscheinlich nicht das Richtige sein, werden nicht immer durchschlagend sein. Sie machen auch zu viel Lärm. Es gibt jedoch Lichtgeräte, die auch dem Fahrer eines Lastzuges anzeigen, daß hinterdrein einer kommt, der überholen will. Das ist wahrscheinlich die beste Lösung. Man müßte das aber einführen. Meines Erachtens hätte man eine diesbezügliche Verordnung schon vor über einem Jahr bringen können. Nun ein Wort an den Herrn Vizekanzler. Der größte Ihrer Urahnen, Herr Vizekanzler, war der ,,Marschall Vorwärts". Ich wünschte, daß Sie, der Sie das kleine Wirtschaftskabinett präsidieren, bei jeder Sitzung dieses Wort „vorwärts" vorne dran-stellten. Man versteht es draußen nicht, daß noch zwei, drei Monate vergehen, bis man weiß, was die Regierung will. Es kommt dem einzelnen gar nicht so sehr darauf an, was jetzt in dem Entwurf steht, den der Herr Bundesverkehrsminister und der Herr Finanzminister aufgestellt haben. Es kommt auch nicht einmal so sehr darauf an, was im einzelnen in dem steht, was das kleine Wirtschaftskabinett nach Anhörung der Sachverständigen bringt. Aber es kommt darauf an, Herr Vizekanzler, daß bald etwas geschieht. Die Öffentlichkeit wartet darauf. Die Entwicklung der Dinge ist so, daß wir nicht länger warten dürfen, wenn wir uns an diesem Chaos nicht mitschuldig machen wollen. (Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)


    (Sehr richtig! in der Mitte.)


    (Rümmele)


    (Sehr richtig! bei der SPD.)


    (Lebhafte Zustimmung.)

    Wir brauchen selbstverständlich Straßen. Ich habe dieses Problem mit manchen Landräten erörtert. Bekanntlich sind ja die Landstraßen zweiter Ordnung von den Kreisen, denen die Landräte vorstehen, in Ordnung zu halten und auszubauen. Ich hatte als Bürgermeister in meiner Gemeinde etwa 30 km Gemeindewege. Meinem verehrten Nachbarn, dem Kollegen Stahl, der in Titisee Bürgermeister ist — ich bin inzwischen von dem Amt zurückgetreten —, ist es etwas besser gegangen. Er hat weniger Gemeindewege. Aber jeder Bürgermeister oder Landrat, der es einmal war oder noch ist, wird mir bestätigen, daß auch diese Gemeindestraßen eine Belastung für die Gemeinden bedeuten und sie in finanzielle Not bringen können. Wir brauchen also Geld. Wenn man kein Geld hat, muß man sehen, daß man es vielleicht auf dem Anleihewege bekommt. Anleihen haben aber nun die Eigenschaft, daß sie verzinst und amortisiert werden müssen. Es ist auch die Frage, ob die Leute in Deutschland schon wieder so weit sind, daß sie Verkehrsanleihen in großem Stile zeichnen. Bekanntlich hoffen noch andere Wirtschaftsunternehmungen auf die Ergebnisse von Anleihen. Ich bin daher der Meinung, daß der Grundgedanke richtig ist, entsprechende Aufschläge auf die Mineralölsteuer, Aufschläge auf Benzin, Dieselkraftstoff usw. zu nehmen. Diese Aufschläge sollten aber in der Gesamtheit zweckgebunden sein für den Ausbau der Autostraßen, der Bundesstraßen, der Landstraßen erster und zweiter Ordnung.
    Ich bin davon überzeugt, daß auch das Nah- und Fernverkehrsgewerbe für eine solche Maßnahme Verständnis hat. Selbstverständlich darf man dabei nicht ins Uferlose gehen, sondern muß die Grenzen kennen.
    Meine Damen und Herren, es ist aber zuwenig, in einem Jahr 100 km Autostraßen zu bauen, da-


    (Rümmele)

    neben Bundesfernstraßen auszubauen. Sie haben dann erst in zehn Jahren 1000 km Autostraßen gebaut und die Lücken ungefähr ausgefüllt.
    Wir haben vor ein oder zwei Tagen die bekannte Denkschrift des Straßenverkehrsgewerbes bekommen; aber die meisten werden sie noch nicht haben durchlesen können, weil wir dauernd zuviel zum Lesen kriegen. Ich bin der Meinung, daß das Straßenverkehrsgewerbe völlig recht hat, wenn es in dieser Denkschrift noch einen höheren Aufschlag auf den Benzinpreis vorsieht, als dies der Herr Bundesfinanzminister Schäffer selbst vorzuschlagen sich getraut hat. Soweit ich nämlich informiert bin
    — man liest ja viel in den Zeitungen usw. —, ist vorgesehen gewesen, zwei Pfennig auf den Liter Benzin zu nehmen, allerdings, glaube ich, sechs Pfennig auf den Liter Diesel-Kraftstoff, um damit die Straßenfinanzierung durchführen zu können. Das Gewerbe selber hat vier Pfennig, allerdings vier Pfennig für beides, für das Benzin und für den Diesel-Kraftstoff, vorgeschlagen.

    (Lachen in der Mitte.)

    — Es wäre natürlich zu prüfen, ob diese Relation richtig ist. Aber ich bin der Meinung, diese vier Pfennig können ohne weiteres von dem, der auf der Straße fährt, getragen werden, und sie werden getragen werden, wenn man weiß: dafür werden die Straßen verbessert und verbreitert, Umgehungsstraßen gebaut; aber wohlgemerkt: nicht nur Radfahrwege auf den Bundesfernstraßen und Landstraßen erster und zweiter Ordnung, sondern auch Fußgängerwege brauchen wir. Das läuft wieder auf die alte Melodie hinaus, daß der Fußgänger auch ein Mensch ist und nach dem Grundgesetz auch ein Recht hat, sich irgendwie in seinem eigenen Heimatlande noch zu bewegen.

    (Heiterkeit und Beifall in der Mitte.)

    Die Auffassungen sind nun sehr verschieden. Man erhält so manchmal Briefe, wo irgendeiner schreibt: Ihr seid ja von allen guten Geistern verlassen, ihr macht uns mit den neuen Steuern auf den Anhänger, auf den Lastwagen völlig kaputt, und was ihr sonst noch vorhabt, ist auch sinnwidrig usw. — Aber es gibt doch auch Männer aus dem Gewerbe, die haben bei aller Sorge um die Aufrechterhaltung ihrer Existenz ganz vernünftige, solide Meinungen, die man mit vertreten kann. Gestatten Sie mir, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur etwa sechs Zeilen aus einem Brief vorzulesen, den ein Mann an unseren Kollegen Gerstenmaier geschrieben hat. Herr Gerstenmaier hat zuständigkeitshalber den Verkehrsausschuß bemüht, und wir haben dem Mann Antwort gegeben. Der Betreffende fährt mit Lastwagen und hat Lastzüge laufen. Er schreibt also: Bitte, die Steuern dürft ihr nicht so hoch machen, sonst würgt ihr uns ab. Aber er schreibt auch noch etwas anderes, und das möchte ich doch einmal hier sagen, damit man sieht, daß in allen Schichten des Verkehrs sehr vernünftige Meinungen vorhanden sind. Er schreibt:
    Gehen Sie
    — also an Gerstenmaier gerichtet --
    auf folgendes aus:
    1. Reduzierung der hohen Geschwindigkeiten der schweren Autozüge (60 km genügen vollkommen).

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    2. Begrenzung der übermäßigen Gewichtszulassung, vor allem der schweren Anhänger. (Sehr richtig! in der Mitte)

    Dann in Klammern:

    (Faustregel nach alter Erfahrung: Gewicht des Anhängers nicht größer als des Zugwagens).


    (Sehr gut! in der Mitte.)

    3. Gerechte Aufbringung der Steuer durch eine mäßige Rohölpreiserhöhung, weil dann der am meisten bezahlt, der eine schwere Maschine mit schwerem Anhänger fährt und der gut beschäftigt ist.
    4. Unterlassen Sie eine kalte Liquidation durch eine zum voraus auf die Existenzvernichtung ausgehende Steuererhöhung.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren, das können wir wohl alle unterschreiben. Wir wollen nicht Existenzen vernichten; das wäre völlig falsch. Wir wollen aber im Interesse dieser Existenzen die Ordnung herstellen. Denn wenn im Verkehr etwa eine uferlose gegenseitige Schmutzkonkurrenz, ein gegenseitiger Tarifkampf auf Leben und Tod einreißen würde, dann allerdings müßten die kleinen Existenzen zugrunde gehen, und dann allerdings wird einmal die Bundesregierung die ganze Zeche bezahlen; und wenn die Bundesregierung sie bezahlt, dann zahlt sie ja doch der deutsche Steuerzahler.
    Ich will — es wäre noch viel zu sagen — versuchen, „zum Schluß zu kommen", wie man so schön sagt. Uns liegt auch ein Antrag vor, den mein geschätzter Freund Morgenthaler an erster Stelle unterschrieben hat, daß der Lastwagenverkehr an Sonn- und Feiertagen auf das Notwendigste beschränkt werden sollte. Dieser Antrag hat in den Kreisen des Straßenverkehrsgewerbes, vor allem des Straßenfernverkehrs — der Nahverkehr dürfte zum großen Teil einverstanden sein, weil er ja normalerweise an Sonntagen keinen Lastwagenverkehr betreibt —, etwas Widerstand gefunden. Er wurde auch, wie ich in einer Zeitungsnotiz gelesen habe, von der Organisation des Straßengüterfernverkehrs abgelehnt. Meine Damen und Herren, haben denn die, die das unterschrieben haben — ich habe es mit unterschrieben —, etwas Unrechtes verlangt? Sind wir nicht in einem Zeitalter, wo wir die Arbeitszeit geregelt haben, wo es selbstverständlich sein sollte, daß jeder, der nicht unbedingt an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden muß, nicht beschäftigt wird?

    (Beifall in der Mitte.)

    Streiten wir nicht darüber, ob man am Samstagnachmittag um 2 Uhr in den Ladengeschäften Schluß macht, um 3 oder um 5 Uhr oder schon mittags um 1 Uhr, oder ob wir am Mittwochnachmittag einen halben Tag frei geben? Wir halten es doch für selbstverständlich, daß die schaffenden Menschen — auch die Eigentümer dieser Betriebe — auch einmal zur Ruhe kommen sollten. Es steht im übrigen ja auch in der Heiligen Schrift geschrieben: Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebenten aber sollst du ruhen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn man formuliert „an Sonn- und Feiertagen auf das Lebensnotwendige zu beschränken", hat man damit ja noch nicht das Gewerbe getroffen, indem etwa einzelne Existenzen geschädigt würden. Wenn nämlich keiner, der es nicht nötig hat, am Sonntag oder Feiertag fährt, dann hat auch keiner den Schaden, weil ja dann die Wettbewerbsbedingungen für alle die gleichen sind.


    (Rümmele)

    Ich gehe allerdings weiter und sage, es wäre durchaus zu prüfen, ob nicht auch eine ähnliche Regelung gefunden werden kann, wie sie meines Wissens schon vielfach bei der Bundesbahn besteht. Auch die Bundesbahn läßt an Sonntagen nur die lebensnotwendigen Güterzüge verkehren, die also Lebensmittel, Frischware und andere Dinge enthalten. Das können Seefische sein und was weiß ich alles. Dort ist also die Konsequenz gezogen.
    Meine Damen und Herren, es wird vielfach nicht erkannt, daß es solche Dinge in Europa schon gibt. Sehen Sie einmal in unser Nachbarland, die Schweiz! Ich habe für dieses Land immer eine Schwäche gehabt. Ich bin in seiner Nachbarschaft aufgewachsen, dort im badischen Wiesental, bei den Alemannen. Die Schweiz ist eine Musterdemokratie. Manches kommt uns zwar klein vor; aber ich möchte doch sagen, diese demokratische Erziehung und Gesinnung von Jahrhunderten her in Verbindung mit anderen Dingen hat doch auch manches Schöne in diesem Lande bewirkt, und wir sollten auch ruhig den Mut haben, von einem solchen kleineren Lande zu lernen, wenn es etwas Besseres hat als wir.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dort gibt es eine Gesetzesvorschrift, daß ab 10 Uhr abends keine Lastwagen mehr fahren dürfen und daß der Lastwagenverkehr an Sonn- und Feiertagen verboten ist. Ist es also eine Todsünde, wenn man aus christlichen, aus menschlichen, aus humanitären Gründen, aber auch mit Rücksicht auf die Anwohner an den Straßen, eine solche Frage stellt?
    Ich wohne in Bonn in der Poppelsdorfer Allee. Ich will nicht sagen, daß da nur feine Leute wohnen,

    (Heiterkeit)

    aber ich wohne dort.

    (Erneute Heiterkeit.)

    — Herr Dr. von Brentano, über diese stille Anerkennung freue ich mich eigentlich.

    (Heiterkeit.)

    Da ist also keine Straßenbahn und normalerweise nachts kein Verkehr. Nur wenn die Lastwagenfahrer heimkommen, fahren sie manchmal noch mit dem Lastwagen nach Hause. Es ist auch mal ein Motorradfahrer dabei. Ab und zu kommt aber auch ein schwerer Lastzug nachts durch. Ich kann Ihnen sagen — die Häuser dort sind alt, gut und solid gebaut mit dicken Mauern —: wenn ein solcher Lastzug durchfährt, dann ist das tatsächlich für das Haus und für die Bewohner eine einzige Erschütterung, und so ungefähr jeder wacht vom Schlaf auf.

    (Sehr richtig! — Zuruf links: Koblenzer Straße!)

    — In der Koblenzer Straße ist es noch schlimmer.
    Denken Sie aber auch an die Bundesfernstraße 3, die durch meinen Wahlkreis und durch den Wahlkreis des Herrn Abgeordneten Morgenthaler durchgeht. Dort hat man also die Autostraße noch nicht gebaut. Denken Sie auch an den Streit, ob die ganze Autostraße Basel—Karlsruhe in die Dringlichkeitsstufe 1 oder 2 gehört. Denken Sie daran, daß man die Bundesstraße auf 71/2 m verbreitern muß. Es ist allerhand getan worden, das muß man anerkennen, wenn man offenen Auges durch die Gegend geht. Aber das hat dazu geführt, daß man die Straße in den Dörfern bis an die kleinen Bauernhäuser, bis an den Eingang, bis an die Tür hin hat verbreitern müssen. Und nun stellen Sie sich bitte einmal eine
    Durchgangsstraße vor, wo der Verkehr Tag und Nacht geht. Daß diese Leute den Wunsch haben, am Sonn- und Feiertag nicht mehr durch das Erzittern ihrer Häuser und durch den durch diese Lastwagenzüge verursachten Lärm belästigt zu werden, ist verständlich.
    Ich glaube auch nicht an eine Notwendigkeit, daß man ausgerechnet am Sonntag Baustoffe, Bretter, Balken, Eisenzeug und derartige Dinge auf den Straßen befördern muß.

    (Sehr richtig!)

    Ich halte das nicht für eine Lebensnotwendigkeit.
    Man ist nun aber, wenn man so etwas ausspricht, da und dort immer der Gefahr ausgesetzt, daß einem gesagt wird, man habe etwas gegen den Straßenverkehr. Ich sage noch einmal: nein und nochmals nein! Ich halte den gewerblichen Straßenverkehr im Nahverkehr wie im Fernverkehr für eine technisch und wirtschaftlich durchaus vertretbare notwendige Ergänzung. Ich sage es noch einmal als Standpunkt der gesamten Fraktion: es ist Lebensraum und Lebensrecht für beide Teile da.

    (Abg. Dr. von Brentano: Sehr gut!)

    Dann darf ich noch eine Sache anschneiden, die mir übergeben wurde, als ich hier heraufging. Es handelt sich um die Frage Berlin — sie hängt mit der Bundesbahn zusammen —, über die vielleicht bei dieser Gelegenheit zum Schluß ein paar Worte zu sagen sind. Die Bundesbahn gleicht einem Manne, der in ein Rennen geht und mit irgendeinem Tornister oder irgendeiner anderen schweren Last vorbelastet ist. Man kann aber, wenn man gleiche Startbedingungen schaffen und ein Rennen ehrlich ausfechten will, nicht mit ungleichen Belastungen hineingehen. Die Bundesbahn trägt u. a. als betriebsfremde Lasten - ich möchte sagen, wir sollten das Wort „politische Lasten" vermeiden — eine ganze Reihe von Millionen DM — es geht meines Wissens in Berlin an die 90 Millionen heran; ich will mich nicht genau auf die Zahl festlegen — für Unterstützungen, die aus dem Befreiungskampf für Berlin notwendig wurden. Damals mußten die Eisenbahner einfach gegen die Ostzone antreten, und sie sind angetreten, und heute noch liegen über 500 Eisenbahner mit ihren Familien auf der Straße. Die Bahn zahlt hierfür Unterstützungen, und es ehrt sie, daß sie das tut. Aber jede 100 Millionen sind auch für die Bahn 100 Millionen, und 100 Millionen DM sind gleichzeitig 100 Lokomotiven oder auch 50, je nachdem, um welche Gattung es sich handelt. Mit 100 Millionen DM könnte man eine ganze Menge moderner Schnellzugwagen, Personenwagen oder Güterwagen anschaffen. Das ist aber nur eine dieser Lasten.
    Hier schreibt nun ein solcher Mann von Berlin: „Ich kriege wohl die Unterstützung; auch die Gewerkschaft tut noch etwas darauf. Aber wir haben doch auch das Recht, so wie die 131er behandelt zu werden und wieder irgendwo im Bundesgebiet hineinzukommen und bei der Bahn Unterschlupf zu finden." Die Frage der 131er hat die Bundesbahn auch auf dem Rücken. Es ist die übereinstimmende Meinung auch im Straßenverkehrsgewerbe, bei der deutschen Industrie, selbstverständlich bei der Bundesbahn und ebenso bei der Binnenschiffahrt, daß man der Bundesbahn diese betriebsfremden Belastungen, die neben der Pflicht des Wiederaufbaues der Betriebssicherheit usw. aus eigener Kraft bestehen, abnehmen muß. Darum kommt das Kabinett einfach nicht herum.


    (Rümmele)

    Hinzu kommen dann noch die anderen Verpflichtungen aus dem gemeinwirtschaftlichen Betrieb. Erfreulich ist hierbei, daß es auch in dieser Zeit im Rahmen der konkurrierenden Träger des Verkehrs — Straße, Schiene und anderen — noch gemeinsame Ansatzpunkte gibt. Völlige Übereinstimmung besteht wohl darüber, daß die Bundesbahn in einer Art und Weise weitergeführt werden muß, daß sie gemeinwirtschaftlich fährt. Völlige Klarheit besteht darüber, daß die Bundesbahn, die ja Treuhänderin des Staatsvermögens von, umgerechnet, etwa 13 Milliarden ist — früher ja viel mehr —, den Fahrplanzwang, den Betriebszwang, den Beförderungszwang, den Veröffentlichungszwang usw. aus dem Wesen der Gemeinwirtschaft und dazu die sozialen Tarife zu tragen hat. Das ist in der ganzen Welt so, wenn auch nicht ganz einheitlich. Aber durch die Bank haben die Bahnen zum Ausgleich für andere Dinge, die den Bahnen zugute kommen, die Möglichkeit und die Verpflichtung, gemeinwirtschaftlich für das Volk zu arbeiten.
    Darf ich eines noch zur Ehre der Bundesbahn sagen. Die Bundesbahn ist der sicherste Betrieb, den es gibt. Die Bundesbahn veröffentlicht voll Stolz die Nachricht — „Statistik" ist da, möchte ich sagen, wirklich zuviel gesagt, weil man daraus keine Statistik mehr machen kann! —, daß im ganzen Jahre 1953 bei 1,2 Milliarden Reisenden, die befördert wurden, nur eine einzige Reisende ihr Leben durch Schuld der Bahn verloren hat.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Meine Damen und Herren, betrachten Sie demgegenüber die Unfallzahlen des Straßenverkehrs; dann sehen Sie den Unterschied. Auch deswegen müssen wir Ordnung hineinbekommen.
    Dann kommt noch eines allerdings, was gesagt werden muß, hinzu. Es sterben täglich einige Eisenbahner — die genauen Zahlen habe ich nicht, aber es sind mehrere hundert Eisenbahner im Jahr — im Dienste des Verkehrs den Eisenbahnertod, ruhmlos, klanglos, ohne daß man viel davon erfährt. Hut ab vor dieser Pflichterfüllung! Anerkennung aber auch den Beamten, Arbeitern und Angestellten, den Menschen, die bei der Bundesbahn das Rückgrat des Verkehrs bilden.

    (Allgemeiner Beifall.)

    Wir wünschen, daß bei den kommenden Reformen erstens einmal die Sache beschleunigt wird. Wir haben im Süden unseres schönen Vaterlandes ein Wort, das heißt: „Die Birnen werden im Herbst reif." Bis im Herbst, verehrter Herr Vizekanzler, verehrter Herr Bundesverkehrsminister, müssen wir meiner Schätzung nach die Verkehrsgesetze hier im Bundestag verabschiedet haben, wenn wir unsere Pflicht tun wollen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Diese Pflicht wollen wir tun, und wir wollen dabei unser Herz vorauswerfen und Verantwortung auf uns nehmen. Ich bin überzeugt, daß man das Problem in einer Art und Weise lösen kann, die weder der deutschen Wirtschaft noch einem Träger des Verkehrs in der deutschen Wirtschaft schadet, die aber allen nützt und die, ich möchte es noch einmal sagen, eine Christen- und eine Menschenpflicht ist.

    (Beifall bei den Koalitionsparteien.)