Protokoll:
17226

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 226

  • date_rangeDatum: 1. März 2013

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:16 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/226 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 226. Sitzung Berlin, Freitag, den 1. März 2013 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Lukrezia Jochimsen . . . . . . . . . . . . . . Zur Geschäftsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) . . . . . . Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 36: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Ur- heberrechtsgesetzes (Drucksachen 17/11470, 17/12534) . . . . . . . . Stephan Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manuel Höferlin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: a) Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Riester-Förderung in die gesetzliche Rente überführen (Drucksache 17/12436) . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Wiederherstellung eines Lebens- standard sichernden und struktu- rell armutsfesten Rentenniveaus – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Rente erst ab 67 sofort vollständig zurücknehmen – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- 28217 A 28217 C 28217 D 28219 A 28219 D 28220 B 28221 B 28222 B 28222 C 28223 A 28224 A 28225 D 28227 C 28229 A 28230 A 28231 B 28233 A 28233 A 28233 B 28234 D 28235 C 28237 B 28240 D 28237 C Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 neter und der Fraktion DIE LINKE: Risiko der Erwerbsminderung bes- ser absichern – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Rentenbeiträge für Langzeiterwerbs- lose wieder einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Kindererziehung in der Rente bes- ser berücksichtigen – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Rente nach Mindestentgeltpunkten entfristen – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Eine solidarische Rentenversiche- rung für alle Erwerbstätigen – zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Altersarmut wirksam bekämpfen – Solidarische Mindestrente einführen (Drucksachen 17/10990, 17/10991, 17/10992, 17/10993, 17/10994, 17/10995, 17/10997, 17/10998, 17/12474) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Diana Golze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Pascal Kober (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Max Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Bettina Kudla (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: a) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Markus Grübel, Ingrid Fischbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Nicole Bracht-Bendt, Miriam Gruß, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP: Ent- geltgleichheit für Frauen und Männer verwirklichen – Familienfreundliche Unternehmen als Beitrag zur Gleich- stellung der Geschlechter (Drucksache 17/12483) . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Caren Marks, Willi Brase, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der SPD: Gleichstellung – Fortschritt – Jetzt – Durch eine konsistente Gleichstellungs- politik (Drucksache 17/12487) . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebens- verlauf durchsetzen (Drucksache 17/12497) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Bracht-Bendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Elke Ferner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Yvonne Ploetz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28238 A 28238 B 28243 A 28244 C 28246 B 28246 C 28246 D 28248 C 28249 A 28250 A 28251 D 28253 B 28255 A 28257 A 28257 B 28257 C 28259 A 28259 D 28261 C 28262 D 28264 A 28265 C 28267 A 28268 A, 28268 B 28271 A, 28273 C 28268 D 28269 A 28269 B 28269 B 28275 B 28277 A 28278 D 28280 A 28281 B 28283 A 28284 B 28285 B 28286 B Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 III Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Caren Marks (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Rita Pawelski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 39: Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Uwe Beckmeyer, Dr. Bärbel Kofler, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Zukunft des „Energie- und Klimafonds“ und der durch ihn finan- zierten Programme (Drucksachen 17/10088, 17/10815) . . . . . . . . Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Bärbel Kofler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 40: Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Markus Kurth, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Perso- nenzentrierte und ganzheitliche Reform des Betreuungsrechts (Drucksachen 17/2376, 17/5323) . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Molitor (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Sieben- ten Gesetzes zur Änderung des Urheber- rechtsgesetzes (Tagesordnungspunkt 36) . . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU) – zu den namentlichen Abstimmungen: – Antrag: Keine Privatisierung der Was- serversorgung durch die Hintertür – Antrag zu dem Vorschlag der Europäi- schen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Ab- satz 4 des Gesetzes über die Zusam- menarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegen- heiten der Europäischen Union – Was- ser ist Menschenrecht – Privatisierung verhindern – zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parla- ments und des Rates über die Konzes- sionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Kommunale Versor- gungsunternehmen stärken – Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleis- tungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (225. Sitzung, Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Alois Karl (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zum Antrag: Kindererziehung in der Rente besser berück- sichtigen (Tagesordnungspunkt 37 a) . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28287 A 28288 A 28289 B 28290 C 28291 C 28292 D 28294 A 28295 B 28296 C 28296 D 28298 A 28299 A 28301 B 28302 B 28303 C 28305 B 28306 C 28306 D 28307 C 28309 D 28311 C 28312 C 28313 D 28315 A 28316 B 28316 B 28316 D 28317 A 28317 C 28318 B 28318 C Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28217 (A) (C) (D)(B) 226. Sitzung Berlin, Freitag, den 1. März 2013 Beginn: 9.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28315 (A) (C) (D)(B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 01.03.2013 Dr. Bergner, Christoph CDU/CSU 01.03.2013 Brunkhorst, Angelika FDP 01.03.2013 Buchholz, Christine DIE LINKE 01.03.2013 Burchardt, Ulla SPD 01.03.2013 Canel, Sylvia FDP 01.03.2013 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 01.03.2013 Evers-Meyer, Karin SPD 01.03.2013 Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 01.03.2013 Gabriel, Sigmar SPD 01.03.2013 Gottschalck, Ulrike SPD 01.03.2013 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 01.03.2013 Gruß, Miriam FDP 01.03.2013 Hardt, Jürgen CDU/CSU 01.03.2013 Hartmann (Wackernheim), Michael SPD 01.03.2013 Haustein, Heinz-Peter FDP 01.03.2013 Heinen-Esser, Ursula CDU/CSU 01.03.2013 Hoff, Elke FDP 01.03.2013 Hofmann (Volkach), Frank SPD 01.03.2013 Höger, Inge DIE LINKE 01.03.2013 Juratovic, Josip SPD 01.03.2013 Keul, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.03.2013 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.03.2013 Kipping, Katja DIE LINKE 01.03.2013 Klamt, Ewa CDU/CSU 01.03.2013 Korte, Jan DIE LINKE 01.03.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.03.2013 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.03.2013 Lange (Backnang), Christian SPD 01.03.2013 Liebich, Stefan DIE LINKE 01.03.2013 Dr. Lotter, Erwin FDP 01.03.2013 Mast, Katja SPD 01.03.2013 Meierhofer, Horst FDP 01.03.2013 Dr. h. c. Michelbach, Hans CDU/CSU 01.03.2013 Möhring, Cornelia DIE LINKE 01.03.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 01.03.2013 Müller (Aachen), Petra FDP 01.03.2013 Nahles, Andrea SPD 01.03.2013 Neumann (Bremen), Bernd CDU/CSU 01.03.2013 Dr. Neumann (Lausitz), Martin FDP 01.03.2013 Dr. Nüßlein, Georg CDU/CSU 01.03.2013 Ortel, Holger SPD 01.03.2013 Petermann, Jens DIE LINKE 01.03.2013 Pitterle, Richard DIE LINKE 01.03.2013 Rehberg, Eckardt CDU/CSU 01.03.2013 Reiche (Potsdam), Katherina CDU/CSU 01.03.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 01.03.2013 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen 28316 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 (A) (C) (D)(B) Anlage 2 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 36) Siegfried Kauder (CDU/CSU): Das siebente Ge- setz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes – Leis- tungsschutzrecht für Presseverlage – berührt zwei grundrechtlich geschützte Bereiche, nämlich das Recht der Informationsfreiheit – Art. 5 GG – und den Gleich- heitsgrundsatz – Art. 3 GG. Der Bürger muss Zugang zu Informationen im Internet haben. Dies wäre ohne den in der Rechtsausschusssitzung von Mittwoch, dem 27. Februar 2013, beschlossenen Ände- rungsantrag der Regierungskoalition nicht gewährleistet gewesen. In der zur Abstimmung anstehenden Fassung nimmt das Gesetz einzelne Wörter und kleinste Textaus- schnitte vom Leistungsschutzrecht der Presseverlage aus. Damit ist Art. 5 GG Genüge getan. Allerdings ist der Be- griff „kleinste Textausschnitte“ auslegungsbedürftig. Er kann nur als „kleinstmögliche Textteile“ verstanden wer- den. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Suchmaschinen und Aggregatoren müssen die Mög- lichkeit haben, zu bezeichnen, auf welches Suchergebnis sie verlinken. Das muss allerdings mit dem kleinstmögli- chen Textumfang geschehen. Die Beschreibung darf nicht so umfangreich sein, dass sich der Aufruf des ver- linkten Inhalts erübrigt. Das europarechtlich gebotene Notifizierungsverfah- ren ist nicht eingeleitet worden. Dies hindert den Gesetz- geber aber nicht, das Gesetz zu verabschieden. Das Noti- fizierungsverfahren kann nachgeholt werden – Dauer drei Monate. Bis zum Abschluss des Notifizierungsver- fahrens entfaltet das verabschiedete Gesetz keine Wir- kung. Soweit Bedenken bestehen, dass Presseverlage ge- genüber anderen Informationsanbietern privilegiert sind, kann die Berücksichtigung des Gleichheitssatzes aus Art. 3 GG gebieten, auch anderen Informationsanbietern gesetzlich ein Leistungsschutzrecht einzuräumen. Da ein Teil meiner Bedenken durch den Änderungs- antrag erledigt, verfassungsrechtliche Defizite nachbes- serbar und europarechtliche Vorgaben nachholbar sind, stimme ich dem Gesetzentwurf zu. Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Eine freie und unabhängige Presse, Medienvielfalt und Qualitätsjour- nalismus sind ein entscheidender Eckpfeiler unserer De- mokratie. Der Schutz des geistigen Eigentums ist Vo- raussetzung für die Innovationsfähigkeit eines Landes. Aus diesem Grund begrüße ich den Kompromiss bei der Anpassung des Urheberrechtes. Presseverlage erhal- ten damit Leistungsschutzrechte, die schon lange in an- deren Bereichen üblich sind und weder Innovationen be- einträchtigen noch die Pressefreiheit einschränken oder den Wirtschaftsstandort Deutschland schwächen. Vor allem begrüße ich, dass auch in Zukunft einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte – sogenannte Snip- pets – nicht unter das Leistungsschutzrecht fallen. Dies ist im Sinne der Informationsfreiheit entscheidend. Eine wichtige Aufgabe bleibt es aber, das Leistungs- schutzrecht sinnvoll umzusetzen und weiterzuentwi- ckeln. Der Aufbau zusätzlicher Verwertungsgesellschaf- ten nach dem Muster der GEMA ohne wettbewerbliche Elemente ist kritisch zu beurteilen. Die weitere Entwick- lung der Internetnutzung wird in den kommenden Jahren weitere Anpassungen erfordern. Ziel muss es bleiben, ei- nen nachhaltigen Interessenausgleich zu schaffen: zwi- schen dem Schutz des geistigen Eigentums, der eine hohe Qualität und Vielfalt journalistischer Angebote er- laubt, einerseits und dem sich verändernden Informa- tionsverhalten der Gesellschaft andererseits. Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.03.2013 Roth (Heringen), Michael SPD 01.03.2013 Schaaf, Anton SPD 01.03.2013 Schieder (Weiden), Werner SPD 01.03.2013 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.03.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 01.03.2013 Schnurr, Christoph FDP 01.03.2013 Schreiner, Ottmar SPD 01.03.2013 Staffeldt, Torsten FDP 01.03.2013 Steinke, Kersten DIE LINKE 01.03.2013 Ulrich, Alexander DIE LINKE 01.03.2013 Dr. Volk, Daniel FDP 01.03.2013 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 01.03.2013 Dr. Wilms, Valerie BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.03.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 01.03.2013 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28317 (A) (C) (D)(B) Frank Schäffler (FDP): Der Einführung eines Leis- tungsschutzrechts durch Änderung des Urheberrechts kann ich nicht zustimmen. Schutzgegenstand der beabsichtigten Änderung ist nicht das Presseerzeugnis, sondern die „zur Festlegung des Presserzeugnisses erforderliche wirtschaftliche, or- ganisatorische und technische Leistung des Presseverle- gers“. Ich habe kein Verständnis für den Schutz eines Geschäftsmodells durch den Gesetzgeber. Jeder Unter- nehmer plant sein Geschäft innerhalb des gesetzlichen Rahmens. Es ist die Hauptaufgabe des Wettbewerbs, zu zeigen, welche dieser Pläne falsch sind. Wenn sich das Geschäftsmodell der Presseverleger unter dem Druck der neuen Medienwelt als zunehmend untragfähig he- rausstellt, dann ist es nicht Aufgabe des Gesetzgebers, rettend einzugreifen. Es war richtig, weder Opel noch Schlecker vor den Folgen eines gescheiterten Geschäftsmodells zu retten. Es wäre richtig, überschuldete Banken und Gläubiger nicht vor den nachteiligen Folgen ihres unternehmeri- schen Handelns zu schützen. Es ist richtig, sich der Ret- tung der Presseverleger durch einen gesetzgeberischen Eingriff entsprechend ihrem „neu entstandenen Schutz- bedürfnis“ zu verweigern. Die Eröffnung neuer Märkte und die organisatorische Weiterentwicklung jedes Unter- nehmens revolutionieren unaufhörlich die Wirtschafts- struktur von innen heraus. Alte Strukturen werden zerstört und neue geschaffen. Dieser Prozess der „schöp- ferischen Zerstörung“ ist das für die Marktwirtschaft we- sentliche Faktum. Darin besteht die Marktwirtschaft, und darin muss auch jedes marktwirtschaftliche Gebilde leben. Der Einführung eines Leistungsschutzrechts kann ich auch deswegen nicht zustimmen, weil bereits heute die technische Möglichkeit besteht, den Zugriff auf das ei- gene Onlineangebot durch Suchmaschinen zu blockie- ren. Die wesentlichen Suchmaschinen haben sich bereits im Jahr 2008 darauf geeinigt, das Robots-Exclusion- Standard-Protokoll zu beachten. Aufgrund dieser Kon- vention der Suchmaschinenbetreiber hat jeder Anbieter durch eigene technische Mittel die Möglichkeit, Suchro- boter auszuschließen und dadurch sein Angebot vor un- gewollter Fremdnutzung zu schützen. Hier hat sich ein Gewohnheitshandeln entwickelt, das ohne gesetzgeberi- schen Eingriff die Chance hat, sich zu einem Gewohn- heitsrecht weiterzuentwickeln. Dass die durch das Leis- tungsschutzrecht geschützten Geschäftsmodelle dieses Protokoll nicht für ihre Zwecke einsetzen, zeigt den Nut- zengewinn der Anbieter von der Fremdverwertung. Die Fremdverwertung liegt im Interesse der Anbieter. Das Handeln der Anbieter offenbart diese Präferenz ein- drucksvoll. Wenn die Anbieter auf diesen technischen Schutz freiwillig und im eigenen Geschäftsinteresse verzichten, ist ein gesetzgeberischer Eingriff mit dem Ziel, einen ge- setzlichen Schutz einzurichten, überflüssig und unge- rechtfertigt. Er würde zu einer doppelten Privilegierung der Presseverleger führen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer (CDU/ CSU) – zu den namentlichen Abstimmungen: – Antrag: Keine Privatisierung der Wasser- versorgung durch die Hintertür – Antrag zu dem Vorschlag der Europäi- schen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Ge- setzes über die Zusammenarbeit von Bun- desregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union – Wasser ist Menschenrecht – Privatisierung verhindern – zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes- regierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes – Kommunale Versorgungs- unternehmen stärken – Formale Ausschrei- bungspflicht bei Dienstleistungskonzessio- nen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (225. Sitzung, Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich in der vorliegenden Form nicht zustim- men. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und ich persönlich sprechen sich ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öf- fentliche Wasserversorgung aus. Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistun- gen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Euro- päische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommis- sion für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene euro- paweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspiel- räume der kommunalen Selbstverwaltung führen, son- dern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hinter- tür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zer- 28318 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 (A) (C) (D)(B) stört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinien- vorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus meiner Sicht evident. Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wieder- holt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU- Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer sol- chen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Was- serversorgung fallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäi- schen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadt- werk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten – zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung – betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fäl- len ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasser- dienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CSU- Landesgruppe. Nach wie vor gilt aber, dass eine europa- weite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versor- gungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden. Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland be- rücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung. Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Alois Karl (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung zum Antrag: Kindererziehung in der Rente besser berücksichtigen (Tagesord- nungspunkt 37 a) Mein Name ist in der Ergebnisliste nicht aufgeführt. Mein Votum lautet Ja. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Delegation der Bundesrepublik Deutschland in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Tagung der parlamentarischen Versammlung des Euro- parates vom 24. bis 28. Januar 2011 in Straßburg – Drucksachen 17/10574, 17/12238 Nr.1.1 – – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parla- mentarischen Versammlung der OSZE 21. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE vom 5. bis 9. Juli 2012 in Monaco – Drucksachen 17/11700, 17/12238 Nr. 1.2 – Innenausschuss – Unterrichtung durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Neunter Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland – Drucksachen 17/10221, 17/10707 Nr. 1.2 – Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes Energie 2011 – Wettbewerbsentwicklung mit Licht und Schatten – Drucksachen 17/7181, 17/8641 Nr. 1.1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes Energie 2011 – Wettbewerbsentwicklung mit Licht und Schatten hier: Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksachen 17/11434, 17/11614 Nr. 1.4 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Elfter Bericht der Bundesregierung über die Aktivitä- ten des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe und der ein- zelnen Rohstoffabkommen – Drucksachen 17/11784, 17/12114 Nr. 1.1 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Erster Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“ – Drucksachen 17/11958, 17/12114 Nr. 1.11 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Luftfahrtstrategie der Bundesregierung – Drucksachen 17/12150, 17/12238 Nr.1.8 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. März 2013 28319 (A) (C) (D)(B) – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2011 (Rüs- tungsexportbericht 2011) – Drucksache 17/11785 – Ausschuss für Gesundheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Sondergutachten 2012 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Wettbewerb an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Gesundheitsversorgung – Drucksachen 17/10323, 17/10707 Nr. 1.6 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- ner Beratung abgesehen hat. Innenausschuss Drucksache 17/11108 Nr. A.7 Ratsdokument 14123/12 Drucksache 17/11108 Nr. A.8 Ratsdokument 14139/12 Drucksache 17/11108 Nr. A.9 Ratsdokument 14181/12 Drucksache 17/11242 Nr. A.4 Ratsdokument 14414/12 Drucksache 17/11439 Nr. A.5 EP P7_TA-PROV(2012)0310 Drucksache 17/11919 Nr. A.3 Ratsdokument 16016/12 Drucksache 17/11919 Nr. A.4 Ratsdokument 16018/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.6 Ratsdokument 16423/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.12 Ratsdokument 17679/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.10 Ratsdokument 5119/13 Finanzausschuss Drucksache 17/12244 Nr. A.18 Ratsdokument 5127/13 Haushaltsausschuss Drucksache 17/12126 Nr. A.19 Ratsdokument 15645/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.20 Ratsdokument 15646/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.21 Ratsdokument 16850/12 Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Drucksache 17/12126 Nr. A.22 Ratsdokument 16349/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.23 Ratsdokument 17281/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.24 Ratsdokument 17285/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.25 Ratsdokument 17450/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.26 Ratsdokument 17520/12 Drucksache 17/12126 Nr. A.27 Ratsdokument 17555/12 Drucksache 17/12244 Nr. A.21 EP P7_TA-PROV(2012)0468 Drucksache 17/12244 Nr. A.22 Ratsdokument 17963/12 Ausschuss für Arbeit und Soziales Drucksache 17/10710 Nr. A.49 EP P7_TA-PROV(2012)0225 Drucksache 17/12126 Nr. A.30 EP P7_TA-PROV(2012)0419 Drucksache 17/12126 Nr. A.32 Ratsdokument 17575/12 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 17/12126 Nr. A.37 Ratsdokument 17568/12 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 17/12126 Nr. A.38 Ratsdokument 16633/12 Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Drucksache 17/9647 Nr. A.19 EP P7_TA-PROV(2012)0092 226. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 36 Urheberrechtsgesetz (Leistungsschutzrecht) TOP 37 Rentenrecht TOP 38 Gleichstellungspolitik TOP 39 Zukunft des Energie- und Klimafonds TOP 40 Reform des Betreuungsrechts Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722600000

Nehmen Sie bitte Platz! – Guten Morgen, liebe Kolle-

ginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere Sitzung und
gratuliere zu Beginn der Kollegin Lukrezia Jochimsen,
die heute ihren 77. Geburtstag feiert und der ich die
Glückwünsche des ganzen Hauses übermitteln möchte.


(Beifall)


Es gibt heute noch ein anderes bedeutendes Jubiläum:
Jakob Mierscheid wird 80 Jahre alt.


(Beifall)


Ich möchte ihm ebenfalls im Namen des ganzen Hauses
herzlich gratulieren. Dieser geschätzte, gelegentlich ver-
zweifelt gesuchte Kollege hat schon im Jahre 1979 in der
Nachfolge von Carlo Schmid seine denkwürdige Tätig-
keit im Deutschen Bundestag aufgenommen. Er hat sich
für die heutige Sitzung aus zwingenden Gründen ent-
schuldigen müssen,


(Heiterkeit)


was vermutlich die Spekulationen befördern wird, es
gäbe ihn gar nicht.


(Heiterkeit)


Das ist allerdings durch zahlreiche Fundstellen in der Li-
teratur eindeutig widerlegt: Im Protokoll des Deutschen
Bundestages taucht er zum ersten Mal am 25. April 1980
auf, interessanterweise angesprochen von einem Vertre-
ter der Bundesregierung. Seine bisher denkwürdigste
Leistung ist die Formulierung des sogenannten
Mierscheid’schen Gesetzes über den Zusammenhang
von deutscher Rohstahlproduktion und Wahlergebnis-
sen der SPD bei Bundestagswahlen;


(Heiterkeit)


davon werden wir in den kommenden Monaten vermut-
lich noch mehrfach zu hören bekommen.


(Heiterkeit und Beifall)


Ich hoffe sehr, dass uns der Kollege Mierscheid auch in
der nächsten Legislaturperiode erhalten bleibt.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hoffen wir alle!)


Die naheliegende Aufgabe, die konstituierende Sitzung
als Alterspräsident zu eröffnen, würde allerdings voraus-
setzen, dass er persönlich anwesend ist.


(Heiterkeit und Beifall)


Wir kommen nun zur Tagesordnung und haben zu-
nächst einen Geschäftsordnungsantrag zu behandeln.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat beantragt, die
zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Siebenten
Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes – das
ist der Tagesordnungspunkt 36 – von der heutigen Tages-
ordnung abzusetzen. Wird dazu das Wort gewünscht? –
Kollege Beck.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Da wäre der Mierscheid auch besser! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722600100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich soll

Ihnen allen freundliche Grüße vom Abgeordneten
Mierscheid überbringen. Seine Auffassung zum Leis-
tungsschutzrecht wird im Geleitwort zur nächsten Aus-
gabe der Zeitschrift des Taubenzüchterverbands nachzu-
lesen sein – sozusagen als persönliche Erklärung.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ha, ha, ha!)


Nun zum Ernst der Sache: Wir beantragen die Abset-
zung der Debatte über das Leistungsschutzrecht von der
Tagesordnung, und zwar aus drei Gründen: Zunächst
einmal sind verfassungs- und europarechtliche Fragen
nicht geklärt. Zweitens ist im Wesentlichen unklar, was
durch den Gesetzentwurf der Koalition in der durch den
Ausschuss geänderten Fassung nun eigentlich bewirkt
werden soll; das gestehen die Autoren auch ein. Zum
Dritten gab es bei der Beschlussfassung im federführen-
den Ausschuss, im Rechtsausschuss, Verfahrensfehler,
durch die die Minderheitenrechte der Opposition verletzt
wurden.


(Oliver Luksic [FDP]: Welche denn?)






Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)


Mich erinnert der ganze Vorgang daran, wie Sie da-
mals im Umweltausschuss den Wiedereinstieg in die
Atomkraft unter Verletzung der Oppositionsrechte
durchgepeitscht haben. Erinnern Sie sich daran? Auf so
etwas ruht kein Segen. Ihr Gesetz hatte am Ende des Ta-
ges keinen Bestand. Es ist also kein gutes Omen, so mit
der Geschäftsordnung und der Opposition umzugehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Nun im Einzelnen:

Der Ausschussvorsitzende, Siegfried Kauder, hat
noch in der letzten Woche über dieses Gesetzesvorhaben
gesagt, es sei ein rechtspolitischer Eiertanz. Außerdem
bemängelte der Rechtsexperte, so schreibt Spiegel
Online, dass die Regierung den Gesetzentwurf nicht in
Brüssel vorgelegt hat, damit andere EU-Staaten ihn
kommentieren, und es sei dringend notwendig, dass Ver-
fassungsrechtler einmal darüberschauten. Das sehen wir
auch so. Deshalb haben wir eine Anhörung im Aus-
schuss beantragt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Sie haben im Ausschuss beantragt, sogenannte Snip-
pets jetzt nicht mehr in die Regelung aufzunehmen, al-
lerdings mit einer Formulierung, bei der keiner weiß,
was sie bedeutet. Dort steht: Einzelne Wörter und Text-
ausschnitte dürfen auftauchen. – Wie viele einzelne
Wörter? „Ab wann ist kurz schon lang?“, fragen sich die
Leute, und die Koalitionsabgeordneten stehen ganz offen
dazu. Herr Krings sagt: Die Nachricht darf erkennbar
sein, der Kontext nicht. Wir überlassen es aber den Ver-
lagen und den Konzernen, zu entscheiden, wann das der
Fall ist.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das ist doch eine inhaltliche Debatte! Zur Geschäftsordnung!)


Herr Thomae sagt: So what? Dafür, dass man das vor
Gericht ausficht, ist der Rechtsstaat da. – Das heißt doch,
Sie schicken die Unternehmen, sowohl die Presseverlage
als auch die Suchmaschinenbetreiber und Content-An-
bieter, vor die Gerichte. Das können sich aber nur die
Unternehmen leisten, die eine große Rechtsabteilung ha-
ben und es aushalten, auf diese Rechtsfrage erst in fünf
Jahren eine Antwort vom BGH und dann die Rechnung
darüber zu bekommen, wie viel sie an wen zahlen müs-
sen. Damit führen Sie eine Marktbereinigung zugunsten
von Google durch; denn kein anderes Internetunterneh-
men wird sich diesen Spaß leisten können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ihre eigene Netz-Arbeitsgruppe bescheinigt Ihnen,
die Regelung zur Verwendung von Snippets biete weiter-
hin einen zu großen Interpretationsspielraum.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Geht es hier zur Geschäftsordnung oder zur Sache? – Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja, es geht um die Geschäftsordnung!)


– Ja, ich habe drei Gründe genannt:


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Nein, Sie reden zur Sache und nicht zur Geschäftsordnung!)


erstens verfassungsrechtlich nicht klar, zweitens recht-
lich unbestimmt und drittens – dazu komme ich jetzt –
Bruch der Oppositionsrechte.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Wir führen hier jetzt keine Sachdebatte! Es reicht jetzt!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722600200

Aber Herr Kollege Beck, erstens dass und zweitens

warum Sie das gerne absetzen möchten, hat jetzt ja jeder
verstanden. Es würde der Beschleunigung unseres Ver-
fahrens sehr dienen, wenn Sie jetzt zum Schluss kämen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722600300

Herr Präsident, ich werde mich bemühen, jetzt zur en-

geren geschäftsordnungsrechtlichen Frage zu kommen.

Grundlage für die Frage, wann ein Oppositionsrecht
auf Anhörung im Ausschuss gegeben ist, ist eine Ent-
scheidung des Geschäftsordnungsausschusses vom
7. November 1985: Wenn nichts Wesentliches geändert
würde, ist das Anhörungsrecht verwirkt. Wenn ein neuer
Tatbestand hinzutritt, ist das Recht insoweit nicht ver-
braucht. Wenn unklar ist, ob das der Fall ist, muss der
Ausschuss über diese Frage einen gesonderten Beschluss
fassen. – Das ist in diesem Fall nicht erfolgt.

Ich will Ihnen sagen: Der Änderungsantrag, den Sie
im Ausschuss gestellt haben, führt zu einer wesentlichen
Änderung des Gesetzes, und damit liegt heute ein Aliud
auf dem Tisch.


(Zuruf von der CDU/CSU: Oberlehrer!)


Herr Grosse-Brömer, Sie schütteln den Kopf. Ich kann
Ihnen das anhand Ihrer eigenen Dokumente nachweisen.

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es – –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722600400

Nein, Herr Kollege Beck. Dazu haben Sie jetzt ers-

tens keine Zeit mehr, und zweitens bin ich sehr zuver-
sichtlich, dass mehrere Redner in der folgenden Debatte
aus dem Gesetzentwurf auskömmlich zitieren werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722600500

Herr Präsident, wenn ich noch vier Sätze sagen

dürfte!


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722600600

Nein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722600700

In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es, es

werde das BGH-Urteil „Metall auf Metall“ vom 22. No-
vember 2008 in Anspruch genommen;


(Unruhe bei der CDU/CSU und der FDP)


in der Begründung zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses heißt es, genau dieses Urteil solle keine An-
wendung finden. Wenn das kein Aliud ist, weiß ich es
nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722600800

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege

Grosse-Brömer das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Michael Grosse-Brömer (CDU):
Rede ID: ID1722600900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Absetzungsantrag der Grünen kann kei-
nen Erfolg haben, weil er in keinem der drei genannten
Punkte überzeugend ist. Ich weise darauf hin, dass die
Frage, inwieweit Urheberrechte auch in Abgrenzung zu
Informationsfreiheitsrechten gesetzlich geregelt wer-
den, Gegenstand wichtiger sachpolitischer Entscheidun-
gen ist.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sind wesentliche Änderungen!)


Was ich sehr bedauere, ist, dass man nach intensiven
Beratungen im Rechtsausschuss, nach Anhörungen, die
im Übrigen genau diese Punkte, die Herr Beck schon an-
gesprochen hat, auch umfasst haben,


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zur Anhörung lag doch der neue Entwurf noch gar nicht vor!)


nicht bereit ist, demokratische Diskussionsprozesse und
Mehrheiten anzuerkennen, sondern permanent versucht,
hier durch Filibustern, durch Geschäftsordnungsanträge
normale, demokratisch mehrheitlich gefasste Entschei-
dungen infrage zu stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich will kurz darauf hinweisen, dass der Rechtsaus-
schuss am 30. Januar eine öffentliche Anhörung durch-
geführt hat –


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das war vorher! Man kann Anhörungen nur zu vorhandenen Gesetzesvorlagen machen!)


im Übrigen auch zu europarechtlichen Fragen, zu verfas-
sungsrechtlichen Fragen. Ich weise darauf hin, dass eine
Anhörung im Unterausschuss „Neue Medien“ des Aus-
schusses für Kultur und Medien stattgefunden hat. Da
wurden noch technische Fragen behandelt.


(Brigitte Zypries [SPD]: Aber zu einem anderen Gesetz! – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der Gesetzentwurf war anders!)


Infolgedessen kann ich Ihnen eines sagen: Es ist ausführ-
lich auch zu dem gesamten Gesetzentwurf Stellung ge-
nommen worden.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das müssen Sie jetzt sagen! – Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es hat keine gravierenden Änderungen an diesem Ge-
setzentwurf gegeben. Das ist alles umfangreich disku-
tiert worden.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das behaupten Sie! – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Entwurf ist konträr zu dem bisherigen!)


Es besteht auch in rechtlicher Hinsicht keinerlei An-
lass, darüber nachzudenken, dass hier eine Änderung er-
folgt wäre, die Minderheitsrechte beeinflusst. Ganz im
Gegenteil! Ihren Ansprüchen, Ihren Minderheitsrechten
ist sehr umfänglich Rechnung getragen worden, und es
wäre schön, wenn Sie einfach dem Weg der demokrati-
schen Auseinandersetzung und nicht permanent dem der
Geschäftsordnungsdebatte und -auseinandersetzung fol-
gen würden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Gesetzentwurf ist in dieser Woche neu vorgelegt worden! – Brigitte Zypries [SPD]: Das war völlig am Thema vorbei!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722601000

Thomas Oppermann ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Thomas Oppermann (SPD):
Rede ID: ID1722601100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß

nicht, ob wir gegen die Geschäftsordnung verstoßen,
wenn wir heute eine Entscheidung über dieses Gesetz
treffen. Aber ich bin absolut davon überzeugt, dass es
nicht vernünftig wäre, ein so weitreichendes Gesetz,


(Zuruf von Bündnis 90/Die Grünen: Genau!)


das auf der einen Seite den grundsätzlich legitimen und
berechtigten Anspruch der Verleger betrifft, eine Vergü-
tung für publizistische Leistungen zu bekommen,


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Zur Geschäftsordnung bitte!)


und das auf der anderen Seite den Informationsanspruch,
die Informationsfreiheit, die nach dem Grundgesetz ge-
schützt wird, betrifft, heute zu verabschieden.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sie können doch zur Sache reden! – Gegenruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Mein Gott, seid ihr Thomas Oppermann nervös! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Das müssen Sie dem Steinbrück sagen, nicht uns!)





(A) (C)


(D)(B)


Denn dieses weitreichende Gesetz ist in letzter Minute
gravierend geändert worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])


In einer solchen Situation wäre es besser, noch einmal
eine Anhörung zu machen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Noch eine?)


Wir bieten Ihnen an: Wir führen in der nächsten Woche
eine Anhörung durch und entscheiden in der übernächs-
ten Woche über dieses Gesetz. – Ich glaube, das Gesetz
wird dann besser.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Denn hier sind in letzter Minute Begriffe in das Gesetz
gekommen, die überhaupt niemand definieren kann.
Dieses Gesetz ist ein verunglücktes Gesetz. Es ist ein
Arbeitsbeschaffungsprogramm für Rechtsanwälte, und
das dürfen wir als Bundestag nicht beschließen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Gehen Sie noch einmal in sich! Jakob Mierscheid
kann heute nicht da sein. Aber eines kann ich Ihnen sa-
gen: Einem solchen Verfahren hätte Jakob Mierscheid
niemals zugestimmt, und schon gar nicht an seinem
80. Geburtstag.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722601200

Der Kollege van Essen hat nun für die FDP-Fraktion

das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1722601300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im

Gegensatz zu all meinen Vorrednern war ich bei allen
Beratungen dabei, nämlich sowohl im Rechtsausschuss
als auch im Geschäftsordnungsausschuss als auch im
Ältestenrat.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das schützt aber nicht! – Ulrich Kelber [SPD]: Sie waren das also!)


Wenn man diese Beratungen mitgemacht hat, dann
kommt man ganz schnell zu einer Feststellung: Es gibt
keinen Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Punkt!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben einen neuen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen!)


Ich kann das, wie ich finde, ganz schnell und auch
überzeugend begründen. Es gibt eine Auslegungsent-
scheidung – sie ist hier vom Kollegen Beck schon zitiert
worden –, die besagt: Das Minderheitenrecht der Oppo-
sition auf Beantragung einer erneuten Anhörung ist dann
verwirkt, wenn es keine wesentliche Änderung der ur-
sprünglichen Vorlage gibt.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt aber wesentliche Änderungen!)


– Die gibt es nicht,


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das glauben Sie!)


und zwar deshalb nicht, weil alles das, was geändert
worden ist – dass geändert werden kann, ist ganz selbst-
verständlich; deswegen macht man ja Anhörungen; man
will wissen, ob man gegebenenfalls noch was ändern
muss –,


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Gegenstand der vorherigen Anhörungen war.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das stimmt nicht!)


Beispielsweise ist das, was hier angesprochen worden
ist – die Schnipsel, die Snippets –, von zwei Sach-
verständigen, die von der Opposition benannt worden
waren, ausdrücklich in die Beratungen eingeführt wor-
den. Von daher hat es keine Änderung zu irgendeinem
Gegenstand gegeben, der nicht auch in der Anhörung be-
sprochen werden konnte. Deshalb gibt es keinen Verstoß
gegen die Geschäftsordnung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben gestern versucht, im Geschäftsordnungs-
ausschuss eine Beschlussfassung herbeizuführen. Wir
haben dort festgestellt, dass in dieser Auslegungsent-
scheidung klar festgelegt worden ist, dass die Sachent-
scheidung der Fachausschuss zu treffen hat, und die hat
er am Mittwoch getroffen.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Herr Beck, Sie waren doch gar nicht dabei, als wir im
Rechtsausschuss darüber diskutiert haben.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, klar war ich dabei!)


– Herr Montag, Sie waren dabei. Ich habe gesagt: Herr
Beck war nicht dabei. – Sie, Herr Montag, ja.





Jörg van Essen


(A) (C)



(D)(B)



(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Herr Montag hat mir alles erzählt!)


Im Gegensatz zu dem von mir gerade angesprochenen
Kollegen Beck sind Sie ja ein hervorragender Jurist und
auch quer durch alle Fraktionen sehr geschätzt.


(Lachen und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Deshalb, lieber Herr Kollege Montag, hätten Sie mich
schwer enttäuscht, wenn Sie nicht auf die Minderheiten-
rechte hingewiesen hätten. Das haben Sie natürlich, und
Sie haben es auch begründet, wie immer übrigens – das
darf ich Ihnen durchaus zugestehen – in einer nachvoll-
ziehbaren und auch mich nachdenklich machenden
Weise.

Aber ich sage, dass wir Ihre Argumente klar widerlegt
haben. Ich weise noch einmal darauf hin: Sachverstän-
dige haben beispielsweise die Snippets, um die es beson-
ders ging, in die Anhörung mit eingeführt. Von daher ist
der Geschäftsordnung also Genüge getan worden. Der
Fachausschuss hat entschieden. Der Fachausschuss hat
sich mit der Frage, ob das Minderheitenrecht verwirkt ist
oder nicht, befasst. Von daher sollten wir auch so
entscheiden, dass wir heute in der Sache abstimmen
können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722601400

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin

Enkelmann das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722601500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Herr

Kollege van Essen, es geht um nicht mehr und nicht we-
niger als um die Rechte von Minderheiten in diesem Par-
lament. Darüber reden wir hier auch in dieser Debatte.
Diese Rechte haben Sie, meine Damen und Herren der
Koalition, mit Füßen getreten.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


Denn Sie haben kraft Ihrer Wassersuppe, quasi kraft
Ihrer Mehrheit im Rechtsausschuss, entschieden: Es gibt
keine zweite Anhörung, basta – howgh, wir haben ge-
sprochen.


(Manuel Höferlin [FDP]: Es gibt auch keine dritte Anhörung! – Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben bestimmte Regeln!)


Dabei ist schon klar: Es gab eine Anhörung. Es gab
nach dieser Anhörung einen Änderungsantrag. Was strit-
tig ist, ist die Frage: Geht es tatsächlich um gravierende
Änderungen im Gesetz?


(Zustimmung der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Viele Sachverständige, die Opposition, viele in der Öf-
fentlichkeit sagen: Ja, das sind gravierende Änderungen
im Gesetz.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Sie als Koalition behaupten: Wir sehen keine gravieren-
den Änderungen.

Genau darum wäre es aber in einer zweiten Anhörung
gegangen. Dort hätte man die Auswirkungen dieser Ver-
änderungen genau geprüft hinsichtlich ihrer Verfas-
sungsmäßigkeit, möglicherweise aber auch hinsichtlich
ihrer Praktikabilität. Das wäre Gegenstand einer zweiten
Anhörung gewesen. Dieser ernsthaften Prüfung haben
Sie sich verweigert. Das nehmen wir nicht hin.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es entstand sowieso schon vorher der Eindruck, dass
Sie dieses umstrittene Gesetz möglichst schnell von der
Tagesordnung haben wollen. Ursprünglich war geplant,
von der Opposition Fristverzicht zu erbitten.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Dem haben wir nicht zugestimmt. Deswegen steht das
heute auf der Tagesordnung.

Ich denke, Sie sind sich selbst nicht sicher, ob dieses
Gesetz für die Zukunft überhaupt Bestand haben wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das können wir in der Sache besprechen!)


Nun behaupten Sie also, das alles sei in der Anhörung
bereits besprochen worden; Weiteres sei nicht notwen-
dig. Eigentlich ist mit dem Änderungsantrag aber genau
das Gegenteil erreicht worden. Es bleibt Rechtsunsicher-
heit. Sollen denn künftig wirklich Gerichte darüber
entscheiden, wie viele Zeichen – ich zitiere einmal –
„einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ sind,
wann also Snippets tatsächlich lizenzfrei sind? Das ist
doch absurd. Ich bitte Sie!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Gesetz bleibt die Blockade von Innovationen.
Neue Informationsdienstleister werden kaum eine
Chance haben, in Verhandlungen um Lizenzverträge ge-
gen große Medienkonzerne zu bestehen. Innovation wird
also künftig so nicht mehr stattfinden, wird von Ihnen
verhindert.

Es bleibt eine klare Benachteiligung von Journalistin-
nen und Journalisten.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Zur Geschäftsordnung!)






Dr. Dagmar Enkelmann


(A) (C)



(D)(B)


– Ich weiß, dass Ihnen das nicht passt. Das kann ich mir
vorstellen.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Sie missbrauchen gerade Ihr Minderheitenrecht! Sie reden nicht zur Geschäftsordnung, sondern zur Sache!)


Das heißt, künftig werden Verlage das Recht am Produkt
haben, das eigentlich den Produzenten, also den Journa-
listinnen und Journalisten, zusteht.

Lieber Kollege Lindner, all das hätten wir in einer
zweiten Anhörung mit Sachverständigen klären können.


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Fünf hätten nicht für Sie gereicht!)


So gehen Sie mit Sachverständigen um! Das ist typisch.
Das betrifft nicht nur dieses Gesetz.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Kollege Grosse-Brömer, es geht hier nicht um
Filibustern,


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Doch!)


sondern es geht um eine seriöse Gesetzgebungsarbeit.
Dieser seriösen Arbeit haben Sie sich verweigert.


(Beifall bei der LINKEN)


Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Arroganz
der Macht. Eines verspreche ich Ihnen aber: Das wird
Sie sehr schnell wieder einholen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722601600

Wir kommen zur Abstimmung über den Geschäfts-

ordnungsantrag.

Wer stimmt für die beantragte Absetzung des Tages-
ordnungspunktes 36? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Damit ist der Geschäftsordnungsantrag
abgelehnt.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 36 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Sieben-
ten Gesetzes zur Änderung des Urheberrechts-
gesetzes

– Drucksache 17/11470 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)


– Drucksache 17/12534 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Geis
Ansgar Heveling
Burkhard Lischka
Stephan Thomae
Halina Wawzyniak
Jerzy Montag

Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion
der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor.

Ich mache darauf aufmerksam, dass wir über diesen
Gesetzentwurf später namentlich abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu kei-
nen Widerspruch.

Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort
dem Kollegen Stephan Thomae für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Stephan Thomae (FDP):
Rede ID: ID1722601700

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Nach rund dreijähriger Beratungszeit
schließt die Koalition heute ein sehr strittiges Gesetzes-
vorhaben ab, nämlich das Leistungsschutzrecht für Pres-
severlage. Das ist ein technisch und rechtlich ausgespro-
chen anspruchsvolles Gesetzesvorhaben, das auch viel
Widerspruch ausgelöst hat, wie wir gerade in der GO-
Debatte festgestellt haben.

Dieser Widerspruch basierte und basiert im Wesentli-
chen auf Befürchtungen wie zum Beispiel die, dass die
Suche nach Zeitungsartikeln im Internet nicht mehr wie
gewohnt kostenlos möglich sein werde, dass Suchma-
schinen ihren Dienst einstellen müssten oder dass – um
es einmal zuzuspitzen – das gesamte Internet nicht mehr
so funktioniere, wie wir es gewohnt sind.

Nun muss man etwas klarstellen. Leistungsschutz-
rechte sind dem Urheberrecht nicht unbekannt. Es gibt
sie auch für Fotografen und ausübende Künstler, für
Tonträgerhersteller und Sendeunternehmen, für Daten-
bankhersteller und für Filmproduzenten, also für die
Werkvermittler von geistigen Schöpfungen, hinter denen
ein Urheber steht und wo ein Werkvermittler bereitsteht,
um das Werk zu verbreiten. Es ist also ein Investitions-
schutzrecht. Für Presseerzeugnisse, also für Vermittler
journalistischer Werke, gibt es so etwas bislang nicht.
Wir haben beschlossen, dies einzuführen.

Vor zweieinhalb, drei Jahren kursierten erste Ent-
würfe, die nicht aus den Reihen des Parlaments oder der
Regierung stammten, die eine breite Ablehnung, vor al-
lem im Netz, hervorgerufen haben. Wie es manchmal so
ist, hat sich diese erste Ablehnung verfestigt, obwohl die
ersten Entwürfe mit dem heute vorliegenden Gesetzent-
wurf kaum mehr etwas zu tun haben; denn es gibt drei
ganz wesentliche Unterschiede zu dem ursprünglichen
Entwurf.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also doch wesentliche Unterschiede!)


Zum Ersten sieht der heute zu beschließende Gesetz-
entwurf nicht gesetzlich zwingend Verwertungsgesell-
schaften vor. Zum Zweiten sieht er nicht vor, dass ge-
setzliche Vergütungsansprüche entstehen. Es ist ein
reiner Unterlassungsanspruch. Zum Dritten – jetzt
kommt ein wichtiger neuer Punkt; das ist Ausfluss der
öffentlichen Anhörungen im Rechtsausschuss und im





Stephan Thomae


(A) (C)



(D)(B)


Unterausschuss „Neue Medien“ – sind es die sogenann-
ten Snippets. Dem liegt der Gedanke zweier BGH-Ent-
scheidungen zur Bildersuche zugrunde. Worum geht es?
Wenn ich in einer Suchmaschine nach Bildern suche,
dann erscheint als Treffer, als Ergebnis meiner Suchan-
frage ein verkleinertes Abbild des gesuchten Bildes.
Dazu sagt der BGH in seinen Entscheidungen: Wie soll
eine Suchmaschine einen Treffer anders darstellen als
durch eine verkleinerte Wiedergabe des Bildes? – Es
gibt, glaube ich, eine Zwischenfrage.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722601800

Der Kollege Montag möchte, soll und darf eine Zwi-

schenfrage stellen. Bitte schön.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722601900

Danke, Herr Präsident. – Lieber Herr Kollege

Thomae, da Sie jetzt in Ihrer Rede auf die Interpretation
von BGH-Entscheidungen eingehen, möchte ich Sie zu-
nächst etwas Grundsätzliches fragen. Sie haben gerade
dargestellt, dass es Leistungsschutzrechte im Urheber-
recht gibt. Das ist evident richtig. Das neue Leistungs-
schutzrecht soll, wenn man den Gesetzeswortlaut und
die Begründung zusammennimmt, die Leistung der Ver-
leger schützen. Das kann ich auch nachvollziehen. Die
Verlage erbringen eine Leistung.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Die Urheber!)


– Nein, die Verlage erbringen eine Leistung. – Man kann
sich sehr wohl überlegen, ob man sie schützen soll oder
nicht.

Der Gesetzentwurf in der Fassung, die Sie jetzt vorge-
legt haben, erklärt, dass jeder Mann und jede Frau – je-
der! – die Leistung von Verlagen öffentlich zugänglich
machen kann. Es ist für alle erlaubt.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!)


Nur eine Gruppe nehmen Sie aus, nämlich die Suchma-
schinenbetreiber. Dazu haben Sie noch gar nichts gesagt.
Mich interessiert: Warum gerade nur die Suchmaschi-
nenbetreiber?

Hier wird Ihr Änderungsantrag evident. In der ersten
Fassung des Gesetzentwurfes war es klar; Sie wollten
auf die Snippets und das Internet abstellen. Jetzt behaup-
ten Sie, Sie wollten dies gar nicht.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Warum nehmen Sie dann die Suchmaschinenbetreiber
als Einzige völlig willkürlich aus der Schar von allen,
die veröffentlichen könnten, heraus und machen sie
lizenzpflichtig?


Stephan Thomae (FDP):
Rede ID: ID1722602000

Lassen Sie mich klarstellen, dass es nicht einfach nur

um Suchmaschinenbetreiber geht. Es geht auch um
Dienste, die dazu übergehen, eine Sammlung von jour-
nalistischen Texten anzulegen – Newsaggregatoren,
Harvester –, die zum Beispiel einen Überblick über
das gesamte journalistische Erscheinungsbild eines be-

stimmten Tages verschaffen. Wenn ich ein aktuelles Er-
eignis oder ein bestimmtes Thema recherchieren will,
kann ich mir über solche Newsaggregatoren und Harves-
ter-Suchmachinen eine Liste von aktuellen Meldungen
anzeigen lassen, die die Lektüre einzelner Artikel über-
flüssig macht, weil ich ein Gesamtbild über die Publika-
tionen erhalte. Das ist in der Qualität schon etwas ande-
res, als wenn ich als Privatperson einen bestimmten
Artikel wiedergebe, zum Beispiel zu ihm verlinke, was
immer zulässig ist, oder ihn zitiere, was auch zulässig
ist. So stellt die Trefferliste, die systematische Samm-
lung, die eine Suchanfrage in einer Suchmaschine, in ei-
nem Newsaggregator und in Harvestern auslöst, in der
Qualität etwas anderes dar als die private Wiedergabe ei-
nes Artikels, in dem zum Beispiel Sie oder ich zitiert
werden und den wir vielleicht aus persönlichen Gründen
bei uns veröffentlichen oder auf den wir verlinken. Dies
ist also in der Tat etwas anderes, nämlich etwas, was die
journalistische und verlegerische Tätigkeit ganz anders
betrifft als einzelne sozusagen private Veröffentlichun-
gen etwa im Rahmen einer privaten oder Firmenhome-
page.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht verständlich! – Thomas Oppermann [SPD]: Können Sie das noch mal erklären?)


Lassen Sie mich fortfahren. Ich habe die beiden
Entscheidungen des BGH zur Bildersuche zitiert und
deutlich gemacht, dass ein verkleinertes Abbild den
Treffer nach einer Bildersuchanfrage wiedergibt, also
eine Miniatur des Bildes. Da sagt der BGH: Wer ein Bild
ins Internet einstellt, der ist doch offensichtlich damit
einverstanden, dass es auch gefunden wird. Warum soll
er es sonst ins Netz einstellen?

Nun ist unsere Frage: Wie übertragen wir das auf
journalistische Texte, auf Erzeugnisse von Pressever-
lagen? Auch da muss es doch im Ergebnis möglich sein,
eine verkleinerte Wiedergabe des Presseartikels, also
eine Miniatur, abzubilden, und das sind die sogenannten
Textausschnitte, Textausrisse, auch Schnipsel oder Snip-
pets genannt.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wieder eine historische Rede im Bundestag! Er redet von „Schnipseln“, und keiner versteht das!)


Ein solcher Snippet kann ganz unterschiedlich lang sein.
Es kann kurze und lange Schnipsel geben.

Wir sagen nun: Die Wiedergabe von kleinen Textaus-
schnitten, die einfach nur notwendig sind, um das Such-
ergebnis zu beschreiben, es in einen Kontext zu stellen,
soll erlaubt, soll frei sein. Denn wie will man denn eine
Suchanfrage, ein Suchergebnis, einen Presseartikel an-
ders darstellen als durch eine kleine Wiedergabe des
Textes? Ein Beispiel: Wenn ich „Golf“ eingebe, erhalte
ich Treffer zu einer Meeresströmung, zu einem Fahr-
zeugtyp und zu einer Sportart. Damit also der Suchende
erkennt: „Habe ich jetzt etwas gefunden, was in diesen
Kontext passt?“, muss man ein bisschen dazuliefern. Das





Stephan Thomae


(A) (C)



(D)(B)


sind diese kleinsten Textausschnitte oder einzelne Wör-
ter. Sie sind vom Schutzumfang ausgenommen.

Wir tragen mit der Änderung des ursprünglichen Ge-
setzes dazu bei, die wesentlichen Lotsenfunktionen der
Suchmaschinen im Internet zu erhalten, sodass wir am
Ende, so meine ich – damit bin ich leider schon am Ende
meiner Redezeit angelangt –, einen Entwurf eines ausge-
wogenen, ausbalancierten Gesetzes vorlegen, das auf der
einen Seite die Erzeugnisse von Presseverlagen schützen
und auf der anderen Seite wichtige Funktionen des Inter-
nets erhalten wird. Deswegen meine ich, dass diesem
Gesetzentwurf beruhigt zugestimmt werden kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722602100

Das Wort erhält nun die Kollegin Zypries für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1722602200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wenn es

nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es
notwendig, kein Gesetz zu machen.“


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diesen Satz von Montesquieu kennen Sie alle. Da außer
der Regierungskoalition und dem BDZV niemand meint,
dass es eines solchen Gesetzes bedürfte, wäre es am bes-
ten gewesen, Sie hätten es gelassen. Aber wenn man
schon ein Gesetz macht, dann muss es doch zumindest
dem Gebot der Normenklarheit entsprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie wissen: Normenbestimmtheit und Normenklar-
heit – das sind die Grundsätze, die das Bundesverfas-
sungsgericht von den deutschen Gesetzen verlangt; denn
wir wollen schließlich, dass die Bürgerinnen und Bürger
in der Lage sind, die Gesetze auch zu verstehen. Aber
diesen Anforderungen werden Sie mit diesem Gesetz-
entwurf nicht gerecht. Daran ändert auch nichts, dass Sie
den Entwurf des Gesetzes vor drei Tagen aufgrund der
massiven Proteste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft
und der Netzgemeinde noch einmal geändert haben.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und zwar ziemlich stark geändert!)


– Dadurch ist er aber nicht besser geworden, Frau Kolle-
gin Rößner.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber gänzlich anders!)


Im Gegenteil, jetzt ist klar: Die Urheber, also die Journa-
listen, die ihre geistigen Produkte an die Verleger zur
Veröffentlichung geben, werden nicht geschützt.
Deshalb haben gestern auch die Freischreiber und der

Deutsche Journalistenverband in einer Pressemitteilung
klar erklärt, dass sie dieses Gesetz ablehnen. Sie wissen,
meine Damen und Herren: Gerade den Schutz der Jour-
nalisten, der Urheber, wollten wir immer. Die Union hat
immer behauptet, dass der Schutz durch dieses Gesetz
erzielt würde. Jetzt sagen die Journalisten aber: Von
euch, von eurem Gesetzentwurf, fühlen wir uns nicht
vertreten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Im Gegenteil: Sie fürchten eine eindeutige Verschlechte-
rung. Ich glaube auch, dass durch das Gesetz in der Tat
eine Verschlechterung eintreten wird.

Das wirklich Schwierige ist, dass Sie dieses Leis-
tungsschutzrecht als ein Verbotsrecht ausgestaltet haben.
Herr Kollege Thomae, es ist ja richtig: Die Urheber
können ihre Produkte weiter ins Netz einstellen. Das
Problem ist nur: Suchmaschinen dürfen nicht auf sie ver-
linken; Suchmaschinen dürfen die Produkte nicht mehr
zugänglich machen, wenn keine Lizenz erteilt wurde.
Das heißt konkret: Jeder gewerbliche Anbieter in
Deutschland, der seine Produkte auffinden lassen und
zur Verwertung bringen möchte – das gilt dann auch für
viele kleine Anbieter und nicht nur für die großen Tages-
zeitungen –, muss Lizenzverträge abschließen, wenn er
denn über Suchmaschinen im World Wide Web gefun-
den werden will. Wenn ich das richtig sehe, gilt das
wegen des EU-Vertrags und wegen einer fehlenden
Regelung im Gesetz auch für alle Presseverlage der Eu-
ropäischen Union.

Jeder von Ihnen, meine Damen und Herren, der auch
nur ein bisschen vom Internet versteht, weiß, dass das
ein völliges Unding ist. Wie will man heutzutage im
World Wide Web überhaupt noch irgendetwas ohne
Suchmaschinen finden?


(Stephan Thomae [FDP]: Eben!)


Deswegen ist die Verpflichtung für Presseverleger, eine
solche Lizenz abzuschließen, für meine Begriffe ein
komplett unverhältnismäßiger Eingriff in ihre Grund-
rechte.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Sie können das von den Menschen in der Wirtschaft
nicht verlangen.

Darüber hinaus sind im Hinblick auf die Normenklar-
heit zahlreiche andere Punkte zu berücksichtigen:

Es ist völlig unklar, meine Damen und Herren, ab
wann denn jemand Presseverleger ist. Ist man als Betrei-
ber eines Blogs mit periodisch erscheinenden Einträgen
schon Presseverleger? Ist man es ab der dritten Veröf-
fentlichung eines Blogeintrags oder ab der fünften Ver-
öffentlichung?


(Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sie sind jedenfalls Verleger! Die SPD ja!)






Brigitte Zypries


(A) (C)



(D)(B)


Und wenn man ab der fünften Veröffentlichung Presse-
verleger ist, ist man es dann auch rückwirkend bei den
ersten vier?

Was ist denn überhaupt ein Presseerzeugnis? Die
Blogs fallen sicherlich darunter. Aber die Frage, ob die
Webseiten der Bundestagsabgeordneten mit ihren Infor-
mationsangeboten darunterfallen, das konnte in keiner
einzigen Sitzung, an der ich teilgenommen habe, beant-
wortet werden.


(Manuel Höferlin [FDP]: Sie waren doch nie im Rechtsausschuss!)


– Ja. Ich war aber in anderen Ausschüssen, im Aus-
schuss für Kultur und Medien und im Unterausschuss
„Neue Medien“, wo diese Frage, Herr Kollege, auch ein
Thema war und das zuständige Ministerium leider keine
belastbare Antwort geben konnte.


(Ansgar Heveling [CDU/CSU]: Professor Lewandowski hat sich sehr eindeutig geäußert! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Der Rechtsausschuss ist nicht der Nabel der Welt, nur der Wurmfortsatz!)


Durch die Gesetzesänderung, meine Damen und Her-
ren, sind jetzt „einzelne Wörter und kleinste Textaus-
schnitte“ vom Leistungsschutzrecht ausgenommen; da-
rüber sprachen wir eben schon. Zu der Frage, wie es sich
mit Bildern verhält, Herr Thomae, habe ich keine Rege-
lung gefunden. Ich weiß also nicht, ob nach wie vor die
BGH-Rechtsprechung gilt oder Sie das mit diesem Ge-
setz ändern. Vielleicht kann einer der Koalitionsredner
nachher dazu eine Auskunft geben; Herr Dr. Krings, das
wäre freundlich.

Einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte – man
kann darüber rätseln, was das ist. Bei heise online kann
man nachlesen, dass die FDP eine Länge von 160 Zei-
chen festschreiben wollte. Das steht nun aber so nicht im
Gesetzentwurf. Jetzt fragt man sich natürlich: Was
schließen wir daraus? Müssen es weniger als 160 Zei-
chen sein, oder dürfen es eben auch mehr sein?


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich würde sagen: mehr!)


Wie definiert man den Begriff „kleinster Textaus-
schnitt“? Steht die erlaubte Länge jetzt im Verhältnis zur
Länge des gesamten Textes des Beitrags? Hat also ein
Text von zehn Seiten einen anderen kleinsten Text-
ausschnitt als ein Text von einer Seite? Oder reden wir
von einer absoluten Größe? Darf eigentlich „Bayern ge-
gen Dortmund 1 : 0“ – oder „Dortmund gegen Bayern
1 : 0“ – lizenzfrei bleiben oder nicht?


(Thomas Oppermann [SPD]: Ein Wort zu viel: das Ergebnis!)


Was dürfen also Suchmaschinen lizenzfrei anzeigen?

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Dieser Gesetz-
entwurf erfüllt die Ansprüche des Bundesverfassungsge-
richts an die Normenklarheit und des Bestimmtheits-
grundsatzes in keiner Weise. Die Schutzlücke, die, wie
es die Union immer behauptet, geschlossen werden soll,
wird nicht geschlossen. Denn ich garantiere Ihnen: Vor

allem Gerichte werden sich mit dem Leistungsschutz-
recht befassen, bevor auch nur irgendein Verlag Geld für
sein Angebot im Internet bekommt.

Zuvor allerdings, meine Damen und Herren, wird sich
die EU-Kommission noch um dieses Gesetz kümmern.
In der Süddeutschen Zeitung können wir heute schon le-
sen, dass die Kommission beim BMJ angefragt hat, wie
es sich hier eigentlich mit der Notifizierungspflicht ver-
halte.

Seit drei Jahren, meine Damen und Herren, diskutie-
ren wir jetzt das Leistungsschutzrecht. Das, was heute
vorliegt, ist allerdings von dem, was ursprünglich einmal
geplant war, weit entfernt.

Ich glaube nicht, dass das Gesetz dazu dient, die
Verleger im Internetzeitalter zu schützen. Dabei wäre es
notwendig gewesen, die Diskussion darüber zu führen.
In der Tat sind Anstrengungen nötig, um sich damit aus-
einanderzusetzen, wie sich die Zeitungslandschaft in
Deutschland vor allen Dingen durch das Internet verän-
dert. Wir von der SPD haben dazu einen Entschließungs-
antrag vorgelegt. Da können Sie unsere Vorschläge
sehen. Wir glauben, dass das alles besser gewesen wäre
als das, was Sie hier heute präsentieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722602300

Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Günter Krings

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Günter Krings (CDU):
Rede ID: ID1722602400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wie schwach die Argumente der Opposition in
der Sache waren und sind, haben wir eben schon in der
Geschäftsordnungsdebatte erlebt. Sie wollen der Diskus-
sion ausweichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben sich diese Diskussion nicht zugetraut: Sie
wollten den Punkt absetzen, wir wollen in der Sache
debattieren – im Interesse aller, die hier oder an den
Fernsehgeräten zuschauen und wissen wollen, wie die
Sachargumente sind und wie der Bundestag abstimmt.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb wäre eine Anhörung noch einmal wichtig gewesen! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist dreist! – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Verschiebung um eine Sitzungswoche!)


Sie wollen sich der Diskussion nicht stellen und wollten
deshalb den Tageordnungspunkt absetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Mit dem heute zu beschließenden Leistungsschutz-
recht für Presseverlage geht es nicht um mehr, aber auch
nicht um weniger als die Schließung einer Lücke im Ur-





Dr. Günter Krings


(A) (C)



(D)(B)


heberrecht. Die Grundprinzipien dieses Urheberrechts
sind ganz einfach. Das können durchaus auch einige von
Ihnen verstehen. Es geht darum: Der Urheber hat ein
Urheberrecht, der Leistungsschutzinhaber – der Werk-
mittler –, der zwischen dem Urheber und dem Nutzer
steht, hat ein Leistungsschutzrecht. Diese Leistungs-
schutzrechte gibt es seit Jahrzehnten im Urheberrecht für
Hersteller von Tonträgern, Rundfunksendeunterneh-
men, Filmhersteller, Schauspieler und viele andere.

Dieses Leistungsschutzrecht ist jedenfalls immer
dann notwendig, wenn der Werkmittler nicht mehr die
Herrschaft über den Vertriebsweg hat. Zu der Zeit, als
Zeitungen noch rein in Printform erschienen, war das
nicht notwendig. Da war der Vertriebsweg in der Herr-
schaft des Verlegers. Heute ist das eben nicht mehr so.
Zeitungen werden – das werden Sie vielleicht wissen –
auch online gelesen. Deswegen ist die Notwendigkeit ei-
nes Leistungsschutzrechts offensichtlich begründet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wer es für falsch hält, dass Presseverlage – wie es bis-
her ist – ihre Inhalte im Netz verschenken müssen, und
wer es – wie wir – als fair ansieht, dass sie nicht nur am
Kiosk, sondern auch im Netz ihre Inhalte verkaufen dür-
fen, der muss diesem Gesetz zustimmen.

Manche Attacke aus der Opposition gegen die Idee
des Leistungsschutzrechts – das war es nämlich: Sie
haben letztlich maßgeblich immer gegen die Idee des
Leistungsschutzrechts als solches argumentiert –


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht wahr! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist eine Unterstellung!)


hat wirklich viele, auch Kulturschaffende, in Deutsch-
land zutiefst verunsichert.

Sie sollten jetzt endlich einmal diese Debatte heute
zum Anlass nehmen und hier deutlich machen, dass Sie
sich – jedenfalls grundsätzlich – zur Idee des Leistungs-
schutzrechts bekennen. Sie werden das wahrscheinlich
nicht tun, und ich sage Ihnen auch, warum nicht. Wer
sich grundsätzlich zur Idee des Leistungsschutzrechts in
den anderen Bereichen bekennt, hat kein ernsthaftes Ar-
gument mehr, genau dieses Leistungsschutzrecht nicht
anzuerkennen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Oder ist Ihr Problem vielleicht, dass es sich bei die-
sem Leistungsschutzrecht speziell um ein Leistungs-
schutzrecht handelt, das sich auf das Internet bezieht? –
Dann sagen Sie doch offen, dass unsere Rechtsordnung
und ihre gut begründeten Rechtsprinzipien im Internet
aus Ihrer Sicht nicht gelten sollen.

Die christliche-liberale Koalition steht dafür, dass ge-
rade ein freies Internet einen fairen und verbindlichen
Rechtsrahmen braucht. Nur so können die Interessen
von Kreativen, Verlagen, Nutzern und der Internetwirt-
schaft zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden.

Begünstigte des Leistungsschutzrechts für Pressever-
lage sind nicht nur Verlage, sondern auch Journalisten.
Das haben wir so klar in den Entwurf des Gesetzes ge-
schrieben. Aus dem Grunde setze ich – übrigens gemein-
sam mit dem Deutschen Journalistenverband – darauf,
dass sich eine Verwertungsgesellschaft dieses Themas
annehmen wird. Nötigenfalls können wir als Gesetzge-
ber hier auch noch einmal Druck machen. Wir wollen,
dass die Arbeitsleistung von Journalisten und Verlagen
angemessen vergütet wird.

Das Internet ist ein hocheffizientes Medium zur Ver-
breitung und Aggregation von Informationen. Mit Such-
maschinen finden wir Inhalte natürlich besonders
schnell. Aber die abgespeicherten und gefundenen In-
halte schreiben sich eben nicht von selbst. Wir wollen,
dass sich Leistung lohnt – auch im journalistischen und
verlegerischen Bereich. Leistung kann sich aber nur loh-
nen, wenn sie einen Preis hat. Einen Preis kann sie nur
bekommen, wenn man ein Recht hat, auf das man sich
berufen kann. Dieses Recht wird in diesem Bereich das
Leistungsschutzrecht sein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Selbst eine Bezahlschranke, die manche Verlage auf-
bauen wollen, ist zurzeit juristisch unwirksam, weil sie
ohne ein Leistungsschutzrecht juristisch nicht durchsetz-
bar ist. Sie verhindern damit Innovation. Sie verhindern
neue Bezahlangebote im Netz, wenn Sie gegen das Leis-
tungsschutzrecht stimmen.

Ein Geschäftsmodell, bei dem ein immer aufwendiger
werdender, kostenloser Onlinebereich quersubventio-
niert wird von einem immer kleiner werdenden Printbe-
reich, stößt an seine Grenzen. Das ist übrigens auch ein
wesentlicher Grund dafür, dass sich das Zeitungssterben
in Deutschland fortsetzt: Frankfurter Rundschau, Finan-
cial Times Deutschland und manche Regionalzeitung.
Das liegt nicht daran, dass die Menschen keine Zeitung
mehr lesen wollen, sondern das liegt daran, dass wir kein
angemessenes Bezahlsystem aufgebaut haben. Das Leis-
tungsschutzrecht allein wird die Pressevielfalt in
Deutschland nicht sicherstellen. Aber es ist ein wichtiger
Beitrag für den Erhalt einer lebendigen Presselandschaft
in unserem Land.

Wir führen die Diskussion schon seit drei Jahren.
Frau Zypries, Sie haben darauf hingewiesen, vielen
Dank für den Hinweis. Es ist zu Recht oft betont wor-
den, dass es nicht Aufgabe des Staates sei, den Kuchen
zwischen Internetwirtschaft und Verlagen aufzuteilen.


(Brigitte Zypries [SPD]: So ist es!)


Aber der Staat hat für faire Wettbewerbsbedingungen zu
sorgen, und darum geht es bei diesem Gesetz.

Aus guten Gründen gibt es in Deutschland für Presse-
und Medienunternehmen ein sehr strenges Medienkon-
zentrationsrecht. Es soll verhindern, dass eine demokra-
tiegefährdende Marktmacht entsteht. Diese Regelung
gilt natürlich nicht für Internetsuchmaschinen, obwohl
es in diesem Bereich einen Marktführer mit 95 Prozent
Marktanteil gibt. Es ist festzustellen, dass Google allein





Dr. Günter Krings


(A) (C)



(D)(B)


in Deutschland Werbeeinnahmen erzielt, deren Höhe das
übersteigt, was alle Zeitungsverlage gemeinsam in der
Onlinewerbung erzielen können.


(Brigitte Zypries [SPD]: Ja!)


Von Anfang an ist es uns wichtig gewesen, dass die-
ses Gesetz nicht für ein bestimmtes einzelnes Unterneh-
men gemacht wird. Es geht auch darum, dass es News-
Aggregatoren gibt – Harvester wurden genannt –, die in
sehr intensiver Weise die Inhalte fremder Webseiten ab-
fischen. Die Inhalte werden dem Nutzer dann als eigenes
Angebot mit eigenem Werbepartner unterbreitet, und so
wird Geld auf Kosten anderer verdient.


(Brigitte Zypries [SPD]: Das ist heute schon verboten!)


Gerade in diesem Bereich ist die Erhebung von Lizenz-
gebühren gerechtfertigt.

Das Gesetz war nie als eine Lex Google gedacht. Bei
der Ausnahme, die wir am Mittwoch im Rechtsaus-
schuss beschlossen haben, geht es nicht darum, dass
Suchmaschinen insgesamt herausfallen. Für mich war es
eine wichtige Klarstellung; denn wir wollten von vorn-
herein ein schlankes Leistungsschutzrecht. Aber zur Be-
ruhigung: Aufgrund der Änderung vom Mittwoch und
der eingefügten Klarstellung unterfallen sogenannte
Schnipselangebote von Suchmaschinen – man kann es
auch auf Deutsch sagen, was sonst als Snippet bezeich-
net wird – dann dem Leistungsschutzrecht, wenn der
Treffer über die Überschrift und einige Wörter hinaus-
geht.

Es ist ein ermutigendes Ergebnis dieses Gesetzge-
bungsverfahrens, dass auch Weltkonzerne des Internets
die deutschen Gesetze beachten müssen, dass sie nicht
über dem Gesetz in Deutschland stehen. Das entspricht
jedenfalls unserer Auffassung, Ihrer offenbar nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Mit dem Leistungsschutzrecht für Presseverlage ha-
ben wir ein sachgerechtes Konzept zur Stützung der
Pressevielfalt und des Qualitätsjournalismus in Deutsch-
land vorgelegt.

Gestatten Sie mir einen kurzen Blick darauf, was die
Opposition vorschlägt. Kurz vor Toresschluss des Ver-
fahrens haben alle Oppositionsfraktionen plötzlich noch
Entschließungsanträge zum Thema Pressevielfalt vorge-
legt. Kurz vor Ende gab es also noch ein wenig Bewe-
gung, das klang auch schon in ein paar Wortmeldungen
an.

Zusammenfassend kann man sagen: Die SPD bewun-
dert das Problem der Presseverlage, macht aber vor-
sichtshalber keinen wirklichen Vorschlag in der Sache.


(Brigitte Zypries [SPD]: Gar nicht wahr!)


Sie fordert lieber die Bundesregierung auf, einen neuen
Gesetzentwurf vorzulegen. Auch die Linke hat eine Idee,
was man machen könnte.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir haben immer gute Ideen!)


Man könnte nicht nur Runde Tische einberufen, sondern
man könnte auch – so las ich in der Presse – staatliche
Subventionen für die Presse einführen. Durch staatliche
Subventionen könnte man letztlich – wenn man das zu
Ende denkt – eine Staatspresse aufbauen. Aus Ihrer Sicht
wurden damit ja ordentliche Erfahrungen gemacht.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Die Grünen fordern zu diesem Thema einen Runden
Tisch, auch das ist ein sehr origineller Vorschlag.

Man kann zusammenfassen: Wir wollen mit dem
Leistungsschutzrecht ein Instrument schaffen, das die
berechtigten Interessen von Verlagen und Journalisten
gegenüber Internetunternehmen schützt. Sie wollen
Runde Tische und Steuergelder für die Presse. Sie pala-
vern, wir handeln. Ich bitte um Zustimmung für unseren
Gesetzentwurf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722602500

Petra Sitte erhält nun das Wort für die Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Petra Sitte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722602600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Medi-

enkonzern Springer ruft, und fast das ganze Regierungs-
lager springt – wie die Lemminge ins schwarze Loch.

Zur Vorgeschichte: Bereits seit Jahren rühren die gro-
ßen deutschen Presseverlage die Trommel dafür, dass
dieses Gesetz auf den Weg gebracht wird. Im Herbst
2009 ist es ihnen dann endlich gelungen: Das Leistungs-
schutzrecht stand im Koalitionsvertrag von Union und
FDP.

So viel zum Thema „Machtverschiebung zwischen Me-
dien und Politik“, so viel zum Thema „Erpressbarkeit
von Politik durch die Macht der Medienkonzerne“.


(Beifall bei der LINKEN – Burkhardt MüllerSönksen [FDP]: Das ist doch Quatsch! Die kleinen Lokalzeitungen sind auch dafür!)


Ziel des Leistungsschutzrechts war es, Informations-
dienstleistern im Internet, allen voran Suchmaschinen,
nur noch gegen Genehmigung, aber insbesondere gegen
Bezahlung zu erlauben, dass sie Verlagsinhalte, also
Pressetexte, im Internet auffindbar machen. Allerdings
– das haben wir immer wieder gehört – sind Onlineange-
bote der Verlage ohne Suchmaschinen und andere Infor-
mationsdienstleister im Internet gar nicht systematisch
auffindbar. Noch vor einem Monat sprach der Vorstands-
vorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, in
einem Interview von bis zu 80 Prozent der Leser, die al-
lein über Google bei den Angeboten seines Verlages lan-
den und ihm so sozusagen die Chance geben, Geld zu
verdienen. Es gibt also nüchtern betrachtet überhaupt
keinen stichhaltigen Grund für dieses Gesetz. Das wird
erst recht deutlich, wenn man bedenkt, dass die Bundes-
regierung überhaupt keine belastbaren Daten besitzt, um
Auskunft darüber geben zu können, wie viel Suchma-





Dr. Petra Sitte


(A) (C)



(D)(B)


schinen oder ähnliche Dienste direkt mit Verlagsinhalten
verdienen. Diesen Offenbarungseid musste sie abgeben,
als sie auf eine Kleine Anfrage der Linken zu antworten
hatte.

Das Leistungsschutzrecht ist aber nicht nur unnötig,
es ist auch schädlich:

Erstens. Im Text ist überhaupt nicht klar definiert, wer
alles als Verlag anzusehen ist. Die Interpretationsbreite
ist groß. Das Gesetz wird mehr Verwirrung als Klarheit
stiften. Das ist aber nicht die Aufgabe von Gesetzen,
wenn ich mich recht erinnere.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens. Es ist nicht nachvollziehbar, was genau ge-
schützt werden soll und warum. Es geht nun einmal um
Pressetexte, und diese sind durch das Urheberrecht klar
vor unerlaubter Nutzung geschützt. Der neue Schutz, so
sagen jetzt Verlage, soll nun für verlagstypische Eigen-
leistungen bestehen. Jetzt fragen wir uns natürlich: Wo-
rin sollen die bestehen, wenn es ausschließlich um die
Anzeige von Texten durch Informationsdienstleister im
Internet geht? Das ist ebenso schleierhaft. Sie schaffen
also ein Recht für Verlage an etwas, was eigentlich den
Urheberinnen und Urhebern zustünde, falls es denn
überhaupt einen stichhaltigen Grund für das Gesetz gibt.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun steht zur Beruhigung in dem Gesetzentwurf, dass
Verlage Urheberinnen und Urheber an den möglichen
Einnahmen angemessen beteiligen müssen. Wie die an-
gemessene Beteiligung aussehen soll und wie die Betei-
ligung ausgehandelt werden soll, steht aber nicht in dem
Gesetzentwurf. Damit überlassen Sie das dem freien
Spiel der Kräfte. Aber wir haben in der parallel laufen-
den Debatte zum Urhebervertragsrecht ja längst erlebt,
was dann passiert: Bisher klappt dabei gar nichts ver-
nünftig. Sie geben also den Medienkonzernen einen wei-
teren Machtvorteil gegenüber Journalistinnen und Jour-
nalisten. Ich gratuliere zu dieser Leistung.

Drittens. Es bleibt ungeregelt, wie sich Suchmaschi-
nen und Co. mit der durch das Gesetz nicht klar definier-
ten Gruppe der Verlage über Nutzungsgenehmigungen
und Nutzungsgebühren einigen sollen. Das ist völlig of-
fen. Unzählige Onlineanbieter müssten mit Tausenden
Verlagen Verhandlungen führen. Das sind Dinge, die
sich nur große Konzerne mit vollen Kriegskassen und
großen Rechtsabteilungen leisten können.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Kleinere und mittelständische Unternehmen, regional tä-
tige Verlage oder Internet-Start-ups kommen da schlicht
und ergreifend gar nicht mit, die können sich das näm-
lich nicht leisten.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie schaffen hier also ein Gesetz aus lauter Rechtsun-
sicherheiten. Damit stärken Sie das Recht des Stärkeren
und schwächen dazu noch die Schwachen. Dazu kann
ich nur sagen: Das ist Wahnsinn mit Methode.


(Beifall bei der LINKEN)


Als wäre das alles nicht schon genug, kamen Sie am
Dienstag – am Dienstag dieser Woche, wohlgemerkt –
wie Kai aus der Kiste mit einem neuen Änderungsan-
trag. Jetzt soll es den Informationsdienstleistern und den
Informationsdienstleisterinnen im Internet wieder ge-
nehmigungsfrei möglich sein, einzelne Wörter und ein-
zelne Textausschnitte, die sogenannten Snippets, weiter-
zuverwenden. Nun wird die ganze Sache endgültig
absurd: Erst legte die schwarz-gelbe Bundesregierung
einen Gesetzentwurf vor und begründet ihn mit genau
diesen Snippets:


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Nein, mit den zu langen Snippets!)


Diese Snippets würden den Verlagen schaden. Dann ka-
men die Regierungsfraktionen und änderten den Gesetz-
entwurf so ab, dass genau diese Snippets jetzt ausge-
nommen sind. Das heißt, der Hauptgrund der Kritik ist
entfallen. Jetzt frage ich mich: Ist damit nicht auch der
Hauptgrund des Gesetzes entfallen?


(Beifall bei der LINKEN – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine leere Hülle!)


Um die Verwirrung dann noch weiter aufzuschäumen,
definieren Sie kein Stück klar, was Sie eigentlich unter
diesen einzelnen Snippets verstehen, wie lang die sein
dürfen. Da kann ich aus der Erfahrung der letzten Jahre
nur sagen: Ich sehe schon vor meinem geistigen Auge,
wie sich Abmahnanwälte die Hände reiben und über ein
neues Geschäftsfeld freuen.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, Sie drehen also die ur-
sprüngliche Intention des Gesetzes ins Gegenteil, und
Sie führen weitere Rechtsunsicherheiten ein. Das ist
nicht logisch, könnte man jetzt sagen – aber für schwarz-
gelbe Großhirne schon. Okay, machen Sie es!

Wenn wir aber einmal wohlwollend annehmen, dass
auch mit der Änderung das Leistungsschutzrecht die ge-
wohnte Artikelvorschau, wie wir sie jetzt im Internet
vorfinden, in Suchmaschinen erlaubt, was bitte kann
dann das Gesetz noch bewirken? Zunächst einmal – zu
diesem Thema ist schon alles gesagt – Rechtsunsicher-
heiten zuhauf. Solange diese bestehen, weiß niemand,
was genau im Internet an Informationsweitergabe durch
Suchmaschinen und ähnliche Dienstleister überhaupt
möglich sein wird.

Am Ende werden Suchmaschinen dann wahrschein-
lich gar keine größeren Veränderungen erfahren. Verlage
werden von diesen kein neues Geld einnehmen. Aber
immerhin werden sie ein Recht haben, das eigentlich den
Urheberinnen und Urhebern zusteht, und all die neuen
Apps, Programme und Dienste, die es heute jenseits von
Suchmaschinen so spannend und bequem machen, als
Netznutzerin die unterschiedlichsten Nachrichten, Arti-
kel und Reportagen zu entdecken, werden in Deutsch-
land nicht möglich sein – außer sie werden dann wiede-
rum von Springer oder von Burda angeboten. Meine





Dr. Petra Sitte


(A) (C)



(D)(B)


Damen und Herren, Vielfalt und Innovation stelle ich
mir anders vor.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722602700

Konstantin von Notz ist der nächste Redner für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Lieber Kollege Thomae, wenn man
Ihnen hier so zuhört, gewinnt man den Eindruck, Sie
verstünden die ganze Aufregung nicht. Der Kollege
Krings spricht von einem mutigen Verfahren.

Das letzte Mal, als Sie hier mit einem ganz ähnlichen
Vorgehen die Regelungen zum Melderecht in der letzten
Kurve geändert haben, haben Sie ein datenschutzrecht-
liches Eigentor sondergleichen geschossen, was wir jetzt
gerade erst im Vermittlungsausschuss mühsam korrigie-
ren mussten. Heute stellen Sie sich hier hin und schießen
sofort das nächste Eigentor.

Dabei wissen Sie es besser. Ihr schlechtes Gewissen
in Sachen Leistungsschutzrecht dokumentieren Sie
durch bizarre Pressekonferenzen. Da lädt der Vorsit-
zende des Rechtsausschusses, der Kollege Kauder, ein
und erklärt sachkundig die mannigfaltigen verfassungs-
rechtlichen Probleme, von Art. 5 GG bis hin zum nicht
erfolgten Notifizierungsverfahren. Gestern nun der Ver-
such, auf einer neuen Pressekonferenz die Wogen zu
glätten: Sie versuchten den Eindruck zu erwecken, man
habe das Gesetz völlig entschärft.

Tatsächlich haben Sie das ganze Ding in einer Nacht-
und-Nebel-Aktion im Büro des Kollegen Heveling er-
heblich verschlimmbessert. Mit vagen, gänzlich unbe-
stimmten Rechtsbegriffen helfen Sie keinem Verlag, Sie
helfen keiner Journalistin und keinem Journalisten. Sie
setzen hier auf ein Beschäftigungsprogramm für Juris-
ten, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sind nicht imstande, den Grundwiderspruch Ihrer
Argumentation, Herr Kollege Heveling, hier aufzulösen.
Auf der einen Seite sagen Sie: Wir brauchen ein Leis-
tungsschutzrecht; der Status quo ist untragbar. Eben
noch hat das der Kollege Krings gesagt. Auf der anderen
Seite beschwichtigen Sie und sagen: Keine Aufregung!
Wir ändern ja nichts am Status quo. – Das ist hoch wi-
dersprüchlich, und es ist falsch. Die Wahrheit ist: Sie ha-
ben keinen blassen Schimmer, was Sie mit diesem Ge-
setz anstellen.

Dreieinhalb Jahre haben Sie im rechtspolitischen Ne-
bel herumgestochert, was das Leistungsschutzrecht soll,
was es könnte, ob es überhaupt trägt. Jetzt liefern Sie
hier bewusst nur ein Schlagwort aus dem Koalitionsver-
trag ab. Den Rest sollen andere klären: die Anwälte, die
Gerichte, der Bundesrat, vielleicht demnächst der Ver-

mittlungsausschuss. Das ist nicht nur politisch unterir-
disch, meine Damen und Herren, es ist auch eine Ver-
kennung des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Wir als
Gesetzgeber müssen die Gesetze hinreichend bestimmt
formulieren. Wir können die Probleme nicht einfach an
die Rechtsprechung outsourcen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Sie sagen gern, Herr Kollege Krings, die Opposition
versucht, dieses Thema hochzuziehen. Ich sage Ihnen
einmal, wer dieses Thema noch alles hochzieht: der BDI,
die Unternehmensverbände von BITKOM und eco, das
Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wett-
bewerbsrecht, der Deutsche Journalisten-Verband ge-
nauso wie der Berufsverband freier Journalistinnen und
Journalisten und der Chaos Computer Club. Alle sind
gegen Ihren Gesetzentwurf. Das gilt auch für namhafte
Verfassungsrechtler und so gut wie alle Urheberrechts-
experten dieses Landes, alle Jugendorganisationen der
Parteien, den ehemaligen Chef der Monopolkommis-
sion, zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Ihren
eigenen Reihen, darunter auch die stellvertretende CSU-
Generalsekretärin Dorothee Bär, die hier netzpolitisch
einmal goldrichtig liegt. Schließlich ist auch die gesamte
Zivilgesellschaft dagegen, die aller Voraussicht nach mit
einer neuen Abmahnwelle überzogen werden wird. Das
ist keine hochgezogene Kritik. Dieses Gesetz ist eines,
das keiner will und keinem nutzt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Das ganze Unternehmen hat nur einen einzigen Sinn:
die Gesichtswahrung Ihrer Kanzlerin, die im letzten
Bundestagswahlkampf den großen Verlagen ein solches
Gesetz versprochen hat. Wir sind aber als Parlament
nicht dazu da, irgendwelche hanebüchenen schwarz-
gelben Koalitionsvereinbarungen zu erfüllen.

Justus Haucap hat völlig recht: Das Gesetz, Ihr ganzes
Vorgehen ist ein einziges Fiasko. Sie stehen vor einem
Scherbenhaufen.


(Zuruf des Abg. Stephan Thomae [FDP])


Sie haben in der Netzpolitik nichts zustande gebracht,
und das kleine bisschen Vertrauen, das Sie mit der En-
quete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“
vorne für sich hochgepuzzelt haben, reißen Sie jetzt mit
dem Hintern wieder ein.

Wissen Sie, gerade fährt Ihr Wirtschaftsminister ins
Silicon Valley und staunt. Kaum ist er wieder zu Hause,
verabschieden Sie hier ein Gesetz, das es in keinem an-
deren Land dieser Welt gibt und das den IT-Standort
Deutschland um Jahre zurückwirft, ein Gesetz, das fatal
an ein großes netzpolitisches Vorhaben am Ende der
letzten Legislatur erinnert, nämlich das verfassungs-
rechtlich ebenfalls hoch umstrittene Zugangserschwe-
rungsgesetz, das heute zum Glück Geschichte ist.


(Stephan Thomae [FDP]: Und wer hat es gemacht?)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722602800

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Größe, sich Ihr eigenes Scheitern einzugestehen,
haben Sie nicht. Das ist sehr bedauerlich.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722602900

Für die FDP-Fraktion erhält der Kollege Manuel

Höferlin das Wort.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Manuel Höferlin (FDP):
Rede ID: ID1722603000

Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Ich habe manchmal den Eindruck, hier
wird noch über eine alte Version des Gesetzentwurfs ge-
sprochen.


(Stephan Thomae [FDP]: Hat er auch!)


Kollege von Notz, manche Dinge, die Sie gesagt haben,
treffen vielleicht auf die Vorvorvorversion oder auf ei-
nen Referentenentwurf zu, aber nicht auf das, über das
wir heute diskutieren.

Grundsätzlich finde ich es interessant, dass sich die
SPD und die Linke fast dahin gehend geäußert haben,
dass wir zu wenig geregelt haben. Sie hätten gerne noch
viel mehr.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ich will es gar nicht haben!)


Das habe ich im Vorfeld anders gehört. Bei der SPD
muss man ja bedenken, inwieweit Sie aufgrund Ihrer
vielen Verlage betroffen sind. Bei einer Sitzung in einem
Gemeinderat müssen Betroffene, wenn es zum Beispiel
um Bauprojekte geht, rausgehen. Aber hier im Bundes-
tag dürfen Sie, obwohl Sie betroffen sind, mitdiskutie-
ren.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Deswegen muss man sich genau anschauen, wie Sie hier
dazu stehen.

Lassen Sie mich kurz auf die Sache eingehen. Wir ha-
ben einen langen Weg hinter uns. Über drei Jahre haben
wir über das Leistungsschutzrecht für Presseverlage ge-
redet. Uns wurde hier vorgeworfen, es gäbe einen
Wunschzettel. Sie von der Linken haben gesagt, die
Springers hätten einen Wunschzettel abgegeben, und wir
wären gesprungen.


(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Das ist genauso absurd, als würde ich sagen: Google hat
bei Ihnen angerufen, und Sie sind gesprungen. – Der

Wunschzettel entspricht inzwischen längst nicht mehr
dem, über das wir heute diskutieren.

Wir haben keine Lesegebühr, wir haben keine zwin-
gende Umverteilung von Geldern. Es geht in dem Ge-
setzentwurf überhaupt nicht um Gelder, sondern es geht
um eine Rechtsposition. Kollege Krings hat sehr gut dar-
gelegt, dass wir eine Lücke haben. Selbst Herr
Oppermann hat vorhin gesagt: Es gibt einen grundsätz-
lich legitimen Anspruch der Verleger. So haben Sie es
vorhin gesagt. Von daher ist das wohl mehrheitlich hier
im Haus die Überzeugung.

Jetzt komme ich zu den Kritikpunkten. Einer ist der
unbestimmte Rechtsbegriff, den wir im Änderungsantrag
eingebracht haben. Übrigens ist der Änderungsantrag
Ausfluss von zwei Anhörungen, einer Anhörung im
Rechtsausschuss und einer im Unterausschuss „Neue
Medien“. Darüber wurde intensiv diskutiert.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir konnten ihn danach aber nicht mehr bewerten!)


Ein unbestimmter Rechtsbegriff wie zum Beispiel
„kleinste Teile“ ist im Urheberrecht völlig gängig. Zum
Beispiel ist in § 87 b des Urheberrechtsgesetzes bei den
Datenbanken – da geht es auch um Leistungsschutz-
rechte – von wesentlichen Bestandteilen die Rede. Ich
habe nicht gehört, dass es bei Datenbanken – die sind in
der Netzwelt nun wirklich sehr verbreitet – jetzt eine rie-
sige Abmahnwelle gäbe oder eine große Prozesslawine
oder dass dies eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für
Anwälte wäre. Von daher ist es durchaus normal und
völlig systemkonform, einen unbestimmten Rechtsbe-
griff zu verwenden.


(Beifall bei der FDP)


Die abstrakt generelle Regelung ist auch angemessen,
weil es darum geht, auf der einen Seite eine Leistung zu
schützen und auf der anderen Seite – das ist Ausfluss der
Anhörung – das Bedürfnis der Netznutzer zu befriedi-
gen, auf Suchanfragen qualifizierte Ergebnisse zu be-
kommen, mit denen man auch etwas anfangen kann.
Dies soll weiterhin gewährleistet sein.

Diese Abgrenzung ist durch den Änderungsantrag
entstanden. Wir reden nicht über ein völlig neues Gesetz,
wir reden nicht über einen völlig anderen Regelungs-
charakter, sondern wir haben aufgrund der Anhörungs-
ergebnisse erkannt: Es gibt die Befürchtung – und das
war genau der Kritikpunkt –, dass Informationsfreiheit
möglicherweise gefährdet sei. Genau diesen Punkt ha-
ben wir aufgegriffen, und genau diesen Punkt haben wir
minimalinvasiv verändert mit der Maßgabe, dieses frei-
zustellen.

Mehr ist immer noch möglich. Es ist schlichtweg
falsch, dass Suchmaschinen oder Aggregatoren nicht
mehr arbeiten könnten.


(Beifall bei der FDP)


Es ist schlichtweg falsch, Frau Kollegin, dass man keine
Apps mehr kriegen kann.


(Beifall bei der FDP)






Manuel Höferlin


(A) (C)



(D)(B)


Nach dieser Rechtsposition ist es nur so, dass man den
Eigentümer des Inhalts vorher fragen muss.


(Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


– Ja, aber es ist doch Aufgabe der Marktteilnehmer, sich
zu überlegen – auch wenn es tausend sind –, ob sie sich
vielleicht zusammentun möchten. Wir schreiben ja nicht
ins Gesetz: Es darf keine Verwertungsgesellschaft ge-
ben.


(Beifall bei der FDP)


Wir sehen eine auf freiwilliger Vereinbarung zustande
gekommene Verwertungsgesellschaft vor, und das ist ein
wesentlicher Unterschied und vielleicht auch eine wich-
tige Feinheit.

Deswegen ist es klug und richtig, einen Ausgleich
zwischen dem Recht von Verlegern und Verwertern, ihre
Inhalte auch weiterhin zu verteilen und die Kontrolle
darüber zu haben, und denjenigen zu schaffen, die im
Netz suchen und qualifizierte Suchergebnisse im Netz
haben wollen. Wer mehr nutzen möchte als kleinste
Textausschnitte, der muss den Eigentümer vorher fragen.


(Beifall bei der FDP)


Wenn der dann sagt: „Ja, meine Inhalte könnt ihr in un-
beschränktem Maße nutzen“, dann ist das auch in Ord-
nung. Das entspricht genau dem, wie wir Urheberrecht
verstehen. Das ist der Ausgleich zwischen zwei Rechts-
positionen, ohne dass es zur Umverteilung kommt, ohne
dass wir ein bürokratisches System aufbauen.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Aber das geht doch auch ohne das Gesetz!)


Es geht vielmehr um ein eigenes Recht der Verlage, zu
bestimmen, was mit ihrem Eigentum geschieht und was
nicht.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722603100

Lars Klingbeil erhält nun für die SPD-Fraktion das

Wort.


(Beifall bei der SPD)



Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1722603200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich gebe zu, ich habe nicht mehr daran ge-
glaubt, dass wir uns hier heute in der zweiten und dritten
Lesung mit dem Leistungsschutzrecht beschäftigen müs-
sen. Zu klar waren die vielen Argumente gegen dieses
Leistungsschutzrecht, das heute auf den Weg gebracht
werden soll, und zu deutlich und zu groß war der Wider-
stand, den es aus allen gesellschaftlich relevanten Grup-
pen gegen dieses Leistungsschutzrecht gegeben hat.

Wenn man sich den gesamten Weg dieses Leistungs-
schutzrechts anschaut, dann ist klar: Dieses Gesetz steht
exemplarisch für den politischen Verfall dieser schwarz-
gelben Koalition.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der FDP: Oh!)


Es war ein unwürdiges Schauspiel, das wir an vielen
Stellen erlebt haben. Wenn man ein Gesetz zwei Tage
vor der zweiten und dritten Lesung so maßgeblich verän-
dert, was ja auch Redner aus dem schwarz-gelben Lager
zugegeben haben, und wenn man das Ganze dann hier
im Eilverfahren durchdrückt, dann ist das ein Programm
für die Steigerung von Politikverdrossenheit. Es gibt
viele Menschen, die wollen erklärt haben, was hier ei-
gentlich passiert. Diese Erklärungen wurden in der heu-
tigen Diskussion nicht geliefert.


(Beifall bei der SPD)


Mehr als drei Jahre lang wurde diskutiert. Das Gesetz
wurde in den letzten Wochen aufgesetzt, und es wurde
abgesetzt. Wir haben zwei Tage vor der entscheidenden
Abstimmung eine gravierende Änderung bekommen,
und heute soll das Gesetz im Eiltempo durchgeboxt
werden.

Die Anhörung im Rechtsausschuss und im Unteraus-
schuss „Neue Medien“ – da war ich dabei – haben
teilweise vernichtende Kritik am Leistungsschutzrecht
erbracht. Wir haben gesehen, es gibt schon heute techni-
sche Möglichkeiten, es gibt große rechtliche Bedenken.
Ich frage mich: Wie sollen wir als Parlamentarier eigent-
lich damit umgehen?

Siegfried Kauder, der Vorsitzende des Rechtsaus-
schusses, hat erklärt, er habe verfassungs- und europa-
rechtliche Bedenken – ich zitiere –:

Wir stehen vor dem Dilemma, dass wir einen
großen Teil unserer Hausaufgaben nicht gemacht
haben.

Da hat Herr Kauder recht, und deswegen wäre es auch
richtig gewesen, die Entscheidung heute zu verschieben
und uns Zeit zu nehmen, uns das Leistungsschutzrecht
noch einmal genau anzuschauen.

Wenn Herr Kauder von verfassungsrechtlichen Be-
denken geredet hat, dann frage ich mich: Sind die eigent-
lich in den letzten beiden Tagen ausgeräumt worden?

Oder ich verweise auf den Kollegen Peter Tauber, ei-
nen geschätzten Kollegen aus der Enquete-Kommission,
der ja erklärt hat, warum er heute gegen das Leistungs-
schutzrecht stimmt. Da frage ich mich: Wie kann es ei-
gentlich sein, dass diejenigen, die von der CDU/CSU in
die Enquete-Kommission geschickt werden, diejenigen,
denen man sagt: „Ihr seid unsere Netzexperten, und ihr
vertretet uns da“, zum großen Teil das Leistungsschutz-
recht ablehnen, das aber trotzdem ohne Relevanz in der
schwarz-gelben Regierung bleibt?

Außerhalb des Parlaments gibt es ein großes Bündnis:
Wirtschaftsverbände wie BDI, BITKOM und eco,
Jugendverbände der Parteien wie Jusos, Grüne Jugend
und Junge Union sowie der Chaos Computer Club, sie
alle sprechen sich gegen dieses Leistungsschutzrecht
aus. Ich sage Ihnen: Es gibt nicht viele Momente, in
denen es ein solch großes Bündnis gibt. Auch alle nam-
haften Urheberrechtsexperten haben sich gegen das





Lars Klingbeil


(A) (C)



(D)(B)


Leistungsschutzrecht ausgesprochen. Gestern hat sich
auch der Deutsche Journalisten-Verband klar positioniert
und uns aufgefordert, diesem Gesetzentwurf heute nicht
zuzustimmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
schwarz-gelben Seite, was muss denn eigentlich noch al-
les passieren, damit Sie merken: „Dieses Leistungs-
schutzrecht brauchen wir nicht“?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Abwahl! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Keine Sachargumente!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722603300

Herr Kollege Klingbeil, darf der Kollege Höferlin

eine Zwischenfrage stellen?


Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1722603400

Nein, momentan nicht. Sie haben eine weitere Anhö-

rung abgelehnt; dann lasse ich auch keine Zwischenfra-
gen zu.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Warum sind Sie denn so unsicher, Herr Kollege?)


Wirtschaftsminister Rösler hat einen Beirat „Junge
Digitale Wirtschaft“ gegründet. Reden Sie doch einmal
mit denjenigen, die in diesem Beirat sitzen! Alle dort
lehnen das Leistungsschutzrecht ab. Ich sage Ihnen: Für
viele Menschen steht hinter der Frage, warum der
Gesetzentwurf zum Leistungsschutzrecht so schnell ver-
abschiedet werden soll, ein großes Fragezeichen. Erst
handelte es sich um eine Lex Google. Dann wurde ver-
ändert. Jetzt heißt es: Einzelne Wörter und kleinste Text-
ausschnitte sind ausgenommen. Sie schaffen damit vage
und unklare Rechtsbegriffe. Sie überlassen die Aus-
legung dieses Gesetzes ganz offen Gerichten.


(Stephan Thomae [FDP]: Wir leben in einem Rechtsstaat, Herr Kollege! Zweifeln Sie etwa an unseren Gerichten?)


Ich habe vorhin schon gesagt: Das ist eine Arbeitsbe-
schaffungsmaßnahme für Anwaltskanzleien. Gerichte
müssen nachher klären, wie es mit diesem Leistungs-
schutzrecht weitergeht. Sie schaffen Rechtsunsicherheit,
und ich sage Ihnen: Sie verhindern auch Innovationen.
Google war lange Zeit die Zielscheibe dieses Gesetzes.
Aber jetzt werden es kleine Unternehmen, Mittelständler
und innovative Unternehmen sein, die hier am deutschen
Markt erfolgreich sein sollten; das wäre unser Wunsch.
Aber Sie würgen diese Innovationen ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die SPD hat sich intensiv mit dem Leistungsschutz-
recht auseinandergesetzt – das wissen Sie –, wir haben
eigene Gutachten auf den Weg gebracht, und wir haben
diskutiert. Aber wir sind zu dem Entschluss gekommen:
Ein Leistungsschutzrecht in Deutschland ist nicht not-

wendig. Auch wir sagen: Ja, es gibt Probleme. Es gibt
Probleme bei den Verlagen, um die wir uns kümmern
wollen. Wenn Sie sich den Entschließungsantrag, den
wir eingebracht haben, anschauen, dann stellen Sie fest,
dass wir sagen: Es ist beispielsweise problematisch,
wenn heute geschäftsmodellmäßig auf die Archive der
Süddeutschen Zeitung zurückgegriffen wird, wenn dort
herauskopiert wird, wenn etwas daraus unautorisiert ver-
wendet wird. Aber das ist eine Problematik im Urheber-
recht, für die wir kein neues Schutzrecht brauchen.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Ja!)


Deswegen noch einmal das Angebot: Ziehen Sie diesen
Gesetzentwurf zurück, und lassen Sie uns gemeinsam
auf einen vernünftigen Weg kommen! Dann finden wir
eine Lösung, die keine Rechtsunsicherheit schafft und
Innovationen nicht abwürgt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/ CSU]: Wie eine Lösung aussehen könnte, wissen Sie aber auch nicht so richtig, oder?)


Der Journalismus wandelt sich, liebe Kolleginnen und
Kollegen. Er ist dezentraler, er ist partizipativer, er ist
schneller geworden. Wir Sozialdemokraten haben uns
viele Gedanken gemacht, wie wir Qualitätsjournalismus
sichern können. Wir haben im Jahr 2012 einen Antrag
zur Sicherung der Freiheit, der Vielfalt und der Qualität
und zur Finanzierung des Journalismus eingebracht, der
über 20 Vorschläge enthalten hat, was wir machen kön-
nen, um Qualitätsjournalismus auch in Zeiten des digita-
len Umbruchs zu gestalten. Dieser Antrag ist abgelehnt
worden, Herr Krings. Wenn Sie sich heute hier hinstellen
und sagen: „Die Sozialdemokraten haben keine Ideen“,


(Beifall des Abg. Dr. Günter Krings [CDU/ CSU])


dann kann ich Ihnen nur empfehlen: Schauen Sie sich
den Antrag an, den wir eingebracht und den Sie abge-
lehnt haben! Ihre Antwort auf die Herausforderungen
des digitalen Wandels ist das Leistungsschutzrecht. Wir
haben darauf umfassendere Antworten gegeben. Wir
helfen Ihnen gerne weiter.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Nur Blabla!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb,
das Urheberrecht hat unter Ihnen dreieinhalb Jahre keine
Veränderung erfahren. Sie haben die Züge aufeinander
zufahren lassen. Sie stehen mit offenem Mund vor den
Herausforderungen, die das Urheberrecht mit sich
bringt. Das Einzige, was in dieser Legislaturperiode am
Urheberrecht geändert wird, ist das Leistungsschutz-
recht. Das ist eine magere Bilanz. Ich sage Ihnen: Wir
werden diesen Gesetzentwurf, der heute verabschiedet
wird, im Bundesrat stoppen. Dann können wir mit der
Diskussion noch einmal von vorne anfangen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Günter Krings [CDU/ CSU]: Blockadepartei!)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722603500

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Höferlin

das Wort.


Manuel Höferlin (FDP):
Rede ID: ID1722603600

Herr Kollege Klingbeil, am Ende haben Sie Ihren An-

trag kurz erwähnt und gesagt, Sie hätten gute Vorschläge
gemacht. Wenn ich Ihren Antrag lese, dann stelle ich
fest: Im Kern sagen Sie, man sollte eine Beweislastum-
kehr einführen. Ist das Ihre Vorstellung von einem eige-
nen Recht für Presseverlage, so wie Sie es offensichtlich
– wie es auch geäußert wurde – für richtig halten?


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das war jetzt gemein! Der versteht das doch nicht!)



Lars Klingbeil (SPD):
Rede ID: ID1722603700

Lieber Kollege Höferlin, vielen Dank für die Nach-

frage und auch dafür, dass Sie jetzt in der zweiten und
dritten Lesung anfangen, sich mit unseren Vorschlägen,
die schon die ganze Zeit im parlamentarischen Verfahren
sind, zu beschäftigen.

Ich habe es gerade gesagt: Wir sehen ein Problem da-
rin, wenn zum Beispiel auf das Archiv der Süddeutschen
Zeitung zugegriffen wird, vollständige Artikel unautori-
siert für Pressespiegel verwendet werden und daraus Ge-
schäftsmodelle entstehen. Das hat aber nichts mit dem
Leistungsschutzrecht zu tun. Darüber wären wir mit Ih-
nen ins Gespräch gekommen, wenn Sie nicht im Hau-
ruckverfahren das Leistungsschutzrecht durchgeprügelt
hätten.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ja, womit denn? Was wollen Sie machen? Die SPD bewundert das Problem, hat keine Lösung!)


Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722603800

Das Wort erhält nun der Kollege Ansgar Heveling für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ansgar Heveling (CDU):
Rede ID: ID1722603900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

kommt nicht oft vor, dass ein Thema aus dem Bereich
Urheberrecht einen so prominenten Debattenplatz wie
heute bekommt. Es freut mich natürlich, wenn so das
Themenspektrum Urheberrecht und geistiges Eigentum
noch mehr Interesse wecken kann.

Andererseits wurde in der Diskussion um die Einfüh-
rung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage aus
vielem mehr gemacht, als tatsächlich zur Debatte steht.
Denn mit dem Gesetz, das wir heute beschließen, treffen
wir schlichtweg eine ordnungspolitische Entscheidung.

Ebenso wie andere Werkmittler erbringen Pressever-
leger eine wirtschaftliche und organisatorische Leistung.
Viele andere Werkmittler wie zum Beispiel Tonträger-
hersteller haben bereits ein Leistungsschutzrecht. Auch

die Urheber selbst, also im Fall der Presse die Journalis-
ten, die einen Artikel verfassen, verfügen mit dem klas-
sischen Urheberrecht über einen Schutz ihrer Leistun-
gen.

Presseverlegern, die Zeitungen und Zeitschriften in
der Print- wie in der Onlineversion herstellen, steht ein
solches Recht unmittelbar nicht zur Verfügung. Deswe-
gen schaffen wir nun ein Leistungsschutzrecht für sie.

Das bedeutet: Wir erfinden heute das Leistungs-
schutzrecht nicht, und wir erfinden es schon gar nicht
neu. Seit vielen Jahrzehnten – also auch schon lange vor
dem Zeitalter der Digitalisierung – haben wir einen bun-
ten Strauß ganz unterschiedlicher Leistungsschutzrechte
im Urheberrechtsgesetz. Insofern fügt sich das Leis-
tungsschutzrecht für Presseverlage nahtlos in die soge-
nannten verwandten Schutzrechte des Urheberrechts ein.
Und wir gestalten dieses Leistungsschutzrecht aus.

So kennt das Urheberrecht bei Werken etwa das
Recht, kleine Teile eines Werkes zu nutzen. Das Zitat-
recht etwa vermittelt uns diese Befugnis. Durch die
„Metall auf Metall“-Entscheidung hat nun der Bundes-
gerichtshof, also die Rechtsprechung, festgestellt, dass
durch Leistungsschutzrechte auch bereits der kleinste
Teil eines Werkes geschützt ist.

Als Gesetzgeber treffen wir nun die Entscheidung,
dass es beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage eine
untere Grenze geben soll. Einzelne Wörter und kleinste
Textausschnitte eines Presseerzeugnisses, wie es im Ge-
setzentwurf heißt, sollen vom Leistungsschutzrecht nicht
erfasst sein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das ist eine Klarstellung!)


Mit dieser Festlegung treffen wir mithin eine Rege-
lung, die gut in die Systematik des Urheberrechts passt.
Dass wir die untere Grenze nicht in Zahlen genau fest-
schreiben, ist dem Urheberrecht im Besonderen und un-
seren Gesetzen im Allgemeinen nicht fremd. Unbe-
stimmte Rechtsbegriffe gehören zum Alltag unserer
Rechtstradition, und sie tragen auch gerade der dynami-
schen Entwicklung in der digitalen Welt Rechnung.

Der Änderungsantrag beim Leistungsschutzrecht ent-
hält nun einen einzigen unbestimmten Rechtsbegriff: die
kleinsten Textausschnitte. Zum Beispiel in § 87 b Abs. 1
des Urheberrechtsgesetzes – der Kollege Höferlin hat
eben schon darauf hingewiesen; das ist der Schutz des
Datenbankherstellers – wimmelt es nur so von unbe-
stimmten Rechtsbegriffen. Darin ist von wesentlichen
Teilen einer Datenbank, die unwesentlichen Teilen einer
Datenbank gleichstehen, die Rede. Das ist alles ausleg-
bar. Doch die Datenbankhersteller stehen nicht jeden
Tag in den Schlagzeilen, weil es Probleme mit § 87 b des
Urheberrechtsgesetzes gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Insofern ist es offensichtlich möglich, mit unbestimmten
Rechtsbegriffen umzugehen.





Ansgar Heveling


(A) (C)



(D)(B)


Das gilt für die Praxis wie auch für die Rechtspre-
chung. Lieber Kollege Klingbeil, Sie haben gesagt:
CDU/CSU und FDP überlassen die Auslegung den Ge-
richten. – Ich bin froh, dass wir die Auslegung von Ge-
setzen den Gerichten überlassen. Das nennt man nämlich
Gewaltenteilung.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Und Rechtsstaat!)


Alles andere haben wir nach dem Zeitalter des Absolu-
tismus schon hinter uns gelassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der FDP: Rechtsstaat! – Thomas Oppermann [SPD]: Das nennt man Pfusch, nicht Gewaltenteilung!)


Die Praxis wie die Rechtsprechung werden mit dem Ge-
setz umgehen können, und das wird für sie auch nichts
Ungewohntes sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den öffentlichen
Anhörungen hat sich gezeigt, dass das Leistungsschutz-
recht sowohl verfassungsrechtlich als auch technisch un-
bedenklich ist. Das Verlinken von Presseartikeln bleibt
auch in Zukunft frei. Auch die sozialen Netzwerke wer-
den nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst. In der An-
hörung im Unterausschuss „Neue Medien“ hat sogar der
von der Opposition benannte Sachverständige – er ist si-
cherlich eher unverdächtig, für das Leistungsschutzrecht
zu sein – ganz klar gesagt, dass die sozialen Netzwerke
durch das Gesetz nicht erfasst werden.

Deshalb, meine Damen und Herren, ist die Informa-
tionsfreiheit im Internet entgegen mancher Behauptung
nicht beeinträchtigt. Von Beginn an war es nie das Ziel,
durch die Einführung eines Leistungsschutzrechts für
Presseverlage den Informationsfluss im Internet zu be-
hindern. Daher war auch verfassungsrechtlich von Be-
ginn an klar: Das im Grundgesetz festgeschriebene
Recht auf Meinungsäußerung und Information wird
durch die Regelungen nicht berührt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Beim Leistungsschutzrecht für Presseverlage geht es
nicht um Informationsfreiheit oder gar um die Freiheit
insgesamt – es geht darum, einen fairen Wettbewerb zu
ermöglichen und dafür Regeln aufzustellen, ganz genau
so, wie wir das in der realen Welt als Gesetzgeber auch
tun.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wenn ich morgens am Kiosk eine Zeitung kaufen will,
kann ich ja auch nicht unter Berufung auf die Informa-
tionsfreiheit sagen: Lieber Kioskbesitzer, gib mir die
Zeitung kostenlos!


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Überschriften sollte man schon kostenlos zu sehen bekommen!)


Ich muss dafür selbstverständlich bezahlen, und das
kann im Internet auch nicht anders sein.

Wenn wir den Gesetzentwurf für ein Leistungsschutz-
recht für Presseverlage heute beschließen, zeigen wir,

dass wir als Gesetzgeber einer unserer wichtigsten Auf-
gaben nachkommen: für einen sorgfältigen Ausgleich
der verschiedenen Interessen zu sorgen und die Regeln
unserer sozialen Marktwirtschaft sicherzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


In unserem Nachbarland Frankreich kann man sehen,
wie es auf keinen Fall gehen sollte. Aus meiner Sicht ist
das, was in Frankreich auf diesem Gebiet geschehen ist,
der Worst Case. Wenn in Frankreich ein Internetunter-
nehmen, in diesem Fall Google, eine Einigung mit den
Verlegern – in Form einer einmaligen Abschlagszahlung
in Höhe von 60 Millionen Euro an den Staat – im Bei-
sein des Staatspräsidenten feiert, dann ist das aus meiner
Sicht kein gutes Signal, weder an die Verleger noch an
die Journalisten noch an die Nutzer noch an diejenigen,
die mit guten und legalen Geschäftsmodellen im Internet
Geld verdienen möchten. Es ist vielmehr das bedenkli-
che Signal, dass die Politik vor der strukturellen und fi-
nanziellen Macht einzelner Konzerne, eines großen
Players im digitalen Raum, kapituliert.


(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Da regt sich der Richtige auf! Ist das süß!)


Genau das tun wir heute nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir kommen unserer Aufgabe nach und sorgen für den
ordnungs- und rechtspolitischen Rahmen, der geboten
ist.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722604000

Ich erteile das Wort der Kollegin Tabea Rößner, Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722604100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ende

schlecht, alles schlecht. Seit drei Jahren murkst die Ko-
alition an diesem Gesetz herum. Es wurde hoch und run-
ter diskutiert und in den unterschiedlichsten Entwürfen
vorgelegt. Alle renommierten Experten waren sich von
Anfang an einig: Dieses Gesetz verfehlt nicht nur das
Ziel, es ist der größte Schwachsinn aller Zeiten; deshalb
ist es abzulehnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Drei Jahre Diskussion, und dann legen Sie uns diese
Woche einen völlig neuen Entwurf vor und behaupten
allen Ernstes, Sie hätten das Problem erst jetzt richtig
verstanden? Also, wir lassen uns nicht an der Nase her-
umführen. Ihnen ist doch angesichts schwindender
Mehrheiten der Hintern auf Glatteis gegangen.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Auf Grundeis!)






Tabea Rößner


(A) (C)



(D)(B)


Das heißt aber leider nicht, dass Sie zur Vernunft gekom-
men wären; dann hätten Sie das Gesetz nämlich beerdi-
gen müssen. Stattdessen stimmen wir heute über den
Scherbenhaufen Ihrer Verlags-Bauchpinseln-Politik ab.
Denn Ihre Kanzlerin hat es versprochen.

Niemand weiß, was genau vor wem geschützt werden
soll. Sie haben mir noch keinen deutschen Dienst ge-
nannt, vor dem das Leistungsschutzrecht schützen soll.
Gerade mit der Änderung der Koalition besteht völlige
Rechtsunsicherheit. Das hilft weder Journalisten noch
Verlagen noch Informationsdiensten. Die einzigen Profi-
teure werden Anwälte sein; das Leistungsschutzrecht
wird Anwalts Liebling. Ist das politische Unfähigkeit
oder dreiste Klientelpolitik?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kollege Krings, Kollege Silberhorn, Sie haben ges-
tern in einer Pressekonferenz gesagt, die Journalisten
wollten dieses Gesetz und würden den jetzigen Entwurf
begrüßen. Alle drei großen Journalistenverbände, DJV,
DJU und Freischreiber, haben sich zu Ihrem neuen Ent-
wurf geäußert, begrüßt hat ihn aber niemand. Alle leh-
nen diesen Unsinn ab. Von welchen Journalisten spre-
chen Sie? Von Kai Diekmann? Niemand außer ein paar
großen Verlagschefs will das Leistungsschutzrecht –
nicht die Journalisten, nicht die Wirtschaft, nicht die
Wissenschaft und schon gar nicht das Netz.

Kollege Krings, die Herrschaft über den Vertriebsweg
haben die Verleger an dem Tag abgegeben, an dem sie
ihre Inhalte kostenfrei ins Netz gestellt haben. Sie wol-
len also doch die Zahnpasta zurück in die Tube drücken,
die die Verleger vorher herausgedrückt haben.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Das ist der Clown!)


Wir wollen, dass Journalismus finanzierbar bleibt und
dass gerade auch freie Journalisten von ihrem Job leben
können. Wir sehen, dass einige Presseverlage in
Deutschland in einer schwierigen Lage sind. Wie aber
Journalismus zukünftig finanziert werden kann, beant-
worten Sie nicht. Das Leistungsschutzrecht ist jedenfalls
nicht die Lösung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])


Wir fordern andere Instrumente, um die Situation von
Verlagen und Journalisten zu verbessern. Dazu braucht
man aber erst einmal valide Daten zum Pressemarkt. Sie
regulieren hier wild herum, ohne zu wissen, wo es wel-
chen Bedarf gibt. Dass ausgerechnet der Axel-Springer-
Verlag eine Leistungsschutz-Infusion braucht, um seine
Journalisten anständig zu bezahlen, kann ich mir bei ei-
nem Gewinn von 590 Millionen Euro alleine 2011 nur
schwer vorstellen.

Meine Damen und Herren der Koalition, Sie wollen
das Leistungsschutzrecht für Presseverlage nur, weil es
im Koalitionsvertrag steht. Hauptsache, der Name steht
drüber, egal was drin steht! Das zeigen die zum Teil sehr
konträren Gesetzentwürfe.

Das Gesetz wird heute allein zur Gesichtswahrung
verabschiedet. Ich hoffe, das reicht, um sich bis auf die
Knochen zu blamieren.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722604200

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

Kollege Thomas Silberhorn für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1722604300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

wird noch immer bestritten, dass es einen Handlungsbe-
darf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage gibt.


(Brigitte Zypries [SPD]: Ja, das stimmt!)


Ich rate den Kritikern, einmal nach Frankreich zu
schauen; denn die Lösung, die man dort gefunden hat, ist
heute noch gar nicht angesprochen worden. Sie belegt
aber, dass unbestreitbar ein Handlungsbedarf besteht.

Anfang Februar hat sich der Chef von Google mit
dem französischen Staatspräsidenten geeinigt und ein
Abkommen unterzeichnet, nach dem die Firma Google
60 Millionen Euro für die Nutzung von Verlagsinhalten
in der Vergangenheit – –


(Unruhe)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722604400

Einen Augenblick, Herr Kollege. – Ich darf die Kolle-

ginnen und Kollegen, die zur Abstimmung freundlicher-
weise in den Plenarsaal kommen, bitten, Platz zu neh-
men und dem letzten Redner zuzuhören. – Helfen Sie
mal da hinten! – Herr Kollege Schockenhoff, es gibt
noch hinreichend Plätze, um das Ende dieser Debatte ge-
ordnet zu verfolgen. – Bitte schön, Herr Kollege
Silberhorn.


Thomas Silberhorn (CSU):
Rede ID: ID1722604500

Vielen Dank. – Der Chef von Google und der franzö-

sische Staatspräsident François Hollande haben Anfang
Februar ein Abkommen unterzeichnet, nach dem Google
für die Nutzung von Verlagsinhalten in der Vergangen-
heit 60 Millionen Euro in einen Fonds für Onlinepro-
jekte von Verlagen und Redaktionen einzahlt. Dafür ver-
zichtet Frankreich auf eine gesetzliche Regelung.

Google ist kein Wohlfahrtsverband, sondern ein ge-
winnorientiertes Wirtschaftsunternehmen,


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


wie die Verlage übrigens auch.


(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist richtig!)






Thomas Silberhorn


(A) (C)



(D)(B)


Google hätte doch keinerlei Grund gehabt, einen solchen
Deal einzugehen, wenn nicht klar wäre, dass hier verle-
gerische Leistungen genutzt werden, die einen eigenen
wirtschaftlichen Wert haben. Deswegen ist unbestreitbar,
dass hier Handlungsbedarf besteht. Deshalb schaffen wir
das Leistungsschutzrecht in Deutschland.

Das Zustandekommen dieser Vereinbarung in Frank-
reich lässt übrigens viele Fragen offen. Es gibt einen
zweiten Teil des Abkommens, der der Öffentlichkeit
nicht mitgeteilt worden ist. Zeitungen zufolge soll es ei-
nen privilegierten Zugang von Verlagen zu den Plattfor-
men der Firma Google geben, also eine geldwerte Leis-
tung. Die Umstände dieses Vertragsschlusses, dass der
Geschäftsführer nur eines großen Unternehmens mit
dem Staatspräsidenten eines Landes verhandelt und dass
die Vertragsdetails nicht offengelegt werden, führen uns
vor Augen, dass es sich hier um ein wenig transparentes
Verfahren handelt, das eher an einen orientalischen Ba-
sar erinnert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Nun ist ein orientalischer Basar ein spannendes Mo-
dell, aber kein Vorbild für unsere Gesetzgebung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben einen anderen Weg gewählt. Wir schaffen ein
Leistungsschutzrecht für alle Verlage und beziehen alle
Beteiligten auch aufseiten der Suchmaschinenbetreiber
und der News-Aggregatoren ein. Wir schaffen damit ei-
nen transparenten Ordnungsrahmen für alle Beteiligten.
Wir schützen verlagstypische Leistungen, die im Internet
zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich ge-
macht werden. Insofern fügt sich das Leistungsschutz-
recht homogen in das bestehende System der Leistungs-
schutzrechte im Urheberrecht ein.

Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wenn hier be-
hauptet wird, dass die gesamte Zivilgesellschaft gegen
diesen Vorschlag wäre. Vor dem Brandenburger Tor
demonstrieren derzeit 10 bis 15 Demonstranten gegen
diesen Gesetzentwurf, insbesondere von der Piraten-
partei.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Mahnwache, Herr Kollege!)


Ich will aber doch ernst nehmen, wenn Blogger und
Journalisten immer noch die Sorge äußern, dass sie in
Zukunft Gefahr laufen könnten, wegen einer Verletzung
von Leistungsschutzrechten abgemahnt oder verklagt zu
werden.

Im Gesetzentwurf wird das Leistungsschutzrecht be-
schränkt auf gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen
und gewerbliche Anbieter von Diensten, die fremde
Inhalte entsprechend aufbereiten. Das bedeutet für Blog-
ger oder Journalisten: Wer auf seiner Homepage ein
Werbebanner setzt, unterliegt damit nicht dem Leis-
tungsschutzrecht; denn die gewerbliche Nutzung muss
sich auf das Aufbereiten fremder Inhalte beziehen. Um-
gekehrt wird ein Schuh daraus. Ein Blogger oder ein

Journalist, der selber als Verleger auftritt, kann auch In-
haber des Leistungsschutzrechts werden.

Wir haben den Anwendungsbereich des Leistungs-
schutzrechts durch einen Änderungsvorschlag noch ein-
mal klargestellt. Danach sind einzelne Wörter oder
kleinste Textausschnitte vom Schutzbereich des Leis-
tungsschutzrechts ausgenommen. Auch ohne diese Prä-
zisierung bliebe natürlich das Zitatrecht erhalten und
blieben bloße Verlinkungen nicht betroffen.

Inwieweit die Betreiber von Suchmaschinen von die-
sem Leistungsschutzrecht tangiert sind, hängt davon ab,
was genau sie in ihren Trefferlisten anzeigen. Entschei-
dend für den Anwendungsbereich des Leistungsschutz-
rechts ist zunächst nicht die konkrete Länge des Textaus-
schnitts; maßgeblich ist vielmehr, ob das Suchergebnis
auf die verlagstypische Leistung der Presseverlage und
damit auf den wirtschaftlichen Wert dieser Leistung
zugreift. Dort, wo Inhalte Dritter angezeigt werden – und
seien es nur ein oder zwei Zeilen –, wird eine verlags-
typische Leistung eines anderen Anbieters genutzt, und
dort greift das Leistungsschutzrecht. Wenn aber nur ein-
zelne Wörter, kleinste Textausschnitte angezeigt werden,
die beschreibender Natur sind, die lediglich das Auffin-
den des gewünschten Suchbegriffs ermöglichen sollen,
dann handelt es sich um die originäre Leistung der Such-
maschine. Das liegt nicht im Anwendungsbereich des
Leistungsschutzrechts. Deswegen ist es richtig, dass wir
uns hier für eine abstrakt generelle Regelung entschie-
den haben, die auf den Einzelfall abstellt und nicht den
Fehler macht, durch starre Zeichenbeschränkungen un-
gerechte Ergebnisse hervorzubringen.

Im Übrigen haben auch die Anhörungen ergeben,
dass die Praxis ohne Weiteres in der Lage sein wird, in
jedem Einzelfall sicher zu klären, was verlagstypische
Leistung ist. Wir schaffen damit den Spagat zwischen
dem Schutz der verlegerischen Leistung einerseits, ohne
andererseits die Auffindbarkeit von Suchergebnissen
und die Informationsfreiheit zu beeinträchtigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben
dieses Thema in den vergangenen drei Jahren in aller
Ausführlichkeit diskutiert. Wir hatten drei umfangreiche
Anhörungen im Rechtsausschuss, im Ausschuss für Kul-
tur und Medien und im Unterausschuss „Neue Medien“
des Deutschen Bundestages. Jetzt liegt es an den Such-
maschinenbetreibern und News-Aggregatoren, aber
auch an den Verlagen und Urhebern, sich zusammenzu-
setzen und über die Ausgestaltung der Lizenzierung zu
reden. In diesem Rahmen wird sich dann zeigen, ob etwa
Suchmaschinenbetreiber ihr Angebot auf ein Maß be-
grenzen, das nicht vom Leistungsschutzrecht umfasst ist.
Es mag sicher auch Suchmaschinenbetreiber geben, die
ihren Nutzern verlagstypische Inhalte anbieten wollen;
aber dafür müssen sie dann auch Lizenzen erwerben.
Diese Fragen wird der Markt regeln, und er soll sie auch
regeln. Das gilt ebenso für die Frage, ob zur Lizenzie-
rung und zur Ausschüttung von Erlösen eine Verwer-
tungsgesellschaft herangezogen werden soll oder nicht.

Es wird aber keine Abmahnwelle geben, und es wird
auch keine Prozesswelle geben. Vielmehr sorgen wir mit
diesem Gesetz dafür, dass jetzt verhandelt werden kann





Thomas Silberhorn


(A) (C)



(D)(B)


– und zwar auf Augenhöhe – zwischen den Suchmaschi-
nenbetreibern und den News-Aggregatoren auf der einen
Seite und den Verlagen einschließlich der Autoren auf
der anderen Seite. Das ist ein großer Schritt für das Leis-
tungsschutzrecht in Deutschland. Es sichert die Vielfalt
der Presselandschaft in unserem Land, und es stärkt die
gesamte Kreativwirtschaft. Deswegen bitte ich Sie um
Ihre Zustimmung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722604600

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Urheberrechtsgesetzes. Der Rechtsaus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der
Drucksache 17/12534, den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung auf Drucksache 17/11470 in der Ausschuss-
fassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
angenommen.

Bevor wir zur dritten Beratung und somit zur nament-
lichen Abstimmung kommen, möchte ich daran erin-
nern, dass wir bei dem folgenden Tagesordnungspunkt
zwei weitere namentliche Abstimmungen durchführen
werden.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Auf Verlangen der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen stimmen wir über den Gesetz-
entwurf namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men. – Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist
der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der
Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung geben
wir später bekannt.1)

Ich darf nun um Aufmerksamkeit und Mitwirkung bei
der Abstimmung über die Entschließungsanträge bitten.
Wir stimmen zunächst ab über den Entschließungsantrag
der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/12546. Wer stimmt
für diesen Entschließungsantrag? – Das scheint nur eine
kleine Minderheit der Antragsteller zu sein.


(Mechthild Rawert [SPD]: Wir stehen für alle!)


– Nach unserer Geschäftsordnung ist es unerheblich, für
wie viele Sie stehen. Entscheidend ist vielmehr, wie
viele sich an der Abstimmung beteiligen, die wir in

diesem Fall auf Antrag der SPD-Fraktion durchgeführt
haben und vielleicht besser wiederholen.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der SPD-
Fraktion? – Na also, es geht doch. Es wird nur nicht
reichen. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Entschließungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Nun probieren wir das Gleiche mit dem Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache
17/12547. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag?
– Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist
dieser Entschließungsantrag bei Enthaltung der Fraktion
der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eben-
falls mehrheitlich abgelehnt.

Schließlich stimmen wir über den Entschließungsan-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksa-
che 17/12548 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Auch dieser Entschließungsantrag ist mehrheitlich abge-
lehnt.

Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 37 a und b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Matthias
W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Riester-Förderung in die gesetzliche Rente
überführen

– Drucksache 17/12436 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Finanzausschuss

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.

Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Wiederherstellung eines Lebensstandard si-
chernden und strukturell armutsfesten
Rentenniveaus
– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.

Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Rente erst ab 67 sofort vollständig zurückneh-
men
– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.

Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Risiko der Erwerbsminderung besser absi-
chern
– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.

Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE1) Ergebnis Seite 28240 D





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Rentenbeiträge für Langzeiterwerbslose wie-
der einführen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Kindererziehung in der Rente besser berück-
sichtigen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Rente nach Mindestentgeltpunkten entfristen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Eine solidarische Rentenversicherung für alle
Erwerbstätigen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W.
Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Altersarmut wirksam bekämpfen – Solidari-
sche Mindestrente einführen

– Drucksachen 17/10990, 17/10991, 17/10992,
17/10993, 17/10994, 17/10995, 17/10997,
17/10998, 17/12474 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Frank Heinrich

Ich weise noch einmal darauf hin, dass wir über die
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und
Soziales später namentlich abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
Aussprache 90 Minuten dauern. – Dazu höre ich keinen
Widerspruch. Dann bitte ich diejenigen, die an der De-
batte teilnehmen wollen, die dafür vorgesehenen Plätze
einzunehmen, und diejenigen, die das nicht können oder
wollen, ihre sonstigen Staatsgespräche außerhalb des
Plenarsaals fortzuführen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722604700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ren-

tenrasur in Deutschland wurde zunächst durchgeführt
von Union und FDP, dann allerdings ab 2001 von SPD
und Grünen verschärft. Das führte zu einem Paradig-
menwechsel bei der Alterssicherung, mit dem wir es
heute zunehmend zu tun bekommen.

Das Rentenniveau wurde von 53 Prozent auf 43 Pro-
zent des durchschnittlichen Nettolohns im Jahr 2030 ge-
senkt. Man überlege sich einmal, wie viel Geringverdie-

nende wir haben, und schaue sich die Zahl der
Normalverdienenden an. Angesichts dessen ist das eine
skandalöse Absenkung, die Sie damals beschlossen
haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Anrechnungszeiten für die Kindererziehung und
die eigene Ausbildung wurden gekürzt. Die Rente wurde
durch die Einführung einer Rente erst ab 67 Jahren um
zwei Jahre gekürzt. Das hat mit den gesellschaftlichen
Realitäten übrigens nichts zu tun. Ich staune, dass Sie
diese nicht zur Kenntnis nehmen. Ich nenne Ihnen nur
ein Beispiel: Im Juni 2011 hatten von allen 64-Jährigen
in Deutschland 9,9 Prozent einen Vollzeitjob. Konkret
waren das 14,1 Prozent der Männer und 5,9 Prozent der
Frauen. Den anderen sagen Sie, sie sollen zwei Jahre
länger arbeiten. Ich frage Sie: Wo denn? Bei wem?


(Beifall bei der LINKEN)


Die Erwerbsminderungsrenten haben Sie ebenfalls
gekürzt. Die Unternehmen wurden teilweise aus der
paritätischen Finanzierung entlassen, indem Sie den
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gesagt haben,
sie sollen private oder betriebliche Vorsorge treffen. Bei
der privaten Vorsorge sind Sie dann auf die Idee mit der
Riester-Rente gekommen. Dafür zahlen die Leute selbst,
dann gibt es noch staatliche Zuschüsse, und die Unter-
nehmen sind von jedem Beitrag befreit. Um nichts ande-
res ging es Ihnen ja auch. Das heißt, für Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer kam wieder weniger Netto vom
Brutto heraus. Die staatlichen Zuschüsse bekommen ja
nicht die Leute, sondern die Versicherungsunternehmen.
Von 2002 bis 2011 waren das 16,6 Milliarden Euro. Des-
halb spendet die Allianz jedes Jahr an Union, SPD, FDP
und Grüne, nur an die Linke nicht. Man kann sich aus-
rechnen, woran das liegt.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Schön, wer ein einfaches Weltbild hat!)


Ich nenne Ihnen drei Beispiele. – Erstes Beispiel.
Zwei Arbeitnehmerinnen haben seit ihrem 35. Lebens-
jahr in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt.
Beide verdienen 1 790 Euro netto im Monat. Das sind
keine Geringverdienenden. Das ist fast der Durchschnitt;
ich will nur daran erinnern. Die eine zahlt bei Riester
ein, und die andere sagt: Ich möchte den Beitrag nicht
bezahlen; ich möchte mir lieber mal ein hübsches T-Shirt
kaufen. Ich verzichte darauf. – Beide werden am selben
Tag Rentnerinnen. Was kommt bei ihnen heraus? Die
eine Arbeitnehmerin bekommt eine Rente von 500 Euro,
die andere eine Rente von 640 Euro. Beide können da-
von nicht leben. Beide erfüllen die Voraussetzungen für
eine Grundsicherung und beantragen sie. Dann bekommt
die eine, um auf die durchschnittliche Grundsicherung in
Höhe von 707 Euro zu kommen, einen Zuschuss von
207 Euro und die andere von 67 Euro. Sie hat also jahre-
lang Beiträge gezahlt, um dann den gleichen Betrag zur
Verfügung zu haben wie die andere. Sie ändern nichts
daran, auch wenn die FDP es will. Gelegentlich sagt das
auch die Union; aber Sie machen nichts.





Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)



(Beifall bei der LINKEN – Petra Hinz [Essen] [SPD]: Was bringt es ihnen, wenn sie T-Shirts im Schrank haben?)


Zweites Beispiel. Frau Schäfer, Rentnerin, ist
70 Jahre alt. Sie hat drei Kinder aufgezogen. Sie hat
Jahrzehnte als Verkäuferin und Kassiererin gearbeitet.
Sie bekommt heute eine Rente von 599 Euro. Sie könnte
Grundsicherung beantragen; das macht sie aber nicht.
Sie will das nicht. Sie sagt, dass es sie demütigt.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Stimmt!)


Viele, die es könnten, machen es nicht. Bei der Beantra-
gung der Grundsicherung muss man auch die Vorausset-
zungen im Blick haben: Man darf keine Eigentumswoh-
nung oder kein Grundstück ab einer bestimmten Größe
besitzen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt alles nicht!)


Der Höhepunkt aber ist: Man darf nur ein Sparguthaben
in Höhe von 2 600 Euro haben. Das ist weniger, als
selbst ein Hartz-IV-Beziehender haben darf. – Sie muss
erst einmal das Geld ausgeben, bevor sie die Grund-
sicherung beantragen kann. Indiskutabel!


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb muss diese 70-jährige Frau bis an ihr Lebens-
ende in einem Minijob arbeiten, nicht, weil sie es so
klasse findet, sondern um überhaupt existieren zu
können.

436 000 Menschen beziehen Grundsicherung im
Alter. 925 000 Personen könnten sie beantragen, tun es
aber nicht. Zwei Drittel der Personen verzichten auf ih-
ren Rechtsanspruch, weil er so demütigend organisiert
ist.

Drittes Beispiel: die irrsinnige Lebenserwartung. Eine
Frau, die vor zehn Jahren im Alter von 35 Jahren einen
Riester-Rentenvertrag abschloss, muss knapp 80 Jahre
alt werden, bis sie als Rentnerin alle Beiträge wieder he-
rausbekommen hat. Wenn sie aber davon träumt, eine
kleine Rendite von 2,5 Prozent zu erhalten, dann muss
sie 90 Jahre alt werden. Wenn sie die dreiste Vorstellung
hat, eine Rendite von 5 Prozent zu bekommen, dann
muss sie 128 Jahre alt werden. Das erklären Sie einmal
den Leuten. Die Riester-Rente ist ein Hohn. Sie muss
überwunden werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Was hat damals Bundesminister Riester gesagt? Ich
zitiere:

Wir haben das Ziel, das Versorgungsniveau im
Alter insgesamt zu erhöhen. In Zukunft soll die ge-
setzliche Rente als Basis durch eine zusätzliche
Rente ergänzt werden.

So ein Mist ist bei alledem herausgekommen, um es ein-
mal deutlich zu sagen. Die Geringverdienenden „ries-
tern“ sowieso nicht. Sie können es sich gar nicht leisten.

Zurück zur gesetzlichen Rente. Wer heute in Rente
geht und 40 Jahre ununterbrochen gearbeitet hat, nie
arbeitslos war, muss pro Stunde 10,80 Euro verdient
haben, um das Grundsicherungsniveau von 707 Euro zu
erreichen. Wenn er nur 35 Beitragsjahre hat, dann
müsste er durchschnittlich 13 Euro pro Stunde verdient
haben. Schauen Sie sich doch einmal die Realität in un-
serer Gesellschaft an! Wir laufen auf eine dramatische
Altersarmut zu.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Genau so ist es!)


Die Grünen haben den Paradigmenwechsel immer
damit begründet, dass sie gesagt haben, sie wollten die
junge Generation schützen, damit sie nicht so hohe
Beiträge zahlen muss. Die damals Jungen gehen jetzt in
die Altersarmut.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)


Wechseln Sie doch einmal Ihre Position! Nicht die
Demografieentwicklung ist entscheidend, sondern die
Produktivitätsentwicklung. Darauf müssen wir setzen.


(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben 3,3 Millionen Selbstständige, die über-

haupt keine Altersvorsorge haben. Was soll eigentlich
aus denen im Alter werden? Auch dazu machen Sie sich
keine Gedanken.

Wenn wir die Altersarmut wirksam bekämpfen wol-
len, brauchen wir gute Löhne, gute Arbeit und als Erstes
einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von
10 Euro pro Stunde.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD] – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe schon lange darauf gewartet, dass das kommt!)


Wir müssen die ganze prekäre Beschäftigung, den Nie-
driglohnsektor, die Aufstockerei, die Leiharbeit, den
Missbrauch der Werkverträge und die befristete Be-
schäftigung endlich überwinden. Anders können wir die
Altersarmut nicht wirksam bekämpfen.


(Beifall bei der LINKEN)

Ich muss der SPD einmal sagen – sonst bin ich ja

nicht so kleinlich –: Sie sind nicht die Erfinderin des
flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war wirklich eine harte Nummer!)


Das sind nun wirklich wir. Unseren Antrag vom
25. April 2002 haben Sie noch kategorisch abgelehnt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist es!)


Ich finde es gut, dass Sie sich korrigieren; aber Sie könn-
ten es auch einmal erwähnen, wollte ich nur sagen.


(Beifall bei der LINKEN)

Um darüber hinaus Altersarmut zu verhindern und die

Würde der Menschen im Alter zu wahren, damit sie den
Lebensstandard einigermaßen halten können, brauchen
wir folgende Schritte:





Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)


Erstens. Das Rentenniveau muss wieder auf 53 Pro-
zent des Durchschnittseinkommens erhöht werden; an-
ders geht es nicht.


(Beifall bei der LINKEN – Ingrid ArndtBrauer [SPD]: Wer zahlt das denn?)


Zweitens. Die Kürzungsfaktoren, also Riesterfaktor,
Nachholfaktor und Nachhaltigkeitsfaktor, müssen gestri-
chen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Drittens. Die Rente erst ab 67 Jahren muss zurück-
genommen werden. Das können wir heute hier entschei-
den. Ein entsprechender Antrag liegt vor.


(Beifall bei der LINKEN)


Viertens. 23 Jahre nach der deutschen Einheit muss
jetzt endlich einmal eine Rentenangleichung, eine An-
gleichung der Rentenwerte Ost an West, geschehen.


(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unbedingt! Das ist dringend überfällig!)


Es muss eine gleiche Rente für gleiche Lebensleistungen
geben. Ich verstehe nicht, dass Union und FDP dies erst
in den Koalitionsvertrag aufnehmen und es dann einfach
aufkündigen. Das ist für die ostdeutschen Rentnerinnen
und Rentner nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Lücken und Benachteiligungen bei der Rentenüber-
leitung müssen beseitigt werden.

Fünftens. Wir brauchen endlich eine Anrechnung der
Kindererziehungszeiten auch für Kinder, die vor 1992
geboren sind.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Erklären Sie doch einmal einem Kind, wieso es weniger
wert ist, nur weil es einen Monat früher geboren ist als
ein anderes Kind! Das ist nicht nachvollziehbar, um das
einmal ganz klar zu sagen.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch dazu liegt heute ein Antrag vor. Auch darüber kön-
nen wir namentlich entscheiden.

Weiter müssen die Abschläge auf Erwerbsminde-
rungsrenten gestrichen werden. Es müssen wieder Ren-
tenbeiträge für die Hartz-IV-Beziehenden eingeführt
werden. Da die Riester-Rente gescheitert ist, muss sie
auslaufen. Wir wollen jetzt die Möglichkeit schaffen,
dass Leute, die einen Riester-Rentenvertrag abgeschlos-
sen haben, alle Beiträge und die Zuschläge des Staates in
die gesetzliche Rente überführen können, ohne dass ih-
nen Kosten entstehen. Das wäre immerhin ein Ausweg.
Denken Sie einmal darüber nach!


(Beifall bei der LINKEN)


Des Weiteren brauchen wir Lösungen für die Selbst-
ständigen. Dazu haben wir Vorschläge unterbreitet.
Darüber hinaus brauchen wir in Deutschland eine solida-
rische Mindestrente von 1 050 Euro. Dann haben wir
auch keine Altersarmut.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt zu der Frage, wie wir das alles finanzieren
können; mich wundert, dass die SPD unseren Weg nicht
mitgeht.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das werden wir Ihnen erklären!)


Wir müssen der neuen Generation sagen: Erstens. Alle
Erwerbstätigen müssen von sämtlichen Erwerbseinkom-
men einen Beitrag an die gesetzliche Rentenversiche-
rung zahlen, auch Abgeordnete, auch Rechtsanwälte,
auch Beamte.


(Beifall bei der LINKEN)


Beamte müssen dann allerdings einen Ausgleich erhal-
ten, damit sie nicht schlechtergestellt sind. Zweitens.
Wir müssen die Beitragsbemessungsgrenzen aufgeben.
Dann müssen die neuen Ackermänner, also die Acker-
männer der nächsten Generation, einen bestimmten
Prozentsatz von ihrem gesamten Einkommen in die ge-
setzliche Rentenversicherung einzahlen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und bekommen dann höhere Renten!)


Der damit verbundene Rentenanstieg – das sehen auch
wir – muss abgeflacht werden. Dies erlaubt auch das
Bundesverfassungsgericht.

Dann brauchen wir nicht mehr über Altersarmut zu
diskutieren, dann ist sie überwunden. Dann gilt endlich
der Grundsatz, der auch in der Schweiz gilt: Die Millio-
näre benötigen zwar keine gesetzliche Rente – das ist
richtig –; aber die gesetzliche Rentenversicherung benö-
tigt die Millionäre. Genau das müssen wir durchsetzen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als Letztes: Wir brauchen nicht weitere Kürzungen;
wir brauchen einen anderen Weg. Fassen Sie einmal
Mut! Lassen Sie uns alle gemeinsam


(Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Den Sozialismus wagen! Sehr gute Idee! Nicht nur in Italien gibt es Clowns!)


etwas für die Rentnerinnen und Rentner der Zukunft in
diesem Lande tun!

Danke schön.


(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1722604800

Bevor Frau von der Leyen für die Bundesregierung

das Wort erhält, möchte ich das von den Schriftführerin-
nen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der nament-
lichen Abstimmung über den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes
bekannt geben: abgegebene Stimmen 539. Mit Ja haben
gestimmt 293, mit Nein haben gestimmt 243, enthalten
haben sich 3 Kolleginnen und Kollegen. Damit ist der
Gesetzentwurf angenommen.





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 539;
davon

ja: 293
nein: 243
enthalten: 3

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Aumer
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Erich G. Fritz
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Michael Glos
Josef Göppel
Peter Götz
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe

Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Ulrich Lange
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig

Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Marlene Mortler
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Dr. Kristina Schröder


(Weisbaden)

Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn

Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

FDP

Jens Ackermann
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Gudrun Kopp
Sebastian Körber
Holger Krestel
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Lars Lindemann
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto


(Frankfurt)

Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane Ratjen-

Damerau
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Hagen Reinhold
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel


(Lüdenscheid)

Dr. Daniel Volk
Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


Nein

CDU/CSU

Dorothee Bär
Dr. Peter Tauber

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Klaus Barthel
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Lothar Binding (Heidelberg)


Gerd Bollmann
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Dagmar Freitag
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Angelika Graf (Rosenheim)

Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Hubertus Heil (Peine)

Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Fritz Rudolf Körper
Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Hilde Mattheis
Petra Merkel (Berlin)

Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß

Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)

Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Annette Sawade
Bernd Scheelen
Marianne Schieder


(Schwandorf)

Ulla Schmidt (Aachen)

Carsten Schneider (Erfurt)

Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Ute Vogt
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

FDP

Sebastian Blumenthal
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Frank Schäffler
Jimmy Schulz

DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann

Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Yvonne Ploetz
Paul Schäfer (Köln)

Michael Schlecht
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Johanna Voß
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich

BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Agnes Brugger
Viola von Cramon-Taubadel
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Priska Hinz (Herborn)

Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Susanne Kieckbusch
Sven-Christian Kindler





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)


Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Beate Müller-Gemmeke

Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann E. Ott
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Krista Sager
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn

Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner (Schleswig)

Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler

fraktionsloser
Abgeordneter

Wolfgang Nešković

Enthalten

CDU/CSU

Thomas Jarzombek
Dagmar G. Wöhrl

SPD

Hans-Ulrich Klose

Nun hat die Frau Bundesministerin das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gysi,
kein einziges Ihrer Worte kann ich im Grundsatz unter-
schreiben. Aber in einem Punkt haben Sie recht: bei der
von ihnen genannten Höhe der Stundenlöhne, die not-
wendig ist, um in Zukunft – im Jahr 2030, 2035, 2040 –
eine Rente über Grundsicherungsniveau zu erreichen.
Bei 35 Beitragsjahren benötigt man hierfür einen Stun-
denlohn von gut 13 Euro. Das ist Fakt; das ist richtig.

Die Konsequenzen, die wir daraus ziehen, sind aber
völlig andere. Das Sinken des Rentenniveaus war wegen
der demografischen Entwicklung nötig.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schon mal falsch!)


Ihr Vorschlag, das Rentenniveau zu steigern, bedeutet ja:
Alle Renten gehen rauf, auch die mittleren und die
hohen Renten.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir wollen auch den Lebensstandard sichern und nicht nur Altersarmut vermeiden!)


Ein Rentenniveau von 53 Prozent verursacht allein 2030
Zusatzlasten in Höhe von 40 Milliarden Euro für die
junge Generation. Das ist typisch für Sie. Sie sagen:
Nach mir die Sintflut; Hauptsache, ich habe meine
Schäfchen im Trockenen. – Das können wir den jungen
Leuten nicht zumuten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch kompletter Unsinn! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)


Ich komme zur zweiten Lösung, die die Linke anbie-
tet. Ich habe eben gehört und habe es mir aufgeschrie-
ben, dass Sie gefordert haben: gleiche Rente für gleiche
Lebensleistung. In Ihren Papieren steht aber: 900 Euro
Rente für alle, ganz egal, ob man einen einzigen Tag ge-
arbeitet hat oder 40 Jahre lang.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, das steht da nicht drin! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann haben Sie den Antrag nicht gelesen!)


Das ist Ihre Vorstellung von Leistung. Ich weiß, dass Ih-
nen Leistung schon immer suspekt gewesen ist; aber das
ist nicht unsere Vorstellung. Leistung muss sich auch
lohnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Warum führen wir heute diese Debatte? – Wir führen
heute diese Debatte, weil wir zurückblickend sagen müs-
sen: Man muss den Leuten erklären, was am Schluss bei
den notwendigen Reformen, die umgesetzt wurden, tat-
sächlich herauskommt. Vor mehr als zehn Jahren ist die
Rente von Rot-Grün reformiert worden. Sie haben das
Rentenniveau abgesenkt bzw. lassen es langsam sinken.
Dies verbirgt sich hinter Worten wie „Nachhaltigkeits-
faktor“ und „Riester-Treppe“. Sie haben die private Vor-
sorge als freiwillige Säule der Altersvorsorge eingeführt.
Sie haben der Versicherungswirtschaft das Produkt der
Riester-Rente gegeben. Sie haben einige Jahre später die
Hartz-Reformen umgesetzt und den Niedriglohnsektor
ausgebaut. Auch das ist richtig; denn es ist besser, man
hat Arbeit, als dass man arbeitslos ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben aber Folgendes nicht bedacht: Die Kombi-
nation der beiden Dinge, das Sinken des Niveaus der ge-
setzlichen Rente und der Ausbau des Niedriglohnsek-
tors, führt, wenn wir nichts machen, dazu, dass
Geringverdiener keine Chance haben, am Ende des
Tages eine auskömmliche Rente über Grundsicherungs-
niveau zu erhalten.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie haben doch nichts gemacht! Wer regiert denn?)


Es bedurfte der schwarz-gelben Bundesregierung, um
diese Gerechtigkeitslücke aufzudecken, und wir werden
da etwas ändern, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch nichts gemacht! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warme Worte! – Ulrich Kelber [SPD]: Talking is cheap!)






Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) (C)



(D)(B)


Das Interessante ist, dass außer der Linken alle
– SPD, Grüne, Union, FDP – Modelle vorgelegt haben,
die eine Ähnlichkeit aufweisen. Das zeigt, dass die Dia-
gnose, die ich gerade gestellt habe, stimmt. Wenn Sie
sich die Lebensleistungsrente anschauen,


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Lebensleistungsrente?)


wenn Sie sich die Solidarrente anschauen, wenn Sie sich
die Garantierente anschauen, dann erkennen Sie, dass
die Konzepte in den Grundzügen übereinstimmen: Sie
folgen dem Grundprinzip der Rente nach Mindest-
entgeltpunkten. Es geht in den Konzepten um ein Auf-
werten der kleinen Renten langjähriger Beitragszahler,
damit sie am Ende des Tages nicht zum Grundsiche-
rungsamt gehen müssen – das Ganze steuerfinanziert
und bis zu einem Niveau von maximal 30 Entgeltpunk-
ten, was zurzeit knapp 850 Euro entspricht. Das steht in
den drei Konzepten.

Im Detail der Zugangsmöglichkeiten liegt vor allem
der Unterschied, und ich glaube, es lohnt sich, darüber
zu diskutieren: Die Grünen fordern, schon nach 30 Ver-
sicherungsjahren Zugang zur Garantierente zu haben. Ist
es wirklich Ihr Ernst, dass man nicht einmal 10 Jahre
Beiträge als Erwerbstätiger zahlen muss, aber daraus be-
reits eine Garantierente für 10, 15, 20 oder 25 Jahre be-
ziehen kann? – Ich glaube, Generationengerechtigkeit
sieht anders aus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Bei der SPD ist es besser. Da sind 30 Beitragsjahre
und 40 Versicherungsjahre gefordert. Aber die SPD ver-
zichtet darauf, eine Einkommensprüfung durchzuführen.
Das heißt: Sie stocken einem Vermögenden, der von sei-
nen Zinsen im Alter sehr gut leben kann und sich außer-
dem eine kleine gesetzliche Rente erarbeitet hat, tatsäch-
lich die Rente auf. Gleichzeitig nehmen Sie aber den
Facharbeitern mehr Steuern ab, denn es soll ja steuer-
finanziert sein. Auch das ist eine Mogelpackung, die
man so nicht wirklich umsetzen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir wollen die Lebensleistungsrente. Da gilt das glei-
che Prinzip: Aufstockung bei Geringverdienern, die
jahrzehntelang – wir legen 40 Beitragsjahre zugrunde –
eingezahlt haben. Ja, die Lebensleistungsrente wird ei-
nem nicht geschenkt. Erst nach 40 Jahren Beitragszah-
lung findet eine Aufstockung der Rente durch die Le-
bensleistungsrente statt. Aber vor dem Hintergrund der
Generationengerechtigkeit und der Tatsache, dass wir in-
zwischen eine sehr viel längere Lebenserwartung haben,
dass die Babyboomer zahlreich in Rente gehen werden
und dass unsere Kinder das alles finanzieren müssen, ist
das meines Erachtens ausgewogen. Da ist Solidarität mit
Generationengerechtigkeit, die eine verantwortungsvolle
Reform berücksichtigen sollte, verknüpft.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722604900

Frau Kollegin von der Leyen, würden Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Birkwald von den Linken ak-
zeptieren?

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722605000

Bitte schön.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722605100

Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Frau

Ministerin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich
danke Ihnen auch dafür, dass Sie gerade mitgeteilt ha-
ben, dass die Konzepte von SPD und von den Grünen
sowie auch das Ihrige sehr ähnlich sind. Es geht bei Ih-
nen allen um 850 Euro. Sie müssten aber dazusagen:
brutto. Und das sind dann 764 Euro netto. Bei einer
durchschnittlichen Grundsicherung im Alter von 707
Euro sind das noch nicht einmal 60 Euro mehr. Und für
das, was Sie ganz zynisch Lebensleistungsrente nennen
und die anderen Garantierente oder Solidarrente, sollen
die Leute dann auch noch 30 Beitragsjahre und später
35, 40 oder 45 Versicherungsjahre vorweisen und oben-
drein auch noch privat vorsorgen, bevor sie sie bekom-
men. – Das sind alles Armutsrenten, egal wie sie heißen.
Wir brauchen vielmehr eine Nettorente, die oberhalb der
Armutsrisikogrenze liegt, um Altersarmut zu verhindern.

Deswegen haben wir vorgeschlagen, mit 900 Euro
einzusteigen und das auf 1 050 Euro zu steigern. Wie
finden Sie diesen Vorschlag, um Armut wirklich bei al-
len zu verhindern und nicht im Alter die Menschen in
würdige und unwürdige Alte aufzuspalten?


(Beifall bei der LINKEN)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Sie haben übersehen, dass wir nach wie vor gemein-
sam die Vorstellung haben, dass ein generationengerech-
tes, aber auch demografiefestes Rentensystem zwei Säu-
len hat. Das ist einerseits die umlagefinanzierte Rente
und andererseits die private Vorsorge, zum Beispiel Be-
triebs- oder Riester-Renten.

Deshalb sagen wir: Es gibt in der Umlage die Lebens-
leistungsrente mit 30 Entgeltpunkten. Das sind zurzeit
knapp 850 Euro. Dieser Betrag steigt, wenn die Renten
insgesamt steigen. Zusätzlich kann man das, was man
privat vorgesorgt hat – also zum Beispiel die Betriebs-
rente oder die Riester-Rente –, ohne Abschlag behalten,
ohne dass es angerechnet wird. Das hebt die Rente über
den Grenzbetrag der Grundsicherung. Und das bringt
den Menschen, die lebenslang gearbeitet und ihren Bei-
trag geleistet haben, eine auskömmliche Rente.

Was ich an Ihrem Konzept nicht schätze, sind die
900 Euro für jeden, ganz egal, ob man sein Leben lang
Balalaika vor der Friedenskirche gespielt oder aber
40 Jahre eingezahlt hat.





Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) (C)



(D)(B)



(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht für jeden! Wir wollen keine Grundrente! – Weitere Zurufe von der LINKEN)


Sie schalten alle Leute gleich.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ist ja Quatsch! Lesen Sie den Antrag! Beschäftigen Sie sich damit!)


Das ist aber das Prinzip, das Sie immer verfolgen. Das
kennen wir von Ihnen. Das lehnen wir aber ab.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir debattieren heute natürlich auch – das kam schon
bei Herrn Gysi vor –, dass die Rente immer ein Spiegel
des Erwerbslebens ist. Das ist richtig. Deshalb ist es
auch gut, dass wir in dieser Legislaturperiode dafür ge-
sorgt haben, dass es inzwischen zwölf branchenspezifi-
sche Mindestlöhne gibt, dass wir die Zeitarbeit reguliert
und damit sozialer gemacht haben. Wir haben also genau
die Arbeitsverhältnisse besser geregelt, bei denen man
aufpassen muss, dass sie nicht prekär werden.

Ich möchte noch auf zwei Punkte eingehen, die mir
wichtig sind. Diejenigen, die in dieser Situation der Ren-
tenversicherung in Verbindung mit dem Niedriglohnsek-
tor am stärksten in die Gerechtigkeitsfalle geraten, sind
vor allem Frauen, die Kinder erzogen haben.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Dann tun Sie was dafür! Tun Sie etwas für die Frauen!)


Deshalb sieht unser Konzept die Variante vor:


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welches Konzept? Es gibt kein Konzept!)


Wenn Kindererziehungszeiten oder Pflegezeiten vorge-
wiesen werden können, dann wird nicht um 50 Prozent,
sondern um 150 Prozent aufgewertet.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Was sagt denn die Familienministerin zu dem Konzept?)


Das betrifft genau die Frauen, deren Kinder in der Ver-
gangenheit Teilzeitschulen und Teilzeitkindergärten be-
sucht haben. Der Rest der Welt hat ja Ganztagsschulen
und Ganztagskindergärten,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


in Deutschland gab es vor allem Teilzeit. Ich stimme Ih-
nen allerdings zu, wenn Sie sagen: Das sind die Frauen,
die durch das Recht auf Teilzeit überhaupt eine Chance
erhalten haben, am Erwerbsleben teilzunehmen.

Mit Blick auf die Zukunft müssen wir dafür sorgen,
dass es im Erwerbsleben auch das Rückkehrrecht in
Vollzeitbeschäftigung gibt.


(Beifall der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ CSU])


Im Bereich Teilzeit ist es oft so: einmal Teilzeit, immer
Teilzeit, Sackgasse, Abstellgleis, die Frauen kommen da
nicht mehr raus. Deshalb möchte ich den Vorschlag un-

terbreiten, das Rückkehrrecht auf Vollzeitbeschäftigung
im Teilzeitrecht einzuführen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Ist das schon wieder so? Immer Vorschläge! Dann kommt nie etwas aus der Koalition! – Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt die Koalition dazu? Ist das wieder so ein Vorschlag, den niemand mag?)


Arbeitgeber und Beschäftigte sollen, wenn sie Teilzeit
verabreden, gleichzeitig planen, wann wieder eine Voll-
zeitbeschäftigung aufgenommen werden kann, wann der
Weg zurück in die Vollzeitbeschäftigung möglich ist.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP] gewandt: Was sagen Sie dazu, Herr Kolb? Finden Sie das richtig?)


Das lohnt sich für beide Seiten. Das sorgt für Planungs-
sicherheit und Verlässlichkeit. Vor allem erhalten die
Frauen die Chance, auch in Teilzeitarbeit in die Karriere
zu investieren.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ankündigungsministerin! – Ulrich Kelber [SPD]: Sie machen Frau Aigner Konkurrenz!)


Dadurch könnte Teilzeit auch für Männer interessanter
werden. Daran wollen wir arbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Mein zweiter und letzter Punkt: Mindestlöhne. Die
entsprechende Debatte dazu findet heute im Bundesrat
statt. Die Einführung eines Mindestlohns ist meiner Mei-
nung nach notwendig, aber er wird das Problem bei der
Rente nicht lösen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


Ein Mindestlohn von 8,50 Euro – das ist der Vorschlag
von SPD und Grünen – wird das Problem nicht lösen.
Auch ein Mindestlohn von 10 Euro – der Vorschlag der
Linken – wird das Problem nicht lösen. Es ist gut, dass
die Arbeitslosenquote so gering ist, es ist gut, dass wir
Rekordbeschäftigung haben. Auch der Mindestlohn
hilft, aber er wird das Problem bei der Rente nicht lösen.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Und die Lohnuntergrenze auch nicht!)


Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir einen Mindest-
lohn brauchen.

Nach unserer Auffassung sollten wir eine Kommis-
sion einsetzen,


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unser Vorschlag! – Ulrich Kelber [SPD]: Wer ist „wir“, Frau von der Leyen? Sie reden hier für die Bundesregierung! Die hat keine Meinung dazu!)






Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen


(A) (C)



(D)(B)


in der Arbeitgeber und Gewerkschaften einen Mindest-
lohn aushandeln, und zwar ohne Vorgaben. Sie wollen
Tarifautonomie, aber gleichzeitig sagen Sie den Tarif-
partnern: Wir trauen euch nicht zu, dass ihr das schafft,
deshalb führen wir einen Mindestlohn von 8,50 Euro
oder einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn
ein. Wenn Sie daran festhalten, sind wir nicht bei Ihnen.

Wir sind der Meinung, Tarifautonomie ist ein kostba-
res Gut. Wir wollen Arbeitgeber und Gewerkschaften in
die Lage versetzen, einen Mindestlohn auszuhandeln.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist denn der Gesetzentwurf? – Ulrich Kelber [SPD]: Wo ist denn der Gesetzentwurf? Legen Sie den Gesetzentwurf endlich einmal vor! Alles eine Nullnummer!)


Wir wollen deshalb eine Kommission, die den Mindest-
lohn aushandelt. Das ist unser Vorschlag. Damit wollen
wir uns durchsetzen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722605200

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

Kollegen Matthias Birkwald von der Fraktion Die Linke.


(Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU)



Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722605300

Frau Ministerin von der Leyen, Sie haben eben wie-

derholt falsche Informationen über die Position der Lin-
ken gegeben. Deswegen möchte ich Ihnen hier klar und
deutlich sagen: Die Linke ist gegen eine Grundrente, und
die Linke ist auch gegen eine Einheitsrente.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Aber Ihre Vorschläge sind so!)


Wir haben nicht gefordert, jedem oder jeder eine Min-
destrente in einer bestimmten Höhe zu zahlen.

Unser Konzept einer Mindestrente sorgt dafür, dass
niemand in Armut fällt. Wir wollen vor allen Dingen die
Sicherung des Lebensstandards durch die Rente wieder-
herstellen. Das heißt, wir wollen gute Arbeit, gute
Löhne, die dann für eine gute Rente sorgen. Das bedeu-
tet, wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der möglichst
niemand auf eine solidarische Mindestrente – oder wie
immer man das nennen will – angewiesen ist. Diejeni-
gen, die darauf angewiesen sind, sollten nur einen mög-
lichst kleinen Zuschlag benötigen; denn wir wollen, dass
sich alle Menschen mit ihrer eigenen Hände oder Köpfe
Arbeit einen Rentenanspruch im Äquivalenzsystem „ge-
setzliche Rentenversicherung“ erarbeiten können.

Lassen Sie mich deshalb deutlich sagen: Unser Kon-
zept für eine solidarische Mindestrente ist einkommens-
und vermögensgeprüft. Es geht darum, dass niemand im
Alter in Armut leben muss. Alle anderen Konzepte, die
auf dem Tisch liegen, lassen die Menschen in der Armut.
Sie spalten die Gruppe der Alten in diejenigen, die ein-
gezahlt haben und 10 oder 15 Euro über dem Niveau der

jetzt sogenannten Grundsicherung im Alter liegen, und
in diejenigen, die noch nicht einmal das bekommen. Wir
möchten, dass Art. 1 des Grundgesetzes: „Die Würde
des Menschen ist unantastbar“, in unserem Land auch
für die Menschen über 65 gilt.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722605400

Wollen Sie antworten?

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Gerne. Ganz kurz.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722605500

Bitte schön, Frau von der Leyen.

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Arbeit und Soziales:

Herr Birkwald, das, was Sie gerade vorgetragen ha-
ben, ist entlarvend. Zuerst haben Sie gesagt: Bei uns gibt
es Differenzierungen und man erhält nicht ohne Vorleis-
tungen 900 Euro. Aber dann wurden Ihre Äußerungen
total schwammig. Ich habe nichts von Versicherungs-
jahren gehört. Ich habe auch nichts von Beitragsjahren
gehört. Ich habe nichts von einem Deckel gehört.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Alles!)


Ich habe nur gehört: Wir wollen, dass im Prinzip alle im
Alter eine Rente erhalten. Genau das ist unser Vorwurf,
nämlich dass Sie eine Rente für alle unabhängig von der
Vorleistung versprechen.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Dann müssen Sie lesen und hören!)


Finanzieren kann man das sowieso nicht. Sie müssten
dann den Jungen sagen, dass sie das alles zusammentra-
gen sollen. Unser Vorwurf an Sie lautet also, dass Sie das
nebulös in den Raum stellen, aber nicht konkret werden,
nicht einmal in einer Kurzintervention. Damit kommen
Sie nicht durch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das steht alles drin! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da sollten Sie einmal besser zuhören!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722605600

Jetzt hat die Kollegin Petra Hinz von der SPD-Frak-

tion das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1722605700

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Frau von der Leyen, Sie sprachen von
„aufdecken“, davon, uns einen Spiegel vorzuhalten, und
sagten, wir sollten tun. Was meinen Sie damit? Sie sind
doch in der Regierung und kein anderer. Sie haben drei-





Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)


einhalb Jahre lang nichts getan. – Doch, Sie haben etwas
getan: Sie haben angekündigt. Erinnern wir uns an den
Armuts- und Reichtumsbericht. Was haben wir gelernt?
Der Armuts- und Reichtumsbericht ist nicht verändert,
manipuliert worden, nein, er hat eine redaktionelle Er-
gänzung aus einem anderen Ressort erfahren. Ich muss
Ihnen schon sagen: Mehr als anzukündigen und aufzude-
cken haben Sie in der Tat nicht getan. Da Sie den Men-
schen einen Spiegel vorhalten wollten, wollen auch wir
Ihnen einen Spiegel vorhalten: Diese Regierungsleis-
tung, das, was Sie hier auf den Tisch gelegt haben, war
mehr als ungenügend.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich möchte zur Frage des Mindestlohns Folgendes
deutlich sagen: Reden Sie doch einmal über das, was Sie
möchten. Sie möchten eine Lohnuntergrenze; das ist et-
was ganz anderes. Wir wollen einen Mindestlohn von
mindestens 8,50 Euro haben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der MindestMindestlohn!)


Darüber wird heute zeitgleich im Bundesrat beraten.

Also, liebe Frau von der Leyen: Reden Sie nicht!
Handeln Sie! Sie hatten die Zeit. Sie haben die Chance
vertan. Sie haben nichts getan, weder für die Frauen
noch für die jetzige Rentnergeneration noch für die zu-
künftigen Rentnergenerationen.

Wie haben Sie sich am Arbeitsmarkt verhalten? Sie
haben nichts getan, damit Menschen eine Chance erhal-
ten, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Im Gegen-
teil: Sie haben die Gelder für entsprechende Maßnahmen
gekürzt, und zwar ganz massiv, um 40 Milliarden Euro.
Das sind die Dinge, die Sie auf den Weg gebracht haben.

Es geht heute aber auch um die Forderung der Linken,
die Risiken der Riester-Rente offenzulegen, bzw. den
Antrag der Linken mit dem Titel „Riester-Förderung in
die gesetzliche Rente überführen“. Meine lieben Kolle-
ginnen und Kollegen von den Linken, ich denke, Sie
können uns nicht absprechen, dass wir genau wie Sie
möchten, dass jeder sein Lebensmodell leben kann, dass
jeder ein auskömmliches Gehalt bzw. einen auskömmli-
chen Lohn bekommt und dass jeder im Alter von seiner
Rente leben kann.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das Gegenteil davon haben Sie gemacht!)


Ich bitte Sie, endlich einmal davon Abstand zu nehmen,
hier etwas aufzubauschen, was nicht stimmt.

Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen:
Wir fordern einen Mindestlohn von 8,50 Euro. Was sa-
gen Sie jetzt? Mindestens 10 Euro! In Ihrem Antrag
steht, dass das Rentenniveau auf 73 Prozent festge-
schrieben werden muss.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 53 Prozent!)


– Entschuldigung, 53 Prozent. – Meine Frage lautet: Wa-
rum nicht 55 Prozent? Warum nicht 60 Prozent?


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das kann ich Ihnen erklären!)


Wir zum Beispiel sagen in unserem Rentenkonzept:
Mindestens 50 Prozent, und da soll gedeckelt werden; da
wollen wir hin. Warum fordern Sie jetzt 53 Prozent?


(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weil 53 Prozent das Niveau waren, als Sie angefangen haben, das mit Riester abzusenken!)


Ist diese Strategie nicht ein bisschen durchsichtig?


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber deutlich mehr, als Sie wollen!)


Zum Thema Riestern. Sie fordern, dass diese Förde-
rung in die gesetzliche Altersvorsorge zurück überführt
wird. Ich möchte die Rechnung, die Sie hier immer ver-
schweigen, weil Sie hier zwar viele Dinge ansprechen,
aber nicht konkret werden, einmal aufmachen: Wir hat-
ten – das belegen die offiziellen Statistiken – Mitte 2012
rund 20,6 Millionen Rentner


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt!)


und 34 Millionen Erwerbstätige, die dementsprechend in
die Rentenkasse eingezahlt haben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zahlen ein!)


Rechnen wir das einmal durch – ein Schreiben dazu
haben wir vom Staatssekretär erhalten –: Bei den
Riester-Verträgen sind im Augenblick maximal
2 100 Euro anrechenbar, die also jetzt angespart werden.
Rechnet man die steuerliche Förderung bzw. die, wie wir
sie nennen, Steuermindereinnahmen – rund 600 Millio-
nen Euro – auf jeden einzelnen Rentner um, so macht
das für jeden 30 Euro im Jahr aus. Das sind im Monat
2,50 Euro. Dafür hat Herr Gysi hier gerade so einen lan-
gen Bericht abgegeben! 2,50 Euro sind sicherlich viel
Geld für eine Rentnerin oder einen Rentner, die bzw. der
mit 500 Euro auskommen muss. Aber nennen Sie doch
einmal die tatsächlichen Nettozahlen, was unterm Strich
jeder einzelne Punkt, den Sie fordern, für die Rentnerin
oder den Rentner ausmacht!


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Machen Sie das doch einmal bei Riester!)


Aber die Steuervorteile für die jungen Familien, für
die, bei denen Kinderzuschläge und all das zu berück-
sichtigen sind, nennen Sie nicht. Denn das wollen Sie
letzten Endes aufgeben. Sagen Sie den jungen Familien,
was Sie ihnen unterm Strich an Leistungen streichen
wollen! Alles andere ist de facto unehrlich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: 16 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 16 Milliarden Euro Bundeszuschuss!)






Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)


Ich wiederhole es: Die Förderleistung im Rahmen
von Steuermindereinnahmen beträgt nach dem Schrei-
ben des Finanzministeriums 600 Millionen Euro. Dies
macht pro Rentner aufs Jahr umgerechnet 30 Euro bzw.
2,50 Euro im Monat aus. Darüber reden wir.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, wir reden über 16 Milliarden Euro!)


Wir können darüber reden – da gebe ich Ihnen recht –,
dass die Koalition sich bei der Nachbesserung im Rah-
men des Altersvorsorgegesetzes leider ausschließlich auf
die Rürup-Rente, den Wohn-Riester und dergleichen
konzentriert und es versäumt hat, die Riester-Rente stär-
ker zu fördern. Davon wären nämlich zwischen 15 und
16 Millionen Verträge betroffen gewesen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Verträge, nicht Personen!)


– Das habe ich gesagt. – Durch eine solche Verstärkung
der Förderung hätten wir die dritte Säule, das dritte
Standbein der Altersvorsorge stützen können.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und was ist mit denen, die nicht riestern?)


Ich gebe Ihnen aber recht: Zu einem schlüssigen Ren-
tenkonzept gehört wesentlich mehr, und zwar auch die
Bekämpfung der Armut von Erwerbstätigen, also im
Umkehrschluss faire und gerechte Löhne.


(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Richtig!)


Wenn wir uns darum bemühen, sollten Sie aber nicht
– was Sie immer wieder tun – populistisch Halbwahrhei-
ten aussprechen. Wenn wir hier einen großen Konsens
bekommen können – flächendeckender Mindestlohn von
8,50 Euro –: Warum stimmen Sie dem nicht zu? Warum
wollen Sie dann noch eine Kelle drauflegen und fordern
10 Euro?


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie wissen doch noch gar nicht, ob wir da zustimmen!)


Angenommen, wir sagen: 10 Euro. Dann sagen Sie
schlussendlich: 11 Euro.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist genau das Spiel, Frau Kollegin Hinz! So wollen die das spielen!)


Das ist Ihre Strategie. Seien wir doch einmal ehrlich!


(Jens Ackermann [FDP]: 15 Euro! – Weiterer Zuruf von der FDP: 15,70 Euro!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722605800

Frau Kollegin Hinz, erlauben Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Ernst von der Linken?


(Jens Ackermann [FDP]: 15 Euro und einen Porsche für jeden!)



Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1722605900

Ja, gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722606000

Bitte schön, Herr Ernst.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722606100

Frau Kollegin, danke, dass Sie die Zwischenfrage und

die Bemerkung zulassen.

Sind Sie erstens bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass
die 10 Euro, die wir fordern, im Gegensatz zu den
8,50 Euro, die Sie fordern, dazu führen würden, dass die
Rente, die ein zu diesem Stundenlohn Beschäftigter bis
an sein Lebensende kriegt, tatsächlich über dem Niveau
der Grundsicherung liegen würde? Bei Ihrem Konzept
würde sie darunter liegen.

Sind Sie zweitens bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
dass wir schon einmal ein Rentensicherungsniveau von
53 Prozent hatten – Sie haben ja gefragt, woher unsere
53 Prozent kommen – und dass diese 53 Prozent insbe-
sondere durch die Maßnahmen der rot-grünen Regierung
drastisch abgesenkt wurden, was bis zum Jahr 2030
letztendlich zu einer Kürzung um 10 Prozent führen
könnte? Sind Sie deshalb auch bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass wir, wenn wir ein Rentensicherungsniveau
von 53 Prozent in die Welt setzen, damit eigentlich nur
wieder auf das alte Niveau zurückgehen, das unter einer
früheren Regierung, unter Blüm, einmal üblich war?


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sozusagen eine Mindestforderung!)



Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1722606200

Danke, Herr Ernst, für Ihre Frage bzw. Ihren Kom-

mentar.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Danke für Ihre Aufklärung!)


Ich nähme gerne zur Kenntnis, dass ich recht habe.
Wenn wir hier gemeinsam einen flächendeckenden Min-
destlohn von mindestens – ich sage: mindestens –
8,50 Euro beschließen würden, dann würden wir ge-
meinsam etwas auf den Weg bringen. Ihre permanente
Verhinderungstaktik,


(Widerspruch bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie haben doch hier im Bundestag dagegen gestimmt! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wie bitte? Sie haben doch immer dagegen gestimmt! Sie haben abgelehnt!)


immer etwas mehr zu fordern, statt einen Konsens für
die Menschen, für die Rentnerinnen und Rentner und für
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, zu finden,
nehme ich zur Kenntnis. Mögen Sie zur Kenntnis neh-
men, dass wir Sie einladen, unser Rentenkonzept mit auf
den Weg zu bringen, um etwas für die Menschen drau-
ßen zu tun!


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Darüber können wir verhandeln!)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722606300

Würden Sie auch eine Zwischenfrage der Kollegin

Golze entgegennehmen?


Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1722606400

Ja, gerne. Natürlich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722606500

Bitte schön.


(Jens Ackermann [FDP]: Kann man die Zwischenfragen vielleicht zusammenfassen?)


– Ich sage aber: Das war jetzt auch die letzte Zwischen-
frage, die ich zulasse.


Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722606600

Vielen Dank, Herr Präsident, dass Sie die Zwischen-

frage zulassen, und vielen Dank, Frau Kollegin, dass
auch Sie dies tun. – Ich möchte Sie einfach nur fragen,
ob Sie bereit sind, zur Kenntnis zu nehmen, dass es ge-
rade heute im Bundesrat eine Abstimmung über einen
flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn gibt, dem
auch das Bundesland Brandenburg – bekanntlich regiert
von SPD und Linken – zustimmen wird, weil wir natür-
lich einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn
gemeinsam durchsetzen wollen. Aber wir wollen eben
nicht bei 8,50 Euro aufhören, sondern sagen gleich, in
welche Richtung es gehen soll.

Natürlich ist die Linke für einen flächendeckenden
gesetzlichen Mindestlohn, und dies nicht erst seit heute,
wie mein Kollege Gysi vorhin bereits ausgeführt hat.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1722606700

Vielen Dank. Auch ich habe hier gerade bereits deut-

lich gemacht, dass zeitgleich im Bundesrat das Thema
„flächendeckender Mindestlohn“ beraten wird. Insofern
habe ich es zur Kenntnis genommen. Ich nehme es gerne
noch einmal zur Kenntnis. Ferner nehme ich gerne zur
Kenntnis, dass Sie in der Koalition in Brandenburg unse-
rem Vorschlag im Bundesrat zustimmen werden, dass
wir also die Einführung eines gemeinsamen flächende-
ckenden Mindestlohns beschließen werden. Wenn ich es
heute Morgen richtig verstanden habe, soll eine Kom-
mission eingesetzt werden,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das steht auch in unseren Anträgen lange drin!)


die den Betrag entsprechend festlegt. Ich habe das alles
zur Kenntnis genommen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ist ja gut, dass Sie das endlich zur Kenntnis neh men!)


Ich freue mich, dass Sie mir die Gelegenheit geben, hier
noch einmal zu sagen, dass wir heute aufgrund der
Mehrheit der sozialdemokratisch geführten Länder in
unterschiedlichen Koalitionen die Chance haben, im
Bundesrat die Einführung eines Mindestlohns gemein-
sam zu beschließen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Hätten wir schon längst haben können, wenn Sie nicht blockiert hätten!)


Insofern ganz herzlichen Dank für Ihre Zwischenfrage.
Ich habe es zur Kenntnis genommen.

Zur Sicherung des Auskommens im Alter gehört we-
sentlich mehr. Das beginnt bereits bei der Bildung und
geht weiter bei der Ausbildung. Danach muss man auch
einen Arbeitsvertrag bekommen, nicht nur permanent
befristete Verträge, nicht nur Praktikastellen, sondern
tatsächlich vernünftige Arbeitsverhältnisse.

Ich fand es bezeichnend, dass Herr Blüm Familienmi-
nisterin Schröder in einer Talkshow am Sonntag ein „un-
genügend“ in ihr Zeugnis, um einmal in dieser Sprache
zu bleiben, geschrieben hat. Er hat ganz klar gesagt, dass
diese Regierung nichts getan hat. Sie hat weder das Pro-
blem der befristeten Verträge gelöst, noch ist sie das
Thema der Praktika angegangen noch das Thema Frau-
enförderung, und noch hat sie dafür gesorgt, dass für
gleiche Arbeit gleich viel Geld gezahlt wird. Dies alles
hat Norbert Blüm in dieser Sendung gesagt. Wer ist in
der Verantwortung? Sie sind in der Verantwortung.


(Jens Ackermann [FDP]: Sie gucken zu viel Fernsehen!)


Damit hat er Ihnen ganz klar gesagt, dass Sie eine fehl-
geleitete Politik machen.

Wir stehen für eine Solidarrente.


(Zuruf von der FDP: Und für Steuern!)


Wir stehen dafür, dass die Brücke ins Rentenalter ausge-
baut werden soll. Auch die Frage des Rentenniveaus und
die Frage der Beitragsentwicklung sind wir in unserem
Rentenkonzept angegangen. Seien wir doch einmal ehr-
lich. Was hat die Bundesregierung zuletzt gemacht? Sie
hat den Beitrag von 19,6 auf 18,9 Prozent gesenkt.


(Jens Ackermann [FDP]: Bravo!)


Das ist zwar kurzfristig wunderbar – jeder Arbeitnehmer
freut sich darüber –, aber langfristig ist das für unsere
Rentenkassen eine absolut fehlgeleitete Politik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann Ihnen nur sagen, Frau von der Leyen: Alles,
was Sie bisher auf den Weg gebracht haben, waren An-
kündigungen. Ihre eigenen Kabinettskollegen haben alle
Maßnahmen wieder eingestampft. Von der Quote ist nur
noch eine Flexiquote übrig geblieben. Von den geplanten
Maßnahmen zur besseren Teilhabe von Frauen ist gar
nichts übrig geblieben, weil Sie, die Kanzlerin und die
Familienministerin keinen Konsens finden konnten.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir sind froh, wenn der
22. September kommt. Dann wird diese Regierung abge-
wählt, und wir können für die Menschen die richtigen
Alternativen auf den Weg bringen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722606800

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege

Dr. Heinrich Kolb.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1722606900

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Frau Kollegin Hinz, was den 22. September anbe-
langt, fällt mir ein altes Sprichwort ein: Hoffen und Har-
ren hält manchen zum Narren.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das müssen Sie gerade sagen!)


Wir sollten einmal abwarten, wie die Ergebnisse nach
dem Wahlkampf wirklich aussehen. Ich glaube, es wird
für die rechte Seite des Hauses besser sein, als Sie im
Moment zu erwarten bereit sind.

Gregor Gysis rentenpolitischer Gemischtwarenladen
hat heute Morgen wieder geöffnet, und eine ganze Reihe
von Lockvogelangeboten liegen im Schaufenster. Das
Unternehmen ist übrigens mit ungedeckten Schecks fi-
nanziert.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt nicht!)


Das muss man dazusagen. Man muss sich überlegen, wie
man damit umgeht. Man kann es komplett ignorieren
und die Gelegenheit nutzen, zu anderen Themen etwas
zu sagen – das habe ich jetzt ein paarmal so gemacht –,
oder man kann wirklich versuchen, das einmal Punkt für
Punkt durchzugehen. Das will ich gleich einmal tun.

Eine Vorbemerkung möchte ich machen, weil hier
heute Morgen immer wieder andere renten- und sozial-
politische Baustellen angesprochen werden. Wir hatten
gestern schon eine Aktuelle Stunde zum Mindestlohn.
Mir fällt bei den Kollegen der Opposition eines auf: Sie
versteigen sich hier mehr und mehr zu einem Mindest-
Mindestlohn. Das Ganze soll ja unpolitisch stattfinden.
Eine Kommission soll die richtige Höhe festlegen, aber
mindestens die oder die Zahl soll dabei herauskommen.
Dazu kann ich nur sagen: Unpolitische Lohnfestlegung
sieht anders aus. Aus gutem Grund ist die Mehrheit in
diesem Hause der Meinung, dass Tariffindung eine Auf-
gabe der Tarifpartner ist und die Politik ihre Finger aus
diesem Spiel heraushalten soll.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sehen die Gewerkschaften ganz anders!)


In Gregor Gysis Rentenladen lässt vielfach das Schla-
raffenland grüßen. Sie sind ja Meister darin, immer wie-
der die gleichen Forderungen vorzutragen; Sie sind auch
durch nichts von falschen Grundannahmen abzubringen.
Trotzdem will ich es heute noch einmal versuchen.

Sie sagen zum Beispiel, das Rentenniveau sinke dra-
matisch durch falsche politische Entscheidungen. Da
kann ich nur sagen: Offensichtlich hat die Fraktion der
Linken eine Version des Alterssicherungsberichtes be-

kommen, in dem die Seite 175 fehlt. Auf der kann man
nämlich übersichtlich nachlesen, dass wir im Jahr 2020
mit einem durchschnittlichen Gesamtversorgungsniveau
von 70,7 Prozent netto rechnen können,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was? Sagen Sie bitte „Sicherungssysteme vor Steuer“! Sonst führen Sie die Leute in die Irre!)


2030 sogar mit einem Gesamtversorgungsniveau von
72,8 Prozent.

Ganz wichtig für Sie – manche im Haus sind ja nicht
bereit, das zur Kenntnis zu nehmen –: Der Nachhaltig-
keitsfaktor wirkt nur dann und nur in dem Maße negativ
auf das Rentenniveau, wenn und wie die Zahl der Rent-
ner schneller wächst als die der Beitragszahler. Dem sind
wir allerdings auch nicht ohne Gegenwehr ausgeliefert.
Vielmehr haben wir es doch selbst in der Hand, welche
Seite sich am Ende besser entwickelt.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)


Davon hängt also das zukünftige Rentenniveau ab. Wir
sind auf diesem Gebiet nachgewiesenermaßen erfolg-
reich; das möchte ich hier deutlich festhalten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Rentenniveau sinkt von Jahr zu Jahr!)


Die Beschäftigung hat im vergangenen Jahr mit
41,1 Millionen Personen ein Rekordniveau erreicht und
liegt auf dem höchsten Stand seit der Wiedervereini-
gung. Die neu geschaffenen Arbeitsverhältnisse sind fast
ausschließlich sozialversicherungspflichtige Arbeitsver-
hältnisse und sind zum größten Teil im Vollzeitbereich
entstanden.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Die Löhne sind oft viel zu niedrig!)


Auch dies möchte ich hier einmal sagen, um mit der Mär
aufzuräumen, es gebe in Deutschland nur noch prekäre
Beschäftigung und alle Arbeitsplätze, die neu entstün-
den, seien inakzeptabel. Das Gegenteil ist der Fall. Diese
Regierung hat diesen Erfolg auf ihrem Konto zu verbu-
chen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Petra Hinz [Essen] [SPD]: In keinster Weise! – Bettina Hagedorn [SPD]: Da können Sie wirklich nichts für!)


Wenn die Regierung so weitermacht wie bisher und
künftig auch mehr Arbeitnehmer mehr Beiträge einbe-
zahlen, dann ist dies ein Weg, um im Jahr 2030 ein höhe-
res Rentenniveau zu erreichen, als man bisher erwarten
konnte.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber nicht lebensstandardsichernd!)


Wir sind im Moment auch deutlich besser unterwegs, als
dies frühere Regierungen prognostiziert hatten.





Dr. Heinrich L. Kolb


(A) (C)



(D)(B)


Als weiteren Punkt hat Gregor Gysi angesprochen,
dass die Riester-Förderung verfehlt sei und an die fal-
schen Menschen gehe. Deswegen kommt er zu dem Er-
gebnis, dass man die Riester-Förderung einstellen
müsse. Das ist der Weg zurück in die rentenpolitische
Steinzeit, Herr Kollege Gysi.


(Zurufe von der LINKEN)


Sie behaupten also, die Riester-Rente sei ein Flop. Aus-
weislich der Zahlen des Alterssicherungsberichtes 2012
kann man feststellen, dass inzwischen mehr als 70 Pro-
zent aller Arbeitnehmer einen zusätzlichen Anspruch aus
einer betrieblichen oder einer Riester-Rente besitzen. Es
gibt 9,6 Millionen Riester-Verträge, 15,6 Millionen Be-
triebsanwartschaften. Aber – jetzt kommt es, Herr Gysi –
27 Prozent der Zulagenempfänger – das sind 2,5 Millio-
nen Menschen in diesem Lande – bekommen die staatli-
che Zulage für ein Jahreseinkommen von unter
10 000 Euro.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen Sie einmal, wie viele nicht riestern!)


Weitere 20,3 Prozent bekommen die Zulage für ein Jah-
reseinkommen von unter 20 000 Euro, weitere 19,3 Pro-
zent für ein Jahreseinkommen von unter 30 000 Euro.
Da sind wir immer noch nicht in Bereichen, die Sie viel-
leicht als Höchstverdiener bezeichnen würden.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was kommt hinten heraus bei Riester?)


Aber das heißt im Klartext: Mehr als zwei Drittel der
staatlichen Zulagen in diesem Bereich gehen an Men-
schen mit einem Jahreseinkommen von unter
30 000 Euro. Das nenne ich im Unterschied zu Ihnen,
Herr Kollege Gysi, zielgenau und fair. Genau dies ist
auch der Grund dafür, dass wir an dieser Art der Förde-
rung in Zukunft festhalten wollen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie sagen nicht, was hinten herauskommt bei denen!)


– Jetzt zur Frage, was hinten herauskommt.

Das Problem bleibt – dafür haben Sie ja ein Beispiel
gebracht, Herr Gysi –: Erworbene private und betriebli-
che Zusatzansprüche werden bei der Grundsicherung
gnadenlos angerechnet und dann eben auch weggenom-
men. Gerade Geringverdiener sind nicht schlecht im
Rechnen. Das unterstelle ich hier ausdrücklich, und dies
ist auch richtig so. Sie wissen genau, dass sie im Falle
der Grundsicherung am Ende keinen Euro mehr bekom-
men werden. Das ist ein rot-grüner Webfehler gewesen.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das hätten Sie ändern können! Warum haben Sie das nicht im Gesetz gemacht? – Bettina Hagedorn [SPD]: Drei Jahre Zeit!)


Das ist auch genau der Grund dafür, warum wir als FDP
ein Freibetragsmodell vorschlagen. Danach sollen min-
destens 100 Euro als Sockel nicht angerechnet werden,
darüber hinaus sollen weitere 20 Prozent anrechnungs-
frei bleiben. Das ist ein Signal, das gerade an junge

Menschen in unserem Lande gegeben werden muss, und
das ist etwas, wofür wir in dieser Koalition eintreten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bettina Hagedorn [SPD]: Machen Sie doch einmal ein Gesetz!)


Ich will zum Schluss noch sagen und damit vielleicht
doch noch ein bisschen werben: Uns treibt die Frage um,
wie wir in der Rentenpolitik die Flexibilisierung des
Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand besser
gestalten können. Das ist unsere Antwort auf die Rente
mit 67, die Sie ja auch ablehnen. Ich glaube, es ist ein
lohnenswertes Ziel, dass Menschen, die sich oberhalb
der Grundsicherung befinden, ab einem Alter von
60 Jahren frei entscheiden und frei wählen können, in
welchem Umfang sie noch erwerbstätig sein wollen.
Dann soll ihnen der Staat auch nicht mehr vorschreiben,
ob und was sie zuverdienen können. Das wird eine wich-
tige Entscheidung der Zukunft sein, die ich ganz am
Schluss noch aus dem Potpourri der Themen herausgrei-
fen will.

Denken Sie einmal darüber nach, wie man es schaffen
kann, dass Menschen möglichst lange am Erwerbsleben
teilhaben, aber auf der Basis ihrer eigenen freien Ent-
scheidung! Das ist es, was wir erreichen müssen. Denn
das Beste, was man den Menschen empfehlen kann, ist,
möglichst lange dabeizubleiben und nicht möglichst früh
in Rente zu gehen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722607000

Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Wolfgang

Strengmann-Kuhn vom Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
diskutieren heute über neun Anträge der Fraktion Die
Linke zur Rente. Ich will gerne konstatieren, dass Ihre
Problembeschreibung zu einem großen Teil richtig ist,
die Maßnahmen, die Sie vorschlagen, sind es allerdings
nur teilweise. Deswegen werden wir Ihre Anträge zum
Teil ablehnen, zum Teil aber auch nicht.

Viel spannender ist aber, was die Bundesregierung
bisher zum Thema Rente vorgelegt hat, nämlich


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nichts!)

nichts – gar nichts, überhaupt nichts, nada, rien, nothing.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Seit drei Jahren stellen Sie die Regierung. Aber zum
Thema Rente hört man von Ihnen nur Ankündigungen.
Das war auch heute wieder der Fall. Sie sagen, Sie wol-
len die Armen, die Alten, die Kinder und wen sonst noch
alles retten. Aber nichts ist passiert, weder beim Min-
destlohn noch bei der Ost-West-Rentenangleichung, die
im Koalitionsvertrag steht.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: So ist es! Skandal!)






Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) (C)



(D)(B)


Sie wollten die Selbstständigen besser absichern; davon
ist nichts mehr zu hören. In dieser Woche haben wir eine
Diskussion über Ghettorenten geführt. Es gibt keine Vor-
schläge der Bundesregierung, wie die vorhandene Lücke
zu schließen ist.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Zuschussrente usw.!)


Außerdem führten wir Debatten über DDR-Flüchtlinge
und über Geschiedene aus der DDR, die benachteiligt
sind.


(Zuruf von der FDP: Gucken Sie da mal lieber zu Gregor Gysi!)


Auch hier will die Regierung nichts unternehmen, und
das trotz eines entsprechenden Bundesratsbeschlusses.

Das Megathema ist die drohende Altersarmut. Dazu
sagt die Bundesarbeitsministerin schon seit Jahren: Ja,
da muss etwas passieren. Die Lebensleistung muss sich
lohnen, insbesondere für diejenigen, die lange etwas ge-
leistet haben. – Was liegt vor? Nichts, überhaupt nichts!
Die Lebensleistungsrente ist doch nur ein Begriff. Es
gibt aber überhaupt kein Konzept. Die Koalitionsrunde
hat zwar beschlossen, dass 40 Beitragsjahre die Voraus-
setzung für den Bezug der Lebensleistungsrente sein sol-
len. Aber selbst bei der Höhe gibt es unterschiedliche
Meinungen. Frau von der Leyen hat gesagt: Die Lebens-
leistungsrente ist das Gleiche wie das, was ich vorher als
Zuschussrente bezeichnet habe. – Da hat dann aber so-
fort die FDP interveniert – Herr Kolb nickt – und gesagt:
Nein, sie ist nicht das Gleiche wie die Zuschussrente; sie
ist niedriger. – Wahrscheinlich würde er noch hinzufü-
gen: einfacher und gerechter.


(Heiterkeit des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist also etwas ganz anderes, aber es gibt kein Kon-
zept.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: So ist es!)


Die Regierung hat bisher rein gar nichts vorgelegt. Ich
prognostiziere: Zu diesem Thema wird es auch nichts
mehr geben. Deswegen werde ich meine restliche Rede-
zeit nutzen, um unser Konzept darzustellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dann werden auch die Unterschiede zu den Konzepten
der beiden anderen Oppositionsfraktionen deutlich; bei
Schwarz-Gelb gibt es da ja, wie gesagt, nichts.

Wir sind der Meinung, dass die gesetzliche Renten-
versicherung die zentrale und noch zu stärkende Säule
der Alterssicherung ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen wollen wir die Rente schrittweise zu einer
Bürgerinnen- und Bürgerversicherung weiterentwickeln,
in die alle Bürger Beiträge auf alle Einkunftsarten unab-
hängig vom Erwerbsstatus einzahlen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt wird es interessant!)


Es ist klar, dass wir das nicht von heute auf morgen hin-
bekommen; das wird ein langer Prozess sein. Aber für
uns ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass alle Men-
schen in der gleichen Art und Weise für das Alter abgesi-
chert sind.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das gilt übrigens auch für Politikerinnen und Politiker.

Durch diese Bürgerversicherung werden Versiche-
rungslücken geschlossen, eigene Ansprüche, die präven-
tiv vor Altersarmut schützen, aufgebaut, und die Rente
wird nachhaltig finanziert.


(Zuruf von der FDP: Was heißt denn das konkret?)


Für uns sind stabile Rentenversicherungsbeitragssätze
ein wichtiges Ziel; das unterscheidet uns fundamental
von den Linken. Im Übrigen ist es so, dass die Beiträge
komplett von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mern gezahlt werden müssen.


(Zuruf von der SPD: Und von den Arbeitgebern!)


Unter anderem deswegen sind wir dagegen, dass es Ren-
tenversicherungsbeitragssätze von 26, 27 oder 28 Pro-
zent geben soll. Die Menschen sind genug belastet. Wir
wollen stabile Rentenversicherungsbeitragssätze.

Gleichzeitig ist uns aber auch ein angemessen hohes
Rentenniveau wichtig. Wir wollen, dass unser Renten-
system über Generationen hinaus Vertrauen genießt.
Junge Menschen, die lange in die Rentenversicherung
eingezahlt haben, müssen im Alter auch eine angemes-
sene Rente erhalten. Würde das Rentenniveau deutlich
sinken, wären viele von Armut bedroht. Das wäre eine
Legitimationskrise der Rentenversicherung. Das wollen
wir verhindern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kolb hat eben den Mechanismus des von uns
eingeführten Nachhaltigkeitsfaktors gut beschrieben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wieder eingeführt!)


– Nein, der demografische Faktor hat anders funktio-
niert. – Dabei geht es nämlich um das Verhältnis von
Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern zu Rentnerin-
nen und Rentnern. Wenn wir eine Bürgerversicherung
haben, dann gibt es mehr Beitragszahlerinnen und Bei-
tragszahler. Dadurch können wir zu einem angemesse-
nen Rentenniveau bei stabilen Beiträgen kommen.

Zusätzlich müssen wir natürlich beim Arbeitsmarkt
ansetzen. Wir brauchen eine höhere Erwerbsbeteiligung
insbesondere von Frauen und Älteren, und wir müssen
endlich den Bereich der prekären Beschäftigung ein-
grenzen, wodurch auch mehr Beiträge gezahlt werden.
Auch dadurch würde das Rentenniveau steigen.

Das ist unser Ansatz. Steigende Beiträge sind keine
Lösung.





Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) (C)



(D)(B)


Zu einem guten Verhältnis von Beiträgen zum Ren-
tenniveau trägt übrigens auch die Anhebung der Alters-
grenze bei. Wenn es gelingt, dass die Menschen länger
arbeiten, erhöhen wir damit die Einnahmen der Renten-
versicherung und damit auch die Renten. Das heißt, die
Alternative zur Rente mit 67 sind nicht nur höhere Bei-
träge, sondern auch ein geringeres Rentenniveau. Des-
wegen halten wir die langsame und schrittweise Anhe-
bung der Regelaltersgrenze auf 67 bis zum Jahr 2031 für
richtig.

Wir wollen aber flexible Übergänge in den Ruhestand
schaffen. Die Menschen sollen möglichst selbstbestimmt
entscheiden können, wann und in welchem Umfang sie
in Rente gehen. Wer will, soll schon mit 60 in Rente ge-
hen können. Insbesondere wollen wir, dass Menschen ab
60 eine Teilrente beziehen können,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann müssen Sie auch sagen, von wem Sie das abgeschrieben haben, Herr Kollege!)


um einen gleitenden Übergang in den Ruhestand und
längeres Arbeiten zu ermöglichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722607100

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Ernst von den Linken?


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ja, immer gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722607200

Bitte schön, Herr Ernst.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722607300

Danke, Herr Kollege. – Ich möchte eigentlich nur

eine Frage stellen. Sie bestreiten sicherlich nicht, dass
nur 9,9 Prozent der Altersgruppe der 64-Jährigen eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben. Vor-
hin wurden die Zahlen genannt. Bei den Frauen ist der
Anteil noch deutlich geringer. Das ist der Istzustand.

Wir haben aber schon jetzt begonnen, die Rente mit
67 bzw. erst ab 67 einzuführen. Sind Sie mit mir der
Auffassung, dass das für 90 Prozent der sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigten, die das betrifft, schon eine
Rentenkürzung ist?


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein!)


Haben Sie auch zur Kenntnis genommen, dass die
Zahl derer, die in dieser Altersgruppe eine sozialversi-
cherungspflichtige Beschäftigung hat, eher abnimmt,


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind doch erst am Anfang der Phase! 2031!)


und dass wir damit rechnen können, dass das, was wir
zum jetzigen Zeitpunkt tun und das sich in den nächsten

20 Jahren vermutlich nicht dramatisch ändern wird, dazu
führt, dass die Rente erst ab 67 für die Menschen tat-
sächlich eine reine Rentenkürzung ist? Denn pro Jahr,
das die Menschen vor dem 67. Lebensjahr in Rente ge-
hen, müssen sie bis ans Lebensende einen Rentenab-
schlag von 3,6 Prozent jährlich – also 7,2 Prozent für
zwei Jahre – hinnehmen.


(Beifall bei der LINKEN)



(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich stimme Ihnen zum Teil zu. Die Zahl 90 Prozent
stimmt wahrscheinlich nicht. Wir müssen uns die empi-
rischen Zahlen noch einmal genau ansehen. Denn es sind
nicht nur die Erwerbstätigen, die keine Rentenkürzungen
erfahren,


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sozialversicherungspflichtige!)


sondern auch andere. Ich empfehle dazu das Gutachten
des Wissenschaftlichen Beirats zur Rente – es ist vor-
letztes Jahr vorgelegt worden –, in dem für die einzelnen
Gruppen beschrieben ist, wo eine Rentenkürzung drohen
könnte.

Womit Sie aber grundsätzlich recht haben: Es gibt
eine Gruppe, die das nicht erreicht. Für sie ist es tatsäch-
lich eine Rentenkürzung. Ich hatte gesagt: Im Durch-
schnitt ist es eine Verbesserung und eine Erhöhung des
Rentenniveaus. In der Tat führt die Rente mit 67 dazu,
dass die Schere ein Stück weit auseinandergeht. Für die-
jenigen, die schwächer sind und nicht so lange arbeiten
können, ist es eine Rentenkürzung. Im Grundsatz ist es
aber eine Rentenerhöhung.

Aber gerade bei diesem Verteilungsproblem müssen
wir unbedingt und dringend ansetzen. Wir müssen dafür
sorgen, dass auch diejenigen, die nicht so lange arbeiten
können, vernünftig abgesichert sind. Die Teilrente ist ein
Beispiel. Wir müssen bei der Erwerbsminderungsrente
dafür sorgen, dass diejenigen, die aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr arbeiten können, keine Abschläge
mehr in Kauf nehmen müssen. Das ist ein ganz wichtiger
Punkt. Wir müssen auch sonst dafür Sorge tragen, dass
wir zu fließenden Übergängen in den Ruhestand kom-
men.

Last, not least – dazu komme ich gleich noch ausführ-
licher – müssen wir dafür sorgen, dass die Rente mit 67
nicht dazu führt, dass der Lebensstandard der Menschen
unter ein Mindestniveau sinkt. Deswegen haben wir das
Konzept der grünen Garantierente, mit dem erreicht wer-
den soll, dass alle, die 30 Versicherungsjahre haben, we-
nigstens ein Minimum bekommen, das über der durch-
schnittlichen Grundsicherung liegt.

Das Problem ist von der Tendenz her durchaus richtig
beschrieben; aber wir haben noch 20 Jahre Zeit, um die
Voraussetzungen zu schaffen. Ob die Verlängerung der
Regelalterszeit um bisher zwei Monate tatsächlich zu
Rentenkürzungen geführt hat, müssen wir empirisch un-
tersuchen. Meine Vermutung ist, dass das nicht in nen-
nenswertem Umfang der Fall gewesen sein wird. Wir





Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn


(A) (C)



(D)(B)


werden 2014 einen Bericht zur Rente mit 67 vorlegen.
Die Ergebnisse werden wir uns genau anschauen und un-
sere Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Nun zu der Garantierente, die wir Grüne vorschlagen.
Ich habe gerade schon gesagt: Im Gegensatz zu vielen
anderen Ländern in Europa gibt es in Deutschland kein
Mindestniveau in der Rente. Die Bürgerinnen und Bür-
ger müssen sich aber darauf verlassen können, dass sie
als langjährig Versicherte im Alter in der Regel nicht auf
Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind. Ein
großer Teil der Bevölkerung hat allerdings kein Ver-
trauen mehr in die gesetzliche Rentenversicherung.
Viele fragen sich, ob sie in der Rentenversicherung noch
ausreichend Rentenansprüche erwerben können, um im
Alter über ein ausreichendes Einkommen zu verfügen.
Deswegen wollen wir eine steuerfinanzierte Garantie-
rente einführen, durch die für Menschen mit 30 Versi-
cherungsjahren ein Mindestniveau von 30 Entgeltpunk-
ten – das sind zurzeit circa 850 Euro – in der Rente
garantiert wird; das liegt über dem durchschnittlichen
Grundsicherungsniveau. Das ist notwendig als Schutz
vor Armut, aber auch um die Akzeptanz der Rentenver-
sicherung zu erhöhen.

Die grüne Garantierente ist so ausgestaltet – darin un-
terscheidet sie sich von dem Konzept der SPD, insbeson-
dere aber von dem der CDU/CSU –, dass sie auch und
insbesondere für Frauen mit geringem Einkommen und
Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Kindererziehung
erreichbar ist.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Ministerin hört gar nicht zu!)


Für die Solidarrente der SPD wären 40 Versicherungs-
jahre, für die Lebensleistungsrente der CDU/CSU sogar
40 Beitragsjahre erforderlich. Das ist für einen Großteil
der Menschen in Deutschland, die von Altersarmut be-
droht sind, überhaupt nicht erreichbar. Wir brauchen ein
Mindestniveau in der Rente, das tatsächlich vor Armut
schützt, und kein Placebo.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Von allen anderen Vorschlägen, auch von der Min-
destrente der Linken, unterscheidet sich die grüne
Garantierente dadurch, dass es bei ihr keine Bedürftig-
keitsprüfung gibt. Um die sogenannte solidarische Min-
destrente zu erhalten, müssen – der Kollege Birkwald
hat das eben schon beschrieben – Einkommen und Ver-
mögen komplett offengelegt werden. Die Linke sieht so-
gar eine Obergrenze für die Wohnfläche selbstgenutzten
Wohnraums vor. Das heißt, da kommt dann jemand von
der Rentenversicherung und prüft, wie groß die Woh-
nung ist. Mit einer Mindestrente hat das nichts zu tun.
Wir brauchen keine zweite Grundsicherung; denn die
Rentenversicherung ist kein Sozialamt.

Durch die grüne Garantierente und die Weiterent-
wicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer
Bürgerversicherung schaffen wir eine stabile Basis für
die Absicherung im Alter mit einem Mindestniveau über
der durchschnittlichen Grundsicherung und einem ge-
wissen Maß an Sicherung des Lebensstandards. Auf die-

ser Basis setzen dann die weiteren Säulen der Alterssi-
cherung auf. Private und betriebliche Alterssicherung
sind wichtig für die Sicherung des Lebensstandards im
Alter. Für eine Absicherung gegen Altersarmut ist die
kapitalgedeckte Säule ungeeignet, weil sie zu risikoreich
ist. Bei der Sicherung des Lebensstandards halten wir
eine Risikomischung für richtig, weil das die Chance auf
eine höhere Rendite ermöglicht. Damit die Menschen
diese Chance tatsächlich bekommen, muss die Riester-
Rente allerdings grundlegend reformiert werden. Man-
che Riester-Produkte lohnen sich nur wegen der staatli-
chen Förderung. Viel zu viel Geld bleibt bei Banken,
Versicherungen und Vermittlern hängen. Das heißt, der
Staat fördert schlechte Finanzprodukte. Das halten wir
für falsch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen, dass die Förderung die Menschen erreicht,
die sie brauchen, und dadurch nicht der Finanzmarkt
subventioniert wird.

Eine Idee, die wir weiter verfolgen wollen, ist die ei-
nes Standardprodukts, eines Basisprodukts, das öffent-
lich organisiert wird. Die Deutsche Rentenversicherung
Baden-Württemberg nennt das Altersvorsorge-Konto.
Menschen, die keine Finanzexpertinnen und -experten
sind, brauchen einen barrierefreien Zugang zu zusätzli-
cher Altersvorsorge, bei der das Geld nicht in Provisio-
nen und Zusatzkosten versickert. Dieses Basisprodukt
soll nicht obligatorisch werden, es soll kein Zwangspro-
dukt werden. Wer es nicht in Anspruch nehmen will,
kann gerne anders vorsorgen. Aber ein solches Basispro-
dukt ist eine Möglichkeit, um insbesondere Geringver-
dienern eine bessere Absicherung im Alter zu ermögli-
chen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine grundlegende
und umfassende Reform der Alterssicherung ist drin-
gend notwendig. Wir brauchen eine nachhaltig finan-
zierte Rente mit einem festen Fundament, das vor Armut
schützt, und darauf aufbauend Säulen für die Lebens-
standardsicherung. Um die Rente für die Zukunft sicher
zu machen, müssen wir jetzt anfangen.

Schwarz-Gelb hat bei der Rente völlig versagt. Noch
205 Tage bis zum Wechsel;


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist richtig!)


dann fangen wir an, die Rente zukunftsfest zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wir haben sehr viel zu tun!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722607400

Das Wort hat der Kollege Karl Schiewerling von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Michaela Noll [CDU/CSU]: Jetzt kommt etwas Fundiertes!)







(A) (C)



(D)(B)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1722607500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Was werfen Sie uns eigent-
lich vor?


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie nichts tun! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie nichts machen!)


Werfen Sie uns vor, dass 41 Millionen Menschen er-
werbstätig sind, dass es 29 Millionen sozialversiche-
rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gibt, dass
wir eine geringe Altersarmut von 2,5 Prozent haben,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Plus Dunkelziffer!)


dass 30 Milliarden Euro in der Rücklage der Renten-
versicherung sind, dass wir entgegen allen Prognosen
den Rentenversicherungsbeitrag absenken konnten, ohne
dass die Rücklagen sofort abgeschmolzen werden? Wer-
fen Sie uns das vor?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir sind der Stabilitätsanker der Deutschen Rentenversi-
cherung und nicht die Traumtänzer der Nation wie die
Linksfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Verehrter Herr Gysi, wer den Menschen einen bunten
Rentenhimmel malt, Glocken dort oben hinhängt und
glaubt, er könnte alles versprechen, was er hinterher
nicht halten kann, der belügt das Volk wissentlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist die Versprecherin! Frau von der Leyen verspricht immer alles und hält überhaupt nichts!)


Ich sage Ihnen: Die Situation der Rente ist gut. Die
Zuhörer und Zuschauer könnten den Eindruck gewin-
nen, als wäre alles und jedes am Ende. Das ist nicht der
Fall. Ich will aber gerne zugestehen, dass es immer wie-
der schwierige Phasen gab, zum Beispiel 2001, 2002.
Ich gehörte dem Bundestag damals nicht an. Ich war
schlichter Bürger, der sich das alles politisch interessiert
angeschaut hat, und war in der Selbstverwaltung der
Rentenversicherung tätig. Ich habe natürlich nicht
schlecht gestaunt, als damals viele gesagt haben, die um-
lagefinanzierte Rente sei nicht mehr sicher und brauche
man nicht mehr; es müsse alles auf die private Vorsorge
und kapitalgedeckte Systeme umgestellt werden.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Das war die FDP! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Mehrheit war da drüben!)


Darauf hat Herr Riester reagiert und gesagt: Wir machen
eine schöne Rente, indem die Leute privat vorsorgen. –
Daraus ist die Riester-Rente geworden,


(Pascal Kober [FDP]: SPD-Minister!)


also keine Kolb-Rente, sondern eine Riester-Rente.

Diese Riester-Rente haben wir begrüßt, weil im Prin-
zip Folgendes getan wird: Es wird akzeptiert, dass wir
aufgrund der demografischen Entwicklung, von der die
kapitalgedeckten Systeme genauso betroffen sind wie
die umlagefinanzierten Systeme, auf Dauer Vorsorge be-
treiben müssen. Jeder Einzelne muss Vorsorge betreiben,
damit das Einkommensniveau im Alter in etwa gehalten
werden kann.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722607600

Entschuldigung, Herr Schiewerling, lassen Sie eine

Zwischenfrage des Kollegen Ilja Seifert zu?


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1722607700

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage zu.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722607800

Keine Zwischenfrage.


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1722607900

Zum Thema Rente gab es heute sehr viele Zwischen-

fragen. Nach uns kommen auch noch Kolleginnen und
Kollegen, die ein anderes Thema diskutieren.


(Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!)


Ich bitte jetzt, auch einmal zur Kenntnis zu nehmen, dass
wir kollegial Rücksicht auf sie zu nehmen haben. Ich
befürchte, dass der Erkenntnishorizont durch eine
Zwischenfrage nicht sonderlich steigen würde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Otto Fricke [FDP]: Sehr solidarisch!)


Ich will auf die Frage zurückkommen, wie wir das auf
Dauer regeln können. Es gibt noch eine dritte Säule,
nämlich die betriebliche Altersvorsorge. Alles zusam-
mengenommen, die umlagefinanzierte Rente, die
betriebliche Altersvorsorge und die private Vorsorge,
sichert das Einkommen im Alter. Was erlebe ich? In den
Anträgen der Linken schwingt das Pendel genau zur an-
deren Seite, und alles und jedes soll ausschließlich über
die umlagefinanzierte Rente finanziert werden. Außer-
dem sollen noch alle möglichen Personengruppen auf-
genommen werden. Jeder träumt nur davon, wie viel
Geld hereinkommt, aber keiner rechnet vor, wie hoch die
Belastungen sind, die sich aufgrund von Mitgliedschaft
und Beiträgen letztendlich automatisch daraus ergeben.
Deswegen sage ich Ihnen sehr deutlich: Das, was Sie
hier vorschlagen, ist nicht zielführend. Das dient den
Menschen nicht und schafft übrigens allenfalls eine ge-
fühlte Gleichheit, aber keine Gerechtigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, ich will Ihnen aus unserer
Sicht sehr deutlich sagen, dass wir natürlich im Blick
haben, dass die Altersarmut vermutlich steigen wird,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aha!)


weil wir wissen, dass es gebrochene Erwerbsbiografien
gibt. Wir wissen aber überhaupt nicht, wie viele es sind,


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ihr wisst gar nichts!)






Karl Schiewerling


(A) (C)



(D)(B)


weil es an keiner Stelle in Deutschland eine Übersicht
oder ein Konto gibt, anhand dessen wir sagen können,
dass Herr Sowieso oder Frau Sowieso soundso viel im
Alter haben wird. Wir kennen das Ergebnis der Renten-
versicherung. Aber was machen Sie denn, wenn jemand
behauptet, er bekomme 250 Euro Rente? Das ist sicher-
lich das blanke Elend, es sei denn, dass er noch andere
Einkommen aus Vermögen, Verpachtung oder Zinserträ-
gen hat. Möglicherweise ist der Betreffende sogar Arzt
gewesen und hat eine ganz andere Versorgung. Wir
dürfen nicht vergessen, dass es eine Vielzahl anderer
Versorgungssysteme gibt. Wie hoch das gesamte Alters-
einkommen jedes Einzelnen ist, das können wir über-
haupt nicht sagen. Wir haben keinen Überblick, weil es
keine entsprechende Stelle in der Bundesrepublik gibt.
Es wäre gut, sich Gedanken darüber zu machen, wie man
sich einen solchen Überblick verschaffen könnte.


(Zuruf von der SPD)


Das ist aber schwierig, weil hier beispielsweise daten-
schutzrechtliche Fragen berührt sind.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Deswegen brauchen wir eine Einkommensund Vermögensprüfung!)


Deswegen brauchen wir, Herr Kollege Birkwald, eben
keine allgemeine Rente für jeden,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist doch falsch!)


egal ob jemand in seinem Leben gearbeitet hat oder
nicht. Anders als Sie in Ihrer Zwischenbemerkung vor-
hin versucht haben, deutlich zu machen, interessieren
Sie sich überhaupt nicht dafür, ob einer erwerbstätig war
oder nicht erwerbstätig war, ob jemand in seinem Leben
getan hat, was er tun konnte, oder ob jemand draußen
Balalaika gespielt hat.


(Zuruf von der SPD: Also!)


Sie sagen: Egal, was jemand gemacht hat, er bekommt
eine bestimmte Rente, und dann ist Schluss. – Das haben
wir übrigens eingeführt. Das ist die Grundsicherung im
Alter. In den Genuss der Grundsicherung im Alter
kommt jeder. Tiefer fällt keiner.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die ist nicht armutsfest!)


Das ist die untere Auffanglinie, die wir in der Bundes-
republik haben. Ich sage Ihnen: Das blanke Elend wird
auch dann nicht ausbrechen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, natürlich führen wir eine
heftige Diskussion über die Frage, wie wir denn in
Zukunft vor Altersarmut schützen werden. Wie soll die
Grundlinie aussehen, die wir dort ziehen? Die Grund-
linie ist bei uns klar: Wer 40 Jahre lang gearbeitet hat
oder Kinder erzogen oder alte Eltern gepflegt hat, soll
eine Rente oberhalb der Grundsicherung erhalten.


(Zuruf von der SPD: 10 Euro!)


Alles andere ist nicht zu finanzieren und können wir da-
her den Menschen auch nicht versprechen.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wo bleibt das Konzept?)


Wir wollen Erziehungszeiten für Frauen, die vor 1992
Kinder geboren haben, rentenrechtlich anerkennen. Wir
wollen eine entsprechende Anpassung und eine sukzes-
sive Steigerung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch dafür gibt es keinen Vorschlag!)


Meine Damen und Herren, wir wollen natürlich über
diesen Weg auch Altersarmut vorbeugen


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leere Versprechungen!)


und den Menschen helfen.

Meine Damen und Herren, Rentenpolitik ist kein
Wünsch-dir-was und hat immer mehrere Grundlagen zu
beachten. Erstens ist das Äquivalenzprinzip zu berück-
sichtigen, wonach das, was jemand einzahlt, in einem
angemessenen Verhältnis zu dem steht, was er bekommt.
Zweitens hat Rentenpolitik zur Aufgabe, dass innerhalb
des Rentensystems – deswegen heißt es Solidarsystem –
auch den Menschen geholfen wird, die weniger haben.
Deswegen gibt es im Rentensystem schon heute Mecha-
nismen, die für einen entsprechenden Ausgleich sorgen.
Das Rentensystem muss darüber hinaus vor Invalidität
schützen und den Menschen, die auf Hilfe angewiesen
sind, Rehabilitation ermöglichen, damit sie länger arbei-
ten können.

Ich hoffe sehr und gehe davon aus, dass wir alles das
in der nächsten Zeit noch regeln werden.


(Zuruf von der SPD)


Aber, meine Damen und Herren, an der Rente mit 67
werden wir nicht rütteln lassen. Ich bin Herrn
Strengmann-Kuhn dankbar dafür, dass er dies aus seiner
Sicht noch einmal nachhaltig und deutlich unterstrichen
hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das hat etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. Wir
müssen doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass
wir auf der Welt nicht die Einzigen sind und dass es nach
uns noch Kinder gibt – und zwar weniger als bisher –,
die das gesamte System zu tragen haben. Wie gehen wir
eigentlich mit den zukünftigen Generationen um? Disku-
tieren wir nur im Hier und Jetzt? Ich sage Ihnen: Es mag
ja sein, dass die Linken so denken können, weil ihre Mit-
glieder überaltert sind. Wir können uns das jedenfalls
nicht erlauben.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722608000

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen

Dr. Ilja Seifert das Wort.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722608100

Vielen Dank, Herr Präsident. – Kollege Schiewerling,

Sie haben so getan, als wäre bei der Rente alles wunder-
bar. Sie haben gesagt, Vorsorge und Gerechtigkeit seien
angesagt. Jetzt sagen Sie mir bitte einmal: Wie soll
jemand, der eine DDR-Rente bekommt, noch vorsorgen,
und wie wollen Sie begründen, dass es unterschiedliche
Rentenwerte in Ost und West gibt? Wie soll jemand, der
Erwerbsminderungsrente bekommt, vorsorgen? Wo
sorgen Sie da für Gerechtigkeit? Wo wird da irgendetwas
für diejenigen getan, von denen wir geredet haben? Das
sind nur zwei Punkte aus unseren Anträgen, die ich
herausgehoben habe.

Sie tun so, als ob wir hier den Himmel buntmalen
würden. Wir wollen nur Gerechtigkeit, und zwar für die-
jenigen, die sie selber nicht herstellen können. Warum
verweigern Sie sich dem? Sagen Sie mir das bitte.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie wollen Ungerechtigkeit! – Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie wollen Ungerechtigkeit! – Gegenruf des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Was ihr wollt an neuer Ungerechtigkeit, ist unglaublich!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722608200

Herr Schiewerling, zur Erwiderung bitte.


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1722608300

Herr Kollege Seifert, für diejenigen, die heute schon

in der Rente sind – dazu gehören auch die Erwerbs-
minderungsrentner –, gilt das, was wir hier diskutieren,
nicht. Für sie gilt auch nicht das, was Sie in Ihren Anträ-
gen fordern. Vielmehr geht es um die Gestaltung der Zu-
kunft. Wir haben ja ein Rentenrecht.

Für die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die trotz des
1992 in Kraft getretenen Rentenüberleitungsgesetzes mit
ihrer Rente nicht auskommen, haben wir die Grund-
sicherung im Alter eingeführt. Ich halte das für einen
wichtigen sozialen Gesichtspunkt.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben das eingeführt!)


– Das deutsche Parlament hat das eingeführt, Frau
Kollegin Hagedorn. Vielleicht können wir uns darauf
verständigen.

Übrigens wird die Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung ab 2014 komplett vom Bund getra-
gen und nicht mehr von den Kommunen. Das wiederum
haben wir eingeführt, und damit haben wir die Kommu-
nen entlastet.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das haben wir mit Ihnen beschlossen!)


Wir haben also im Prinzip eine solche Grundsiche-
rung. Bei dem, was wir diskutieren, geht es um die
Frage: Was machen wir für die zukünftigen Rentner? Es
geht darum, hier für gerechte und für vernünftige
Strukturen zu sorgen. Wir sind dabei, dies entsprechend
zu gestalten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722608400

Jetzt hat das Wort die Kollegin Bettina Hagedorn von

der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Bettina Hagedorn (SPD):
Rede ID: ID1722608500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Wir diskutieren über neun Anträge von den Linken unter
dem Überbegriff „Rentenrecht“.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir hatten schon bis zu 17! Das ist moderat heute!)


Es ist durchaus ein bisschen ungewöhnlich, dass dazu
neun Anträge zeitgleich debattiert werden, zumal wir
über einzelne Anträge namentlich abstimmen werden.
Ich werde das Gefühl nicht los: Ein bisschen Show ist
dabei.


(Widerspruch des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


„Rente“ ist wirklich ein megawichtiges Thema für
alle Menschen in unserem Land. Es gehört sich einfach,
dass wir es mit der gebotenen Ernsthaftigkeit diskutie-
ren. Darum möchte ich nur den formalen Hinweis geben,
dass mir Ihr Vorgehen sauer aufgestoßen ist. Im Grunde
ist es so – das ist von Kollegen schon gesagt worden –,
dass Ihre Problemanalyse in weiten Teilen dieses Hauses
sehr wohl geteilt wird. Das hat sogar die Ministerin ge-
sagt; das hat der Kollege der Grünen gesagt; das will ich
Ihnen ebenfalls bestätigen. Aber die Problemanalyse ist
das eine, und die Antworten darauf sind das andere.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


An zwei Punkten werden wir uns nachher enthalten:
bei der Verbesserung der Erwerbsminderungsrente und
bei der Rente nach Mindestentgeltpunkten. Dort muss
zwar richtigerweise etwas getan werden, wir können
Ihren Vorschlägen aber nicht zustimmen und enthalten
uns deshalb, weil wir bessere Vorschläge haben. Sie sind
Bestandteil des Rentenkonzepts der SPD, das wir im
November einstimmig beschlossen haben.

Es geht an dieser Stelle vor allen Dingen um die Poli-
tik der Regierung. Der Kollege Schiewerling hat vorhin
gefragt: Was werfen Sie uns eigentlich vor? Zur Beant-
wortung dieser Frage will ich meinen Beitrag leisten.
Darum zitiere ich aus Ihrem Koalitionsvertrag:

Rente ist kein Almosen. Wer sein Leben lang hart
gearbeitet hat, der hat auch einen Anspruch auf eine
gute Rente.

Sie sagten: Eine Regierungskommission sollte Lösungen
erarbeiten. – Aber diese Regierungskommission kam nie
zustande. Was taten Sie stattdessen gleich im ersten Jahr,





Bettina Hagedorn


(A) (C)



(D)(B)


in dem Sie gemeinsam regierten? Sie strichen unter an-
derem mit Ihrem sogenannten Sparpaket ersatzlos den
Rentenbeitrag für die Langzeitarbeitslosen in diesem
Land.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: An der Front ist die SPD aber nicht unschuldig!)


Das war eine Kürzung von 1,85 Milliarden Euro pro
Jahr. In Wahrheit sparten Sie gar nichts. Das war näm-
lich „linke Tasche, rechte Tasche“. Die Beiträge für die
Langzeitarbeitslosen wurden nicht mehr bezahlt. Da-
durch wurde der Haushalt von Herrn Schäuble geschönt.
In Wahrheit fehlte das Geld natürlich in der Rentenkasse.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD hat das vorgemacht!)


Summa summarum bedeutet das, dass Sie von 2011
bis 2016 mit diesem Manöver der Rentenkasse 19,5 Mil-
liarden Euro entnommen haben.


(Otto Fricke [FDP]: Entnommen?)


Wie ging es weiter? – Frau Ministerin, Sie sind ja
großartig darin, etwas anzukündigen. Das Problem ist
aber, dass dann nichts kommt. – Dann brachten Sie einen
Rentendialog auf den Weg, der ein Jahr lang dauerte. Sie
haben mit vielen Experten gesprochen und Hochglanz-
broschüren herausgegeben. Dadurch haben Sie den An-
schein von Aktivität erweckt.

In Wahrheit ist dieser Rentendialog aber zu keinem
wirklichen Ergebnis gekommen. Das, was Sie nachher
vorschlugen, war Ihre Zuschussrente. Ihre Zuschussrente
ist nicht nur von Ihren eigenen Leuten zerrissen worden,
sondern von allen, übrigens auch von denjenigen, die an
diesem Rentendialog beteiligt waren. Die Zuschussrente
kam natürlich nicht. Im Übrigen war sie eine Fehlgeburt,
weil Sie eine sozialpolitische Leistung über Beiträge
finanzieren wollten. Das war schon einmal falsch.

Was kam als Nächstes? Als Nächstes kam die Lebens-
leistungsrente. Damit werden wir seit dem Herbst
beschäftigt. Das Problem dabei ist zum einen, dass die
Lebensleistungsrente ein falscher Vorschlag ist, weil
damit so getan wird, als würde sie eine Lebensleistung
belohnen. In Wahrheit tut sie das aber gar nicht, weil sie
eine lächerliche Erhöhung von 10 bis 15 Euro im Monat
dafür darstellt,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


dass die Menschen 40 Jahre lang in die gesetzliche Ren-
tenversicherung eingezahlt und zusätzlich privat vorge-
sorgt haben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ihre Solidarrente ist auch nicht höher!)


Das Problem ist aber zum anderen: Wo ist eigentlich
die Vorlage dazu? Das sind alles persönliche Vorschläge
der Ministerin – die zurzeit leider nicht zuhört. In dieser
Koalition besteht aber keine Einigkeit in diesem Punkt.
Darum kennen wir diesen Vorschlag bisher nur aus Ih-
rem Mund. Er liegt nicht auf dem Tisch der zuständigen
Ausschüsse. Unsere Trauer hält sich natürlich in Gren-

zen, weil wir diesem Vorschlag sowieso nicht zustim-
men würden.

Frau Ministerin, Fakt ist, dass Sie den ganzen letzten
Sommer hindurch von Talkshow zu Talkshow getingelt
sind und überall über das Thema Altersarmut gespro-
chen haben. Sie sind sogar in diesem Parlament – und
auch von mir persönlich – dafür gelobt worden, dass Sie
ein wirklich wichtiges Thema auf die Tagesordnung ge-
bracht haben. Das war gut. Frau Ministerin, es ist doch
aber nicht Ihre Aufgabe als Arbeits- und Sozialministe-
rin, Probleme zu benennen


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Aufzudecken!)


oder Analysen anzustellen, sondern Ihre Aufgabe ist es
doch, Vorschläge zur Lösung der Probleme auf den
Tisch zu legen. Darauf warten wir bis heute.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Darüber hinaus haben Sie bei den Haushaltsberatun-
gen 2013 ein weiteres Mal in unnachahmlicher Weise in
die Rentenkasse gegriffen. Zum einen haben Sie den
Vorwegabzug um 1 Milliarde Euro im Jahr 2013 und um
1,25 Milliarden Euro in den Folgejahren gekürzt. Damit
hat Herr Schäuble seinen Entwurf schöngerechnet. Das
sind 4,75 Milliarden Euro – so steht es in Ihren Unter-
lagen –, die Sie angeblich konsolidiert haben – zulasten
der Rentenkasse. Zum anderen haben Sie durch die Ab-
senkung des Beitrags von 19,6 Prozent auf 18,9 Prozent
beim Bundeshaushalt gekürzt.


(Otto Fricke [FDP]: War das falsch? – Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sicher war das falsch!)


– Es wäre schön, wenn ich ausreden dürfte.

Sie haben es aber versäumt – das ist in diesem Land
breit diskutiert worden –, die Chance zu nutzen, eine
wirklich demografiefeste Reserve aufzubauen. Dazu la-
gen Ihnen Vorschläge aus diesem Haus und auch aus
dem Bereich der Sozialpartner vor. Ich sage Ihnen ganz
deutlich: Das wäre natürlich der bessere Weg gewesen.
Wir reden über Generationengerechtigkeit. Wir reden
darüber, was zusätzlich geschehen muss. Ich weise ge-
meinsam mit den Kollegen von den Grünen ausdrücklich
auf unser Konzept hin. Wenn wir zu Verbesserungen
kommen wollen – und das wollen wir –, dann kostet das
natürlich Geld.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Also nicht Vorsorge aufbauen, sondern mehr ausgeben!)


Wir wollen in Zukunft keine unverantwortlichen
Sprünge, sondern eine nachhaltige Finanzierung der ge-
setzlichen Rente. Wir wollen eine Stärkung der Betriebs-
renten, die ein wichtiger ergänzender Beitrag sind. Auch
Riester ist ein wichtiger Teil; auch da machen wir kein
komplettes Rollback.

Richtig ist aber auch, dass man nicht alles, was man
mal gemacht hat, immer weiterführen muss. Wenn man
hinterher erkennt, dass es Fehler gegeben hat, dann muss





Bettina Hagedorn


(A) (C)



(D)(B)


man auch den Mut haben, diese im Detail zu korrigieren.
Dazu stehen wir.

Alles drei zusammengebunden ergibt eine gute
Zukunftssicherung. Dafür steht die SPD. Wir werden ab
Herbst versuchen, das gemeinsam mit Koalitionspart-
nern umzusetzen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722608600

Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Pascal

Kober.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1722608700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

will niemandem zu nahe treten, aber ich bin heute der
jüngste Redner in dieser Debatte.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jünger als der Max Straubinger? – Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Ich freue mich über alle älteren Kollegen, die in dieser
Debatte das Thema Generationengerechtigkeit explizit
angesprochen haben; denn darum geht es letztlich.
Rentenpolitik bedeutet immer, mit Maß, langfristigem
Denken und vorausschauendem Handeln an die Dinge
heranzugehen. Die kleinen Veränderungen im Renten-
versicherungssystem, in der Alterssicherung, die wir
heute beschließen, treffen in vollem Umfang sowohl im
Positiven als auch im Negativen die künftigen Genera-
tionen, Generationen, die heute noch gar nicht auf der
Welt sind. Wir müssen heute so vorausschauend han-
deln, dass wir diese Generationen im Blick haben.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Haben Sie aber nicht! – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Deswegen machen Sie nichts?)


In einer rentenpolitischen Debatte ist es angebracht,
dass man auf die Wurzeln des Systems zu sprechen
kommt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute Idee!)


Das haben einige Redner der Koalition schon überzeu-
gend getan;


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Eher weniger!)


denn die Wurzeln des Rentenversicherungssystems sind
vor allen Dingen eine gute wirtschaftliche Entwicklung
und zahlreiche sozialversicherungspflichtige Arbeits-
plätze.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


In der Frage der sozialversicherungspflichtigen Ar-
beitsplätze ist diese Regierungskoalition erfolgreicher,
als es viele Regierungskoalitionen vor ihr gewesen sind.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Auch wenn Sie es immer wieder wiederholen: Es ist nicht wahr!)


Wir haben im Moment so viele sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigte, wie es nach der Wiedervereini-
gung lange nicht der Fall war.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die jungen Leute sind nur noch befristet beschäftigt!)


Wir haben insgesamt so viele Beschäftigte in Deutsch-
land wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das ist ein ganz wichtiger Beitrag, um die Wurzeln des
Rentenversicherungssystems zu stabilisieren.

Genau deshalb, aus Überzeugung, haben wir, so wie
es im Gesetz vorgeschrieben ist, unter anderem die
Rentenversicherungsbeiträge zum 1. Januar 2013 von
19,6 auf 18,9 Prozent abgesenkt. Warum? Weil das ge-
meinsam für die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer eine
Entlastung von 6 Milliarden Euro bedeutet.


(Beifall bei der FDP)


Es wird damit eine wirtschaftliche Dynamik entfacht,
um weitere Arbeitsplätze zu schaffen und am Ende die
wirtschaftliche Stabilität in unserem Land voranzubrin-
gen, zu erhalten und weiter auszubauen. Das ist, wie
gesagt, die wichtigste Wurzel unseres Alterssicherungs-
systems.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722608800

Herr Kollege Kober, erlauben Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Gysi?


Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1722608900

Sehr gerne.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722609000

Lieber Herr Kober, Sie sprechen von der jüngeren

Generation. Die Festlegungen, die wir heute treffen,
gelten doch auch für diese jüngere Generation, wenn sie
im Rentenalter ist. Was wir also heute mit Blick auf
diese Generation versäumen, wird ihr später fehlen. –
Das ist das eine.

Das Zweite. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
dass der überwiegende Teil der prekären Beschäftigung
bei den jungen Leuten stattfindet? Ich nenne Ihnen nur
eine Zahl: Von allen Menschen bis 35 Jahre haben
55 Prozent nur noch ein befristetes Arbeitsverhältnis und
kein unbefristetes. Dann haben sie mal wieder kein
Arbeitsverhältnis. Das heißt, die ganze Erwerbsbiografie
ist durchbrochen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei Ihren Zahlen sind doch die Auszubildenden dabei!)


Wenn wir gerade bei der jungen Generation nichts
ändern, dann wird sie später in Altersarmut enden. Das
ist das Problem, das wir anschneiden wollten und wor-
über wir ganz sachlich miteinander diskutieren müssen,





Dr. Gregor Gysi


(A) (C)



(D)(B)


weil wir eine Lösung brauchen, gerade für die junge
Generation.


(Beifall bei der LINKEN)



Pascal Kober (FDP):
Rede ID: ID1722609100

Lieber Herr Kollege Gysi, ich widerspreche Ihnen bei

den empirischen Befunden, nicht aber bei der Frage, die
Sie grundsätzlich anschneiden; denn das ist der Tenor
meiner Rede. Wir müssen Folgendes leisten: Wir müssen
mehr Menschen in Beschäftigung bringen, mehr
Menschen in gut bezahlte sozialversicherungspflichtige
Beschäftigung.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das tun wir ja auch!)


Man muss an den Ursachen ansetzen, aber nicht, indem
man jetzt Ausgabenprogramme beschließt, die die künf-
tigen Generationen nicht mehr bezahlen können,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und heute zusätzliche Belastungen bzw. Steuererhöhun-
gen beschließt, die am Ende nur Arbeitsplätze gefähr-
den.

Ich glaube, Ihre Zielsetzung ist richtig. Nur, die Vor-
schläge, die Sie machen, werden genau das Gegenteil
von dem erreichen, was Sie wollen. Deshalb lehnen wir
Ihre Politik ab.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Machen Sie doch mal was! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie machen gar nichts!)


Im Übrigen lehnen wir auch die Politik von Grün und
Rot ab, und zwar genau in dem Bereich, den ich gerade
bei der Beantwortung der Frage von Herrn Gysi ange-
schnitten habe.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich verstehe bei
Grün und Rot nicht, dass Sie auf der einen Seite zwar
etwas für die Alterssicherung in der Zukunft machen
wollen – Sie müssen doch erkennen, dass die Vorausset-
zung hierfür die sozialversicherungspflichtige Beschäfti-
gung ist –, Sie aber auf der anderen Seite auf Ihren
Parteitagen und, noch schlimmer, in Ihren Wahlprogram-
men Steuererhöhungen beschließen, die den Mittelstand
und das Handwerk mit Milliarden belasten werden.


(Bettina Hagedorn [SPD]: So ein Quatsch! – Petra Ernstberger [SPD]: Haben Sie das Programm schon? Wir haben es nicht!)


Damit legen Sie die Axt an die Wurzel des Rentenversi-
cherungssystems.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Denn Sie nehmen billigend in Kauf, dass Hunderttau-
sende Arbeitsplätze verloren gehen.

Ein Zweites, was ich nicht verstehen kann, ist – Sie
wissen doch, dass wir schon heute über ein Viertel des

Bundeshaushalts als Zuschuss in die gesetzliche Renten-
versicherung einbezahlen –, dass Sie in den Ländern, in
denen Sie regieren, nicht willens sind, die Verschuldung
zurückzufahren. Grün-Rot in Baden-Württemberg – das
ist irre; das muss man sich einmal vorstellen – hat ak-
tuell 3 Milliarden Euro Steuereinnahmen mehr als die
letzte schwarz-gelbe Regierungskoalition, gibt über
5 Milliarden Euro mehr aus, treibt die Verschuldung
hoch und verspielt die Zukunft künftiger Generationen.


(Otto Fricke [FDP]: Ein Skandal ist das! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nachhaltigkeit geht anders! – Dr. Wolfgang StrengmannKuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn die Verschuldung aufgebaut? Wer hat denn da regiert?)


Das ist unverantwortlich und muss auch in einer Renten-
debatte benannt werden, weil die Zusammenhänge
offensichtlich sind. Wer heute die Verschuldung in die
Höhe treibt, wird die Alterssicherung der Zukunft nicht
erreichen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Bundesregierung hingegen nimmt das Thema
Haushaltskonsolidierung mehr als ernst.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Nein, sie deckt nur auf! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen machen Sie immer noch Schulden? Betreuungsgeld! Hotelsteuer! Das ist doch keine Konsolidierung!)


Man muss sich das einmal vorstellen: In Zeiten wie
diesen ist es dieser Regierungskoalition gelungen, die
Vorgaben der Schuldenbremse statt 2016 schon 2012
einzuhalten. Das ist eine verantwortungsvolle Politik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Uns ist es gelungen, die Ausgaben zu begrenzen. Wir
gehen nicht so vor wie die Regierungen der Länder, in
denen Sie regieren, beispielweise Rot-Grün in Nord-
rhein-Westfalen. Dort steigern Sie die Ausgaben, ob-
wohl Sie dazu überhaupt keinen Anlass haben.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn 90/DIE [GRÜNEN]: Die Schulden steigen und steigen durch Schwarz-Gelb! Sie bauen kein bisschen Schulden ab!)


Wir brauchen eine verantwortungsvolle Haushaltskonso-
lidierungspolitik – auch mit Blick auf die Sicherung der
Alterssicherungssysteme.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Deswegen brauchen wir einen Wechsel!)


Als wir über die Zukunft der Alterssicherungssysteme
und über die sozialversicherungspflichtige Beschäfti-
gung gesprochen haben, haben schon viele zu Recht
gesagt – auch Sie, Herr Gysi –, dass man etwas gegen
die unterbrochenen Erwerbsbiografien tun müsse. Da hat





Pascal Kober


(A) (C)



(D)(B)


diese Regierungskoalition schon Entscheidendes auf den
Weg gebracht.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Was denn?)


Ich nenne nur das Beispiel des Ausbaus der Kinder-
betreuung als eine wesentliche Maßnahme, um der
Unterbrechung von Erwerbsbiografien etwas entgegen-
zusetzen.


(Bettina Hagedorn [SPD]: Das war SchwarzRot! Da waren Sie nicht dabei!)


Die 4 Milliarden Euro, die von der vergangenen Regie-
rung beschlossen worden waren, hat diese Regierungs-
koalition noch einmal um knapp 600 Millionen Euro für
zusätzlich 30 000 Kinderbetreuungsplätze erhöht; das
haben wir gemacht. Wir werden darüber hinaus ab 2014
noch einmal 845 Millionen Euro jährlich für den Aus-
bau, den Erhalt und die Verbesserung der Kinderbetreu-
ung ausgeben.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und das Betreuungsgeld einführen!)


Das ist eingeplant. Das ist ein ganz wesentlicher Bau-
stein, um der Unterbrechung von Erwerbsbiografien ent-
gegenzuwirken.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Nächstes Thema. In unserer Gesellschaft darf in Zu-
kunft kein Kind mehr im Schulsystem und kein Jugend-
licher im Arbeitsmarkt verloren gehen. Was machen
wir? Wir haben ein Programm in Höhe von 400 Millio-
nen Euro auf den Weg gebracht, mit dem 4 000 Kinder-
tagesstätten speziell gefördert werden, um gerade
Kindern, die es schwer haben, Kindern mit Migrations-
hintergrund, mit Sprachproblemen, den Einstieg in unser
Bildungssystem zu erleichtern. Das ist eine ganz wesent-
liche Aufgabe, der wir uns gestellt und bei der wir eine
überzeugende Lösung auf den Weg gebracht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Wir haben – lieber Herr Gysi, auch das gehört zu
Wahrheit – gegenwärtig über 33 000 unbesetzte Aus-
bildungsplätze. Das darf nicht so bleiben, wenn man be-
denkt, dass gleichzeitig Kinder die Schule nicht schaffen
oder Jugendliche die Ausbildung nach kurzer Zeit ab-
brechen müssen. Hier müssen wir früh ansetzen.


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Wann wollen Sie das denn noch alles machen? Sie haben nicht mehr viel Zeit!)


Das alles ist ein Thema der Rentenpolitik der Zukunft.
Wir müssen heute die Ausbildungs- und Bildungsfähig-
keit der Kinder stärken. Das tun wir sehr überzeugend


(Petra Hinz [Essen] [SPD]: Wo denn? Passiert doch nichts bei dieser Regierung!)


in dem Sinne, die Wurzeln der Alterssicherung zu stär-
ken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden dies al-
les ab dem 22. September mit der gleichen Entschieden-

heit und in der gleichen Regierungskonstellation fortset-
zen. Sie werden weiter auf Ihren Plätzen sitzen und uns
dabei zusehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722609200

Jetzt hat das Wort der Kollege Peter Weiß von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1722609300

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die deutschen Rentnerinnen und Rentner interessiert
und bewegt vor allen Dingen eines: Sie wollen Sicher-
heit haben, dass die Rente monatlich ausgezahlt wird,
und sie wollen, was Rentenerhöhungen anbelangt, am
wirtschaftlichen Erfolg in Deutschland teilhaben
können.


(Mechthild Rawert [SPD]: 10 Euro! 5 Euro!)


Die entscheidende, wichtigste Nachricht, die es heute
gibt, ist deswegen, dass wir in der Rentenversicherung
die höchste Rücklage seit 20 Jahren haben, nämlich in
Höhe von 29,4 Milliarden Euro. Das zeigt: Was die
Sicherung der Rentenfinanzen anbelangt – sie ist das
Entscheidende –, ist diese Bundesregierung die erfolg-
reichste seit Jahrzehnten. Darauf können wir stolz sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und die Erde ist eine Scheibe! – Zuruf von der SPD: Was haben Sie denn eingezahlt?)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Rentnerinnen
und Rentner in Deutschland sind nicht vergesslich. Sie
können sich zum Beispiel an das Jahr 2005 erinnern.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)


Im Jahr 2005 hatten wir keine Rücklage in der Renten-
versicherung.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Erstmals in der Geschichte der Deutschen Rentenversi-
cherung musste der Bundesfinanzminister


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Einspringen!)


ein Sonderdarlehen aus der Staatskasse an die Renten-
versicherung zahlen, damit im Herbst 2005 überhaupt
Renten ausgezahlt werden konnten. Welch großer Unter-
schied zu heute!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das war das Ergebnis rot-grüner Politik!)


Die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland kön-
nen sich sogar noch an das Jahr 1998 erinnern. 1998 ha-
ben wir in Deutschland einen Rentenwahlkampf erlebt.
Rot-Grün trat damals an und sagte: Wir wollen die
Bundesregierung von CDU/CSU und FDP ablösen und





Peter Weiß (Emmendingen)



(A) (C)



(D)(B)


die letzte von Norbert Blüm in Gang gesetzte Rentenre-
form rückgängig machen. – Mit diesem Versprechen hat
Rot-Grün, wie wir wissen, sogar die Bundestagswahl
gewonnen. In der Tat hat Rot-Grün dann als Erstes
beschlossen, die damalige Rentenreform rückgängig zu
machen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war ein schwerer Fehler!)


Aber nur ein Jahr später ist der damalige Bundeskanz-
ler Gerhard Schröder vor den Deutschen Bundestag und
vor die deutsche Öffentlichkeit getreten und hat erklärt:
Das, was wir getan haben – die Rücknahme der Renten-
reform von 1998 –, war ein großer Fehler.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So war’s!)


Sprich: Der Rentenwahlkampf von 1998 war Lug und
Trug. Er war ein großer Fehler, weil die deutsche Bevöl-
kerung, die deutschen Rentnerinnen und Rentner hinters
Licht geführt wurden. Wir wollen verhindern, dass das
ein zweites Mal passiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörerinnen
und Zuhörer, liebe Zuschauer, weshalb erinnere ich
daran? Es ist wunderschön, in einer Rentendebatte wie
heute zu hören,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Reden Sie doch mal über Ihre Regierungszeit!)


welche Verbesserungen man sich für die heutigen und
die künftigen Rentnerinnen und Rentner vorstellen kann.
Das erinnert mich sehr stark an den Herbst 1998; da ist
das Gleiche gemacht worden. Das Ergebnis war nicht
nur, dass Gerhard Schröder ein Jahr später all das als
Fehler bezeichnet hat, sondern auch, dass die rot-grüne
Koalition unter dem Zwang der Zahlen tiefer in das deut-
sche Rentenrecht eingegriffen hat, als es CDU/CSU und
FDP je gewagt hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb sollte für die deutschen Wählerinnen und
Wähler im Herbst 2013 gelten:


(Ulrich Kelber [SPD]: Sie scheinen ja echt Angst vor dem Wahlkampf zu haben!)


Liebe Bürgerinnen und Bürger, machen Sie den großen
Fehler von 1998 nicht noch einmal!


(Ulrich Kelber [SPD]: Wählerbeschimpfung!)


Das Ergebnis der großartigen Versprechungen ist, dass
es nachher schlimmer kommt, als man es sich je gedacht
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Vor allen Dingen, wenn die CDU/CSU an der Regierung ist! Dann wird es immer schlimmer!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, die erfolg-
reiche wirtschaftliche Entwicklung wird ausweislich des
Rentenversicherungsberichts der Bundesregierung auch

dazu führen, dass die Rentnerinnen und Rentner nicht
mehr wie damals unter Rot-Grün damit rechnen müssen,


(Bettina Hagedorn [SPD]: Sagen Sie doch mal was zu der Rentenpolitik von Schwarz-Gelb!)


dass ihnen eine Rentenerhöhung per Gesetz vorenthalten
wird, also per Gesetz eine Nullrunde verordnet wird.
Vielmehr können die Rentnerinnen und Rentner bis 2016
nach den derzeitigen Schätzungen mit einem Plus von
8,5 Prozent im Westen und 11,5 Prozent im Osten rech-
nen.

Es stimmt, was der Kollege Kolb gesagt hat: Je mehr
wir dafür sorgen und die Rahmenbedingungen dafür
schaffen, dass die Beschäftigung in Deutschland weiter
ansteigt, also mehr Menschen im Berufsleben stehen und
Rentenversicherungsbeiträge zahlen, umso eher sinkt
das Rentenniveau nicht. Das Sinken des Rentenniveaus
ist keine gesetzlich verordnete Maßnahme, sondern
hängt entscheidend davon ab, wie sich die Beschäfti-
gung in Deutschland entwickelt. Gute Beschäftigungs-
politik ist das beste Rezept für eine gute Rentenpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722609400

Herr Kollege Weiß, erlauben Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Höll?


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1722609500

Bitte schön.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer hat denn bei den Linken noch nicht gefragt?)



Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722609600

Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kollege,

Sie haben hier mit voller Stimme verkündet: Rot-Grün
ist weiter gegangen, als Sie jemals gegangen sind.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1722609700

Ja.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722609800

Jetzt frage ich Sie: Warum haben Sie dann nicht eine

der Maßnahmen, die Rot-Grün verabschiedet hat, zu-
rückgeholt – nicht eine einzige –, sondern im Gegenteil
genau diesen Weg noch verschärft, indem Sie zum Bei-
spiel die Rentenbeiträge für die Hartz-IV-Empfängerin-
nen und Hartz-IV-Empfänger einfach gestrichen haben?
Diese Erklärung müssen Sie der Öffentlichkeit geben.
Ich hoffe, dass Rot-Grün aus Fehlern gelernt hat und wir
vielleicht in der Zukunft gemeinsam etwas Ordentliches
hinbekommen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Aber Sie beschweren sich hier, und dann machen Sie
nichts. Es ist nichts gekommen, Sie haben nichts zurück-
geholt, Sie sind diesen Weg mitgegangen und haben ihn
verschärft. Warum?


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD)







(A) (C)



(D)(B)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1722609900

Frau Kollegin Höll, wir haben nichts verschärft. Wir

haben zum Beispiel ganz entscheidende Maßnahmen er-
griffen, indem wir in der Großen Koalition zusammen
mit der SPD bei der Riester-Rente den Förderbetrag für
Kinder auf 300 Euro jährlich heraufgesetzt haben. Das
ist eine ganz entscheidende Hilfe, gerade für Familien,
die Kinder haben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie haben die Beiträge für die Langzeiterwerbslosen komplett gestrichen)


Wir haben im Hinblick auf die Rentenversicherung
den Langzeitarbeitslosen einen Betrag gestrichen, der
aus der Steuerkasse in die Rentenkasse geflossen ist und
der zu einem so minimalen Rentenanspruch geführt
hätte, dass man ohnehin Grundsicherung hätte beantra-
gen müssen; das hätte den Leuten also gar nicht ge-
holfen. Aber neu ist, dass wir die Zeiten der Lang-
zeitarbeitslosigkeit als Anrechnungszeiten in der
Rentenversicherung anerkannt haben. Das ist entschei-
dend.


(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])


Das bedeutet zum Beispiel, dass jemand, der Er-
werbsminderungsrente aus der Langzeitarbeitslosigkeit
heraus beantragen muss, im Zweifel heute eine höhere
Erwerbsminderungsrente bekommt als nach dem alten
Recht. Insofern sind das doch ganz entscheidende Refor-
men, die wir durchgeführt haben, die aber vielleicht bei
der Linkspartei und deren Rentenexperten nicht wahr-
genommen worden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Es wird genau beobachtet und kritisiert!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, was auch
stimmt, ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in unserem
Land – junge wie alte – ein feines Gespür dafür haben,
dass dieses Rentensystem nur funktionieren kann, wenn
auch die Solidarität zwischen den Generationen funktio-
niert. Deshalb will ich daran erinnern, was der Aus-
gangspunkt für all die Rentenreformen der letzten
Jahrzehnte in Deutschland war. Ausgangspunkt war,
dass im Jahr 1987 – lang ist es her – die Prognos AG,
von der Bundesregierung beauftragt, eine Studie durch-
geführt hat, in der sie festgestellt hat, dass angesichts der
Tatsache, dass die Zahl der Jungen abnimmt und die
Zahl der Älteren steigt, bei Nichtvornahme von Refor-
men der Rentenversicherungsbeitrag bis zum Jahr 2030
auf mindestens 36,6 Prozent, maximal sogar auf
41,7 Prozent steigen würde. Allen jungen Leuten ist
klar: 40 Prozent Rentenversicherungsbeitrag, dazu noch
Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungs-
beitrag und Steuern zahlen – da macht das Arbeiten
keinen Spaß mehr.

Deswegen war und ist es notwendig – übrigens wird
keine politische Mehrheit im Deutschen Bundestag dem
ausweichen können –: Unser Rentenversicherungs-
system funktioniert nur, wenn es getragen wird von der
Solidarität der Alten und der Jungen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Unser Weg ist, ein ausgeglichenes Verhältnis von Belas-
tungen und Entlastungen für Jung und Alt herzustellen.
Das sorgt für eine sichere Rente. Etwas anderes macht
die Rente kaputt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Auch die Anerkennung von Kindererziehungszeiten
haben wir, die Union,


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unterbreiten Sie uns einen Vorschlag!)


zusammen mit der FDP 1986 erstmals in der Geschichte
in das Rentenrecht eingeführt und 1992 noch einmal ver-
bessert.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war damals 1986 ein Verfassungsgerichtsurteil!)


Unsere Absicht ist, diese Verbesserung weiterzuführen;
denn ein Rentensystem funktioniert in der Tat nur dann,
wenn Männer und Frauen bereit sind, Kinder großzuzie-
hen, die dann künftig bereit sind, unsere Renten mitzu-
finanzieren.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der Vorschlag?)


Dies ist eine entscheidende Reform, die nicht Rot
oder Grün und erst recht nicht die Linken erfunden ha-
ben, sondern die wir, die Union, zusammen mit der FDP
erfunden haben: Wir wollen, dass Kindererziehung in
der Rente stärker berücksichtigt wird.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Dann machen Sie es doch! – Petra Hinz [Essen] [SPD]: Dreieinhalb Jahre hatten Sie Zeit!)


Wir wollen gerade den Frauen die Zusage machen:


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Leeres Versprechen!)


Eure Erziehungsleistung findet sich konkret auch in der
Rentenzahlung wieder.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der LINKEN: Dann können Sie dem Antrag der Linken ja zustimmen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722610000

Herr Kollege Weiß, Ihre Redezeit ist abgelaufen.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1722610100

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

unser Konzept ist klar: Wir wollen die Rente für Men-
schen, die lange gearbeitet haben, aber leider zu wenig
verdient haben, aufstocken.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das Konzept? Es gibt kein Konzept! – Zurufe von der SPD)






Peter Weiß (Emmendingen)



(A) (C)



(D)(B)


Wir wollen, dass Erwerbsgeminderte, die wegen Krank-
heit vorzeitig aus dem Erwerbsleben aussteigen, eine
bessere Rente erhalten. Wir wollen, dass Mütter und
Väter, die Kinder erzogen haben, eine bessere Rente er-
halten.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das Konzept? Leere Versprechungen! Kein Konzept!)


Das ist unser klares Rentenkonzept für die Zukunft.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722610200

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der fort-

geschrittenen Zeit möchte ich Sie bitten, so weit wie
möglich auf Zwischenfragen und Kurzinterventionen zu
verzichten.

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Ingrid Arndt-
Brauer von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1722610300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute steht
ein ernsthaftes Thema auf der Tagesordnung. Es geht um
die Rente. Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir hier
eine reine Wahlkampfschlacht erleben.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das finde ich sehr schade.

Wir haben in Deutschland derzeit 20,5 Millionen
Rentenbezieher. In 20 Jahren werden es wahrscheinlich
30 Millionen sein. Da liegt es natürlich nahe, mit so
einer Gruppe Menschen Wahlkampf zu machen. Trotz-
dem finde ich, dass bei diesem Thema Ernsthaftigkeit
angesagt ist.

Es geht dabei um Geld. Für die SPD sprechen aus-
schließlich Finanz- und Haushaltspolitiker,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ach!)


um zu zeigen: Wir wollen die Rente, die wir den Men-
schen für die Zukunft versprechen, auch finanzieren
können.


(Beifall bei der SPD)


In einigen vorliegenden Anträgen ist das Gegenteil der
Fall. Gerade in den Anträgen der Linken bleibt die Frage
der Finanzierung eher vage, sie wird hintangestellt.

Es ist nicht zu verantworten, auf Dauer irgendein
Rentenniveau zu versprechen, wenn man genau weiß,
dass die Ausgaben in keinem zukünftigen Haushalt
gedeckt sind. Ein Rentenniveau von 53 Prozent – wir
wissen nicht, wer das bezahlen soll.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das geht! Alle Erwerbstätigen zahlen ein!)


Sollen das die Beitragszahler, also unsere Kinder, bezah-
len? Oder wollen wir neue Schulden machen? Aber auch
dann zahlen unsere Kinder. Nur das Stichwort „Produk-
tivitätsfortschritt“ hereinzurufen, das reicht nicht ganz
aus.


(Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ich erkläre Ihnen das noch einmal in einer ruhigen Stunde!)


Man kann die demografische Entwicklung nicht igno-
rieren; ich würde das auch gerne tun, aber das geht leider
nicht. Das heißt, es muss irgendein Zusatzfaktor in das
Rentensystem eingeführt werden. Wir als SPD haben das
gemacht. Wir als SPD stehen auch zukünftig für die
Dreipoligkeit im Bereich Rente.

Wir haben 29 Millionen Menschen, die in die gesetz-
liche Rente einzahlen. Das sind so viele wie nie zuvor
– da stimme ich allen Vorrednern zu –, aber wir wissen
nicht, wie lange es bei dieser Zahl bleibt. Wir wissen
nicht, wie sich die Konjunktur entwickelt. Wir wissen
aber, dass wir in Zukunft weniger Kinder haben werden.
Wir werden also aufgrund des demografischen Wandels
weniger Einzahler haben, sofern wir die Lücke nicht
durch Zuwanderung ausgleichen.

Wir haben neben der gesetzlichen Rente die betriebli-
che Altersvorsorge, leider nicht für jeden. Nicht alle Ar-
beitsplätze beinhalten eine betriebliche Altersvorsorge.
Gerade Frauen sind in dieser Gruppe schwach vertreten.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der Osten ist noch schwächer!)


Derzeit haben 17 Millionen Arbeitnehmer eine
betriebliche Altersvorsorge. Dauerhaft reicht das mit
Sicherheit nicht aus. Hier muss mehr getan werden. Für
diesen Bereich hat die Regierung in den letzten Jahren
überhaupt nichts getan.

Weil wir von der SPD wissen, dass die beiden
genannten Säulen schwach sind, haben wir die private
Altersvorsorge eingeführt: Riester und Rürup sind hier
als Stichwörter zu nennen.

Es gibt viele Anträge zum Thema Riester-Förderung;
lassen Sie mich daher den Schwerpunkt meiner Ausfüh-
rungen darauf legen. Ich möchte in diesem Zusammen-
hang nur kurz darauf hinweisen, dass auch das Problem
der Selbstständigen während der Regierungszeit der jet-
zigen Regierungskoalition nicht angegangen worden ist.

Wir haben es gehört: Es gibt knapp 16 Millionen
Riester-Verträge. Bei der Anrechnung auf die Grund-
sicherung gibt es Probleme. Das ist von allen erkannt
worden, gelöst wurde es aber nicht. Da nützt es nichts,
wenn man sich als CDU-Politiker hier hinstellt und sagt:
Das wollen wir alles klären. – Ich frage mich, wann. Sie
haben noch fünf Monate Zeit. Danach ist die FDP
vielleicht gar nicht mehr dabei, was sich hier viele wün-
schen würden. Wir wissen nicht, ob Sie in der Ihnen
verbleibenden Zeit noch etwas auf den Weg bringen
können. Die letzten dreieinhalb Jahre jedenfalls haben
Sie so gut wie nichts getan.


(Beifall bei der SPD)






Ingrid Arndt-Brauer


(A) (C)



(D)(B)


Da ich Ernsthaftigkeit eingefordert habe, will ich kon-
kret auf die vorliegenden Anträge eingehen. Zum Antrag
der Linken „Riester-Förderung in die gesetzliche Rente
überführen“. Das ist illusorisch. Es ist nicht möglich, in
die Vertragsfreiheit einzugreifen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Freiwillig!)


Eine 3-prozentige Erhöhung des Sicherungsniveaus kos-
tet 30 Milliarden Euro. Das ist unverantwortlich. Deswe-
gen lehnen wir diesen Antrag ab.


(Beifall der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Freiwillig!)


Zum nächsten Antrag mit dem Titel „Wiederherstel-
lung eines Lebensstandard sichernden und strukturell ar-
mutsfesten Rentenniveaus“. Natürlich ist es auch unser
Ziel, das Rentenniveau zu halten. Ihre Vorschläge sind
zwar nicht besonders zielführend. Da aber auch wir an
diesem Ziel festhalten, werden wir uns enthalten.

Den dritten Antrag – „Rente erst ab 67 sofort voll-
ständig zurücknehmen“ – lehnen wir ab. Wir halten aus
demografischen Gründen grundsätzlich an der Rente mit
67 fest; das habe ich schon ausgeführt. Alles andere kön-
nen Sie unserem Wahlprogramm entnehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schön, dass Sie es so gesagt haben!)


Bei dem vierten Antrag – „Risiko der Erwerbsminde-
rung besser absichern“ – enthalten wir uns. Unsere Vor-
schläge zu diesem Thema sind wesentlich besser. Sie
sind in systematischer Hinsicht richtiger und zielgrup-
penorientierter; aber wir sind nicht grundsätzlich gegen
die Idee.

Den fünften Antrag – „Rentenbeiträge für Langzeitar-
beitslose wieder einführen“ – werden wir ablehnen. Wir
halten ein neues Konzept in diesem Bereich für möglich.
Ansonsten würde es nur eine Miniaufstockung geben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unser Konzept ist das vom DGB!)


Bei dem sechsten Antrag – „Kindererziehung in der
Rente besser berücksichtigen“ – werden wir uns enthal-
ten. Wir wollen das auch, aber nicht nach Ihrem System.

Dem siebten Antrag – „Rente nach Mindestentgelt-
punkten entfristen“ – werden wir zustimmen. Das sehen
wir wie Sie.

Bei dem achten Antrag – „Eine solidarische Renten-
versicherung für alle Erwerbstätigen“ – werden wir uns
enthalten.

Den neunten Antrag – „Altersarmut wirksam be-
kämpfen – Solidarische Mindestrente einführen“ – leh-
nen wir ab. Wir lehnen eine Mindestrente innerhalb der
gesetzlichen Rentenversicherung ab, weil Fürsorge- und
Versicherungsprinzip nicht miteinander vermischt wer-
den können.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Alles in allem sagen wir: Sie haben ein paar Schritte
in die richtige Richtung unternommen, aber der Weg ist
zu korrigieren. Wir werden ihn korrigieren, wenn wir
wieder regieren. Fünf Monate noch – dann werden wir
viel tun müssen. Die Rente ist ein wichtiger Bereich, den
wir anpacken werden. Das verspreche ich hier.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722610400

Das Wort hat der Kollege Max Straubinger für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1722610500

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben es heute mit vielen Anträgen der Fraktion Die
Linke zur Rentenpolitik zu tun, die letztendlich alle illu-
sorisch sind. Sie stehen auf keinem guten, vor allen Din-
gen nicht auf einem finanzierbaren Fundament.


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: So ist es! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Es wird nicht besser, wenn man es öfter sagt!)


So ist es immer: Die Linke überzieht uns mit Anträgen,
die einer realistischen Prüfung nicht standhalten. Sie
versucht, daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist
ihr gutes Recht; aber das werden die Bürgerinnen und
Bürger in keiner Weise goutieren.

Es ist schon bemerkenswert, dass der Kollege Gysi
hier ausgeführt hat, dass wir keine Beitragsbemessungs-
grenze mehr brauchen – jeder zahlt ein –, er darüber hi-
naus aber in keiner Weise gesagt hat, ob auch jeder eine
Leistung daraus erhalten soll. Das hat er übersehen.


(Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Das hat er gesagt!)


Das zeigt sehr deutlich: Sie haben kein richtiges renten-
politisches Konzept.


(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Der Kollege Gysi hängt noch sehr in seiner DDR-Ver-
gangenheit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)


Dort haben auch alle in ein System eingezahlt. Manche
haben sich daraus stärker bedient, insbesondere Rechts-
anwälte und andere Gruppierungen in diesem System.
Daran hängt der Kollege Gysi. Das will er uns als mo-
derne Rentenpolitik verkaufen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist klar, in Bayern gibt es keine Spezi-Wirtschaft! Da ist alles sehr gut!)


Es geht darum, einen guten und richtigen Weg für die
Bürgerinnen und Bürger zu finden. Ich bin dankbar für
die Ausführungen des Kollegen Schiewerling und des





Max Straubinger


(A) (C)



(D)(B)


Kollegen Weiß. Erst seit es eine Regierung unter Bun-
deskanzlerin Merkel an der Spitze gibt, können sich die
Rentnerinnen und Rentner wieder auf das gesetzliche
Rentenversicherungssystem in Deutschland verlassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Petra Hinz [Essen] [SPD]: So ein Quatsch! Das sieht Blüm anders!)


Unter Rot-Grün wurden alle Rücklagen der Rentenversi-
cherung aufgebraucht. Es musste sogar ein für das Jahr
2006 vorgesehener Zuschuss vorgezogen werden, damit
im Dezember 2005 die Renten überhaupt zeitgerecht
ausgezahlt werden konnten. Das war die Bilanz von rot-
grüner Rentenpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Es gilt zu verhindern, dass sich dies wiederholt. Dazu
haben wir in der Großen Koalition wegweisende Be-
schlüsse gefasst, die auch der demografischen Entwick-
lung Rechnung tragen. Hier möchte ich insbesondere
Franz Müntefering unbedingt Respekt zollen, der dies
mit umgesetzt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Letztendlich gibt es nur ein Einmaleins, das für alle
Fraktionen Gültigkeit hat. Wir wissen, dass wir in
Deutschland immer älter werden. Gott sei Dank! Das ist
erfreulich. Das ist ein großer Fortschritt. Aber darauf
muss auch unser Rentenversicherungssystem eingestellt
werden. Da haben wir nur vier Möglichkeiten:

Wir können die Renten kürzen. – Das schließe ich für
diese Koalition aus.

Wir können exorbitante Beitragssteigerungen in Kauf
nehmen. – Das schließe ich für diese Koalition aus.

Dann haben wir noch die Möglichkeit der Arbeitszeit-
verlängerung. – Das ist ein probates Mittel.

Die letzte Möglichkeit ist die Verlängerung der Le-
bensarbeitszeit.

In diesem Kontext liegen letztendlich unsere Ent-
scheidungsmöglichkeiten. Da haben wir uns richtig ent-
schieden, bis zum Jahr 2029 die Lebensarbeitszeit bis
zum 67. Lebensjahr zu verlängern. Das ist letztendlich
ein Kompromiss zwischen den Interessen der Generation
der Älteren, die nun natürlich auf die Rente bauen kön-
nen, und denen der jungen Generation, die nicht mit un-
gerechtfertigten, überdimensionierten Beitragsbelastun-
gen konfrontiert wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist ein Beitrag zur Stabilitätssicherung unseres Sys-
tems.

Eine Ergänzung ist die Kapitaldeckung. Verehrte Kol-
legen von der Linken, Sie haben das System völlig ver-
kannt. Wir wollen mit der zusätzlichen Förderung der
Kapitaldeckung Geringverdiener besser fördern. Die
Riester-Förderung macht bei ihnen zum Teil 80 Prozent
des gesamten Beitragsaufkommens für einen Altersvor-
sorgevertrag aus.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja! Aber Sie sagen nie, was bei den Geringverdienern hinten herauskommt!)


Zusätzlich wirkt dieses System stabilisierend in die Zu-
kunft hinein. Denn die Mittel für die Riester-Renten
müssen nicht über das Umlagesystem von – zukünftig
weniger – Beitragszahlern requiriert werden. Das ist der
Sinn der Kapitaldeckung, die wir umgesetzt haben. Dies
ist zielführend und wird auch von dieser Koalition ver-
treten.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bin schon über-
rascht über die Konzepte, die heute vorgestellt worden
sind: Der Kollege Strengmann-Kuhn hat sich hervorra-
gend bemüht; das möchte ich anerkennen. Aber er hat
die Finanzierungsfrage offen gelassen. Er hat die Höhe
offen gelassen. Er hat offen gelassen, unter welchen Vo-
raussetzungen und Kautelen eine Rente von 850 oder
900 Euro zustande zu bringen ist. Er hat letztendlich al-
les offen gelassen. Es ist bei einem Wunschkonzert ge-
blieben, wie bei den Linken üblich.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hatte nur zehn Minuten!)


Auch das von der SPD vorgelegte Konzept – der neue
Chefdiplomat und Kanzlerkandidat der SPD steht voll
und ganz dahinter – ist keine Alternative. Vorgesehen ist
die Rückabwicklung der Rente mit 67. Denn sonst hätte
die SPD keine Einigkeit mit den Gewerkschaften zu-
stande gebracht.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Quatsch! Ich habe das Gegenteil gesagt! – Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt ja gar nicht!)


Das bedeutet eine Beitragssatzerhöhung auf 22 Prozent.
Das ist das SPD-Konzept.


(Thomas Oppermann [SPD]: Das sieht Ihr Konzept doch auch vor!)


Zusätzlich werben Sie dafür, sich schon ab dem
60. Lebensjahr frei entscheiden zu können, in Rente zu
gehen. Ich frage mich, ob das gerecht sein kann und zur
solidarischen Rentenversicherung passt. Denn so werden
unserem Rentenversicherungssystem Beiträge älterer
Arbeitnehmer entzogen. So früh in Rente zu gehen, kön-
nen sich nur Begüterte leisten,


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


nicht aber die Geringverdiener; die müssen weiterhin in
die Rentenversicherung einzahlen. Ob das gerecht ist,
muss die SPD selbst beantworten. Ich glaube, da hat sie
sich vertan.

In diesem Sinne gibt es keine Alternative zu den Kon-
zepten von CDU/CSU und FDP.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Es gibt kein Konzept! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo ist es denn?)


Bei uns können sich die Bürgerinnen und Bürger darauf
verlassen, dass unsere gesetzliche Rente, die betriebliche





Max Straubinger


(A) (C)



(D)(B)


Altersversorgung und die private Zusatzversorgung wei-
terhin auf einem guten Fundament ruhen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da ist gar nichts!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722610600

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

hat nun das Wort die Kollegin Bettina Kudla.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Bettina Kudla (CDU):
Rede ID: ID1722610700

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen

und Herren! Lassen Sie mich als letzter Redner der De-
batte


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Rednerin!)


einige wichtige Punkte zusammenfassen. Die Vorschläge
der Fraktion Die Linke zum Rentensystem sind abzuleh-
nen, weil sie kontraproduktiv sind. Sie machen die Rente
nicht sicherer, sondern unsicherer. Sie machen den Men-
schen etwas vor, und die Vorschläge sind finanziell nicht
unterlegt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der LINKEN)


Besonders verwerflich und kritikwürdig finde ich,
dass Sie an die bewährte Struktur des Rentensystems he-
rangehen wollen. Wo bitte schön gibt es ein Haus mit
nur einer tragenden Wand?


(Zuruf der Abg. Elke Ferner [SPD])


Sie stellen das bewährte Dreisäulensystem aus gesetzli-
cher Rentenversicherung, betrieblicher Altersvorsorge
und privater Vorsorge infrage. Das aber macht das Ren-
tensystem sicher.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das Dreisäulensystem ist gescheitert!)


Sie sägen weiterhin an der gesetzlichen Rentenversi-
cherung, indem Sie strukturelle Änderungen vorschlagen,
die völlig unsinnig sind. Die gesetzliche Rentenversiche-
rung basiert auf der Umlagefinanzierung. Umlagefinan-
zierung heißt: Nur derjenige zahlt Beiträge, der arbeitet.
Das heißt: keine Rentenversicherungsbeiträge für Ar-
beitslose. Ihr Vorschlag, die Rente mit 67 wieder auf die
Rente mit 65 zurückzufahren, ist abzulehnen. Es ist fi-
nanziell nicht unterlegt. Stellen Sie sich das einmal vor:
Jemand hört mit 65 auf, zu arbeiten, und es ist überhaupt
nicht absehbar, wie die Rente über die folgenden zwei
Jahre finanziert werden soll. Darüber hinaus fehlen die
Beiträge für diese zwei Jahre. Ihre Politik ist realitätsfern
und weltfremd.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Rentenpolitik kann man nicht völlig isoliert betrach-
ten. Rentenpolitik wird durch viele andere Politikfelder
flankiert. Rentenpolitik ist von einer guten Finanz- und
Wirtschaftspolitik abhängig,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


die wirtschaftliches Wachstum fördert, die unternehme-
rische Initiative sich entfalten lässt, die die Beitragszah-
ler nicht über Gebühr belastet und somit Ausgewogen-
heit gewährleistet.

Die Sozialversicherungssysteme zukunftsfest zu machen,
das ist die große Herausforderung der kommenden Jahre.
Diese Zukunftsfestigkeit bedeutet: Es muss Ausgewo-
genheit herrschen zwischen dem, was die Sozialversi-
cherungssysteme leisten können, dem, was die Beitrags-
zahler leisten können, und dem, was der Bundeshaushalt
leisten kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das heißt, die Höhe der Zuschüsse aus dem Bundeshaus-
halt in die Sozialversicherungssysteme darf nicht weiter
ansteigen. Wenn sie ansteigen muss, sind die Sozialver-
sicherungssysteme nicht solide finanziert.

Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Preisstabilität.
Wer sich für eine hohe Rente der Bürger einsetzt, muss
auch dafür sorgen, dass die Kaufkraft der Rente erhalten
bleibt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die Preise müssen stabil bleiben. Dies können sie nur
durch einen stabilen Euro und durch stabile Finanz-
märkte. Wir haben bisher über 22 Maßnahmen zur Si-
cherung der Stabilität der Finanzmärkte im Finanzaus-
schuss auf den Weg gebracht.

Meine Herren von der SPD,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die SPD hat auch Damen!)


ich wundere mich darüber, wie leichtfertig Sie darüber
sprechen können, dass es geradezu verwerflich sei, wenn
man die Beitragszahler entlaste. Mich wundert auch,
meine Damen und Herren der Linken, wie leichtfertig
Sie Riester kritisieren. Der Staat gibt enorm viel Geld
gerade den Geringverdienern dazu, damit diejenigen, die
ein geringes Einkommen haben, im Alter die sich daraus
ergebende Lücke schließen können, sich also ihre nied-
rige Rente etwas erhöht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ist
mit ihrer Politik auf dem richtigen Weg!

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Petra Hinz [Essen] [SPD]: Gescheitert und am Ende!)







(A) (C)



(D)(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1722610800

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/12436 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf
Drucksache 17/12474. Zunächst stimmen wir ab über
die Buchstaben b und e der Beschlussempfehlung, zu de-
nen die Fraktion Die Linke namentliche Abstimmung
verlangt hat.

Wir kommen zur ersten namentlichen Abstimmung.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 17/10991 mit dem Titel „Rente erst ab 67 sofort
vollständig zurücknehmen“.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
Plätze einzunehmen. – Sind die Urnen besetzt? – Das ist
offenkundig der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung
zu Buchstabe b der Beschlussempfehlung und bitte, die
Stimmkarten einzuwerfen.

Haben alle anwesenden Abgeordneten ihre Stimm-
karte eingeworfen? – Das ist offenkundig der Fall. Dann
schließe ich die Abstimmung und bitte, mit der Auszäh-
lung zu beginnen.

Nun kommen wir zur zweiten namentlichen Abstim-
mung.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt un-
ter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung wiederum
die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 17/10994 mit dem Titel „Kindererziehung
in der Rente besser berücksichtigen“. – Die Urnen sind
noch besetzt. Dann eröffne ich die Abstimmung und
bitte, die Stimmkarten einzuwerfen.

Haben alle anwesenden Abgeordneten ihre Stimm-
karte zur zweiten namentlichen Abstimmung eingewor-
fen? – Dann schließe ich die Abstimmung und bitte, mit
der Auszählung zu beginnen. Die Ergebnisse der Ab-
stimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben.1)

Ich möchte Sie bitten, sich auf Ihre Plätze zu begeben,
da wir noch mehrere einfache Abstimmungen durchzu-
führen haben. Diejenigen, die nicht mehr teilnehmen
wollen, bitte ich, den Saal zu verlassen, damit ich einen
Überblick bekomme.

Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf
Drucksache 17/12474 zu sechs weiteren Anträgen der
Fraktion Die Linke fort.

Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags auf

Drucksache 17/10990 mit dem Titel „Wiederherstellung
eines Lebensstandard sichernden und strukturell armuts-
festen Rentenniveaus“. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und den Stimmen der
Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und
bei Enthaltung der SPD.

Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ab-
lehnung des Antrags auf Drucksache 17/10992 mit dem
Titel „Risiko der Erwerbsminderung besser absichern“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist angenommen mit den Stimmen der Ko-
alitionsfraktionen gegen die Stimmen der Linken und bei
Enthaltung von SPD und Grünen.

Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d
seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 17/10993 mit dem Titel „Rentenbeiträge
für Langzeiterwerbslose wieder einführen“. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom-
men mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
SPD-Fraktion bei Gegenstimmen der Linken und Ent-
haltung der Grünen.

Unter Buchstabe f seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags auf
Drucksache 17/10995 mit dem Titel „Rente nach Mindest-
entgeltpunkten entfristen“. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist angenommen mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Grünen bei
Gegenstimmen der Linken und Enthaltung der SPD-
Fraktion.

Des Weiteren empfiehlt der Ausschuss unter Buch-
stabe g seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 17/10997 mit dem Titel „Eine
solidarische Rentenversicherung für alle Erwerbstäti-
gen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen bei Gegenstimmen der Linken und Ent-
haltung von SPD und Grünen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe h
seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
auf Drucksache 17/10998 mit dem Titel „Altersarmut
wirksam bekämpfen – Solidarische Mindestrente einfüh-
ren“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
genstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-
lung ist angenommen mit den Stimmen aller Fraktionen
bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 38 a bis 38 c auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dorothee Bär, Markus Grübel, Ingrid Fischbach,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Nicole 1) Ergebnisse Seite 28271 A und 28273 C





Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms


(A) (C)



(D)(B)


Bracht-Bendt, Miriam Gruß, Rainer Brüderle und
der Fraktion der FDP

Entgeltgleichheit für Frauen und Männer ver-
wirklichen – Familienfreundliche Unterneh-
men als Beitrag zur Gleichstellung der Ge-
schlechter

– Drucksache 17/12483 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christel
Humme, Caren Marks, Willi Brase, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der SPD

Gleichstellung – Fortschritt – Jetzt – Durch
eine konsistente Gleichstellungspolitik

– Drucksache 17/12487 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate
Künast, Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Gleichstellung von Frauen und Männern im
Lebensverlauf durchsetzen

– Drucksache 17/12497 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind dafür
eineinhalb Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch da-
gegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Bundesministerin Dr. Kristina
Schröder.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Kristina Schröder, Bundesministerin für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
gibt eine Frage, mit der viele Frauen sich früher oder
später konfrontiert sehen, sei es im Vorstellungsge-
spräch, beim Wiedereinstieg oder als gestandene Füh-
rungskraft. Diese Frage kommt gerne in Kombination

mit hochgezogenen Augenbrauen daher, und sie lautet:
Wie machen Sie das eigentlich mit Ihrem Kind?

Jede berufstätige Mutter, die ich kenne, hat diese
Frage in ihrem Leben schon einmal gehört und sich da-
rüber geärgert, zum einen, weil diese Frage Vätern fast
nie gestellt wird,


(Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!)


zum anderen aber auch, weil der Subtext dieser Frage
lautet: Sie sind doch jetzt mit diesem Handicap nicht
mehr leistungsfähig.

Die banale Frage „Wie machen Sie das eigentlich mit
Ihrem Kind?“ sagt deshalb viel über die Gründe von un-
gleich verteilten Chancen von Frauen und Männern in
unserer Gesellschaft aus. Wir haben eine Arbeitswelt, in
der Leistungsfähigkeit mit uneingeschränkter Verfügbar-
keit gleichgesetzt wird. Das ist einer der wesentlichen
Gründe dafür, warum Frauen in den Top-Führungsposi-
tionen immer noch deutlich unterrepräsentiert sind und
warum Frauen im Durchschnitt 22 Prozent weniger ver-
dienen als Männer.

Wir reden also über ein kulturelles Problem.


(Christel Humme [SPD]: Welche Überraschung!)


Faire Chancen haben viel zu tun mit der Art, wie Leis-
tung im Unternehmen definiert wird und wie Arbeit ko-
ordiniert wird. Sie haben mit der Frage zu tun, ob Prä-
senz belohnt wird oder ob Effizienz belohnt wird, ob
Meetings in der Regel vor 17 Uhr stattfinden oder nach
19 Uhr und ob auch in Führungspositionen Teilzeitarbeit
möglich ist.

Faire Chancen haben also viel zu tun mit einer Ar-
beitskultur des Respekts vor familiärer Verantwortung.
Das muss unsere Botschaft zum 102. Internationalen
Frauentag sein, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wie hoch der Preis ist, den Frauen zurzeit für famili-
äre Fürsorge zahlen, kann man ganz einfach an den Ge-
haltsstatistiken des Statistischen Bundesamtes ablesen.
Berufseinsteigerinnen verdienen etwa genauso viel wie
Berufseinsteiger. Die Lücke beträgt 2 Prozent. Bei den
25- bis 29-Jährigen beträgt die Lücke dann schon 8 Pro-
zent, und bei den 35- bis 39-Jährigen liegt sie dann bei
über 20 Prozent.


(Christel Humme [SPD]: Welche Überraschung!)


Diese Zahlen sagen nicht, dass Frauen in den gleichen
Berufen und Positionen prinzipiell schlechter bezahlt
werden als Männer. Es handelt sich um Durchschnitts-
werte für alle berufstätigen Frauen und Männer unab-
hängig von der Qualifikation, der Berufserfahrung, der
Position und der Ausbildung.

Ein erheblicher Teil der Lohnlücke von 22 Prozent er-
klärt sich dadurch, dass Frauen und Männer unterschied-
liche Studienfächer und unterschiedliche Ausbildungs-
berufe wählen: Über 70 Prozent der Studienanfänger in
den Kultur- und Sprachwissenschaften sind weiblich,





Bundesministerin Dr. Kristina Schröder


(A) (C)



(D)(B)


während der Frauenanteil in den Ingenieurwissenschaf-
ten bei 20 Prozent liegt. Das wirkt sich natürlich auch
auf die Durchschnittsgehälter aus: Ein Ingenieur wird in
der Regel besser bezahlt als eine Germanistin – eine In-
genieurin aber auch.

Was man an den Durchschnittszahlen aber ablesen
kann, ist eine der wesentlichen Ursachen für schlechtere
Einkommensperspektiven von Frauen: Dass Frauen im
Durchschnitt schlechter bezahlt werden, hat vor allen
Dingen damit zu tun, dass sie Mütter sind oder Mütter
werden könnten. Ein Entgeltgleichheitsgesetz, wie SPD
und Grüne es fordern, geht deswegen nach meiner Über-
zeugung völlig an den Problemen vorbei.


(Elke Ferner [SPD]: Sie gehen an den Problemen vorbei!)


Das Problem vieler Frauen ist doch, dass sie, wenn sie
einmal im Job pausiert haben oder wenn sie Teilzeit ar-
beiten wollen, gar keine gleichwertigen Aufgaben mehr
bekommen. Zeit für Familie wird bestraft mit schlechte-
ren Chancen; das ist die Ungerechtigkeit, und da müssen
wir an die Ursachen ran.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Christel Humme [SPD]: Was ist mit den Frauen, die benachteiligt werden und keine Kinder haben? Dummes Zeug!)


Zum einen müssen wir sicherstellen, dass alle Mütter
und Väter, die arbeiten wollen, gute Betreuung für ihr
Kind bekommen; denn eines ist völlig klar: Familie und
Beruf gehen nur dort zusammen, wo es ausreichend
Kitaplätze gibt. Letzte Woche hat der Landkreistag ganz
aktuelle Zahlen vorgelegt, die zeigen, dass die meisten
Landkreise rechtzeitig zum Inkrafttreten des Rechtsan-
spruchs den Bedarf an Kitaplätzen decken werden. Pro-
bleme haben diejenigen Großstädte, die das Thema zu
lange vor sich hergeschoben haben. Aber auch hier wird
der Bund alles tun, um diesen Städten beim Aufholen zu
helfen.

Zum anderen brauchen wir aber auch Veränderungen
in der Arbeitswelt, die Frauen den Weg nach oben eb-
nen. Die DAX-30-Unternehmen haben daher, auf meine
Initiative hin,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


individuelle Ziele für den Frauenanteil in Führungsposi-
tionen beschlossen,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie revolutionär! – Zuruf von der SPD: Das ist der Knaller!)


und zwar für alle Führungspositionen. Wenn diese Ziele
umgesetzt werden, dann wird das allein in den DAX-30-
Unternehmen 5 400 Frauen den Weg in Führungspositio-
nen ebnen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär!)


Die Unternehmen müssen sich daran messen lassen, an
ihren eigenen Zielen, aber auch an den Zielen anderer
Unternehmen derselben Branche. Sie müssen diese Ziele
rechtfertigen: vor der eigenen Belegschaft, vor dem ei-
genen Betriebsrat, vor einer kritischen Öffentlichkeit.
Mir sagen viele Personaler, dass genau dieses öffentliche
Rechtfertigen-Müssen, dieser Druck,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den gab es ja schon vor Ihnen!)


diese Transparenz die Veränderungen in Gang setzen,
die dringend notwendig sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Neben der Politik und den einzelnen Unternehmen
stehen aber auch die Tarifpartner in der Verantwortung,
meine Damen und Herren, für faire Chancen und gleiche
Einkommen zu sorgen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Wo stehen Sie denn in der Verantwortung?)


Wichtig ist zum einen, sich bei Tarifverhandlungen nicht
einseitig am typisch männlichen Lebensmodell mit der
Vollzeiterwerbsbiografie zu orientieren. Zum anderen
brauchen wir aber auch dringend eine Neubewertung ty-
pischer Frauenberufe. Männertypische Berufe werden
vielfach deshalb besser bezahlt als frauentypische Be-
rufe, weil besondere Belastungen anders gewichtet wer-
den. Bei Müllmännern zum Beispiel ist das Heben
schwerer Lasten ein Kriterium für die Arbeitsplatzbe-
wertung – das ist auch richtig so –; bei Pflegeberufen,
die vor allen Dingen von Frauen ausgeübt werden, ist
das jedoch nicht der Fall, obwohl zur körperlichen Be-
lastung oft auch noch die psychische Belastung hinzu-
kommt. Wir brauchen Verfahren für geschlechterge-
rechte Lohnfindung. Frauen verdienen mehr; das gilt für
viele frauentypische Berufe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Gleichberechtigung und faire Chancen für Frauen zu
fördern, bleibt eine wichtige Aufgabe, meine Damen und
Herren. Bei allen Meinungsverschiedenheiten über die
Wahl der Mittel sollten wir gerade im Hinblick auf den
Internationalen Frauentag nicht vergessen, dass uns auch
etwas eint: Wir alle streiten für eine Gesellschaft, in der
Frauen und Männer dieselben Chancen haben.


(Caren Marks [SPD]: Sie nicht! Sie sagen das nur!)


Dieser Streit ist kein erstarrtes Frauentagsritual, sondern
ein produktives Ringen um den besten Weg. Deshalb bin
ich zuversichtlich, dass unsere Töchter, aber auch unsere
Söhne davon profitieren werden.


(Christel Humme [SPD]: So lange kann ich jetzt nicht mehr warten!)


Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) (C)



(D)(B)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722610900

Ich gebe Ihnen jetzt die von den Schriftführerinnen

und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden
namentlichen Abstimmungen bekannt:

Erstens. Namentliche Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und So-
ziales auf der Drucksache 17/12474, Buchstabe b, zu

dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Rente
erst ab 67 sofort vollständig zurücknehmen“ auf der
Drucksache 17/10991. Abgegeben wurden 524 Stim-
men. Mit Ja haben gestimmt 457, mit Nein haben
gestimmt 58. 9 Kolleginnen und Kollegen haben sich
enthalten. Damit ist die Beschlussempfehlung angenom-
men.

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 522;
davon

ja: 456
nein: 57
enthalten: 9

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)


Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Volkmar Klein
Jürgen Klimke

Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Dr. Michael Luther
Karin Maag
Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel

Dr. Peter Ramsauer
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden)

Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer

(Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach
Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)


Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Gerd Bollmann
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Angelika Graf (Rosenheim)

Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Hubertus Heil (Peine)

Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Hinz (Essen)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil

Hans-Ulrich Klose
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)

Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Dr. Karl Lauterbach
Burkhard Lischka
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Petra Merkel (Berlin)

Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)

Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Annette Sawade
Axel Schäfer (Bochum)

Marianne Schieder


(Schwandorf)

Ulla Schmidt (Aachen)

Carsten Schneider (Erfurt)

Swen Schulz (Spandau)

Frank Schwabe
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Rüdiger Veit
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

FDP

Jens Ackermann

Christine Aschenberg-
Dugnus

Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek
Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Lars Lindemann
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto


(Frankfurt)

Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane Ratjen-

Damerau
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Hagen Reinhold
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling

Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel


(Lüdenscheid)

Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Agnes Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger
Susanne Kieckbusch
Sven-Christian Kindler
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)


Nein

DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Nicole Gohlke
Diana Golze

Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau

Yvonne Ploetz
Michael Schlecht
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Johanna Voß
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich

fraktionsloser
Abgeordneter

Wolfgang Nešković

Enthalten

SPD

Gabriele Hiller-Ohm
Steffen-Claudio Lemme

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Maria Klein-Schmeink
Monika Lazar
Beate Müller-Gemmeke
Dr. Hermann Ott
Arfst Wagner (Schleswig)


Zweitens. Namentliche Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und So-
ziales auf der Drucksache 17/12474, Buchstabe e, zu
dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „Kin-
dererziehung in der Rente besser berücksichtigen“ auf

der Drucksache 17/10994. Abgegeben wurden 520 Stim-
men. Mit Ja haben gestimmt 296 Kolleginnen und Kolle-
gen, mit Nein 60. Es gab 164 Enthaltungen. Damit ist
die Beschlussempfehlung angenommen.

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 520;
davon

ja: 296
nein: 60
enthalten: 164

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer
Dorothee Bär
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Manfred Behrens (Börde)

Veronika Bellmann
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Norbert Brackmann
Klaus Brähmig
Michael Brand
Dr. Reinhard Brandl
Helmut Brandt

Dr. Ralf Brauksiepe
Dr. Helge Braun
Heike Brehmer
Ralph Brinkhaus
Cajus Caesar
Gitta Connemann
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Dr. Thomas Feist
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


(Karlsruhe Land)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Erich G. Fritz
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Peter Gauweiler
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Ute Granold
Reinhard Grindel

Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Olav Gutting
Florian Hahn
Dr. Stephan Harbarth
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Helmut Heiderich
Mechthild Heil
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Karl Holmeier
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Thomas Jarzombek
Dieter Jasper
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Egon Jüttner
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Bernhard Kaster


(VillingenSchwenningen)


Volker Kauder
Dr. Stefan Kaufmann
Roderich Kiesewetter
Volkmar Klein
Jürgen Klimke
Axel Knoerig
Jens Koeppen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Rüdiger Kruse
Bettina Kudla
Dr. Hermann Kues
Günter Lach
Dr. Karl A. Lamers


(Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Dr. Ursula von der Leyen
Ingbert Liebing
Matthias Lietz
Dr. Carsten Linnemann
Patricia Lips
Dr. Jan-Marco Luczak
Daniela Ludwig
Dr. Michael Luther
Karin Maag





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)


Dr. Thomas de Maizière
Hans-Georg von der Marwitz
Andreas Mattfeldt
Stephan Mayer (Altötting)

Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Maria Michalk
Dr. Mathias Middelberg
Philipp Mißfelder
Dietrich Monstadt
Dr. Gerd Müller
Stefan Müller (Erlangen)

Dr. Philipp Murmann
Michaela Noll
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Dr. Michael Paul
Rita Pawelski
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Christoph Poland
Ruprecht Polenz
Eckhard Pols
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Lothar Riebsamen
Josef Rief
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Johannes Röring
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Erwin Rüddel
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Dr. Wolfgang Schäuble
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Karl Schiewerling
Norbert Schindler
Tankred Schipanski
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Patrick Schnieder
Dr. Andreas Schockenhoff
Nadine Schön (St. Wendel)

Dr. Kristina Schröder


(Wiesbaden Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein)

Detlef Seif
Johannes Selle
Reinhold Sendker
Dr. Patrick Sensburg
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer
Jens Spahn
Carola Stauche
Dr. Frank Steffel
Erika Steinbach

Christian Freiherr von Stetten
Dieter Stier
Gero Storjohann
Stephan Stracke
Max Straubinger
Karin Strenz
Lena Strothmann
Michael Stübgen
Dr. Peter Tauber
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Volkmar Vogel (Kleinsaara)

Stefanie Vogelsang
Andrea Astrid Voßhoff
Dr. Johann Wadephul
Marco Wanderwitz
Kai Wegner
Marcus Weinberg (Hamburg)

Peter Weiß (Emmendingen)

Sabine Weiss (Wesel I)

Ingo Wellenreuther
Karl-Georg Wellmann
Peter Wichtel
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dagmar G. Wöhrl
Dr. Matthias Zimmer
Wolfgang Zöller
Willi Zylajew

SPD

Hans-Ulrich Klose

FDP

Jens Ackermann
Christine Aschenberg-

Dugnus
Daniel Bahr (Münster)

Florian Bernschneider
Sebastian Blumenthal
Claudia Bögel
Nicole Bracht-Bendt
Klaus Breil
Ernst Burgbacher
Marco Buschmann
Helga Daub
Reiner Deutschmann
Bijan Djir-Sarai
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Hans-Werner Ehrenberg
Rainer Erdel
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Otto Fricke
Dr. Edmund Peter Geisen
Hans-Michael Goldmann
Heinz Golombeck
Dr. Christel Happach-Kasan
Manuel Höferlin
Birgit Homburger
Heiner Kamp
Michael Kauch
Dr. Lutz Knopek

Pascal Kober
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Holger Krestel
Patrick Kurth (Kyffhäuser)

Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Lars Lindemann
Dr. Martin Lindner (Berlin)

Michael Link (Heilbronn)

Oliver Luksic
Patrick Meinhardt
Gabriele Molitor
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Hans-Joachim Otto


(Frankfurt)

Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Dr. Christiane Ratjen-

Damerau
Jörg von Polheim
Dr. Birgit Reinemund
Hagen Reinhold
Dr. Peter Röhlinger
Dr. Stefan Ruppert
Björn Sänger
Frank Schäffler
Jimmy Schulz
Marina Schuster
Dr. Erik Schweickert
Werner Simmling
Judith Skudelny
Dr. Hermann Otto Solms
Joachim Spatz
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Stephan Thomae
Manfred Todtenhausen
Dr. Florian Toncar
Serkan Tören
Johannes Vogel


(Lüdenscheid)

Dr. Guido Westerwelle
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


Nein

SPD

Wolfgang Gunkel
Rüdiger Veit

DIE LINKE

Jan van Aken
Agnes Alpers
Dr. Dietmar Bartsch
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Steffen Bockhahn

Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Heidrun Dittrich
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Nicole Gohlke
Diana Golze
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. Rosemarie Hein
Dr. Barbara Höll
Andrej Hunko
Ulla Jelpke
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Caren Lay
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Dorothée Menzner
Niema Movassat
Thomas Nord
Petra Pau
Yvonne Ploetz
Michael Schlecht
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Sabine Stüber
Alexander Süßmair
Dr. Kirsten Tackmann
Frank Tempel
Dr. Axel Troost
Kathrin Vogler
Johanna Voß
Sahra Wagenknecht
Halina Wawzyniak
Harald Weinberg
Katrin Werner
Jörn Wunderlich

fraktionsloser
Abgeordneter

Wolfgang Nešković

Enthalten

SPD

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Heinz-Joachim Barchmann
Doris Barnett
Sören Bartol
Bärbel Bas
Sabine Bätzing-Lichtenthäler
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer





Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt


(A) (C)



(D)(B)


Gerd Bollmann
Willi Brase
Edelgard Bulmahn
Martin Burkert
Petra Crone
Dr. Peter Danckert
Martin Dörmann
Elvira Drobinski-Weiß
Sebastian Edathy
Ingo Egloff
Siegmund Ehrmann
Petra Ernstberger
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Dr. Edgar Franke
Michael Gerdes
Martin Gerster
Iris Gleicke
Günter Gloser
Angelika Graf (Rosenheim)

Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Michael Groß
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Hubertus Heil (Peine)

Wolfgang Hellmich
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Dr. Eva Högl
Christel Humme
Oliver Kaczmarek
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Lars Klingbeil
Dr. Bärbel Kofler
Daniela Kolbe (Leipzig)


Anette Kramme
Angelika Krüger-Leißner
Christine Lambrecht
Dr. Karl Lauterbach
Steffen-Claudio Lemme
Burkhard Lischka
Kirsten Lühmann
Caren Marks
Petra Merkel (Berlin)

Ullrich Meßmer
Dr. Matthias Miersch
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Dietmar Nietan
Manfred Nink
Thomas Oppermann
Aydan Özoğuz
Heinz Paula
Johannes Pflug
Joachim Poß
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Stefan Rebmann
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth (Esslingen)

Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Annette Sawade
Axel Schäfer (Bochum)

Marianne Schieder


(Schwandorf)

Ulla Schmidt (Aachen)

Carsten Schneider (Erfurt)

Swen Schulz (Spandau)

Frank Schwabe

Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Stefan Schwartze
Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Carsten Sieling
Sonja Steffen
Peer Steinbrück
Dr. Frank-Walter Steinmeier
Christoph Strässer
Kerstin Tack
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Wolfgang Tiefensee
Dr. Marlies Volkmer
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Uta Zapf
Dagmar Ziegler
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Agnes Brugger
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Harald Ebner
Hans-Josef Fell
Dr. Thomas Gambke
Kai Gehring
Katrin Göring-Eckardt
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Ingrid Hönlinger

Thilo Hoppe
Uwe Kekeritz
Susanne Kieckbusch
Sven-Christian Kindler
Maria Klein-Schmeink
Ute Koczy
Tom Koenigs
Sylvia Kotting-Uhl
Oliver Krischer
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar
Dr. Tobias Lindner
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Beate Müller-Gemmeke
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Friedrich Ostendorff
Dr. Hermann E. Ott
Brigitte Pothmer
Tabea Rößner
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Dr. Gerhard Schick
Ulrich Schneider
Dorothea Steiner
Dr. Wolfgang Strengmann-

Kuhn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Daniela Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Arfst Wagner (Schleswig)

Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler

Wir fahren in unserer Debatte fort, und ich gebe das
Wort der Kollegin Caren Marks für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1722611000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Frau Schröder, Ihre Rede hat erneut bewiesen: Sie haben
Ihre Aufgabe als Frauenministerin definitiv nicht ver-
standen. Schade!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Und täglich grüßt das Murmeltier! – Gegenruf der Abg. Christel Humme [SPD]: Bei Ihnen auch, Frau Bär! – Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Totaler Unsinn! Das war eine total differenzierte Rede!)


In der nächsten Woche, am 8. März 2013, begehen
wir wieder den Internationalen Frauentag. Für die

Frauen hier in Deutschland ist das nach fast vier Jahren
Schwarz-Gelb kein Grund zum Feiern: vier verlorene
Jahre für Frauen, vier verlorene Jahre für die Gleichstel-
lungspolitik. Kanzlerin Merkel, Frauenministerin
Schröder sowie die gesamte schwarz-gelbe Koalition ha-
ben gleichstellungspolitisch nichts, aber auch wirklich
gar nichts zuwege gebracht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Markus Grübel [CDU/CSU]: 300 000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige!)


– Herr Grübel, es ist auch nichts mehr zu erwarten, wie
der aktuelle Antrag der Koalition zeigt: Unverbindlich-
keiten, Prüfaufträge und lauter inhaltslose Sätze. Lauter
vertane Chancen, auch erneut in Ihrem Koalitionsantrag.

Noch heute, im 21. Jahrhundert, fehlen in Deutsch-
land Strukturen, die Frauen eine gleichberechtigte Teil-
habe auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen. Frauen haben
nach wie vor nicht die gleichen Chancen. Sie verdienen





Caren Marks


(A) (C)



(D)(B)


für gleiche und gleichwertige Arbeit deutlich weniger als
Männer. Die Lohnlücke beträgt skandalöse 22 Prozent.

Frauen arbeiten überdurchschnittlich oft in prekärer
Beschäftigung. Sie stellen die Mehrheit in den Minijobs,
arbeiten zudem oft in Teilzeit und bleiben viel zu häufig
in dieser stecken. Frauen sind trotz bester Ausbildung
kaum in Führungsfunktionen zu finden.

Das sind nur einige Beispiele. Diese Aufzählung ließe
sich leider verlängern. Obwohl dies alles bekannt ist, ist
nichts geschehen, hat Schwarz-Gelb gleichstellungspoli-
tisch nichts bewegt.


(Beifall bei der SPD)


Das ist umso unverständlicher vor dem Hintergrund
des wirklich sehr guten Sachverständigengutachtens für
den ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.
In diesem Bericht wird nicht nur die Situation dargelegt.
Vielmehr werden auch konkrete Vorschläge dafür ge-
macht, wie eine konsistente Gleichstellungspolitik für
den Lebensverlauf erreicht werden kann – eine Gleich-
stellungspolitik aus einem Guss, Frau Schröder, eine
Gleichstellungspolitik ohne Widersprüche, eine Gleich-
stellungspolitik des Handelns.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die SPD-Bundestagsfraktion hat hierzu konkrete Lö-
sungsvorschläge vorgelegt, sowohl einen Gesetzentwurf
zur Quote als auch einen zur Entgeltgleichheit. Viele
weitere Lösungsvorschläge, etwa zur Eindämmung der
Minijobs, zur Zeitpolitik und für Maßnahmen zur besse-
ren Unterstützung von Alleinerziehenden, finden sich in
unseren Anträgen. Lesen bildet!

Nach wie vor lassen Merkel, Schröder und die
schwarz-gelbe Koalition keinerlei Gestaltungswillen er-
kennen. Dabei bedarf es gerade gesetzlicher Rahmenset-
zungen. Mit Freiwilligkeit ist Fortschritt in der Gleich-
stellungspolitik definitiv nicht zu erreichen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schaut man allerdings, meine Kolleginnen und Kolle-
gen, auf die Website des Bundesministeriums für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend, staunen Frau und
Mann nicht schlecht. Dort findet man ein Übersichtspa-
pier, das – ich zitiere – „über die weichenstellenden Mei-
lensteine“ des Ministeriums in dieser Legislaturperiode
Auskunft gibt.


(Christel Humme [SPD]: Wo sind die denn verschwunden, in welchen Schubladen?)


Auf der Suche nach den sogenannten Meilensteinen
in der Gleichstellungspolitik stößt man auf die Über-
schrift: „Mehr Frauen in Führungspositionen: Die Flexi-
Quote“. Darunter heißt es – Zitat –:

Es ist und bleibt unser Ziel, die Einführung einer
Flexi-Quote für Vorstände und Aufsichtsräte von
börsennotierten und voll mitbestimmungspflichti-
gen Unternehmen gesetzlich zu regeln.


(Mechthild Rawert [SPD]: Nichts als eine Fata Morgana!)


Frau Schröder, selbst bei der unverbindlichen Flexi-
Quote, bei der Wir-tun-so-als-ob-Quote, bleibt es nur bei
Lippenbekenntnissen. So kommen wir nicht voran.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn es noch eines Beweises bedurft hat, hier ist er:
Absichtserklärungen statt Handeln, Worte statt Taten.

Im Übrigen nur der Vollständigkeit halber: Mehr gibt
es zur Gleichstellung in diesem Papier nicht. Auch in
den anderen Politikfeldern sucht man Meilensteine wirk-
lich vergeblich.

Meine Kolleginnen und Kollegen, es muss bei einer
zielführenden Gleichstellungspolitik darum gehen, die
veränderten Lebensentwürfe von Frauen und Männern
zu unterstützen. Das hat auch der Gleichstellungsbericht
festgestellt. Dazu zählt, die gewünschte Vereinbarkeit
von Familie und Beruf besser zu ermöglichen und damit
die Partnerschaftlichkeit zu unterstützen.

Wir brauchen neue Angebote für Teilzeitarbeit für
Frauen und Männer, eine vollzeitnahe Teilzeit von zum
Beispiel 30 Wochenstunden. Teilzeitbeschäftigte brau-
chen einen Rechtsanspruch, der ihnen eine Rückkehr zur
Vollzeit ermöglicht.

Die Notwendigkeit einer solch befristeten Teilzeit,
Frau Ministerin, scheinen Sie erkannt zu haben. So
konnten wir es jedenfalls in der WAZ vom 22. Februar
lesen – Zitat –:

Realistisch betrachtet, wird das ein Projekt für die
Zeit nach der Bundestagswahl.

Kurz darauf geht es weiter:

Aber wir können leider nicht über die FDP hinweg-
regieren.


(Zuruf von der SPD: Die FDP, guck an!)


Fakt ist also: Verlässlicher Stillstand bei der Gleich-
stellung. Aber nur mit einer eigenständigen Existenz-
sicherung von Frauen gelingt eine wirkliche Gleichstel-
lung. Es bedarf gesetzlicher Regelungen, um die
erforderlichen Strukturen in unserem Land aufzubre-
chen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Denn, Frau Ministerin, Sie können hier noch so oft ste-
hen und Appelle aussprechen und freiwillige Vereinba-
rungen loben: Es geht damit nicht voran. Es wird endlich
Zeit, dass sich etwas ändert. Es wird Zeit, dass Schwarz-
Gelb nicht mehr regiert. Die Frauen haben es schon
lange satt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Schauen wir mal!)







(A) (C)



(D)(B)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722611100

Für die FDP-Fraktion redet jetzt die Kollegin Nicole

Bracht-Bendt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Christel Humme [SPD]: Was sagt denn die FDP dazu?)



Nicole Bracht-Bendt (FDP):
Rede ID: ID1722611200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In unse-
rem Antrag zum diesjährigen Frauentag greifen wir das
Thema „Entgeltgleichheit von Frauen und Männern“
ganz bewusst auf,


(Christel Humme [SPD]: Oh!)


und zwar gemeinsam mit dem Aspekt der Familien-
freundlichkeit von Unternehmen.


(Caren Marks [SPD]: Da müssen Sie selber lachen, oder?)


– Gefällt Ihnen das, Frau Marks? Anscheinend. – Denn
– so heißt es gleich zu Beginn des Antrags –: Die wich-
tigste Maßnahme zur Beseitigung der Entgeltungleich-
heit ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ständig heißt es plakativ: Frauen verdienen in
Deutschland rund 22 Prozent weniger als Männer. Damit
gehören wir zu den Schlusslichtern in Europa.


(Caren Marks [SPD]: Ach?)


So weit die nackten Zahlen des Statistischen Bundesam-
tes.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Beim bloßen Ver-
gleich der Durchschnittseinkommen von Männern und
Frauen bleiben ganz entscheidende Aspekte außen vor,


(Christel Humme [SPD]: Marginalisieren des Problems!)


nämlich die Dauer der Betriebszugehörigkeit oder die
Berufserfahrung, die durch Erwerbsunterbrechungen bei
Frauen häufig geringer ist.

Legt man Zahlen von 2009 zugrunde, so haben knapp
91 Prozent der Mütter eine Auszeit vom Beruf genom-
men, um sich um ihre Kinder zu kümmern, mehr als die
Hälfte davon für über anderthalb Jahre. Im Gegensatz
dazu haben dies nur ca. 5 Prozent der Väter getan – und
das nur kurz.

Nun ist aber gerade die Zeit der Elternschaft, also die
Phase zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr, auch
in beruflicher Hinsicht eine ganz entscheidende. Hier
wird die Grundlage für die spätere Karriere gelegt. Wenn
Frauen gerade dann lange pausieren, hat das nachhaltige
Folgen für ihre Aufstiegschancen und damit für ihren
Verdienst. Es droht der Karriereknick, und das darf nicht
sein.

Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat im Ja-
nuar neue Zahlen vorgelegt. Demnach schrumpft die
Lohnlücke bei Frauen, die maximal 18 Monate ausset-
zen, auf weniger als 2 Prozent. Das ist nicht nur erfreu-
lich; das ist wegweisend und ausbaufähig, und es zeigt,

wie die Verringerung der Lohnlücke in Deutschland zu-
künftig gelingen kann. Nun geht es darum, allen Frauen,
die es möchten, tatsächlich die Möglichkeit zu geben,
eine solche kurze Auszeit zu nehmen. Dabei ist das El-
terngeld – ein Erfolgsmodell – eine wichtige Unterstüt-
zung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
zur heutigen Gleichstellungsdebatte haben Sie Anträge
vorgelegt, in denen Sie eine Fülle gesetzlicher Maßnah-
men fordern. Ganz egal zu welchem Thema, ob Entgelt-
gleichheit, ob Frauenquote für die Privatwirtschaft oder
die öffentliche Verwaltung: Sie fordern wie immer ein
Gesetz.


(Christel Humme [SPD]: Wir haben gelernt, Sie nicht!)


Sie wollen bürokratische Regelwerke, staatliche Vorga-
ben, die die Privatautonomie aushebeln, die Vertragsfrei-
heit und Tarifautonomie beschränken und Arbeitgebern
alle möglichen Verpflichtungen aufbürden. Das wollen
wir nicht. Solche Regelungen wird es mit uns nicht ge-
ben.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was wollen Sie?)


Das Problem ist komplex; seine Ursachen sind viel-
schichtig.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, deshalb macht man nichts!)


Dementsprechend muss auch die Lösung sein: Es gibt
viele Stellschrauben, an denen wir drehen müssen. Da
sind zum Beispiel die langen und teilweise unfreiwilli-
gen Erwerbsunterbrechungen. Die Mehrzahl der Mütter
würde gerne früher in den Beruf zurückkommen oder
früher wieder Vollzeit arbeiten. Das scheitert aber viel zu
oft an mangelnder Kinderbetreuung. Deshalb engagiert
sich die schwarz-gelbe Bundesregierung ganz besonders
für den Ausbau der Kinderbetreuung.


(Christel Humme [SPD]: Das haben wir die letzten Jahre sehr deutlich gemerkt!)


Dafür haben wir auch ordentlich Geld in die Hand ge-
nommen, sei es für die Erfüllung des Rechtsanspruches
auf Betreuung der unter Dreijährigen oder für das Pro-
gramm „Betrieblich unterstützte Kinderbetreuung“. In
unserem Antrag bekennen wir uns noch einmal zu die-
sem Programm. Wir wollen es evaluieren und nach
Möglichkeit über das Jahr 2015 hinaus verstetigen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christel Humme [SPD]: Schon wieder evaluieren? Wir brauchen nichts zu evaluieren!)


Wichtig ist eine gute, verlässliche Infrastruktur, die
junge Eltern unterstützt und sie nicht unfreiwillig in ein
bestimmtes Lebensmodell zwingt, nur weil verschiedene
staatliche Ebenen Schwarzer Peter spielen. In diesem
Punkt kann sich keiner herausreden. Da ist die aktuelle
Bundesregierung ebenso in der Pflicht, wie es alle Vor-
gängerregierungen – damit sind Sie von Rot-Grün ge-
meint – waren und ganz besonders auch die Bundeslän-
der.





Nicole Bracht-Bendt


(A) (C)



(D)(B)


Untersuchungen zeigen, dass sich viele junge Paare
vornehmen, als Eltern alles partnerschaftlich zu regeln:
Beide kümmern sich um die Kinder; beide gehen in El-
ternzeit; beide bleiben mal zu Hause, wenn eines der
Kinder krank ist. – Dann kommt das erste Kind, und
plötzlich ist alles anders: Sie bleibt daheim, er geht ins
Büro. Mütter arbeiten weniger, Väter hingegen mehr als
vor der Geburt von Kindern. Das ist das Gegenteil von
dem, was sie meist wollen, und trotzdem ist es immer
noch die Realität. Daher brauchen junge Eltern gut abge-
stimmte Rahmenbedingungen, ein Gesamtkonzept an
Maßnahmen, die ineinandergreifen und sie dabei unter-
stützen, frei zu entscheiden, wer wie und wie viel arbei-
tet und wie sie ihren Alltag partnerschaftlich aufteilen.
So wahren auch Frauen ihre Chance auf einen guten Job,
ein angemessenes Gehalt und den beruflichen Aufstieg.

Ein weiterer Punkt ist die Familienfreundlichkeit all-
gemein. Schauen wir nach Norwegen, schauen wir nach
Frankreich, dann wird klar: In Sachen Frauen und Fami-
lienpolitik ist in Deutschland noch Luft nach oben. Aber
wir sind auf einem guten Weg zu einer familienfreund-
licheren Unternehmenskultur und Arbeitswelt. Mitt-
lerweile engagieren sich mehr als 4 500 Betriebe im
Programm „Erfolgsfaktor Familie“ mit dem Ziel, Fami-
lienfreundlichkeit zu einem Markenzeichen der deut-
schen Wirtschaft zu machen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christel Humme [SPD]: 4 500 Betriebe von 3 Millionen, das ist ein Erfolg ohnegleichen!)


Eine Untersuchung des DIHK bestätigt, dass die Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Thema
für fast 80 Prozent aller Firmen ist. Immer mehr bieten
schon gute Rahmenbedingungen, flexible Lösungen,
Gleitzeit, Arbeit im Homeoffice und Ähnliches; gute Al-
ternativen zur herrschenden „Präsenzkultur“.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Erweiterung des Be-
rufswahlspektrums. Junge Menschen haben viele Alter-
nativen zu den ausgetretenen Pfaden, den geschlechts-
typischen Berufen, die schon ihre Mütter und Väter
gegangen sind. Sie kennen sie aber nicht.

Ich selbst bin Tischlerin und war häufig die einzige
Frau. Das war vollkommen okay. Daher freue ich mich
über all die wertvollen Initiativen, die Jugendliche bei
ihrer Berufswahl unterstützen wie zum Beispiel der
Girls‘ and Boys‘ Day, bei dem ich im April wieder zwei
jungen Menschen die Möglichkeit geben werde, Ein-
blick in meine Tätigkeit als Abgeordnete zu nehmen.


(Caren Marks [SPD]: Es gibt ja so wenige in der FDP! – Christel Humme [SPD]: Besser nicht!)


– Frau Marks, da müssen Sie ja selbst lachen.


(Caren Marks [SPD]: Ich habe das nicht gesagt! Das war meine Kollegin!)


In knapp drei Wochen ist Equal Pay Day. Auch ich
werde mit Kolleginnen und Kollegen auf der Straße ste-
hen und auf die Lohnlücke zwischen Männern und
Frauen aufmerksam machen. Außerdem werde ich mit

den Menschen über unsere Konzepte diskutieren, die
dazu beitragen sollen, diese Lohnlücke weiter zu verrin-
gern.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind diese Konzepte?)


Dafür bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung von
Wirtschaft, Verbänden, Arbeitgebern, Tarifpartnern,
Politik, Gesellschaft und natürlich jedem Einzelnen.

Ich habe noch Zahlen aus der Anhörung im Ohr:
Männer bewerben sich auf eine Stelle, wenn sie 50 Pro-
zent der Kriterien für sich als erfüllt sehen, Frauen erst
bei 80 Prozent. Das sagt viel aus.

Für uns Liberale ist es selbstverständlich, dass Frauen
und Männer auf Augenhöhe sind. Schauen Sie einmal
genau hin! Das ist bei uns so.

Ganz herzlichen Dank. Tschüs!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Caren Marks [SPD]: „Brüderle und der Sexismus“, sage ich nur!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722611300

Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt das Wort für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722611400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Frau Bracht-Bendt, die Außen-
wahrnehmung Ihrer FDP-Fraktion, was die Gleichstel-
lung der Geschlechter angeht, ist wirklich eine andere.
Mir ist das so noch nicht aufgefallen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der 8. März ist der Tag der Vereinten Nationen für die
Rechte der Frauen und den Weltfrieden. Der 8. März gilt
also nicht nur den Rechten der Frauen, sondern auch
dem Weltfrieden. Seit über 100 Jahren kämpfen Frauen
für die Gleichstellung und das Wahlrecht, das es in
Deutschland seit dem Jahr 1918, seit der Weimarer Ver-
fassung, gibt. Wenn man einmal in die Rechtsgeschichte
schaut, dann stellt man fest, dass Frauen erst seit 1977
das Recht haben, selbst und unabhängig von ihrem Ehe-
mann zu entscheiden, ihre Existenz durch ihrer eigenen
Hände Arbeit zu sichern. Das ist wirklich noch nicht so
lange her.

Andererseits ist das viel zu lange her, als dass wir im-
mer noch weiter warten können mit Selbstverpflichtun-
gen, netten Appellen an die Wirtschaft, an die Politik, an
Vereine und an wen auch immer, doch bitte einmal die
Frauen zu fördern. Ich finde, es ist notwendig, dass wir
jetzt endlich gesetzgeberisch aktiv werden. Wir Frauen
haben lange genug gewartet.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)






Dr. Barbara Höll


(A) (C)



(D)(B)


So wie wir heute diskutieren, ist das schon sympto-
matisch. Es liegen zwei Anträge vor, mit denen versucht
wird, das Problem der Gleichstellung umfassend anzu-
gehen. Die Frau Ministerin beschränkt sich jedoch ganz
bescheiden auf die Entgeltgleichheit. Frau hätte nun er-
warten können, dass in einem Antrag mit solch einer
Selbstbeschränkung ganz konkrete Maßnahmen aufge-
listet sind, die die Koalition befürwortet. Die Ministerin
hatte die Möglichkeit, hier zu sagen: Sie haben recht. Ich
mache jetzt ganz konkrete Dinge.

Unter den Forderungen finden wir wirklich nur: Ma-
chen Sie doch da eine Evaluierung!


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Alles heiße Luft!)


Schauen Sie, ob das geklappt hat! Sie appellieren an die
Unternehmen, doch ein bisschen familienfreundlicher zu
werden. In Ihrem Forderungskatalog ist aber keine ein-
zige konkrete Maßnahme enthalten. Die Ministerin hat
hier wieder keinen, aber auch gar keinen konkreten Vor-
schlag dazu gebracht, was sie tatsächlich machen will.
Frau Ministerin, man hat den Eindruck, für Sie ist Gen-
der-Mainstreaming ein Fremdwort, und Sie stehen in ei-
nem Wettbewerb mit Herrn Rösler, wer der unverbind-
lichste Minister oder die unverbindlichste Ministerin
dieser Bundesregierung ist. Das ist einfach schrecklich.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich sage Ihnen: Gleichstellungspolitik bedeutet für
uns als Linke die gleiche Teilhabe von Frauen und Män-
nern in allen gesellschaftlichen Bereichen und an allen
gesellschaftlichen Ressourcen. Der Schutz der Frauen
vor Diskriminierung und Gewalt sowie ein Leben für
alle Menschen frei von einschränkenden Geschlechter-
rollen, das ist unsere Zielstellung.

Es gibt zwei Grundvoraussetzungen, nämlich zum ei-
nen die Selbstbestimmung über den Körper, die eine
Frau braucht. Hierzu haben wir eine Regelung, mit der
das relativ gut sichergestellt wird. Die zweite Grund-
voraussetzung ist eine eigenständige Existenzsicherung,
sodass eine Frau nicht durch den Ehemann oder durch
den Staat alimentiert wird. Das heißt also, Erwerbstätig-
keit für Frauen zu ermöglichen.

Wie sieht aber die Realität aus? Leider sind mit der
Agenda 2010 durch Rot-Grün für Minijobs, Midijobs
und den Niedriglohnsektor Tür und Tor geöffnet worden.


(Elke Ferner [SPD]: Minijobs gab es schon vorher!)


Das hätten wir schon längst beseitigen können. 70 Pro-
zent der in diesen Bereichen tätigen Menschen sind
Frauen. Sie sind berufstätig. Sie können aber nicht von
ihrer Hände Arbeit leben. Es reicht nicht, daran ein biss-
chen herumzudoktern oder zu reformieren. Diese Jobs
gehören gestrichen und abgeschafft. Es muss einfach
Standard sein, dass Menschen von ihrer Hände Arbeit le-
ben können.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb brauchen wir natürlich auch den Mindest-
lohn für alle in der Bundesrepublik Deutschland. Wir
werden hoffentlich gemeinsam erst einmal den Mindest-
lohn in Höhe von 8,50 Euro beschließen. Ich sage aber
ganz klar: 8,50 Euro sind zu wenig. Dies haben wir Ih-
nen in der vorangegangenen Debatte vorgerechnet. Wir
brauchen einen Mindestlohn von 10 Euro, um dann auch
Renten zu haben, die die Beibehaltung des Lebensstan-
dards im Alter einigermaßen ermöglichen; es geht da-
rum, dass sie wenigstens armutsfest sind. Das ist die
Zielstellung. Dem müssen Sie sich stellen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn wir über die Entgeltungleichheit sprechen,
dann gibt es einen logischen Fehler, der weit verbreitet
ist. Als allgemeiner Standard wird das Einkommen der
Männer genommen. Das sind 100 Prozent. Dann wird
ausgerechnet, wie viel die Frauen weniger verdienen.
Frauen werden so gering bezahlt, dass sie bei einem
durchschnittlichen Verdienst, 35 Berufsjahren und glei-
cher Berufstätigkeit einen Einkommensverlust gegen-
über ihren männlichen Kollegen von etwa 100 000 Euro
haben. Also, die Entgeltungleichheit ist nicht gering.
Sagt man aber, dass das Einkommen der Frauen
100 Prozent beträgt, dann ist, in Prozenten ausgedrückt,
der Einkommensvorsprung der Männer viel größer. Den-
ken wir einmal von den Frauen her! Mehr als die Hälfte
der Bevölkerung sind Frauen. Warum ist der Maßstab
das Einkommen der Männer? Nein, die Frauen müssen
der Maßstab sein.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir brauchen endlich ein Herangehen an die unglei-
che Bezahlung der angeblich frauentypischen Berufe
gegenüber den angeblich männertypischen Berufen. Das
fordern wir auch für die Emanzipation der Männer. Das
ist ein dringendes Problem. Wir reden nicht einfach ego-
istisch für Frauen, sondern für alle. Schauen wir uns das
einmal an! Nehmen wir ein junges Paar: Der Papa ist
Grundschullehrer, die Mama ist Gymnasiallehrerin. Sie
bekommen ein Baby. Frau Schröder, was denken Sie?
Wahrscheinlich bleibt der Papa zu Hause, weil sein Ein-
kommensverlust in der Elternzeit niedriger ist als der
Einkommensverlust, wenn die Mama als Gymnasialleh-
rerin zu Hause bleibt. Nun ist es so, dass die Grund-
schullehrer prinzipiell niedriger bezahlt werden als die
Gymnasiallehrer, dass es mehr Grundschullehrerinnen,
ganz wenige Grundschullehrer und dafür wesentlich
mehr Gymnasiallehrer als Gymnasiallehrerinnen gibt.
Ich sage Ihnen: Wir müssen ganz viel tun, damit sich in
dieser Gesellschaft, in unserem Staat Etliches ändert.
Dazu brauchen wir aber eine grundlegende Verbesserung
und nicht einfach eine Angleichung an schlechte Ver-
hältnisse, die wir haben. Wir brauchen eine Verbesse-
rung der Verhältnisse für alle.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Stefan Schwartze [SPD])







(A) (C)



(D)(B)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722611500

Jetzt hat für Bündnis 90/Die Grünen Renate Künast

das Wort.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722611600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau

Schröder, Sie haben wunderbar angefangen und die Fra-
gen gestellt, die die Frauen im Alltag erleben. Sie haben
damit angefangen, dass Frauen im Erwerbsleben mit der
Frage konfrontiert werden: Wie machen Sie es mit Ihrem
Kind? – Sie haben auf die Gehaltsstatistik verwiesen und
auf die Frage, welche Jobs die Frauen bekommen. Dann
dachte ich: Nach dieser mehr oder weniger radikalen
Analyse folgt jetzt auch ein radikales Handlungspaket. –
Das habe ich allerdings in Ihrer Rede nicht wahrgenom-
men.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Mechthild Rawert [SPD]: Stimmt!)


Sie haben das Problem beschrieben und dann gesagt,
es sei ein kulturelles Problem. Das erinnert mich an
Ulrich Beck und sein Wort, das genau solche Situationen
beschreibt: „Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeiti-
ger Verhaltensstarre“.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das haben Sie hier angeboten, aber dann kam nichts.

Ich habe vorhin den News entnommen, dass Sie heute
schon geäußert haben, da dies doch die Aufgabe der
Wirtschaft sei – dorthin haben Sie die kulturellen Fragen
sortiert –, sei es auch deren Aufgabe und Pflicht, regel-
mäßig zu berichten, inwieweit sie die Zahl ihrer Selbst-
verpflichtungen erfüllt hat. Sie haben alles dorthin ge-
schoben. Glücklicherweise haben wir ein Grundgesetz.
Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Zu
der Frage, ob dies eine kulturelle Aufgabe ist, kann ich
nur auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes verwei-
sen, der besagt – ich zitiere –:

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der
Gleichberechtigung von Frauen und Männern und
wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile
hin.

Das ist Ihre Aufgabe, und davon habe ich in Ihrer
Rede nichts, aber auch gar nichts gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich freue mich darüber, dass sich Frauen in diesem
Land wirklich engagieren. Nehmen wir nur einmal den
Hashtag-Aufschrei, als es um die Sexismusdebatte ging,
die noch nicht zu Ende ist, oder die Debatte um die Frauen-
quote, die der Deutsche Juristinnenbund, FidAR
– Frauen in die Aufsichtsräte – und der Verband deut-
scher Unternehmerinnen angeschoben haben. Diese,
Frau Schröder, und viele andere Frauen aus der Praxis,
aus der Wissenschaft haben den nötigen politischen
Druck ausgeübt. Ihre Einladung zu einem Gespräch hat
nicht dazu beigetragen. Auch die Tatsache, dass es in

Ländern in Europa schon Quotenregelungen bei öffentli-
chen Ausschreibungen gibt, hat Druck ausgelöst und
Unternehmen zum Nachdenken gebracht. Wenn die Te-
lekom sieht, dass die Telefónica aus Spanien in ihren
Ausschreibungen in Spanien oder in Frankreich Quoten-
regelungen für Frauen und Männer vorsieht, dann be-
wegt sich die Telekom, und nicht weil Frau Schröder
einlädt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Frau Schröder, in Ihrer Rede zum 102. Frauentag ha-
ben Sie kein Wort zu der Debatte um den Alltagssexis-
mus gesagt, obwohl sich so viele Frauen geäußert haben.
Es gab kein wirkliches Wort zu einer verbindlichen
Frauenquote in Aufsichtsräten. Auch haben Sie nichts zu
Regelungen für die gleiche Bezahlung von Frauen und
Männern gesagt; ich habe nichts gehört. Stattdessen
setzen Sie getreu Ulrich Beck, also bei weitgehender
Verhaltensstarre, ständig falsche Anreize. Das Betreu-
ungsgeld und das Festhalten am herkömmlichen Ehegat-
tensplitting ist solch ein falscher Anreiz. Wenn wir wirk-
lich sagen, auch aus einem christlichen Menschenbild
abgeleitet; „Wir investieren unsere Steuergelder in die
Kinder und stellen die Kinder in den Mittelpunkt“, dann
müssten Sie sagen: Das Ehegattensplitting wird abge-
schmolzen, damit wir Geld für die Kinder haben. – Aber
dazu gibt es kein Wort von Ihnen. Sie hingegen sind für
das Betreuungsgeld und die Flexiquote. Ich sage einmal:
Flexiquötchen, denn sie kommt ja auf Pfötchen daher.
Das reimt sich auch. Die Unternehmen sollen
selber entscheiden. Das ist selbst Ihren Parteifreundin-
nen und -freunden zu wenig.

Das Pflegezeitgesetz ist so realitätsfern gestaltet, dass
von den Frauen in der gesamten Bundesrepublik, die
Pflege übernehmen, seit dem Inkrafttreten erst satte
150 Anträge gestellt wurden. 150 Anträge ist Ihr Ver-
such wert, den Frauen die Situation zu erleichtern, wenn
sie Pflege übernehmen. Das können sich Frauen gar
nicht leisten. Denn wer hat denn so viel Geld im Hinter-
grund, dass er eine Auszeit ohne monatliche Bezahlung
nimmt?

Ich kann nur sagen: Das, was Sie hätten anpacken
müssen, haben Sie liegen lassen, und wenn Sie gehandelt
haben, war es eigentlich immer ein Flop.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich muss feststellen, dass Ihre und Frau Merkels Frau-
enpolitik immer wieder die Realität der Frauen in
Deutschland ignoriert. Sie ignorieren auch die wissen-
schaftliche Expertise. Ich will Ihnen zwei Beispiele nen-
nen:

Erstens. Der Erste Gleichstellungsbericht hat gezeigt:
Frauen auf dem Arbeitsmarkt sind diskriminiert. – So
weit auch Ihre fast radikale Analyse. Dann heißt es im
Gleichstellungsbericht weiter: Wir brauchen einen Min-
destlohn. Wir brauchen ein Entgeltgleichheitsgesetz. Wir
brauchen eine Quote. – Nichts davon haben Sie im An-
gebot.


(Caren Marks [SPD]: So ist es!)






Renate Künast


(A) (C)



(D)(B)


Die Expertise und Beratung haben Sie überhaupt nicht
genutzt, weil Sie irgendwo in einer alten Ideologie ste-
cken bleiben.

Zweitens. In der stattgefundenen Evaluierung der Fa-
milienleistungen steht: Es ist dringend nötig, einen
Modernisierungsschub bei den Familienleistungen zu
machen, Abschmelzen des Ehegattensplittings, kein Be-
treuungsgeld. – Was machen Sie? Sie halten die ganze
Studie unter Verschluss, weil Sie die gesellschaftliche
Debatte dazu fürchten. Dabei ist gerade jetzt eines wich-
tig, nämlich nicht in den Strukturen von vorgestern zu
agieren, sondern wirklich neue Strukturen für eine Ar-
beitsmarktbeteiligung von Frauen zu schaffen.

Ich habe ein bisschen das Gefühl, Sie sind eine Art
Scheinregierung. Sie erinnern mich an den Riesen Tur
Tur: Je näher man kam, desto kleiner wurde er. So groß
die Worte auch sind, die Sie hier wählen: In Wahrheit
nehmen Sie eine Simulation von Politik vor, und da hilft
es auch nicht, eine Bundeskanzlerin zu haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie besetzen das Thema, indem Sie sich mit Frau von der
Leyen über den Begriff „Quote“ streiten, aber passiert ist
gar nichts – Simulation von Politik.


(Nicole Bracht-Bendt [FDP]: Das ist die Unwahrheit!)


Sie reden über Lohngleichheit und beschreiben die
Situation. Aber die Kanzlerin hat neulich nur öffentlich
gesagt, sie rate den Frauen, einfach besser und schärfer
zu verhandeln, wenn es ums Gehalt gehe. Hier geht es
aber nicht allein um ein Problem der einzelnen Frauen.


(Nicole Bracht-Bendt [FDP]: Sie waren doch in der Anhörung!)


Wir, die Politik, haben einen Gleichstellungsauftrag: Wir
müssen aktiv werden, und wir wollen keine Ankündi-
gungspolitik. Deshalb, meine Damen und Herren, ist es
richtig, Folgendes zu beraten: ein Entgeltgleichheitsge-
setz, den Mindestlohn und die Frauenquote. Ich glaube
übrigens, dass all das auch die Männer wollen, weil sie
wissen, dass es auch ihnen im Erwerbs- und Privatleben
neue Entwicklungsmöglichkeiten gibt.

Es ist Zeit für eine moderne Familienpolitik. Die
Konzepte sind da, und wir sind bereit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722611700

Jetzt hat die Kollegin Dorothee Bär für die Fraktion

der CDU/CSU das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1722611800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau
Künast, jedes Mal, wenn Sie hier im Parlament eine

frauenpolitische Rede halten, frage ich mich, ob es den
Frauen danach besser geht.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dank Ihrer Politik geht es den Frauen besser, oder was?)


Jedes Mal muss ich feststellen: nein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dank Ihrer schlechten Laune aber auch nicht!)


Das, was Sie hier abliefern, trägt überhaupt nicht dazu
bei, gesellschaftspolitisch irgendetwas zu verbessern,
und sei es auch nur verbal. Ich finde, dass die Ministerin
am Anfang sehr gut aufgezeigt hat, wo die Probleme in
unserem Land liegen: Wir haben festgelegte Rollenbil-
der. Frauen sind auch deswegen am Arbeitsmarkt be-
nachteiligt, weil in sehr vielen Firmen die Auffassung
herrscht, dass Frauen mit geringerer Wahrscheinlichkeit
dauerhaft in ihrem Unternehmen sein werden als Män-
ner, allein aufgrund ihrer Fähigkeit, Kinder zu gebären.
Da geht es oft gar nicht darum, ob sie tatsächlich Kinder
haben oder nicht. Aber allein die Gebärfähigkeit macht
Frauen als potenzielle Arbeitnehmerinnen weniger at-
traktiv als Arbeitnehmer. Deswegen gelten sie oft – das
hört man an der einen oder anderen Stelle – als risiko-
trächtige Arbeitnehmerinnen. Deswegen werden sie oft
zu einem geringeren Verdienst eingestellt und erhalten
weniger Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten.

Natürlich gibt es jetzt nicht die eine Lösung, die
Ideallösung, wie Sie sie mit Ihrer Schwarz-Weiß-Malerei
fordern; denn die Ursachen sind viel zu vielfältig. Natür-
lich gibt es eine strukturelle Diskriminierung. Auch des-
wegen ist es wichtig, einen Mentalitätswandel zu errei-
chen. Einen Mentalitätswandel erreicht man natürlich
nicht, wenn man immer meint, die eine Lösung zu haben
bzw. ein Einheitsmodell, wie Sie, Frau Künast, es gerade
wieder angesprochen haben, für alle Frauen in Deutsch-
land etablieren und einfach allen überstülpen zu müssen.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hatte das mit einem „Einheitsmodell“ zu tun? Wo sind denn Ihre Vorschläge? – Christel Humme [SPD]: „Wahlfreiheit“ ist das Stichwort!)


Wir haben ein Problem: Sobald Frauen eigene Kinder
haben, verschlimmert sich die strukturelle Diskriminie-
rung. Wenn man sich die Studien, beispielsweise vom
Deutschen Juristinnenbund, anschaut, dann stellt man
fest, wie die Führungspositionen in Deutschland eigent-
lich besetzt sind: Die meisten Führungspositionen in un-
serem Land haben Männer mit Kindern inne. An zweiter
Stelle kommen dann Männer ohne Kinder. An dritter
Stelle kommen Frauen ohne Kinder. An vierter Stelle
kommen Frauen mit Kindern. Daran sieht man ganz
deutlich, dass Kinder nur beim weiblichen Geschlecht
ein Problem sind, beim männlichen aber nicht. Bei den
Männern ist es sogar ein Vorteil; Männer mit Kindern
nehmen die meisten Führungspositionen ein.





Dorothee Bär


(A) (C)



(D)(B)


Der Kern unserer christlichen Familien- und Frauen-
politik ist deswegen die Wahlfreiheit: Wir fördern, dass
jede und jeder Einzelne in Staat und Gesellschaft die
Freiheit selbst ausfüllen kann, dass sich jede Mutter und
jeder Vater frei entscheiden kann, ob sie Vollzeit oder
Teilzeit arbeiten oder ganz zu Hause bleiben wollen. Un-
serer Auffassung nach hat der Staat nämlich nicht das
Recht, bestimmte Lebensmodelle aufzuzwingen. Unser
Ziel muss es doch sein, Freiräume zu schaffen.

Ich verstehe bis heute nicht, warum Sie der Meinung
sind, dass der Staat in jedem Fall der bessere Erzieher
ist. Wir sind diejenigen, die sagen: Wir setzen die Rah-
menbedingungen für Wahlfreiheit. Mich stört wirklich
– das war heute in allen Reden der Opposition zu hören –,
dass Sie hier Keile hereintreiben und Frauen gegen
Frauen ausspielen. Das ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Stefan Ruppert [FDP] – Christel Humme [SPD]: Was ist das denn für ein Quatsch? – Caren Marks [SPD]: Mit Ihnen ist gar nichts zu machen!)


Wir im Bund haben die Betreuungssituation von Kin-
dern unter drei Jahren mit Mitteln in Höhe von insge-
samt 4,58 Milliarden Euro erheblich verbessert – das ist
mehr als in all den Jahren, in denen Sie an der Regierung
waren. Wir unterstützen die Kommunen, und wir unter-
stützen sie freiwillig und auch künftig mit 845 Millionen
Euro jährlich bei den Betriebskosten.


(Zuruf der Abg. Christel Humme [SPD])


Ja, ich sage voller Stolz: Wir haben das Betreuungsgeld
für ein- bis dreijährige Kinder eingeführt,


(Christel Humme [SPD]: Darauf wäre ich aber nicht stolz!)


weil es uns eben wichtig ist, keine verschiedenen Le-
bensmodelle gegeneinander auszuspielen.


(Elke Ferner [SPD]: Doch, tun Sie doch!)


Es ist bei den Debatten oft deutlich geworden, dass
Sie persönlich andere Lebensmodelle wählen. Das ist Ih-
nen auch unbenommen. Da mischt sich auch von außen
keiner ein. Aber ich finde, gerade wir, die wir alle be-
rufstätig sind, müssen natürlich auch Lobbyisten für Fa-
milien sein, die sich andere Modelle wünschen, weil lo-
gischerweise keine Hausfrau und kein Hausmann die
Möglichkeit hat, hier am Rednerpult im Deutschen Bun-
destag zu stehen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso reden Sie bei den Frauenveranstaltungen immer ganz anders? Sie sind eine Frau mit zwei Gesichtern!)


Wir wollen Eltern nicht unter Druck setzen. Wir wol-
len, dass nicht alle Kinder in eine ganztägige Kinderbe-
treuung gegeben werden, weil wir eben gegen diese
Gleichmacherei sind.

Sie beklagen, dass bei einer steigenden Erwerbsquote
das Arbeitsvolumen – ich finde, das ist ein ganz beson-

ders furchtbares Wort – von Frauen stagniert, weil viele
nur in Teilzeit arbeiten. Da frage ich mich: Ist es wirk-
lich Ihr Ziel, wie in der Wirtschaftswoche vom 9. Fe-
bruar zu lesen war – ich zitiere –, dass „die totale Mobil-
machung aller Arbeitskräfte“ erfolgt?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn da gerade mit der „totalen Mobilmachung“?)


Ein weiteres Zitat:

Erst wenn jede Frau an der Aldi-Kasse für ihre So-
zialbeiträge schuftet und Steuern dafür bezahlt, dass
andere Frauen ihre Kinder erziehen – erst dann ist
die endgültige Befreiung der Frau geschafft.


(Zuruf von der SPD: So wie bei Ihnen zu Hause!)


Das ist auf jeden Fall eine Politik, die mit uns nicht zu
machen ist, weil wir eben für die Wahlfreiheit stehen.
Wir brauchen keine arbeitsplatzgerechten Familien, die
sich nur unter das unterordnen, was der Arbeitsmarkt
will, sondern familiengerechte Arbeitszeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Freiwillige Maßnahmen sind wichtig. Sie reichen
meines Erachtens aber nicht aus. Für mich persönlich
wäre es wichtig, dass Teilzeitkräfte auch das Recht ha-
ben, in Vollzeit zurückzukehren.


(Elke Ferner [SPD]: Aber nur für Sie persönlich! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen wünsche ich mir auch einen Rechts-
anspruch auf Vollzeit. Das hätte auch eine Wirkung auf
Männer, weil dann eine phasenweise Teilzeit eher in An-
spruch genommen würde, und zwar von beiden Ge-
schlechtern.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir würden Sie da unterstützen, aber wo ist das? – Mechthild Rawert [SPD]: Machen!)


Mir ist das sogenannte Teilelterngeld auch sehr wich-
tig, weil sich die Anspruchsdauer des Elterngeldes bei
Teilzeitarbeit der Eltern und Aufteilung der Sorgearbeit
entsprechend verlängern würde. Wichtig wäre selbstver-
ständlich auch eine Flexibilisierung der Elternzeit. Mo-
mentan ist es nur möglich, die Elternzeit bis zum 8. Le-
bensjahr des Kindes in Anspruch zu nehmen. Wir
wollen, dass in Zukunft die Frist bis zum 14. Lebensjahr
des Kindes ausgeweitet wird, um in Krisenzeiten einer
Familie, bei Schulproblemen, bei Trennung der Eltern
oder zur Pflege der Eltern-Kind-Beziehung eine größere
Flexibilität zu gewährleisten.

Wir haben in den letzten knapp vier Jahren eine her-
vorragende Familien- und Frauenpolitik gemacht. Ich
bin mir sicher, dass die Wählerinnen und Wähler erken-
nen, wer ihnen Wahlfreiheit gibt und wer ihnen ein Ein-
heitsmodell aufdrücken wird.





Dorothee Bär


(A) (C)



(D)(B)



(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ganz genau!)


Deswegen bin ich sicher, dass es im September mit
dieser Bundesregierung hervorragend weitergeht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722611900

Elke Ferner hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Elke Ferner (SPD):
Rede ID: ID1722612000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich frage mich die ganze Zeit, ob hier bei der Koalition
ein Wettbewerb stattfindet, wer die peinlichste Rede
hält.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Dann würden Sie ja gewinnen! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Antwort ist: Ja, es gibt einen Wettbewerb! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das ist wie beim FC Bayern: Euer Hass ist unser Stolz! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/ CSU]: Schon gewonnen!)


Ich muss wirklich sagen, dass an Peinlichkeit kaum
zu überbieten ist, was in Ihrem Antrag steht und was die
Ministerin und Sie von den Koalitionsfraktionen hier
zum Besten geben. Sie nehmen in Ihrem Antrag – das
hat auch die Ministerin zu Beginn gemacht – eine Pro-
blemanalyse vor. Aber nach einer Problemanalyse er-
wartet der geneigte Leser, dass eine Problemlösung vor-
geschlagen wird. Die fehlt aber, und zwar völlig.


(Beifall bei der SPD)


Ich frage mich, wofür man eine Ministerin braucht, die
sich hier hinstellt und sagt: Wir brauchen dies, wir brau-
chen jenes usw., usf. – Ich wünsche mir eigentlich eine
Regierung und eine Ministerin, die sagen: Wir haben da
ein Problem, und deshalb machen wir das und das. Das
ist die Aufgabe einer Ministerin, Frau Schröder.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will einmal sagen: Der einzig reale Vorschlag, den
Sie in Ihrem Antrag machen, nämlich das Logib-D-Ver-
fahren zu verwenden, um die Entgeltungleichheit zu be-
kämpfen, ist dazu untauglich.


(Beifall bei der SPD)


Die Ministerin hat eben zu Recht beklagt, dass frau-
entypische Berufe schlechter bezahlt würden als die der
Männer und dass sich daran etwas ändern müsse. Dafür
gibt es aber ein Verfahren, und das Verfahren heißt Ent-
gelt-Check. Das gibt es. Da frage ich mich natürlich, wa-
rum Sie bei diesem Logib-D-Verfahren bleiben, bei dem
es eigentlich nur darum geht, Lebensläufe und Biogra-
fien miteinander zu vergleichen. Das heißt, wenn die

Frauen auf ihren Beruf verzichtet haben, um Kinder zu
erziehen, dann wird das durch die schlechtere Bezahlung
– gegenüber der Bezahlung der Männer – sozusagen
sanktioniert. Wir wollen gleiche Bezahlung für gleiche
Arbeit. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie dann endlich etwas tun – Renate Künast hat
das eben schon gesagt –, dann tun Sie das Falsche.
Schauen Sie sich beispielsweise an, welche Wirkung die
Anhebung der Verdienstgrenze von Minijobs auf
450 Euro haben wird. Im Bereich Minijob müssen wir
eigentlich die entgegengesetzte Richtung einschlagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir müssen endlich Schluss damit machen, dass in die-
sem Bereich Missbrauch betrieben werden kann. Aber
was macht die Koalition? Sie erhöht noch die Anreize,
einem Minijob nachzugehen.

Es gibt bereits über 7 Millionen Minijobs – und das
nicht nur in den haushaltsnahen Bereichen, das sind un-
gefähr 200 000; die kennen wir fast alle persönlich. Sie
haben die Schwarzarbeit nicht abgeschafft. Jetzt verstär-
ken Sie noch den Anreiz, ohne soziale Absicherung er-
werbstätig zu sein. In Verbindung mit der Steuerklasse V
und dem Ehegattensplitting ist das besonders für verhei-
ratete Frauen attraktiv. Moderne Gleichstellungspolitik
sieht anders aus.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben eben gesagt: Wir brauchen andere Arbeits-
zeitmodelle. Ja, die brauchen wir. Man muss aber auch
etwas dafür tun, zum Beispiel, indem man den Anspruch
auf andere Arbeitszeitmodelle rechtlich absichert. Man
muss beispielsweise rechtlich absichern, dass die Inan-
spruchnahme von Teilzeit befristet ist und dass sofort
nach Beendigung der Teilzeitbeschäftigung der alte Ar-
beitsvertrag wieder greift, so wie wir das im Rahmen des
Pflegegesetzes in der letzten Wahlperiode auf den Weg
gebracht haben. Wo sind Ihre Vorschläge? Es gibt keine
Vorschläge. Es werden immer nur die Probleme analy-
siert.

Sie sprechen sich in Ihrem Antrag dafür aus, dass die
Bundesregierung für diese und jene Maßnahme werben
soll. Sind wir hier Gesetzgeber, oder sind wir eine Wer-
beagentur? Was Sie hier machen, ist wirklich nicht mehr
nachzuvollziehen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Ich prophezeie Ihnen: Diese Form der Politik wird
sich im September, Gott sei Dank, erledigt haben. Wir
brauchen nämlich in der Gleichstellungspolitik Fort-
schritte und keinen Stillstand mehr. Deshalb haben wir
in unserem Antrag eine Reihe sehr konkreter Maßnah-
men vorgeschlagen, durch die wir die Situation verbes-
sern wollen.

Auf die Einzelheiten unseres Antrags wird Christel
Humme noch eingehen. Eines kann ich Ihnen aber jetzt
schon sagen: Ihr Problem ist, dass Sie kein partner-





Elke Ferner


(A) (C)



(D)(B)


schaftliches Modell wollen. Das sieht man am Betreu-
ungsgeld und daran, dass Sie am Ehegattensplitting fest-
halten. Das sieht man in vielen anderen Bereichen auch.

Frau Pawelski, Sie sind vielleicht eine Ausnahme in
Ihrer Fraktion. Es tut mir leid, dass Sie keine Mehrheiten
haben. Es ist schlimm, wenn man etwas will und man
darf oder kann es nicht umsetzen. Aber noch schlimmer
ist es, wenn man keinen Fortschritt will. Dafür stehen
Sie, Frau Schröder.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Yvonne Ploetz [DIE LINKE])


Ich bin froh, einer Partei anzugehören, die in diesem
Jahr ihr 150-jähriges Gründungsjubiläum feiert. Eine
ganze Reihe von Frauen, auch hier in diesem Haus, ha-
ben vor vielen Jahren dafür gesorgt, dass die Gleichstel-
lungspolitik vorangekommen ist. Clara Zetkin, Marie
Juchacz, Lily Braun und Hedwig Dohm, aber auch
August Bebel mit seinem Werk Die Frau und der Sozia-
lismus haben ein großes Stück dazu beigetragen. Ich
würde mir wirklich wünschen, liebe Kolleginnen von
Union und FDP: Seien Sie ein bisschen mutiger und ein
bisschen konsequenter. Geben Sie nicht nur Problem-
analysen zum Besten, tragen Sie endlich auch Problem-
lösungen vor.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722612100

Für die FDP-Fraktion gebe ich jetzt Sibylle Laurischk

das Wort.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1722612200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich möchte diese Debatte wieder etwas versach-
lichen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich wende mich an die vorrangig jungen Zuhörer, die
hier auf der Tribüne in großer Zahl – ein paar gehen jetzt
leider – anwesend sind. Zunächst möchte ich dafür wer-
ben,


(Christel Humme [SPD]: Genau! Sie werben!)


dass sich gerade die jungen Frauen unter Ihnen für Be-
rufe entscheiden, die eine Perspektive bieten, dass Sie
sich auch für Berufe mit technischer und naturwissen-
schaftlicher Ausrichtung interessieren, bei denen zuneh-
mender Fachkräftemangel zu verzeichnen ist.

Aber wir haben auch in ausgesprochenen Frauenberu-
fen einen Fachkräftemangel und einen zunehmenden
Personalmangel. Ich habe feststellen müssen, dass im
Pflegebereich mittlerweile sehr viele ausländische Ar-
beitskräfte angeworben werden, weil wir auf dem bisher
üblichen Rekrutierungsfeld nicht mehr genügend Mitar-

beiter finden, um die Pflege sicherzustellen. Mir sagen
Pflegerinnen und Krankenschwestern – das sind typische
Frauenberufe –: Der Beruf ist nicht attraktiv und hat ein
schlechtes Ansehen. – Ich möchte an dieser Stelle aus-
drücklich dafür werben, dass das Ansehen dieser Berufe,
die nicht naturwissenschaftlich ausgerichtet sind, son-
dern soziale, menschliche Fähigkeiten voraussetzen, ver-
bessert wird. Ich möchte dafür werben, dass diese Berufe
stärker wertgeschätzt und durch bessere Bezahlung at-
traktiver werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das habe ich mir vor meiner Rede nicht aufgeschrieben.
In der Debatte ist mir aber deutlich geworden, dass man
auch dazu an dieser Stelle einmal etwas sagen muss.

Die Erwerbstätigkeit der Frauen in Deutschland hat
laut einer Studie aus dem Jahre 2011 eine Quote von
72 Prozent erreicht.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist hauptsächlich Teilzeit!)


Damit liegen wir kurz hinter den skandinavischen Län-
dern. Dennoch sind wir hinsichtlich der beruflichen
Gleichstellung von Frauen noch nicht ausreichend vor-
angekommen.

Wir analysieren die Probleme – davor scheuen wir
uns nicht –: Ein wesentlicher Grund, warum die Gleich-
stellung von Frauen im Beruf noch nicht gewährleistet
ist, sind unzureichende Möglichkeiten zur Vereinbarung
von Familie und Beruf. Daran arbeiten wir. Wir geben
enorme Summen aus, um die Kinderbetreuung in den
verschiedensten Bereichen zu gewährleisten. Ich denke,
dass es dabei nicht nur um Kinder unter drei Jahren geht,
sondern zunehmend auch um Kinder, die in der Schule
sind. Insofern wird die Ganztagsbetreuung ein wichtiges
Thema werden. Das Defizit in diesem Bereich haben
auch rot-grüne Bundesregierungen mit zu verantworten.


(Beifall bei der FDP)


Das ist ein Problem mit einer langen Geschichte. Dieses
Problem war in den letzten vier Jahren, in denen wir an
der Regierung beteiligt waren, nicht zu lösen.

Dass wir dieses Thema ernst nehmen, zeigt die hef-
tige Diskussion, die wir darüber immer wieder führen.
Die linke Seite dieses Hauses konzediert das nicht gerne.
Aber gerade deswegen sage ich hier sehr deutlich: Wir
haben uns an der Stelle nicht zu verstecken. Die Betreu-
ung von Kindern ist in Deutschland ein ernsthaftes
Thema geworden. Wir lassen nicht locker. Wie gesagt:
Es ist viel Geld dafür ausgegeben worden.

Dennoch haben wir, gerade was das Thema Teilzeit
anbetrifft, ein deutliches Defizit, das wir angehen müs-
sen. Ich glaube, Frau Ministerin, dass sich die FDP an
dieser Stelle überhaupt nicht versteckt. Ich weiß nicht,
ob in einer Zeitung steht, dass Sie das so gesagt haben.


(Christel Humme [SPD]: Hat sie! Ich habe es in meiner Heimatzeitung gelesen!)


Ich glaube, wir sind durchaus erreichbar.





Sibylle Laurischk


(A) (C)



(D)(B)


Es ist tatsächlich so, dass sehr viele Frauen in Teil-
zeitarbeit stehen und die Rückkehr in den Beruf im
Sinne einer Ganztagsbeschäftigung für sie sehr schwie-
rig ist. Vor allen Dingen, wenn sie sich sehr lange der
Kinderbetreuung gewidmet haben, merken sie, dass sie
den Anschluss verlieren und keine Ganztagsbeschäfti-
gung mehr finden. Das ist ein struktureller Mangel, der
meiner Ansicht nach durch entsprechende Anreize im
Unternehmen, aber – das ist denkbar – auch durch ge-
setzliche Maßnahmen zu ändern ist.

Gleichzeitig müssen sich aber auch Männer stärker
für Teilzeit interessieren.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn es in einer Familie erforderlich ist, dass einer Teil-
zeit arbeitet, dann sind es meist die Frauen, die sagen:
Okay, ich gehe aus dem Beruf ein Stück weit heraus. Die
Männer machen weiter, sicherlich, weil der besser be-
zahlte Beruf eine Rolle spielt, aber auch, weil es nicht en
vogue ist, weil das im Unternehmen nicht selbstver-
ständlich ist. Es muss uns klar sein, dass lediglich
10,6 Prozent der Männer im Westen und 7,5 Prozent der
Männer im Osten Teilzeit arbeiten. Das sind viel weni-
ger als bei den Frauen. Es ist einfach kein Thema.

Ich glaube, dass wir die Lebensarbeitszeit von Frauen
und Männern gleichstellen müssen, dass wir dafür sor-
gen müssen, dass Frauen wie Männer flexible Zeitange-
bote wahrnehmen können – die Teilzeitarbeit gehört
dazu, aber selbstverständlich auch die Rückkehr in die
Vollzeitberufstätigkeit –, weil dann auch die Altersarmut
von Frauen ein Ende hat; denn dann können die Frauen
ebenso wie die Männer eine Altersversorgung aufbauen.
Das geschieht nur, wenn auch Männer in diesen struktu-
rellen Wandel einsteigen. Das tun sie bisher per se noch
viel zu wenig. Es geht um einen Bewusstseinswandel,
den wir als Liberale nicht per Gesetz erzwingen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722612300

Yvonne Ploetz hat jetzt für die Fraktion Die Linke das

Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Yvonne Ploetz (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722612400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf den

ersten Blick sieht es für Frauen gar nicht so schlecht aus.
Statistiken erzählen uns seit langem von einer wunderba-
ren Vermehrung der Jobs für Frauen. Es ist tatsächlich
so: Seit Jahren steigt die Anzahl von Frauen in Lohn und
Brot.

Doch sieht man etwas genauer hin, bekommt man
schnell große Augen. Es ist nämlich nicht so, dass die
Anzahl der Frauen in Normalarbeitsverhältnissen ange-
stiegen ist. Vielmehr ist die Anzahl der Frauen im Nie-
driglohnsektor, in befristeten Beschäftigungsverhältnis-
sen und in Teilzeitarbeit explodiert. Sie hat sich seit
1991 annähernd verdoppelt.

Nur ein Beispiel: In Pflegeberufen – da arbeiten zu
80 Prozent Frauen – ist die Anzahl der Leiharbeitneh-
merinnen in den letzten sechs Jahren um 400 Prozent an-
gestiegen. Diese Frauen leisten wirklich Schwerstarbeit,
verdienen aber wenig und haben kaum arbeitsrechtlichen
Schutz. Sie nennen das die Flexibilisierung des Arbeits-
marktes. Wir nennen es Ausbeutung.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Mindeste, was ich von Ihnen als Regierenden ver-
lange, ist, dass Sie die Leiharbeit in so sensiblen Berei-
chen wie der Kindererziehung und der Pflege endlich
stoppen.

Übrigens ist die Branche mit den meisten Frauen im
Niedriglohnsektor der Einzelhandel. Sie haben sicher-
lich mitbekommen, dass die Arbeitgeber im Einzelhan-
del die Tarifverträge aufgekündigt haben. Jetzt kämpfen
rund 3 Millionen Frauen um freie Wochenenden, um Ur-
laubsgeld, um einen guten Lohn. Der Handelsverband
nennt diese Aufkündigung der Tarifverträge Modernisie-
rung. Wir wissen ganz genau, dass es hier nur um Lohn-
drückerei geht, und nennen es eine Kampfansage an die
Beschäftigten. Wir Linke stehen fest an der Seite der
Frauen und fordern von Ihnen, dass Sie einen Mindest-
lohn von 10 Euro einführen, damit die Frauen in diesem
Arbeitskampf abgesichert sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wissen auch: Wo Tarifverträge gelten, fällt die
Entgeltlücke kleiner aus. Trotzdem verdienen Frauen
noch im Jahr 2013 rund ein Viertel weniger als ihre
männlichen Kollegen. Eine Großhandelskauffrau zum
Beispiel hat im Monat rund 564 Euro weniger als ihr
männlicher Kollege. Da kommen im Laufe eines Ar-
beitslebens locker 220 000 Euro zusammen. Sie reden in
diesem Zusammenhang von Eigenverantwortung, da-
von, dass Frauen die falschen Berufe wählen, davon,
dass man bei Lohnverhandlungen mutiger sein könnte.
Wir nennen das Diskriminierung am Arbeitsplatz und
fordern nicht weniger, als dass Sie per Gleichstellungs-
gesetz, Verbandsklagerecht und Lohntransparenz end-
lich für gleiche Löhne bei gleicher Arbeit sorgen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sicherlich erzähle ich Ihnen kein Geheimnis, wenn
ich sage, dass geringe Löhne zu geringen Renten führen.
Im Alter müssen Frauen wirklich fast jeden Cent umdre-
hen. Mittlerweile haben zwei von drei Frauen eine Al-
tersrente unterhalb der Grundsicherung im Alter, also
unterhalb von Hartz IV im Alter. 83,5 Prozent der
Frauen – eigentlich fast alle – haben eine Rente von un-
ter 850 Euro, ein Viertel davon sogar unter 250 Euro.

Ich komme aus dem Saarland und will nun ganz kurz
auf die Situation bei uns eingehen. Ein Mann bekommt
bei uns durchschnittlich eine Rente von 1 139 Euro. Eine
Frau bekommt durchschnittlich 415 Euro. Sie nennen
das eine „besonders unzureichende soziale Absicherung
von Frauen … im Alter“. Wir nennen das menschenun-
würdige Armutsrenten und bleiben bei unserer Forde-
rung nach einer Mindestrente, die wirklich jeden und
jede vor Armut im Alter schützt.


(Beifall bei der LINKEN)






Yvonne Ploetz


(A) (C)



(D)(B)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Internationale
Frauentag rückt näher. Wir reden hier über Entgelt, über
Quote. Wir reden über ausgebeutete Frauen in Pflege-
und Erziehungsberufen. Wir reden über Kitas, die feh-
len, und über Frauen mit Existenzangst im Alter. Aber
eigentlich reden wir doch darüber, dass der Kapitalismus
auf genau diese Frauen angewiesen ist. Er ist angewie-
sen auf eine ungeheure Anzahl von Frauen, die privat ar-
beiten, die zu Hause arbeiten und die in sogenannten ty-
pischen Frauenberufen arbeiten. Das sind Berufe, die
weniger mit Erdölgewinnung zu tun haben, weniger mit
Luftfahrt, weniger mit Fahrzeugbau, sondern sich mit
Menschen beschäftigen. Diese Berufe lassen sich nun
einmal nicht beliebig beschleunigen, um noch mehr Ge-
winne herauszupressen.

Lassen Sie mich mit einem, wie ich finde, sehr beein-
druckenden Zitat von Robert Biel enden:

Es ist eindeutig, dass der Kapitalismus zu Überaus-
beutung der Frauen geführt hat. Das wäre wenig
tröstlich, wenn es nur vermehrtes Elend und ver-
mehrte Unterdrückung bedeutet hätte, doch glückli-
cherweise hat es auch zu Widerstand geführt, um
vielleicht so sogar zum Keim einer neuen Gesell-
schaftsordnung zu werden.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722612500

Jetzt hat Monika Lazar das Wort für Bündnis 90/Die

Grünen.


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722612600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Debatte zum Internationalen Frauentag ermöglicht
es uns, jährlich Bilanz über die Frauenpolitik der Bun-
desregierung zu ziehen. Als Erstes fällt mir da mein
Lieblingssatz aus dem Bundesgleichstellungsbericht ein:
Die Kosten des gegenwärtigen Nichtstuns übersteigen
die einer zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik bei
weitem.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Caren Marks [SPD]: Sehr gut, Frau Kollegin! Der Satz!)


An das Nichtstun der Ministerin haben wir uns schon
gewöhnt. Aber ich verzweifle immer noch daran, dass
die guten Vorlagen wie der Bundesgleichstellungsbericht
oder der Bericht zur Situation der Frauenhäuser, Fachbe-
ratungsstellen und anderer Unterstützungsangebote für
gewaltbetroffene Frauen und deren Kinder nicht genutzt
werden und stattdessen in den Regalen verstauben. Hier
liegen Lösungsvorschläge, die die Ministerin ignoriert,
ja, sie sind ihr noch nicht einmal der Rede wert. Das
Grundgesetz gibt dem Staat einen deutlichen Auftrag,
und der heißt nicht, nichts zu tun, sondern engagierte
Konzepte zur Chefinnensache zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn wir uns aber die Frauenpolitik der Koalition der
letzten Jahre anschauen, klafft da nur ein großes
schwarz-gelbes Loch. Wir haben eine uninspirierte
Ministerin, die selbst die positiven Denkansätze der
Frauen in ihrer eigenen Fraktion, zum Beispiel zur Frau-
enquote, ausgesessen hat. Jetzt ist zu lesen, dass Sie
nicht einmal mehr die Zahlen Ihrer unzureichenden Fle-
xiquote gemeinsam mit den Unternehmen präsentieren
wollen. Das sollen jetzt die Unternehmen alleine ma-
chen. Für mich ist das wirklich die endgültige Kapitula-
tion.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Woche erreichte uns Ihr Vorschlag bzw. Antrag
zur Entgeltgleichheit. Da dachte ich: interessant. Nach
dem Lesen war ich überrascht, dass die Koalition wahr-
scheinlich endlich einsieht, dass es tatsächlich ge-
schlechtsspezifische Verdienstunterschiede gibt. Das ist
schon mal ein großer Fortschritt. Denn vor einer Woche
– wer bei der Anhörung zu den Vorschlägen der SPD
und von uns Grünen zur Entgeltgleichheit anwesend
war, weiß das – klang das noch völlig anders. Da wurde
das Problem von den Abgeordneten und Sachverständi-
gen der Koalition völlig verdrängt. Das Argument war
immer nur: Die Frauen sind doch selber schuld.


(Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Was?)


Im Antrag steht jetzt, dass sogar Erfahrungen aus dem
europäischen Ausland mit gesetzlichen Regelungen zur
Beseitigung der Ungleichheit ausgewertet werden sol-
len. Okay, aber wie sieht es mit der Umsetzung aus?
Nein, nur Regelungen zur Transparenz sind geplant.
Klar, alles andere wäre ja zu revolutionär. Nur nicht zu
forsch werden!

Wir Grünen haben ein Entgeltgleichheitsgesetz gefor-
dert, in dem verbindliche Regelungen von den Unterneh-
men eingefordert werden. Bei diesen vorliegenden Vor-
schlägen hätten Sie sich in den letzten Jahren einfach
Anregungen holen können. Aber der Antrag der Koali-
tion ist wieder einmal nur mutlos.


(Caren Marks [SPD]: Peinlich ist das!)


Auch in den anderen Bereichen der Gleichstellungspoli-
tik haben wir in den letzten Jahren umfassende Konzepte
vorgelegt. In unserem aktuellen Antrag, der heute mit
eingebracht wird, können Sie es nachlesen.

Um mit einem Beispiel aus der Seefahrt zu enden:
Dort markiert die Farbkombination schwarz-gelb die
Untiefen und rot-grün das Fahrwasser.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


In diesem Sinne arbeiten wir Grüne weiter an einem Re-
gierungswechsel; denn von der Koalition ist auch in Sa-
chen Frauen- und Gleichstellungspolitik in den verblei-
benden Wochen bis zur Wahl nichts mehr zu erwarten.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(D)(B)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722612700

Die Kollegin Ingrid Fischbach hat jetzt das Wort für

die Fraktion der CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1722612800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss sa-
gen: Politik beginnt immer mit dem Betrachten der
Wirklichkeit.


(Beifall der Abg. Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU])


Manchmal denke ich mir: Die Kolleginnen und Kollegen
der Opposition, die ich persönlich sehr schätze, nehmen
nicht nur anders wahr, sie wollen auch anders wahrneh-
men. Deshalb – das muss ich sagen – leiden Sie teilweise
unter Wahrnehmungsstörungen.


(Beifall der Abg. Rita Pawelski [CDU/CSU] – Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Liebe Frau Künast, ich fange mit Ihnen an.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unter meinem Niveau, Ihnen so was zu unterstellen!)


Sie geben mir immer so gute Vorlagen, die ich nicht lie-
genlassen kann; die muss ich auffangen und wieder an
Sie zurückspielen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Wahrnehmung ist manchmal komisch!)


– Ja, aber lassen Sie uns jetzt einmal über die Punkte re-
den, die Sie im Sinne von „die Ministerin macht nichts,
wer macht was?“ angesprochen haben. In diesem Zu-
sammenhang haben Sie das Stichwort „Kita“ genannt.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nicht gesagt, dass sie da nichts macht!)


Nun kann man sagen, der Ausbau der U-3-Betreuung
in der Kita sei in der Großen Koalition verabredet wor-
den. Das ist schön. Da stand es auf dem Papier, und Pa-
pier ist geduldig. Die Arbeit aber ist erst in dieser Legis-
laturperiode gemacht worden.


(Rita Pawelski [CDU/CSU]: So ist es!)


Wenn es um die Umsetzung geht – da komme ich gleich
auf Rot-Grün in meinem Heimatland Nordrhein-Westfa-
len zu sprechen, weil mir das am Herzen liegt und ich
dazu etwas sagen kann –, frage ich: Frau Künast, wer hat
es denn in die Hand genommen, den Kita-Ausbau nun
auch so umzusetzen, dass die Länder nicht mehr aus der
Verpflichtung kommen? Das waren nicht Sie, das war
nicht Rot-Grün, das ist nicht in den von Ihnen regierten
Ländern geschehen, sondern unsere Familienministerin
hat das gemacht.


(Christel Humme [SPD]: Was hat die denn gemacht?)


Erstens hat sie mehr Geld zur Verfügung gestellt, was
wir gar nicht sollten, Frau Humme, und zweitens hat sie
Sie in Ihrer Landesverantwortung mal wieder daran erin-
nert, dass Sie ein Versprechen abgegeben haben. Sie ha-
ben vonseiten der Länder – und Sie haben in den Län-
dern ja die Mehrheit – gesagt: Wir wollen mitmachen,
wir wollen den U-3-Ausbau nach vorne bringen. – Wenn
Sie aber in der Verantwortung sind und das umgesetzt
werden muss, dann sagen Sie, liebe Frau Humme, auch
in Nordrhein-Westfalen: Dafür haben wir kein Geld. Wir
kürzen lieber noch ein bisschen. – Soll ich mal eben
nachschauen, wo Sie, die Sie in Nordrhein-Westfalen ge-
sagt haben, kein Kind dürfe verlorengehen, überall ge-
kürzt haben? Ich erinnere auch daran, dass Frau Ferner
und Frau Marks immer gerufen haben: Machen, machen,
machen! – Ich sage Ihnen einmal, was Sie in Nordrhein-
Westfalen anders als die Ministerin gemacht haben, die
gesagt hat: Ich sorge dafür, dass noch Mittel zur Verfü-
gung gestellt werden. Ich sorge dafür, dass Betriebskos-
ten übernommen werden.


(Christel Humme [SPD]: Weil wir Sie gezwungen haben über den Bundesrat, Frau Fischbach!)


Das hat es in der Kinderbetreuung noch nie gegeben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben Sie über den Bundesrat gezwungen!)


Sie haben in NRW im Jahre 2011 für die unter Drei-
jährigen eine Betreuungsquote in Höhe von 16 Prozent
gehabt. Das war der schlechteste Stand in Deutschland,
Frau Humme. So sieht es bei Rot-Grün in dem größten
Bundesland Nordrhein-Westfalen aus.


(Christel Humme [SPD]: Wir haben ein Riesenprogramm in Nordrhein-Westfalen!)


Sie sparen in dem Haushalt 8,7 Millionen Euro an Zu-
weisungen für die Gemeinden ein, die für die Umset-
zung des Rechtsanspruchs auf den Kindergartenplatz
und den Kitaplatz vorgesehen waren. 8,7 Millionen Euro
sparen Sie ein! Und dann stellen Sie sich hier hin und
fragen: Wer tut denn was? – Ja, wer denn? Sie nicht! Das
haben Sie bewiesen. Das Handeln liegt bei uns, und das
werden wir auch in Zukunft so halten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Denn da, wo Sie Verantwortung haben, tun Sie nichts.
Im Gegenteil, Sie stecken den Kopf in den Sand. Das ist
nicht das, was wir wollen.

Nächster Punkt: Gleichstellungsbericht. Wer hat denn
den ersten Gleichstellungsbericht auf den Weg gebracht?


(Christel Humme [SPD]: Sie haben ihn in der Schublade versteckt!)


Etwa Sie von Rot-Grün in sieben Jahren? In dieser Zeit
gab es hier nur Reden, Reden, Reden. Der erste Gleich-
stellungsbericht, Frau Künast, auf den Sie sich netter-
weise auch beziehen, ist unter dieser Frauenministerin
auf den Weg gebracht worden.





Ingrid Fischbach


(A) (C)



(D)(B)



(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann soll sie daraus doch was machen!)


Jetzt geht es darum, daraus auch etwas zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich lasse mir aber nicht nachsagen, wir hätten nichts ge-
macht.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722612900

Frau Fischbach, Frau Marks würde Ihnen gerne eine

Zwischenfrage stellen. Lassen Sie die zu?


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1722613000

Das finde ich gut; denn sonst wäre ich mit meiner

Rede auch schon fast zu Ende.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722613100

Bitte schön.


Caren Marks (SPD):
Rede ID: ID1722613200

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass ich die Zwi-

schenfrage stellen darf.

Liebe Frau Fischbach, Sie haben eben einiges über
den Kita- und den Krippenausbau gesagt. Würden Sie
bestätigen, dass die Frauen- und Familienministerin Frau
Schröder während der letzten Monate, eigentlich wäh-
rend der letzten gut drei Jahre, in diesem Plenarsaal vor
der Öffentlichkeit und auch in öffentlichen Reden immer
wieder gesagt hat, der Bund hat mit den 4 Milliarden
Euro, die die Große Koalition auf den Weg gebracht hat,
genug getan, mehr gibt es von Bundesseite definitiv
nicht? Das ist in den Protokollen mehrfach nachzulesen.

Würden Sie vielleicht auch bestätigen, dass es die Mi-
nisterpräsidenten der SPD, nämlich Olaf Scholz aus
Hamburg und der damalige Ministerpräsident Kurt Beck
aus Rheinland-Pfalz, zusammen mit anderen SPD-ge-
führten Bundesländern im Bundesrat waren, die im Rah-
men der Verhandlungen des Bundesrates über den Fis-
kalpakt zusätzliche 580 Millionen Euro hineinverhandelt
und dies als Bedingung dafür genannt haben, dass über-
haupt etwas auf den Weg gebracht wird, und dass die
Ministerin diese 580 Millionen Euro, die sie zunächst
kontinuierlich verweigert hatte, erst jetzt im Zuge der
Verhandlungen über den Fiskalpakt bereitgestellt hat?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1722613300

Ja, liebe Frau Marks, das ist so mit der Wahrneh-

mung.


(Caren Marks [SPD]: Nein, mit der Wahrheit!)


– Ich streite das gar nicht ab, was Sie sagen.


(Iris Gleicke [SPD]: Aha!)


Aber mit welcher Dreistigkeit sitzen da Menschen im
Bundesrat und fordern mehr Geld, wenn sie noch nicht
einmal die Zusagen, die sie selbst gegeben haben – es

sollten 4 Milliarden Euro von den Ländern kommen –,
eingehalten haben?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das ist eine Dreistigkeit hoch drei.

Nur deshalb, Frau Marks – ich bin mit meiner Ant-
wort noch nicht fertig –, hat die Ministerin an der einen
oder anderen Stelle gesagt: Der Bund hat seine Zusage,
4 Milliarden Euro bereitzustellen, als Einziger eingehal-
ten.


(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Genau!)


Die Länder sind ihren Verpflichtungen nicht nachge-
kommen und die Kommunen auch nicht – aus welchen
Gründen auch immer; wir kennen sie.


(Christel Humme [SPD]: Ja, wie sollen die das denn machen?)


Wenn die Mittel noch nicht abgerufen waren – jetzt
kann ich wieder auf NRW kommen, diesmal dazu, wie
die Mittel abgerufen wurden –


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau! Die haben ja Ewigkeiten gebraucht!)


und die Ministerin sagt: „Wir haben unsere Hausaufga-
ben gemacht, und bevor wir mehr Geld zur Verfügung
stellen, sollen erst einmal die anderen ihre Aufgaben er-
ledigen“, dann, denke ich, ist das richtig.

Noch einmal zu Ihrer Erinnerung: Der Bund hat mit
der U-3-Betreuung nichts, aber auch gar nichts zu tun.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Genau! Wir haben nichts damit zu tun!)


Was wir hier gemacht haben, haben wir gemacht,


(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Freiwillig!)


weil wir als christlich-liberale Regierung


(Caren Marks [SPD]: Nein! In der Großen Koalition war das!)


und auch damals in der Großen Koalition gesagt haben:
Wir sehen die Notwendigkeiten der jungen Familie. Kin-
derbetreuung ist das A und O.


(Abg. Caren Marks [SPD] nimmt wieder Platz)


– Nein, ich bin noch nicht fertig. Frau Präsidentin, ich
bin noch bei meiner Antwort.


(Zurufe von der CDU/CSU: Wieder aufstehen! – Die Antwort geht noch weiter! – Caren Marks [SPD]: Ich finde, meine Frage ist beantwortet!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722613400

Ich entscheide darüber, wie das mit der Zeit ist, und

Sie antworten weiter auf die Frage. Bei dieser Gelegen-
heit können Sie gleich sagen, ob Sie auch noch eine
Frage von Frau Dörner zulassen.






(A) (C)



(D)(B)



Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1722613500

Ja, ich rede gerne weiter.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722613600

Das machen wir dann so.


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1722613700

Ich wiederhole – darf ich wenigstens das abschlie-

ßend sagen? –: Es war schon eine Farce, was sich Ihre
Leute im Bundesrat erdreistet und erlaubt haben: statt
erst einmal die eigenen Versprechungen einzulösen,
gleich neues Geld zu fordern. So macht man keine Poli-
tik.


(Caren Marks [SPD]: Ja, ja!)


Deswegen ist mir vor dem September dieses Jahres über-
haupt nicht bange. – Frau Dörner.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Dieses Schwarzer-Peter-Spiel ist peinlich für die Frauenund Familienpolitik dieser Bundesregierung! – Caren Marks [SPD]: Schön darum herumgeschlumpft! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Tauber [CDU/ CSU]: Na, na, na! Etwas mehr Respekt vor der Kollegin!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722613800

Frau Dörner, bitte, Ihre Zwischenfrage.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722613900

Liebe Frau Fischbach, meine Frage ist sehr schnell zu

beantworten. Würden Sie mir bestätigen, dass auf der
ersten Seite des Gesetzentwurfs, den wir ja hier alle ge-
meinsam – weitgehend gemeinsam – beschlossen haben,
um dafür zu sorgen, dass die zusätzlichen 580 Millionen
Euro an die Länder bzw. an die Einrichtungen in den
Kommunen weitergeleitet werden können – also in dem
Text, der uns von der Bundesregierung vorgelegt worden
ist –, dargelegt ist, dass die Investitionsmittel aus diesem
4-Milliarden-Euro-Programm den Ländern zu 99 Pro-
zent bewilligt und insofern auch beantragt worden sind?


(Caren Marks [SPD]: Ja!)



Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1722614000

Ich gebe Ihnen recht, Frau Dörner.


(Caren Marks [SPD]: Ja! Das ist ein weiterer Fehler!)


Hätten Sie doch nur auch erwähnt, dass ordentlich Druck
von der Bundesebene kommen musste


(Lachen der Abg. Caren Marks [SPD])


und dass die Ministerin die Länder mehrfach angeschrie-
ben hat. Sie haben ja selber vor Ort nachgefragt – auch
Sie kommen ja aus Nordrhein-Westfalen – und wissen,
dass wir selber Druck gemacht und gefragt haben: Wa-
rum werden die Mittel nicht abgerufen? Das ist ein Ver-
dienst unserer Familienministerin, und den lasse ich
auch nicht kleinreden, Frau Dörner.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Meine Damen und Herren, das, was Nordrhein-West-
falen macht, ist nicht gut. Das hat nichts mit Gleichstel-
lungspolitik zu tun. Das hat auch nichts mit Entgelt-
gleichheit zu tun. Es gibt eine erste Studie – übrigens,
Frau Künast, wurde auch sie von dieser Familienminis-
terin in Auftrag gegeben. Das zeigt: Rot-Grün hat sich
nicht auf den Weg gemacht, die familienpolitischen
Leistungen zu evaluieren; das war für Sie gar kein
Thema. Das ist bei uns passiert.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist doch geheim, die Studie! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Nein! Wenn Sie Internet haben, können Sie sich das ansehen!)


– Nein, sie ist nicht geheim. Sie können das nachlesen;
das steht auf der Internetseite des Ministeriums. Die Ak-
zeptanzanalyse hat gezeigt, dass für die Eltern die Kin-
derbetreuung das A und O ist. Deswegen: Wenn Nord-
rhein-Westfalen jetzt sagt: „Wir kürzen die Mittel um
einen zweistelligen Millionenbetrag“ und: „Ob bei der
U-3-Betreuung zehn oder 15 Kinder betreut werden, ist
auch egal; da packen wir ein paar mehr dazu“,


(René Röspel [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)


sage ich Ihnen: Das geht nicht. Das ist ein Schlag ins Ge-
sicht der Eltern. Vor allen Dingen spielt das Kindeswohl
hier überhaupt keine Rolle. So kann man mit Kindern
nicht umgehen. Kinder sind keine Versuchskaninchen.
Das ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, jetzt noch einmal kurz
zum Stichwort Entgeltgleichheit. Wir haben gesagt: Wir
müssen dafür sorgen, dass sich Väter und Mütter auf die
Kinderbetreuung verlassen können. Das ist ein wichtiger
Punkt, um zu gewährleisten, dass es nur wenige Auszei-
ten gibt. Für uns als christlich-liberale Regierung ist
wichtig, dass wir uns nicht nur zu der Zeit der Geburt ei-
nes Kindes kümmern, sondern auch eine Lebenslauf-
perspektive haben und uns fragen: Wo gibt es in einem
Lebenslauf Brüche, die dazu führen, dass der Lohn bzw.
das Entgelt sinkt? Hier müssen wir ansetzen.

Wir glauben auch, dass es Sinn macht, sich noch ein-
mal speziell mit der Pflegezeit zu befassen.

Die Ministerin hat bereits gesagt, dass die Verdienst-
unterschiede zu Beginn der Ausbildung mit 2 Prozent
nicht groß sind, aber dann schon in der Kindererzie-
hungsauszeit weiter zunehmen und später im Alter noch
größer werden, wenn die Auszeit länger war bzw. weil
vorrangig Frauen die zweite Auszeit nehmen müssen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir den Blick auf die
Übergänge im Leben einer Frau oder eines Mannes rich-
ten. Der Wiedereinstieg ist ein sehr wichtiger Punkt, den
wir in den Blick nehmen müssen.


(Christel Humme [SPD]: Reparaturbetrieb!)






Ingrid Fischbach


(A) (C)



(D)(B)


Die Ministerin hat das Programm „Perspektive Wieder-
einstieg“ auf den Weg gebracht. Damit zeigen wir: Wir
wollen die Möglichkeiten unterstützen, dass Frauen wie-
der leichter zurück in den Beruf kommen.

Ganz wichtig ist für uns, dass wir eine Bewertung der
typischen Frauenberufe vornehmen. Dabei sind auch die
Tarifparteien und die Tarifpartner gefragt. Hier geht
mein Appell an die Tarifpartner. Meine Fraktion und
auch ich können nicht nachvollziehen, dass Muskelkraft
nur bei Maurern höher bewertet wird. Muskelkraft ist
auch bei einer Pflegekraft wichtig und muss genauso ho-
noriert werden wie im Fall des Maurers.


(Christel Humme [SPD]: Appelle! Appelle! Sonst nichts!)


Wir wollen nicht, dass Verantwortung für Strukturen
und Maschinen höher bewertet wird. Wir wollen nicht
– auch darin unterscheiden wir uns von Ihnen –, dass
jetzt alle Frauen in die typischen Männerberufe gehen,
sondern dass auch die Berufe, in denen die Übernahme
von Verantwortung für Menschen eine große Rolle
spielt, zu einer Höher- und Besserbewertung kommen.
Das ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit und des zu-
künftigen gesellschaftlichen Zusammenlebens.

Ein letzter Punkt, Frau Präsidentin.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722614100

Ein Punkt ist zu viel.


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1722614200

Ein letzter Satz. – Meine Damen und Herren, wir wol-

len kein Entgeltgesetz, das zu mehr Bürokratiekosten,
Verwaltungsaufwand und zur Einschränkung der Tarif-
autonomie führt.

Wir wollen im September antreten, und wir werden
im September gewinnen. Denn wir wollen Fortschritte in
der Gleichstellungspolitik.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722614300

Frau Kollegin.


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1722614400

Sie haben es schon mit Kanzler Schröder nicht ge-

schafft, der von „Familie und Gedöns“ sprach.


(Christel Humme [SPD]: Jetzt greifen Sie aber in die Mottenkiste!)


Wollen Sie jetzt mit Peer Steinbrück antreten, einem
Kandidaten, der – das ist mein letzter Satz – sagt: „Frau
Merkel ist beliebt, weil sie einen Frauenbonus hat“? Mit
dem können Sie antreten. Wir haben keine Angst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722614500

Willi Brase hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Willi Brase (SPD):
Rede ID: ID1722614600

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Gustav Heinemann, der ehemalige Bundespräsi-
dent, hat zur heutigen Thematik seinerzeit ausgeführt
– ich zitiere –:

Gleichberechtigung zielt darauf ab, dass Männer
und Frauen unsere Gesellschaft in voller Gleich-
wertigkeit dessen, was sie an körperlichen, geisti-
gen und seelischen Verschiedenheiten einbringen,
miteinander gestalten.

Ich finde, damit hatte Gustav Heinemann sehr recht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Schauen wir uns die Realität an, dann müssen wir,
wie schon viele Vorredner dargestellt haben, einiges sehr
kritisch zur Kenntnis nehmen. Wenn wir Zahlen aus der
Arbeitswelt betrachten, dann sehe ich wenig, was die
Regierung bzw. diese Koalition auf den Weg gebracht
hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die Lohnungleichheit ist sehr unterschiedlich. Bei un-
gelernten Arbeiterinnen liegen die Frauen gegenüber den
Männern um 8,3 Prozent im Minus, bei angelernten Ar-
beiterinnen um 14,3 Prozent, bei Fachkräften um
11,3 Prozent, bei höher qualifizierten Fachkräften um
14,3 Prozent und bei Frauen in leitender Stelle um
21,3 Prozent. Allein diese Zahlen zeigen, dass in den
letzten dreieinhalb Jahren von dieser Koalition nichts bis
gar nichts gemacht wurde, um dies zu verändern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie kommt es eigentlich dazu, dass wir nach wie vor
diese Lohnunterschiede haben? Hat das vielleicht auch
etwas mit der Struktur der dualen Berufsausbildung zu
tun? Ist es nicht heute so, dass nur 40 Prozent der neu
abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit jungen
Frauen abgeschlossen werden? 75,4 Prozent aller Aus-
bildungsanfängerinnen sind in nur 25 Berufen zu finden.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an Verkäufe-
rinnen, Arzthelferinnen, Lebensmittelverkäuferinnen
usw. usf. Das sind alles Berufe, teilweise mit zweijähri-
ger Ausbildung. In diesen Berufen sind nachher die Ver-
dienstmöglichkeiten entsprechend schlechter und die
Lohnunterschiede werden deutlich.

Ich finde, hier muss sich etwas ändern. Geschlechter-
sensibilität bei Lehrerinnen und Lehrern, aber auch bei
den Eltern, was die Berufswahl angeht, ist wichtig. Des-
halb begrüßen wir es, dass zumindest neun Bundeslän-
der sich auf den Weg machen und versuchen, mit dem
neuen Übergangssystem hier eine wesentlich stärkere
Spreizung zu erreichen und den jungen Mädchen auch
mehr Chancen auf den Weg zu geben.


(Beifall bei der SPD)


Wir können ein Stück weiter gehen und fragen – das
wurde teilweise schon angesprochen –: Wo bleiben denn
Frauen? Ist es nicht so, dass unsere Gesellschaft ein
Stück weit davon lebt, dass die Frauen Arbeitsplätze ein-





Willi Brase


(A) (C)



(D)(B)


nehmen und Tätigkeiten ausführen, die schlechter be-
wertet werden, dass sie ehrenamtlich tätig sind? Wenn
ich nur den Bereich der Erziehung ansehe, muss ich fest-
stellen: Es gibt heute noch Frauen, die haben ihre Kinder
großgezogen und dafür wenig oder nichts bekommen,
und kaum sind die Kinder aus dem Haus, können die
Frauen ihre Eltern, ihre Schwiegereltern pflegen – ein
Leben lang mit wenig Unterstützung, mit wenig Geld.

In dem Gutachten „Neue Wege – gleiche Chancen.
Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensver-
lauf“ wird zu den schlechteren Chancen von Frauen im
Verhältnis zu Männern ausgeführt – ich zitiere –:

Die vollzeitschulische Ausbildung in den personen-
bezogenen Dienstleistungen zementiert mit unein-
heitlichen Qualifikationsprofilen und fehlenden
bundesweiten Standardisierungen den geringeren
Professionalisierungsgrad vieler typischer Frauen-
berufe.

Das haben wir zu ändern versucht. Bei der Pflegeausbil-
dung hat damals das Bundesland Bayern das Bundes-
verfassungsgericht angerufen: Zweijährige, teilweise
einjährige Maßnahmen waren das Ziel. Die Professiona-
lisierung und Aufwertung dieser Berufe wie auch deren
bessere Bezahlung ist überfällig.


(Beifall bei der SPD)


Frauen arbeiten mehr in personen- und dienstleis-
tungsbezogenen Berufen. Diese Tätigkeiten werden we-
sentlich schlechter bezahlt als Berufe, in denen Fachar-
beiter mit Material, mit Maschinen arbeiten. – Ich sehe
bei der Koalition Nicken. Das ist schön. Aber was ist in
den letzten dreieinhalb Jahren in diesem Verhältnis pas-
siert? Es hat kaum bis gar keine Änderungen gegeben.
Dort müssen wir einiges mehr auf den Weg bringen, sehr
geehrte Damen und Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Rita Pawelski [CDU/CSU]: Das müssen die Tarifpartner machen! Das können wir nicht machen! – Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Das ist nicht erst seit gestern bekannt! Auch nicht erst seit dreieinhalb Jahren!)


Wir wollen, dass an dieser Stelle stärker über die duale
Ausbildung diskutiert und Entsprechendes auf den Weg
gebracht wird.

Kollegin Ferner hat eben darauf hingewiesen, dass die
SPD dieses Jahr ihr 150-jähriges Bestehen feiert. Wie
ich vorhin bewusst Gustav Heinemann zitiert habe, so
will ich zum Abschluss meiner Rede noch August Bebel
zitieren, der vor über 100 Jahren Folgendes in seinem
wegweisenden und bahnbrechenden Buch Die Frau und
der Sozialismus ausgeführt hat – ich zitiere –:

Die Frau der neuen Gesellschaft ist sozial und öko-
nomisch vollkommen unabhängig, sie ist keinem
Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unter-
worfen, sie steht dem Manne als Freie, Gleiche ge-
genüber und ist Herrin ihrer Geschicke.

Wenn wir es daran messen, haben wir noch verdammt
viel zu tun. Ich bin sicher, nach dem 22. September, in
anderer Konstellation, wird uns das gelingen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rita Pawelski [CDU/CSU]: So spricht man sich Mut zu! Laut Umfrage bekommen Sie 25 Prozent! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hauptsache, die Ambitionen reichen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722614700

Nadine Schön hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Unsere Debatte findet auch statt mit Blick auf
den Weltfrauentag, der am Freitag kommender Woche,
am 8. März, stattfinden wird. Ich finde, wir sollten an
diesem Tag wenigstens eine Sekunde auch an die Frauen
in der Welt denken, denen es nicht so gut geht wie uns,
die ganz andere Probleme haben als die, über die wir
heute zu Recht diskutieren. Wir sollten am Weltfrauen-
tag auch an die Frauen in der Welt denken, die im Krieg
leben, die Gewalt erfahren, die vergewaltigt werden, die
unter Hunger und Unterdrückung leiden. Der Weltfrau-
entag ist nämlich nicht nur ein Tag für uns Frauen in
Deutschland, sondern für alle Frauen auf der Welt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir sind heute sehr auf uns selbst zentriert. Deshalb
möchte ich die Gelegenheit nutzen, um auch noch all
den Frauen in Deutschland zu danken, die in den unter-
schiedlichsten Verbänden und Berufen für die Gesell-
schaft arbeiten und sich vor allem auch für Frauen ein-
setzen. Auch die vielen Frauen, die sich ehrenamtlich für
Frauen einsetzen, sollten am Weltfrauentag nicht zu kurz
kommen. Deshalb von dieser Stelle aus ein herzliches
Dankeschön an diese Frauen!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es ist in den Reden, denke ich, sehr deutlich gewor-
den: Es gibt noch viele Probleme in unserem Land, es
gibt noch viel zu tun. Wir haben noch Probleme in Be-
zug auf die Lohnunterschiede zwischen Frauen und
Männern und die Erwerbsbeteiligung von Frauen, in Be-
zug auf Frauen in Führungspositionen, und uns eint die
Überzeugung, dass wir noch viel tun müssen.

Wenn ich Ihre Anträge lese, die sehr ausführlich sind,
dann sehe ich, dass wir hinsichtlich des Weges in vielen
Punkten übereinstimmen. Sie schlagen vieles vor, was
auch schon Teil unserer Regierungspolitik ist und was
Sie auch im Koalitionsvertrag finden.





Nadine Schön (St. Wendel)



(A) (C)



(D)(B)


Es ist schön, dass wir in einigen Punkten Überein-
stimmung haben, aber wir müssen auch festhalten: Mit
vielem, was Sie vorschlagen, springen Sie zu kurz, und
bei vielen Dingen ignorieren Sie einfach die Realitäten.

Fangen wir einmal beim Thema Entgeltungleichheit
an: Abgesehen davon, dass Frau Bärbel Höhn von Bünd-
nis 90/Die Grünen es scheinbar völlig okay findet, dass
sie ihren Mitarbeitern 4 Euro pro Stunde bezahlt, wie
man kürzlich in der Zeitung nachlesen konnte


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: 4 Euro! Das hat sie nicht einmal dementiert! Das kann man jeden Tag lesen!)


– genau, das kann man in ihrer Stellenausschreibung
noch einmal nachlesen –,


(Katja Dörner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war gar nicht ihre Stellenausschreibung! Wenn, dann muss man auch korrekt lesen!)


muss ich Sie zu dem Entwurf für ein Entgeltgleichheits-
gesetz, den Sie hier heute propagiert haben, fragen: Mei-
nen Sie wirklich, dass man damit die Entgeltungleichheit
in unserem Land beseitigt?


(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Nein!)


Für die, die das nicht wissen, will ich das noch einmal
wiederholen: Bündnis 90/Die Grünen und SPD schlagen
vor, dass in Deutschland zukünftig jedes Unternehmen
ab 15 Mitarbeitern eine Untersuchung durchführen, ei-
nen Bericht erstellen und seine Gehaltsstrukturen offen-
legen soll.


(Christel Humme [SPD]: Ist doch kein Problem! Das haben die Unternehmen doch alles im Computer! Kein Thema!)


Das heißt, über 300 000 Unternehmen in Deutschland
müssten Berichte anfertigen, die dann von der Antidis-
kriminierungsstelle bewertet werden können.

Meinen Sie wirklich, dass uns 300 000 Berichte wei-
terbringen? Meinen Sie wirklich, dass die Antidiskrimi-
nierungsstelle die richtige Stelle ist, um über diese
300 000 Unternehmen zu urteilen und abschließend zu
entscheiden, ob hier Lohnungleichheit vorherrscht oder
nicht?


(Christel Humme [SPD]: Ach Gott!)


In der Anhörung, die Sie ja eben angesprochen haben,
haben selbst Ihre Sachverständigen gesagt: Die Antidis-
kriminierungsstelle darf hier nicht das letzte Wort haben.
Das müssen in Deutschland immer noch die Gerichte
entscheiden. Viele Sachverständige haben auch gesagt:
Die Bürokratie, diese Unwucht an Berichten und Über-
prüfungen, steht wirklich in keinem Verhältnis zum An-
spruch und dem an sich lobenswerten Ziel, das Sie ver-
folgen. Das ist wirklich der falsche Weg.

Ich darf hier eine Überschrift des Spiegels vom
21. Januar 2013 bemühen. Dort stand: „Placebo-Politik“.
Das ist wirklich Placebo-Politik!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Kollege Brase, Sie haben die Probleme sehr gut ge-
schildert und auch die Ursachen benannt, auf den Ge-
setzentwurf sind Sie aber gar nicht eingegangen. Des-
halb würde mich einmal interessieren, ob alle in der
SPD-Fraktion hinter dem Gesetzentwurf stehen.


(Christel Humme [SPD]: Ja, alle!)


Was zum Beispiel wirklich hilft, ist das Forschungs-
projekt „Tarifverhandlungen und Equal Pay“. Vielleicht
kennen Sie das nicht. Sie sagen, das Problem liege in
den Ungleichgewichten zwischen den Frauen- und den
Männerberufen. Deshalb muss man doch gerade bei den
Tarifparteien ansetzen, die diese Bewertung vornehmen.
Deswegen ist das der richtige Ansatzpunkt. Hierauf
müssen wir den Fokus legen. Das sind die Verantwortli-
chen, und die müssen wir auch in die Verantwortung
nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Christel Humme [SPD]: Steht im Gesetzentwurf! Das haben Sie nicht gelesen!)


Wir müssen Strukturen ändern. Ich denke, das haben
meine Vorrednerinnen schon sehr gut erwähnt. Mit Pla-
cebos und Bürokratie kommen wir hier keinen Schritt
weiter. Wir brauchen Programme für eine bessere Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf. Frau Kollegin
Fischbach ist sehr gut darauf eingegangen, was wir im
Bereich der Kinderbetreuung getan haben.

Wir brauchen Maßnahmen zur eigenen Altersvor-
sorge von Frauen. Hier muss ich sagen:


(Caren Marks [SPD]: Betreuungsgeld!)


Ab Juli gibt es die Möglichkeit – Sie haben das Betreu-
ungsgeld angesprochen –, das Betreuungsgeld in eine
Rente zu investieren. Sie sagen zu der Frau, die auch
dann noch für ihr Kind da sein möchte, wenn es 12 oder
14 Monate alt ist und gerade laufen und sprechen lernt:
Du hast in Bezug auf deine Rente halt Pech gehabt. Wir
sagen: Du bekommst Geld, das du für deine Rente anle-
gen kannst. Das hilft konkret gegen den Gender Pension
Gap.

Das ist konkrete Politik und mehr als Lippenbekennt-
nisse. Darauf sollten wir auch einen Fokus legen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722614800

Christel Humme hat jetzt das Wort für die SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Christel Humme (SPD):
Rede ID: ID1722614900

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-

nen! Liebe Frau Schröder, wenn es eines Beweises be-
durft hätte, dass Gleichstellungspolitik in der Regierung
gescheitert ist, dann war es Ihre Rede.


(Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Unmöglich!)






Christel Humme


(A) (C)



(D)(B)


Denn ich habe gehört, dass Sie erwarten, dass dann,
wenn Ihre Kinder so weit sind, eine Verbesserung einge-
treten sein wird: Das heißt: wenn Ihre Kinder und meine
Enkelkinder so weit sind. – Ich sage Ihnen: Ich habe
keine Lust mehr, so lange zu warten. Ich möchte jetzt
Entscheidungen, was ich bei Ihnen absolut vermisse.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Pawelski, wie oft haben wir hier diskutiert, und
wie oft haben Sie gesagt, die Zeit der Freiwilligkeit sei
vorbei? Da stimmen wir völlig überein. Wir haben die
Erfahrung gemacht: Zwölf Jahre freiwillige Vereinba-
rungen haben nicht einen einzigen Schritt nach vorn ge-
bracht. Das ist Fakt; das können wir ablesen. Aber ge-
rade weil auch Sie das Ende der Freiwilligkeit immer
eingefordert haben, wundere ich mich, dass Sie einen
Antrag vorlegen, der wieder auf Freiwilligkeit fußt. Ich
denke, da haben Sie überhaupt nichts dazugelernt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wissen doch ganz genau: Wir müssen etwas tun,
wir müssen die Strukturen verändern. Das schaffen wir
doch aber nicht mit Freiwilligkeit. Wir wissen doch, wa-
rum Frauen benachteiligt sind: wegen der bestehenden
Rahmenbedingungen, wegen der bestehenden Gesetze
und natürlich auch wegen der bestehenden generellen
Strukturen. Frau Laurischk, da nutzt es überhaupt nichts,
zu sagen: Die Männer müssen sich ändern; sie müssen
sich auch der Teilzeitbeschäftigung widmen. – Das wer-
den Sie auf freiwilliger Basis nicht hinbekommen. Wa-
rum sollte ein Mann freiwillig seine Macht abgeben?


(Widerspruch bei der FDP)


Das wird er nicht tun, weil er wie die Frau Angst hat, ei-
nen Karriereknick zu erleben, wenn wir die Strukturen
nicht ändern.


(Beifall bei der SPD)


Der schlimmste Fehler, den Sie, Frau Schröder, ge-
macht haben, ist, dass Sie den Gleichstellungsbericht
noch nicht einmal entgegengenommen haben. Dafür ha-
ben Sie Herrn Kues geschickt.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz traurig!)


Sie haben ihn auch nicht gelesen


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen bildet!)


und ihn in der untersten Schublade versenkt. Wenn Sie
die Empfehlungen gelesen hätten, wären Sie sicherlich
zu einem ganz anderen Antrag gekommen als zu dem,
den Sie jetzt vorlegen.

Der Bericht zeigt uns doch ganz klar auf, wo es Be-
nachteiligungen gibt. Dort heißt es: Frauen tragen im Le-
bensverlauf größere Risiken als die Männer. Bei Tren-
nung, Scheidung oder bei Tod des Partners ist ihr Risiko,
arm zu werden, am größten. Die Frauen, die heute im
Rentenalter sind, haben im Lebensverlauf durchschnitt-

lich 58 Prozent weniger verdient als die Männer, und sie
erhalten heute 48 Prozent dessen, was die Männer durch-
schnittlich an Rente beziehen. – Wenn Sie diese Lebens-
laufperspektive aus dem Gleichstellungsbericht ange-
nommen hätten, dann hätten Sie sich sicherlich gefragt,
was Sie tun und nicht nur fordern müssen, und dann hät-
ten Sie einen Antrag gestellt, mit dem diese bestehenden
Ungerechtigkeiten endlich beseitigt werden. Aber Sie le-
gen die Hände in den Schoß und glauben, es bewege sich
freiwillig etwas.

Es wundert nicht, dass in Ihrem Antrag ein konkretes
Leitbild zur Gleichstellung fehlt. Uns ist doch klar:
Echte Gleichstellung gibt es nur dann, wenn Männer und
Frauen die gleichen Chancen haben, eine Arbeit aufzu-
nehmen und für ihre Existenz zu sorgen. Niemand darf
in eine bestimmte Rolle gedrängt werden. Hätten Sie
dieses Leitbild des Berichts angenommen, dann hätten
Sie den Nerv der 80 Prozent Frauen getroffen, die Beruf
und Familie in Einklang bringen wollen und dann hätten
Sie auch den Nerv der Männer, die sich mehr um Familie
kümmern wollen, getroffen. Aber das haben Sie nicht
getan.


(Beifall bei der SPD)


Wir haben ja schon öfter über Ihre Analyse gespro-
chen. Sogar Sie stellen fest, die größte Ungerechtigkeit
sei, dass sich Frauen in der Teilzeitfalle befinden und
schlechter bezahlt werden als Männer. Aber es gibt keine
Lösung.

Heute hat der Bundesrat den flächendeckenden ge-
setzlichen Mindestlohn beschlossen,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


und zwar auf Antrag von SPD und Grünen.


(Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ CSU])


– Das Saarland hat zugestimmt. – Wenn Sie das wirklich
wollen, Frau Fischbach, wenn Sie es ernst meinen mit
der Gleichstellung, dann können Sie dem flächende-
ckenden gesetzlichen Mindestlohn nur zustimmen, weil
der dafür sorgt, dass die Lohnlücke für Frauen geringer
wird, und darum geht es uns. Das wäre ein erster Schritt.


(Zuruf der Abg. Ingrid Fischbach [CDU/ CSU])


– Es nutzt gar nichts, dass Sie mich jetzt anschreien.

Stimmen Sie im Bundestag der Einführung des flä-
chendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zu! Das wäre
ein Beitrag zur Gleichstellung. Schauen Sie, dass Sie in
der Gleichstellung etwas umsetzen, wie wir es in unse-
rem Antrag dargestellt haben. Aber ich glaube, für die
Umsetzung von Gleichstellung ist Schwarz-Gelb einfach
zu schwach.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) (C)



(D)(B)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722615000

Jetzt hat für die Fraktion der CDU/CSU Rita Pawelski

das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Rita Pawelski (CDU):
Rede ID: ID1722615100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

… es ist bestürzend, dass Deutschland EU-weit zu
den Ländern mit den größten Vergütungsunter-
schieden zwischen Männern und Frauen zählt. An-
gesichts des internationalen Wettbewerbs um Fach-
kräfte können wir es uns als Standort Deutschland
nicht erlauben, die Hälfte der Leistungsträger unse-
rer Gesellschaft aufgrund ihres Geschlechts abzu-
werten. Frauen und Männer müssen die gleichen
Chancen auf Anerkennung ihrer Leistungen erhal-
ten und auch gleiche Perspektiven.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieses Zitat stammt nicht etwa von einer Frauenrechtle-
rin oder den üblichen Verdächtigen in Sachen Gleichstel-
lung, Frauenquote oder gleiche Bezahlung. Nein, dieses
Problembewusstsein hat Thomas Sattelberger bewiesen.
Er war bis vor einigen Monaten immerhin Manager ei-
nes DAX-Unternehmens, nämlich der Deutschen Tele-
kom.

Dieses Zitat zeigt: Gleiche Bezahlung für gleichwer-
tige Arbeit ist kein gleichstellungspolitisches Gedöns. Es
geht dabei vielmehr um knallharte Wirtschaftsinteressen.
Es geht darum, dass Unternehmen in Zeiten von demo-
grafischem Wandel und Fachkräftemangel attraktiv für
fähige und motivierte Mitarbeiter sind. Es geht um un-
sere Wettbewerbsfähigkeit. Es geht um die Zukunft un-
seres Landes. Das sollte mittlerweile in den Chefetagen
angekommen sein. Deshalb – das sage ich hier ganz ehr-
lich – kann ich es nicht verstehen, dass wir uns heute im-
mer noch über Gehaltsunterschiede von Männern und
Frauen unterhalten, trotz Equal Pay Day, trotz Lohntest-
verfahren Logib-D, trotz der Vereinbarung der Spitzen-
verbände der Wirtschaft von 2001 auf Chancengleich-
heit in der Privatwirtschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, jetzt
komme ich zu Ihnen. Damals, 2001, haben Sie regiert.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir sind jetzt zwölf Jahre weiter!)


Die einzige große frauenpolitische Tat in der Schröder-
Zeit zwischen 1998 und 2005 war, dass Sie versucht ha-
ben, der Schröder-Regierung einen frauenpolitischen
Stempel aufzudrücken, indem Sie beantragt haben, dass
Frauen in Führungspositionen stärker berücksichtigt
werden sollen.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch Wiederholungen wird es nicht besser!)


Sie haben sich aber von Schröder in den Senkel stellen
lassen und wurden so klein. Das Elterngeld haben Sie

angekündigt. Wir haben es unter der Merkel-Regierung
umgesetzt. Wir haben doch erst die frauenpolitischen
Maßnahmen durchgeführt,


(Christel Humme [SPD]: Weil Sie die SPD im Rücken hatten!)


die Sie angedacht und angekündigt haben.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Aber nicht umgesetzt haben!)


Aber Sie hatten keinen Mumm, sie umzusetzen. Das sind
doch die Fakten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unter Schröder gab es hier in Deutschland doch ein
familien- und frauenpolitisches Loch. Da war doch gar
nichts. Der Macho vor dem Herrn hat Sie doch als Ge-
döns beiseitegestellt. Da fand nichts statt. Darum finde
ich es ein bisschen vermessen, dass Sie, die Sie jetzt hier
auf den Bänken der Opposition sitzen, dicke Backen ma-
chen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir haben dazugelernt! Das ist der Unterschied!)


Sie werfen uns und der Ministerin vor, es sei nichts
passiert. Alles, was im Bereich Betreuung umgesetzt
wurde, wurde jetzt umgesetzt.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: So ist das!)


Alles, was wir in Sachen „Frauen in Führungspositio-
nen“ erreicht haben, ist in den letzten Jahren passiert.
Zwischen 2001 und 2010 gab es eine Frau in den Vor-
ständen der DAX-Unternehmen


(Abg. Christel Humme [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– ich beantworte keine Zwischenfragen; ich habe zu we-
nig Zeit –;


(Caren Marks [SPD]: Sehr unsouverän!)


jetzt gibt es dort 15 Frauen. Das haben wir erreicht – ich
muss sagen: gemeinsam –, indem wir Druck gemacht
haben. Ich gebe ehrlich zu: Das reicht mir nicht. Aber:
Statt einer Frau 15 Frauen, das ist ein Erfolg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christel Humme [SPD]: Von wie vielen? Von 900 Personen! Was ist das für ein Erfolg?)


Wie es auch sei: Dass in Deutschland Frauen weniger
als Männer verdienen, ist ein Skandal. Das sage ich ganz
deutlich. Egal ob 25 Prozent, 22 Prozent, 11 Prozent
oder 2 Prozent – jede Lücke ist eine Ohrfeige für die
Frauen, jede Lücke ist eine Ohrfeige für die Gleichbe-
rechtigung. Dieser Missstand hat natürlich auch etwas
damit zu tun, dass Mädchen immer noch die falschen
Berufe ergreifen. Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen, ich mache seit über 20 Jahren Frauenpolitik. Inso-
fern kenne ich die beliebtesten Berufe der Mädchen.
Diese haben sich in den vergangenen 20 Jahren leider
nicht geändert. Das ist immer noch die Verkäuferin, die





Rita Pawelski


(A) (C)



(D)(B)


MTA, die Friseurin usw. Das sind die Berufe, die Mäd-
chen bzw. Frauen gerne ergreifen, obwohl man weiß,
dass diese Berufe schlecht bezahlt werden. – Liebe Mäd-
chen, sucht euch bitte auch einmal andere Jobs! Wählt
Männerberufe!


(Mechthild Rawert [SPD]: Das ist verantwortungslos, was Sie da machen!)


Es bringt euch nicht weiter, wenn ihr nur reine Frauenbe-
rufe wählt.

Natürlich müssen wir auch zusehen, dass diese Berufe
besser bezahlt werden. Ich sage aber ganz deutlich, dass
das nicht Sache der Politik ist. Das ist Sache der Tarif-
partner. Diese haben in erster Linie dafür Sorge zu tra-
gen, dass sich die Rahmenbedingungen ändern. Tarifver-
träge wie die in Sachsen mit einem Stundenlohn einer
Friseurin von 3,60 Euro haben nicht wir, die Politik, ab-
geschlossen; das waren die Tarifpartner. Wir appellieren
an sie, hier endlich mehr zu tun.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722615200

Frau Kollegin!


Rita Pawelski (CDU):
Rede ID: ID1722615300

Darf ich noch einen Satz sagen? – Wir haben schon

oft über Frauen in Führungspositionen geredet. Es wun-
dert mich sehr, dass es gerade in diesem Bereich die
größten Gehaltsunterschiede gibt. Frauen in Führungs-
positionen bekommen 30 Prozent weniger Gehalt als
ihre männlichen Kollegen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722615400

Frau Kollegin!


Rita Pawelski (CDU):
Rede ID: ID1722615500

Aufgrund dieser Tatsache müsste es doch eigentlich

viel mehr Frauen auf dieser Ebene geben, weil das doch
ein großer Vorteil für die Unternehmen ist.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Frauen bezahlen sich selbst!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722615600

Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege

Dr. Peter Tauber das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Peter Tauber (CDU):
Rede ID: ID1722615700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen!

Meine Herren! Liebe Kollegen und vor allem liebe Kol-
leginnen! Man muss in der Tat festhalten: Hier sitzen
viele – vor allem Kolleginnen –, die sich schon seit vie-
len Jahren engagiert um das Thema Gleichstellung küm-
mern. Diesen Kolleginnen und vielleicht auch dem einen
oder anderen Kollegen, der sich des Themas angenom-
men hat, gilt ein ordentliches Dankeschön.


(Christel Humme [SPD]: Sie sind doch bestimmt die Speerspitze der männlichen Gleichstellungspolitik!)


– Immerhin lässt meine Fraktion mich reden, Frau Kol-
legin. Das ist schon einmal ein großer Vertrauensbeweis.
Dem versuche ich nun auch gerecht zu werden.

Die Wahrheit ist aber auch, dass viele, die sich in den
vergangenen Jahren und vielleicht sogar Jahrzehnten
sehr engagiert darum gekümmert haben, nicht immer die
Aufmerksamkeit für ihr Thema gefunden haben, die sie
sich selbst gewünscht haben. Auch das muss man fest-
stellen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Und? Was heißt das?)


Wenn ich mir die Gleichstellungspolitikerinnen und
Gleichstellungspolitiker von Rot-Grün anschaue, habe
ich ehrlich gesagt den Eindruck, dass diese erst seit drei
Jahren so richtig aufblühen bei der Frage, was man alles
machen könnte, was alles notwendig wäre – vielleicht
auch deshalb, weil das zuvor nicht so umgesetzt werden
konnte – lassen Sie es mich ein bisschen zurückhaltend
formulieren –, wie sie es sich vorgestellt haben. An die-
ser Stelle ist es vielleicht angebracht, an Max Weber zu
erinnern. Max Weber hat den wunderschönen Satz ge-
prägt von den dicken Brettern, die man in der Politik
bohren muss. Wir stellen auch bei diesem Thema fest,
dass es dicke Bretter sind, die es zu bohren gilt.

Ich sage aber – das ist ein freundschaftlich gemeinter
Rat, den ich Ihnen als letzter Redner in dieser Debatte
gern mitgeben möchte –: Seien Sie vorsichtig mit voll-
mundigen Ankündigungen!


(Mechthild Rawert [SPD]: Wir haben Gesetzentwürfe!)


Die Kollegin Pawelski hat es Ihnen bereits zugerufen.
Sie haben einmal einen Kanzler gestellt, der dieses Poli-
tikfeld als „Gedöns“ abqualifiziert hat.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wie hieß der denn?)


Die Wahrscheinlichkeit, dass es im September für
Rot-Grün reicht – da sind wir alle entspannt –, ist ja
nicht sehr groß.


(Willi Brase [SPD]: Das haben Sie vor Niedersachsen auch gesagt! Da haben Sie einen auf den Deckel gekriegt!)


Die sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen
haben aber einen Kanzlerkandidaten nominiert, der sehr
klar formuliert hat, was er von Entgeltgleichheit mit
Blick auf die Kanzlerin hält. Er hat nämlich gesagt, ei-
gentlich verdiene die Kanzlerin im Vergleich zu ihm,
wenn er einmal Kanzler sei, viel zu wenig. Das ist ein
Verständnis von Entgeltgleichheit, das sehr spannend ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Falsch zitiert!)


Insofern seien Sie vorsichtig mit dem, was Sie jetzt voll-
mundig ankündigen! Sie müssen das erst einmal umset-





Dr. Peter Tauber


(A) (C)



(D)(B)


zen. Den Beweis, dass Sie das umsetzen, sind Sie in der
Vergangenheit schuldig geblieben.

Kommen wir einmal zu zwei, drei Aspekten, die in
der Tat wichtig sind.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zum Inhalt! Super!)


Wir haben über die gestiegene Erwerbstätigenquote der
Frauen gesprochen und sind schon auf das Problem ein-
gegangen, dass Frauen dennoch nicht Jobs haben, die
dazu führen, dass sich die Gehaltslücke schließt. Die Ge-
haltsunterschiede betragen 22 Prozent in absoluten Zah-
len und 8 Prozent bei vergleichbarer Qualifikation und
Tätigkeit.

In Ihrem Antrag steht auch wieder der Mindestlohn;
er ist ja Ihr Allheilmittel gegen alles. Die Wahrheit ist
aber, dass die Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden
hat, dass bei den vollzeitbeschäftigten hochqualifizierten
jungen Frauen die Gehaltslücke zu den Herren der
Schöpfung am größten ist.


(Christel Humme [SPD]: Natürlich! Das ist auch ein Problem!)


Der Mindestlohn ist doch keine Antwort auf diese Fest-
stellung.


(Christel Humme [SPD]: Das habe ich auch nicht gesagt!)


Da ist es wieder, das reflexartige Festbeißen am Min-
destlohn.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Wir fordern auch nicht den Mindestlohn für Sie!)


– Auch durch Ihre Zwischenrufe wird es nicht richtiger.
Ich versuche einfach, darüber hinwegzureden. Das ist
aber nicht ganz leicht angesichts Ihrer Lautstärke. – Der
Mindestlohn ist hier keine Antwort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist zunächst einmal gut, wenn die Erwerbstätigen-
quote der Frauen steigt. Was wäre denn die Alternative?
Dass sie nicht erwerbstätig sind?

Wir müssen uns auch fragen, was wir vorschreiben,
und berücksichtigen, dass die Prozesse lange dauern.
Das Elterngeld, das hier genannt wurde, ist ein gutes
Beispiel dafür. Es war von Anfang an klar, dass es nicht
von heute auf morgen dazu führt,


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben vier Jahre Zeit gehabt!)


dass alle jungen Väter völlig begeistert sagen: Hurra,
auch ich nehme Elternzeit. – Es war völlig klar, dass die
erste Vätergeneration, die das Elterngeld nutzt, sich un-
gerechtfertigterweise den einen oder anderen dummen
Spruch hat anhören müssen. Inzwischen ist das Alltag
und Selbstverständlichkeit. Deswegen kann man Im-
pulse setzen. Aber man sollte aufhören, den Leuten zu
suggerieren: Wir beschließen etwas, und die Welt ändert
sich von einem auf den anderen Tag.


(Beifall)


Unsere Gesellschaft ist so nicht. Sie ist vielschichtiger
und vielfältiger.

Es ist gut, wenn die Kolleginnen, die sich schon lange
mit diesem Thema beschäftigen, nicht nur am Rand von
Debattenstunden am Donnerstag spätabends streiten,
sondern auch einmal am Freitag, wenn die Sonne
scheint. Es ist gut, wenn wir uns alle vornehmen, dass
das Thema auf der Agenda bleibt. Aber zu glauben, dass
die Welt von heute auf morgen durch das Umlegen eines
Hebels bunt und gut wird, ist erschreckend naiv.


(Christel Humme [SPD]: Das hat keiner gesagt! Wenn Sie zugehört hätten!)


Ganz ehrlich: Mit Ihrer Leistungsbilanz aus Ihren Regie-
rungsjahren ist das auch nicht belegbar.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722615800

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell ist verabredet, die Vorlagen auf den
Drucksachen 17/12483, 17/12487 und 17/12497 an die
Ausschüsse zu überweisen, die Sie in der Tagesordnung
finden. – Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so
beschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 39 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe
Beckmeyer, Dr. Bärbel Kofler, Dirk Becker, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Zukunft des „Energie- und Klimafonds“ und
der durch ihn finanzierten Programme
– Drucksachen 17/10088, 17/10815 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Sven-Christian Kindler

Verabredet ist es, eine Dreiviertelstunde zu debattie-
ren. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist auch
das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Volkmar Klein hat jetzt
das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Volkmar Klein (CDU):
Rede ID: ID1722615900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Ich habe schon ein bisschen Zwei-
fel, ob es uns wirklich weiterbringt, heute über den An-
trag der SPD zur Zukunft des Energie- und Klimafonds
zu reden. Es ist zwar immer schön, wenn sich die Oppo-
sition über den Erfolg der Regierung Gedanken macht
und wenn uns die Opposition kritisch begleitet – das
macht ihr gut, das ist auch die Aufgabe der Opposition;





Volkmar Klein


(A) (C)



(D)(B)


ich werde mich dafür einsetzen, dass diese Aufgabe auch
wieder so zugeteilt wird –; aber wir als Koalition haben
weitgesteckte Ziele: energetische Gebäudesanierung,
Forschung, weitere Markteinführung erneuerbarer Ener-
gien, Schub bei den Speichertechnologien durch Unter-
stützung der E-Mobilität, internationale Verantwortung.
Dafür ist der Energie- und Klimafonds die richtige und
intelligente Institution. Das hat auch die jüngste Anhö-
rung zum EKF im Juni vor anderthalb Jahren bestätigt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Einnahmen aus dem Emissionshandel komplett
für Klima und Umwelt einzusetzen, ist einzigartig in Eu-
ropa. Das ist eigentlich schon ein Stück Wegweisung.
Dieses Sondervermögen bietet Transparenz und ver-
pflichtet auch zur ressortübergreifenden Kooperation;
das ist nicht selbstverständlich. Es besteht die Möglich-
keit, bei schwankenden Einnahmen Aufgaben kontinu-
ierlich zu finanzieren. Das macht die Möglichkeit, über
Rücklagen Ausgleiche zu schaffen, gerade interessant.

Klar: In der aktuellen Situation sind Sorgen sehr be-
rechtigt. Die Preise für Zertifikate sind deutlich niedri-
ger, weil die Nachfrage nach ihnen deutlich niedriger ist
als ursprünglich erwartet.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Jetzt machen Sie sich Sorgen!)


Man kann natürlich auch sagen: Das ist ein Stück weit
ein Erfolg unserer Umweltpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn weniger Verschmutzungszertifikate gebraucht
werden, dann liegen die Gründe in Deutschland, wo die
Wirtschaft gut läuft, offensichtlich im Erfolg der Um-
weltpolitik. Leider gibt es einen zweiten Grund für die
zurückgehende Nachfrage nach Zertifikaten, nämlich die
Wirtschaftskrise in den anderen europäischen Ländern.
Das ist ein ernstes Problem. Wir beobachten das mit gro-
ßer Sorge.

Wenn sich aber die Opposition wirklich Sorgen um
die Finanzierung des Energie- und Klimafonds machen
würde, dann hätte sie Ende 2012 nicht die steuerliche
Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen
verhindern dürfen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)


Denn da es nicht zu einer steuerlichen Förderung ge-
kommen ist, müssen wir jetzt zusätzlich 300 Millionen
Euro aus diesem Fonds mobilisieren, der zugegebener-
maßen knapp finanziert ist. Das passt doch nicht zusam-
men: Das eine wird verhindert, und dann wird beklagt,
dass zu wenig Geld im EKF sei.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Argumentation von Ihnen passt aber auch nicht zusammen! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine abenteuerliche Argumentation!)


Der Verdacht, dass es eher um Show als um Fakten
geht,


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Bei Ihnen!)


wird an einer anderen Stelle noch ein bisschen unter-
mauert: In 18 teilweise sehr detaillierten Einzelpunkten
dieses Antrags


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Ja! Wir kennen uns auch aus!)


werden die internationale Verantwortung sowie die
Klima- und Umweltpolitik gerade noch zweimal er-
wähnt, aber nur einmal überhaupt vernünftig aufgegrif-
fen. Da fragt man sich doch, ob das nicht eine sehr große
Unausgewogenheit ist und ob niemand aus dem Bereich
der Entwicklungszusammenarbeit in den Reihen der
SPD-Fraktion einmal drübergucken durfte. Dort wird
ständig – ich denke, viel zu häufig – von der ODA-
Quote geredet, wobei wir insgesamt mehr über Wirkung
und weniger über Geldausgeben reden sollten. Beim
EKF wäre dieses Thema nun einmal wirklich angebracht
gewesen. Aber von diesem Thema steht keine einzige
Silbe in diesem umfangreichen, detaillierten Antrag. Vor
diesem Hintergrund halte ich es schon für berechtigt, zu
sagen: Der Antrag ist völlig unausgewogen. Sie sind nur
an Show interessiert und nicht daran, etwas zu bewegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Da wir schon beim Thema ODA sind: Es wäre für uns
sehr verlockend, zu sagen: Lasst uns doch den Fonds
auflösen und das Geld auf die Einzelpläne verteilen. –
Der Einzelplan 23, der Haushalt des Entwicklungshilfe-
ministeriums, wächst ruckzuck auf. Alle belobigen uns.
Aber am Ende wird nichts für die Länder erreicht, um
die es uns geht. Eine solche Show wollen wir nicht. Wir
sind an der Sache interessiert und eben nicht an einer
Show.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heute ist es an sich viel zu früh, über den EKF ab-
schließend zu urteilen und seine Finanzierungsmöglich-
keiten dauerhaft zu bewerten. Wir setzen darauf, dass die
Euro-Politik der Bundeskanzlerin greift und dass die
Wirtschaft in den anderen Ländern wieder in Gang
kommt. Das wird dann zu einer erhöhten Nachfrage
nach Zertifikaten und auch zu steigenden Preisen führen.
In der jetzigen Situation ein abschließendes Urteil abzu-
geben, ist von der Sache her nicht korrekt.

Wir sind weiterhin daran interessiert, Wirkung zu er-
zielen, anstatt eine Show abzuziehen. Wir wollen in der
Umweltpolitik und in der Klimapolitik Wirkung erzie-
len, in Deutschland, aber, meine Damen und Herren,
auch über Deutschland hinaus. Dafür wird der EKF wei-
terhin eine vernünftige Grundlage bieten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722616000

Der Kollege Uwe Beckmeyer hat das Wort für die

Fraktion der SPD.


(Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(D)(B)



Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1722616100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Herr Klein, es ist schön, dass Sie unseren Antrag
gelesen haben, anscheinend aber nur sehr flüchtig. Die
Behauptung, wir hätten die internationalen Verpflichtun-
gen nicht aufgegriffen, trifft nicht zu. In unserem Antrag
steht das deutlich drin, und zwar auf Seite 3; ich will Ih-
nen das nicht vorlesen. Insofern haben Sie da ein biss-
chen Schaum geschlagen.

Worum geht es hier? Mit unserem Antrag vom
26. Juni 2012 haben wir Sie, die Bundesregierung und
die sie tragenden Koalitionsfraktionen, darauf aufmerk-
sam gemacht, dass die Zukunft des Energie- und Klima-
fonds unseres Erachtens arg gefährdet ist. Mitte 2012
waren Sie wahrscheinlich noch auf dem Dampfer, zu sa-
gen: Wir müssen erst einmal warten; wir brauchen Zeit.

Weshalb ist der Energie- und Klimafonds eigentlich
eingerichtet worden? Haben Sie einmal geschaut, was
im Gesetz steht? Seine Funktion ist es, zusätzliche Aus-
gaben zuverlässig und bedarfsgerecht zu finanzieren.
Das ist Kern des Gesetzes, das Sie beschlossen haben. Es
soll zur Verfügung in den Jahren 2011, 2012, 2013 und
folgende eine zuverlässige Finanzierung ermöglichen.
Was haben Sie erreicht? – Dieses Gesetz floppt auf gan-
zer Linie.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dieses Gesetz ist bei der Finanzierung eines Herzstücks
Ihrer Klimapolitik in Deutschland unzuverlässig.

Nehmen wir einmal das Thema Elektromobilität. Da
machte die Frau Bundeskanzlerin – Sie sprachen gerade
von „Show“ – eine Riesenveranstaltung im Herzen die-
ser Stadt, mit Unterstützung der großen deutschen Auto-
mobilunternehmen, und es wurde die Aussage getroffen,
dass in dieser Legislaturperiode 1 Milliarde Euro zusätz-
lich bereitgestellt werden solle, um die Elektromobilität
voranzubringen. „Wir haben das Ziel, Leitmarkt für
Elektromobilität zu werden“, so die Kanzlerin. Bis 2020,
so die Ankündigung, sollen 1 Million Elektromobile auf
unseren Straßen fahren. Wir sind Lichtjahre davon ent-
fernt.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sieben!)


Denn inzwischen ist klar, dass in dieser Legislatur-
periode weder das Ziel, 1 Milliarde Euro zusätzlich be-
reitzustellen, noch das Ziel, 1 Million Elektromobile auf
die Straße zu bringen, erreicht wird. Von diesen Zielen
hat sich die Bundesregierung inklusive der Kanzlerin im
Oktober letzten Jahres auch recht leise entfernt.

Viele andere Projekte, die im Zusammenhang mit
dem Energie- und Klimafonds vorgesehen waren, sind
notleidend. Sie haben 2012 einen Bewirtschaftungser-
lass des Bundesfinanzministeriums erhalten; ich denke,
er liegt Ihnen vor. Auf den Erlass für 2013 warten wir
noch, weil es in der Bundesregierung Streit darüber gibt,
wie er ausgestaltet werden sollte. Im Erlass für 2012
wurde klargemacht: Es wird nur das ausgegeben, was
eingenommen wird. Diverse wichtige Projekte im Rah-
men des Energie- und Klimafonds sind überhaupt nicht

mehr in Angriff genommen worden; sie sind unter den
Tisch gefallen. Man hat nichts mehr getan.

Wenn man auf den Internetseiten des BMF nach In-
formationen zu diesem Thema sucht, dann stellt man
fest: Nur eine schmale Seite ist noch vorhanden; alle an-
deren wurden getilgt. Man findet sie auch über die Suche
nicht mehr; sie sind weg. Warum eigentlich? Schämen
Sie sich Ihrer Politik, weil sie nicht finanziert ist? Sie ha-
ben den Fehler gemacht, und dieser Bundesfinanzminis-
ter – inklusive seiner Kollegen – hat ein Projekt mit dem
Versprechen gegenüber Deutschland und der deutschen
Industrie aufgelegt, dass eine zuverlässige Finanzierung
gegeben ist. Diese zuverlässige Finanzierung ist jedoch
nicht gegeben.

Wir haben hier die Bildung eines Attrappenfonds, der
in diesem Jahr – 2013 – auf 2 Milliarden Euro angelegt
ist. Inzwischen gibt es Erkenntnisse, sogar schriftlich be-
stätigt von der Bundesregierung, dass man vielleicht mit
1 Milliarde Euro rechnen kann. Ich frage die Damen und
Herren der Bundesregierung, die hier anwesend sind
– Minister sind nicht mehr da, weil das kein wichtiges
Thema ist –, wie denn überhaupt diese Milliarde ver-
plant ist. Ist sie schon durch Vorbelastungen aus den Jah-
ren 2011 und 2012 vergeben? Wenn das der Fall ist
– und es deutet einiges darauf hin –,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 1 Milliarde!)


– 1 Milliarde –, heißt das doch, dass Sie 2013 gar keine
neuen Projekte mehr anfangen können.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: So ist es!)


Was heißt das eigentlich für die Elektromobilität und die
anderen Schaufensterprojekte Deutschlands, die Sie
stark reduziert haben? Keines dieser Schaufensterpro-
jekte ist durch die Bundesregierung seriös finanziert –
wegen Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Sie haben
hier einen Popanz Potemkin’scher Art aufgebaut in einer
Größenordnung von 2 Milliarden Euro. Alle Politiker
aus den Fachausschüssen wurden beruhigt und auf den
Energie- und Klimafonds beim Finanzminister verwie-
sen. Deshalb solle man in den Fachausschüssen nicht da-
rüber reden. Aber am Ende des Tages ist dieser Finanz-
minister nicht in der Lage, die Dotation einigermaßen
sicherzustellen. Das ist ein Skandal sondergleichen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


weil uns dieser Finanzminister an der Nase herumführt.
Dieses Finanzministerium – und damit auch diese Bun-
desregierung und diese Bundeskanzlerin – erklärt der
deutschen Öffentlichkeit etwas anderes, als es tatsäch-
lich tut. Insofern meine ich, dass klar und deutlich gesagt
werden muss, dass wir bei der Energie- und Klimapolitik
mitten im Tal der Tränen angekommen sind.

Sie sind verantwortlich für das Desaster, in dem wir
momentan mit all diesen Projekten stecken. Das ist
nichts, was man bis zum Wahltag in irgendeiner Form





Uwe Beckmeyer


(A) (C)



(D)(B)


verstecken kann. Das scheint ja Ihre Methode zu sein:
Wollen wir einmal abwarten. – Ich glaube, Sie müssen
das jetzt wirklich öffentlich kundtun, damit das einmal
bilanziert werden kann. Ich habe Hinweise – wir werden
weiter danach fragen –, dass alles, was Sie momentan
ausweisen können, beileibe nicht ausreicht, um wesentli-
che Projekte dieses Energie- und Klimafonds in irgend-
einer Form zu beginnen und auskömmlich zu finanzie-
ren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Ihre Ener-
gie- und Klimapolitik ist auch in diesem Bereich total
gescheitert und hat eigentlich eine Sechs verdient.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722616200

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dr. Florian

Toncar das Wort.


Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1722616300

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Es gibt gute Gründe, den von der SPD-
Fraktion vorgelegten Antrag heute abzulehnen.

Es gibt formelle Gründe. Der Antrag, den Sie vorle-
gen, ist teilweise veraltet, Kollege Beckmeyer. Wenn Sie
den vor Ihrer Rede noch einmal durchgelesen hätten,
hätten Sie das auch gesehen. Er nimmt Bezug auf den
Haushalt 2012. 2012 ist vorbei. Wenn die Regierung hier
noch etwas machen soll, verlangen Sie von der Regie-
rung etwas, was schlichtweg unmöglich ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Das liegt doch an Ihrer Geschäftsführungsmehrheit, dass der jetzt erst aufgerufen wird!)


Auch das, was mit Blick auf 2013 da gefordert wird, ist
nicht mehr aktuell. Letzten Endes hätte man das nicht
heute, sondern noch im letzten Jahr beraten müssen.

Der Antrag ist aber auch inhaltlich wenig glaubwür-
dig, genauso wie ich das, was Sie, Kollege Beckmeyer,
hier an Rhetorik gewählt haben, etwas schrill fand. Zu
Beginn des Antrags steht der Satz: „Die Bundesregie-
rung gefährdet die Energiewende in Deutschland“.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es doch!)


Dann kommt eine Kaskade von Katastrophenrhetorik;
ich persönlich glaube, dass die Bürger diese Art von
politischer Kommunikation, diese totale Übertreibung,
mittlerweile leid sind. Das bezieht sich auch auf das, was
Sie hier und heute geboten haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Uwe Beckmeyer [SPD]: Seriös ist etwas anderes!)


Man muss ganz klar sagen, dass die Fragen, die das
Projekt Energiewende betreffen, also nicht nur: „Will

man raus aus einer Technologie wie der Kernkraft?“,
sondern auch: „Wo kommen die Alternativen her, und
wie kommen die Alternativen dorthin, wo Menschen
wohnen, wo sich industrielle Zentren befinden?“, unter
Rot-Grün nicht wirklich gelöst worden sind,


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


auch nicht unter Schwarz-Rot angegangen wurden. Viel-
mehr wurde das Problem, wo der Strom herkommen
soll, wenn wir Kernkraft nicht wollen, erstmals und sys-
tematisch in dieser Legislaturperiode angegangen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da war bei Ihnen totale Fehlanzeige. Ich glaube, dass
das auch einmal gesagt werden muss.

Sie meckern an Vorhaben rum, die wir erstmals syste-
matisch angegangen sind. Das ist der unglaubwürdige
Teil Ihrer Rede.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie sind unglaubwürdig! – Uwe Beckmeyer [SPD]: Das glaubt doch kein Mensch! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubt Ihnen doch kein Mensch!)


Auch wenn man anderswo beobachtet, wie sich die Op-
position beim Thema Energiewende verhält, dann muss
man doch die Schlussfolgerung ziehen: Letzten Endes
sind Sie das Problem.


(Lachen des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich nenne als Beispiel die energetische Gebäudesanie-
rung, die Sie auch in Ihrem Antrag erwähnen. Sie spielt
bei Ihren drei Forderungen in Bezug auf den Energie-
und Klimafonds, über den wir heute sprechen, eine
Rolle. Das größte Förderprogramm für energetische Ge-
bäudesanierung hätte die Umsetzung des Vorschlags un-
serer Regierung, Bürgern, die sich überlegen, ihr Eigen-
heim zu renovieren, die sich fragen, ob es sich lohnt,
energetisch zu sanieren, eine steuerliche Förderung zu
gewähren, mit sich gebracht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Das hätte dem Handwerk geholfen, das hätte der Um-
welt geholfen, das hätte eine Menge gebracht. 1,5 Mil-
liarden Euro im Jahr waren vorgesehen, also fast so viel,
wie im ganzen Fonds drin ist, weit mehr, als der Fonds
für die energetische Gebäudesanierung tun kann. Aber
was ist passiert? Das muss man der deutschen Öffent-
lichkeit einmal sagen: Es waren Frau Kraft und Herr
Kretschmann, es waren Sozialdemokraten und Grüne,
die dieses sinnvolle Programm kaputtgemacht haben.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


Dafür tragen Sie die Verantwortung.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Buh!)






Dr. Florian Toncar


(A) (C)



(D)(B)


Von daher: Legen Sie nicht solche Anträge vor, sondern
sehen Sie zu, dass Sie sich dort, wo Sie Verantwortung
tragen, vernünftig abstimmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie sagen doch die Unwahrheit!)


Ich will Ihnen ein zweites Beispiel dafür nennen, wa-
rum Rot-Grün ein Problem für die Umsetzung der Ener-
giewende darstellt.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie mal zur Sache!)


Es gibt eine unglaublich hohe Subventionierung von
Teilbereichen der erneuerbaren Energien, mit tollen Ren-
diten für Investoren, finanziert von den Verbraucherin-
nen und Verbrauchern, den privaten Haushalten genauso
wie von Handwerk und Gewerbe.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn die ganzen Ausnahmen geschaffen? Das war doch schlimm! Die ganzen Subventionen hat doch Schwarz-Gelb verteidigt!)


Wer ist es denn, der seit über zwei Jahren sagt: „Wir
wollen die Verbraucher nicht entlasten“? Das sind wie-
der Frau Kraft und Herr Kretschmann, das sind Sozial-
demokraten und Grüne im Bundesrat. Ich finde, auch
hier muss sich etwas tun; denn die Rechnung dafür wer-
den am Ende die Verbraucher zahlen. Auch das werden
wir Ihnen nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ich habe heute Morgen dafür gestimmt in den Konferenzen! Das ist doch nicht wahr! – Gegenruf des Abg. HansMichael Goldmann [FDP]: Da seid ihr getroffen! Euer Kretschmann!)


Wir haben – das ist richtig – im Zuge der Energie-
wende ein neues Instrument eingeführt, nämlich den
Energie- und Klimafonds. Durch diesen Fonds alleine
werden wir die Energiewende nicht bewerkstelligen
können. Er soll aber ergänzend Projekte finanzieren, die
den Übergang erleichtern. Dieser Fonds ist neu, es hat
ihn früher nicht gegeben, auch zu Ihrer Regierungszeit
nicht.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Gott sei Dank!)


Zum Teil wurden Programme übernommen, die es vor-
her schon gab, zum Teil wurden aber auch zusätzliche
Maßnahmen finanziert. Das ist die Wahrheit.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben einen Schattenhaushalt gemacht! – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Finanziert ist noch gar nichts! – Uwe Beckmeyer [SPD]: Wenn es wenigstens ein Fonds wäre, der gefüllt wäre!)


Der Fonds wird überwiegend aus Einnahmen aus den
Zertifikaterlösen gespeist, also durch das Geld, das die
Industrie für Zertifikate zahlen muss. In vielen Ländern
Europas – das wissen Sie sicherlich – fließen diese Ein-
nahmen nicht in einen Fonds zur Umsetzung der Ener-
giewende oder zur Förderung des Klimaschutzes, son-
dern sie gehen direkt in den Haushalt oder an den
Finanzminister. Deutschland hat hier vorbildlich gehan-
delt,


(Gabriele Molitor [FDP]: Gute Politik!)


indem wir gesagt haben: Die Gelder, die eingenommen
werden, werden wieder zweckgebunden ausgegeben, um
ein sinnvolles Ziel voranzubringen. Das machen viele
andere europäische Länder nicht. Auch das muss man
hier einmal klarstellen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Tarnen und täuschen! Das ist alles, was Sie machen!)


Dieses Argument der Zweckbindung spricht für den
Fonds, auch wenn der Fonds derzeit ein Einnahmeprob-
lem.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist sehr blumig ausgeführt! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Tun Sie mehr für den Klimaschutz! Dann haben wir mehr Einnahmen!)


Aber das hat – das wissen Sie – mit den Zertifikateprei-
sen zu tun.

Nun kann man darüber diskutieren, wie das Problem
mit den Einnahmen zu lösen ist. Natürlich kann man sa-
gen: Die Einnahmen sind niedriger, also verknappen wir
die Zertifikate. Was wir zurzeit erleben, ist aber doch
eher ein Beispiel dafür, dass der Emissionshandel funk-
tioniert. Wenn Sie nun Zertifikate vom Markt nehmen,
dann bestrafen Sie die Unternehmen, die in Energieein-
sparung investiert haben, doppelt. Sie profitieren nicht
davon; ihre Investition rentiert sich nicht mehr. Wenn
Sie das einmal machen, kann das funktionieren. Aber
spätestens wenn man das einmal gemacht hat, wird
kaum noch ein Unternehmen bereit sein, in weitere
Energieeinsparmaßnahmen, die ja Geld kosten, zu inves-
tieren, weil der daraus entstandene wirtschaftliche Vor-
teil ja auf diese Weise wieder abgeschöpft wird.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann setzen Sie doch Anreize!)


Deshalb bestreite ich auch, dass eine Verknappung von
Zertifikaten am Ende die ökologischen Wirkungen ha-
ben wird, die Sie sich davon versprechen. Das kostet
Geld, es zerstört Vertrauen; aber die Umwelt bringt es
am Ende nicht weiter.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch diese Zertifikate aus China! Was reden Sie denn da für einen Unsinn!)


Deswegen müssen wir prüfen, wie der Fonds kurzfris-
tig finanziert werden kann. Dafür kommen einige Mittel
in Betracht,


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Welche?)






Dr. Florian Toncar


(A) (C)



(D)(B)


zum Beispiel noch vorhandene Rücklagen. Zu fragen ist
auch, ob die KfW einzelne Dinge übernehmen kann


(Widerspruch der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD] und Uwe Beckmeyer [SPD])


oder der Bundeshaushalt helfen kann. Das sind Instru-
mente, die man prüfen kann. Das wird die Regierung
auch tun.


(Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Wann?)


Ich jedenfalls gehe fest davon aus, dass der Fonds auch
weiterhin funktionieren wird.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat noch nie funktioniert! Das ist unser Problem!)


Was uns unterscheidet, Kollege Beckmeyer, ist Fol-
gendes – ich sage das, weil Sie schmunzeln –: Wenn
man Ihren Antrag liest, sieht man, dass Sie da und da
und da mehr Geld fordern, dass Sie der Meinung sind,
dass noch mehr Geld ausgegeben werden muss.


(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Sie tun gar nichts! Das ist das Problem – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kürzen nur!)


Wie Sie die Lücke schließen wollen, wird in Ihrem An-
trag mit keinem Wort erwähnt. Wortreich formulieren
Sie Vorschläge, die Geld kosten, aber Sie sind wortkarg,
wenn es um die Frage geht, wer das bezahlen soll, wer
die Lasten tragen soll, wer das finanzieren soll.

Wir jedenfalls werden nicht einfach nur kopflos an
der Schuldenschraube drehen


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Subventionsabbau!)


und die Haushalte wieder in Schieflage bringen, sondern
wir werden das mit unserem Kurs der soliden Finanzen
vereinbaren. Das unterscheidet euch von uns.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Fundamentaler Unterschied! Genau! Typisch Opposition!)


Das unterscheidet Regierung von Opposition. Das ist ein
ganz klassischer Oppositionsantrag, in dem sich um die
unbequemen Fragen im Zusammenhang mit der Ener-
giewende gekonnt herumgedrückt wird. Daher ist dieser
Antrag nicht zustimmungsfähig.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722616400

Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722616500

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Der
Energie- und Klimafonds ist eine absolute Fehlkonstruk-
tion. Er trocknet aus. Eigentlich sollten 2 Milliarden Euro
aus dem Zertifikatehandel fließen. Experten erwarten

jetzt nicht einmal mehr die Hälfte. Ich sage Ihnen: Die
Konstrukteure dieses Fonds waren ideologisch verblen-
det.


(Lachen des Abg. Klaus-Peter Willsch [CDU/ CSU])


Sie haben sich leichtgläubig auf den Markt verlassen.
Der Markt hat aber nicht funktioniert, sondern versagt.
Jetzt reiben sich die marktgläubigen Politiker verwun-
dert die Augen und sagen: „Lasst uns doch noch ein
bisschen warten.“ Ich glaube, jede Stunde des Wartens
ist eine zu viel.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD])


Es war ein schwerer Fehler, dass sich die Bundesregie-
rung beim Klimaschutz von den stark schwankenden
Zertifikatepreisen abhängig gemacht hat. Wer sich näm-
lich nur auf den Markt verlässt und keine anderen Ideen
hat, der ist verlassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Der zweite Konstruktionsfehler ist schon im Namen
des Fonds erkennbar. Wir brauchen nämlich einen Ener-
gie-, Klima- und Sozialfonds. Wenn wir unser Leben auf
eine völlig neue Energiebasis stellen wollen, dann pla-
nen wir nämlich nicht nur eine Wende, sondern eine
wirkliche energetische Revolution. Wir als Linke wollen
verhindern, dass dabei Menschen unter die Räder kom-
men, die schon heute nicht genügend Geld zum Leben
haben. Nehmen Sie nur die Rentner: Im Osten haben die
Rentner in den letzten zwölf Jahren 22 Prozent an Kauf-
kraft verloren. Im Westen haben die Rentner 17 Prozent
– auch das ist viel – an Kaufkraft verloren. Wenn Sie
dann noch die Kosten der Energierevolution auf die
Schultern der einfachen Steuerzahler abladen wollen,
dann produzieren Sie sozialen Sprengstoff. Das ist un-
verantwortlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Die beiden zuständigen Minister, Herr Altmaier und
Herr Rösler, sind ja nun nicht dafür bekannt, dass sie
diese energetische Revolution sozial gestalten wollen.
Sozial gerechte Politik ist für die Koalition ein Fremd-
wort. Sie schwanken höchstens zwischen unterschiedli-
chen Lobbyinteressen. Doch wer Umweltpolitik ohne
Sozialpolitik denkt, der wird scheitern.

Sie müssen einfach einmal zur Kenntnis nehmen, dass
sich die Strompreise in den letzten zwölf Jahren verdop-
pelt haben. Wenn man genau hinschaut, stellt man fest:
Das hat ganz wenig mit der Energieumlage zu tun. Die
Wahrheit ist: Die Gewinne der Stromkonzerne sind ex-
plodiert. Das muss endlich ein Ende haben. Wir brau-
chen wieder eine staatliche Strompreisaufsicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen, dass ein Energie-, Klima- und Sozial-
fonds von den chaotischen Marktschwankungen entkop-
pelt wird. Dieser Schattenhaushalt muss aufgelöst und in
den Bundeshaushalt überführt werden.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Der ist doch im 16er!)






Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)


Daher unterstützen wir diese Position im Antrag der
Kollegen von der SPD.

Meine Damen und Herren, wir wollen Transparenz
und finanzielle Solidität. Dafür ist die Koalition, die hier
regiert, aber nicht bekannt. Sie lieben offensichtlich
Schattenhaushalte und fürchten Transparenz wie der
Teufel das Weihwasser. Wir als Linke wollen die energe-
tische Revolution sozial gestalten. Wir wollen einen
Strompreisstopp. Wir wollen die Selbstbedienungsmen-
talität der Stromkonzerne beenden. Wir brauchen end-
lich wieder staatlich genehmigte Strompreise.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Jawohl! Ein Gespenst geht um in Europa!)


Aus diesem Energie-, Klima- und Sozialfonds wollen
wir eine Abwrackprämie für Stromfresser in privaten
Haushalten finanzieren. Wir glauben, dass es eine gute
Idee ist, 200 Euro Zuschuss für den Ersatz von zehn
Jahre alten Geräten zu geben. Das würde nämlich den
privaten Stromverbrauch spürbar senken.

Meine Damen und Herren, wir brauchen auch mehr
Geld für soziale, finanzierbare Gebäudesanierungen.


(Beifall bei der LINKEN)


Da reichen 1,5 Milliarden Euro nicht aus; 5 Milliarden
Euro sind realistisch. Als Haushälterin habe ich natürlich
belastbare Deckungsvorschläge. Diese Bundesregierung
subventioniert stromfressende Industrien mit 16 Milliar-
den Euro. Ich bin davon überzeugt, dass man diese Sub-
ventionen, ohne einen einzigen Arbeitsplatz zu gefähr-
den, schrittweise abbauen kann.

Zum Schluss, meine Damen und Herren: Am besten
ist es, wenn die Bürgerinnen und Bürger die Energiefrage
in die eigene Hand nehmen. Hier, in meiner Heimatstadt
Berlin, läuft im Augenblick ein Volksbegehren zur Schaf-
fung eines kommunalen Energieunternehmens für erneu-
erbare Energien. Ich glaube, dass das eine hervorragende
Idee ist. Ich schlage allen Berlinerinnen und Berlinern
vor, sich diesem Volksbegehren anzuschließen. Wer noch
nicht unterschrieben hat, sollte es tun. Man findet es im
Internet unter www.berliner-energietisch.net.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722616600

Das Wort hat der Kollege Sven Kindler für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Wir sehen am Energie- und Klimafonds, was
passiert, wenn man einen Schattenhaushalt gründet. Das
hat die Koalition 2010 gemacht.

Sie hat die Einnahmen aus den CO2-Zertifikaten in
diesen Fonds gespeist und seinen Umfang an diese ge-
koppelt. Das war übrigens nichts Neues. Das war vorher
im ordentlichen Bundeshaushalt und stand im Einzel-
plan 16, dem Einzelplan für Umwelt. Das heißt, man

kann es auch im ordentlichen Haushalt organisieren; das
war keine neue Erfindung von Ihnen.

Wir haben damals schon gesagt: Das ist eine riesige
Mogelpackung. Das funktioniert nicht. Sie haben nicht
die Deckung im Gesamthaushalt, und Sie haben mit viel
zu hohen Preisen gerechnet. Sie haben erst mit 17 Euro
gerechnet. Für 2013 haben Sie dann mit 10 Euro gerech-
net, obwohl der Preis 2012 nie bei 10 Euro lag. Im
Durchschnitt lag er bei 7,50 Euro. Jetzt liegt er bei 4 bis
5 Euro. Das heißt, Ihnen fehlt, wenn das so bleibt, 1 Mil-
liarde Euro – 1 Milliarde von 2 Milliarden Euro. Diese
1 Milliarde Euro ist schon aus Vorjahren rechtlich ge-
bunden. Das heißt: Wenn sich nichts ändert, gibt es
de facto einen Förderstopp für neue Programme. Das
zeigt ganz deutlich: Sie fahren die Finanzierung der
Energiewende voll gegen die Wand, und das bewusst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das hat mit Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit
nichts zu tun. Das ist keine seriöse Haushaltspolitik. Das
ist aber auch schlechte Umweltpolitik und schlechte
Energiepolitik. Am Energie- und Klimafonds wird nicht
nur deutlich, welche handwerklichen Fehler Sie machen,
indem Sie grottenschlecht agieren und zeigen, dass Sie
es technisch einfach nicht können, sondern auch, dass
Sie – und das ist das Hauptproblem – es nicht wollen.
Sie haben nicht den Willen zur Energiewende. Sie haben
die Energiewende nicht verstanden. Ein Teil Ihrer Koali-
tion hat der Energiewende im Zuge des Atomausstiegs
nur mit der Faust in der Tasche zugestimmt und versucht
jetzt, die Zeit wieder zurückzudrehen.

Was sagen Sie und was machen Sie eigentlich?

Sie als Bundesregierung sagen: Wir legen zusätzliche
Programme im Rahmen des Energie- und Klimafonds
auf. Was machen Sie? Sie kürzen Programme im Haus-
halt, und Sie kürzen Programme im Energie- und Klima-
fonds.

Sie sagen: Wir wollen eine Strompreisbremse. Was
machen Sie konkret? Sie vergeben Milliardensubventio-
nen an die Großindustrie und kürzen rückwirkend bei er-
neuerbaren Energien.

Sie sagen: Wir wollen eine Energiewende. Und was
machen Sie? Sie machen Lobbypolitik für die großen
Stromkonzerne. Ihre Reden sind nichts als Wahlkampf-
taktik, weil Sie nämlich in Wahrheit Energiepolitik für
die großen Konzerne machen. Sie machen schwarz-
gelbe Klientelpolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE] – Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ein Schwachsinn!)


Jetzt zum Emissionshandel. Da könnten Sie einmal
handeln. Der Emissionshandel liegt am Boden, obwohl
der Ausstoß von Klimagasen in Deutschland 2012 ge-
stiegen ist, und zwar – das Umweltbundesamt hat diese
Zahl gerade veröffentlicht – um 1,6 Prozent. Der Präsi-
dent des Umweltbundesamtes hat sich wie der Umwelt-
ausschuss des Europäischen Parlaments zu Recht dafür





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)


ausgesprochen, Backloading zu praktizieren, das heißt,
Emissionszertifikate ans Ende der Periode zu verschie-
ben. Das wäre laut Aussage des Präsidenten der erste
Schritt. Der zweite wäre, die Zertifikate völlig aus dem
Markt zu nehmen, weil nämlich der Markt nicht funktio-
niert. Man hat viel zu viele Ausnahmen geschaffen, viel
zu viele Schlupflöcher, zum Beispiel für sogenannte
CDMs in Schwellen- und Entwicklungsländern. Deshalb
gibt es keinen Anreiz für Unternehmen, energieeffizient
zu handeln, und der CO2-Zertifikatehandel liegt am Bo-
den.

Was macht jetzt diese Bundesregierung? Sie streitet
sich nur. Diese Woche gab es ein Ministertreffen aus vier
Ministerien: BMWi, BMU, Verkehrsministerium und Fi-
nanzministerium. Das Entwicklungsministerium war üb-
rigens überhaupt nicht dabei; es wird völlig außen vor
gelassen. Sie bekommen es nicht hin. Sie streiten sich
weiterhin. Aber man darf nicht vergessen: Die Kanzlerin
duckt sich wieder weg. Die Kanzlerin macht wieder
nichts. Diese Kanzlerin ist eine Antiklimakanzlerin, weil
sie nichts macht. Wir haben in Norddeutschland ein
schönes Sprichwort dafür: Der Fisch stinkt vom Kopf.
So ist es auch bei dieser Bundesregierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)


– So ist es doch. – Merkel haut die Energiewende gegen
die Wand.

Wir als Grüne bieten eine Alternative. Wir wollen es
wieder ordentlich im Haushalt finanzieren. Wir wollen
Rechtssicherheit, Planungssicherheit und Investitionssi-
cherheit für die Klimaschutzprogramme, und wir wollen
dies durch den Abbau ökologisch schädlicher Subventio-
nen solide gegenfinanzieren. Es gibt 48 Milliarden Euro
ökologisch schädliche Subventionen, davon wollen wir
kurzfristig 8 Milliarden Euro abbauen. Am Beispiel des
Dienstwagenprivilegs kann man ganz gut sehen, dass
Sozialpolitik und Umweltpolitik gut zusammengehen.
Mit 9 Milliarden Euro wird nämlich die Anschaffung
schwerer Dienstwagen – das sind häufig CO2-Schleu-
dern und Spritschlucker – gefördert.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das sind die Polos von den Krankenschwestern!)


Wir wollen jedoch nicht, dass die Kassiererinnen und die
Krankenschwestern die Managerdienstwagen finanzie-
ren. Das ist sozial ungerecht und auch umweltpolitisch
falsch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es lässt sich konstatieren: Sie wollen die Energie-
wende nicht. Sie blockieren sie, wo Sie können. Das
zeigt sich auch am Energie- und Klimafonds. Für eine
funktionierende Energiewende, für eine sozial gerechte
und ökologische Energiewende ist ein Regierungswech-
sel notwendig. Dafür streiten wir im Herbst 2013.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE] – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Bis dann ist die gelaufen, bis ihr anfangt, zu streiten!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722616700

Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Willsch für die

Unionsfraktion.


Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1722616800

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kollegen! Ich bin ja ein unverbesserlicher
Optimist. Ich glaube auch an die erkenntnisfortschritts-
treibende Wirkung parlamentarischer Debatten, aber die-
ser Glaube hat heute einen schweren Rückschlag erlit-
ten.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Rede von Volkmar Klein, oder wann?)


Der Kollege Volkmar Klein und der Kollege Florian
Toncar haben so überzeugend und schlüssig dargelegt,


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


wie das Konzept dieser Regierung und dieser Mehrheit
im Parlament aussieht,


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind schon selbst am Grinsen!)


dass wir uns alle eigentlich den Gefallen hätten tun kön-
nen, die Debatte an diesem Punkt abzubrechen und nach
Hause zu fahren. Denn damit war alles gesagt, was zu
diesem Thema gesagt werden musste.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Es kommt noch ein Tagesordnungspunkt, Herr Willsch! – Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Sie müssen nicht neun Minuten reden, Herr Kollege!)


Aber den Grünen und Frau Lötzsch gefällt es, alles Mög-
liche zusammenzumischen, um für den Bürger mög-
lichst undurchschaubar eine bunte Mixtur von Themen
hier auf den Tisch zu legen, von denen das eine mit dem
anderen nichts zu tun hat und wodurch die Geister nur
verwirrt werden.

Ich will einmal versuchen, deutlich zu machen, wo-
rum es hier eigentlich geht. Nachdem wir übereinge-
kommen sind, dass der CO2-Aufwuchs gebremst werden
muss, haben wir uns in Kioto auf die Einhaltung gewis-
ser Klimaziele verständigt. Dann haben wir uns gefragt,
wie wir das am besten in einer marktgerechten Weise
machen, und uns darauf verständigt, einen Anfangsbe-
stand an CO2-Ausstoßrechten festzulegen und diesen
handelbar zu machen. Die Reduzierung von CO2-Aus-
stoß infolge technischer Fortschritte wird nun in der
Form vergütet, dass freie Zertifikate an andere Firmen,
die noch nicht so weit sind, verkauft werden können.
Das ist ein ausgesprochen ordentlicher und marktwirt-
schaftlicher Ansatz. Und Marktwirtschaft ist eben das,
was uns erfolgreich macht.





Klaus-Peter Willsch


(A) (C)



(D)(B)


Nun ist bisher von all den Kassandrarufen, die hier
ständig im Plenum von Ihnen zu vernehmen sind, nichts
Wirklichkeit geworden. Im vergangenen Jahr, in 2012,
ist es im EKF, im Energie- und Klimafonds, so gut ge-
laufen,


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was?)


dass 200 Millionen Euro Überschuss übrig geblieben
sind und Rücklagen für dieses Jahr gebildet werden
konnten.


(Lachen des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD] – Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist das! Die Zahlen lügen nicht, Herr Beckmeyer!)


Diese Zahlen sind Ihnen genauso zugänglich wie mir.
Vielleicht fehlt es Ihnen ein wenig an Deutungshoheit.


(Lachen des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD])


Das hat Ihr Beitrag, Herr Kollege Beckmeyer, jedenfalls
deutlich gemacht. Deshalb will ich es Ihnen hier noch
einmal erklären. Es besteht ja immer eine Chance, dass
man beim zweiten Mal besser zuhört als beim ersten
Mal.

Es gehört zum Wesen des Marktes, dass Preise – je
nach Angebot und Nachfrage – steigen und sinken. Nun
sind wir in der Situation, dass es außer in Deutschland in
nicht furchtbar vielen Ländern in Europa zurzeit gut
läuft. Eigentlich läuft es nur in Deutschland gut; die an-
deren sind in der Rezession. Man muss ökonomisch
nicht besonders vorgebildet sein, um vorauszusagen,
dass die Nachfrage nach solchen Ausstoßzertifikaten
nicht gerade steigt, wenn die industrielle Produktion
sinkt.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Warum rechnet die Bundesregierung denn dann mit 10 Euro?)


Das liegt eigentlich auf der Hand.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Aber das verstehen die nicht!)


Jetzt haben wir aber eine Welt, die komplex ist, und in
der wir nicht nur über ein Thema reden, sondern über
viele Themen. Schwarz-Gelb, die christlich-liberale
Mehrheit in diesem Hause, hat es sich vorgenommen,
die Schuldenbremse ernst zu nehmen, einen strukturell
ausgeglichenen Haushalt zu erreichen und endlich damit
Schluss zu machen, dass die gegenwärtige Generation
mehr verbraucht, als sie selbst erwirtschaftet, und damit
auf Kosten der nachfolgenden Generation lebt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Deshalb falsche Zahlen!)


Die Fondskonstruktion ist dafür genau richtig, weil sie
nämlich atmet. Wir können unabhängig von dem, was
wir mit dem EKF für Energie und Klimaschutz tun,


(Zuruf der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


unser Ziel des strukturellen Ausgleichs des Haushalts
weiterverfolgen. Und wir tun das mit großem Erfolg.
Das werden wir sehen, wenn wir im September den
Haushalt, den diese Bundesregierung vorlegen wird, hier

im Plenum diskutieren werden. Ich hoffe, Sie kommen
auch hinzu und nehmen sich die Zeit dafür; denn auch
das könnte ein Lernfortschritt für Sie bedeuten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn ein solcher Fonds geringere Einnahmen auf-
weist, dann muss man bei den Ausgaben eben auch ein
bisschen bremsen. Wir haben doch die Kioto-Ziele, die
zu erreichen wir international zugesagt haben, erreicht.
Deshalb müssen eben weitere Maßnahmen auf die fol-
genden Jahre verschoben werden. Wenn die Konjunktur
international wieder anzieht und dadurch die Rechte,
CO2 auszustoßen, teurer werden, sind auch wieder mehr
Möglichkeiten zur Förderung gegeben.

Bisher ist nichts abgewiesen worden. Alle Maßnah-
men, die angemeldet worden sind, sind auch durchfinan-
ziert worden. Insofern ist Ihr ganzes Geschrei in diesem
Zusammenhang völlig unangebracht. Es war unange-
bracht zu dem Zeitpunkt, als Sie den Antrag in den
Geschäftsgang gebracht haben, und es ist heute noch
genauso unangebracht.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht, was Sie da sagen!)


Nur lassen Sie uns doch zunächst einmal die weitere
Entwicklung der Zahlen abwarten.

Sie haben dann angesprochen, dass viele Ressorts be-
teiligt sind. Dazu muss ich Ihnen sagen: Die Multi-
ressortvorgehensweise, die dem Klimafonds zugrunde
liegt, ist genau die richtige. Wir wollen nämlich nicht
durch die einzelnen Fachpolitiken einzelne Interessen-
gruppen bedienen lassen, sondern wir wollen das Thema
als Querschnittsaufgabe angehen. Wir wollen, dass die
verschiedenen Fachbereiche interdisziplinär zusammen-
arbeiten, um die besten Lösungen nach vorne zu bringen
und zu fördern. Wir wollen kein Töpfchendenken und
kein Ressortdenken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Ohne Geld!)


– Auch Ihre Zwischenrufe bringen leider nicht zutage,
dass Sie den Kollegen Volkmar Klein und Florian
Toncar zugehört und etwas von der Sache verstanden
hätten, sondern Sie belegen einmal mehr, dass es Ihnen
hier nur darum geht, ein bisschen Geschrei aufzuführen.

Wenn es denn wirklich so wäre – dies will ich noch
einmal unterstreichen –, dass Sie Luft für alle möglichen
neuen Projekte schaffen wollten, dann hätten Sie doch
Luft schaffen können; und das können Sie immer noch
im Bundesrat. Was ist denn mit den 1,5 Milliarden Euro
für energetische Gebäudesanierung?


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht hier um den Bundeshaushalt, nicht den Bundesrat!)


Warum blockieren Sie das? Warum geben Sie das Geld
nicht frei? Damit hätten wir dann wirklich Luft für an-
dere Maßnahmen geschaffen,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche denn?)






Klaus-Peter Willsch


(A) (C)



(D)(B)


wenn denn welche da sind. Sie können doch nicht eine
beliebige Menge Geld in den Raum stellen und sagen:
Jetzt erfinden wir die Welt neu. – Das muss ingenieur-
mäßig und wissenschaftlich abgearbeitet werden. Inso-
weit sind wir da auf einem sehr guten Weg.

Ich möchte Ihnen auch zu all Ihren Überlegungen,
hier weiter zu verteuern und auf eine Übererfüllung von
eingegangenen Zielen zuzusteuern, zu denken geben, ob
das zusammenpasst mit Ihrem Verhalten auf sonstigen
Politikfeldern. Sie sind ja sehr engagiert bei dem Thema,
dass wir eine Null-Zins-Politik brauchen und dass wir
den Ländern, die überschuldet sind, die Zinsen nach un-
ten subventionieren sollen. Das wollen Sie dann wieder
konterkarieren, indem Sie denen die Energie verteuern.
Ich weiß nicht, ob es das richtige Rezept ist, in der Re-
zession Produktionsfaktoren willkürlich zu verteuern.


(Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir sollten den Ländern, die aus dem Tal herauskommen
und aufholen müssen, die Gelegenheit lassen, dies bei
günstigen Zertifikatspreisen zu tun, statt ihnen ein Zu-
satzpäckchen auf die Schulter zu legen, was es ihnen nur
schwerer machen würde, aus der Krise herauszukom-
men.

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Die
Politik, die die christlich-liberale Koalition mit dem
Energie- und Klimafonds auf den Weg gebracht hat, ist
gut. Sie ist die richtige, weil sie dieses Thema entkoppelt
von der Generationenaufgabe, endlich ausgeglichene
Haushalte zu erzielen, und sie wirkt. Alles, was wir bis-
her sagen können, ist: Wir haben die Klimaverpflichtun-
gen eingehalten. Es gibt keine Anträge, die wir nicht be-
dient haben. Wir haben sogar Überschüsse gebildet.
Lassen Sie uns jetzt frohgemut ins Jahr 2013 gehen, das
im Übrigen auch dem Bürger die Chance gibt, über diese
Politik abzustimmen. Ich freue mich auf diese Abstim-
mung. Ich glaube nämlich, dass sich unsere Politik sehen
lassen kann.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722616900

Das Wort hat die Kollegin Dr. Bärbel Kofler für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1722617000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr
Willsch, ich würde gerne frohgemut ins Jahr 2013 ge-
hen. Aber, mit Verlaub: Wir befinden uns schon seit zwei
Monaten im Jahr 2013, und genau das ist das Problem,
wenn es um den Energie- und Klimafonds geht. Sie stel-
len sich hierhin und tun so, als sei alles kein Problem
und als sei alles finanziert. Die einzige Frage, die die
Koalitionsfraktionen, die Regierung und Sie als Haus-
hälter beantworten müssen, lautet doch: Woher kommt
das Geld für die von Ihnen in den Wirtschaftsplan einge-

stellten Projekte? Woher nehmen, wenn nicht stehlen?
Darauf gibt diese Regierung seit einem Jahr keine Ant-
wort.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Florian Toncar [FDP]: Darauf gibt dieser Antrag keine Antwort!)


Ich kann Ihnen vorlesen, wie sich die Regierung dazu
äußert; vor einem Dreivierteljahr habe ich diese Frage
nämlich gestellt. Kollege Beckmeyer hat ja schon ge-
sagt, wie sich die Zertifikatspreise entwickelt haben. Im
letzten Jahr lagen die Preise bei durchschnittlich
7,50 Euro. Im Juli des letzten Jahres fragte ich die Re-
gierung, welche Erkenntnisse sie dazu hat, was getan
werden muss, um im Durchschnitt des Jahres 2013 auf
einen Preis von 10 Euro zu kommen. Vom Bundesum-
weltministerium bekam ich die Antwort: Es liegen uns
keine konkreten Berechnungsgrundlagen vor. Aber wir
beobachten den Markt. – Ist das, was Sie gerade machen,
Marktbeobachtung? Anfang dieses Jahres lag der Zertifi-
katepreis bei 2,80 Euro, und derzeit liegt er zwischen
4 und 5 Euro. Einen Preis von 10 Euro werden wir in
diesem Jahr aber leider nie im Leben erreichen. Vor die-
sem Hintergrund müssen Sie die Frage beantworten:
Woher kommt das Geld für die Projekte? Oder seien Sie
so ehrlich und sagen Sie, wo Sie kürzen wollen. Das ist
die zweite Antwort, die Sie an dieser Stelle leider schul-
dig bleiben.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt komme ich auf einige Projekte zu sprechen; alle
aufzulisten, wäre ein bisschen viel. Fangen wir mit dem
Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Ener-
gien und mit der Nationalen Klimaschutzinitiative an.
Herr Klein, in unserem Antrag sind drei sehr ausführli-
che Punkte zur Internationalen Klimaschutzinitiative
enthalten. Als Entwicklungspolitikerin kann ich Ihnen
versichern: Darauf haben wir geachtet.

Weil man ja voneinander und miteinander lernen
kann, beginne ich mit der Situation bei uns in Deutsch-
land. Es wird groß getönt: Aus dem letzten Jahr sind
noch 200 Millionen Euro übrig, und alles ist ganz toll. –
Schauen wir uns an, was beim Marktanreizprogramm
passiert ist. Die im Umwelthaushalt für dieses Projekt
vorgesehenen Mittel wurden gesenkt. Ganz nebenbei:
Bei diesem Programm geht es darum, wie gerade die
kleinen Leute in unserem Land mehr zur Energieeffi-
zienz beitragen können, indem sie zum Beispiel Wärme-
pumpen oder Heizkessel austauschen und dadurch ihre
Heizkosten reduzieren. Hier geht es also um eine ganze
Menge sozial, ökologisch und ökonomisch wichtiger
Projekte. Der Wärmebereich ist für die Menschen in die-
sem Land nämlich ein großer Block. Aber was tun Sie?
Die entsprechenden Mittel im Einzelplan 16 werden ge-
senkt. In allen Haushaltsdebatten heißt es dann: Das
fließt ja alles in den EKF; das ist alles kein Problem.

Herr Willsch, in den Haushalt des EKF sind im letz-
ten Jahr 100 Millionen Euro eingestellt worden; das ist





Dr. Bärbel Kofler


(A) (C)



(D)(B)


das Soll 2012. Beim zugewiesenen Betrag 2012 ist ein
Strich zu finden. Auch beim Ist des Jahres 2012 ist beim
Marktanreizprogramm ein Strich zu finden. Im Rahmen
dieses wichtigen Programms wurde im letzten Jahr also
nichts finanziert. Wenn das so ist, dann können Sie sich
doch nicht hier hinstellen und sagen: Die Mittel sind
ausreichend; denn im letzten Jahr ist ja noch etwas Geld
übrig geblieben. – So doch wohl nicht!


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie der Abg. Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ähnliches gilt für die Nationale Klimaschutzinitia-
tive. Auch hier geht es um spannende Projekte, auch um
das Thema, das Ihr eigener Bundesumweltminister als
wichtiges Programm in seinen Zehn-Punkte-Plan aufge-
nommen hat: den Stromspar-Check. Mit dieser Aktion
kann man gerade einkommensschwache Haushalte dazu
bewegen, einen Beitrag zu mehr Energieeffizienz zu
leisten und sich energiesparende Geräte zuzulegen; man
kann also den Menschen helfen und etwas für die Um-
welt tun. Ihr eigener Minister sagt, das sei ein ganz tolles
Erfolgsprojekt; ich jedenfalls habe das immer so ver-
nommen, Herr Staatssekretär. Das sind die Mittel, die im
EKF eingestellt worden sind. Sie sind im letzten Jahr nur
zu einem Drittel abgerufen worden.

Dasselbe gilt für das Thema Kommunen. Sie wollen
soziale und kulturelle Einrichtungen beim Energiesparen
voranbringen, um von den Hallenbädern über die Schu-
len bis hin zur Straßenbeleuchtung zu mehr Energieeffi-
zienz zu kommen und mehr einzusparen.

Vom Ministerium ist permanent zu hören, dass das
ganz tolle Projekte sind. Darin gebe ich Ihnen zwar
recht. Aber warum werden diese Vorhaben nicht ordent-
lich finanziert und unterfüttert? Sie haben diese Punkte
doch selbst in den Wirtschaftsplan eingestellt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722617100

Kollegin Kofler, achten Sie bitte auf das Signal, und

kommen Sie zum Schluss.


Dr. Bärbel Kofler (SPD):
Rede ID: ID1722617200

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wer sind

die Gelackmeierten an dieser Stelle? Selbstverständlich
auch wieder die Kommunen.

Von einer Regierung kann man erwarten, dass sie die
Pläne, die sie selbst aufstellt, erfüllt oder, wenn sie sie
nicht erfüllen kann, sagt, wie sie es anders machen
möchte.

Auf all das haben wir von Ihnen keine Antwort ge-
kriegt. Darum ist es gut, wenn Sie ab September nicht
mehr regieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722617300

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag
der Fraktion der SPD mit dem Titel „Zukunft des ‚Ener-
gie- und Klimafonds‘ und der durch ihn finanzierten
Programme“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 17/10815, den An-
trag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/10088 ab-
zulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 40 auf:

Beratung der Antwort der Bundesregierung auf
die Große Anfrage der Abgeordneten Ingrid
Hönlinger, Markus Kurth, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Personenzentrierte und ganzheitliche Reform
des Betreuungsrechts

– Drucksachen 17/2376, 17/5323 –

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Markus Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1722617400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Wir reden über einen Rechtsbereich, der
potenziell Millionen von Menschen betrifft: das Betreu-
ungsrecht, das Recht auf rechtliche Assistenz und Unter-
stützung. In diesem Rechtsgebiet haben sich in der ver-
gangenen Zeit zwei große Trends oder Veränderungen
gezeigt.

Zum Ersten besteht seit dem Inkrafttreten der Men-
schenrechtskonvention der Vereinten Nationen über die
Rechte der Menschen mit Behinderungen ein Menschen-
recht auf gleiche Anerkennung vor dem Recht gemäß
Art. 12, ein Menschenrecht auf Zugang zur Justiz gemäß
Art. 13 und ein Menschenrecht auf Freiheit und Sicher-
heit der Person gemäß Art. 14.

Zum Zweiten wird es ganz unabhängig davon auf-
grund der demografischen und gesellschaftlichen Ent-
wicklung in Zukunft eine wachsende Zahl von Men-
schen geben, die auf Betreuung oder – so würde ich es
nach dem Diktum der UN-Konvention bezeichnen –
rechtliche Assistenz angewiesen sind.

Das bringt zum Dritten wahrscheinlich eine Debatte
über die finanziellen Belastungen für die Justizverwal-
tungen der Länder nach dem Betreuungsrecht mit sich.
Wir sollten uns aber darüber im Klaren sein, dass dies
stets nur ein Aspekt sein kann und dass es im Wesentli-
chen auf die individuellen Bedürfnisse der auf rechtliche





Markus Kurth


(A) (C)



(D)(B)


Betreuung Angewiesenen und auf die Qualität der Be-
treuungsleistung ankommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es mangelt der Bundesregierung nicht unbedingt an
Erkenntnissen. Im Gegenteil: Es gibt einen beachtlichen
Vorlauf an Arbeit, der nun eigentlich in ein Gesetzge-
bungsverfahren münden könnte. Es gibt die Beschlüsse
der Justizministerkonferenz aus den Jahren 2005 und
2009, eine Evaluation des Zweiten Betreuungsrechts-
änderungsgesetzes, und es gibt den sehr interessanten
Abschlussbericht der interdisziplinären Arbeitsgruppe
im Justizministerium. Was ist davon geblieben? Ein zar-
ter Versuch, auf die Debatte einzugehen: durch einen
Gesetzentwurf zur Stärkung der Betreuungsbehörden,
der aber nach massiver Kritik wieder in der Schublade
verschwunden ist.

Was schlagen wir, Bündnis 90/Die Grünen, vor? Wir
wollen zum einen den Aspekt der Erforderlichkeit – das
heißt auch: der Betreuungsvermeidung – betonen. Ich
meine, als Sozialpolitiker müssten wir den Blick sehr
viel stärker auf die Zusammenarbeit zwischen sozial-
politischen Akteuren und Sozialleistungsträgern auf der
einen Seite und der Justiz auf der anderen Seite richten.
Aus der Praxis wird mir vielfach zugetragen, dass auf-
grund mangelnder Beratungspflichten seitens der Sozial-
leistungsträger Anspruchsberechtigte, gerade auch Men-
schen mit Behinderungen, an der Situation verzweifeln
und sich sogar selber einen Betreuer suchen, um mit den
Behörden vernünftig kommunizieren und ihre Ansprü-
che durchsetzen zu können. Ich denke, dass der Aspekt
der interdisziplinären Zusammenarbeit viel zu wenig be-
rücksichtigt wird.

Wir machen den Vorschlag, diese Zusammenarbeit in
einem übergreifenden Fallmanagement – in Arbeitsgrup-
pen, in Betreuungsvereinen, in Betreuungsbehörden,
aber auch bei den Sozialleistungsträgern – zu institutio-
nalisieren, um den Bedürfnissen der Personen gerecht zu
werden und um im Vorfeld Betreuung in solchen Fällen
zu vermeiden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Trotz der Knappheit der Zeit möchte ich noch auf die
Arbeit der über 800 Betreuungsvereine hinweisen. Sie
sind es vielerorts, die wissen, wo es welche sozialen Hil-
fen gibt. Sie klären über Vorsorgevollmachten und Be-
treuungsverfügungen auf und gewinnen und beraten Eh-
renamtliche und bilden sie fort. Es ist besorgniserregend,
dass die Betreuungsvereine zunehmend in finanzielle
Schwierigkeiten geraten, weil ihnen die Mittel zur
Finanzierung von Querschnittsaufgaben wie der ehren-
amtlichen Betreuung gestrichen werden.

Die Berufsverbände stellen in ihrer verbandlichen
Praxis fest, dass Zahl und Ausmaß der grundrechtsrele-
vanten Eingriffe bei qualifizierten Betreuerinnen und
Betreuern wesentlich niedriger sind als bei weniger qua-
lifizierten Betreuerinnen und Betreuern. Aus diesem
Grunde sollten wir darüber nachdenken, gesetzliche
Mindestqualifikationen für Berufsbetreuer einzuführen,
insbesondere für anspruchsvolle Betreuung, und auch

auf Spezialisierung setzen. Wir brauchen eine vernünf-
tige Qualitätsdebatte, eine Querschnittsdebatte und eine
Debatte über die Zusammenarbeit in Arbeitsgemein-
schaften von sozialer Seite und Justiz. Ich glaube, das
sind wir den Menschen mit Unterstützungs- bzw. Assis-
tenzbedarf schuldig, aber auch den im Betreuungswesen
Tätigen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722617500

Das Wort hat die Kollegin Ute Granold für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1722617600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir beraten heute über eine Große Anfrage von Bünd-
nis 90/Die Grünen aus dem Jahr 2010, die 2011 von der
Bundesregierung beantwortet wurde, und über einen
Entschließungsantrag zum Betreuungsrecht. Ich möchte
an dieser Stelle erwähnen, dass wir genau vor acht Jah-
ren über das Zweite Gesetz zur Änderung des Betreu-
ungsrechts debattiert haben und es nach jahrelangen Be-
ratungen einstimmig beschlossen haben. Das war ein
guter Tag. Wir hoffen sehr, dass wir die Weiterentwick-
lung des Betreuungsrechts – das ist ein Anliegen von uns
allen – genauso einvernehmlich und gut auf den Weg
bringen werden. Deshalb hoffe ich auf eine gute Debatte.

Wir haben – das ist, denke ich, unbestritten – ein sehr
modernes Betreuungsrecht, mit das modernste in Eu-
ropa. Dieses gilt es fortzuentwickeln. Dabei ist darauf zu
achten, dass das Selbstbestimmungsrecht der Menschen
in unserem Land geachtet wird und die Möglichkeiten
einer rechtlichen Assistenz und einer Betreuung genau
abgewogen werden. Wir schauen, dass die Regelungen,
die wir treffen, am besten für die Menschen sind.

Das Gebot der Erforderlichkeit wurde gerade ange-
sprochen. Wir wollen zu einem maßgeschneiderten Kon-
zept kommen, bei dem die Bedürfnisse jedes einzelnen
Menschen – die Assistenz, die er braucht – mit entspre-
chenden Bausteinen erfüllt werden, bis hin – wenn es
nicht anders geht und die Erforderlichkeit da ist – zu ei-
ner kompletten rechtlichen Betreuung. Das selbstbe-
stimmte Leben eines Menschen ist uns sehr wichtig. Die
Aufgabe liegt bei uns, dieses Spannungsverhältnis zwi-
schen Selbstbestimmung auf der einen Seite und Für-
sorge durch den Staat auf der anderen Seite auszubalan-
cieren.

Wenn wir uns die Zahl der Betreuungen anschauen
– Sie haben es angesprochen, Herr Kollege Kurth –, se-
hen wir: Seit der letzten Gesetzesänderung im Jahr 2005
bis zum letzten Jahr ist die Zahl der Menschen, die auf
Betreuung angewiesen sind, von 1,2 auf 1,3 Millionen
Menschen gestiegen; diese Zahl steigt nicht zuletzt auf-
grund der demografischen Entwicklung stetig. Deshalb
müssen wir schauen, dass wir Regelungen für Qualität





Ute Granold


(A) (C)



(D)(B)


und Umfang der Betreuung finden, die auf die Menschen
zugeschnitten sind.

Für uns ist es wichtig, festzustellen, dass den Men-
schen, sofern sie volljährig sind und einer Betreuung
oder Begleitung bedürfen, Unterstützungsangebote an
die Hand gegeben werden, die unterhalb der Schwelle
einer rechtlichen Betreuung liegen und, falls nötig, stetig
gesteigert werden können. Ich denke, da liegen wir ganz
nahe beieinander. Wir sind auch der Auffassung, dass
diese Hilfestellung interdisziplinär erfolgen muss. Es
kann nicht sein, dass sie nur im Rechtsbereich erfolgt,
sondern es muss sie auch im Sozialbereich geben. Viele
Akteure müssen mitwirken, um den zu Betreuenden und
den Menschen, die einen Assistenzbedarf haben, eine
wirklich gute Hilfestellung zu geben.

Sie haben die Genese kurz aufgezeigt. Ich möchte
auch noch einmal darauf eingehen: Im Jahr 2005 erfolgte
die zweite Änderung des Betreuungsgesetzes. Danach
hat die zugesagte Evaluierung im Auftrag des Bundes-
justizministeriums stattgefunden. Es wurde ein Ab-
schlussbericht vom Institut für Sozialforschung und Ge-
sellschaftspraxis vorgelegt. Das war eine sehr breite und
längere Zeit andauernde Evaluierung bezüglich der
Frage, ob das Gesetz fortentwickelt werden muss und,
wenn ja, in welcher Weise. Die Ergebnisse mündeten
dann in eine interdisziplinäre Bund-Länder-Arbeits-
gruppe zum Betreuungsrecht – auch wieder unter Feder-
führung des BMJ –, die auch einen Bericht vorlegte. An
dieser Arbeitsgruppe – das sollten wir an dieser Stelle
nicht vergessen – haben Vertreter der Landesjustizver-
waltungen und Landessozialministerien verschiedener
Bundesländer, der Betreuungsbehörden, der Betreuungs-
vereine und des Deutschen Landkreistages sowie Richter
und Rechtspfleger teilgenommen. Das war also wirklich
eine breit aufgestellte Gruppe. Die Aufgaben waren ganz
klar gestellt: Analyse der Ergebnisse der Evaluation und
der Ergebnisse der Landesjustizministerkonferenzen in
den Jahren 2005 und 2009 sowie Verbesserungen im
Hinblick auf die UN-Behindertenrechtskonvention.

Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe wurden im Ok-
tober 2011 in einem Abschlussbericht veröffentlicht. Da-
rin wurde die Empfehlung ausgesprochen, dass das der-
zeitige System der rechtlichen Betreuung in Ordnung ist
und beibehalten werden soll. Hier bestand Konsens. Au-
ßerdem bestand Konsens, dass der Bund aufgefordert
wird, Neuregelungen zu treffen, sofern der Bundesge-
setzgeber die Gesetzgebungskompetenz hat, zum Bei-
spiel im Bereich des Behördenbetreuungsgesetzes und
des Familienverfahrensgesetzes. Die Herbstkonferenz
der Justizminister hat dann dem Ministerium konkrete
Arbeitsempfehlungen erteilt, und ein Referentenentwurf
– Sie haben es erwähnt – wurde zur Abstimmung an die
Länder gegeben. Mittlerweile liegt ein abgestimmter Ge-
setzentwurf im Kabinett, der dort in der nächsten Woche
behandelt wird. Ich denke deshalb, dass wir uns in Kürze
ohnehin wieder mit diesem Gesetzentwurf befassen wer-
den.

Es sind aber weitere Vorschläge aus der Arbeits-
gruppe an uns herangetragen worden, die nicht das Bun-
desgesetz betreffen, sondern bei denen es um unterge-

setzliche Maßnahmen geht. Diese betreffen natürlich die
Betreuungsgerichte und die Betreuungsbehörden, aber
auch die Betreuungsvereine. Auch das muss in einem
Gesamtkonzept umgesetzt werden.

Die Vorschläge des Bundesgesetzgebers allein rei-
chen hier natürlich nicht aus – hier gebe ich Ihnen recht
–, sondern die gesamten Ergebnisse der Arbeitsgruppe
müssen berücksichtigt werden. Dies muss immer vor
dem Hintergrund geschehen, dass die Eingriffe in das
Selbstbestimmungsrecht der Menschen so gering wie
möglich ausfallen. Hierin sind wir uns ja einig. Wenn es
erforderlich ist, müssen aber alle notwendigen Maßnah-
men getroffen werden – bis hin zu einer kompletten
rechtlichen Betreuung mit allen Möglichkeiten und Er-
fordernissen, die sich aus einer solchen Betreuung erge-
ben. Ob es um die Gesundheitsfürsorge, die Vermögens-
fürsorge oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht geht, all
das muss hier umfasst sein.


(Zuruf von der SPD: Wieso „oder“?)


– Ich sage deshalb „oder“, weil es unser Anliegen ist,
dass die Menschen die Bausteine als Hilfe für die Be-
gleitung in ihrem Leben erhalten, die sie benötigen. Hier
gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wenn jemand zwar
eine Gesundheitsbetreuung benötigt, sein Aufenthaltsbe-
stimmungsrecht aber noch selbst wahrnehmen kann,
dann steht Letzteres auch nicht zur Diskussion. Wir soll-
ten doch bei der Sache bleiben. Ich glaube, Polemik ist
bei diesem Thema ohnehin nicht angesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gabriele Molitor [FDP])


Die vorgelagerten Systeme in diesem Bereich be-
inhalten Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmachten
und Begleitung durch Vertreter anderer Disziplinen. Es
ist für uns ganz wichtig, dass wir diese Bereiche stärken,
um möglichst von einer Berufsbetreuung wegzukom-
men. Die Zahl der Berufsbetreuer steigt bislang stetig.
Es war damals unser Petitum, die ehrenamtliche Betreu-
ung durch die Betreuungsvereine zu stärken. Wenn es
hier einen Finanzierungsbedarf gibt – auf das Thema Fi-
nanzierung komme ich gleich zurück –, dann müssen wir
darauf unser Augenmerk richten. Ich bitte deshalb, bei
allen gemeinsamen Bestrebungen den Blick nicht nur
auf den unbedingten Sparwillen der Länder zu reduzie-
ren. Dieser ist unbestritten gegeben, aber hier stehen der
Schutz der Menschen und die Fürsorge des Staates und
nicht das Geld der Länder an erster Stelle. Das möchte
ich also bitte nicht darauf reduziert wissen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das Gesetz, das jetzt auf den Weg gebracht werden
soll, dient der Stärkung der Betreuungsbehörden. Dazu
gehört, dass wir die Aufgaben der Betreuungsbehörden
gesetzlich festlegen und dass beispielsweise die Betreu-
ungsbehörden – das steht dann im FamFG – vor einem
betreuungsgerichtlichen Verfahren angehört werden
müssen. Man ist schon im Vorfeld bemüht, kein Ge-
richtsverfahren durchzuführen, sondern unterschwellige
Maßnahmen zu ergreifen. Auch der Rahmen für die Be-





Ute Granold


(A) (C)



(D)(B)


richte, die die Betreuungsbehörden den Gerichten geben,
wird im Gesetz verankert. Es wird klar festgelegt, wie
strukturiert ein solcher Bericht sein muss, um eine Ent-
scheidungsgrundlage für das Betreuungs- bzw. Famili-
engericht, aber auch für Sachverständige zu sein, wenn
Gutachten eingeholt werden.

Dann ist es natürlich selbstverständlich, dass es eine
Kooperation zwischen dem Gericht und den anderen
Disziplinen gibt. Diese Kooperationspflicht soll auch
verankert werden.

Da sich die Betreuungsbehörden immer mehr mit
Vorsorgevollmachten befassen müssen – es war damals
unser Wunsch, als wir die Regelung getroffen haben,
dass für Vorsorgevollmachten geworben wird; das haben
wir alle auch getan; die Vorsorgevollmachten greifen –,
besteht natürlich Beratungsbedarf. Die Betreuungsbe-
hörden erbringen Leistungen, indem sie die Bevollmäch-
tigten beraten, wie mit Vorsorgevollmachten zum Bei-
spiel im medizinischen Bereich umzugehen ist. Hier
bedarf es einer exakten Beschreibung der Aufgaben der
Betreuungsbehörden, aber auch mehr finanzieller Res-
sourcen und Fachkräfte, die in der Lage sind, die Men-
schen, die aufgrund einer Vorsorgevollmacht vorstellig
werden, zu begleiten. Sonst würde das ganze System der
Vorsorgevollmacht, das wir alle wollten, überhaupt kei-
nen Sinn machen. All das ist Inhalt des Gesetzes, das
nun auf den Weg gebracht werden soll. Das, was Sie zu
Recht einfordern, ist also bereits aufgenommen.

Wir sollten aber auch daran denken, dass wir bereits
das eine oder andere auf den Weg gebracht haben, was
zum Teil mehr oder weniger erfolgreich war. Im Januar
haben wir eine Regelung nach der Vorgabe des BGH
verabschiedet unter der Maßgabe, dass diese Regelung
auch verfassungskonform ist. Wenn eine ärztliche Be-
handlung stattfinden soll, der zu Behandelnde aber nicht
einsichtig ist, dann hat der Betreuer die Aufgabe, zu ent-
scheiden. Die dafür notwendige gesetzliche Regelung
wurde auf den Weg gebracht. Das hat der Bundestag ent-
schieden. Damit haben wir hier einen Teil dessen, was
von der Arbeitsgruppe gefordert wurde, umgesetzt.

Leider hat es nicht funktioniert – das hätten wir gern
sehr schnell gemacht –, das Anliegen der Berufsbetreuer
aufzugreifen, die Vergütungssätze anzuheben. Schon bei
der ersten Beratung im Jahr 2005 hatten die Berufsbe-
treuer die finanzielle Ausstattung moniert. Wir hatten
eine Evaluierung zugesagt und wollten erreichen, dass
die Umsatzsteuerpflicht für Berufsbetreuer entfällt. Aber
leider Gottes ist dieses Anliegen, das wir alle unterstützt
haben und das im Jahressteuergesetz hätte geregelt wer-
den müssen, im Vermittlungsausschuss gekippt worden.
Das heißt, wir haben keine Verbesserung für die Berufs-
betreuer durchsetzen können. Wir wollen nun auf ande-
ren Wegen die finanzielle Ausstattung verbessern. Denn
wenn die Berufsbetreuer bzw. die Betreuungsbehörden
mehr Aufgaben erhalten, muss auch die finanzielle Aus-
stattung stimmen. Da müssen wir noch einmal nachjus-
tieren und sehen, welchen Weg die Koalition und viel-
leicht auch dieses Haus gehen kann, um hier relativ
zügig dem Anliegen Rechnung zu tragen und für eine
Verbesserung zu sorgen.

Wir haben also insgesamt noch einiges vor uns. Ich
hoffe, dass wir in dieser Legislaturperiode noch dazu
kommen, das Betreuungsrecht in den Punkten, die von
der interdisziplinären Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf-
gezeigt wurden, sowohl auf bundesgesetzlicher Ebene
als auch auf untergesetzlicher Ebene zu ändern. Damit
könnten wir für die Menschen einen maßgeschneiderten
Rahmen schaffen, von der Sozialassistenz bis hin zu ei-
ner kompletten rechtlichen Betreuung. Das Selbstbe-
stimmungsrecht des Menschen ist für uns unabdingbar.
Wir wollen als Gesetzgeber die notwendige Begleitung
geben und ein ähnlich gutes Ergebnis wie bei der letzten
Änderung erreichen. Kollege Stünker und Kollege Jerzy
Montag waren diejenigen, die damals als Berichterstatter
das in langen Verhandlungen auf einen guten Weg ge-
bracht und eine einstimmige Entscheidung zugunsten
der Menschen ermöglicht haben.

Nochmals: Das Betreuungsrecht in Deutschland ist
eines der modernsten in Europa. Es wird als gut empfun-
den. In diesem Sinne sollten wir weitermachen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722617700

Das Wort hat die Kollegin Sonja Steffen für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sonja Steffen (SPD):
Rede ID: ID1722617800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Band-
breite der gesetzlichen Betreuungsfälle ist vielfältig.
Herr Müller erkrankte mit 18 Jahren an einer Schizo-
phrenie. Frau Meier ist 21 und lebt seit zehn Jahren in ei-
nem Heim für mehrfach behinderte Menschen, und Herr
Fischer findet sich aufgrund einer fortgeschrittenen Al-
tersdemenz im Leben nicht mehr zurecht. – Drei Men-
schen, drei Schicksale, individuell und nicht zu verglei-
chen, und doch haben sie wahrscheinlich eines gemein:
Sie brauchen Unterstützung, um mit den Anforderungen
des Alltags fertigzuwerden. Das Amtsgericht muss für
sie einen Betreuer bestellen, der für sie Entscheidungen
in ihrem Sinne trifft. Das können Geldgeschäfte sein.
Das kann die Bestimmung des Aufenthaltsortes sein,
und das sind viele weitere Behördengänge.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat in einer
Großen Anfrage 50 Fragen zur Reform des Betreuungs-
rechtes gestellt. Ich bin ihr sehr dankbar dafür. Die Ant-
worten der Bundesregierung liegen vor und bieten uns
Anlass, darüber nachzudenken, ob und in welche Rich-
tung das Betreuungsrecht reformbedürftig ist.

Ich möchte hier einige Punkte dieser Großen Anfrage
aufgreifen. Dazu gehört für mich als Erstes das Wahl-
recht von Menschen mit Behinderungen. Gegenwärtig
ist es so: Ist für einen Menschen eine gesetzliche Betreu-
ung ausdrücklich für alle Angelegenheiten angeordnet,
entfällt nach unserem derzeitigen Bundeswahlgesetz das
Wahlrecht. Wir schließen damit eine sehr große Gruppe





Sonja Steffen


(A) (C)



(D)(B)


von Menschen von vornherein von der politischen Betei-
ligung aus.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist schlecht!)


Die Bundesregierung hat auf die Frage nach der Verein-
barkeit dieses Zustandes, die die Grünen gestellt hatten,
mit dem Verweis auf die UN-Behindertenrechtskonven-
tion nur ausweichend geantwortet.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


Aber Art. 29 der UN-Behindertenrechtskonvention sieht
vor, dass Menschen mit Behinderungen ihre politischen
Rechte, insbesondere das Wahlrecht, gleichberechtigt
mit anderen wahrnehmen können. Darüber hinaus ver-
pflichtet die Konvention die Vertragsstaaten, Menschen
mit Behinderungen im Bedarfsfall und auf Wunsch zu
erlauben, dass sie sich durch eine Person ihrer Wahl bei
der Stimmabgabe unterstützen lassen. Deshalb fordert
meine Fraktion in einem Antrag, dass hier eine Ände-
rung erfolgt.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Es ist nicht tragbar und mit der UN-Behindertenrechts-
konvention nicht vereinbar, dass Menschen mit be-
stimmten Behinderungen automatisch vom Wahlrecht
ausgeschlossen sind. Wir fordern, dass eine Betreuung
kein Ausschlussgrund für die Wahl sein darf und dass
die Unterstützung bei der Stimmabgabe für alle Men-
schen mit Behinderungen ermöglicht wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Ein weiterer Punkt, den ich hier ansprechen möchte
– er ist schon vorhin von meinen Vorrednern angespro-
chen worden –, betrifft andere Hilfen, vor allem zur Ver-
meidung einer gesetzlichen Betreuung. Wir haben es
schon gehört: Es ist leider so, dass die Betreuungszahlen
in Deutschland ständig steigen. Eine verbesserte soziale
Arbeit und gut vernetzte Strukturen können erheblich
dazu beitragen, in vielen Fällen eine Betreuung zu ver-
meiden. Denn die gerichtliche Anordnung einer rechtli-
chen Betreuung führt aufgrund der Vertretungsbefug-
nisse des rechtlichen Betreuers immer zu einem
schwerwiegenden Eingriff in die Autonomie eines er-
wachsenen Menschen. Die rechtliche Betreuung ist da-
her stets nachrangig gegenüber anderen, insbesondere
sozialen Hilfen.

Hier hat mein Bundesland, Mecklenburg-Vorpom-
mern, 2008 ein Projekt gestartet, von dem Sie wahr-
scheinlich schon gehört haben. Es trägt den Namen „Be-
treuungsoptimierung durch soziale Leistungen“. Die
Ergebnisse dieser Studie liegen vor. Sie zeigen zum ei-
nen zwar, dass man in der kurzen Zeit nachhaltige Er-
folge nicht erzielen konnte. Dies war allerdings aufgrund
der kurzen Dauer des Projektes, 2008 bis heute, auch
nicht zu erwarten.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Fünf Jahre!)


Andererseits kommt die Studie zu folgendem Ergebnis
– ich zitiere jetzt die CDU-Justizministerin in Mecklen-
burg-Vorpommern, Uta-Maria Kuder –:

Wir brauchen gut funktionierende Betreuungsbe-
hörden. Dazu müssen auch die bundesgesetzlichen
Rahmenbedingungen … verbessert werden.

Wir haben es schon gehört: Es liegt ein Referenten-
entwurf zur Stärkung der Funktion der Betreuungsbe-
hörde aus dem BMJ vor; auch Frau Granold hat vorhin
darauf hingewiesen. Allerdings muss ich Ihnen sagen:
Weitreichende Verbesserungen erhoffe ich mir hiervon
nicht; denn die Studie aus Mecklenburg-Vorpommern
hat weiterhin ergeben, dass der Abbau sozialer Dienste
völlig kontraproduktiv ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wissen es alle: In nahezu allen Sozialleistungsbe-
reichen bestehen gegenwärtig ein hoher Kostendruck
und ein Problem hinsichtlich der Zuständigkeiten. Zwi-
schen den Trägern findet aufgrund bestehender Überlas-
tung und aufgrund mangelnder Durchsicht durch die
Zersplitterung der Leistungsbereiche zu wenig Koopera-
tion statt. Die SPD-Fraktion fordert daher neben dem
Ausbau statt dem Abbau sozialer Dienste eine Revision
des SGB IX. Die Eingliederungshilfe, die bislang im
SGB XII untergebracht ist, gehört ins SGB IX. Damit er-
reichen wir eine einfachere Zuordnung und eine einfa-
chere Anwendung der verschiedenen Möglichkeiten der
sozialen Hilfen.


(Beifall des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dies hilft nicht nur den Betroffenen bei der Suche nach
Hilfe. Eine erleichterte Kooperation und eine auf Bera-
tung, Prävention und soziale Teilhabe zielende Politik
kann darüber hinaus Kosten in deutlicher Höhe sparen.

Die Behindertenbeauftragte der SPD-Fraktion, meine
Kollegin Silvia Schmidt, hat an anderer Stelle schon ein-
mal auf erfolgreiche Projekte hingewiesen. Ich verweise
auf das Bielefelder Modell und auf die Wohnberatung
des Kreises Unna. Durch eine gute Präventionsarbeit
konnten innerhalb von zwei Jahren 58 Heimeinweisun-
gen verhindert und damit Kosten von über 2 Millionen
Euro eingespart werden.

Meine Damen und Herren, ursprünglich hatte ich be-
absichtigt, an dieser Stelle weitere Ausführungen zum
Persönlichen Budget zu machen, weil mir das ein beson-
deres Anliegen ist. Ich versuche, in der Kürze der Zeit
darzustellen, was damit gemeint ist. Ich bin überzeugt
davon, dass die meisten Zuhörer auf der Tribüne gar
nicht wissen, was das ist. Das ist traurig, aber wahr.

Das war eine gut gemeinte Idee, die wir mit auf den
Weg gebracht haben. Das Persönliche Budget folgt dem
Prinzip: Geld statt Sachleistung. Es sollte aus Hilfeemp-
fängern eine Art Arbeitgeber machen. Was steckt dahin-
ter? Es war so gemeint, dass der Betreute das Persönli-
che Budget beispielsweise für Hilfen im Haushalt,
Behördengänge, Arztbesuche, Fahrdienste oder Kino-





Sonja Steffen


(A) (C)



(D)(B)


und Theaterbesuche verwenden kann. Leider ist aus die-
sem Projekt bislang noch viel zu wenig geworden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auf Ihre diesbezügliche Frage, meine Kollegen von
den Grünen, hat die Regierung nur geantwortet, dass es
in diesem Zusammenhang Gespräche zwischen dem
BMAS und dem BMJ gebe. Das ist uns viel zu dünn.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das letzte Thema, das ich hier noch kurz ansprechen
möchte, betrifft die Stellung der ehrenamtlichen Be-
treuer und der Berufsbetreuer. Frau Granold hat schon
darauf hingewiesen: Im System ist vorgesehen, dass die
ehrenamtlichen Betreuer Vorrang vor den Berufsbetreu-
ern haben. Man soll also erst versuchen, ehrenamtliche
Betreuer zu finden, bevor man auf die Berufsbetreuer
zurückgreift.

In der Praxis ist es so, dass rund 70 Prozent aller Be-
treuungen ehrenamtlich durchgeführt werden. Ich denke,
das ist auch gut so. Die meisten Betreuten wünschen sich
eine persönliche Betreuung von jemandem, der sie
kennt. Deshalb unterstützen wir dieses System nach wie
vor.

Andererseits darf es nicht so sein, dass man kategori-
siert nach dem Prinzip, dass ehrenamtliche Betreuer gut
und billig und Berufsbetreuer böse und teuer sind, han-
delt. Das ist keineswegs damit gemeint. Sicher ist es so,
dass sich die meisten Menschen eine Betreuung durch
einen Angehörigen wünschen. Es gibt aber auch Fälle
– das sind meistens die komplizierten Fälle –, bei denen
eine Berufsbetreuung erforderlich ist.

Ein Gegeneinander beider Gruppen wird schon
deshalb keine Zukunft haben können, weil die massive
Zunahme an Hilfsbedürftigkeit der Schwächsten der
Gesellschaft nach einer konzertierten Aktion verlangt.

Wir müssen überlegen, ob das gegenwärtige Vergü-
tungssystem für die Berufsbetreuer noch gerecht ist. Es
darf nämlich nicht sein, dass der tatsächliche Zeitauf-
wand, den Berufsbetreuer für die Betreuung benötigen,
in keinem Verhältnis zu dem pauschalierten Zeitbudget
steht. Insofern ist aus unserer Sicht eine weitere For-
schung dringend erforderlich mit dem Ziel, Kriterien für
eine mehr einzelfallbezogene Typologie der Bezahlung
zu erarbeiten.

In einem sind wir uns wahrscheinlich alle einig: Wer
ehrenamtlich eine Betreuung wahrnimmt, verdient un-
sere höchste Anerkennung. Darüber hinaus müssen die
Berufsbetreuer die Möglichkeit haben, jedem Betreuten
ohne Zeitdruck die notwendige Zuwendung zukommen
zu lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ganz zum Schluss möchte ich sagen, dass der Ent-
schließungsantrag der Grünen unsere Zustimmung fin-
den wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722617900

Das Wort hat die Kollegin Gabriele Molitor für die

FDP-Fraktion.


Gabriele Molitor (FDP):
Rede ID: ID1722618000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Steffen, Ihre Aussage, dass Menschen mit
Behinderung kein Wahlrecht haben, trifft nicht zu.


(Sonja Steffen [SPD]: Das habe ich auch nicht gesagt! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat sie auch nicht gesagt!)


Im Betreuungsrecht gibt es zwar eine Regelung, die
vorsieht, dass Menschen, die in allen drei festgelegten
Belangen unter Betreuung stehen, vom Wahlrecht ausge-
schlossen werden. Grundsätzlich haben Menschen mit
Behinderung in unserem Land aber das Wahlrecht.

Bevor ich in die Thematik einsteige, möchte ich Ihnen
einen Blog-Eintrag vorlesen:

Es ist einfach gut zu wissen, dass es jemanden gibt,
den man bei Problemen, z. B. mit Anträgen, anru-
fen kann oder der einen bei Behördengängen be-
gleitet. Ich finde es auch super, dass mir durch die
Betreuung nicht alles einfach nur abgenommen
wird, was mich wiederum in eine Art Abhängigkeit
treiben würde …

Diese Aussage stammt aus einem Internetforum zur
gesetzlichen Betreuung. Es wird deutlich, dass unser
Betreuungsrecht Menschen hilft, die aufgrund einer Be-
hinderung oder einer psychischen Erkrankung auf die
Unterstützung bei der Erledigung ihrer Angelegenheiten
angewiesen sind.

Menschen mit schwerer Demenz, Menschen im
Wachkoma, Menschen mit geistiger Behinderung oder
Menschen mit psychischen Erkrankungen brauchen Un-
terstützung – und das in unterschiedlichem Umfang.
1,3 Millionen Menschen stehen in Deutschland unter
Betreuung. Maßgeblich für eine Entscheidung, eine Be-
treuung zu verhängen, ist, ob eine Person aufgrund der
Behinderung oder Erkrankung die Angelegenheiten
selbst erledigen kann, ohne Gesundheit, Vermögen oder
andere Rechtsgüter zu gefährden. Eine bewusste Selbst-
schädigung eines Menschen hingegen wäre kein Grund
für eine Betreuung. Die Betreuung muss per Gerichts-
beschluss verhängt werden. Es muss auch darüber
entschieden werden, in welchen Aufgabenkreisen die
Betreuung erfolgen soll: Gesundheitssorge, Aufenthalts-
bestimmung, Vermögenssorge oder Wohnungsangele-
genheiten.

Drei Aspekte machen das Wesen des Betreuungsrech-
tes aus: erstens Schutz, zweitens Fürsorge und drittens
Selbstbestimmung. Dabei steht das persönliche Wohl-
ergehen der Menschen im Vordergrund. Angeordnet
werden soll die Betreuung nur dann, wenn sie wirklich
erforderlich ist.





Gabriele Molitor


(A) (C)



(D)(B)


Es ist bereits gesagt worden: Das deutsche Betreu-
ungsrecht ist im internationalen Vergleich sehr angese-
hen. Es gilt als modern, weil das Selbstbestimmungs-
recht an oberster Stelle steht, und es entspricht der UN-
Behindertenrechtskonvention.

Eine Beobachtung, die heute schon mehrfach geäu-
ßert worden ist, sollte uns nachdenklich machen: Das ist
die Erhöhung der Fallzahlen. Hier müssen wir schauen,
ob nicht durch den Einsatz von Beratung und Assistenz
etwas geleistet werden kann, was im Grunde den
gleichen Zweck erfüllt, nämlich die Menschen zu unter-
stützen.

An dieser Stelle hat die interdisziplinäre Arbeits-
gruppe zum Betreuungsrecht gute Arbeit geleistet.
Hieran war das Bundesjustizministerium maßgeblich
beteiligt. Es ging darum, wie das Betreuungsrecht wei-
terentwickelt werden kann und wo es verbessert werden
kann.

Im Abschlussbericht, der im Oktober 2011 vorgelegt
wurde, wird eine Verbesserung des Betreuungsrechtes an
der Schnittstelle zu anderen Hilfen für notwendig erach-
tet. Unser Sozialrecht ist derart kompliziert, dass es
mitunter nicht so einfach ist, sein Recht zu bekommen.
Also, die Handhabbarkeit ist sehr wichtig. Es muss
darum gehen, Unterstützung und Hilfsangebote für Men-
schen mit Behinderungen zu bekommen.

Wir wollen letzten Endes dafür sorgen, dass Men-
schen mit Behinderungen nicht im Dschungel der Behör-
den verloren gehen, sondern dass sie auch zu ihrem
Recht kommen können. Gleichzeitig warne ich aber
davor, die rechtliche Betreuung grundsätzlich infrage zu
stellen. Es geht nicht darum, Menschen mit hohem Un-
terstützungsbedarf zu diskriminieren, ihr Recht auf
Selbstbestimmung zu beschneiden oder ihnen ihre Frei-
heit zu rauben. Manche Menschen sind aufgrund von
Behinderung oder schwerer Erkrankung nicht oder kaum
in der Lage, Verantwortung für sich selbst zu überneh-
men. Diese Menschen dürfen wir nicht allein lassen.
Diese Menschen sehen in einer Betreuung keine Bevor-
mundung, sondern eine echte Hilfe.

Inklusion würde falsch verstanden, wenn notwendige
Hilfen und Unterstützungen abgelehnt werden. Inklusion
heißt, Menschen auch im Alltag und bei ihren persönli-
chen Angelegenheiten zu helfen. Deswegen habe ich hin
und wieder Probleme mit den Argumenten der Grünen.
Ich denke, dass das Betreuungsrecht sehr wohl in Ein-
klang mit der UN-Behindertenrechtskonvention steht.
Wir wollen erwirken, dass die Menschen Rechts- und
Handlungsfähigkeit haben. Der gesetzliche Betreuer
leistet hier eine wichtige Arbeit.

Ich schließe mich den Zielen und Vorschlägen der
Bundesjustizministerin an. Es ist wichtig, qualifizierte
Kriterien für den Bericht der Betreuungsbehörde gesetz-
lich festzulegen und die Aufgaben in einem Betreuungs-
behördengesetz zu konkretisieren. Es geht auch darum,
andere Hilfen als die gesetzliche Betreuung aufzuzeigen
und zu prüfen, inwiefern sie zur Umsetzung des Ziels
der Selbstbestimmung beitragen können. Ich bin mir si-
cher, dass das bald vorzulegende Gesetz zur Stärkung

der Funktion der Betreuungsbehörden genau diese
Punkte mit umfasst. Es geht darum, die Betreuung stän-
dig zu verbessern und fortzuentwickeln und zu einer
wirklichen Verbesserung für die Menschen mit Behinde-
rungen in unserem Land zu kommen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722618100

Das Wort hat der Kollege Dr. Ilja Seifert für die Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722618200

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Meine Damen und Herren! Beim Betreuungsrecht
geht es darum, wer ganz am Ende das Sagen hat: der
Helfer oder derjenige, dem geholfen werden soll?
Momentan ist es so, dass der Helfer das Sagen hat, also
vormundschaftlich. Auf Treu und Glauben oder gemein-
sam auf Augenhöhe? Das ist die Frage im Betreuungs-
recht.


(Beifall bei der LINKEN)


Es geht, so gesehen, um Sein oder Nichtsein der UN-
Behindertenrechtskonvention; die Art. 12 bis 14 sind
vom Kollegen Kurth schon genannt worden.

Es geht um 1,3 Millionen betroffene Menschen in
Deutschland, um eine Steigerungsrate an Betreuungs-
fällen von 110 Prozent innerhalb von 15 Jahren, um
rasant wachsende Betreuungszahlen unter Jugendlichen
und um zunehmende Beschwerden über die Betreuerin-
nen und Betreuer. Deshalb begrüßen wir euren Ent-
schließungsantrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen. Er stellt die regierungsamtliche Selbstge-
fälligkeit öffentlich auf den Prüfstand. Zitat:

Das deutsche Betreuungsrecht gilt als eines der mo-
dernsten Rechtsinstrumente dieser Art in Europa.

Das ist heute schon mehrfach gesagt worden. Das
stimmt, das mag ja sein. Aber es ist noch längst nicht auf
dem Stand der UN-Behindertenrechtskonvention.

Mit der Abschaffung der Vormundschaft, so heißt es
in der Antwort der Bundesregierung auf die vorliegende
Große Anfrage, sei die Regierung schon lange einen
Weg gegangen, auf dem jetzt die internationale Staaten-
gemeinschaft folgen wolle. Bedauerlicherweise ist das
Vormundschaftsrecht nicht abgeschafft, sondern nur ab-
gemildert worden.

Liest man die Antworten genauer, so zeigt sich, dass
die Worte „Vertretung“ und „Unterstützung“ synonym
verwendet werden, als läge in dieser Unterscheidung
nicht gerade ein Großteil des Problems.


(Beifall bei der LINKEN)


Wer vertreten wird, ist Objekt. Als Subjekt wird der
Mensch unterstützt, nicht aber vertreten.





Dr. Ilja Seifert


(A) (C)



(D)(B)


Fragen Sie doch einmal die Angehörigen sterbender
Eltern, die, mit ihrer Betreuungsvollmacht in der Hand,
entscheiden sollen, ob ihre Väter oder Mütter am Bett fi-
xiert werden dürfen oder nicht. Sie wissen nicht, ob sie
für ihre Eltern entscheiden. Sie wissen aber, dass sie
über ihre Eltern entscheiden, und quälen damit sich
selbst und die Eltern.

Oder ein nicht weniger krasses Beispiel: Ein Mensch
mit Behinderung, der dem Betreuungsrecht unterworfen
ist, darf nicht einmal selbst entscheiden, ob sie oder er
Mitglied eines Behindertenverbandes werden oder blei-
ben darf. Wenn dem Betreuer die 4 Euro Mitgliedsbei-
trag zu viel sind, bestimmt er vormundschaftlich, also
endgültig, dass die Mitgliedschaft in der eigenen Interes-
sen- oder Selbsthilfeorganisation unnötig sei. Das ist
Vormundschaftlichkeit und kein modernes assistierendes
Betreuungsrecht.

Mir scheint allerdings, der Entschließungsantrag
bleibt in einer grundlegenden Frage der Regierungslogik
verhaftet, wenn er die Betreuung und Assistenz weiter-
hin gleichwertig nebeneinanderstehen lässt. Reicht es
wirklich, nach Modellen rechtlicher Assistenz zu fra-
gen? Wir, die Linke, wollen ein Recht, das assistierende
Begleitung in den Mittelpunkt stellt und regelt und die
vormundschaftlichen Betreuungsmaßnahmen wirklich
ausschließt. Weniger Sanktionen, mehr rechtliche und
soziale Bildung. Darüber sind wir alle uns offensichtlich
einig. Diese Forderung des Entschließungsantrags unter-
stützen wir ausdrücklich. Wir meinen damit nicht nur die
Assistentinnen und Assistenten; auch Staatsanwälte,
Richter, Behörden und Sozialarbeiter gehören dazu.

Wir meinen aber auch, dass es dazu gehört, eine men-
schenrechtliche Grundlage zu bilden, das Recht zu ver-
einfachen sowie Beratungsstrukturen flächendeckend
und kostenfrei bereitzustellen. Angehörige und nahe
Freunde brauchen mehr Ressourcen, um flexibler beglei-

ten zu können. Dazu gehören auch Lohnausgleich und
Supervision, wann immer das erforderlich ist.

Die Linke forderte schon bei der Ratifizierung der
UN-Behindertenrechtskonvention, das Betreuungsrecht
erheblich zu ändern und von der Vormundschaft zu be-
freien. Betreut oder begleitet, vertreten oder unterstützt –
das ist ein grundlegender Unterschied in der Verfasstheit
eines Lebens.


(Beifall bei der LINKEN)


Hier steht nicht nur unser Menschenbild, sondern auch
unser Freiheitsverständnis auf dem Prüfstand. Es geht
um Partizipation und Emanzipation. Es geht darum, uns
selbst ernst zu nehmen, jede und jeden, jeden Tag.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1722618300

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 17/12539. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposi-
tionsfraktionen abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 13. März 2013, 13 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen alles
Gute.