Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Kabinettberichterstattung
Für den Bericht aus der Kabinettsitzung steht der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Herr Dr. Blüm, zur Verfügung. Ich erteile ihm das Wort für den Bericht.
— Ich höre soeben, daß es nun doch falsch ist. Ich bitte, künftig sicherzustellen, daß der Präsident des Deutschen Bundestages weiß, welcher Vertreter des Herrn Bundeskanzlers hier berichtet.
Für die Berichterstattung stehen offensichtlich beide Herren zur Verfügung. Herr Bundesminister der Verteidigung Wörner, ich erteile Ihnen zur Berichterstattung das Wort, und anschließend hat Herr Bundesminister Dr. Blüm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich berichte über zwei Gesetzentwürfe, die Gegenstand der Kabinettsberatungen waren. Erstens hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes beschlossen, wonach das Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz bis zum 31. Dezember 1990 unverändert weitergelten soll. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil die Übereinstimmung des Gesetzes mit dem Grundgesetz bestätigt. Aus einem Bericht des Bundesfamilienministers über die Erfahrung mit der Durchführung des Gesetzes ergibt sich, daß sich dieses Gesetz bewährt hat.Zweitens hat die Bundesregierung beschlossen, zur Sicherung der Landesverteidigung die Wehrgerechtigkeit durchgreifend zu verbessern und danach ab 1. Juli 1989 den Grundwehrdienst auf 18 Monate zu verlängern. Die Stärke unserer Streitkräfte bemißt sich nach der Bedrohung und nach ihren Aufgaben im Bündnis. Dazu gehört auch in den 90er Jahren die Erhaltung des Friedens in Freiheit, die Gewährleistung der politischen Handlungsfreiheit der Bundesrepublik Deutschland auch in einer Krise, die Vorneverteidigung, die Verstärkung der konventionellen Abwehrkraft, um die nukleare Schwelle anheben zu können.Wiederholte Untersuchungen seit 1981 haben ergeben, daß hierzu auch in den 90er Jahren ein Friedensumfang der Streitkräfte von 495 000 Soldaten erforderlich bleibt. Eine Verminderung des Umfangs unserer Streitkräfte hätte verhängnisvolle Auswirkungen im Bündnis sowie auf die Rüstungskontrollverhandlungen und würde die Fähigkeit zur Friedenssicherung einschneidend beeinträchtigen. Wir halten sie daher für unvertretbar. Als Folge des Geburtenrückgangs sinkt das Aufkommen an wehrdienstfähigen Männern Ende der 80er Jahre dramatisch ab. Geschähe nichts, würde die Zahl aktiver Soldaten Ende der 90er Jahre auf unter 300 000 sinken.Zur Sicherung des Friedensumfangs werden zunächst alle Maßnahmen ergriffen, das Potential an Wehrpflichtigen vollständig auszuschöpfen und damit die Wehrgerechtigkeit durchgreifend zu verbessern. Die Wehrdienstzeit darf für den einzelnen Wehrpflichtigen erst dann verlängert werden, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und die Belastungen gleichmäßig und gerecht alle treffen.
Daher werden vor dem 1. Juli 1989 im Bereich der Grundwehrdienstleistenden erstens die Anforderungs- und Tauglichkeitskriterien bis an die Grenzen dessen herabgesetzt, was ohne Gefährdung der Gesundheit unserer Wehrpflichtigen und der Funktionsfähigkeit der Streitkräfte zu verantworten ist, zweitens die Wehrdienstausnahmen und Einberufungshindernisse einschneidend verringert, drittens die Freistellungsquoten von Zivil- und Katastrophenschutz an das verringerte Aufkommen angepaßt. Viertens: Wehrpflichtige, die ohne Genehmigung des Kreiswehrersatzamtes den Geltungsbereich des Wehrpflichtgesetzes für länger als drei Monate verlassen, werden künftig nicht nur bis zum 28., sondern bis zum 32. Lebensjahr einberufen. Fünftens sollen auch Wehrpflichtige, die rechtmäßig ihren Wohnsitz im Ausland haben, sich jedoch tatsächlich für mehr als drei Monate im Inland aufhalten, zum Wehrdienst herangezogen werden. Dazu treten eine Reihe weiterer Maßnahmen, die
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12036 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 161. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Oktober 1985
Bundesminister Dr. Wörnerim Gesetzentwurf stehen, über die ich aber aus Zeitgründen im Augenblick nicht reden kann.Das Kabinett hat mich außerdem beauftragt, weitere Maßnahmen zur Verbesserung auch der materiellen Bedingungen der dann 18 Monate Dienenden zu prüfen und diese gegebenenfalls vorzuschlagen.Mit der Gesamtheit dieser Maßnahmen wird erreicht, daß künftig ein so hoher Anteil jedes Jahrgangs zum Grundwehrdienst herangezogen wird wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch reichen alle diese Maßnahmen nicht aus, um den Umfang unserer Streitkräfte in den 90er Jahren aufrechtzuerhalten. Daher muß zur Sicherung des Personalbestandes ab 1. Juli 1989 der Grundwehrdienst auf 18 Monate verlängert werden. Das hat der Bericht der noch von meinem Vorgänger 1981 eingesetzten Kommission für die Langzeitplanung der Bundeswehr nachgewiesen. Die von mir angeordneten Folgearbeiten haben das bestätigt. Die Bundesregierung wird mit den Bundesländern, insbesondere den Kultusministern, beraten, um sicherzustellen, daß Wehrpflichtige wegen der Verlängerung der Wehrdienstzeit keine zusätzlichen Nachteile erleiden. Wir sind fest entschlossen, das für unsere Sicherheit Notwendige rechtzeitig und ohne Rücksicht auf Wahltermine zu tun. Die Bundeswehr braucht eine sichere Planungsgrundlage, und die jungen Männer brauchen frühzeitig Klarheit. NATO und Warschauer Pakt müssen wissen, daß die Bundeswehr trotz der ungünstigen Personalsituation auch in den 90er Jahren ihren Auftrag zur Kriegsverhinderung und zur Landesverteidigung ungeschmälert erfüllen wird.
Zur Fortsetzung der Berichterstattung aus dem Kabinett hat das Wort der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich komme mit drei guten Nachrichten aus dem Kabinett.
Erstens. Das Kabinett hat heute den Entwurf einer Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz beschlossen. Das wird eine große Hilfe für die Arbeitslosen sein. Das Arbeitslosengeld für die älteren Arbeitslosen wird verlängert. Sie sind in der Regel auch durch längere Arbeitslosigkeit betroffen. Sie sind es auch, die in der Regel länger Beitrag gezahlt haben. Wer länger Beitrag gezahlt hat, wer 30 Jahre Beiträge gezahlt hat, der hat unserer Ansicht nach auch einen höheren Anspruch, länger Arbeitslosengeld zu erhalten.
Das stellt auch einen wichtigen Beitrag zur Entlastung der Sozialhilfe in jenen Kommunen dar, die durch Arbeitslosigkeit betroffen sind. Das ist ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt.Wir wollen die Qualifizierung der Arbeitslosen verbessern. Manche Vermittlung scheitert an Qualifikationsmängeln. Ich glaube, daß hier sowohl die Bundesanstalt wie die Betriebe große Aufgaben haben. Wir werden neue Instrumente auch finanziell fördern.Wir schlagen eine Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 0,1 % vor.Eine weitere gute Nachricht besonders für die Kumpels an Rhein und Ruhr: Die Fortführung des Hüttenvertrages ist gesichert.
Wir halten uns an unsere Zusage. Die Förderung und der Absatz der Kokskohle sind damit gesichert. Wir leisten damit auch einen Beitrag zur energiepolitischen Unabhängigkeit unseres Landes. Dieser Hüttenvertrag sichert auch die Bergleute. Eine wichtige Mitteilung: Anpassung ohne Entlassung. Wir stehen zu unserer Zusage.
Ich denke, daß die Fortsetzung dieses Hüttenvertrages auch ein Beitrag zur Stabilisierung der Kohlenreviere und der Regionen ist.Exportsubventionen werden abgebaut, und damit wird auch ein Beitrag zum Subventionsabbau geleistet.
— Der Export kann j a nicht der Sicherstellung der einheimischen Energie dienen, wenn ich das recht sehe.Einen weiteren Punkt möchte ich besonders herausstellen. Mit diesem Ergebnis wird ein Beispiel geliefert, daß man durch Kooperation weiter kommt als durch Konfrontation. Dieser Hüttenvertrag, diese Vereinbarung ist ein Beispiel für die Kooperation zwischen Bund und Ländern, allerdings auch ein Beispiel für die Zusammenarbeit der Sozialpartner. Ich glaube, die IG Bergbau hat mit diesem Modell ihrer Gewerkschaftspolitik auch ein Zeichen für andere gesetzt. Durch Zusammenarbeit erreicht man mehr für die Arbeitnehmer als durch Konfrontation.
Die dritte Nachricht ist unsere Stellungnahme zum Entwurf des Bundesrates in Sachen Vermögensbildung. Wir teilen mit dem Bundesrat die Einsicht, daß die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand gestärkt werden muß. Das ist — erstens — ein Beitrag zur Überwindung des Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit, eine Konkretisierung der partnerschaftlichen Ordnung. Zweitens werden neue Investoren zu den notwendigen Mehrinvestitionen veranlaßt. Drittens könnte dadurch ein Beitrag geleistet werden, Einkommenspolitik zu entkrampfen, von der Sackgasse einer reinen KonsumLohn-Politik wegzukommen. Viertens könnte ein Beitrag für eine Politik, die den wirtschaftlichen Aufschwung sichert, geleistet werden.Im Zusammenhang mit dem Entwurf des Bundesrates entstehen zwei Probleme. Erstens. Wie kann überbetriebliche Beteiligung sichergestellt
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Bundesminister Dr. Blümwerden? Die Bundesregierung legt dazu einen Gesetzentwurf zur Unternehmensbeteiligung vor, der Bundesrat empfiehlt neue Formen des Kapitalanlagevermögens mit Beteiligung-Sondervermögen. Es ergeben sich auf unserer Seite zur Zeit noch rechtliche Probleme und Bewertungsfragen, die noch nicht abschließend geklärt werden konnten. Dennoch bleibt es bei der Aufgabe, auch überbetriebliche Angebote im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Ordnung zu sichern.Der zweite Punkt ist, inwieweit jenes dritte Drittel der Förderung, nämlich der Betrag zwischen 624 DM und 936 DM, für alle Anlageformen eröffnet werden sollte. Wir bleiben dabei, daß der Akzent auf der Produktivkapitalbildung liegen sollte.
Das ist der eigentliche Durchbruch, das ist die strategische Bedeutung der Vermögensbildung. Wenn vom Bundesrat vorgeschlagen wird, zu diesem dritten Drittel auch Konten- und Versicherungssparen zuzulassen, sofern die Zinserträge für Beteiligungen genutzt werden, so möchte die Bundesregierung ihren Zweifel anmelden, ob der Verwaltungsaufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum erwünschten Ziel steht.So weit mein Bericht, Herr Präsident.
Kleine Damen und Herren, ich eröffne nun die Fragemöglichkeiten und schlage vor, wenn Sie damit einverstanden sind, daß wir zunächst den Bereich des Bundesministers der Verteidigung behandeln. Dazu liegen eine Reihe von Wortmeldungen vor. Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Würtz das Wort zu einer Frage.
Herr Bundesminister Dr. Wörner, Sie haben davon gesprochen, daß Sie einen Prüfauftrag für die materielle Besserstellung der Wehrpflichtigen erhalten haben. Sie kennen ja die derzeitige Situation, daß die Wehrpflichtigen, aber auch diejenigen, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sind, mit erheblichen finanziellen Einbußen ihren Dienst zu leisten haben. Deshalb meine Frage: Werden Sie auch bei diesem Prüfauftrag berücksichtigen, daß in Zukunft eine jährliche Anpassung des Wehrsoldes notwendig ist?
Dr. Wörner, Bundesminister: Herr Kollege Würtz, der Prüfungsauftrag umfaßt alle möglichen Überlegungen, auch die von Ihnen skizzierte. Ich kann mich aber, wie Sie verstehen werden, nicht vor dem Ergebnis der Prüfung auf eine Einzelheit festlegen.
Zu einer Frage der Abgeordnete Biehle.
Herr Bundesminister, ich frage Sie unter ausdrücklichem Dank für Ihre zielstrebige Klarstellung
hier vor dem Parlament und die Herausstellung der Priorität der Wehrgerechtigkeit zur Sicherung der Landesverteidigung: Werden Sie bei diesem Prüfungsauftrag, wie Sie eben angedeutet haben, alle Möglichkeiten untersuchen und bei der materiellen Sicherstellung der Wehrpflichtigen neben dem Wehrsold — wonach eben gefragt worden ist — unter Umständen auch Entlassungsgeld und Steuerfreibeträge für die Ableistung von 18 Monaten Wehrdienst einbeziehen?
Dr. Wörner, Bundesminister: Ja.
Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Kolbow.
Zunächst reizt es ja, Herr Präsident, meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem Selbstverständnis des Parlaments nach dem Selbstverständnis der Bundesregierung zu fragen, nachdem für ein jetzt zur Debatte stehendes und den Inhalt meiner Frage bildendes Gesetz
— kommt, schon, Herr Kollege Wimmer! — neuerdings die Unterstützung des Bundesarbeitsministers — ich weiß aber gar nicht, ob das bis zu Ihnen gedrungen ist — gebraucht wird. Es ist also die Konzeptionslosigkeit, die sich auch in diesem Gesetz offensichtlich wiederfindet.
Und deswegen möchte ich drei Punkte in Fragestellung gerne an Sie bringen, Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Abgeordneter, es gibt nur eine Frage. Bitte konzentrieren Sie sich auf eine Frage. So ist es vereinbart.
Offensichtlich ist es im Parlament noch umstritten, wie dieses Parlament, Herr Präsident, dieses Recht wahrnimmt. Ich möchte fragen — —
Herr Kollege, das ist nicht umstritten, sondern wir haben uns für diese Informationsstunde eine Geschäftsordnung gegeben. Ich bitte Sie, die zur Kenntnis zu nehmen.
Ich habe zwei Minuten Zeit, Herr Präsident, auf dieses Selbstverständnis — —
Sie haben natürlich zwei Minuten Zeit, aber zur Formulierung einer Frage.
Nein; auch zu Bemerkungen um diese Frage, die sich damit aus politischen Grundsätzen zu verbinden haben.
Ich möchte, wenn wir uns als Parlament ernst nehmen, darauf bestehen, diese Zeit auch mit Bemerkungen in Anspruch nehmen zu dürfen.
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12038 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 161. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Oktober 1985
KolbowDenn sonst können wir nach diesen Informationen nach Hause gehen.
Herr Kollege, ich bitte um Nachsicht, daß ich Sie unterbreche. Es ist nicht bestritten, daß Sie für eine Informationsfrage bis zu zwei Minuten Zeit haben, also die Frage erläutern können. Aber was ich gerügt habe, ist, daß Sie gesagt haben, Sie können drei Fragen stellen. Wir haben vereinbart: Es wird eine Frage gestellt, für jeden Kollegen. Fahren Sie fort!
Herr Präsident, es ist ungebührlich und wird mir sicher nicht auf die Redezeit angerechnet, daß ich nicht „drei Fragen", sondern „drei Punkte in einer Frage" gesagt habe.
Welche sachlichen Notwendigkeiten, Herr Bundesminister der Verteidigung, sehen Sie, im Oktober 1985 die gesetzliche Grundlage für eine Entscheidung zu schaffen, die Mitte 1989 wirksam werden soll, nachdem Sie in Ihren Ausführungen vor diesem Hohen Hause erklärt haben, daß, wenn keine anderen Maßnahmen nützen, diese Wehrpflichtverlängerung das letzte Mittel sein soll?
Ich frage Sie weiter — —
Herr Abgeordneter, Sie haben nur eine Frage. Ich lasse die Frage nicht zu. Zur Antwort der Herr Bundesminister der Verteidigung.
— Zur Antwort der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Dr. Wörner, Bundesminister: Herr Kollege Kolbow, es gibt dafür drei Gründe.
Punkt 1: Das Bündnis kennt unsere Personalprobleme spätestens seit der Veröffentlichung des Berichts der Langzeitkommission und fragt nicht nur die Bundesregierung, sondern auch das Parlament, wie dieses Parlament und diese Bundesregierung die Personalprobleme der Bundeswehr lösen.
Zweiter Punkt: Wir brauchen Klarheit in der Bundeswehrplanung. Das wissen Sie aus unseren Beratungen im Verteidigungsausschuß.
Dritter Punkt: Da das in die Lebensplanung junger Menschen eingreift, ist es notwendig, rechtzeitig Aufschluß darüber zu haben.
Und ich erinnere Sie daran, lieber und verehrter Herr Kollege Kolbow, wenn ich das etwas ironisch sagen darf, daß diese Opposition ein Jahr meiner Dienstzeit damit verbracht hat, uns vorzuwerfen,
wir hätten noch keine Bundeswehrplanung vorgelegt. Es mutet mich deswegen merkwürdig an, wenn Sie jetzt die Frage stellen, warum wir sie vorgelegt haben, und zwar rechtzeitig.
Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Wimmer.
Herr Bundesminister, können Sie das Hohe Haus darüber unterrichten, wie die Position Ihres Amtsvorgängers in der Frage der Verlängerung der Wehrdienstdauer gewesen ist und welche Einlassungen Ihr Amtsvorgänger gemacht hat, als es darum ging, Mitte der 70er Jahre die Wehrdienstdauer von 18 auf 15 Monate zu reduzieren?
Dr. Wörner, Bundesminister: Herr Kollege Wimmer, mein Amtsvorgänger, der sich im übrigen hier befindet, hat bei der Veröffentlichung und Vorstellung des Berichts der Langzeitkommission folgendes zum Ausdruck gebracht: Der Grundwehrdienst wird verlängert werden müssen; das Gesetzgebungsverfahren wird Mitte der 80er Jahre einzuleiten sein; es ist dafür zu sorgen, daß durch geeignete Information der Öffentlichkeit, besonders der betroffenen Altersgruppen, die Einsicht in diese gravierende, aber unumgängliche Maßnahme gefördert wird.
Zu einer Frage Herr Abgeordneter Schierholz.
Herr Minister Wörner, können Sie uns und die Öffentlichkeit über Ihren Bericht hinaus einmal detailliert über die Gründe informieren, warum die der FDP angehörenden Bundesminister, die gestern abend noch die Position einer Zivildienstdauer von 23 Monaten vertreten haben, heute morgen im Kabinett umgefallen sind? Und darf ich die Tatsache, daß das KDV-NG jetzt ein weiteres Mal, bis 1990, verlängert wird, als eine vorsichtige Angleichung an unsere Position verstehen, daß dieses begrenzte Gesetz schon immer ein schlechtes Gesetz war?Dr. Wörner, Bundesminister: Die zweite Frage beantworte ich mit einem klaren Nein. Von einer Anpassung an Ihre Position kann keine Rede sein. Soweit ich Ihre Position verstanden habe, haben Sie dieses Gesetz immer attackiert. Wir meinen, es hat sich bewährt, und werden es deswegen verlängern.Was Ihre erste Frage betrifft, Herr Kollege, so weise ich entschieden den Vorwurf zurück, Kabinettskollegen aus der Fraktion der FDP seien umgefallen.
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Bundesminister Dr. WörnerDie Meinungsbildung im Kabinett war eindeutig und einhellig.
Zu einer Frage Herr Abgeordneter Klejdzinski.
Herr Minister, Sie haben vorhin die Verlängerung damit begründet, daß Sie die Soldaten brauchen. Wenn ich richtig rechne, bekommen Sie 42 000. Wenn ich aber weiter nachrechne, was Sie inhaltlich ausgeführt haben zu der Frage, weshalb Sie sie haben müssen, dann komme ich zu dem Ergebnis, daß Ihnen 75 000 fehlen. Dazu haben Sie in Ihrem Redebeitrag erklärt, daß Sie die Tauglichkeitskriterien verändern wollen, daß Sie mehr Zeitsoldaten gewinnen wollen, daß Sie auch Kranke einziehen wollen usw. Daran knüpft sich meine Frage an: Haben Sie die Möglichkeiten, die hier so einfach genannt werden, bisher wirklich prüfen können? Kann man das Strukturproblem der Bundeswehr auf diese Weise lösen? Oder handelt es sich lediglich um eine Annahme, die letztlich in keiner Weise inhaltlich zu begründen ist? Dies frage ich insbesondere, wenn ich daran denke, mit welcher Nadel Sie das im einzelnen gestrickt haben.
Dr. Wörner, Bundesminister: Herr Kollege Klejdzinski, unsere Berechnungen beruhen auf eindeutigen Zahlen. Sie sind nachprüfbar. Wir werden im Verteidigungsausschuß sicher Gelegenheit haben, darüber im einzelnen zu reden.
Zu einer Frage Herr Abgeordneter Petersen.
Herr Minister, für die Durchführung Ihrer Pläne und die Sicherung der Zahlenstärke der Bundeswehr werden in Zukunft die Reservisten eine wesentlich größere Rolle spielen. Können Sie uns etwas über die vorgesehene Zahl der Reservistenplätze und über die Weiterentwicklung der Reservistenkonzeption sagen?
Dr. Wörner, Bundesminister: Es ist richtig, daß wir die Zahl der Wehrübungsplätze weiter steigern müssen. Im Augenblick haben wir 6 000. Im nächsten Jahr werden es 8 000 sein. Die Steigerung geht bis zu 15 000 im Jahr 1995.
Das bedeutet, daß die Reservisten noch größere Bedeutung für die Bundeswehr erhalten. Wir tragen dem durch ein Reservistenkonzept Rechnung, das wir wesentlich verbessern. Wir werden überdies die Verlängerung der Grundwehrdienstzeit um drei Monate nützen, um in diesen drei Monaten die Reservisten für ihre spätere Tätigkeit als Reservisten auszubilden.
Zu einer Frage Frau Abgeordnete Hamm-Brücher.
Herr Bundesminister, nachdem die Verlängerung der Wehrpflicht für die Betroffenen auch hinsichtlich der Planung von Ausbildung und Studium eine zusätzliche Belastung bedeutet und es sehr wichtig sein wird, sich rechtzeitig Gedanken darüber zu machen, wie man den durch die Verlängerung möglicherweise eintretenden Überschneidungen von Semesterbeginn oder sonstigen Ausbildungszeiten begegnet, möchte ich Sie gerne fragen, welche Überlegungen Sie anstellen oder welche Maßnahmen Sie denn anstreben, damit zusätzliche Härten, die mit einer Verlängerung der Wehrpflicht verbunden sind, so minimal wie irgend möglich gehalten werden.
Dr. Wörner, Bundesminister: Frau Abgeordnete, ich bin für diese Frage besonders dankbar. Einmal gibt sie mir Gelegenheit, darauf hinzuweisen, daß wir in der Bundeswehr im Augenblick schon sehr flexibel sind und unter gewissen Voraussetzungen bis zu einem Monat nachlassen, um Überschneidungen zu verhindern.
Zweitens. Ich hatte Ihnen in meinem Bericht gesagt, daß wir mit den Kultusministern der Länder in Verhandlungen eintreten, um weitere Nachteile zu verhindern. Es ist völlig inakzeptabel — ich sage das hier —, daß ein Abiturient durch die Verlängerung des Wehrdienstes etwa einen zusätzlichen Verlust von sechs oder neun Monaten in Kauf nehmen müßte. Daher werden wir mit den Kultusministern beraten. Es gibt grundsätzlich zwei Lösungsmöglichkeiten. Die eine heißt, den Abiturtermin zu verlegen. Die andere heißt, den Studienbeginn an den Hochschulen flexibler zu gestalten. Sie werden verstehen, daß ich mich nicht über den Kopf der Kultusminister der Länder hinweg auf einen dieser beiden Wege festlegen kann. Ich denke aber — erste Gespräche haben das ergeben —, daß durchaus Chancen bestehen, hier zu einer vernünftigen Regelung zu kommen.
Zu einer Frage der Herr Abgeordnete Horn.
Herr Minister, wenn alle vorgesehenen Maßnahmen, die Sie heute morgen beschlossen haben, hundertprozentig greifen, woran kein vernünftiger Mensch glaubt, selbst dann müßte ab 1995/96 die Wehrpflicht auf mindestens 24 Monate verlängert werden, um den Personalbestand von 495 000 Soldaten zu garantieren. Sie dürfen sich nicht vor der notwendigen Strukturreform drücken. Entweder belastet die Erhöhung der Wehrpflicht nur die junge Generation und erfüllt dennoch nicht den versprochenen Zweck, oder diese Erhöhung der Wehrpflichtzeit ist nur die erste Stufe einer Erhöhung in Raten. Welche weiteren Maßnahmen — z. B. erneute Erhöhung der Wehrpflichtzeit oder auch gegebenenfalls dann doch eine Strukturreform — plant die Bundesregierung, falls mit den jetzt vorgesehenen Maßnahmen, wie doch zu errechnen ist, der beabsichtigte Personalumfang der Bundeswehr nicht einzuhalten ist?
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Dr. Wörner, Bundesminister: Herr Kollege, Sie gehen von völlig falschen Voraussetzungen aus.
Ich kann Ihnen eindeutig an Hand von Zahlenunterlagen nachweisen — und das wird im Verteidigungsausschuß geschehen —, daß die von uns vorgeschlagene Verlängerung um drei Monate ausreicht, den Personalbestand der Bundeswehr an Grundwehrdienstleistenden bis zum Jahr 2000 aufrechtzuerhalten. Das heißt, eine zusätzliche Verlängerung des Wehrdienstes, wie Sie gesagt haben, auf 24 Monate ist weder nötig noch vorgesehen.
Zu einer Frage der Herr Abgeordnete Dr. Wittmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Bundesminister, im Zusammenhang mit der Gesamtverteidigung spielen verschiedene zivile Organisationen, vor allem Hilfsorganisationen, ein Rolle. Das freiwillige Personal dieser Hilfsorganisationen war bisher weitestgehend vom Wehrdienst freigestellt. Werden Sie bei der Einschränkung von Wehrdienstbefreiungen der Personallage dieser Organisationen Rechnung tragen?
Dr. Wörner, Bundesminister: Ja, Herr Kollege Wittmann, das haben wir vor. Der Zivil- und Katastrophenschutz ist ein wichtiger Bestandteil der Gesamtverteidigung. Es würde keinen Sinn machen, diesen Zivil- und Katastrophenschutz in seiner Aufgabenerfüllung einschneidend zu beeinträchtigen. Das heißt, was wir verlangen, ist nur eine anteilige Beteiligung an den rückläufigen Jahrgangsstärken. Dabei werden wir so verfahren, daß gerade die Organisationen, die für den Zivil- und Katastrophenschutz besonders wichtig sind, in ihrer Funktionsfähigkeit erhalten bleiben.
Meine Damen und Herren, ich gebe nunmehr Gelegenheit zu Fragen zu dem Bericht des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung.
Zu einer Frage hat das Wort der Herr Abgeordnete Gilges.
Ich wollte eigentlich zu dem ersten Punkt des Kabinettsbeschlusses eine Frage stellen, Herr Präsident, und zwar zu der KDV-Geschichte von Bundesminister Wörner; aber wenn der Bundesminister Blüm diese auch beantworten will, stelle ich trotzdem meine Frage.
Sie haben unter Punkt 1 des Kabinettsbeschlusses beschlossen, das Zeitgesetz über die Kriegsdienstverweigerung auf das Jahr 1990 zu verlängern. Das bedeutet im konkreten, daß die Automatik eintritt. Das bedeutet weiter, daß der Zivildienst von 20 Monaten auf 24 Monate verlängert wird. In der Auseinandersetzung über dieses Zeitgesetz ist von den betroffenen Organisationen, Verbänden, von den Zivildienstleistenden, von den Kriegsdienstverweigerern und von der Opposition damals zum Ausdruck gebracht worden, daß sie in der Verlängerung des Zivildienstes die Gefahr sähen, daß er zunehmend als Abschreckung und Strafe gedacht sei, damit der Betroffene Art. 4 Abs. 3 GG nicht in Anspruch nimmt.
Hat die Bundesregierung darüber diskutiert, daß hier eine Gewissensbeugung stattfindet, indem man auf den, der den Kriegsdienst nach Art. 4 Abs. 3 GG verweigern will, zunehmend Druck dadurch ausübt, daß man den Zivildienst unerhörterweise auf zwei Jahre — auf zwei Jahre! — erweitert, wofür es überhaupt keine Notwendigkeit gibt? Selbst in der Bundesregierung war diese Automatik umstritten. Sie haben zwar zurückgewiesen, daß die FDP umgefallen ist, aber wir sind der Meinung, daß auch 23 Monate nur eine kosmetische Angelegenheit und keine grundlegende politische Veränderung gewesen wären.
Kurzum, die Frage lautet: Wie begründen Sie die Gewissensbeugung, die hier in Ihrem Gesetz angelegt ist?
Wer wird die Frage beantworten? — Der Herr Bundesminister der Verteidigung.
Herr Kollege, die Unterstellung einer Gewissensbeugung, die Sie hier vorgenommen haben, weise ich zurück,
und zwar nicht etwa nur auf die Meinung der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen, sondern vor allem auch auf eine klare und eindeutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gestützt, die ich Ihnen zur Lektüre dringend empfehle.
Dort ist ausdrücklich bestätigt, daß die Verlängerung des Zivildienstes als Probe auf das Gewissen ein legitimes Mittel ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Klageantrag deswegen nicht stattgegeben, sondern unser Gesetz rundum und vollständig bestätigt.
Zu einer Frage die Abgeordnete Frau Hönes.
Herr Minister Blüm, ich bedauere es ausdrücklich, daß sich der Koalitionsstreit wegen der Verlängerung des Zivildienstes und des Wehrdienstes so wenig fruchtbar ausgewirkt hat und wir nun mit diesem Koalitionsbeschluß konfrontiert sind.
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Frau HönesGestatten Sie mir eine bescheidene Frage, nur eine einzige: Sehen Sie in der Verlängerung des Wehrdienstes und des Zivildienstes
— ja, ich frage ausdrücklich den Arbeitsminister — eine Möglichkeit, die Arbeitslosenstatistik zu schönen?
Verehrte Frau Kollegin, ich würde die Verteidigung unserer Republik nicht mit sozialpolitischen Fragen gleichsetzen. Ich glaube, das sind Fragen die unterschiedlich zu werten sind. Deshalb würde ich sie auch scharf getrennt halten.
Zu einer Frage der Abgeordnete Gerstein.
Herr Bundesminister, ist es im Zusammenhang mit dem Hüttenvertrag richtig, daß die von Ihnen vorgetragenen Anschlußregelungen inzwischen von allen Beteiligten, insbesondere aber auch von der Landesregierung NordrheinWestfalen und von der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, begrüßt werden und als eine sichere Grundlage für die langfristige Unternehmens- und Belegschaftsplanung des deutschen Steinkohlenbergbaus bis in das nächste Jahrhundert gelten können und die schon immer falschen Behauptungen der Opposition, diese Bundesregierung wolle von der Kohle weg, insoweit endgültig widerlegt sind?
Herr Kollege, ich bestätige das ausdrücklich. Dies ist ein Ergebnis, das klarstellt, daß sich der Bergbau, die Bergleute auf diese Bundesregierung verlassen können.
Wir halten unsere Zusagen.
Außerdem — ich sagte es schon — sehe ich in der Vereinbarung eine eindrucksvolle Bestätigung, daß die Kooperation weiterführt als die Konfrontation, und insofern bestätige ich, daß die Beteiligten alle an einem Strang ziehen, daß Bund und Länder, hier das Land Nordrhein-Westfalen, zusammenwirken und daß auch die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie diesen Weg mitgeht. Insofern bestätige ich ausdrücklich Ihre Frage.
Zu einer Frage der Abgeordnete Reuschenbach.
Herr Minister, natürlich bin ich froh darüber, daß die Einflußnahme wichtiger und entscheidender Gruppen in den letzten Wochen die Bundesregierung dazu veranlaßt hat, im letzten Moment die Kurve zu kriegen und von den Plänen, die Anschlußregelung zum Hüttenvertrag praktisch platzen zu lassen, Abstand zu nehmen. Dennoch bleibt folgendes übrig. Wissen Sie überhaupt, was es bedeutet, daß Sie dem Bergbau verordnet haben, 3,5 Millionen Tonnen Kokskohlenexport stillzulegen? Und wie wollen Sie es angesichts der Tatsache, daß eh ein von Ihrer Regierung veranlaßtes Arbeitsplatzverringerungsprogramm in einer Größenordnung von 20 000 Arbeitsplätzen im Bergbau läuft, verantworten, daß weitere Arbeitsplatzverluste durch diese Stillegung des Kokskohlenexports herbeigeführt werden?
Herr Kollege, es kann zur Beruhigung der Kumpel an Rhein und Ruhr gesagt werden — und das ist die wichtigste Mitteilung —, daß dieser Anpassungsprozeß ohne Entlassungen durchgeführt wird, daß die Bundesregierung ja bereits früher 36 Anpassungsschichten finanziert hat und daß wir auch in Zukunft diesen Anpassungsprozeß sozialpolitisch flankieren und abfedern.
Was die Rücknahme der Subventionierung für Exportkohle anbelangt, ist das keine neue Mitteilung. Bereits 1983 haben wir darauf hingewiesen, daß auf Dauer Exportkohle nicht subventioniert werden kann. Das ist auch ein wichtiger Beitrag zum Abbau der Subventionen, der in diesem Parlament ja immer gefordert wurde — Abbau ohne Gefährdung der sozialen Sicherheit der Bergleute!
Zu einer Frage der Abgeordnete Müller .
Herr Bundesminister, Sie haben den Abschluß des Hüttenvertrages in vier Punkten soeben zu Recht positiv gewürdigt und insbesondere den Konsens mit der IG Bergbau hervorgehoben, worauf Kollege Gerstein schon hingewiesen hat. Wie beurteilt die Bundesregierung, die sich mit diesem Vertragsabschluß eindeutig zur Kohlevorrangpolitik bekennt, wie es der Bundeskanzler so oft gesagt hat, die Eingliederung dieses Vertrages und dieser Politik in die Energiepolitik der Europäischen Gemeinschaft insgesamt?
Ich glaube, hier ergibt sich insofern eine fugenlose Abstimmung, weil wir immer Wert darauf gelegt haben, daß ein Grundfundus energiepolitischer Unabhängigkeit in unserem Lande gegeben ist. Ich brauche Ihnen als Mann des Saarlandes nicht zu sagen: Eine Zeche ist schneller abgesoffen als eine neue geteuft. Auch aus diesem Grunde bringt die Zusage einer langfristigen Förderung der Kokskohle und ihres Absatzes auch Gewißheit für unseren Bergbau.
Zu einer weiteren Frage der Abgeordnete Urbaniak.
— Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es sind so viele Wortmeldungen da, daß ich sie schön der Reihe nach berücksichtigen muß. Zu einer Frage der Abgeordnete Urbaniak.
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12042 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 161. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Oktober 1985
Herr Minister, Sie haben hier das Arbeitsförderungsgesetz besonders herausgestellt und das, was sich an Novellierungen vollzieht, besonders gefeiert. Sie haben ja durch Ihre Politik gerade den Arbeitnehmern und den Arbeitslosen ganz erhebliche Leistungen genommen, auch den jugendlichen Arbeitslosen. Sie haben ganz erhebliche Kürzungen zu verantworten, die in die Milliarden gehen. Wäre es nicht gerechtfertigt, Ihrerseits zunächst eine Politik zu betreiben, den Arbeitslosen das zurückzugeben, was Sie ihnen durch Ihre Politik genommen haben?
Verehrter Herr Kollege Urbaniak, Sie scheinen mich mit meinen Vorgängern zu verwechseln.
Die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung hat die jugendlichen Arbeitslosen sowohl aus dem Kindergeld wie aus der Krankenversicherung hinausgeworfen. Wir haben sie wieder hereingeholt. Insofern liegt hier eine Verwechslung vor.
Ich bin Ihnen auch deshalb für diese Frage dankbar, weil ich hier vor dem Parlament klarstellen kann: Diese Bundesregierung hat die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verdreifacht.
Als ich mein Amt übernahm, gab es 29 200 ABM-Plätze; inzwischen gibt es 95 000. Nie hat eine Bundesregierung mehr Geld für berufliche Fortbildung und Umschulung ausgegeben als diese Bundesregierung.
Ich weiß nicht, durch was Ihre Behauptung bestätigt wird, jedenfalls nicht durch die Tatsachen.
Zu einer Frage der Abgeordnete Scharrenbroich.
Herr Bundesminister, nach der erfolgreichen Politik der Bundesregierung
zur Lösung der Ausbildungsprobleme möchte ich Sie fragen, inwieweit die Beschlüsse der Bundesregierung zur siebenten AFG-Novelle jetzt dabei helfen, die bei den Jugendlichen nach Abschluß der Ausbildung auftretenden Übergangsprobleme zu lösen.
Herr Abgeordneter, ich glaube, an diesem Beispiel kann man deutlich machen, daß wir in ungewöhnlichen Zeiten auch ungewöhnliche Wege gehen und daß wir uns sehr gezielt jener Arbeitslosigkeit zuwenden, die die Fachleute die ,,Arbeitslosigkeit der zweiten Schwelle" nennen, daß wir uns jenen Jugendlichen zuwenden, die nach Abschluß der Lehrzeit nicht übernommen werden. Ich denke, daß man hier unkonventionell vorgehen kann. Wenn nicht alle mit einem ganzen Arbeitsplatz übernommen werden, sollte man doch versuchen, mit Teilzeitbeschäftigung zu arbeiten.
— Ja, meine Damen und Herren, bleiben wir bei dem Beispiel: Wenn 40 Ausgebildete vorhanden sind, aber nur 20 Arbeitsplätze, halte ich es für sozialer, nicht den Versuch zu machen, 20 zu übernehmen und 20 auf die Straße zu schicken, sondern für 40 die Arbeitsplätze zu teilen und den anderen Teil mit Qualifikation zu verbinden. Wir kombinieren damit Arbeitsverhältnisse mit Bildung. Das ist ein ungewöhnlicher Weg, aber ich glaube, ein sehr praxisnaher.
— Ich halte die 20-Stunden-Woche für besser als die 0-Stunden-Woche.
Zur letzten Frage der Abgeordnete Wolfram.
Herr Bundesminister, Sie haben in der Ihnen eigenen Art den Hüttenvertrag schöngefärbt. Sie haben verschwiegen, daß in diesem Vertrag, frühestens erkennbar ab 1988/89, eine Menge Risiken für den Bergbau und für die Bergleute enthalten sind. Mit dem Wort von der Sozialverträglichkeit haben Sie viele Tatsachen bagatellisiert, nach deren Bestätigung ich Sie jetzt frage:
Geben Sie zu, daß es die Konsequenz dieses Vertrages sein wird, daß weitere Förderkapazitäten im deutschen Steinkohlenbergbau vernichtet werden und daß auch weitere Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet werden? Auch wenn das sozialverträglich abläuft, werden die Arbeitsplätze doch vernichtet. Geben Sie das zu?
Herr Abgeordneter, das kann ich nicht bestätigen.
Ich möchte demgegenüber noch einmal sagen, daß wir mit dem Hüttenvertrag einen Beitrag zu Stabilisierung des Kokskohlenabsatzes leisten, und das kann nur im Interesse der Arbeitnehmer sein. Das wird von ihnen wie von den anderen Beteiligten, dem Land Nordrhein-Westfalen und der zuständigen Gewerkschaft, sicherlich begrüßt.
Meine Damen und Herren, die für die Fragen an die Berichterstatter der Bundesregierung und für deren Antworten vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Die Fraktionen haben nun
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 161. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Oktober 1985 12043
Präsident Dr. Jenningerdie Möglichkeit, zur Kabinettberichterstattung eine Erklärung von fünf Minuten abzugeben.Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Hauser das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf zur Erhaltung von Frieden und Freiheit haben wir die Chance, die Wehrungerechtigkeit vollends abzubauen. Es geht hier nicht nur um die bloße Verlängerung des Wehrdienstes um 3 auf 18 Monate, was meine Fraktion eindeutig bejaht; es geht auch darum, mehr Wehrgerechtigkeit zu schaffen. Es wird jetzt Schluß gemacht werden mit dem „Die einen dienen, und die anderen verdienen".
Meine Damen und Herren, Wehrgerechtigkeit heißt für meine Fraktion: Abbau aller Wehrdienstausnahmen, gleichgültig, ob administrativer oder gesetzlicher Art. Wir würdigen ausdrücklich das Bemühen der Bundesregierung und begrüßen, daß sie den ersten Schritt dazu, mehr Wehrgerechtigkeit zu schaffen, eingeleitet hat. Doch wir fragen: Kann man es heute wirklich noch begründen, daß z. B. Polizeibeamte keinen Wehrdienst leisten und daß es eine große Zahl von Wehrdienstbefreiungen gibt? Hier fordern wir die Bundesregierung auf, entsprechende Gespräche auch mit den Ländern zu führen.
Wir bejahen auch die Gesamtverteidigung; doch müssen wir fragen, ob es bei den heutigen Festlegungen für den Zivil- und Katastrophenschutz bleibt oder ob nicht auch für Reservisten in diesem Bereich zusätzliche Möglichkeiten geschaffen werden können. Das Grundgesetz muß gelten: Jedermann hat seinen Wehrdienst zu leisten. Das ist oberstes Gebot.
Es muß auch Schluß damit gemacht werden, daß man sich nach Berlin absetzt, um dem Wehr- bzw. Zivildienst zu entgehen. Wir sind deshalb der Auffassung, das Alter der Wehrerfassung herunterzusetzen. Wir bitten auch die Bundesregierung, mit den Kultusministern der Länder zu verhandeln, den Zeitpunkt des Abiturs bzw. den Studienbeginn so zu verändern, daß keine langen Wartezeiten entstehen.
Mit diesem Gesetz schaffen wir gerade im Hinblick auf die Wahlen Klarheit und Wahrheit. Wir wissen, was wir den jungen Leuten zumuten. Doch dies ist notwendig, um Frieden und Freiheit zu bewahren. Die SPD fordern wir auf, entsprechend dem Verlangen des früheren SPD-Verteidigungsministers Apel unser Vorhaben zu unterstützen und nicht dem Populismus vieler in der SPD zu verfallen.
Was vor mehr als drei Jahren noch unter Hans Apel galt, hat heute noch seine Richtigkeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Jungmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Hinweis auf frühere Regierungen wird die unglaubwürdige Planung der Bundesregierung, was die Personalstruktur der 90er Jahre anbetrifft, nicht glaubwürdiger;
statt dessen suchen Sie höchstens nach Ausreden, um Ihre Unzulänglichkeiten zu überdecken.
Die Personalprobleme der 90er Jahre werden keineswegs durch den Kabinettsbeschluß gelöst. Die Verlängerung des Grundwehrdienstes wird heute schon gegenüber der Öffentlichkeit und den betroffenen jungen Menschen kaum verständlich zu machen sein und die Akzeptanz der Bundeswehr in unserer Gesellschaft sicherlich nicht fördern, solange ein Teil des Grundwehrdienstes gemeinhin als Gammeldienst angesehen wird.
Die Verlängerung wird in die Ausbildung und Existenzbildung der jungen Menschen noch stärker eingreifen. Über das, was bei Aufnahme des Studiums mit Abiturienten geschieht, ist schon gesprochen worden. Aber auch die Auszubildenden und andere junge Menschen wird dies in ihrer beruflichen Planung sehr weit zurückwerfen.Minister Wörner erhebt die gegenwärtige Präsenzstärke von 495 000 Soldaten zum Dogma.
Nicht aber diese Zahl garantiert der Bundeswehr, daß sie ihren Verteidigungsauftrag in den 90er Jahren unter veränderten Bedingungen erfüllen kann. Voraussetzung dafür sind in erster Linie eine Gesamtplanung, die Personal- und Waffensysteme und die Finanzierung sinnvoll zur Deckung bringt, aber auch die Einbettung der Bundeswehr in ein Entspannungskonzept, eine Strukturänderung und der mögliche Einsatz personalsparender Technologien. Diese Maßnahmen wären eher geeignet, Verteidigungsfähigkeit bei gleicher oder sogar verkürzter Grundwehrdienstdauer zu gewährleisten.Die von der FDP geforderte Verlängerung des Zivildienstes auf nur 23 Monate wäre nicht mehr als eine kosmetische Korrektur gewesen,
die dem Problem des Zivildienstes in keiner Weise gerecht geworden wäre. Herr Wörner, Sie haben lapidar festgestellt, daß das Kriegsdienstverweigerungsgesetz weiterhin bis zum 31. Dezember 1990 Geltung haben soll. Damit wird ab 1. Juli 1989 der Zivildienst auf 24 Monate verlängert.
Die Bundesregierung hat keinerlei Vorschläge gemacht, um die gravierenden Mängel des Prü-
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Jungmannfungsverfahrens im Bereich des Verteidigungsministeriums zu beseitigen.
Hier finden weiterhin inquisitorische Befragungen und Gewissensprüfungen statt. Das Verfahren ist in seinem Ausgang ein Lotteriespiel. Herr Wörner, die Verlängerung des Grundwehrdienstes ist ein Bestandteil einer Bundeswehrplanung, die insgesamt unrealistisch und auf Sand gebaut ist. Sie wird die auf die Bundeswehr zukommenden Probleme nicht lösen.Die SPD-Fraktion lehnt deshalb die Kabinettsentscheidung ab. Bundesminister Wörner hat mit dieser Entscheidung Konflikte und Schwierigkeiten in die Zukunft — in eine Nach-Wörner-Ära — verlagert, ohne andere Möglichkeiten der Verteidigungsfähigkeit, der Abrüstung und Rüstungskontrolle und Reduzierung der Streitkräfte in Mitteleuropa ausreichend zu berücksichtigen.Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schierholz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir GRÜNEN halten die heute vorgelegten Pläne der Bundesregierung zur Verlängerung des Grundwehrdienstes und erst recht zur Verlängerung des zivilen Ersatzdienstes von der Sache her für nicht geboten, wir halten sie für abrüstungsuntauglich, und wir halten sie für jugendfeindlich.
Gegenwärtig stehen diejenigen Jahrgänge zur Einberufung an, die mehr als 1 Million junge Menschen umfassen. 1961 bis 1966 sind mehr als 1 Million junge Leute geboren. Sie können nach den Kriterien des Wehrpflichtgesetzes bis 1994 einberufen werden. Warum also wird ein solches Gesetz jetzt zum 1. Juli 1989 beschlossen? — Weil die Regierung Angst hat, daß sie 1987 nicht mehr die Mehrheit hat. Das ist der wahre Grund.
Bereits jetzt besteht der Grundwehrdienst nach der intensiven Phase der Grundausbildung in der Einübung militärischer Rituale, der Gewöhnung an das Prinzip von Befehl und Gehorsam und der schlichten Ausfüllung von Zeit — „Gammeldienst" wird das unter den Soldaten genannt.
In einer Zeit, in der die Zahl der Soldaten sogar abschreckungspolitisch unwichtig wird, ist ein längerer Grundwehrdienst nicht zu rechtfertigen. Die Bundesregierung vertraut offensichtlich selbst ihren eigenen Abrüstungsversprechungen nicht. Weshalb verhandelt sie eigentlich noch in Wien mit dem Ziel, zu einer Reduzierung der Zahl der Soldaten zu kommen, wenn sie jetzt gleichzeitig das Signal gibt, zum 1. Juli 1989 den Grundwehrdienst verlängern zu wollen? Ich kann dazu nur sagen: Das ist völlig unsinnig.
Wir werden von seiten der GRÜNEN diesem Parlament in den nächsten Tagen einen Antrag vorlegen, der aus vier Komponenten besteht.
— Hören Sie ruhig zu, Herr Meyer zu Bentrup.
Erstens. Grundwehrdienst und Zivildienst werden zum 1. Juli 1989 drastisch verringert.
Zweitens. Das Grundrecht auf Gewissensfreiheit gemäß Art. 4 — das ist für mich das eigentliche Problem — hat uneingeschränkt Vorrang vor dem Personalbedarf der Bundeswehr und der Realisierung militärpolitischer Zwecke;
denn Art. 87 a des Grundgesetzes markiert aus unserer Sicht lediglich eine organisationspolitische Kompetenz, die den Bund und nicht etwa die Länder zur Aufstellung militärischer Verbände ermächtigt und damit keineswegs verpflichtet.
Drittens. Das Prüfungsverfahren für Kriegsdienstverweigerer
sowohl nach dem Bundesamt-Schnellprüfungsverfahren als auch in den Ausschüssen und Kammern ist ersatzlos zu streichen und durch ein Feststellungsverfahren zu ersetzen.
Herr Jungmann hat darauf hingewiesen: Im letzten Jahr liefen vor dem Bundesamt ungefähr 28 000 Verfahren, fast das Doppelte nach wie vor vor Ausschüssen und Kammern des Verteidigungsministeriums. Diese unerträgliche Inquisition muß wegfallen.
Viertens. Der gegenwärtige Ersatzdienst — so muß man ihn leider nennen — ist zu einem sozialen Friedensdienst umzugestalten. Das bedeutet, daß er ausschließlich im sozialen Bereich, in der Jugend- und Friedensarbeit abgeleistet wird.
Wir wollen darüber hinaus, daß ein Friedensdienstgesetz verabschiedet wird, in dem die Möglichkeit eines 12monatigen Einsatzes in der Friedensarbeit im In- und Ausland eröffnet wird.
Diesen Antrag werden wir demnächst vorlegen. Wir würden uns freuen, wenn das Parlament diesem Antrag seine Zustimmung geben würde.
Das Wort hat der Abgeordnete Ronneburger.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion dieses Hohen Hauses ist sich des Gewichtes der zu treffenden Entscheidungen durchaus bewußt. So erklärt es sich auch, Herr Kollege Dr. Schierholz, daß z. B. die Überlegungen zur Frage des Zivildienstes bis in die letzte Minute hinein ausgetauscht worden sind auf der Suche nach einer Lösung, die allen Betroffenen gerecht wird und die auch zu einer gerechten Regelung insgesamt führt.
Die Entscheidung zum zivilen Ersatzdienst, die jetzt getroffen worden ist, wird von meiner Fraktion ausdrücklich begrüßt.
Sie gibt die Möglichkeit, bis zum Jahre 1989, bis zu dem Zeitpunkt, wo eine neue Novelle zum Zivildienstgesetz eingebracht werden muß,
die Entwicklungen abzuwarten und auszuwerten und danach eine gesicherte Entscheidung zu treffen, Herr Kollege Jungmann.
— Das wird alles nicht besser, wenn Sie dauernd dazwischenreden. Sie ändern j a die Fakten nicht.
Deswegen ist es gut, daß wir einen Kompromiß gefunden haben, der allen Notwendigkeiten Rechnung trägt.
Die Aussage vom Gewicht der Entscheidung gilt natürlich ebenso für die Verlängerung des Wehrdienstes. Aber hier ist es anders als beim Zivildienst, meine Damen und Herren; denn beim Wehrdienst sind Fakten und Entwicklungen absehbar und berechenbar. Ich kann hier nur noch einmal ein Zitat bringen:
Eckwert unserer Verteidigungsplanung bleibt ein Verteidigungsumfang der Bundeswehr von rund 1,2 Millionen gut ausgebildeter und ausgerüsteter Soldaten. Sie müssen im Verteidigungsfall rechtzeitig zur Verfügung stehen. Dazu ist sowohl Friedenspräsenz als auch Aufwuchsfähigkeit vonnöten.
So Bundesverteidigungsminister Apel seinerzeit. Vielleicht, Herr Kollege Jungmann, sollten Sie sich gelegentlich daran erinnern,
was einmal verteidigungspolitische Richtlinie und Grundlinie auch Ihrer eigenen Partei gewesen ist, ehe Sie hier so leichtfertig verdammen, was an verantwortungsbewußten Entscheidungen getroffen worden ist.
Wir halten die Entscheidung des Kabinetts für eine konsequente Folgerung aus vorgegebenen Tatsachen und aus erkennbaren und berechenbaren Entwicklungen.
Dabei übersehen wir keineswegs, daß die Verlängerung des Wehrdienstes zumal angesichts der zugleich notwendigen Ausweitung der Wehrübungen den jungen Bürgern zusätzliche Leistungen und Opfer abverlangt. Dasselbe gilt — ich sage es noch einmal — für diejenigen, die sich aus Gewissensgründen für den Zivildienst entscheiden.
Wir haben schon vor einem Jahr in der FDP-Fraktion eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Wir haben sie von einer Reihe von Vorbedingungen abhängig gemacht. Wir sind der Meinung, Herr Bundesverteidigungsminister, daß heute tatsächlich gesagt werden kann: Die Entscheidung für eine Verlängerung des Wehrdienstes steht am Ende aller möglichen und notwendigen Maßnahmen. Es ist ausgeschöpft worden, was sonst zu erfolgen hatte und was unter Umständen auch nach unserer früheren Hoffnung — wer wollte das bestreiten? — eine Verlängerung des Wehrdienstes hätte überflüssig machen können, aber offensichtlich nicht überflüssig gemacht hat.
Dazu lassen Sie mich nur auf zwei Komponenten hinweisen, meine Damen und Herren. Es geht einmal um die Frage der Vorwarnzeit, die in einem direkten Zusammenhang mit der Friedenspräsenz steht. Es geht damit um die Länge jener Zeit, die in einem Spannungsfall zur Verfügung steht, um noch mit politischen und diplomatischen Mitteln den Ausbruch von Feindseligkeiten zu verhindern.
Es geht zweitens um die Tatsache, daß wir alle gemeinsam eine Anhebung der nuklearen Schwelle fordern. Wer aber glaubt, konventionelle Anstrengungen einschränken zu können, wer glaubt, die Präsenzstärke der Bundeswehr abbauen zu können, der tut genau das Gegenteil, der senkt die nukleare Schwelle. Deswegen sind die Entscheidungen notwendig, die hier getroffen worden sind.
Aber, Herr Bundesminister, ich füge folgendes hinzu: Wir werden Ihren Gesetzentwurf mit aller Sorgfalt in den Ausschüssen beraten. Von meiner Fraktion aus ist dazu folgendes zu sagen.
Es gibt einige Punkte, die heute in den Kabinettsberatungen von unserer Seite bereits eingebracht worden sind und die wir bei diesen Beratungen verfolgen werden: Einmal Beseitigung der Ungerechtigkeit, die darin liegt, daß Reservisten aus dem öffentlichen Dienst 100 % ihres Gehalts bekommen, andere nur 70 %. Es darf auch nicht sein, daß Wehrpflichtige, die sich in einem Probeverhältnis befinden, eingezogen werden, wenn damit die Gefahr für den Verlust des Arbeitsplatzes besteht. Leerlauf soll vermieden werden, und das bedeutet eine Ausweitung von Bildungsmaßnahmen auch in der Bundeswehr.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß.
Dazu kommt das, was meine Kollegin Frau Hamm-Brücher bereits angeführt hat: eine zusätzliche Benachteiligung durch Entlassungstermin und Beginn von Ausbildung oder Studium muß vermieden werden.
Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, die Kabinettberichterstattung ist beendet.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. Oktober 1985, 8 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.