Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir fahren in der verbundenen Aussprache über die Punkte 1 a und 1 b der Tagesordnung fort:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985
— Drucksache 10/1800 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988
— Drucksache 10/1801 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalition hat in den beiden letzten Tagen versucht, das miserable Bild, das sie während der Sommerpause geboten hat, mit schrillen Erfolgsfanfaren vergessen zu machen. Sie haben dazu, meine Damen und Herren, keine Anstrengungen, aber auch keine Übertreibung und keine Verdrehung und erst recht keine Polemik gescheut. Sie haben — und dieser Vorwurf trifft vor allem Sie, Herr Bundeskanzler — ohne Rücksicht Gemeinsamkeiten aufgekündigt und Gräben aufgerissen, wenn Sie sich davon parteitaktische Vorteile versprochen haben.
Übrigens, Sie haben am Mittwoch, Herr Bundeskanzler, dem Kollegen Brandt vorgeworfen, er habe geholzt. Das war angesichts der klugen, abgewogenen, auf Schadensbegrenzung auch nach innen zielenden Rede Willy Brandts absurd.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer als Parteivorsitzender die jeweils kaltblütig geplanten und gezielt eingesetzten und verbreiteten Diffamierungen eines Generalsekretärs namens Geißler zu verantworten hat, der sollte vor der eigenen Türe kehren und sich nicht über andere beklagen.
Aber zurück zu Ihrer Jubelbilanz, die Sie am Mittwoch in der deutschlandpolitischen Debatte präsentiert haben. Diese Bilanz entspricht nicht Ihren Ankündigungen. Sie ist auch formal nicht korrekt. Sie ist nämlich unvollständig. Wichtige Passivposten fehlen, und wichtige Aktivposten sind geschönt. Jede Prüfungsgesellschaft würde eine solche Bilanz zurückgeben und nicht akzeptieren.
Beginnen wir mit den Posten, die in Ihrer Bilanz fehlen und von denen Sie nicht gesprochen haben, von den sich häufenden Pannen beispielsweise, von den Skandalen und Affären. Die Liste dieser Vorfälle ist auch jetzt schon erschreckend lang, und sie verlängert sich fast von Woche zu Woche. Die von Ihnen, Herr Bundeskanzler, hier am Mittwoch angesprochenen Differenzen über die Besetzung der sogenannten Spaak-Kommission sind doch die neueste Panne dieser Art. Diesmal haben Sie durch Ihre mangelnde Geschicklichkeit den ehemaligen Bundespräsidenten Professor Karl Carstens in eine ungute Situation gebracht.
Vor wenigen Wochen ist Professor Biedenkopf, den Sie zur Unzeit und ohne genügende Sondierung für das Amt des Präsidenten der EG-Kommission ins Gespräch gebracht haben, dasselbe widerfahren. Überlassen Sie doch solche Dinge bitte den erfahrenen Männern des Auswärtigen Amts, wenn Ihre eigenen Initiativen zu solchen Pannen führen!
In Ihrer Bilanz fehlen ebenso die unablässigen Streitigkeiten und Querelen in Ihrer Koalition. Da geht es doch nicht nur um Nuancen. Da geht es um wesentliche, zum Teil sogar um fundamentale Fragen. Sie streiten über die Einschätzung der polnischen Westgrenze — die denkwürdige Aktuelle Stunde zu den Äußerungen von Unionsabgeordne-6068 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn. Freitag, den 14. September 1984Dr. Vogelten zu dieser Frage hat das deutlich gemacht —, über das Ausländerrecht, über die Kaufanreize für abgasentgiftete Personenautos und über den Zeitpunkt, von dem an nur noch Kraftfahrzeuge mit Katalysatoren zugelassen werden dürfen. Sie sind über die Einführung des neuen maschinenlesbaren Personalausweises ebenso uneins wie über die Änderungen des Waffenrechts oder über den Schuldzinsenabzug oder über das Erziehungsjahr und seine Finanzierung oder die Neuordnung der Krankenhausfinanzierung.Über diesen Zustand Ihrer Koalition sagten Sie am 31. August dieses Jahres vor der Bundespressekonferenz in Ihrer schwer nachzuahmenden Diktion: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt." Das mag ja so sein.
Aber wenn ein Organismus seine Kräfte mehr und mehr im inneren Widerstreit verbraucht, dann kommt eben am Ende oder, wie Sie sagen, „hinten" schließlich überhaupt nichts mehr heraus.
Wie der „Rheinische Merkur" — nicht gerade ein sozialdemokratisches Kampfblatt — letzte Woche zutreffend schrieb: „Kein Schiff kann einen Kurs halten, wenn sich die Mannschaft beständig gegenseitig anrempelt und dann durcheinandertorkelt." Sie sind ja ganz schön durch den Sommer getorkelt, meine Damen und Herren von der Koalition.
Ausgerechnet Sie, die Sie von einem Streit zum nächsten und von einer Koordinierungspanne zur nächsten stolpern, werfen uns vor, wir würden in Hessen oder anderswo ein Chaos verursachen. Da kann ich nur sagen: Kümmern Sie sich um Ihr eigenes Chaos, beispielsweise um das Bundeskanzleramt!
Das Problem im Bundeskanzleramt ist übrigens nicht der Chef des Amtes, den Sie nach Pressemeldungen jetzt sogar — man höre und staune — zu Ihren Gesprächen mit Bundesministern oder Vertretern der Koalitionsfraktionen hinzuziehen wollen und der nach den gleichen Meldungen jetzt dafür sorgen soll, daß über Ihre Gespräche mit ausländischen Besuchern Vermerke angefertigt werden.
Das sind ja geradezu sensationelle Fortschritte, zu denen wir Sie herzlich beglückwünschen.
Aber Herr Bundeskanzler, Herr Schreckenberger ist gar nicht das Problem. Er fügt dem Durcheinander Ihres Amtes nur die Züge liebenswürdiger professoraler Zerstreutheit hinzu.
Das Problem ist nicht Herr Schreckenberger. Das Problem sind Sie selbst in diesem Amt, Herr Bundeskanzler.
Von der Passivseite Ihrer Bilanz zu dem, was Sie für die Aktivseite reklamieren. Sie sagen, Ihr Haushaltsentwurf sei ein solcher Aktivposten. Aber keiner Ihrer Redner hat unsere Kritik entkräftet, keiner hat die schweren Widersprüche ausgeräumt, die diesen Haushaltsentwurf kennzeichnen. Darum frage ich noch einmal — —
— Entschuldigung, ich bin einer der ganz wenigen, der hier Stunde für Stunde zugehört hat. Sie sollten diesen Vorwurf nicht erheben.
Übrigens ist das, was Sie hier mit Ihrem Zwischenruf aufgreifen, ein Thema für die Debatte über das Selbstverständnis unseres Parlaments.Darum frage ich noch einmal: Was findet sich in diesem Haushalt eigentlich von all Ihren früheren Ankündigungen?Sie haben als Opposition aufs härteste kritisiert, daß wir von 1977 bis 1982 — also in sechs Jahren-13 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen in den Haushalt eingesetzt haben. Jetzt, in der Verantwortung, haben Sie schon in den ersten drei Jahren 30,5 Milliarden DM Bundesbankgewinne in Ihren Haushalten veranschlagt, und für die Jahre von 1986 bis 1988 planen Sie weitere 21 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen ein. 13 Milliarden in unserer Zeit, 51,5 Milliarden in Ihrer Zeit! Das, was Sie angekündigt haben, ist doch tief widersprüchlich zu dem, was Sie jetzt tun.
Grotesk, widersprüchlich und — da wende ich mich vor allen Dingen an Herrn Dregger in bezug auf seine gestrigen Ausführungen — ist auch das, was Sie zur Verschuldung sagen. Sie brandmarken die Entwicklung der Schuldenaufnahme bei uns, die ja nicht anders verlaufen ist als in den mit uns vergleichbaren europäischen Ländern, als Ursache allen Übels. Sie sagen, die Sozialisten seien Schuldenmacher. Gleichzeitig loben Sie die Wirtschaftspolitik der amerikanischen Administration als vorbildlich — eine Wirtschaftspolitik, Herr Kollege Dregger, die auf dem größten Haushaltsdefizit, auf der größten Schuldenaufnahme und den größten staatlichen Ausgabenprogrammen dieses Jahrhunderts beruht. Nach Ihrer Logik, Herr Dregger, wäre also Präsident Reagan ein besonders radikaler Sozialist.
Das ist ein grotesker Widerspruch, in den Sie sich da verwickeln.Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben unablässig den Abbau der Subventionen gefordert. Im neuen Haushalt werden die Subventionen gesteigert, und zwar kräftig. Das ist doppelzüngig.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984 6069
Dr. VogelSie haben immer wieder die Erhöhung der Investitionsquote gefordert. Aber nach Ihrer mittelfristigen Finanzplanung sinkt sie in den Jahren bis 1988 auf den absoluten Tiefstand von 12,6 %. Das ist beschäftigungsfeindlich, meine Damen und Herren.Sie haben zu unserer Zeit die finanzielle Lage der Gemeinden stets kritisiert und der Verbesserung der finanziellen Lage das Wort geredet. Unter Ihrer Verantwortung verschlechtert sich die finanzielle Lage der Gemeinden, insbesondere die Finanz- und damit die Investitionskraft der Gemeinden. Was immer Sie sagen, Herr Kollege Stoltenberg: Allein im Jahre .1983 sind die kommunalen Sachinvestitionen von 34,48 Milliarden DM auf 29,7 Milliarden DM zurückgegangen, also um fast 10 %. Ihr Haushaltsentwurf ändert daran nichts. Auch das ist eindeutig beschäftigungsfeindlich.
Sie reden von der Steuerreform, die Sie immer aufs neue und mit häufig wechselnden Zahlen und mit viel Streit ankündigen. Sie nennen sie mit der Ihnen eigenen Bescheidenheit schon jetzt die größte Steuersenkung aller Zeiten. Aber alle Ihre Ankündigungen und Zahlenspiele ändern nichts an der Tatsache, daß die Lohnsteuerbelastung — das ist der wichtigste Gradmesser für die Belastung der Arbeitnehmer — unter Ihrer Verantwortung, Herr Bundeskanzler und Herr Kollege Stoltenberg, mit 17,8 % im Jahre 1984 einen Höchststand erreicht hat. Nie war die Belastung der Arbeitnehmer mit Lohnsteuer so hoch wie unter der Regierung der Wende.
Selbst wenn es Ihnen gelingt, Ihre Steuerreformabsichten zu verwirklichen, dann liegt die Lohnsteuerbelastung noch immer deutlich höher als zu unserer Zeit. Dafür haben Sie die Unternehmenssteuern, die ohnehin viel langsamer gewachsen sind — fast nur ein Drittel so stark wie die Steuern der Arbeitnehmer —, drastisch gesenkt.Auch die Tatsache bleibt trotz all Ihrer Zahlen und all Ihrer Propaganda bestehen, daß am Ende Ihrer Steuerreform im Jahre 1988 eine vierköpfige Familie, also ein Ehepaar mit zwei Kindern, bei einem Durchschnittseinkommen von jährlich 30 000 DM 65 DM im Monat, bei einem Einkommen von 300 000 DM aber 747 DM im Monat spart. Das sind die Tatsachen.
Und da, meine Damen und Herren, wehren Sie sich gegen die Feststellung, daß Sie eine massive Umverteilung von unten nach oben betreiben! Das tun Sie doch. Was immer Herr Blüm erzählt: Die Umverteilung von unten nach oben ist die unverblümte Wahrheit, und wir werden sie aussprechen.
Sie, Herr Bundeskanzler, haben den Stopp und dann den Abbau der Arbeitslosigkeit versprochen. Aber zwei Jahre nach Ihrem Amtsantritt sinkt die Arbeitslosigkeit nicht. Sie steigt vielmehr seit Be-ginn dieses Jahres Monat für Monat, saisonbereinigt von Januar bis August 1984 um über 100 000. In absoluten Zahlen sind es jetzt 2 202 000 Arbeitslose, die bei den Ämtern gemeldet sind. Eine erhebliche Anzahl nicht Gemeldeter kommt noch hinzu.Dies, die . Zahl der Arbeitslosen, Herr Bundeskanzler, ist der Kern der Sache. Daran ändern alle Daten nichts, die Sie sonst nennen — auch die Daten nicht, die wir durchaus begrüßen, wie etwa die gegenwärtige Beruhigung der Preisentwicklung. Sie ändern auch nichts daran, daß die Zahl der Arbeitsplätze unter unserer Verantwortung im Oktober 1982 um rund 200 000 höher lag als Mitte 1977. Dagegen gingen unter Ihrer Verantwortung allein 1983 fast 400 000 Arbeitsplätze für abhängig Beschäftigte verloren, und diese Entwicklung setzt sich im Jahre 1984 fort.Mehr junge Menschen denn je suchen verzweifelt einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, darunter auch solche, die Ihrem Wahlversprechen vom letzten Jahr vertraut haben und noch heute auf der Straße stehen.Sie haben mehr soziale Gerechtigkeit versprochen. Aber niemals zuvor hat ein Bundeskanzler den Bürgerinnen und Bürgern in so kurzer Zeit eine solche Fülle von sozialen Ungerechtigkeiten zugemutet wie Sie, Herr Bundeskanzler, in den letzten zwei Jahren.
Gewiß, auch wir hätten Konsolidierungsmaßnahmen in dieser weltwirtschaftlichen Situation treffen müssen. Aber, Herr Bundeskanzler, wir hätten dabei die soziale Gerechtigkeit nicht mit Füßen getreten. Und das ist unser Vorwurf gegen Sie.
Wir hätten mit einer Ergänzungsabgabe begonnen, die diesen Namen verdient. Und wir hätten begonnen mit dem Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen, die sich in der veränderten Situation nicht mehr rechtfertigen lassen. Aber dazu fehlt Ihnen der Wille oder die Kraft oder beides. Sie haben sich mit Ihren Kürzungen lieber an die Mütter, an die Familien, an die Behinderten, an die Arbeitslosen und an die Rentner gehalten und dafür die Vermögensteuer gesenkt. Sie haben auch solchen Landwirten, die von den Brüsseler Beschlüssen überhaupt nicht betroffen sind, im Handumdrehen Milliarden bewilligt, die Sie zuvor den anderen genommen haben.
Jetzt, Herr Bundeskanzler, denken Sie sogar daran, Gelder, die bei der Bundesanstalt für Arbeit deshalb eingespart werden, weil mehr und mehr Arbeitslose infolge der langen Dauer ihrer Arbeitslosigkeit von der Bundesanstalt keinerlei Hilfe mehr erhalten, nicht etwa zur Verbesserung der Lage der Arbeitslosen oder zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen einzusetzen, sondern Sie wollen diese Gelder so verwenden, als ob es Gewinne wären; Arbeitslosigkeit-
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6070 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984
Dr. Vogelgewinne, Anstaltsgewinne sozusagen als Gegenstück zu den Bundesbankgewinnen. Es blieb Ihnen vorbehalten, Herr Bundeskanzler, aus dem Anstieg und der Dauer der Arbeitslosigkeit auch noch Rendite für den Haushalt zu ziehen.
Aber das ist nicht alles. Unter Ihrer Verantwortung hat die Bundesrepublik den bittersten Arbeitskampf, jedenfalls einen der bittersten Arbeitskämpfe ihrer bisherigen Geschichte erlebt.
Statt den sozialen Frieden zu wahren und zu fördern, haben Sie, Herr Bundeskanzler, durch Ihre einseitige Parteinahme am Beginn dieser Auseinandersetzung von Anfang an Öl ins Feuer gegossen.
Daß der Konflikt schließlich doch mit einem akzeptablen Kompromiß endete, ist nicht Ihr Verdienst.
Es ist das Verdienst der Beteiligten, vor allem aber das Verdienst des Sozialdemokraten Georg Leber.
Der Sozialdemokrat Georg Leber hat auch die Kastanien aus dem Feuer geholt, die Sie dort hineingeworfen haben.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Herr Bundeskanzler, Sie haben den Schutz der Umwelt als eine Aufgabe bezeichnet, die für Ihre Regierung besondere Priorität besitze.
Ihr Innenminister hat sich j a zunächst auch furios in Szene gesetzt. Dabei kam ihm zugute, daß er genau das Gegenteil von dem zu tun schien, was er in der Opposition vertreten hat. Aber jetzt zeigt sich, daß die Kräfte des raschen Starters offenbar nicht über die volle Distanz reichen, daß er Ankündigungen in die Welt gesetzt hat, die er nicht einlösen kann. Hat nicht Ihr Innenminister für die Einführung des abgasentgifteten Autos immer wieder als Stichtag den 1. Januar 1986 genannt? Hat der Deutsche Bundestag nicht mit Ihrer Stimme, Herr Bundeskanzler, und denen Ihrer Kabinettsmitglieder am 9. Februar 1984 einstimmig die Einhaltung dieses Termins gefordert? Am 9. Februar 1984! Was ist denn von alledem geblieben? Ein verwirrendes, unschlüssiges Hin und Her um sogenannte Kaufanreize und Stufenpläne und immer neue Termine, ein Hin und Her, das die Käufer und damit die Autoindustrie und den Autohandel von Tag zu Tag mehr verunsichert! Ich habe den Eindruck, daß sich hier ganz offensichtlich — ich erinnere an den einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Februar 1984 — ein zweites Buschhausabzeichnet, daß Sie ein zweites Buschhaus vorbereiten.
Im Falle Buschhaus 1 zeigte sich der wackere Herr Zimmermann in einer gerade für einen Bayern völlig neuen Rolle, nämlich in der des großen Schweigers. Da reichte es noch nicht einmal zu einer Wortmeldung in der ersten Sitzung, in der wir das Thema behandelten, und noch viel weniger — das kann ich ja verstehen — in der Sondersitzung. Sie, Herr Bundeskanzler, schwiegen bei der gleichen Gelegenheit ebenfalls. Dabei steht doch inzwischen fest, daß Sie selbst der, Urheber der ursprünglichen Entschließung waren, in der Sie sich und Ihre Regierung zu Maßnahmen aufforderten, die durchzusetzen Ihnen wiederum der Wille oder die Kraft oder beides gefehlt, hat.
Außerdem hat es mehr und mehr den Anschein, als ob Herr Albrecht das Parlament, die Öffentlichkeit und — wenn man Informationen trauen darf — möglicherweise auch Sie oder Ihr Bundeskanzleramt in Sachen Buschhaus geradezu hinters Licht oder hinter den Schwefel geführt hat. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig und die verlegenen Antworten, die der eilends aufgebotene Herr Albrecht gestern auf die Fragen der Kollegen Hauff und Schäfer gegeben hat, lassen das jedenfalls vermuten. Sie sollten sich auf eine weitere, scharfe Auseinandersetzung in Sachen Buschhaus vorbereiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es war schon ein Höhepunkt der Regierungskunst, daß sich ein Bundeskanzler und die Mitglieder seiner Regierung, darunter der Umweltminister, als Abgeordnete im Juni selbst zu etwas auffordern, was sie dann im Juli als angeblich von vornherein völlig unmöglich bezeichnen. Das ist ein in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang.
Schieben Sie das nicht auf Herrn Dregger oder auf Herrn Schreckenberger ab. Sie waren der Urheber dieser Entschließung.Einmalig ist auch, daß man zur besseren Publizität des eigenen Durcheinanders und des eigenen Mißmanagements dieses sogar noch in einer Sondersitzung des Parlaments vorführt und der Öffentlichkeit deutlich macht. Sie lassen propagieren, Herr Bundeskanzler, Sie seien der Adenauer unserer Tage. Spätestens seit Buschhaus muß man Konrad Adenauer vor solchen Kränkungen in Schutz nehmen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984 6071
Dr. Vogel— Offenbar ist gerade eine weitere Buschhaus-Koordinierungsbesprechung zwischen den Zuständigen in Gang gekommen,
wobei für den Kenner auffällt, daß Herr Schäuble diese Besprechung führt.
Kommen wir zu einem weiteren Posten Ihrer Bilanz, zur Friedenssicherung. Herr Bundeskanzler, Sie wollten Frieden schaffen mit immer weniger Waffen. Das ist eine gute Formel. Das ist eine hervorragende Formel.
Das ist eine Formel, die unser ganzes Volk einigen könnte.
Aber es ist eben nur eine Formel. Die Wahrheit ist leider ganz anders. In Wahrheit, Herr Bundeskanzler, ist Mitteleuropa nie zuvor rascher mit immer gefährlicheren Waffen auf beiden Seiten vollgepackt worden als in den vergangenen zwei Jahren.
Ich frage: Sind wir heute sicherer als vor Beginn der Stationierung im November 1983? Ich frage mit großem Ernst — die Parallele zu Fragen, die sich auf das Jahr 1952 beziehen, ist nicht zu übersehen —: Wäre nicht der Kompromiß, der im Sommer 1983 — ich nenne nur das Stichwort Waldspaziergang — in Reichweite lag, der bessere Weg zur Friedenssicherung gewesen? Er hätte uns jedenfalls den neuen Rüstungswettlauf, der jetzt hemmungslos im Gange ist, und wohl auch den Rückfall in einen Zustand feindseliger Spannungen zwischen Washington und Moskau erspart, wie wir ihn seit langen Jahren nicht mehr erlebt haben.Natürlich ist es absurd — ich sage das ohne jede Einschränkung —, wenn sowjetische Medien Ihnen oder Ihrer Regierung revanchistische Absichten vorwerfen; wir haben das zurückgewiesen. Kein anderer als Egon Bahr hat es in Moskau zurückgewiesen, als diese Behauptung das erste Mal aufgestellt wurde.
Aber, Herr Bundeskanzler, die Abwehr dieser unberechtigten Vorwürfe macht Sie doch nicht zu Hause von Kritik seitens der Opposition frei! Es ist doch wahr, daß die unverantwortliche Rhetorik einzelner Ihrer Freunde ganz unsinnige Stichworte zu dieser Kampagne geliefert hat, etwa in der Frage der Oder-Neiße-Grenze.
Sie selbst, Herr Bundeskanzler, werden sich fragen müssen — vielleicht haben Sie sich auch schon gefragt —, ob Sie gut beraten waren, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem 45. Jahrestag des Überfalls auf Polen als Gast des Herrn Czaja eine Rede zu halten, bei der Sie dieses Überfalls mit keinem Wort gedachten und statt dessen ohne Not,ohne daß ein Zwang dazu bestand, die Frage der deutschen Grenzen in Ihre Rede aufnahmen. Wissen Sie eigentlich, Herr Bundeskanzler, was Sie dem deutsch-polnischen Verhältnis damit zugemutet haben? Wenn Sie es nicht wissen, dann lassen Sie es sich vom Herrn Kollegen Genscher erläutern; der weiß, was dies für Wirkungen hat.
Darum, Herr Bundeskanzler, geht es! Nicht um die Vertriebenen. Deren Leistungen und deren Beitrag zum Aufbau unseres Landes haben die Sozialdemokraten stets gewürdigt und dankbar anerkannt.
Nicht wenige dieser Vertriebenen haben die Politik des Wiederaufbaus in unseren Reihen in führender Position mitgestaltet.
Wir setzen uns nicht mit den Vertriebenen auseinander, wir setzen uns mit Ihnen auseinander, Herr Bundeskanzler, und vor allem mit denjenigen Ihrer Freunde, die das Thema der deutschen Grenzen neu auf die Tagesordnung setzen wollen. Mit ihnen streiten wir, nicht mit den Millionen Vertriebenen, die die Erörterung des Grenzthemas in dieser Zeit genausowenig wollen wie wir Sozialdemokraten und die Mehrheit unseres Volkes.
In Ihrer Erwiderung auf Willy Brandt sind Sie einmal mehr nicht auf das Thema eingegangen, Herr Bundeskanzler, sondern haben einen Ablenkungsversuch unternommen — ein Ihnen ja nicht fremdes Mittel des gewollten Mißverständnisses. Außerdem: Sie und Herr Genscher waren es doch, die vor und nach Beginn der Stationierung unentwegt behauptet haben, die Stationierung werde die Beziehungen zwischen den USA und der Sowjetunion und auch unsere Beziehungen zur Sowjetunion nicht beeinträchtigen; alles werde so weitergehen wie bisher. Ja, gelegentlich verstiegen Sie sich zu der Behauptung, es werde besser werden. Das war zu keinem Zeitpunkt realistisch.Manches von dem, Herr Bundeskanzler — der Vorwurf kann Ihnen nicht erspart bleiben —, was in den letzten Wochen geschehen ist, haben Sie geradezu herbeigeredet, beispielsweise mit Ihrer permanenten Behauptung, es drohe gar keine neue Eiszeit, alles werde so weitergehen wie bisher. Oder mit der unklugen Äußerung, der Besuch des bulgarischen Staatschefs werde beweisen, daß auch nach der Verschiebung des Honecker-Besuches alles in bester Ordnungsei. Das haben Sie so lange wiederholt, bis Ihnen der Beweis aus der Hand fiel. Es wird sich zeigen, ob Sie diesen Fehler inzwischen nicht schon zum zweitenmal gemacht haben. Warum soll man sich nicht auf Franz Josef Strauß berufen, wenn er recht hat? Er hat recht, wenn er sagt: Es ist ein grober Fehler, daß man die Hand-
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6072 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984
Dr. Vogellungsfähigkeit der eingeladenen Gäste in dieser dramatischen Weise öffentlich dem Test unterwirft und eine Art Vivisektion vornimmt.
Wie es auch sei, wir haben heute jedenfalls nicht mehr Frieden und weniger Waffen als am 1. Oktober 1982. Wir haben vielmehr weniger Entspannung, weniger Frieden und dafür immer mehr und immer gefährlichere Waffen. Wir haben Initiativen ergriffen, um dieser Entwicklung zu begegnen. Wir fordern im Einklang mit vielen Staats- und Regierungschefs aus allen Kontinenten einen beiderseitigen Stationierungsstopp, weil wir überzeugt sind, daß nur ein solcher Schritt den Raketenwettlauf unterbrechen und neue Verhandlungen möglich machen kann.Wir haben ein Zukunftsprogramm für die Dritte Welt vorgelegt, das Rüstungskosten einsparen und die Hilfe für die ärmsten Entwicklungsländer verstärken soll. Wir treten konkret für die Schaffung atomwaffenfreier Grenzstreifen und für den Abbau der chemischen Waffen ein. Wo sind Ihre vergleichbaren Initiativen, Herr Bundeskanzler?
Bitte — es ist eine Bitte —, wenden Sie Ihre Kraft auf diese Initiativen und nicht darauf, unser Verhältnis zum Bündnis zu diffamieren. Willy Brandt und Egon Bahr haben einmal mehr klargestellt, daß wir unseren Platz im Bündnis haben und um unsere Auffassungen innerhalb des Bündnisses kämpfen. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.
Hochgemut waren Sie nicht nur in bezug auf die Friedenssicherung, hochgemut waren Sie insbesondere nach dem Gipfel von Fontainebleau auch in bezug auf Europa. Damals hieß es — ich zitiere Sie wörtlich, Herr Kollege Stoltenberg —: „Eine lange schwelende Krise in der Frage der besonderen finanziellen Forderung Großbritanniens ist bereinigt, nicht nur für ein oder zwei Jahre, sondern für die kommende Zeit." Was ist denn davon geblieben? Der finanzielle Streit ist doch bereits wieder in voller Schärfe aufgebrochen. Realistische Ansätze zu einer wirksamen europäischen Politik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zur Förderung der technologischen Entwicklung im europäischen Rahmen sind doch weit und breit nicht zu erkennen, und die Verhandlungen über den Beitritt Spaniens und Portugals drohen in kleinlichem Streit hängen-zubleiben.Was bleibt, Herr Bundeskanzler, ist etwas ganz anderes: nämlich eine zusätzliche Belastung des Bundeshaushalts durch nationale Ausgleichsmaßnahmen in Höhe von über 20 Milliarden DM allein in den Jahren von 1984 bis 1991 — eine Summe, die höher ist als das, was wir zu zahlen gehabt hätten, wenn diese verfehlte Agrarpolitik auf europäischer Ebene weitergelaufen wäre. Das ist weiß Gott kein Glanzstück europäischer Politik.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Koalition, wir sind über diese Fehlschläge undRückschläge nicht glücklich. Uns wäre eine positivere Bilanz im Interesse unseres Volkes lieber. Wir sagen auch nicht zu allem, was Sie tun und vorschlagen, aus Grundsatz nein. Vielmehr stimmen wir zu, wenn das aus unserer Verantwortung zu rechtfertigen ist. Wir wissen, in einer stabilen Demokratie muß die Opposition auch zu Gemeinsamkeit, zu Kooperation fähig sein. Wir haben das zwischen 1969 und 1982 oft genug vermißt, als unsere Rollen vertauscht waren; bei der Ost- und Deutschlandpolitik beispielsweise, der Sie über ein Jahrzehnt verbissenen Widerstand entgegengesetzt haben. Was hätten wir mehr für die Menschen in der DDR erreichen können, für Berlin, für die Stabilität in Europa, für den Frieden, wenn Sie diesen wütenden Widerstand nicht erst 1983, sondern schon 1973 aufgegeben und sich auf den Boden der Tatsachen gestellt hätten?
Wir haben es vermißt bei unseren Anstrengungen zum Schutz der Umwelt, die Sie jahrelang bei den kleinsten Vorschlägen nicht etwa unterstützt, sondern als industriefeindlich und systemzerstörend und arbeitsplatzvernichtend diffamiert haben, um jetzt unsere Politik scheinheilig im Widerspruch zu damals als nicht entschieden, nicht hart und nicht durchgreifend genug zu kritisieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben die Kraft zur Gemeinsamkeit, wo sie erforderlich ist. Wir haben das anläßlich der Wahl des gegenwärtigen Bundespräsidenten bewiesen, und von dieser Haltung lassen wir uns auch durch noch so polemische Beschimpfungen nicht abbringen. Diese Beschimpfungen verraten im übrigen nur Ihren Mangel an Argumenten und Ihre inhaltliche Schwäche.
Damit wir uns in der Frage der Gemeinsamkeit, meine Herren von der Koalition und Herr Bundeskanzler, richtig verstehen: Gemeinsamkeit zwischen Opposition und Regierung schulden wir da, wo sie im nationalen Interesse liegt, nicht der Bundesregierung oder Ihnen, Herr Bundeskanzler, wir schulden diese Gemeinsamkeit unserem Volk.
Und diese Gemeinsamkeit ist auch keine Bring-schuld, die wir als Opposition pflichtschuldigst bei Ihnen auf Anforderung abzuliefern haben, sondern sie ist eine politische Chance, um deren Ausfüllung und deren Gestaltung, um deren Nutzung im Interesse der Republik Sie sich als Bundeskanzler zu bemühen haben. Das ist Ihres Amtes.
Im Hinblick darauf und im Hinblick auf die bei Ihnen immer wieder ausbrechenden Neigungen zur
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984 6073
Dr. VogelAusgrenzung und zur Ausschließung von Gruppen aus der Gemeinschaft besteht Anlaß, daran zu erinnern: Der Bundeskanzler ist nach der Verfassung unserer Republik der Bundeskanzler des ganzen Volkes und nicht der Kanzler eines Teiles unseres Volkes gegen den anderen Teil unseres Volkes.
Deshalb unterstützen wir eine Europapolitik, die auf ein rascheres Zusammenwachsen der Gemeinschaft, auf den Beitritt Spaniens und Portugals, auf die Stärkung der Rechte des Parlaments und eine stärkere Selbstbehauptung Europas insgesamt abzielt. Wir unterstützen die Initiative, die Sie, Herr Kollege Genscher, gerade in den letzten Tagen in dieser Richtung ergriffen haben.Deshalb waren wir unbeschadet der konkreten Kritik im Detail bereit, eine Deutschlandpolitik der Kontinuität mitzuverantworten, und wir sind das auch heute noch. Was Sie dazu am Mittwoch gesagt haben, hat allerdings, Herr Bundeskanzler, im unklaren gelassen, ob Sie selbst eine solche Kontinuität und in dieser Kontinuität Gemeinsamkeit überhaupt wollen. Ihre Erwiderung auf die Rede Willy Brandts war übrigens nach Form und Inhalt strekkenweise — da bringe ich, glaube ich, nicht nur den Eindruck meiner Freunde zum Ausdruck — geradezu peinlich.
Die Beiträge der Kollegen Genscher und Barzel und sogar der Beitrag des Kollegen Rühe, dem ich weiß Gott nicht in allen Punkten zustimme, haben sich davon wohltuend abgehoben.
Warum, Herr Bundeskanzler, stellen Sie die Gemeinsamkeit eigentlich in Frage? Warum polemisieren Sie, wo ernsthafter Meinungsaustausch notwendig wäre? Warum, Herr Bundeskanzler, suchen Sie zu einem so elementaren Thema, zu einer Frage von solchem Gewicht nicht ein einziges Mal das persönliche, gegebenenfalls auch vertrauliche Gespräch mit der Opposition, wenn Fragen von solcher Bedeutung auf der politischen Tagesordnung stehen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was kritisieren Sie eigentlich? Wer hat Sie denn in der kritischen Phase vor der Entscheidung über den Honecker-Besuch unterstützt, und wer hat Ihnen Knüppel zwischen die Beine geworfen? Das war doch Herr Dregger. Oder wollen Sie wirklich im Ernst behaupten, seine umstrittenen Äußerungen hätten den Zweck gehabt, das Zustandekommen des Besuchs zu fördern, zu erleichtern und möglich zu machen? Das werden doch selbst Sie nicht sagen.
Wollen Sie mit dieser Polemik in Berlin vor Ihrer Fraktion und Herr Dregger mit seiner Polemik Fehler und Versäumnisse im Vorfeld der nicht zustande gekommenen Besuche, die Ihnen ja Ihre eigenen Freunde bestätigen, überdecken, oder geht es Ihnen darum, die Richtung der Deutschlandpolitik grundlegend zu verändern und die von Ihnen so oft verbal betonte Kontinuität zu beenden? Haben Sie in Wahrheit schon vor denen — und die gibt es j a weiß Gott in Ihrer eigenen Partei und in Ihrer Fraktion — kapituliert, denen die ganze Richtung nicht paßt, die wieder zurück in die Zeit vor Ihrer deutschlandpolitischen Wende wollen, denen schon die Kredite ein Anlaß zum Aufstand waren? Eines wäre soschlimm wie das andere.•Uns werden Sie jedenfalls nicht beirren. Wir werden an der Kontinuität der Deutschlandpolitik auch dann, wenn Sie sich von ihr entfernen, festhalten, wie der Kollege Brandt es am Mittwoch in seiner eindrucksvollen Rede dargelegt hat.
Noch eines — und ich habe das auch und insbesondere aus der Rede des Kollegen Barzel herausgespürt —: Bei unserer Debatte über diese Fragen sollten wir immer daran denken, daß uns auch die Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik zusehen und zuhören. Diese Menschen haben ein Recht darauf, daß wir ihre Interessen im Auge behalten, und sie sagen uns doch bei jeder Gelegenheit und bei jedem Kontakt — die Berliner wissen das vielleicht noch besser als andere —: Setzt die Deutschlandpolitik der Vernunft, setzt die Politik Willy Brandts und Helmut Schmidts fort, tut, was ihr könnt, um Spannungen zu vermindern, und tut es so weit wie möglich gemeinsam, nicht im kleinkarierten häuslichen Streit!
Gerade deshalb, Herr Bundeskanzler, ist die Enttäuschung über die Töne, die Sie und Herr Dregger in den letzten Tagen in die Debatte gebracht haben, und die Enttäuschung über die Entwicklung drüben unter diesen Menschen besonders groß.Zusammenarbeit habe ich Ihnen und allen Bundestagsfraktionen im Namen meiner Fraktion auch auf einem anderen wichtigen Gebiet angeboten, nämlich auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Wenn es wahr ist, daß wir drauf und dran sind, nicht nur unsere Lebensgrundlagen, sondern auch die der kommenden Generationen zu zerstören, dann auf diesem Gebiet. Die Gefahr wächst. Nach dem Ergebnis der amtlichen Waldschadenserhebung — es handelt sich um amtliche Zahlen, nicht um Horrorzahlen — waren 1982 knapp 8 % der Waldflächen im Bundesgebiet geschädigt, ein Jahr später aber annähernd 35 %. Die gegenwärtig laufende Erhebung, wird für 1984 aller Voraussicht nach eine weitere Zunahme der Schäden an unseren Wäldern ergeben.
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6074 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984
Dr. VogelDiese Herausforderung verlangt unkonventionelle Antworten, und sie verlangt, daß gehandelt wird. Wir sind dazu bereit. Wir haben vorgeschlagen, daß die Parteien und die Fraktionen — alle Parteien, alle Fraktionen des Deutschen Bundestages — unverzüglich interfraktionelle Gespräche mit dem Ziel aufnehmen, alsbald ein Bündel konkreter und entschiedener Maßnahmen zur Bekämpfung des Waldsterbens zu verabschieden. Die Einführung abgasentgifteter Personenkraftwagen ab 1. Januar 1986 und steuerliche Anreize zur Umrüstung bereits zugelassener Fahrzeuge sollten zu diesen Maßnahmen ebenso gehören wie die Beseitigung bereits eingetretener Umweltschäden im Rahmen einer großen Anstrengung, etwa nach dem Modell des von uns vorgeschlagenen Sondervermögens ,,Arbeit und Umwelt", und wie die Aufnahme einer Bestimmung ins Grundgesetz, die den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Staatsziel festlegt.Sie, Herr Bundeskanzler, haben in Ihrer Antwort auf meinen Vorschlag auf Ihre enorme Arbeitsbelastung hingewiesen. Man sollte sich, so schlagen Sie vor, deshalb erst Anfang November über einen Termin für die zweite Novemberhälfte verständigen.
Ich begrüße, daß Sie unseren Vorschlag aufgreifen. Herr Kollege Mischnick hat dies inzwischen auch für die FDP-Fraktion getan. Aber ich bedaure diese Verzögerung. Ich meine, die Sache duldet keinen Aufschub.
Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, die richtigen Prioritäten setzen, wenn Sie und die übrigen Fraktionen das wollen, kann der Bundestag das Paket noch in diesem Jahr auf den Weg bringen und einschließlich der Verfassungsänderung vor der nächsten Sommerpause verabschieden. Das wäre endlich ein konstruktiver Schritt, ein Schritt, der vielen in unserem Volk, die zu Recht tief besorgt sind, Hoffnung und Zuversicht gäbe, und es wäre auch ein Beweis für die Handlungsfähigkeit und Geschlossenheit des Parlaments in dieser Lebensfrage.
Wir lassen es auch auf anderen Feldern nicht bei der Kritik bewenden. Anders als Sie in Ihrer Oppositionszeit tragen wir konkrete Alternativen vor.Erstens. Das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt", das eine jährliche Finanzmasse von 18 Milliarden DM für Umweltschutzmaßnahmen verfügbar macht und auf diese Weise über eine Viertelmillion neuer Arbeitsplätze schaffen und zugleich der Umwelttechnologie, einer Wachstumstechnologie größten Ausmaßes, einen kräftigen Impuls geben würde.
Zweitens. Ein Programm zur Unterbringung der jungen Menschen, die trotz aller Anstrengungendes Handwerks und der Industrie keinen Ausbildungsplatz finden.Übrigens, lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit sagen: Wir versäumen keine Möglichkeit, denen, die sich in Handwerk und Wirtschaft anstrengen und helfen, unseren Dank und unsere Anerkennung zu sagen. Es ist schäbig, daß hier immer wieder der Eindruck erweckt wird, als wenn wir diese Leistungen nicht sähen und nicht würdigten. Ich danke insbesondere auch den Ausbildern, den Werkmeistern und allen, die diese Leistung erbracht haben.
Aber Ihre eigenen Argumente und Zahlen beweisen, daß dies nicht reichen wird. Deswegen verlangen wir eine Anstrengung, zu finanzieren aus den Mitteln, die bei der Bundesanstalt für Arbeit übrigbleiben.Drittens. Ein Gesetzentwurf zur Verbesserung der Gemeindefinanzen, der die Investitionskraft der Städte und Gemeinden 'schon im ersten Jahr um 4,5 Milliarden DM erhöhen würde.Viertens. Unsere Initiativen zur Behebung der krassesten sozialen Ungerechtigkeiten, insbesondere zur Rückgängigmachung der Leistungskürzungen, die Sie den Schwerbehinderten und den Arbeitslosen zumuten, obwohl die Kassen der Bundesanstalt für Arbeit prall gefüllt sind.Diese unsere Vorschläge sind realistisch, sie sind finanzierbar, sie steigern die Schuldenaufnahme nicht. Die Vorschläge zeigen: Wir sind nicht gegen, sondern für eine vernünftige Konsolidierung, wir sind nicht gegen, sondern für eine vernünftige Fortentwicklung unserer wirtschaftlichen Strukturen. Wir sind für eine vernünftige Förderung der modernen Technologie, die wir ja gerade auch zum Schutze unserer Umwelt brauchen und auf die wir schon deshalb nicht verzichten können.
Wir wissen, daß dies alles nur durch eine solidarische Anstrengung unserer Gesellschaft, nur in einem Klima der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens erreichbar ist, des Friedens nach außen, nach innen und auch des Friedens mit unserer Natur.Sie, Herr Bundeskanzler, haben die Feststellung der „Financial Times" zitiert, daß die Regierung Kohl nahezu alles richtig gemacht hat.
Mag j a sein, daß die „Financial Times" und ein nicht unerheblicher Teil ihrer deutschen Abonnenten und Leser das so sehen, und für diesen Personenkreis hat die Regierung Kohl ja wirklich eine Menge getan.
Aber uns, Herr Bundeskanzler, kommt es im Gegensatz zu Ihnen nicht in erster Linie auf das Urteil dieses Personenkreises an; uns geht es um die Arbeitnehmer, um die Rentner, um die Arbeitslosen,
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Dr. Vogelum die Behinderten und um all die, deren Meinungen und deren Interessen nicht in der „Financial Times" zu finden sind
und die im Gegensatz zu ihr nicht nur wissen, sondern die tagtäglich spüren, daß die Regierung Kohl nicht fast alles richtig, sondern vieles, viel zu vieles falsch gemacht und noch mehr Notwendiges unterlassen hat.
Kämpfen Sie, Herr Bundeskanzler, ruhig weiterhin um die Zustimmung der „Financial Times", wir kämpfen für die Interessen der breiten Schichten unseres Volkes.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Carstens.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Während dieser Debatte muß man sich immer wieder darüber wundern, mit welcher Kaltschnäuzigkeit SPD-Kollegen Vorgänge kritisieren, die sie selbst zumeist verursacht haben.
Sie tun so, als hätten sie mit all den Problemen nichts zu tun. Herr Kollege Vogel, ich darf Sie daran erinnern, daß es eine SPD-geführte Bundesregierung gewesen ist, die vor zwei Jahren erbärmlich gescheitert ist und deren schlimme Folgen wir nun beheben müssen.
Sie sind die Verantwortlichen für diese Fehler und Versäumnisse. Man kann sich in der Tat darüber wundern, was in all den Tagen hier an Vorwürfen auf uns herabgehagelt ist. Ich denke z. B. an die Notwendigkeit, den Katalysator einzuführen.
Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit für den Redner. Es ist drinnen und draußen Platz genug für andere Veranstaltungen.
Wenn ich an die Einführung des Katalysators denke, dann möchte ich darauf hinweisen, daß es zu der Zeit, als Sie regiert haben, in Deutschland kaum bekannt war, daß es Katalysatoren gab, geschweige denn, daß man diese in Autos einbauen kann, um diese mit bleifreiem Benzin zu betreiben. Nun hörten wir zwar von Herrn Hauff, daß es schon 1971 ein Regierungspapier gegeben haben soll, welches vorgesehen hat, Katalysatoren einzuführen. Es ist aber zu nichts gekommen. In Japan und in den Vereinigten Staaten hat man diese neue moderne Entwicklung rechtzeitig eingeführt.
Meine Damen und Herren,
ich bitte noch einmal: Wir leisten — mit Ausnahme des Redners — unsere Arbeit normalerweise im Sitzen. Ich bitte um Aufmerksamkeit.
— Wenn Sie das im Haushaltsausschuß einmal eine Weile üben, werden Sie sehen, wie anstrengend das ist, Herr Kollege Walther.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Carstens.
Die Einführung von Katalysatoren hat also schon 1971 in einem Papier gestanden, aber passiert ist nichts. Jetzt versuchen wir, in dieser Frage die Spitze in Europa anzustreben, und Sie kritisieren uns deswegen. Das paßt nicht zusammen. Das kann nicht so stehenbleiben.Der Kollege Vogel meinte eben sagen zu sollen, daß es wichtig sei, das Waldsterben zu bekämpfen. Darüber sind wir uns einig. Als aber unsere Minister die Regierungsverantwortung übernahmen, mußten sie zunächst einmal ein Referat zur Bekämpfung des Waldsterbens einführen, weil es das bei Ihnen bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht gegeben hat.
Herr Kollege Hauff glaubt uns vorwerfen zu sollen, daß wir immer noch Schulden machen. Herr Apel bemängelt, daß wir staatliche Leistungen gekürzt haben. Nun müssen Sie sich erst einmal darüber verständigen, was Sie fordern wollen und was Sie bemängeln wollen. Eines kann ich Ihnen jedenfalls sagen: Wenn es Ihre miserable Politik nicht gegeben hätte, hätten wir jetzt weder staatliche Kürzungen noch Schulden in unserem Lande. Das ist das, was Sie zu verantworten haben.
Noch ein letztes Beispiel aus dem Bereich der innerdeutschen Verhandlungen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie der Herr Gaus im deutschen Fernsehen zum 39. Male mit der Aktentasche unter dem Arm zu sehen war und immer wieder sagen mußte: Es sind keine Ergebnisse zustande gekommen. — Nun will ich nicht unterschlagen, daß Sie auf diesem Gebiet hier und da durchaus auch Erfolge gehabt haben. Aber das, was unsere Bundesregierung jetzt in mehr als zehn Punkten vereinbart hat, gilt, ob Herr Honecker den Besuch nun verschoben hat oder nicht. Das bringt wirklich etwas für die Menschen in beiden Teilen Deutschlands.
Meine verehrten Damen und Herren, wir haben am Mittwoch erlebt, wie der Bundesfinanzminister den Haushalt 1985 in einer eindrucksvollen Rede eingebracht hat. Er hat für alle Teile unserer Bevölkerung sichtbar und hörbar zum Ausdruck ge-
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Carstens
bracht, daß der von uns eingeschlagene Weg der richtige Weg ist, um aus den Problemen herauszukommen. Die Kollegen von der SPD haben nun über zwei Tage Zeit gehabt, um sich mit den Fragen des Haushalts und der Finanzen zu beschäftigen. Mir ist in diesen zwei, drei Tagen vor allen Dingen aufgefallen, daß kaum jemand von der SPD überhaupt etwas Substantielles zu Haushalts- und Finanzfragen gesagt hat.
Es scheint bei der SPD eine gewisse Abneigung zu bestehen, über diese Fragen zu reden, weil Sie dadurch an all die Versäumnisse und Fehler der Jahre 1981, 1982 und auch der 70er Jahre erinnert werden.
Es ist schon klar — das braucht man mir nicht zu sagen —, daß in der ersten Lesung des Haushalts nicht nur über Haushalt und Finanzen gesprochen wird, sondern auch über allgemeine politische Fragen. Nur: Es ist in dieser Debatte doch schon deutlich geworden, daß der Kollege Glotz von der SPD recht hat, wenn er meint, er vermisse bei der SPD die Kompetenz in finanzpolitischen Fragen. Die Rede des Kollegen Vogel zu Beginn der Aussprache heute morgen hat gezeigt, daß der SPD nicht nur die finanzpolitischen Kompetenzen abhanden gekommen sind.
Ja, man spürt geradezu eine Abneigung bei der SPD, über Themen wie solide Haushaltspolitik, Stabilität des Geldes, Rückführung der Neuverschuldung, sorgsamer Umgang mit dem Geld der Bürger zu reden. Man möchte das totale Scheitern der SPD-Finanzpolitik möglichst schnell vergessen und in Vergessenheit geraten lassen. Doch, meine Damen und Herren, das können wir nicht zulassen, und das werden wir auch nicht zulassen.Trotzdem kann man schon darüber verwundert sein, mit welcher Unverfrorenheit Sie es wagen, uns vorzuwerfen, daß wir noch Schulden machen müssen, daß wir noch Zinsen zu zahlen haben. Ja, Sie sagen sogar, wir würden umverteilen von unten nach oben, wir würden den kleinen Mann benachteiligen. Wenn es jemals eine Umverteilung von unten nach oben gegeben hat und wenn jemals der kleine Mann benachteiligt wurde, dann zu Ihrer Regierungszeit.
Sie haben doch den kleinen Leuten über hohe Zinsen, hohe Inflationsraten sowie hohe Abgaben und Steuern das Geld förmlich aus der Tasche gezogen.
Wer hat denn z. B. das Kindergeld für arbeitslose Jugendliche gestrichen — nicht gekürzt, sondern gestrichen?
Wer überhaupt hat 1981 das Kindergeld für alle Familien — auch für die Bezieher schwacher Einkommen — gekürzt?
Die Union hat Einkommensgrenzen eingezogen; die SPD hat das Kindergeld bei allen gekürzt, ob arm, ob reich. Das war Ihre Politik.
Wenn es um Umverteilung von unten nach oben geht, dann denken Sie bitte an die Zeit der hohen Zinsen, als 12%, 13%, 14 % für aufgenommene Kredite und Darlehen gezahlt werden mußten. Ich frage Sie: Wer hat denn die Zinsen bezahlt, und wer hat die Zinsen bekommen? War es nicht der kleine Mann, der die Zinsen bezahlen mußte,
und hat nicht derjenige die Zinsen bekommen, der schon Geld hatte? Das war die größte Umverteilung, die es je in Deutschland gegeben hat.
Arbeiter, die in den 60er, 70er Jahren ein Haus gebaut haben, junge Familien, die sich eine Wohnung eingerichtet haben, Landwirte, Handwerker und sonstige Gewerbetreibende haben die Zinsen bezahlt. Sie sind in dieser Hochzinsphase in große Schwierigkeiten und Probleme geraten. Und Sie werfen uns vor, wir würden von unten nach oben umverteilen! Wenn wir eine Umverteilung von unten nach oben betreiben — das mag sein —, dann in dem Sinne, daß wir den Versuch unternehmen, all diejenigen, die in Ihrer Regierungszeit einkommensmäßig von oben nach unten gekommen sind, langsam wieder nach oben kommen zu lassen.
Und nun nehmen Sie die hohe Inflationsrate Ihrer Zeit. Das ist die Geldentwertungsrate. Dieses Wort sagt eigentlich deutlicher aus, worum es geht. Hierdurch wird niemand mehr in Mitleidenschaft gezogen als der kleine Mann, die Familien, die Rentner, die Arbeitslosen. In Zeiten hoher Inflationsraten sind die Gewinner immer diejenigen, die wertbeständiges Vermögen haben — nicht der kleine Mann; der ist der Verlierer. Das sind Ihre sozialen Ungerechtigkeiten, die viel mehr zuschlagen und wirken als irgendeine einzelne Maßnahme, die man im staatlichen Leistungsbereich vielleicht eingeführt hat.
Daran muß immer wieder erinnert werden.
Dazu zitiere ich doch noch einmal einige Zeitungsüberschriften aus dem Jahr 1981. Ich nehme das Jahr 1981, weil es danach bis 1982 von Monat zu Monat noch schlechter wurde und immer wieder das übertroffen wurde, was hier schon steht. Im Mai 1981 war in der „Neuen Rhein-Zeitung" zu lesen: „Der Bundesregierung wachsen die Finanzprobleme über den Kopf".
Die „Stuttgarter Nachrichten" schrieben: „PolitischeBankrotterklärung mit geschönten Ziffern". Die
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1 „Kölnische Rundschau" schrieb: „Gefahr der Finanzkatastrophe". Und die „Frankfurter Rundschau" schrieb: „Tricks, Manipulationen, falsche Ansätze und Gesundbeterei". Das war damals der Kommentar in den Zeitungen, als es um Ihre Politik ging. Und das muß vor der Geschichte unseres Landes und auch vor der Bevölkerung unseres Landes einfach festgehalten werden. Wir müssen einmal klären, wer für das verantwortlich ist, was wir heute beklagen, und wir müssen aus den Fehlern, die damals gemacht worden sind, lernen, damit sie nicht wiederholt werden und damit wir die richtige Politik machen, um den Leuten zu helfen, statt sie noch weiter in die Misere hineinzuführen. Und dabei sind wir jetzt.
Es ist nicht einfach, aus dieser tiefgreifenden Krise herauszukommen. Wir müsen viele Schwierigkeiten überwinden. Das will ich gar nicht verheimlichen. Die strukturellen und die wirtschaftlichen Verwerfungen sind fest und tief. Doch wir kommen langsam, aber sicher aus dem Schlamassel heraus, und gar nicht mal so langsam. Es geht zwar nicht alles so schnell und so zügig wie vielleicht in den 50er oder 60er Jahren. Damals gab es andere Voraussetzungen. Aber die neuesten Entwicklungen zeigen, daß wir aus dem wirtschaftlichen Tal doch herauskommen und dabei sind, doch wieder in eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung hineinzukommen.Ich möchte nicht die SPD zu Rate ziehen, um unsere Politik zu begutachten, sondern einen Mann und ein Institut zitieren, von denen man annehmen kann, daß sie sich in den politischen Tagesstreit nicht einmischen, sondern neutral und objektiv sind. Der eine ist Professor Olaf Sievert, der Vorsitzende des Sachverständigenrats. Er sagte am 10. Juli 1984:Die Wiederherstellung des Vertrauens in die Solidität der Staatsfinanzen durch die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte war die Aufgabe, der die Wirtschaftspolitik nach dem Wechsel vom Herbst 1982 Vorrang gegeben hat, fast allein den Vorrang. Und der Erfolg bei diesem Ziel ist schlechthin spektakulär.Spektakulär!Das Direktorium des Internationalen Währungsfonds hat unseren Kurs und — das muß man im Zusammenhang erwähnen — den Kurs der Bundesbank charakterisiert:Optimale Kombination von konsequent betriebener fiskalischer Konsolidierungspolitik, flexibler Geldpolitik und systematischer Strukturanpassung.Auf gut deutsch heißt das: In Ordnung; macht so weiter.Und wir werden so weitermachen. Auf diesem Kurs werden wir weitermachen. Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP werden die Regierung dabei sicher nach Kräften unterstützen.
Unsolide Finanz- und Haushaltspolitik der SPD-geführten Bundesregierung stand am Beginn unserer wirtschaftlichen Misere. Entsprechend kann es heute ohne Konsolidierung der öffentlichen Haushalte keine dauerhafte Gesundung der Wirtschaft geben. Die Sanierung der Staats- und Sozialfinanzen, der Abbau der öffentlichen Neuverschuldung, die Rückführung des Staatsanteils, die Senkung der Abgabenlast sind deshalb die Kernpunkte unseres Konsolidierungskonzepts. Sie haben unmittelbare positive Rückwirkungen auf Kapitalmarkt und Zinsniveau, auf Spar- und Konsumverhalten, auf die Investitionsneigung und schließlich auch auf die Beschäftigung. Hieraus folgern wir: Nicht mehr Staat, sondern weniger Staat. Das ist die Richtschnur unserer Politik.Diese Politik ist nicht bequem. Sie ist aber die einzige Politik, die auf Dauer erfolgreich ist, erfolgreich für die Bevölkerung unseres Landes ist.Diese zurückhaltende Ausgabepolitik und der konsequente Abbau der Schuldenzuwächse waren eine entscheidende Voraussetzung für die Besserung der wirtschaftlichen Lage.Nun habe ich eben zu Beginn gesagt, daß es mit der wirtschaftlichen Aufwärtsentwicklung nicht ganz so schnell geht, daß wir aber vorankommen. Diese wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung — wir erwarten in diesem Jahr real 2,5% — stellt aber schon sicher, daß wir zur weiteren Konsolidierung der Staatsfinanzen keine weiteren Einschnitte in staatliche Ausgaben vornehmen müssen. Der Haushalt konsolidiert sich schon auf Grund der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung, wobei wir natürlich äußerst sorgsam und sorgfältig auch in den nächsten Jahren mit dem Geld der Steuerzahler, der Bürger umgehen müssen. Das heißt: Wir werden jeweils nur sehr, sehr wenig auf die Haushalte der Vorjahre drauflegen können, um hierüber zu einer massiven Rückführung der Neuverschuldung zu kommen. Diese Rückführung der Neuverschuldung ist im Prinzip die Grundlage für die wirtschaftlichen Erfolge der letzten Monate und Jahre gewesen. Das kann die SPD nicht verstehen. Vielleicht will sie es auch nicht verstehen.Der Kollege Roth sagte gestern, daß das, was wir gemacht hätten — er hat das an zehn Punkten nachweisen wollen —, zu einem Nachfrageausfall führen würde. Von daher könne sich die Wirtschaft gar nicht entwickeln. Nun ist aber die Konjunktur Mitte 1983 gerade auf der Nachfrageseite angesprungen. Die SPD steht davor, wundert sich und staunt. Aber es ist so gewesen. Womit hängt das zusammen? — Wenn man die Neuverschuldung des Staates zurückführt, kommt es nicht zu einem Nachfrageausfall. Denn wenn der Staat an das erarbeitete Sozialprodukt des ganzen Volkes geringere Ansprüche stellt, sinkt unweigerlich die Inflationsrate. Die Inflationsrate ist von über 5 % auf 1,7 % herabgesunken.
Hierüber gibt es bei den realen Einkommen und beider realen Nachfrage massive Zuwächse. Dasmacht in diesem Fall bei etwa 3 bis 4 % Rückgang
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Carstens
der Inflationsrate etwa 30 Milliarden DM zusätzlich an realer Nachfrage aus.
Hierüber ist es zum Wachstum von 2,5% bzw. zum Wachstum im Jahre 1983 gekommen.
Jetzt wird dieser Aufschwung — so ist es üblich, und so haben wir es uns gewünscht —, von Investitionen und von der Exportseite getragen. Auch das versteht die SPD nicht, denn wir haben j a keine Ausgabeprogramme beschlossen, und ohne diese erscheint es ihr kaum möglich, daß es zu dieser Reaktion der Wirtschaft kommt. Womit hängt der Erfolg zusammen?
Wenn wir bei den Preisen mit der Inflationsrate nach unten kommen, die Preise sich also stabilisieren, dann sind wir auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig, dann können wir exportieren, was wir in vielen Fällen nicht erreicht hätten, wenn die Kosten bei uns so wie in den Jahren vorher weiter gestiegen wären.Aber es hat auch andere Wirkungen. Wenn die Neuverschuldgung des Bundes — wie überhaupt der öffentlichen Haushalte — zurückgeht, dann sinken auch unweigerlich die Zinssätze in unserem Lande. Wenn die Zinsen sinken, stellt sich zweierlei ein: Einmal haben die Betriebe weniger Kosten und können Investitionen leichter finanzieren, was sie dann auch gerne tun. Zum anderen aber haben auch diejenigen, die bei niedrigeren Zinsen Geldwerte angelegt haben, nicht mehr ein so großes Interesse, Geldvermögen anzulegen. Sie überlegen sich, dieses Geld investiv anzulegen. Wir haben also diese doppelte Wirkung, nämlich daß die Betriebe besser investieren können und daß andere, die es bislang nicht als lohnend ansahen, zu investieren, nun doch investieren. Die Konjunktur trägt sich nun über Investitionen und Exporte. Alles das hat seinen Grund in dieser besseren Konsolidierungspolitik der Bundesregierung.
Die Bundesbank hat uns bei diesem Kurs sehr geholfen. Sie hatte durch unsere Politik die Möglichkeit, auf niedrigere Zinsen hinzuwirken. Diese Politik wurde abgesichert durch den Leistungsbilanzüberschuß, den unsere Wirtschaft erarbeitet hat. Ohne diesen Leistungsbilanzuüberschuß wäre es nicht möglich gewesen, uns von dem hohen Zinsniveau in den Vereinigten Staaten abzukoppeln.Daß wir hierbei auch ein bißchen Glück gehabt haben, will ich gerne zugeben. Wir hatten Glück, daß die Rohstoff- und Eniergiepreise weltweit zurückgingen. Meine Damen und Herren, weshalb sollte eine CDU/CSU-FDP-geführte Bundesregierung nicht auch einmal Glück haben? Dieses Glück kommt nicht nur uns zugute, sondern wenn wir niedrigere Benzin- und Ölpreise haben, dann kommt das der ganzen Bevölkerung zugute. Das istja auch etwas. Darüber freuen wir uns mit den Menschen in unserem Lande.
Die SPD hört nicht auf, immer wieder neue Ausgabenprogramme vorzuschlagen, neue staatliche Maßnahmen, neue Sonderausgaben, neue Sonderschulden, wie auch immer es heißen mag. Ich kann einfach nicht verstehen, daß die Ergebnisse der letzten 13 Jahre nicht bewirkt haben, daß die SPD von dem Unsinn Abstand genommen hat, in der Wirtschafts- und Finanzpolitik alles immer mehr über den Staat laufen zu lassen.
Sie hat einfach nicht den Mut, der Wirtschaft, dem Volk, dem Geist unserer Bürger zu vertrauen. Aber darauf kommt es an. Wenn wir dem Geist unserer Bürger nicht vertrauen, daß sie arbeiten können und arbeiten wollen und daß sie in der Lage sind, das, was sie im Kopf haben, was an Geist vorhanden ist, wirtschaftlich auch umzusetzen, dann werden wir nie Erfolg haben. Aber weil wir darauf vertrauen, haben wir diesen Erfolg und werden ihn auch weiterhin haben.
Ich möchte noch zu einem Punkt kommen, der mir wie allen hier im Hohen Hause am Herzen liegt, den man auch den Diskussionen der letzten Tage entnehmen konnte; das ist das Thema Arbeitslosigkeit. Sicher stimmt es, daß wir in diesem Jahr nicht zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit als solcher kommen werden. Zunächst aber möchte ich einmal mit dem Argument aufräumen, daß wir 1,8 Millionen Arbeitslose übernommen hätten. Meine Damen und Herren, im Oktober 1982 gab es zwar 1,8 Millionen Arbeitslose, aber es war doch jedem in unserem Lande klar, daß es auf Grund der Misere, in der wir steckten, im Winter weit über 2 Millionen sein würden. Das sind doch nicht diejenigen Arbeitslosen, die wir mit unserer Politik verursacht haben, sondern diese Arbeitslosen sind durch Ihre vorhergehende Politik entstanden.
Aber unabhängig davon geht es in erster Linie darum, daß wir von der Arbeitslosigkeit herunterkommen. Die Vorhaltungen helfen uns ja nicht weiter. Ich habe es auch nur gesagt, um klarzustellen, wer die Verantwortung trägt. Wir wollen uns jetzt gemeinsam bemühen, von der Arbeitslosigkeit herunterzukommen.
Unser Fraktionsvorsitzender Dr. Dregger hat gestern in einer sehr eindrucksvollen Rede auf das Beispiel der Vereinigten Staaten hingewiesen. Ich will noch einmal kurz auf diesen Punkt zurückkommen.
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Carstens
Es ist unbestritten, daß in den Vereinigten Staaten von 1968 — ich meine nicht nur die Reagan-Zeit; die ist besonders eindrucksvoll —
bis 1983/84 etwa 25 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen wurden.
Das sind soviel Arbeitsplätze, wie wir in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt haben. Das ist in diesem Zeitraum von 15 Jahren in Amerika dazugekommen,
interessanterweise ohne daß die Amerikaner ein höheres Wirtschaftswachstum gehabt hätten als wir. Das Wirtschaftswachstum war in den Vereinigten Staaten in dieser Zeit niedriger als bei uns.
Also muß es j a wohl an etwas anderem liegen, daß es in Amerika neue Arbeitsplätze gegeben hat und bei uns nicht. Ich bin der Sache einmal nachgegangen.Empirische Analysen — nicht irgendeine politische Behauptung, sondern empirische Analysen — belegen,
daß vom Wachstum der Produktion schon bei geringen Raten dann Impulse auf die Beschäftigung ausgehen, wenn der Zuwachs der Reallöhne hinter dem Zuwachs des realen Wirtschaftswachstums zurückbleibt. Die positive Differenz ist also ausschlaggebend, nicht so sehr das Niveau. Mit diesem ,Gedanken sollten wir uns einmal näher befassen. Ich meine nicht nur jetzt, nicht nur heute, sondern ich möchte alle Wirtschaftswissenschaftler, alle Wirtschaftsjournalisten bitten, dieses Thema in den nächsten Wochen und Monaten zur Vorbereitung der anstehenden Verhandlungen aufzugreifen, die für die Weiterentwicklung in unserem Lande und auch für die weitere Entwicklung der Arbeitslosigkeit sehr bedeutsam sind.Wenn man voraussetzt, daß es bei einem Gleichklang des Lohn- und Leistungsverhältnisses bei der gegebenen Beschäftigungslage bleibt, stellen sich schon bei geringen Ausschlägen zugunsten des Leistungsverhältnisses nach relativ kurzer Zeit unweigerlich neue Arbeitsplätze ein, nimmt die Zahl der Beschäftigten zu.Wir haben zur Zeit zu gewissen Notmaßnahmen gegriffen — ich halte sie gar nicht für schlecht —, z. B. zur Vorruhestandsregelung.
Herr Abgeordneter Carstens, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Walther?
Ja.
Herr Kollege Carstens, nachdem Sie eben behauptet haben, auf Grund empirischer Analysen stehe unbezweifelbar fest, daß die Zahl der Beschäftigten unweigerlich steige, wenn der Zuwachs der Reallöhne unter dem realen Zuwachs des Wirtschaftswachstums liege, frage ich Sie, ob Ihnen bekannt ist, daß in den letzten drei Jahren der reale Zuwachs der Löhne und Gehälter unter dem realen Zuwachs des Wirtschaftswachstums gelegen hat und trotzdem die Zahl der Beschäftigten bei uns zurückgegangen ist.
Herr Kollege Walther, das ist ein großer Irrtum. Wir haben leider auf Grund der wirtschaftlichen Entwicklung einen Rückgang der Reallöhne gehabt. Aber wir haben in den letzten Jahren gar kein wirtschaftliches Wachsturn gehabt, sondern eine Schrumpfung der Wirtschaft.
Wenn wir ein wirtschaftliches Wachstum gehabt hätten — bei dem Ansteigen der Löhne, wie wir es zu verzeichnen hatten —, hätten wir auch neue Arbeitsplätze gehabt. Aber es gab eine wirtschaftliche Schrumpfung. Diese Schrumpfung hat es nicht zugelassen, daß neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten.Wir haben zu gewissen Notmaßnahmen gegriffen, wie ich eben sagte, z. B. bei der Vorruhestandsregelung. Ich meine schon, es ist besser, jemandem, der schon 40 Jahre gearbeitet hat, vorzeitig die Rente zu zahlen oder den Vorruhestand zu finanzieren, als einem jungen Zwanzigjährigen Arbeitslosengeld zu zahlen. Aber selbst diese Vorruhestandsregelung schafft ja keine neuen Arbeitsplätze. Mit ihr wird zwar Arbeitslosigkeit abgebaut, aber die Zahl der Beschäftigten nimmt nicht zu. Auch wenn wir ausländischen Arbeitnehmern einen Anreiz geben, wenn sie wollen, freiwillig wieder in ihr Heimatland zurückzukehren, kann damit wohl Arbeitslosigkeit hier abgebaut werden, aber die Zahl der Beschäftigten nimmt dadurch nicht zu.Wie immer man es wendet und dreht, man kommt stets wieder auf den einen Punkt zurück. Entscheidend ist das Lohn-Leistungs-Verhältnis. Damit müssen wir uns beschäftigen.Viele haben Angst vor Rationalisierungsmaßnahmen. Einige glauben, dieses Problem mit einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit meistern zu können. Die beiden Punkte Rationalisierung und technischer Fortschritt auf der einen sowie die Zahl der Stunden, die man in der Woche arbeitet, auf der anderen Seite haben kaum etwas zu tun mit der Zahl der Beschäftigten. Diese beiden Punkte entscheiden in erster Linie über den Wohlstand, der in einem Lande vorhanden ist. Über die Zahl der Beschäftigten entscheidet in erster Linie die Gesamtheit der Arbeitskosten. Wenn wir eine blühende Wirtschaft haben, wenn die Wirtschaft wächst, wenn man Erfolg hat, wenn wir einen Zugewinn haben, dann können wir auch hohe Reallöhne zahlen. Aber wenn dieser Erfolg nicht da ist und man trotzdem versucht, zu höheren Reallöhnen zu kom-
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Carstens
men, dann geht es entweder in die Inflation oder in die Arbeitslosigkeit.
Bei uns war die Reihenfolge: zunächst Inflation und dann Arbeitslosigkeit. Wir müssen uns überlegen, wie wir mit diesem Punkt fertig werden. Hier sind alle Bevölkerungsgruppen aufgerufen, uns dabei zu helfen. Da kann sich niemand abseits stellen. Mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, mit kreditfinanzierten Programmen ist da nichts getan. Ich schlage für die CDU/CSU-FDP-Haushaltsgruppe vor, auf diesen Punkt bei nächster Gelegenheit zurückzukommen.
Das muß diskutiert werden. Wir sollten alle Wirtschaftswissenschaftler, Journalisten und Politiker bitten, sich in diese Diskussion einzuschalten. Denn man merkt es förmlich bei jeder Debatte, daß alle das Anliegen vor Augen haben, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Aber da muß man wissen, wie man das machen kann, und dann auch bereit sein, das auf breiten Schultern zu tragen, um gemeinsam zum Erfolg zu kommen.
Wenn wir das schaffen, wenn wir diese gemeinsame Lösung bekommen, dann werden wir in den nächsten Jahren von der Arbeitslosigkeit auch herunterkommen, sicher und gar nicht einmal so langsam.Da ich sehe, Herr Präsident, daß die Warnleuchte hier schon aufleuchtet, möchte ich meine Rede mit der Bemerkung beenden, daß ich persönlich recht zuversichtlich bin. Die Fakten und Daten sind recht positiv. Ich bin der Meinung, daß wir noch in dieser Wahlperiode für jedermann sichtbar machen können, daß unsere Politik insgesamt erfolgreich ist, daß die Bevölkerung keine Befürchtung zu haben braucht, wiederum in einen Strudel nach unten hineinzukommen. Wir brauchen natürlich die Mithilfe der Bevölkerung. Das ist völlig klar. Wir brauchen auch einen gewissen Optimismus. Wir brauchen eine gewisse Zuversicht. Aber das, was die jetzige Bundesregierung beschlossen hat, beschließt und weiter beschließen wird, führt in diese Richtung: daß es zu mehr Vertrauen kommt, zu mehr Zuversicht, daß sich die Bevölkerung auf die Richtigkeit der Beschlüsse verlassen kann, die die Bundesregierung von Jahr zu Jahr faßt.Ich höre soeben, Herr Präsident, daß ich etwas mehr Redezeit habe. Wenn das stimmt, will ich mich gerne darauf einstellen.
Ihre Fraktion, Herr Kollege, hat die Redezeit verlängert.
Nachdem ich die allgemeine Politik etwas gestreift habe, möchte ichsehr gern zum Ausdruck bringen, was die gemeinsame Haushaltsgruppe von CDU/CSU und FDP in den nächsten Wochen in Sachen Finanzen und Haushalt vorhat zu tun.
Bei dieser Gelegenheit darf ich vielleicht darauf aufmerksam machen, daß es eine außergewöhnlich gute Zusammenarbeit zwischen CDU/CSU und FDP gibt, vor allen Dingen auch in der Haushaltsgruppe.
Ich möchte mich bei den Kollegen der FDP ganz herzlich bedanken.
Die Fraktionen und wir in den Gruppen werden diese Politik der Bundesregierung unterstützen. Wir werden allerdings versuchen, diese Politik noch weiter zu akzentuieren. Hierzu möchte ich feststellen:Erstens. Konjunkturpolitische Hektik im Stil der SPD wird es bei uns nicht geben. Es wird keinen Rückfall in Programmaktionismus, neue Schulden und steigende Abgaben geben.
Zweitens. Die Konsolidierung des Bundeshaushalts wird fortgesetzt. Sie ist das Kernstück unseres finanz- und wirtschaftspolitischen Erneuerungsprogramms. Wir werden versuchen, die geplante Neuverschuldung von 24 Milliarden DM noch weiter nach unten zu führen. Wir wissen sehr wohl, daß das nicht sehr einfach ist, da der Finanzminister, der einen Haushaltsentwurf vorlegt, selbst schon sehr großen Wert darauf legt, die Lücken zu finden, die noch vorhanden sind. Ich bin aber ziemlich sicher, daß wir noch einiges finden werden. Wieviel, kann man nicht vorhersagen.
Aber wir werden noch einiges finden. Das kann ich sicher sagen.
Wir müssen die Neuverschuldung auch noch weiter abbauen. Denn 24 Milliarden DM Neuverschuldung — trotz Abführung der Bundesbankgewinne — sind auf Dauer zuviel. Deswegen werden wir mit dem Geld der Bürger nicht nur in diesem Jahr sparsam umgehen müssen, sondern werden das auch in den kommenden Jahren weiter so tun müssen.Drittens. Haushaltspolitische Disziplin ist aber nicht mit Stillstand der Politik gleichzusetzen.
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Denn gerade durch diese Konsolidierungspolitik sind wir in der Lage gewesen, schon 1986 etwas für die Familien zu tun — nicht nur etwas, sondern sehr viel, das meiste, was je für die Familien getan wurde.
Bei der Gelegenheit, Herr Kollege Vogel, darf ich vielleicht darauf aufmerksam machen, daß Sie und Ihre Kollegen in diesen zwei, drei Tagen zwar über viele Punkte gesprochen haben, aber zur Familie hat keiner Ihrer Redner von diesem Pult aus etwas gesagt.
Wenn wir nicht konsolidiert hätten, wäre es unmöglich gewesen, schon ab 1986 den ersten Schritt bei Steuersenkungen zu tun, den zweiten Schritt dann 1988. Wahrscheinlich wären weitere Steuererhöhungen und weitere Abgabeerhöhungen nötig gewesen. Deswegen gehen wir nach dem Motto vor: sparen und gestalten. Das soll auch das Motto in den nächsten Jahren sein.Viertens. Haushaltspolitische Disziplin bedeutet auch, an den einmal getroffenen Entscheidungen festzuhalten. Es besteht meines Erachtens überhaupt kein Anlaß, an der vor drei Monaten gefundenen Einigung über Volumen und Zeitpunkt der steuerlichen Entlastung zu rütteln und darüber neu nachzudenken. Ich bin überzeugt, daß diese Entlastung, so wie sie beschlossen worden ist, ihre konjunkturpolitische Wirkung nicht verfehlen wird.Fünftens. Die Bundesanstalt für Arbeit signalisiert für die nächste Zeit eine erfreuliche Besserung ihrer Finanzlage und rechnet mit Überschüssen. Wir sollten uns heute darauf festlegen, dieses Geld nicht voreilig zu verteilen. Zur Zeit sind das Prognosen; das mag so sein. Aber ordentliche Haushälter entschließen sich erst dann dazu, mit Geld etwas zu machen, wenn sie sicher wissen, daß es vorhanden ist. Deswegen sage ich hierzu: Erst einmal abwarten, sehen, was dabei herauskommt! Zur Zeit gibt es keinen Handlungsbedarf.
Sechstens. Insgesamt werden unsere Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik die Rahmenbedingungen für eine volle Entfaltung der Auftriebskräfte auch künftig garantieren. Das ist der wichtigste Beitrag, den wir zum Abbau der Arbeitslosigkeit leisten können; ich habe das soeben an Hand von Einzelbeispielen nachgewiesen.
Wir alle können unseren Beitrag dazu leisten, daß wir ein Wirtschaftsklima bekommen, in dem es weiter aufwärts geht, in dem dann auch die Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann: die Unternehmer mit noch mehr Investitionen, die Tarifpartner mit, wie ich soeben gesagt habe, verantwortungsvollen Tarifabschlüssen und die Kreditwirtschaft mit günstigen Zinskonditionen. Der Staat wird die öffentlichen Haushalte weiter zielstrebig konsolidieren und die steuerlichen Entlastungen, so wie im Julibeschlossen, verwirklichen. Wir werden die Gründung neuer Existenzen verstärkt fördern, wir werden die Bedingungen für die Bildung und Bereitstellung von Risikokapital verbessern. Dazu sollen Gesellschaften, die anspruchsvolle Investitionen auf dem Gebiet der Forschung, der technischen Entwicklung und ihrer Anwendung fördern wollen, rechtlich und steuerlich begünstigt werden. Rechtsnormen, die Wirtschaft und Betriebe vielfach unnötig einengen und behindern, werden wir entrümpeln. Das reicht von der überfälligen Bereinigung der Statistik bis zur wesentlichen Vereinfachung der Baurechtsnormen.Die Privatisierung öffentlicher Beteiligungen und Dienstleistungen wird vorangetrieben. Dazu werden wir in nächster Zukunft ein Gesamtkonzept vorlegen, meine Damen und Herren, noch in diesem Jahr. Das sage ich all denen, die darauf warten und gespannt sind, was in diesem Gesamtkonzept wohl stehen mag.
Vorruhestand, Rückkehrhilfen für ausländische Arbeiter und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit sind wesentliche Bestandteile einer konstruktiven Arbeitsmarktpolitik und werden den Arbeitsmarkt in den nächsten Monaten zunehmend entlasten. Aber auch arbeitsrechtlich wollen wir die Entscheidung, Arbeitslose einzustellen, leichter machen. Mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz werden Barrieren abgebaut. Denn manches von dem, was Schutz für die ist, die Arbeit haben, ist zugleich Hindernis für die, die ohne Arbeit sind. Zeitverträge und Teilzeitarbeit sollen deshalb neue Arbeitsplätze schaffen. Niemand will dabei vernünftige und soziale Schutzrechte außer Kraft setzen. Für die, die Arbeit haben, besteht der Kündigungsschutz weiter wie bisher. Aber jedem Arbeitslosen ist ein Zeitvertrag lieber als gar kein Arbeitsplatz.
Ich bin zuversichtlich, daß es unserer Wirtschaft, den Tarifpartnern und uns allen in gemeinsamer Anstrengung gelingen wird, auch die Beschäftigungssituation entscheidend zu verbessern, wenn wir diesen aufgezeigten Weg mit allen seinen vielen Möglichkeiten für jeden von uns, an der Lösung mitzuwirken, konsequent beschreiten. Wir müssen wieder lernen, auf unsere Leistungsfähigkeit und unser wirtschaftspolitisches Erfolgsrezept, die soziale Marktwirtschaft, zu vertrauen.
Gestatten Sie mir in dem Zusammenhang noch einen abschließenden Gedanken. Wir müssen wieder lernen, Partnerschaft und Zusammenarbeit in den Vordergrund unserer Betrachtungen zu stellen, auch der arbeitsrechtlichen und arbeitsmarktpolitischen Betrachtungen.
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6082 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984
Carstens
In dieser Zeit sind Neid und Klassenkampfparolen fehl am Platze.
Die Arbeitnehmer wissen sehr wohl, daß es ihnen auf Dauer nur gutgehen kann, wenn es den Betrieben gutgeht, in denen sie arbeiten.
Die Betriebe müssen Gewinne erzielen, sie müssen Umsatz haben und an dem Umsatz verdienen, die Produkte müssen abgesetzt werden können — dann werden Arbeitskräfte benötigt, und je mehr Arbeitskräfte benötigt werden, desto mehr Rechte haben die Arbeitnehmer und desto höher sind die Löhne, vor allen Dingen die Reallöhne, der Arbeitnehmer.
Deswegen nicht Neid und Klassenkampf, sondern Partnerschaft und Zusammenarbeit.Wir haben nach dem Krieg bei einer ungleich schwierigeren Ausgangslage Arbeitsplätze für Millionen Vertriebene und Heimkehrer geschaffen. Wir werden es auch heute schaffen, die Arbeitslosen, die heute keine Arbeit haben, in den nächsten Jahren in Arbeit zu bringen.
Das ist unsere wichtigste Aufgabe, und wir werden diese Aufgabe lösen.
Das Wort hat der Abgeordnete Vogt .
Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Unter der Rubrik „wahr und unwahr" eines bekannten Wochenmagazins ist folgender Eintrag zu finden — ich zitiere —:Es ist wahr, daß in der ersten Lesung des Haushalts 1985 eine Debatte über den sogenannten Verteidigungshaushalt nicht vorgesehen ist. Unwahr ist, daß eine solche Debatte im Bundestag überhaupt nicht mehr geführt wird, weil alle Fraktionen der Ansicht sind, der Verteidigungshaushalt gehe die Öffentlichkeit überhaupt nichts an.Ich muß mich berichtigen und — diesmal mit freundlicher Genehmigung des Präsidenten — das Zitat wieder zurücknehmen, denn unwahr ist, daß der Eintrag in dieser Wochenausgabe des Magazins steht, wahr ist allerdings, daß er nach dem bisherigen Verlauf der Haushaltsdebatte gut in die nächste Ausgabe passen würde.
Das hat vor allem der Kollege Carstens eben wieder bestätigt. Er hat bestätigt, daß das, was er derOpposition — der SPD — vorgeworfen hat, nämlich daß sie geradezu Verdrängungsleistungen vollbringe in bezug auf Haushaltsführung und solides Haushaltsdenken, in einer gespenstischen Weise insbesondere für die Koalition zutrifft, wenn es um den Rüstungsetat geht.Der sogenannte Verteidigungshaushalt wird in einem Schaubild der Bundesregierung für 1985 mit 49,9 Milliarden DM oder 19,2 % der Gesamtausgaben von 260,2 Milliarden DM ausgewiesen. Er erscheint damit als zweitgrößter Posten hinter dem Bereich Soziales, der mit 57,6 Milliarden DM oder 21,1% angegeben wird. In den Erläuterungen des Bundesministers der Verteidigung stehen allerdings unter Verteidigungsausgaben nach NATO-Kriterien 1985 noch andere Zahlen. Danach werden 60,08 Milliarden DM für Militärausgaben veranschlagt. Das sind 1,94 Milliarden DM oder 3,3% mehr als 1984. Nach dieser Rechnung beträgt der Militäranteil am Bundeshaushalt 23,1%. Im Schaubild wäre das der größte Ausschnitt im Haushaltskuchen. Für den Hausgebrauch ist das wohl peinlich. Es könnte der Eindruck entstehen, die Militärstaatlichkeit habe einen höheren Rang als die Sozialstaatlichkeit, und so beschränkte sich das Schaubild darauf, unter Verteidigung nur den sogenannten Einzelplan 14 — das ist der Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung im engeren Sinne — aufzuführen.
Das ist auch besser für den Gemeinschaftskundeunterricht verwertbar.
Für das Kamingespräch unter Waffenbrüdern der NATO wird allerdings anders gezählt. Da werden durchaus korrekterweise die Ausgaben für Stationierungsstreitkräfte der NATO, NATO-Verteidigungshilfe, Bundesgrenzschutz, Militärruhegehälter hinzuaddiert, die auf andere Einzelpläne verteilt sind. Nicht ohne Stolz erläutert die Argumentationshilfe des Verteidigungsministers, die Bundesrepublik könne, gemessen an den Verteidigungsaufwendungen der anderen Bündnispartner — ich zitiere — „auch 1985 ihren Platz in der Spitzengruppe halten".Meine Damen und Herren, wir gehen wohl alle in diesem Hause davon aus, daß auch eine wochenlange parlamentarische Beratung weder an dieser Spitzenposition noch an Einzelposten des Militärhaushaltes etwas ändern wird. Das Militär ist und bleibt ein Fremdkörper in einer jeden Demokratie, und es ist letztlich parlamentarisch nicht wirksam zu kontrollieren.
Den Herrn Bundeskanzler möchte ich aber ausdrücklich bitten, auf seine unnachahmliche Weise zu grinsen wenn er wieder einmal von „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" spricht; denn während er solche Sprüche klopft, weiß er genau, daß seine Regierung die Weichen für die gigan-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984 6083
Vogt
tischste Aufrüstung stellt, die diese Republik je gesehen hat. Die für die 80er und 90er Jahre geplanten Rüstungsmaßnahmen werden nur mit einer stärkeren Umverteilung der Ausgaben des Bundes zugunsten der Militärausgaben zu haben sein. Das geht auf Kosten der zivilen Infrastruktur insgesamt, auf Kosten von Zukunfts- und Lebenschancen von uns allen, vor allem aber der um ihre Zukunft betrogenen Jugendlichen.Hören wir aber, was mit Blick auf diese Zielgruppe von der Hardthöhe herab gesagt wird. In der Argumentationshilfe des Bundesministers der Verteidigung wird hervorgehoben, die insgesamt 4 820 Ausbildungsstellen im sogenannten zivilen Bereich der Bundeswehr gingen zum größten Teil über den Eigenbedarf der Bundeswehr hinaus, und dann heißt es wörtlich — ich zitiere —: „Sie sollen aber helfen, den Lehrstellenmangel abzubauen". Das nenne ich treuherzig. Herr Wörner hat wohl das Empfinden, er müsse etwas für die Glaubwürdigkeit seines Kanzlers tun;
eine Hand wäscht bekanntlich die andere.Meine Damen und Herren, es ist die Strategie dieser Bundesregierung, und entsprechend wurde bei der Anlage dieser Debatte Regie geführt.
— Ich habe nichts gegen Ausbildungsplätze.
Natürlich begrüßen wir jeden einzelnen Ausbildungsplatz. Aber ich habe etwas gegen eine Augenwischerei, die 60 Milliarden DM für zum Teil unsinnige, gefährliche Großprojekte verplempert,
mit denen man Millionen Ausbildungsplätze schaffen könnte. Das ist doch der Punkt.
Die Aufrüstungspolitik, die die Bundesregierung betreibt, ist gefährlich und eine der Ursachen der sozialen Demontage. Wer über 60 Milliarden DM in die Rüstung steckt, muß eben Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe kürzen, die Rentenzuschüsse senken und der Bevölkerung auf jedem erdenklichen Weg das Geld aus der Tasche ziehen. Das war ein Zitat des Kollegen Reents aus der gleichen Debatte vor einem Jahr.-
Wer das nicht will, muß in einer Haushaltsdebatte über die Aufrüstung reden. Wer aber über Aufrüstung redet, darf nicht nur von Zahlen sprechen.Das Zahlenwerk des Rüstungshaushalts schüchtert ein, schreckt ab. Wer in diesem Parlament traut sich zu, dieses Zahlenwerk wirklich zu durchschauen, wirklich die Verantwortung zu übernehmen vor der Geschichte, vor seinen Angehörigen, vor allen Menschen und vor den Menschen, die er liebt, wenn er über dieses Rüstungsbudget abstimmt?
— Ich bin im Verteidigungsausschuß, Herr Kollege!Wer schreit auf, wer schreit Alarm, wenn z. B. das sogenannte taktische Kampfflugzeug, der sogenannte Jäger für die 90er Jahre, durch die parlamentarische Debatte geistert? Der Jäger 90 ist eines der Großprojekte, die dafür verantwortlich sind, daß ein Kritiker von der Selbsterpressung des Parlaments sprechen mußte; denn die Entwicklung des Jagdflugzeuges 90 bindet laut Einzelplan 14 den Haushalt 1996 noch mit Millionen-, wenn nicht Milliardenbeträgen.Mit „Selbsterpressung" ist folgendes gemeint: Wenn der Bundestag diesem Haushalt zustimmt, erpreßt er sich selbst, weil er sich über Jahrzehnte mit Folgeproblemen — steigender Kriegsgefahr, Verringerung von Abrüstungschancen, Umverteilung von Sozialausgaben auf Rüstung — sicherheitspolitisch, wirtschaftspolitisch und arbeitsmarktpolitisch festlegt. Es ist nicht nur der Versuch, eine Wende einzuleiten, zu wenden, was eigentlich gar nicht mehr zu wenden ist, sondern auch der Versuch, dies auch langfristig festzuklopfen.Der Jäger 90 ist industriepolitisch tatsächlich das Nachfolgeprojekt für den berüchtigten MRCA Tornado. Nach 1989 läuft die Beschaffung des Tornado aus; also wird schleunigst das nächste Projekt in Angriff genommen, denn wer will schon Tausende von Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen? Rüstungsplanung, so dozierte der Generalinspekteur Altenburg im Mai 1984 vor der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik, muß sich vom sogenannten Nachfolgedenken lösen. Aber was ist der Jäger 90 anderes als ein bloßes Nachfolgeprojekt für den berüchtigten MRCA Tornado?Es lohnt sich, dieselbe Frage und dieselbe Kritik aus der Sicht der Friedensbewegung vorzutragen. Eine Gruppe von vier hervorragenden Vertretern der Friedensbewegung aus vier NATO-Ländern stellt dazu fest:Militärs haben verschiedene Modelle vorgeschlagen, um die Abhängigkeit von Atomwaffen zu verringern und um Alternativen zur atomaren Abschreckung aufzubauen. Die meisten enthalten eine konventionelle Aufrüstung großen Maßstabs mit dem Schwergewicht auf neuen Waffen, fortgeschrittenster Technologie und mit offensiven Fähigkeiten. Mit ihnen sollen durch schnelle und präzise Schläge weite Gebiete tief im feindlichen Raum sehr weitgehend zerstört werden. Einige dieser Entwürfe beanspruchen, taktisch einsetzbare Atomwaf-
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Vogt
fen nach einer Phase der konventionellen Aufrüstung, in welcher die Atomwaffen beibehalten und sogar modernisiert werden sollen, überflüssig zu machen, nach der Formel: Rüste jetzt konventionell auf, rüste später atomar ab.Meine Damen und Herren, wir mißtrauen dieser Politik, weil sie im Ergebnis zu einer verstärkten Aufrüstung in beiden Bereichen führen wird.
Die Friedensbewegung hat die sogenannte konventionelle Rüstung und insbesondere solche Großprojekte aufs Korn genommen.
Heute findet z. B. parallel zu dieser Debatte, also gleichzeitig, eine Pressekonferenz statt, auf der die Friedensbewegung ihre Kritik begründen wird. Wir werden — —
Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit bereits erheblich überschritten.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. — Wir werden in der Einzelberatung konkret auf diese Großprojekte, die sogenannten konventionellen Projekte, eingehen und werden darauf hinweisen — —
Herr Kollege, ich muß Sie bitten, jetzt zum Ende zu kommen; sonst muß ich Ihnen das Wort entziehen.
Wir werden daran erinnern, daß das Menetekel des Zweiten Weltkrieges sowohl Hiroshima und Nagasaki als auch Dresden war und daß die konventionelle Aufrüstung — —
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist endgültig abgelaufen!
... daß die konventionelle Rüstung zu einem Dresden in Hochpotenz führen wird!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Weng.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es muß natürlich jedem klar sein, daß die Redner hier ihre eigene politische Überzeugung vertreten, und jedem muß klargeworden sein, daß der Vorredner für seine Gruppe sprach. Trotzdem meine ich, meine Damen und Herren, daß eine Bemerkung nicht unwidersprochen im Raum stehenbleiben kann. Die Bundeswehr, gerade die Bundeswehr, macht bei uns im Lande deutlich, daß Militär in der Demokratie kein Fremdkörper sein muß.
Wir, meine Damen und Herren, wollen die Sicherheit, die uns die Bundeswehr und die uns das Bündnis garantieren.Die Haushalts- und Finanzpolitik dieser Koalition war nicht nur der wesentliche Grund für die Neuorientierung in der deutschen Politik seit 1982. sie war auch der Grund für das Ergebnis der Bundestagswahl im Jahre 1983. So ist es nicht überraschend, daß sich das öffentliche Interesse auf das Ergebnis gerade dieser Politik besonders konzentriert. Ich meine mit „öffentlichem Interesse" hier nicht die kurzlebige tägliche Schlagzeile, sondern das, was die Bürger in unserem Lande tatsächlich berührt. Ich bin stolz darauf, als Mitglied des Haushaltsausschusses in diesem Politikbereich mitwirken zu können, in dem das Ergebnis der bisherigen Arbeit der Koalition einen besonderen Edelstein in der politischen Schatzkiste darstellt.
Herr Minister Stoltenberg, der langanhaltende Beifall auf der rechten Seite dieses Hauses, womit ich unter anderem auch die richtige Seite dieses Hauses meine, dieser langanhaltende Beifall auf Ihre Einbringungsrede hat das Gewicht deutlich gemacht, das die Koalition dem Erfolg Ihrer Politik beimißt.
Die Reaktionen der Wirtschaft ebenso wie die deutlichen Erklärungen der ernst zu nehmenden wirtschaftswissenschaftlichen Institute, insbesondere aber auch die begleitende Politik der Gott sei Dank unabhängigen Deutschen Bundesbank zeigen den schönen Erfolg dieser Bemühungen.Wer sich die permanente Schwarzmalerei der rotgrünen Einheitsfront zu diesem Kernstück der Arbeit der Koalition der Mitte vor Augen hält, muß sich natürlich auch darüber klar sein, woher dieses Schwarzmalen resultiert. Meine Damen und Herren, natürlich können die Kollegen auf der linken Seite dieses Hauses mit unserem Erfolg nicht zufrieden sein, und natürlich haben sie Sorge davor, daß sich dieser Erfolg auch weiterhin in Wählerstimmen niederschlagen wird.Ich will die Gelegenheit nutzen, auf die vorbildliche Arbeit mit den Kollegen im Ausschuß hinzuweisen und hierfür zu danken.
Ich danke ganz besonders den Kollegen des Koalitionspartners, die im Bewußtsein der gemeinsamen Verantwortung — ich behaupte: bestmöglich — zusammenarbeiten. Da dies nicht bedeutet, daß wir immer und in jedem Einzelbereich von vornherein einer Meinung sind — bei dem breiten Spektrum dessen, was der Haushaltsausschuß zu bewältigen hat, wäre das auch ein Wunder —, erlaube ich mir, aus dieser Zusammenarbeit einen Appell an die Koalitionsgruppen auch in den anderen Politikbereichen abzuleiten:
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Dr. WengLiebe Kollegen, für das Erreichen der gemeinsamen Ziele der Koalition ist auch eine geschlossene Außendarstellung erforderlich.
Lassen Sie uns zukünftig alle mehr das Gemeinsame als das Trennende herausstellen, ohne daß wir dabei irgend etwas von unserer jeweiligen Eigenständigkeit aufgeben, und lassen Sie uns bei unterschiedlichen Auffassungen hart, aber zielbewußt um Kompromisse ringen und solche Kompromisse in Anerkennung der jeweiligen Grundpositionen als gemeinsamen Erfolg vertreten.
Es ist schon ein Zeichen der konsequenten Haushaltsarbeit unserer Regierung, daß dieser Entwurf fristgerecht und ohne Verzögerung am Mittwoch vom Finanzminister eingebracht werden konnte.
Es ist ein Erfolg, daß nicht nur ersichtlich die Planungen der mittelfristigen Finanzpolitik eingehalten worden sind, sondern daß wir im Vollzug der beiden letzten Jahre noch bessere Werte erreichen konnten, als das nach den Vorgaben zu erwarten war. Das Geschrei der Opposition, daß an diesen Erfolgen auch Entwicklungen mit schuld seien, die die Koalition nicht zu verantworten habe, verfängt nicht. Bei nachteiliger Entwicklung würden Sie von der Opposition auch Erdbeben und Eisenbahnunglücke der Regierung in die Schuhe schieben wollen.
Haben Sie nicht mit Ihrer unnötigen Einflußnahme auf den vergangenen Tarifstreit in der Metallindustrie einen Beitrag dazu geleistet, daß, wenn auch bisher in Gott sei Dank kleinem Umfang, die psychologische Stimmung in der Wirtschaft beschädigt worden ist? Sie wissen doch, daß eine psychologische Grundhaltung in der Wirtschaft sowohl beim Konsum, beim Konsumenten, wie auch und gerade bei den Investoren eine wichtige Rolle spielen.Meine Damen und Herren, die Streiks und die Tarifabschlüsse des Jahres 1974 im öffentlichen Dienst stellen noch heute eine traurige Wendemarke der damaligen öffentlichen Finanzpolitik dar. Im Unterschied zur Tarifauseinandersetzung in der freien Wirtschaft ist beim öffentlichen Dienst die Politik direkt gefragt, denn hier sind Bund, Länder und Gemeinden Arbeitgeber und damit Tarifpartner.In Kenntnis der Forderung der Gewerkschaft ÖTV für die kommende Verhandlungsrunde erkläre ich, daß diese Forderung total überzogen ist. Ich bin sicher, die Fordernden wissen dies auch. Bei einer Preissteigerungsrate von augenblicklich unter 2 %, die unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik zu verdanken ist, beinhaltet die vorliegende Forderung eine reale Anhebung von 4 bis 5 %. Dies kann der Bundeshaushalt unbeschädigt ebensowenig leisten wie Länder- und kommunale Haushalte. Ich bin gespannt, ob sich in Kenntnis aller Gegebenheiten — sowohl der Arbeitsplatzsicherheit als auch der Situation auf dem Arbeitsmarkt als auch der Probleme für die Berufsausbildung und die Berufssituation der jungen Generation — die rot-grüne Einheitsfront dieses Hauses wieder darin gefallen wird, das trostlose Streitroß eines Streiks ohne Rücksicht auf Verluste satteln zu helfen oder anzufeuern.
Meine Damen und Herren Kollegen von SPD und GRÜNEN, hier wird sich zeigen, wieviel Berechtigung Ihre verbalen Äußerungen haben. Hier wird sich zeigen, ob Sie politisch nur für die kämpfen, die drinnen sind, oder auch für die, die draußen stehen.
Dieser Nagelprobe werden Sie sich nicht entziehen können. Die Binsenweisheit, daß Geld nur einmal ausgegeben werden kann, hat j a hoffentlich auch bei Ihnen inzwischen Erkenntnisstand gefunden. Wenn die öffentlichen Hände die verhältnismäßig geringe freie Masse nicht wie früher verkonsumieren, sondern sich um einen höheren Investitionsanteil bemühen, muß eben auch im Personalbereich weiter verantwortlich gehandelt werden, verantwortlich gegenüber den Betroffenen, verantwortlich aber auch im Bewußtsein der Verantwortung für die Allgemeinheit.
Meine Damen und Herren, sonst sind wir schnell bei den Instrumenten, mit denen die Sozialdemokraten schon in der Vergangenheit Schiffbruch erlitten haben — der Wirtschaftsminister hat vorgestern ein entsprechendes Zitat aus der „Süddeutschen Zeitung" angeführt —, nämlich bei schuldenfinanzierten staatlichen Ausgabenprogrammen.
Diese schuldenfinanzierten staatlichen Ausgabenprogramme erinnern etwas an einen Landwirt, der sein Saatgut verzehrt. Natürlich wird er davon satt. Wenn dann aber gesät werden soll, sieht es bitter aus.
Es ist für mich deshalb immer wieder überraschend, daß Sie dieses Instrument, das ohne alle Zweifel versagt hat, immer wieder aus der Mottenkiste herausholen und dabei nicht bedenken, welche Auswirkungen eine solche Abkehr von unserer jetzigen Politik in der Wirtschaft hätte. Gott sei Dank sind wir nicht so kurzatmig, auch wenn Ihre Hilfstruppen wie z. B. der Hamburger Landesbankchef Fahning über Konjunkturschwächen und Eventualhaushalte daherreden. Ihr Motto ist ja: Wenn wir an allen Ecken ordentliche Kassandrarufe loslassen, werden wir doch hoffentlich irgend-
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Dr. Wengwann auch einmal Recht behalten. Eine traurige Konzeption!
Ähnlich sieht es mit Ihrer Haltung zur Privatisierung aus. Sie sind einfach gegen alles, was aus Ihrem Staatsverständnis heraus vielleicht verständlich ist.
Ich bin aber froh, daß der Finanzminister in seiner Rede völlig klargemacht hat, daß dieser von uns gewünschte Politikbereich zügig vorangetrieben wird. Ich zitiere. Herr Stoltenberg, Sie haben gesagt:Es muß wieder Klarheit geschaffen werden über die Rollenverteilung zwischen Staat und privatem Sektor. Unsere marktwirtschaftliche Ordnung muß vor einer allmählichen Auszehrung durch zuviel staatliche Eingriffe und zuviel Administration geschützt werden. Diese Grundsätze führen auch zu einer Neubestimmung der Aufgaben des Bundes als Unternehmer.Wir werden noch in diesem Jahr konkrete Vorschläge für die Privatisierung von Bundesbeteiligungen vorlegen.Besonders habe ich mich, Herr Minister Stoltenberg, über Ihre weiteren Ausführungen gefreut, und zwar über den Teil, der daran anschloß und in Ihrem Redekonzept noch nicht zu finden war. Sie haben gesagt: „Wir lassen uns darin auch nicht durch unangebrachte Aktivitäten des einen oder anderen Vorstandsmitgliedes des einen oder anderen Unternehmens beirren." Auf Zuruf eines Kollegen von der SPD — „Wir wollen das auch auf den Aufsichtsrat ausdehnen" — haben Sie gesagt: „Jawohl, ich stimme Ihnen zu; auch das ist wichtig."Lassen Sie mich hier einige Konkretisierungswünsche vortragen, denn wir hoffen ja sehr, daß der Berg nicht lange kreißt, um ein Mäuslein zu gebären, sondern daß hier mit einer wesentlich größeren Beute, die zu erlegen es lohnt, gerechnet werden kann.Meine Damen und Herren, die Beteiligungen des Bundes füllen ein Buch, daß in seiner Ausgabe von 1982 immerhin den stattlichen Umfang von 596 Seiten aufweist. Die Arbeit, hier aufzuschlüsseln in hoheitlich erforderliche Beteiligungen und Dienstleistungen einerseits, in privatisierbare andererseits, ist eine Aufgabe, deren Erledigung wir vom Finanzministerium erwarten müssen. Dies beruht auf einer Forderung, die wir dem Finanzminister gestellt haben. Diese Arbeit können die Parlamentarier nicht leisten.Naheliegenderweise aber liegt die einfachste Möglichkeit der Privatisierung im Bereich der Beteiligungen an börsennotierten Gesellschaften. In diesem Zusammenhang verweise ich mit Stolz darauf, daß meine Fraktion einen Grundsatzbeschluß dahin gehend gefaßt hat, daß wir der Einstellung von Haushaltsmitteln zu Kapitalerhöhungen börsennotierter Gesellschaften mit Bundesbeteiligung nicht zustimmen werden.
Die Teilprivatisierung der VEBA war ein richtiger Schritt in diese Richtung. Diese in jeder Hinsicht gelungene Aktion ist ein Ansporn.
So glauben wir, daß sowohl bei der Lufthansa als auch beim Volkswagenwerk keinerlei Grund besteht, der gegen Veräußerung von Bundesbeteiligung spricht. Oder kann jemand einen objektiven Grund für die Beteiligung des Bundes am Volkswagenwerk nennen, der dann nicht in gleicher Weise für alle übrigen Kraftfahrzeughersteller auch gelten würde?
Dann müßte man sich ja fragen, meine Damen und Herren, warum eigentlich das in anderem Zusammenhang zu großer und ständiger Berühmtheit gelangte Daimler-Benz-Aktienpaket damals nicht vom Bund erworben worden ist.Bei der Lufthansa kann ich mir zunächst einmal überhaupt nicht klarmachen, warum sich unter aktienrechtlichen Aspekten eine 74 %ige Beteiligung anders auswirken soll als eine Beteiligung von 50 % plus einer Aktie. Hier könnte und sollte mindestens ein erster Schritt zu weiteren Privatisierungsbemühungen gemacht werden. Ist der Bund bei der Lufthansa nicht zusätzlich in der Lage, durch Steuerung des Aktienverkaufs und möglicherweise durch Einschränkung des Stimmrechts potentieller Käufer seinen Einfluß uneingeschränkt zu wahren, wenn dies politisch für notwendig erachtet würde? Ich will keinen Zweifel daran lassen, daß ich persönlich auch diese Notwendigkeit nicht sehe.Meine Damen und Herren, wir können auf der einen Seite doch nicht marktwirtschaftlich argumentieren, wenn wir auf der anderen Seite erklären, wir müßten die Lufthansa behalten, damit wir sie dazu bringen können, die Flugzeugmodelle zu kaufen, die sich möglicherweise am Markt nicht behaupten.
— Ich habe keinen Namen genannt, Herr Kollege Riedl, und ich bin sehr überrascht, daß Sie hier ein hervorragendes Flugzeug nennen, bei dem ich mir solches wirklich nicht vorstellen kann.
Ich möchte im Hinblick auf dieses Thema nahtlos zum Verkehrssektor überleiten. Herr Minister Dollinger, wir würden es begrüßen, wenn auch aus Ihrem Hause eine Ankündigung käme, die der des Herrn Finanzministers entspricht. Natürlich ist die Bundesbahn ebensowenig wie die Bundespost privatisierbar — die Kollegen von der Opposition, die
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Dr. Wengmit solchen Schreckgespenstern durch die Lande ziehen, disqualifizieren sich tatsächlich selbst —,
aber die Privatisierung einiger Teile und Dienstleistungen ist hier ohne weiteres möglich, sinnvoll, ja nötig.
Niemand kann mir z. B. klarmachen, weswegen die Bundesbahn ein Bankinstitut benötigt. Ich bin sicher, daß Sie, Herr Dollinger, für Ihre VerkehrsKreditbank sowohl ein Konzept der Verselbständigung als AG als auch ein Konzept der Beteiligung einer oder mehrerer anderer Banken ohne jede Mühe bei bestem finanziellen Erfolg durchführen könnten.
Ich habe eine weitere Forderung an Ihr Haus. Sie betrifft den Ausbau von Straßen. Änderungen von Verkehrskonzepten sind ja eine Art Dominospiel. Wenn z. B. eine Straße entfällt, hat dies für viele umliegende Straßen Auswirkungen. Es darf doch nicht sein, daß eine geplante Autobahnausfahrt entfällt, aber die Zubringerstraße dann doch so ausgebaut wird, als ob diese Ausfahrt noch zu erwarten sei. Wenn die Planer Ihres Hauses, Herr Dr. Dollinger, oder die der Landesministerien in Auftragsverwaltung Ihres Hauses im Moment mit Neuplanungen nicht so beschäftigt sind wie in früheren Jahren, als Herr Leber von der SPD unsere Republik total zubetonieren wollte, dann sollten Sie unbedingt hier Umplanungen durchführen, damit derartige Fehler vermieden werden. In der Schublade fertige Planungen, die zum Teil Jahre alt sind und bei vorhandenen Mitteln dann schnell und ungeprüft umgesetzt werden, das ist das, was wir als Abgeordnete draußen gegenüber der Bevölkerung nicht vertreten können und was Sie deshalb verhindern müssen.
Weiterhin sparsame Haushaltsführung ist unser Ziel, auch wenn der Druck für das kommende Haushaltsjahr dank der immer noch erfreulichen Wirtschaftsentwicklung, die sich hoffentlich so fortsetzt, nicht mehr ganz so groß ist wie für die Haushaltsjahre 1983 und 1984.In diesem Bereich muß neben vielem anderem das Zuschußwesen Eingang finden. Manche Zuwendungsempfänger haben nämlich, wie man bei einer Kontrolle feststellt, zum Teil auch im Unterschied, zu den Behörden, den neuen Kurs unseres Haushalts bisher praktisch unbeschädigt überstanden.Gern mache ich die Regierung hier auf eine Methode aufmerksam, die ich für mich entwickelt habe und die hoffentich als „Wengsche Wirbelsturmtheorie" in der Politik Eingang finden wird.
— Passen Sie auf! Nach Besichtigung einer Einrichtung überlege ich mir, was wohl wäre, wenn einWirbelsturm diese Einrichtung einfach wegtragenwürde. Wenn ich dann der Überzeugung bin, dies würde kein Mensch merken, dann ist, glaube ich, ein Ansatz zum Einsparen von Steuermitteln gegeben.
Ich bitte deshalb besonders alle Minister dieser Regierung, sich bei ihren Reisen im In- und Ausland bei Empfängern von Steuergeldern diese Frage immer wieder zu stellen. Das kann uns in Sachen Sparsamkeit weiterbringen.
Der Entwurf des Haushalts für 1985 wird von uns in den Eckwerten begrüßt. Jetzt geht es an die Detailarbeit.Herr Minister Stoltenberg, Ihre Politik ist Erfolgspolitik. Wir sind an Ihrer Seite.
Das Wort hat der Abgeordnete Lennartz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie von der CDU/CSU haben uns Anfang 1983 mit einer schamlosen Kampagne überzogen. Sie haben die SPD, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die in ihrer über 120jährigen Geschichte noch nie ihren Namen zu ändern brauchte, mit den Worten besetzt: Schulden, Pleiten, Dauerarbeitslosigkeit. Diese Kampagne setzen Sie heute fort. Sie setzen noch den Begriff Erblast dazu. Sie haben versprochen, alles besser, schöner, größer zu machen „in diesem unserem Lande".
Der Finanzminister hatte die Stirn, von dieser Stelle aus zu behaupten: Wir nähern uns wieder den besten Jahren in der Verantwortung Ludwig Erhards. Schauen wir uns doch einmal die Wirklichkeit in der Bundesrepublik an, was geworden ist und was werden soll aus Schulden, Pleiten, Dauerarbeitslosigkeit!Fangen wir bei den Schulden an. Sie sprechen meist von der Erblast. Das bedeutet ja wohl, daß dann, wenn das schwere Erbe verkraftet ist, alles besser werden soll. Die schlimmen Folgen einer maßlosen Schuldenmacherei hat Herr Stoltenberg gestern noch einmal geschildert. Es ist an der Zeit, Herr Minister, daß alle Bürger in dieser Republik einmal erfahren, daß dieser Minister nicht der große Haushaltssanierer ist, als der er sich zu lange Zeit verkaufen konnte. Dieser Finanzminister ist der größte Schuldenminister, den es in der Bundesrepublik Deutschland je gegeben hat.
Ich wiederhole es und belege es. Dabei wird es inden nächsten Jahren auch bleiben. Wenn er im Amt
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6088 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984
Lennartzbleibt, wird er im Jahre 1988 noch mehr Schulden machen als alle seine sozialdemokratischen Vorgänger im Durchschnitt sämtlicher Jahre der sozialliberalen Koalition.
— Herr Kollege, hören Sie zu! Sie haben die Möglichkeit, es nachher zu widerlegen.Die Fakten sind: Von 1970 bis 1981/82 hat die damals SPD-geführte Bundesregierung 211 Milliarden DM Schulden machen müssen; Stichworte: Ölkrise 1973 und 1979, Weltwirtschaftskrise 1981/82.
Das waren die Gründe für 211 Milliarden DM in elf Jahren.Herr Minister, in nur drei Jahren, von 1982 bis 1984, haben Sie durch die „Wende-Koalition" den Bund mit 102 Milliarden DM belastet.
— Die Zinsen haben wir in den Vorjahren ebenfallsgezahlt, aber wir haben in der Mehrzahl —
— Keine Aufregung. Ich versuche ja, mich in Ihre von der Erblast durchdrungenen Köpfe hineinzuversetzen.Vergleichen wir einmal die letzten sieben Jahre sozialliberaler Koalition und sieben Jahre „WendeRegierung" an Hand Ihrer Finanzplanung bis zum Jahre 1988. In den letzten sieben sozialliberalen Jahren betrug die Nettokreditaufnahme plus Bundesbankgewinne, die Sie ja in Ihrer Oppositionszeit auch immer hinzugerechnet haben, 196 Milliarden DM. Sieben Jahre, 196 Milliarden DM! Die „WendeRegierung" wird dagegen bis zum Jahre 1988 — hören Sie zu, Herr Minister — die Gesamtschuldenlast um zusätzliche 262 Milliarden DM erhöhen. Das sind Ihre Zahlen bis zum Jahre 1988, abzulesen aus Ihrer mittelfristigen Finanzplanung, einschließlich Bundesbankgewinne. Das sind Ihre Schulden: 262 Milliarden. Das ist doch eine Tatsache, Herr Minister, daß Sie Jahr für Jahr diese Bundesbankgewinne hemmungslos konsumieren. In dieser Größenordnung hat es das in der sozialliberalen Koalition niemals gegeben.Der Siebenjahresvergleich entlarvt Sie. 262 Milliarden DM zusätzliche Schulden wollen sie machen. Wir haben es in den letzten Jahren unserer Regierungszeit auf 196 Milliarden DM gebracht. Herr Minister, das sind 66 Milliarden DM mehr in sieben Jahren des von Ihnen zu verantwortenden Finanzplanungsrahmens. So weit zu den Schulden.Etwas mehr Mäßigung und Selbstkritik haben Sie, Herr Stoltenberg, gestern von uns Sozialdemokraten gefordert. Wir sagen Ihnen: Der größte Schuldenmacher der Bundesrepublik hat kein Recht dazu, uns zur Mäßigung aufzurufen. Wenn Sie im Kabinettstheater weiterhin die Rolle des seriösen Charakters spielen wollen, dann hören Sie wenigstens auf, die Finanzpolitik des Landes Nordrhein-Westfalen zu kritisieren. Der Ministerpräsident Stoltenberg hat 1982 jedem Schleswig-Holsteiner 4 365 DM Schulden aufgebürdet. In Nordrhein-Westfalen waren es zum selben Zeitpunkt 3 442 DM. Das ist in Ihrem Sinne Mißwirtschaft, Herr Minister. Zeigen Sie erst einmal Leistung und nicht Darstellung von Leistung! Zeigen Sie echte Leistung, Herr Minister, dann können Sie andere zur Selbstkritik aufrufen.Das Thema Schulden hatten wir. Wir kommen zum Thema Pleiten. Auch hier, bei den Pleiten, gibt es einen „kräftigen, sich selbst tragenden Aufschwung". 1975 bis zum Jahre 1982 gab es 81 829 Pleiten, sozialliberale Pleiten, wie Sie es immer formuliert haben. Das war Ihre Formulierung. Das sind 10 200 Stück pro Jahr. 1983, als die Wirtschaft wegen der „Wende-Koalition" endlich wieder Vertrauen in die Politik faßte, gab es 16 114 Pleiten, wahrlich ein kräftiger Aufschwung; und der Aufschwung hält an. 1984, wo der Aufschwung nun endlich wirklich für jedermann greifbar wird, wird es, wie die Entwicklung im ersten Halbjahr zeigt, ca. 17 000 Pleiten geben. Tausende von mittelständischen Unternehmen müssen vor die Hunde gehen, weil Sie den großen die Steuervorteile wie den Stopfgänsen hineinmassieren. Herr Minister Stoltenberg, Sie können nicht nur die meisten Schulden machen, Sie machen auch die meisten Pleiten, die meisten Subventionen und die größten Steuergeschenke für Superreiche. Sie sind ein richtiger Superminister, wenn nur diese verflixten Zahlen nicht wären.
SPD — Schulden, Pleiten, Dauerarbeitslosigkeit. Kommen wir zu dem nächsten Punkt, zur Dauerarbeitslosigkeit. In keinem einzigen Monat seit der Wende waren die Arbeitslosenzahlen niedriger als unter Helmut Schmidt. Im September 1982, dem Zeitpunkt der Wende, gab es knapp 1,8 Millionen Arbeitslose in dieser Bundesrepublik. In allen Monaten der sogenannten Aufschwungregierung gab es weit über 2 Millionen Arbeitslose. Nimmt man noch diejenigen hinzu, die keinen Anspruch auf Unterstützung haben, sind über 3,5 Millionen Menschen ohne Arbeitsplatz.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glos?
Nein, ich habe nur zehn Minuten Redezeit.
Herr Minister, das sind die Menschen, die Sie bewußt vergessen haben, die in keiner Statistik mehr erfaßt werden, da sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984 6089
LennartzDas sind auch junge Menschen, die noch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. 1,5 Millionen Menschen haben Sie zusätzlich ausgesperrt.
Ihr kräftiger, sich selbst tragender Aufschwung geht an diesen Millionen Arbeitslosen in der Bundesrepublik vorbei. Er geht vorbei an den Rentnern, an den Schülern, an den Arbeitnehmern. Er geht an denen vorbei, die für ihren Lebensunterhalt hart arbeiten müssen.
Wie haben Sie es 1983 formuliert? — „Den Aufschwung wählen".Welchen Aufschwung? Mehr Schulden, mehr Pleiten, mehr Dauerarbeitslosigkeit? Diesen Aufschwung, meine Damen und Herren, Herr Stoltenberg, haben die Wählerinnen und Wähler am 6. März 1983 nicht gemeint.
Das Schlimmste aber ist, Herr Dr. Stoltenberg, daß Sie mit diesen gigantischen Schulden, die Sie machen, nichts Vernünftiges anfangen. Der Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen zu einem Programm in Höhe von 4,1 Milliarden DM wird von Ihnen als Propagandatrick abgetan.
Aber Ihre Parteifreunde Zeyer vom Saarland und Albrecht aus Niedersachsen erhalten wie selbstverständlich ihr Salär, ihre Hunderte von Millionen. Hauptsache, der Ministerpräsident hat das richtige Parteibuch, dann fließen auch die Mittel.
Schulden machen, Pleiten machen, nichts gegen Arbeitslosigkeit tun, nichts für die Umwelt tun, aber Geld an diejenigen verteilen, die es nicht brauchen!
Diejenigen, die es brauchen, hängenlassen, in der Deutschlandpolitik das Großmaul spielen, die Rentner schröpfen, kleine Einkommen belasten; heute hü, morgen hott — Hauptsache, es macht Spaß, das, was Sie Regieren nennen!
Ihre Wahlkampftruppe, Herr Minister — ich muß Herrn Geißler ansprechen —, hatte damals einen flotten Einfall, ich möchte fast sagen: einen bösartigen Einfall: SPD — Schulden, Pleiten, Dauerarbeitslosigkeit. Wenn Sie diesen Spruch modernisieren wollen, gebe ich Ihnen einen Tip. Wie gefällt Ihnen das — suchen Sie sich einen aus, jeder trifft zu —: CDU — Chaos durch Unsinn, Chaos durch Untätigkeit, Chaos durch Unfähigkeit.Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lennartz, wenn bei Ihnen immer so gerechnet wird, wie Sie das eben getan haben, ist es natürlich kein Wunder, daß es nicht möglich ist, aus falschen Zahlen herauszukommen. Gestern habe ich noch vom Kollegen Glombig gehört, daß es 1 Million heimliche Arbeitslose seien; bis heute hat sich das auf 1,5 Millionen erhöht. Wenn Sie das immer so schnell um 50 % steigern, weiß ich natürlich, warum mit Ihnen soviel in der Finanzpolitik schiefgegangen ist.
Sie sprachen von dem „Pleiteminister" und dem „Schuldenminister". Ihre Berechnungsarten, die Sie hier dargestellt haben, hätte der frühere Bundeskanzler als volkswirtschaftlich schlicht nicht zulässig und dumm bezeichnet. Dessen bin ich mir sicher. Denn was Sie hier an Vergleichen gebracht haben, war doch außerhalb jeder sinnvollen Diskussion.
Kein Mensch von uns hat behauptet, daß, wenn wir gemeinsam die Regierung bilden, keine Schulden mehr aufgenommen werden müßten. Worauf es ankam, war, das Tempo der höheren Neuverschuldung abzubremsen, umzukehren und so zu einer Konsolidierung zu gelangen. Das ist gelungen. Um nichts anderes ging es.
Im übrigen, wenn ich mich an die Zeit der Großen Koalition erinnere: Damals war eines der wichtigsten gesetzlichen Vorhaben das Stabilitätsgesetz. Dieses Stabilitätsgesetz ist damals — wir haben Kritik daran geübt — von der Großen Koalition verabschiedet worden und hat die Zielsetzung, Wachstum, außenwirtschaftliche Absicherung, Stabilität und Beschäftigung — vier gleichgewichtige Ziele — nach Möglichkeit zur gleichen Zeit zu erreichen. Wenn ich nun heute feststellen kann, daß von diesen vier Zielen zur Zeit drei erreicht sind, nämlich Wachstum, Stabilität und außenwirtschaftliche Absicherung, aber genug Beschäftigung noch nicht erreicht ist, dann wird mir jeder, der gemeinsam mit mir in der sozialliberalen Koalition tätig war, zugeben — nicht hier, aber im stillen Kämmerlein —: Wenn wir damals drei dieser Punkte erreicht hätten, wären wir ganz froh gewesen. Heute sind sie erreicht. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Phasen der Regierungszeit der letzten Jahre, der jetzigen und der sozialliberalen Koalition.
— Lieber Herr Kollege Walther, auch Sie wissendoch ganz genau: Wir wußten bei den damaligen
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Mischnickvorsorglichen Berechnungen, daß in den Jahren 1983, 1984, 1985 der Zustrom zum Arbeitsmarkt durch die geburtenstärkeren Jahrgänge zunehmen wird und der Abgang von Ausscheidenden entsprechend der demographischen Kurve niedriger ist. Deshalb hatten wir uns damals schon darauf eingestellt. Es wäre doch ein Armutszeugnis, heute so zu tun, als hätten wir damals nicht schon die entsprechenden Sorgen gehabt und uns überlegt, wie man gegen diese Gefahren vorgehen kann. Deshalb macht man es sich doch etwas zu leicht, wenn man heute so tut, als sei das eine Folge dieser Regierung. Es ist eine Folge der Gesamtentwicklung gewesen.
In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß mit der Gesamthaushaltspolitik dieser Regierung erreicht worden ist, daß sich durch die Absenkung der Neuverschuldung unser Zinsniveau stabilisiert hat, und damit wesentliche Voraussetzungen für eine bessere Entwicklung der Wirtschaft geschaffen worden sind.
Auch das war früher ein Ziel, das wir leider nicht erreicht haben. Ich sage das doch nicht mit der Geste des nachträglichen Vorwurfs. Ich sage es, weil es mit zur Redlichkeit bei der Beurteilung der Gesamtentwicklung gehört.
Das ist doch für diejenigen, die überzeugt sind, gemeinsam als Demokraten dieses demokratische System zu verteidigen, wichtig. Wir wissen ja, daß es Systemveränderer bis hinein in dieses Haus gibt.
Deshalb müssen wir diese Gemeinsamkeit doch wenigstens bewahren.
Der Kollege Roth hat gesagt, Liberale könne man nicht zur sozialen Haltung verpflichten. Verehrter Herr Kollege Roth — er ist im Augenblick nicht hier —, wir Liberalen haben die soziale Verpflichtung nicht erst während der sozialliberalen Koalition empfunden, sie war immer ein Grundsatz liberaler Politik.
Allerdings sind wir nie davon ausgegangen, daß soziale Politik ausschließlich eine Politik des Staates ist. Soziale Politik ist vielmehr am wirkungsvollsten, wenn sie durch die Auftriebskräfte der Wirtschaft selbst getragen wird und der Staat nur Hilfestellung leisten muß. Das ist der entscheidende Unterschied.
Herr Kollege Vogel hat heute früh eine ganze Menge Punkte der Kritik gebracht. Das ist für die Opposition selbstverständlich.
Allerdings ist manches dabeigewesen, wovon ich den Eindruck hatte, daß es vielleicht nicht bis zu Ende gedacht war. Sie sagen z. B., Herr Kollege Vogel, es sei natürlich verständlich, daß sich der Bundeskanzler, daß sich die Regierung auf positive Stimmen berufe, etwa auf eine positive Wertung der „Financial Times". Diese Aussage erinnert mich daran, daß dieselbe Zeitung Helmut Schmidt einmal zum Mann des Jahres erkoren hat. Damals haben Sie wie wir dies als eine sehr interessante positive Feststellung gewertet.
Muß ich nun nachträglich zu dem Verdacht kommen, daß das einer der Gründe war, daß man sich bei Ihnen von Helmut Schmidt abgewendet hat? Das wäre vielleicht eine Erklärung, warum man das heute so unterschiedlich wertet.
Meine Damen und Herren, natürlich hat diese Sommerpause zu keinem Jubel Anlaß gegeben, weil es da eine ganze Menge Punkte gab, über die sehr unterschiedlich diskutiert wurde. Wenn hier auf der einen Seite versucht wird, aufzulisten, wo Meinungsverschiedenheiten, Auffassungsunterschiede zwischen den Koalitionsparteien bestehen, dann kann man nicht gleichzeitig von dem Rechtsblock reden, wie das immer geschieht. Eines von beidem kann nur richtig sein. Entweder ist es ein Rechtsblock — dann gibt es eine Einheitsauffassung, wo es keinerlei Streit über irgend etwas gibt —, oder es ist eine Koalition aus drei verschiedenen Parteien — die müssen sich in Sachfragen natürlich zusammenraufen und tun dies auch.
Daß es mir lieber gewesen wäre, wenn manche Diskussion in der Öffentlichkeit so nicht stattgefunden hätte, will ich nicht verschweigen. Das habe ich auch früher nicht verschwiegen. Das wäre der Sache dienlicher gewesen.Lassen Sie mich hier ein paar Punkte nachvollziehen. Daß es in Fragen der Innenpolitik noch Probleme gibt, die gelöst werden müssen, ist unbestritten. Nur darf ich auch darauf hinweisen, daß wir in den Jahren 1980 bis 1982/83 innenpolitische Fragen, die jetzt zur Diskussion stehen, zurückgestellt haben, weil wir uns auf die Fragen der Wirtschafts-, Finanz- und Konsolidierungspolitik konzentrieren mußten. Genau das haben wir fortgesetzt. In dem Augenblick, wo wir von dieser Arbeit etwas Luft haben, werden wir die anderen Fragen der Innenpolitik Stück für Stück, Schritt für Schritt versuchen zu lösen.
Daß das ein Feld ist, wo zwischen CDU/CSU und FDP in vielen Fragen noch offene Probleme auf dem Tisch liegen, die zu lösen sind, bestreite ich nicht, aber doch nicht unter dem Gesichtspunkt: Wie schaffen wir es, die Dinge nicht zu lösen?, sondern immer unter dem Gesichtspunkt: Wie schaffen
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Mischnickwir es, hier eine Lösung zu finden, die nicht nur für die Koalition, sondern für unseren Staat und damit für die Bevölkerung insgesamt tragbar ist? Das ist das Bemühen, das wir hier in den nächsten Tagen sichtbar machen werden.Nun haben Sie ein Problem besonders herausgegriffen: Umweltpolitik, Abgaswerte, die das Kabinett für den Einbau von entsprechenden technischen Einrichtungen — ich sage das bewußt so — vorsieht, damit die Abgaswerte niedriger werden. Ich persönlich halte nichts davon, daß man den Katalysator als das allein Seligmachende bezeichnet.
Mir geht es darum, technische Lösungen zu finden. Wenn das morgen andere sind, ist mir das ganz egal. Hier ist es nämlich richtig zu sagen: Entscheidend ist, wie wenig Abgase am Ende die Luft belasten. Darauf kommt es an.
Welche technischen Vorkehrungen getroffen werden ist eine zweite Frage.Nun haben Sie gesagt, Herr Kollege Vogel: Da ist im Sommer 1983 ein Kabinettsbeschluß gefaßt worden, zum 1. Januar 1986 solle kein Auto mehr neu auf den Markt kommen, das nicht entsprechend ausgerüstet ist. Das ist völlig korrekt. Sie werfen jetzt vor, daß in die Diskussion mit der Europäischen Gemeinschaft in der Frage, was ist für die Automobilindustrie machbar, was ist nicht machbar, Unsicherheit hineingekommen ist. Wir werden in den nächsten Tagen hier zur Entscheidung kommen. Wenn die Bundesregierung im Sommer 1983 diese Zielvorgabe nicht gegeben hätte und wir heute sagen müßten: In der Europäischen Gemeinschaft ist leider noch völlig offen, was erreicht wird!, wäre der Vorwurf gekommen: Hättet ihr den Mut gehabt, feste Daten zu nennen, auch wenn sie nicht eingehalten werden können, dann wäre in der Europäischen Gemeinschaft die Bereitschaft, von 1995 wegzugehen und auf einen früheren Termin zu kommen, größer gewesen, weil man unseren Willen dazu gesehen hätte! So sehe man keinen Willen. — Genau diesen Weg sind wir gegangen, und da werden wir ein Stück weiterkommen.
Natürlich verschweige ich nicht: Uns wäre es am liebsten, wenn es möglich wäre, vorzuschreiben, daß ab 1. Januar 1986 alle neu zugelassenen Kraftfahrzeuge abgasarm sein müssen, so daß die Wirkungen für die Umwelt so schnell wie möglich spürbar werden. Ich weiß aber sehr genau, daß auch aus den Reihen der Opposition — über Betriebsräte usw. — Sorgen über die Auswirkungen für die Automobilindustrie kommen. Hier müssen wir abwägen. Das heißt für mich nicht, zu sagen: Die Industrie hat das letzte Wort — ganz und gar nicht. Das heißt, es gilt, das, was umweltpolitisch notwendig ist, auch sachlich so abzusichern, daß am Ende im Sinne des Erfolges für Beschäftigung und Umweltschutz nicht weniger herauskommt, als bei gründlicher Beratung möglich ist. Dies geschieht im Augenblick.Meine Damen und Herren, Herr Kollege Vogel, noch kurz ein Wort zu den Hinweisen auf französische Politik oder spanische Politik — das hat ja, glaube ich, der Kollege Blüm gestern schon gemacht —; Sie sagten, dann wäre j a der Reagan ein Übersozialist. Also, dieser Hinweis schien mir nicht ganz geglückt zu sein.
Denn es ging doch nicht darum, zu sagen, das seien Sozialisten. Vielmehr ging es um die Feststellung, daß auch Sozialisten erkennen müssen, daß es nicht möglich ist, mit sozialistischen Rezepten Arbeitsmarktprobleme, Probleme der Umstrukturierung der Wirtschaft sinnvoll zu lösen. Das war doch die Feststellung, die hier getroffen worden ist, nichts anderes.
Ich will dazu nicht noch im Detail Stellung nehmen, weil Kollege Bangemann das gestern nach meiner Überzeugung in einer sehr eindrucksvollen Weise getan hat.
Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, Herr Kollege Vogel, daß es bei der Diskussion um Buschhaus hier,
zumindest was die Information über das angeht, was möglich und was nicht möglich ist, keine volle Unterrichtung gegeben hat; das ist meine Feststellung.
— Sie wissen ja, ich gehöre nicht zu den Menschen, die meinen, mit dem Holzhammer werde alles gelöst; ich will ja auch zusammenarbeiten und nicht nur draufschlagen. Das ist vielleicht der Unterschied zu manchen anderen. Ich stelle allerdings fest, daß es erforderlich ist, bei Fragen, die dieses Parlament nicht endgültig entscheiden kann, zu sagen: Entweder packen wir es nicht an, oder aber wir packen es an, obwohl wir es nicht endgültig entscheiden können, und haben den Mut, zu sagen: Das ist unsere politische Vorgabe; wir erwarten, daß andere, die die Entscheidung zu treffen haben, dieser Vorgabe folgen. Aber wir dürfen nachträglich nicht so tun, als hätten wir nicht gewußt, daß wir es nicht entscheiden können. Natürlich wußten wir es! Aber die politische Vorgabe wollten wir geben, um bei den entscheidenden Stellen in Niedersachsen den Druck zu erhöhen, beim Umweltschutz so weit wie möglich das zu verwirklichen, was wir gemeinsam für sinnvoll halten.
Ich wäre dankbar, wenn das, was hier an Kritik geäußert worden ist, in Zukunft bei anderen Punkten, wo wir auch nicht entscheiden können, auf allen Seiten des Hauses immer im Hinterkopf behalten wird. Es hat nämlich gar keinen Sinn, über so etwas zu klagen und bei der nächsten Gelegen-
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Mischnickheit wieder den Versuch zu machen, den Bundestag in Fragen als entscheidungsfähig hinzustellen, in denen er nach dem Grundgesetz gar keine Kompetenz hat.
— Entschuldigen Sie, Herr Kollege Vogel, die erste Entschließung ist in den Fraktionen gemeinsam bearbeitet worden.
— Die hat doch nicht der Kanzler entworfen. Richtig ist, daß die zweite Entschließung, die dann auf die tatsächlich eingetretene Entwicklung und die Möglichkeiten Rücksicht nahm, gemeinsam besprochen worden ist. Aber das ist doch kein Entwurf des Kanzlers gewesen, sondern ein Entwurf, der von den Koalitionsfraktionen vorbereitet — gar keine Zweifel — und dann in einem gemeinsamen Gespräch behandelt worden ist. Tun Sie doch nicht so, als hätte der Bundeskanzler uns hier den Text hingelegt und gesagt: Nun müßt ihr das beschließen! Es ist der Fehler passiert, daß in der Debatte über die erste Entschließung auf allen Seiten des Hauses der Eindruck erweckt worden ist, als könnten wir hier die Entscheidung treffen. Das müssen wir uns gemeinsam hinter den Spiegel und in Zukunft am besten sogar vor den Spiegel stecken, damit wir es immer sehen und vermeiden, daß so etwas wieder eintritt.In der Debatte am Mittwoch, aber auch heute in dem Beitrag des Kollegen Vogel ist noch einmal auf deutschlandpolitische und ostpolitische Fragen eingegangen worden. Lassen Sie mich auch dazu ein paar Bemerkungen machen.Gestern kam die Meldung, daß der amerikanische Präsident der Auffassung sei, die Verbündeten müßten im konventionellen Bereich der Bewaffnung mehr tun. Das ist eine logische Konsequenz aus der Überlegung, im atomaren Bereich zu Vereinbarungen kommen zu wollen. Da hinzugefügt wurde, das gelte auch für chemische Waffen, möchte ich in aller Deutlichkeit feststellen: Die Freie Demokratische Partei bleibt dabei, daß das Verbot und der Abbau aller chemischen Waffen auf allen Seiten ein vorrangiges Ziel sein müsse und bleiben werde, weil das eine gemeinsame Basis ist.
Wir sind aber nicht so blauäugig, zu glauben, daß man dies getrennt von allen anderen Überlegungen sehen kann. Wenn hier vorhin davon gesprochen worden ist, daß bei uns die waffenstarrende Besetzung Europas ständig größer geworden ist, dann darf ich doch noch einmal daran erinnern, daß aus der Bundesrepublik Deutschland bereits 1 000 atomare Sprengköpfe von den Alliierten abgezogen worden sind und daß weitere 1 400 im Zuge der Neustationierung von Raketen abgezogen werden. Ich wäre froh, wenn auf der anderen Seite in gleicher Weise verfahren würde.
Der nächste Punkt, der hier eine Rolle gespielt hat — dafür habe ich volles Verständnis —, war dieBegleitmusik, ich möchte eher sagen: waren die Begleitdissonanzen in Verbindung mit den vorgesehenen Besuchen. Nachdem die Besuche von Herrn Honecker und von Herrn Schiwkow verschoben worden sind, sollten doch all die voreiligen Kommentatoren jeder Art, ob schreibend oder auch politisch tätig, die, als die Absage von Herrn Honecker kam, meinten, das sei ein Beweis, daß er der schwächste Mann in dem ganzen Warschauer-PaktBereich sei, für die Zukunft doch daraus gelernt haben.Zweiter Punkt. Ich teile die Meinung von Herrn Kollegen Bahr, daß in einem Land, in dem die Meinung — Gott sei Dank — frei und von uns geschützt ist, jeder das Recht hat, seine Auffassung darzulegen.
Da sind wir auch wieder völlig einig. Meine Bitte ist, daß sich jeder, der in verantwortlicher Position steht — für mich sind auch Leitartikler in ihrer Art in einer verantwortlichen Position —,
bei dem, was er zu solchen Vorgängen sagt und schreibt, nicht von der Augenblicksstimmung leiten läßt, sondern von einer Gesamtbetrachtung ausgehen sollte.
Das ist eine Bitte, mehr kann es nicht sein. Für diejenigen, die politisch selber tätig sind, sollte es eine Mahnung sein,
bei solchen Entscheidungen, bei solchen Überlegungen immer zu prüfen, ob das, was vordergründig im Augenblick vielleicht für eine Schlagzeile sorgt, nicht mittel- und langfristig auch zum Schaden derjenigen sein kann, die die Schlagzeile zunächst für sich in Anspruch nehmen können.Der Bundesaußenminister hat ganz klargelegt, daß wir zu den Verträgen stehen — in ihrer Gesamtheit stehen. Ich kann keinen Sinn daran finden — ganz gleich, von welcher Seite es geschieht —, wenn man Teilbereiche der Verträge einmal so oder einmal so besonders herausstellt. Deshalb möchte ich, damit es vielleicht in die Erinnerung mancher zurückkommt, aus dem deutsch-sowjetischen Vertrag zitieren, weil das für alle Verträge umfassend ist, in dem es heißt:In Übereinstimmung mit den vorstehenden Zielen und Prinzipien stimmen die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken in der Erkenntnis überein, daß der Friede in Europa nur erhalten werden kann, wenn niemand die gegenwärtigen Grenzen antastet.— Sie verpflichten sich, die territoriale Integrität aller Staaten in Europa in ihren heutigen Grenzen uneingeschränkt zu achten;
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Mischnick— sie erklären, daß sie keine Gebietsansprüche gegen irgend jemand haben und solche in Zukunft auch nicht erheben werden;— sie betrachten heute und künftig die Grenzen aller Staaten in Europa als unverletzlich, wie sie am Tage der Unterzeichnung dieses Vertrages verlaufen, einschließlich der Oder-Neiße-Linie, die die Westgrenze der Volksrepublik Polen bildet, und der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik.Und der Brief zur deutschen Einheit:Sehr geehrter Herr Minister,im Zusammenhang mit der heutigen Unterzeichnung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken beehrt sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland, festzustellen, daß dieser Vertrag nicht im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.Es folgt die Schlußformel.Beides gehört zusammen, wenn man eine Ostpolitik, eine Deutschlandpolitik treiben will, die realistisch ist.
Das eine herausstellen, das andere weglassen, ganz gleich, auf welcher Seite, muß zu Auseinandersetzungen führen, die überflüssig sind. Dies bedeutet, daß man gerade in den Gesprächen mit östlichen und westlichen Gesprächspartnern diese Basis nicht verläßt. Denn eines ist natürlich nicht gut: wenn man von sowjetischer Seite mit einer Revanchismuskampagne den Anschein erwecken kann, als gebe es bei uns Kräfte, die zu einer solchen Kampagne auslösende Momente gesetzt haben, weil dies sofort auch zu Rückwirkungen im Westen führt.Deshalb meine herzliche Bitte, das, was oft gut gemeint ist, sehr sorgfältig zu prüfen, ob es nicht in Wahrheit am Ende gegen diejenigen, für die es gut gemeint ist, zurückschlagen kann,
wenn man es falsch ansetzt.
Dazu gehört aber auch, daß im Vorlauf von Gesprächen mögliche Gesprächsgegenstände
weder ausgeschlossen werden
noch durch voreiliges Erzählen, das und jenes könnte man doch drangeben, der Eindruck erweckt wird, hier seien Verhandlungspositionen verhandlungsfähig, die nicht verhandlungsfähig sind. Beides gehört zusammen.
Deshalb ist die Mahnung doch sehr berechtigt, die von verschiedenen Seiten kam, man sollte sich vor solchen Gesprächen bemühen, weniger öffentlich darüber zu streiten. Ich weiß, daß das in einer Demokratie nie ausgeschlossen werden kann; aber wer für sich in Anspruch nimmt, die Kontinuität der Deutschlandpolitik sicherzustellen, ob in Regierung oder in Opposition, sollte dies auch bei der Auseinandersetzung im innenpolitischen Bereich nicht vergessen. Denn wenn die Glaubwürdigkeit, man wolle die Gemeinsamkeit in diesem Bereich, soweit es überhaupt möglich ist, behalten, auch erhalten bleiben soll, muß man bereit sein, manches, was vielleicht im Augenblick parteipolitischen Vorteil bieten könnte, zurückzustellen.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß dieser Debatte, die natürlich, wie sich in vielen Bereichen gezeigt hat, mehr allgemeinpolitisch, weniger haushaltspolitisch war — aber das haben erste Lesungen oft so an sich — doch eines feststellen: Der Entwurf für den Bundeshaushalt 1985 ist nach dem Verlauf dieser Debatte in seiner Grundstruktur nicht nur solide, sondern politisch so angelegt, daß von der Opposition im Detail kaum Kritik geübt werden kann und deshalb die allgemeine Kritik gepflogen werden mußte. Das bedeutet, daß dieser Bundeshaushalt eine entscheidende, gute Voraussetzung dafür ist, den Weg der weiteren Konsolidierung und Stabilisierung beharrlich weiterzugehen. Das bedeutet, daß im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und im Kampf um mehr Ausbildungsplätze mit diesem Haushalt mehr getan wird als dadurch, daß man glaubt, mit Sondervermögen etwas Neues, Monströses, mit viel Verwaltung Verbundenes aufbauen zu müssen, wobei man erst einmal Zeit braucht, um es überhaupt in die Welt zu setzen.
Die Gesamtpolitik dieser Regierung hat natürlich — wie es überall ist, wo Menschen tätig sind — auch Schwächen und Mängel, und es werden auch Fehler gemacht.
Es gab noch nie eine Regierung, die fehlerlos war. Aber es hat sich gezeigt, daß wir doch in der Lage waren und sind, genau in diesen Bereichen erkannte Fehler so schnell abzustellen, daß ihre Wirkungen nicht dauerhaft werden, und daß wir umgekehrt in der Lage waren, Mängel und Fehler der Vergangenheit Schritt für Schritt abzubauen. Weil das so ist, wird diese Regierungskoalition — davon bin ich überzeugt — auch die schwierigen Fragen, die noch vor uns liegen, in einer fairen Zusammenarbeit lösen.Ich wäre dankbar, wenn sich die SPD-Opposition, wie sie es vorgestern durch Erklärungen von
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6094 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984
MischnickBrandt und Bahr getan hat, von neutralistischen Vorstellungen, die in diesem Hause angesprochen worden sind, distanzierte. Wenn darauf hingewiesen wird, daß einzelne Kollegen der CDU beispielsweise in der Ostpolitik unterschiedliche Meinungen vertreten, darf man das natürlich nicht anderen vorwerfen, wenn wir immer wieder feststellen müssen, daß in der Sozialdemokratischen Partei in der Frage des Neutralismus auch einzelne — mit wachsendem Einfluß — andere Meinungen haben. Für die Gemeinsamkeit, die wir für die Deutschlandpolitik brauchen, wäre es gut, wenn alle Gefährdungen eines gemeinsamen Arbeitens im Bündnis in Ihren Reihen durch harte Klarstellungen ausgeräumt würden. Das ist die beste Voraussetzung für eine Gemeinsamkeit in der Deutschlandpolitik.
Das Wort hat der Abgeordnete Wieczorek .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Mischnick, ich möchte Ihren Appell an Gemeinsamkeit gleich aufnehmen, allerdings etwas anders, als Sie es von uns erwartet haben. Ich war nämlich etwas betroffen darüber, daß während Ihrer appellartigen Ausführungen und beim Zitieren des Deutschlandvertrages der Beifall nur von den beiden äußeren Seiten des Hauses kam, während sich die Mitte betont zurückgehalten hat.
Von daher glaube ich, daß Ihr Appell, Herr Mischnick, schlicht und einfach in die falsche Richtung geht.
— Herr Kollege Friedmann, ich habe einen augezeichneten Platz und konnte sehr gut sehen.
Vor allen Dingen konnte ich Ihren Fraktionsvorsitzenden sehen. Er soll ja Ihre Fraktion führen, aber bei ihm regte sich keine Hand. Daß Sie Beifall gezollt haben, will ich nicht abstreiten. Das kann durchaus sein. Das würde ich Ihnen auch zutrauen; denn Sie sind ja ein sehr selbstbewußter Mann. Bei Herrn Dr. Dregger weiß ich das nicht so.
Nach seinen letzten Äußerungen, die j a auch, was den Honecker-Besuch anlangt, wesentlichen Einfluß gehabt haben, bin ich da gar nicht so sicher.Meine Damen und Herren, wenn man die drei Tage Debatte, die wir hinter uns haben, Revue passieren läßt, muß ich sagen: Es hat Höhen gegeben, es hat Tiefen gegeben, es hat Sternstunden des Parlaments gegeben. Für mich, der ich diesem Hause noch nicht so lange angehöre, ist das beispielsweise der Fall gewesen, als der Bundestagspräsident hierals unser Kollege gesprochen hat. Es war der Fall, als mein Kollege und Vorsitzender Willy Brandt gesprochen hat.
Ich habe auch sehr genau zugehört, als Egon Bahr im Blick auf die Vergangenheit zur Deutschlandpolitik gesprochen hat.
Das waren für mich Sternstunden.Ich will allerdings nicht darauf eingehen, wie ich die Ausführungen zur Bilanz der Regierung werte. Da war von Sternstunde nichts zu sehen. Da wurde die Wahrheit gequält. In diesem Hause darf man ja nichts Stärkeres sagen als Quälen der Wahrheit, und darum betone ich das noch einmal: Die Wahrheit wurde sehr gequält.
Herr Kollege Voss, wo ich Sie hier gerade vor mir sehe: Ich habe mich eben, als der Herr Weng zur Privatisierung gesprochen hat, gefragt: Wen meint er eigentlich? Mich konnte er doch wohl nicht meinen. Meine Haltung ist klar. Aber vielleicht meint er Sie, oder vielleicht meint er Herrn Dr. Riedl, vielleicht meint er aber auch Herrn Dr. Strauß, wenn er über Privatisierung insgesamt spricht. Ich glaube, Sie haben mit sich so viel zu tun, daß Sie eine klare Haltung zu Ihren Problemen hier nicht haben können.Herr Dr. Dregger, mir steht es nicht zu, Wertungen zu geben, trotzdem will ich mir nicht verkneifen, zu sagen: Ich habe schon wesentlich stärkere Reden von Fraktionsvorsitzenden gehört als die, die Sie hier gestern gehalten haben.
Ich möchte auf Herrn Geißler nicht eingehen, auch nicht, wenn er wirklich etwas gesagt hätte. Bei Herrn Geißler hat man wieder festgestellt, daß er „Terror" mit den Zahlen hat und nicht rechnen kann. Darum will ich ihm anbieten, ihm etwas Nachhilfeunterricht im Rechnen zu geben, nämlich dann, wenn es darum geht, die Verdreifachung der Kindergeldvorteile bei der steuerlichen Lösung darzustellen.Ich möchte bei meiner Kritik hier gerne auch Herrn Blüm aussparen, ihm aber doch die Frage stellen, wann bei ihm eigentlich Armut beginnt. Ich würde ihn gerne einmal fragen, ob er glaubt, daß es ein ausreichendes Einkommen ist, wenn ein alleinstehender Arbeitslosenhilfeempfänger 722 DM im Monat bekommt, ob da nicht mittlerweile die Grenze der Armut erreicht ist. Ich würde ihn gerne fragen, wenn er hier wäre und antworten könnte, aber das ist eigentlich nicht mein Thema.Mein Thema ist das, was den Bundesfinanzminister betrifft. Die Zahlen, die wir hier dem Bundes-
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haushalt zugrunde legen, haben wir in den letzten drei Tagen zur Genüge gehört.
— Ich glaube sicher, gnädige Frau, daß die Zahlen nicht von allen verstanden worden sind. Da gebe ich Ihnen recht. Wenn ich die Bewertung der Zahlen, wie Sie sie vorgenommen haben, sehe, dann habe ich große Zweifel, ob bei der zweiten Lesung Ihre Mißdeutungen schon ausgeräumt sein werden.Nehmen Sie nur die Steuereinnahmenseite. Auf der Steuereinnahmenseite des mittelfristigen Finanzplans steht für uns ein großes Fragezeichen, weil man dort natürlich unterstellt, daß es keine neuen Steuerrechtsänderungen gibt. Wer aber glaubt das, wenn er weiß, wie schnell der Bundesfinanzminister mit steuerlichen Umverteilungen dabei ist? Ich denke nur daran, wie er die steuerlichen Subventionen aus dem Hut gezaubert hat. Da präsentiert der Herr Bundesfinanzminister, der ja als unser Sparminister gilt, nach einem Wahlkreisaufenthalt in Schleswig-Holstein eine neue Steuersubvention von insgesamt 20 Milliarden DM, die zu fordern der Herr Bundeslandwirtschaftsminister nicht gewagt hätte. Er ist heute noch beschämt über seine Zurückhaltung angesichts der Freizügigkeit seines Finanzministerkollegen. Nur muß er jetzt verteidigen, daß Herr Stoltenberg bei seiner Großzügigkeit zu sehr an die Großbauern gedacht hat.Dieser Bundesfinanzminister hält sich eben für entscheidend in allen Fragen dieses Kabinetts, und ich bin der letzte, der bestreiten würde, daß Dr. Stoltenberg mit seinem Haushaltsentwurf über weit mehr als Konsolidierungsziele entschieden hat. Er hat sich mit seinem Haushaltsentwurf und dem mehrjährigen Finanzplan zum Verantwortlichen für die Konjunktur- und Beschäftigungsentwicklung gemacht. Diese Verantwortung nimmt er aber nicht wahr. Sein Haushalt ist weder vom Volumen noch von seiner Struktur her geeignet, beschäftigungspolitische Impulse zu geben. Die Ausgaben wachsen nur um 1,2 %. Das bedeutet bei Berücksichtigung der Preissteigerungsrate eine reale Abnahme. Die Investitionen bleiben im nächsten Jahr real konstant und sinken mittelfristig auf einen historischen Tiefstand ab. Die Investitionsquote wird 1988 nur noch 12,6 % betragen. Selbst diese Höhe wird nur durch die Einrechnung der BAföG-Darlehen und der Gewährleistungen als Investition in die Quote erreicht, wodurch die Quote künstlich aufgebläht wird. Darin enthalten sind jetzt auch die Steigerungen im Verkehrshaushalt, die ja nur dazu benutzt werden, Grundstücksankäufe zu betreiben. Was das mit Investitionen gleich Arbeitsbeschaffung zu tun hat, kann ich nicht übersehen.Beides — sowohl das Ausgabenvolumen insgesamt als auch die mangelnde Investitionstätigkeit — ist beschäftigungsfeindlich und belastet den Arbeitsmarkt.Herr Dr. Stoltenberg, Wissenschaftler haben ausgerechnet, daß man mit 1 Milliarde DM unmittelbar für 20 000 Menschen Arbeitsplätze schaffen kann. Wenn man nun noch die in der Regel erforderlichenKomplementärmittel von Ländern und Gemeinden dazurechnet, werden diese Investitionen noch erheblich größere Beschäftigungswirkungen haben. Man kann sich leicht vorstellen, welche Größenordnungen hier dann zu bewältigen wären.Der Hintergrund all dieser Überlegungen ist, daß wir die ansteigende Arbeitslosigkeit — das ist das erste Ziel unserer Politik — bekämpfen wollen. Ich will nicht die Horrorzahlen weiterverbreiten, die für das nächste Jahr erwartet werden. Ob es 2 Millionen, 2,4 Millionen oder 2,6 Millionen Arbeitslose sind, Herr Dr. Stoltenberg, es sind zuviel. Wir müssen, wie hoch die Zahl auch immer sei, auf jeden Fall etwas tun und können uns nicht darauf verlassen, daß der Markt von selbst heilen wird.Meine Damen und Herren, zu der beschäftigungspolitischen Untätigkeit gehört auch, daß gerade bei anhaltend hoher Arbeitslosigkeit die Mittel für den Einzelplan des Wirtschaftsministers um 10 % gesenkt werden. Daß dabei Kohle und Stahl die Hauptlasten zu tragen haben, erwähne ich nur der Vollständigkeit halber. Allein für diese beiden Bereiche wird 1 Milliarde DM weniger ausgegeben, obwohl die Strukturprobleme andauern. Wenn ich mir ansehe, wo und bei wem Sie sparen, und wenn ich mir ansehe, wo und bei wem Sie neue Steuersubventionen in Milliardenhöhe vergeben, muß sich der Eindruck einer reinen Klientelpolitik aufdrängen.
Bedenken des Bundeswirtschaftsministers, ob dieser Haushalt wirklich konjunkturgerecht sei und ob nicht die Wirtschaftsentwicklung durch eine vorgezogene Tarifsenkung gestützt werden müßte, wiegelt der Bundesfinanzminister einfach ab. Zunächst sollte im Sommer darüber gesprochen werden, dann bei den Beratungen über der Bundeshaushalt, dann im Winter. Vor 14 Tagen hieß es dann, die Aussprache solle weiter bis zu den Beratungen über den Jahreswirtschaftsbericht verschoben werden. Nun wird also erst im Januar darüber gesprochen werden.Wenn der Bundeswirtschaftsminister über die Wirtschaftsentwicklung und die notwendigen Maßnahmen laut nachdenkt und dabei auf den Schuldzinsenabzug kommt, antwortet ihm der Bundesfinanzminister mit Hilfe der Bundespressekonferenz. Er erklärt dort, irgendwann werde er sich auch mit dem Bundeswirtschaftsminister zusammensetzen und mit ihm reden.Das ist vielleicht ein Kabinettsstil!Der Bundeswirtschaftsminister kann aber sicher sein, daß seine Eigenwilligkeit von Herrn Dr. Stoltenberg niemals vergessen wird. Hier entscheidet der Bundesfinanzminister eben immer noch in der Art des Regierungschefs, nämlich so, wie er es aus Schleswig-Holstein gewohnt ist. Oder etwa deshalb, weil er im Bundeskabinett die nötige Führung vermißt? Oder übt der Bundesfinanzminister schon wieder die Rolle des Regierungschefs?Ich stelle diese Fragen nicht nur ironisch, meine Damen und Herren. Ist es eigentlich für das politi-
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sche Geschehen in dieser Republik wirklich gleichgültig, wie das Verhältnis von Finanzpolitik und Gesamtpolitik gehandhabt wird? Bestimmt nur der Haushaltsminister uneingeschränkt, aber mit verengtem Blickwinkel die Gesamtpolitik, so daß Sozial-, Beschäftigungs- und Umweltpolitik überhaupt keinen eigenständigen Wert mehr haben? Oder sollen nicht in der Regierung gesellschaftspolitische Konzeptionen — und dies natürlich zusammen mit dem Bundesfinanzminister — erarbeitet werden, die der Haushaltsminister dann auszuführen hat?Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß bei dieser Bundesregierung und bei diesen Bundestagsfraktionen der Bundesfinanzminister tatsächlich -- aber konzeptionslos -- mit reiner Sturheit und Blockade die Richtlinien und alle Einzelheiten dieser Politik bestimmt.Meine Damen und Herren, nun zum Gebiet der Renten- und Sozialpolitik. Die Lastenverschiebung auf die Sozialversicherungs- und Sozialhilfeträger, die auf die Entscheidung des Haushaltsministers zurückgeht, ist in der Debatte schon wiederholt erörtert worden. Das will ich deshalb jetzt nicht weiter ausführen.Welche Rolle der Arbeitsminister bei der Kürzungspolitik im Sozialbereich und der Beitragserhöhungspolitik des Bundesfinanzministers zu spielen hat, weiß auch jeder Fernsehzuschauer. Herr Blüm hat der Öffentlichkeit zu erklären, was Herr Stoltenberg vorhat. Herr Blüm übernimmt, wie jeder feststellen kann, die Aufgabe, Hiobsbotschaften zu verkünden, ganz offensichtlich mit großer Freude. Außerdem sorgt er mit seinem Haushalt ja dafür, daß der Bundesfinanzminister am Jahresende mit Stolz verkünden kann, er habe noch ein paar Milliarden im Gesamthaushalt gespart und er sei deshalb der Größte. Wenn es aber Probleme mit den selbstproduzierten Finanzlöchern in der Rentenkasse gibt, dann ist auf einmal nur der Bundesarbeitsminister zuständig.Ich halte diese Arbeitsteilung zwischen dem Bundesfinanzminister und dem Bundesarbeitsminister schlicht für makaber. Immer wenn es darum geht, zu seinen Entscheidungen zu stehen, meine Damen und Herren, und Verantwortung zu bekennen, weiß der Bundesfinanzminister auf jeden Fall schon eines: Schuld waren immer die anderen.Das begann bereits vor der Erblasttheorie mit phantastischen Zahlen gegenüber der sozialliberalen Regierung. Schon als wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU und als Führer der CDU-Ländermehrheit im Bundesrat hat sich Herr Dr. Stoltenberg auf sozialpolitischem Gebiet mit deutlich einseitigem Akzent versucht. Kürzungen im Bereich der Sozialhilfe und insbesondere die Kürzung des Taschengeldes der Altenheimbewohner im Haushaltsbegleitgesetz 1982
sind nur auf Grund der Gesetzesinitiative und derAktivität des damaligen schleswig-holsteinischenMinisterpräsidenten zustande gekommen. MeineDamen und Herren, das ist ein Punkt gewesen, den Sie uns abgetrotzt haben,
den Sie zur Grundlage für die Zustimmung im Vermittlungsverfahren dabei gemacht haben.Die Verantwortung dafür hat er dann schlicht und einfach immer von sich gewiesen; es waren wie immer die anderen: natürlich die Sozialdemokraten.
Vorläufiger Schlußpunkt ist die Schuldzuweisung an die Gewerkschaften dafür, daß der vollmundig verkündete dauerhafte und selbsttragende Wirtschaftsaufschwung nicht eingetreten ist, wobei der Bundesfinanzminister die allen bekannten Scharfmacheraktivitäten dieser Regierung einfach vergißt. Ich bin sehr gespannt, wem der Bundesfinanzminister die Schuld zuweisen wird, wenn der Urteilsspruch in Karlsruhe über die Zwangsanleihe des Bundesfinanzministers so ausgeht, wie wir erwarten. Wahrscheinlich war es dann die Schuld von Herrn Graf Lambsdorff. Oder war es dann wieder Herr Blüm?Meine Damen und Herren, in wenigen Wochen oder Monaten wird in einem weiteren wichtigen Politikbereich erkennbar, welche Rolle die Mitwirkung und Verantwortung des Bundesfinanzministers gespielt hat. Ich meine die finanziellen Auswirkungen der in Brüssel getroffenen Beschlüsse auf den Bundeshaushalt.Herr Bundesfinanzminister, wir haben sehr sorgfältig hingehört, als Sie in Ihrer Rede von eventuellen Konsequenzen für unseren Haushalt gesprochen haben. Sie müssen Konsequenzen ziehen. Das wird wahrscheinlich auch in der Form geschehen, daß Sie eine Nachforderung an den Bundestag stellen müssen. Sie haben unser Verständnis, wenn es zu einer solchen Notwendigkeit kommen würde, was den Formalakt angeht. Ich teile absolut nicht die Auffassung von Herrn Waigel, daß alle Risiken eines Haushalts erkennbar sein müssen, daß man nicht über einen Nachtragshaushalt eine Änderung herbeiführen könne.Sie haben auch jede Unterstützung, wenn es gegen Versuche der Europäischen Kommission oder einiger Mitgliedsländer geht, über taktische Manöver durch eine Hintertür den Plafond von 1 % irgendwie in Frage zu stellen.Ich fände es allerdings verhängisvoll, wenn sich der Bundesfinanzminister die Zustimmung zu seinem nationalen Alleingang bei der landwirtschaftlichen Vorsteuerpauschale mit Zugeständnissen erkaufen mußte, die der Gesamtpolitik, dem gesamten Land und seiner Wirtschaft wehtun. Ich denke daran, daß die Einführung einer Obergrenze für die deutsche Nettozahlung ebenso in Frage gestellt ist wie die Verhinderung des weiteren europäischen Subventionswettlaufes in anderen Politikbereichen. Das wird sich, wie ich fürchte, Herr Dr. Stoltenberg, als ein historischer Fehler mit schweren Folgen für
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die deutsche und die europäische Entwicklung herausstellen.In der Bundesrepublik kann man das leider jetzt schon an Zahlen ablesen. Die Steuersubventionen sind massiv ausgeweitet worden — trotz aller gegenteiliger Versprechungen. 1982, zu unserer Regierungszeit, betrugen sie noch 29 Milliarden DM; jetzt haben sie eine Größenordnung von 39 Milliarden DM erreicht. Damit hat der Finanzminister Stoltenberg alle Bemühungen seiner sozialdemokratischen Vorgänger zunichte gemacht. Aus einem, der auszog, die Subventionen weiter abzubauen, ist ein Subventionsminister geworden.
Auf europäischer Ebene fürchtet der Wirtschaftsminister bereits eine neue Runde bei den Stahlsubventionen. Wie geschwächt die Position des Wirtschaftsministers nach dem Stoltenbergschen Sündenfall für die deutschen Großbauern ist, deutet sich damit schon an.Ich komme zum Schluß.
Wir werden in der zweiten Lesung des Bundeshaushalts sehr deutlich auf die unterschiedlichen Akzente achten, die sich hier in den drei Tagen dieser ersten Lesung ergeben haben. Wir werden darauf achten, daß unsere Ziele nach wie vor eingehalten werden, daß wir durch eine gezielte Hinführung in das Sondervermögen „Arbeit und Umwelt" über eine gezielte Kapitalaufstockung bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau Voraussetzungen schaffen, daß wir Arbeit schaffen und gleichzeitig unsere Umwelt schützen und unsere Umwelt wieder in den Stand setzen, wie es die Menschen von uns erwarten.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Burgmann.
Meine Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde!
Wenn ich am Ende dieser dreitätigen Redeschlacht nur noch ein paar Minuten Zeit habe, möchte ich in diesem Zusammenhang mal die Frage stellen: Was hätte wohl ein Arbeitsloser gesagt, wenn er hier hätte reden können zu den Argumenten, die der Herr Stoltenberg vorgebracht hat
— kümmern Sie sich um Ihre Hose, mein Herr; dahaben Sie genug zu tun —, zu der arroganten Rede,mit der der Herr Stoltenberg seinen Konsolidierungskurs hier am Mittwoch gerechtfertigt hat, zu den Krokodilstränen, die er über die Einzelschicksale der Arbeitslosen vergoß, und über die Art, wie der Herr Blühm mit seinem demagogischen Stil gestern über die Probleme hinweggejubelt hat und ein Faß aufmachen will, um die Erfolge der Regierungspolitik zu feiern?Diese „Erfolge" bedeuten: eine halbe Million Arbeitslose mehr als bei Regierungsantritt, 950 000 junge Menschen unter 25, für die es keine Perspektive gibt.Für diese Einzelschicksale, Herr Stoltenberg und Herr Blüm, tragen Sie die Verantwortung, besonders für deren Verarmung, die sie zu Rechtlosen und Sozialhilfeempfängern macht, für die Tatsache, daß diese Leute nicht mehr wissen, wie sie Strom und Miete zahlen sollen, für die ersten Selbstmorde arbeitsloser Jugendlicher. Dafür haben Sie mit Ihrer Sparpolitik und sogenannten Sozialpolitik die Verantwortung.Was würde wohl die Mutter eines pseudokruppkranken Kindes sagen, wenn sie hier zu den Sparplänen der Regierung reden dürfte, die zwar acht Milliarden für den Straßenbau, aber kein Geld für die Entgiftung der Luft aufbringt. Was würde wohl der Waldbauer sagen, dem die Arbeit von Generationen dahinstirbt, wenn er feststellt, daß in diesem Haushalt für Umweltschutz kein Geld da ist —
angeblich wegen der Konsolidierung. Nur 50 m von diesem Bundeshaus entfernt sterben die Kastanien reihenweise weg.
Wie weit ist diese Regierung eigentlich von den wirklichen Problemen entfernt? Sie legt für 1985 einen Haushalt vor, in dem noch kein halbes Prozent Ausgaben für den Umweltschutz ist, aber allein 14 Milliarden DM in den nächsten Jahren für die Verkabelung ausgegeben werden sollen.
für die sterbenden Wälder und die sterbenden Kinder tragen Sie die Verantwortung, Herr Stoltenberg und Herr Zimmermann, sofern Sie überhaupt noch tragen.
Was würde hier wohl eine Frau, die seit einem Jahr in Mutlangen gegen die Rakten demonstriert, zu der Rede von Herrn Kohl sagen, der sich am Mittwoch wieder erdreistet hat, sich hier hinzustellen und uns vorzuheucheln: Frieden schaffen mit immer weniger Waffen? Das ist eine Lüge, Herr Kohl. Der Rüstungshaushalt steigt um über 3 %. Unter Ihrer Regierung sind die gefährlichsten Waffen der Nachkriegszeit in der Bundesrepublik installiert worden.Ich kann und will nicht für die Betroffenen reden. Aber ich möchte ein paar Gedanken vortragen: Ge-
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Burgmannspart wird also nicht bei der Rüstung, sondern für die Rüstung. Gespart wird auf Kosten der Kommunen. Die Stadt Nürnberg mußte seit dieser Sparpolitik, die unter der SPD begann, inzwischen das Doppelte für Sozialhilfe ausgeben. Sie konsolidieren auf Kosten der Verschuldung der Gemeinden, Herr Stoltenberg.
Gespart wird auf Kosten unserer Umwelt, auf Kosten der Gesundheit und der natürlichen Lebensgrundlagen. Hier entstehen heute schon Schäden in Milliardenhöhe; eine Hypothek für die nachkommende Generation, die ganz unvergleichlich ist und viel schwerer wiegt als all die finanziellen Schulden, die sicher schlimm genug sind. Gespart wird bei den Menschen, die von der Krise besonders betroffen sind, bei den Arbeitslosen, bei den Sozialhilfeempfängern, bei den Behinderten. Mehr als 1984, über 7 Milliarden DM, werden im Haushalt 1985 bei diesen Menschen eingespart, während die Unternehmergewinne kräftig weitersteigen.Die Regierung glaubt, sich die totale Verarmung von 5 Millionen Menschen in diesem Lande wohl leisten zu können, wenn sie die besser Verdienenden noch mit ein paar Steuergeschenken ködern kann. Sie betreiben eine systematische Spaltung unserer Gesellschaft, indem Sie auf Kosten der Ärmsten den Reichen und Unternehmern Steuergeschenke in Milliardenhöhe machen.
Herr Stoltenberg und die anderen Redner der Regierungsparteien haben von der Hypothek für unsere Kinder gesprochen, die durch den Schuldenberg entstanden ist. Nun, auch unter Ihrer Regierung wächst diese Hypothek ja weiter. Das ist schlimm. Viel schlimmer aber, meine Damen und Herren im Regierungslager, ist die Hypothek, die Sie in anderen Bereichen hinterlassen.
Die Fehler in der Energiepolitik werden unsere Nachkommen auf Jahrtausende mit strahlendem Abfall belasten, die Fehler in der Umweltpolitik hinterlassen ihnen gestorbene Wälder und vergiftete Böden, die Fehler in der Rüstungspolitik sind ein Pulverfaß, das sie alle in die Luft sprengen kann.Diese Regierung hat vieles von den Vorgängern übernommen. Aber nie lagen die Probleme so deutlich auf dem Tisch. Nie ging eine Regierung so bedenkenlos darüber hinweg.
So wie dieser Haushalt 1985 angelegt ist, wird er keines der drängenden Probleme lösen, sondern vieles noch verschlimmern.
Herr Abgeordneter, Sie müssen zum Schluß kommen; Ihre Redezeit ist zu Ende.
Sie haben vor eineinhalb Jahren geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Ich möchte heute bezweifeln, daß Sie diesen Schwur eingelöst haben.
Herr Abgeordneter Burgmann, Sie haben den Satz „Das ist eine Lüge" personifiziert. Ich muß Sie dafür zur Ordnung rufen. Dies ist gegen unsere Verabredung im Hinblick auf unser Verhalten.
Ich rufe den nächsten Redner auf. Es ist der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele haben — das zeigt auch das heutige Bild der Presse — am letzten Tag der Debatte die Erwartung gehabt, daß der Oppositionsführer die Politik der Sozialdemokratischen Partei in einer programmatischen Rede erläutern werde. Ich muß nach Ihren Ausführungen, Herr Kollege Vogel, sagen: Diese Erwartung ist auch bei manchen Ihrer Anhänger enttäuscht worden.
Weil Sie ja — vor allem gegenüber dem Bundeskanzler — eine scharfe Sprache gewählt haben, will ich das etwas plastischer sagen: Mir schien dies mehr das Plädoyer eines unzufriedenen Anklagevertreters zu sein als das eines Politikers, der eine ernsthafte eigene Alternative entwickelt und begründet.
Für uns ist der Ertrag dieser Haushaltsdebatte in politischer Hinsicht: Die Koalition wird gemeinsam den Weg der finanziellen und wirtschaftlichen Gesundung fortsetzen. Wir haben keinen Anlaß zu Selbstzufriedenheit. Ich habe das in meiner Haushaltsrede sehr nachdrücklich begründet, und zwar in Licht und Schatten. Die bisherigen Erfolge sind unbestreitbar. Sie können auch durch Polemik, auch durch aufgeschriebene Beleidigungen, Herr Burgmann, gegen mich und andere nicht aus der Welt geschaffen werden.
Es gehört zu den ganz seltenen Erfahrungen meiner langen parlamentarischen Laufbahn, daß jemand für eine aufgeschriebene Beleidigung einen Ordnungsruf bekommt. Es zeigt den Tiefstand Ihrer politischen Kultur, die Sie uns ständig mit großer Überheblichkeit und als Anwälte einer Pseudomoral diffamieren wollen, zum siebten oder zehnten Male in diesem Hause.
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Bundesminister Dr. StoltenbergDie bisherigen Erfolge und das noch nicht Erreichte sind für uns- gleichermaßen Ansporn, mit neuen Entscheidungen und auch offen für neue Ideen sowie mit Tatkraft weiter voranzugehen.Was mich, Herr Kollege Vogel, an Ihren Ausführungen und der ersten Rede Ihres Stellvertreters Hans Apel so betroffen gemacht hat, ist nicht, daß Sie uns kritisieren, sondern daß Sie Tatsachen nicht zur Kenntnis nehmen, daß Sie Zahlen nicht korrekt darstellen und irreführend interpretieren. Es war schon ein schlimmes Zahlenspiel, das Sie hier betrieben haben. Ich werde das trotz der fortgeschrittenen Zeit hier noch an zwei oder drei Kernpunkten der Auseinandersetzung sichtbar machen.Mich hat auch betroffen gemacht, daß falsche und längst widerlegte Behauptungen unbeirrbar mit der Mentalität eines Bulldozers hier wiederholt werden. Ich habe seit meiner Berufung zum Bundesminister der Finanzen viermal Gelegenheit gehabt, falsche Behauptungen über die Finanzlage des Landes Schleswig-Holstein zu widerlegen. Sie können das alles in den Protokollen des Deutschen Bundestages nachlesen; seit dem Herbst 1982. Ich habe das aus amtlichen Statistiken widerlegt. Ich habe Herrn Apel schon vor zwei Jahren gesagt, wenn er von Hamburg nach Schleswig-Holstein zöge, hätte er weniger Schulden denn als Hamburger Bürger. Nun zieht er als Oppositionsführer nach Berlin,
aber das ändert doch nichts an der Richtigkeit meiner Feststellung, meine Damen und Herren.
Es wurde hier zum fünften- und zum sechsten- und zum siebtenmal von Herrn Apel, von Frau Simonis, von Herrn Vogel vorgetragen. Ich habe es allmählich satt, meine Damen und Herren, diese mangelnde Bereitschaft, Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, immer wieder zu kommentieren.
Aber es dient auch nicht der Erneuerung des Parlamentarismus in diesem Hause, über die das Hohe Haus ja nächste Woche eine sicher wertvolle Debatte führen wird.
Ich möchte nun etwas zur sozialen Wirkung der Stabilitätspolitik sagen. Wenn Sie in der großen Pose der Ankläger von der „Umverteilung von unten nach oben" sprechen — auch das sind j a die wiederholten Formeln seit zwei Jahren —,
dann müssen Sie sich doch einmal mit der Tatsache auseinandersetzen, daß wir in den letzten drei Jahren sozialdemokratischer Regierungsführung Inflationsraten von 5,4 %, 6,4 % und wiederum 5,4 % hatten. Sie wissen, daß das Jahre waren, in denen auch die Regierung Schmidt zum Schluß einschneidende Sparbeschlüsse fassen mußte, die natürlich vor allem die sozial Schwachen empfindlich getroffen haben.Diese Kombination von erschreckend hohen Inflationsraten in den letzten drei Jahren Ihrer Regierungszeit mit tiefgreifenden Einschnitten durch Sie auch in das soziale Netz hat doch zu der härtesten Belastung der Schwachen in unserem Lande geführt, die wir jemals in der Nachkriegszeit erlebt haben.
Wir haben im Gegensatz zu diesen Inflationsraten zwischen 5,5 % und 6,5 % jetzt einen Rückgang der Inflation auf 1,7 %. Im Jahresdurchschnitt werden es etwa 2 % sein. Meine Damen und Herren, ein Prozent weniger Inflation bedeutet eine Steigerung der realen Kaufkraft, also des Lebensstandards von Lohn- und Gehaltsempfängern sowie Rentnern, um 8 Milliarden DM. Drei Prozent Inflation weniger bedeuten eine Steigerung der Kaufkraft, also der in Zahlen ausgedrückten Lebensverhältnisse, für die Arbeitnehmer und Rentner um rund 24 Milliarden DM. Natürlich kann man zu diesen Zahlen in der Fachdiskussion noch einige Differenzierungen vornehmen.
Aber wie immer man das im einzelnen differenziert, es ist ein klarer Ausdruck der Tatsache, daß unsere erfolgreiche Stabilitätspolitik vor allem auch den sozial Schwächeren gedient hat. Sie haben überhaupt kein Recht, als die Partei, die Inflation bewirkte und breite Schichten unseres Volkes auf das härteste traf, noch als Anwalt dieser Gruppen — in polemischer Weise gegen uns — auf zutreten. Das ist schlicht die Wahrheit.
Sozialdemokratische Politik ist auf Kosten der sozial Schwachen gegangen. Sie hat jene dramatische Steigerung der Arbeitslosigkeit gebracht, mit deren Folgen wir uns heute gemeinsam — auch wir — auseinandersetzen müssen.
Nun will ich einmal, Herr Kollege Vogel, das vorhin Gesagte an einem Beispiel deutlich machen: an dem unbedenklichen Umgang mit Zahlen, über die es zwischen Bund, Ländern und Gemeinden keine Meinungsverschiedenheit gibt, die zum großen Teil j a noch aus den Unterlagen, den amtlichen Veröffentlichungen meiner sozialdemokratischen Vorgänger stammen. Sie reiten Attacken ausgerechnet gegen uns wegen der Finanzprobleme der Gemeinden. Man spürt ja, daß Kommunalwahlen bevorstehen; das ist ja auch erkennbar, wenn man diese bewegten Reden hört und an die angekündigten Anträge für ihre finanzielle Stärkung denkt. Herr Kollege Vogel, Finanzierungssaldo der Gemeinden, d. h. jene Ausgaben, die nicht durch eigene Einnahmen und Zuwendungen gedeckt sind: Im Jahr des Machtwechsels 1969 200 Millionen DM. Im Jahr
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Bundesminister Dr. Stoltenberg1974, fünf Jahre nachdem Sie die Regierung angetreten hatten, 8,3 Milliarden DM.
— Das Vierzigfache. — Mit der Wiederlebung der Wirtschaft 1978 ist dieser Saldo in der Tat auf 1,6 Milliarden DM zurückgegangen. Aber 1979 schon wieder 5,3 Milliarden DM — da gab es immer noch Wachstum — und 1981 sage und schreibe 10,1 Milliarden DM.
Damals waren Sie noch ein führendes Mitglied der Regierung Schmidt. Warum haben Sie eigentlich Ihre Erfahrungen als Oberbürgermeister nicht eingebracht und nicht solche Reden gehalten, wie Sie sie heute hier gehalten haben, Herr Kollege Vogel?
1981 also 10,1 Milliarden DM, 1983 1,2 Milliarden DM, 1984 zwischen 500 Millionen und 1 Milliarde DM und in der Prognose, die dem Finanzplanungsrat vorlag, im nächsten Jahr, 1985, wahrscheinlich erstmals ein Überschuß von 2,5 Milliarden DM — mit allen Ungewißheiten einer Prognose. Woher nehmen Sie eigentlich den Mut, Herr Kollege Vogel, Herr Apel, Frau Simonis — und wer hier geredet hat —, sich bei diesem Zahlenbild als die großen Anwälte der kommunalen Finanzen darzustellen und solche Sprüche zu klopfen, wie wir sie drei Tage lang gehört haben? Ich muß das einmal in aller Deutlichkeit sagen.
Das Bild rundet sich ab, wenn ich sage, daß wir auf dem Höhepunkt der Krise, 1981, im Zusammenhang mit den kommunalen Finanzen eine massive Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs etwa in dem sozialdemokratisch geführten Bundesland Nordrhein-Westfalen erlebt haben.Kommunale Investitionen: Einige von Ihnen haben Kritik an meinem Appell geübt, daß nach der Talfahrt der letzten Jahre die Kommunen ihre Investitionen für sinnvolle, wichtige Aufgaben — ich habe einige beschrieben — wieder erhöhen mögen. Ich verstehe das gar nicht. Die letzten Informationen — das ist eine Zwischenschätzung — begründen die Hoffnung, daß das schon in diesem Jahr geschieht, daß nach der Talfahrt der letzten Jahre die kommunalen Investitionen erstmals wieder um etwa 1 Milliarde ansteigen. Und aus den Beratungen des Finanzplanungsrats kann ich Ihnen mitteilten — dort sind ja auch die kommunalen Spitzenverbände vertreten; einige ihrer Vertreter sind Ihnen zum Teil auch persönlich gut bekannt —,
daß sie unter gewissen Voraussetzungen die Chance sehen, in den nächsten Jahren eine Steigerung ihrer Investitionen um bis zu 6 Milliarden DM zu erreichen. Das ist doch sehr zu begrüßen.
Wenn Sie, Herr Kollege Vogel, nun Kritik an dem Einbruch 1983 — mit Blick auf uns — geübt haben, als es in der Tat noch einmal, wie in den beiden Jahren vorher, einen starken Rückgang gab, muß ich Ihnen sagen: Sie kennen doch als erfahrener Politiker die Zeitabläufe. Die Investitionsplanungen der Gemeinden für 1983, die Entscheidungen in den Beratungen der Selbstverwaltungen, sind im September 1982 getroffen worden, auf dem Höhepunkt der ökonomischen und politischen Krise, die durch den Regierungswechsel damals kurz darauf beendet wurde. Das ist doch der schlichte Tatbestand, wenn wir über das Jahr 1983 reden.
Dies habe ich wirklich als einen erheblichen prinzipiellen Mangel in Ihrer Rede und in vielen Reden der Opposition empfunden: die Vernachlässigung, das Ausblenden der zeitlichen Perspektive, d. h. der Abläufe von Ursache und Wirkung, von Entscheidung und Resultat. Jeder weiß, daß es im ökonomischen Bereich, im sozialen Bereich, in der Finanzpolitik Zeitabläufe gibt, die man nicht auf Wochen und Monate berechnen kann, sondern eher auf Jahre berechnen muß. Es ist die alte Mentalität, die über zwei Tage Ihre Diskussionsbeiträge bestimmt hat: stop and go in der Konjunkturpolitik, die Vorstellung, daß man ökonomische Resultate, auch Resultate auf dem Gebiete des Arbeitsmarktes, gleichsam durch Knopfdruck erreichen könnte. Die Knopfdruckvorstellung der Technik wird auf ökonomische und soziale Fragen übertragen, wo dies überhaupt nicht funktionieren kann.
Der Glaube an die Sonderprogramme — nach allen bitteren Enttäuschungen der 70er Jahre — ist ein Punkt Ihrer neuen Gemeinsamkeit mit den GRÜNEN.
Das mit der „sanften Chemie" klingt alles so prima, meine sehr verehrten Damen, meine Herren. Sonderprogramm „Sanfte Chemie", eine Milliarde DM oder zwei Milliarden DM, im Zweifel aus dem Etat der Landesverteidigung; dann haben wir eine schöne Antwort zu dem sehr ernsten Thema, was geschehen muß. Nach unserer Überzeugung: Überprüfung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, um unsere Industrie auch in diesem Bereich stärker an Umweltschutznormen zu orientieren, aber doch nicht durch neue Sonderprogramme.
— In der Werbung sind Sie gut — ich muß das sagen —, jedenfalls bei dem anspruchsloseren Publikum in der Bundesrepublik Deutschland.
Sanfte Chemie ist hervorragend. Aber mit solchen Begriffen sind die zugrundeliegenden Probleme nicht gemeistert
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und schon gar nicht die schwierigen Fragen der Abgrenzung. — Wissen Sie, wie heute morgen hier zu mir geredet wurde, bin ich doch sehr höflich Ihnen gegenüber. Ich möchte das einmal ausdrücklich feststellen.
Gerade im Bereich der Investitionen kennen wir die Zeitabläufe. Eine kommunale Großinvestition von 20 Millionen DM erfordert heute vom Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Genehmigungsverfahren bis zur Einweihung eher fünf, sechs, sieben Jahre als drei oder vier. Ein Großvorhaben im Kraftwerksbau erfordert bis zu zehn Jahren, ob das nun Buschhaus ist — wo Herr Vogel heute eine weitere scharfe Auseinandersetzung angekündigt hat —,
ob das Brokdorf oder Grohnde war. Ich will noch einmal daran erinnern, daß vor knapp vier Jahren im Deutschen Bundestag einmütig auf Initiative der damaligen Bundesregierung der gesetzliche Rahmen verändert wurde, um Buschhaus zu ermöglichen. Was die Haltung der damaligen Bundesregierung zu Brokdorf war, das kann ich vielleicht später einmal in meinen Memoiren schreiben, meine Damen und Herren: drei Jahre vor der Genehmigung einstimmig gefordert; und wenn dann der Bau, ob es ein Kernkraftwerk ist, ein Kohlekraftwerk oder ein anderes Kraftwerk, in diesen langen Zeitabläufen zu 50 % bis 70 % oder 80 % oder — wie bei Buschhaus — zu 90 % fertiggestellt ist, dann pflegen heute große Teile der sozialdemokratischen Partei ihre Meinung zu ändern. Dann beginnen sie zu prüfen, ob man ein großes Kraftwerk nicht in ein historisches Museum umwandeln kann, was im allgemeinen nicht sehr sinnvoll ist, nicht sehr aussichtsreich.
Auch in der Finanzpolitik ist die Dimension der Zeit, was Umsteuerungsprozesse betrifft, bei Ihnen völlig unterschlagen worden. Ich wollte das gern noch zu dem Herrn Kollegen Apel sagen, der heute aus triftigem Anlaß entschuldigt ist. Aber ich will es auch Herrn Kollegen Vogel sagen, und vor allem zu diesem geradezu fabelhaften Beitrag. Also, ich muß den Herrn Lennartz beglückwünschen. Es gehört zu meinen unglaublichsten Erlebnissen in diesem Parlament, was er da geboten hat:
Nun werden mir schon die Schulden vorgehalten, die 37,2 Milliarden DM, die unter der Regie der Herren Matthöfer und Lahnstein im Jahre 1982 aufgenommen wurden. Also, ich muß schon sagen, das ist selbst durch rheinisches Kabarett kaum noch zu übertreffen, meine Damen und Herren; das muß ichIhnen wirklich sagen. Das ist ja phantastisch, nicht?
Ich bin am 3. Oktober 1982 in das Finanzministerium an der Graurheindorfer Straße gekommen und habe einmal Kassensturz gemacht. Da haben wir festgestellt, so Mitte Oktober, daß wir noch einen Nachtragshaushalt brauchten, um die Rechnungen meiner Vorgänger zu bezahlen. Und nun kommt der hier her und sagt mir: Dieser Stoltenberg hat im Jahre 1982 37,2 Milliarden DM Schulden gemacht.
Also, melden Sie sich da einmal bei den Laienschauspielern an. Es ist ja unglaublich, unglaublich,Herr Kollege!)
— Nein, nein, ich möchte jetzt fortfahren. Wir haben an anderer Stelle Gelegenheit, das zu vertiefen. Denn mir geht es, Herr Kollege, nach diesem kurzen Intermezzo jetzt um Herrn Vogel und um Herrn Apel.Zu Herrn Apel will ich nur sagen — auch zu Herrn Vogel —: Man muß in einer ernsthaften Diskussion j a wohl von der Basis ausgehen. Die Basis ist, daß die Neuverschuldung 1969, als Sie die Regierung übernahmen, Null war. Als Herr Kollege Apel ins Amt kam, 1974, gab es im ersten Jahr — und das war natürlich auch mit die Entscheidung seiner Vorgänger — eine Neuverschuldung von 9,5 Milliarden DM; das war die Kreditaufnahme im Jahre 1974. Diese Perspektive war so beunruhigend, daß schon zwei sozialdemokratische Finanzminister, Alex Möller und Karl Schiller, zurückgetreten waren.
Im ersten Jahr, das Herr Apel zu vertreten hatte, stieg die Verschuldung — natürlich bedingt durch die Rezession; das ist richtig —
von 9,5 Milliarden DM auf 29,9 Milliarden DM.
Und dann gab es in der Zeit der Erholung einen Rückgang auf 21,8 Milliarden DM. Aber der wirklich schlimme Fehler, der gemacht wurde, ist, daß man in der Zeit, in der es Wachstum und eine noch einigermaßen befriedigende Arbeitsmarktlage gab, die Konsolidierungspolitik abbrach mit der Folge, daß die Verschuldung im Jahre 1978 bereits wieder zunahm; sie stieg auf 26,1 Milliarden DM. So war die Basis für die Nachfolger und vor allem für den nächsten Konjunktureinbruch eben viel zu hoch. Also, der Weg von Herrn Apel führte von 9,5 Milliarden DM zu 26,1 Milliarden DM. Ich, meine Damen und Herren, habe mit den soeben erwähnten 37,2 Milliarden DM angefangen und muß jetzt einmal
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Bundesminister Dr. Stoltenbergsehen, daß wir in Richtung 20 Milliarden DM kommen. Daran ist doch wohl eine Politik zu bewerten und nicht an irgendwelchen Rechenkunststücken, meine Damen und Herren, wie wir sie hier vorgeführt bekommen haben.
Dasselbe gilt auch für den Bundesbankgewinn. Also, ich habe das überhaupt nicht begriffen. Hier wird behauptet, die Konsolidierungserfolge seien im wesentlichen durch den Bundesbankgewinn erzielt. Das hat sogar — ich muß das zugeben — ein einzelner Mitarbeiter eines Konjunkturinstituts vor kurzem einmal geschrieben.
— Ich sage das nur, ich will j a nur die Zahlen nennen. — Die schlichte Wahrheit ist, Herr Kollege Vogel, daß es im Jahre 1981 einen Bundesbankgewinn von 10,5 Milliarden DM gegeben hat, den meine Vorgänger in den Haushalt 1982 ordnungsgemäß eingesetzt haben.
— Ich sage das nur, ich sage das nur. — Der Bundesbankgewinn ist dann 1982 auf 11 Milliarden DM und 1983 auf 11,36 Milliarden DM gestiegen. Wir haben einen leichten Anstieg um 800 Millionen DM. Das können Sie doch nun wohl nicht als Grund für die Konsolidierungserfolge bezeichnen, wenn wir uns, meine Damen und Herren, in den Grundrechnungsarten noch einigermaßen verständigen können.
Als einen weiteren Punkt möchte ich nun Ihre Kritik an der Entwicklung der Investitionen aufnehmen. Ich habe etwas zu den Investitionen der öffentlichen Hand, vor allem im kommunalen Bereich, gesagt; hier beginnt die Trendwende. Im Haushaltsentwurf erhöhen wir die Investitionen, in der mittelfristigen Finanzplanung fallen sie ab; es ist Ihr gutes Recht, darauf hinzuweisen. Wir werden von Jahr zu Jahr, wenn wir den Haushalt aufstellen, zu überprüfen haben, ob es einen Spielraum gibt, sie gegenüber der Finanzplanung zu verbessern. Aber der entscheidende Teil sind natürlich die privaten Investitionen. Rund 85 % der Investitionen in der Bundesrepublik Deutschland sind private Investitionen. Im Gegensatz zu dem, was Sie behaupten, zeigt unsere neue Politik positive Wirkungen für die privaten Investitionen, und natürlich ist dies ein Schlüsselthema für eine dauerhafte Verbesserung der Arbeitsmarktlage. 1980 stiegen die privaten Investitionen gegenüber dem Vorjahr um 3,4 %, und dann gingen sie in den Keller: 1981 minus 3,3 %; 1982: minus 3,9 %; 1983 ein Wachstum von 4,9 %, 1984 von voraussichtlich knapp 6 %, und die letzten Prognosen führender Institute begründen die Hoffnung, daß wir im nächsten Jahr eine Größenordnung von an die 7 % erreichen können. Natürlich ist dies eine entscheidende Trendwende. Ohne jetzt auf die Einzelheiten der Debatte über Beschäftigungseffekte von privaten Investitionen einzugehen, muß ich feststellen: Ohne eine nachhaltige Steigerung der privaten Investitionen, d. h. Betriebsmodernisierung, zunehmend — wie wir hoffen — auch Betriebserweiterung, Neugründung von Existenzen, gibt es keine Perspektive für eine entscheidende Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt.
Zwei weitere Punkte aus diesem Teil der Debatte. Die Subventionsdiskussion aus den Reihen der Sozialdemokratischen Partei hat mich sehr überrascht. Ich verstehe da kritische Fragen und Anmerkungen zu einzelnen Punkten. Wir sind etwa im Bereich des Abbaus von steuerlichen Subventionen nicht so schnell vorangekommen, wie ich es selbst, auch öffentlich, in einigen Punkten vorgeschlagen habe. Ich habe die Sonderentscheidungen für Wohnungsbau, für Stahl und Landwirtschaft begründet. Ich gehe darauf aus Zeitgründen nicht mehr ein, Herr Wieczorek, ich habe das in meiner Haushaltsrede getan, und wir haben Gelegenheit, das weiter auszutragen, wenn Sie es wollen. Aber ich sehe mit Erstaunen, wie groß die Widersprüche bei Ihnen sind. Hier kommt erst einmal der klassenkämpferische Vorwurf, die Subventionen gingen an die Großen und Reichen. Dabei wäre ich — das will ich nur am Rande sagen — für eine gelegentliche Definition des Begriffs „Großbauer" dankbar; aber es sind vor allem andere gemeint. Aber dann kommen Sie und bekräftigen hier mit Nachdruck die Forderung nach Subventionen von über 4 Milliarden DM an die Energieversorgungsunternehmen, an die Monopolbetriebe in Nordrhein-Westfalen, die nun wirklich zu den Großen und Reichen gehören, auch deshalb, weil sie nur begrenzten Wettbewerb haben, die die höchsten Dividenden haben
und bei denen es keinen Grund gibt, ihnen die Kosten für die notwendige Umweltinvestitionen abzunehmen.
Dann kommen Sie — Herr Wieczorek heute, Frau Simonis gestern — und kritisieren heftig, daß das Volumen des Einzelplans 09 zurückgeht. Warum geht es zurück? Weil eine Reihe von Subventionskürzungen vor allem im Bereich der Wirtschaft vorgenommen worden sind, die Sie erst fordern, mit den klassenkämpferischen Parolen anmahnen und dann, wenn sie in vollem Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister erfolgen, hier als ein schweres Versagen der Bundesregierung darstellen. Ordnen Sie bis zur nächsten Debatte erst einmal Ihre Gedanken in Ihren eigenen Reihen zu diesem Teil.
Die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt erreichen wir nur durch eine große Gemeinschaftsleistung. Das gilt auch für die bevorstehende Tarifrunde im öffentlichen Dienst. Ich will darauf aufmerksam machen, daß in den Jahren 1984 und 1985 mindestens fünf Bundesländer — SPD-geführte genauso wie CDU-geführte — weiter Planstellen abbauen,
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984 6103
Bundesminister Dr. Stoltenbergweil ihre Finanzlage so schwierig ist, daß sie dies für unvermeidbar halten. Wir haben den Planstellenabbau unserer sozialdemokratischen Vorgänger beim Bund beendet, aber wir haben auch keinen Spielraum für Stellenvermehrungen. Man muß dies einfach einmal der Öffentlichkeit sagen, wenn man den weit überbordenden Forderungskatalog etwa der Frau Wulff-Matthies und ihre zunächst einmal auch militanten Attacken gegen die Bundesregierung bewerten will. Ich hoffe, daß hier Mäßigung und die Einsicht eintreten, daß maßlose Forderungen für den öffentlichen Dienst nicht mehr Arbeitsplätze schaffen, sondern Arbeitsplätze bedrohen, weil dann auch andere Bundesländer und Gebietskörperschaften vor der Frage stünden, ob der Planstellenabbau nicht weitergeht, den auch Sie als sozialdemokratische Bundesregierung drei Jahre betrieben haben. Ich will das einmal öffentlich klar sagen, ohne auf Einzelheiten der Tarifdiskussion einzugehen, dazu ist jetzt nicht der Platz. Auch hier ist Solidarität gefordert, und zwar nicht nur verbal.
Das sehen wir nicht nur bei uns. Die französischen Sozialisten haben in den ersten Jahren, als sie selber noch an ihr Wahlprogramm glaubten, einige hunderttausend Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen. Nachdem sie durch bittere Enttäuschungen dazugelernt haben und eine neue Politik betreiben, werden sie im Haushalt der französischen Staatsverwaltung im nächsten Jahr bei ansteigender Arbeitslosigkeit mindestens sechseinhalbtausend Stellen abbauen. Es lohnte sich einmal wirklich, daß auch die sozialdemokratischen Kollegen mit den Politikern der sozialistischen Partei in Paris darüber reden, warum sie das machen. Einige aus Ihren Reihen haben ja meine wiederholten Hinweise auf die französischen Sozialisten ein bißchen kritisiert. Ich kann das verstehen. Sie haben weder in der Wirtschafts- noch in der Finanzpolitik, noch in der Verteidigungspolitik, noch in der Außenpolitik Übereinstimmung mehr mit der französischen sozialistischen Partei, nach dem die dort im vierten Jahr ihrer Regierung angekommen sind. Und Sie haben sie in immer geringerem Maße auch mit sozialistischen Parteien anderer bedeutender westeuropäischer Länder, etwa Spaniens oder Italiens.Herr Kollege Vogel, Sie sollten künftig häufiger einmal nach Paris reisen und mit den dortigen Politikern diskutieren und nicht schon in Saarbrücken mit Oskar Lafontaine den Zug verlassen, dazu noch auf dem falschen Bahnsteig. Das wäre meine Empfehlung in diesem Falle.
Wenn ich für Ihr nächstes Godesberg noch eine weitere Anregung geben darf — —
— Nein, ich finde nur, daß Sie guten Rat gebrauchen können.
— Ich bitte Sie, Herr Hoffmann! Wenn die Sache mit Saarbrücken Sie getroffen hat, werde ich das nächste Mal einen anderen Ort nennen.
— Herr Kollege Hoffmann, ich glaube, daß es für Ihre Partei und für uns alle wirklich wichtig ist, auch aus solchen Erfahrungen sozialistischer Regierungen in anderen Ländern Europas zu lernen. Das ist doch keine Arroganz, wenn ich das sage; auch wir können das eine oder andere lernen.
— Im Juni dieses Jahres.
— Auch da kann man einiges lernen.Weil Sie von London sprechen, möchte ich sagen, daß François Mitterrand nach meiner Meinung ein besserer Ratgeber zu sein scheint als Arthur Scargill, um auch mal dies als Alternative im westeuropäischen Sozialismus zu bezeichnen.
Der Hinweis auf die ganze Bandbreite der Möglichkeiten der Entwicklung des westeuropäischen Sozialismus ist vollkommen zutreffend und weder polemisch noch unfreundlich.
Meine Damen und Herren, ich will die Diskussion über die Deutschland- und Außenpolitik nicht mehr im einzelnen aufnehmen. Ich unterstreiche, was Herr Kollege Mischnick hier gesagt hat. Nur, Herr Vogel, weil Sie in dem Zusammenhang sehr heftige persönliche Angriffe gegen den Bundeskanzler gerichtet haben, erlauben Sie mir eine Anmerkung.
1979 bis 1982 gab es bei unseren Freunden in Westeuropa einen wachsenden Zweifel an unserer außenpolitischen Grundorientierung. Sie haben das selbst gespürt, wenn Sie bedeutende Persönlichkeiten aus diesen Ländern noch einmal erinnern und sich auch in ihren öffentlichen Äußerungen vergegenwärtigen. Das war die Folge des Kampfes einer immer mächtigeren Strömung gegen die Politik des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt in Verbindung mit dem Doppelbeschluß, d. h. der Verpflichtung, beim Scheitern der Genfer Verhandlungen nachzurüsten. Ich glaube, die wichtigste außenpolitische Leistung der neuen Bundesregierung und vor allem unseres Bundeskanzlers Helmut Kohl, ist,
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Bundesminister Dr. Stoltenbergdaß es keinen Zweifel mehr daran gibt, daß wir fest zum Bündnis der westlichen Demokratien stehen und eine gemeinsame Sicherheitspolitik mit ihnen in Zukunft verwirklichen wollen.
Deshalb ist dies viel bedeutsamer als die aus der Sicht der Opposition legitime Betrachtung, ob nun alles auch in der deutschland- und außenpolitischen Diskussion in der Sommerferienzeit, was aus dem Bereich der Koalition kam, bis zum letzten abgestimmt, harmonisiert war. Da ist auch bei uns das eine oder andere verbesserungsbedürftig. Aber die Grundrichtung der Politik ist wieder eindeutig, berechenbar und verläßlich, und sie dient den deutschen Interessen. Davon sind wir zutiefst überzeugt!
Diese feste, unbezweifelbare Orientierung auf das Bündnis der westlichen Demokratien ist ja die Grundlage für einen Dialog und für Vereinbarungen in der Deutschland- und Ostpolitik.Meine Damen und Herren, eine Anmerkung will ich hier noch machen. Es gehört ja zur Sprache der Fraktion der GRÜNEN, daß Herr Vogt hier gesagt hat, das Militär sei ein Fremdkörper für jede Demokratie. Ich will daran erinnern, daß Theodor Heuss, eine Persönlichkeit, auf die wir uns hoffentlich alle in diesem Hause in der geschichtlichen Orientierung beziehen können,
als Bundespräsident in eindrucksvoller Weise darauf hingewiesen hat, daß zu den größten europäischen Traditionen der Demokratie die feste Verankerung der Streitkräfte im ganzen Volk und im demokratischen Staat gehört.
— Das ist unbezweifelbare Wirklichkeit in vielen traditionsreichen, bedeutenden Demokratien, etwa in der Schweiz, aber auch in skandinavischen Ländern, und es wird nach der überwältigenden Überzeugung der Bürger zu einer lebendigen Tradition in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sagen das, weil wir diese Töne, die Soldaten zu Outlaws oder zu Außenseitern zu machen, auf das entschiedenste zurückweisen. müssen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Vogt?
Nein, ich tue das nicht; ich möchte jetzt zum Abschluß kommen.
— Es ist sehr merkwürdig; wenn es Ihnen paßt, reden Sie immer von den betroffenen Menschen. Mit einer Institution wie der Bundeswehr sind das Leben, der Einsatz und das Schicksal von Millionen Menschen, von Mitbürgern unseres Landes, unmittelbar verbunden.
Wenn Sie das Militär in dieser Form zum Außenseiter machen oder außerhalb der demokratischen Verfassung und ihrer Institutionen drängen wollen, treffen Sie Millionen Menschen, für die wir hier sprechen, weil sie ihren Dienst für die Demokratie unseres Landes tun.
Herr Kollege Vogel, solche Reden innerhalb des Parlaments — außerhalb des Parlaments gibt es von den GRÜNEN ja noch schlimmere — sollten Sie und die anderen Mitglieder des Präsidiums der SPD veranlassen, sich bei künftigen Aufrufen wie etwa bei den jetzigen zu den sogenannten Friedensaktionen doch etwas sorgfältiger die Partner — und auch deren Sprache — anzusehen, mit denen zusammen Sie jetzt marschieren wollen.
Die Frage von Alfred Dregger,
was dieser Aufruf an Empfehlung für die Mitglieder Ihrer Partei bedeutet, ist von Herrn Kollegen Willy Brandt nicht befriedigend beantwortet worden, und wir werden auf diese Frage zurückkommen.Meine Damen und Herren, unsere Politik der Stabilität und der marktwirtschaftlichen Erneuerung wollen wir in vollem Einvernehmen der Regierungsparteien fortsetzen. Der Gleichklang von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik bleibt einer der Eckpfeiler der Politik.
— Ja, der Gleichklang! — Herr Kollege Wieczorek, der Versuch, in die inneren Beziehungen zwischen Norbert Blüm und mir hineinzuleuchten, berührt uns überhaupt nicht. Diese Beziehungen sind freundschaftlich und vertrauensvoll. Davon können Sie bei Ihren weiteren Betrachtungen ausgehen. Das schließt nicht aus, daß wir über einzelne Probleme miteinander diskutieren und die Aufgabe haben, verschiedene Sachüberzeugungen zu einem Ergebnis zu bringen. Wir haben das bisher erreicht, und wir werden das auch bei den anstehenden Fragen weiter erreichen. Insofern brauche ich dazu nicht mehr viel zu sagen. Sie werden da Enttäuschungen erleben. Wir arbeiten in der Regierung gut zusammen.
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Bundesminister Dr. StoltenbergIn einer Marginalie will ich nur sagen: Herr Kollege Vogel, Sie müssen doch, wenn Sie nicht genannte Pressestimmen über innere Vorgänge der Bundesregierung zitieren, die Quellen etwas kritischer betrachten.
— Sie müssen die Quellen kritischer betrachten! Der Chef des Bundeskanzleramtes nimmt seit September 1982 an allen Koalitionsgesprächen und an den Ministergesprächen teil. — Dieser eine Satz genügt zur Klarstellung für die nächste Runde.
— Ach, wenn Sie eine Unrichtigkeit behaupten, muß das doch klargestellt werden. Das ist doch der Sinn einer Debatte.
Wenn Sie zum Tatsächlichen etwas Falsches sagen, erlauben Sie mir als einem ständigen Teilnehmer an Koalitionsgesprächen und vielen Ministergesprächen, das als Tatsache einfach richtigzustellen.Herr Kollege Vogel, ich möchte als letztes sagen, daß der Schluß Ihrer Rede mich überrascht hat. Meine Damen und Herren, es geht j a nicht nur um die Erinnerung daran, daß — Wolfgang Mischnick hat es gesagt — die „Financial Times" einmal Helmut Schmidt einen Preis verliehen hat und daß Ihre Partei gesagt hat, das sei ja nun eine Preisverleihung von einer besonders angesehenen Institution.
Ich muß mich wirklich fragen, ob das ein wohlerwogener Beitrag ist, jetzt die Bürger der Bundesrepublik Deutschland in diejenigen einzuteilen, die die „Financial Times" lesen und die dann sozusagen zu den Reichen und Privilegierten gehören, und sich im Gegensatz dazu als Anwalt der Arbeiter und der Sozialhilfeempfänger darzustellen. Ich empfinde das als ein ungutes Element der öffentlichen Diskussion.Die „Financial Times" ist eine der angesehensten internationalen Zeitungen. Sie wird übrigens, was Sie vielleicht nicht wissen, seit einiger Zeit auch in Frankfurt gedruckt, nicht nur in London. Das heißt, es gibt sehr viele Leser in Deutschland. Sie werden sie im Wirtschaftswissenschaftlichen Institut der Gewerkschaften mit Sicherheit finden. Sie wird dort sorgfältig gelesen. Sie werden sie sicher in den Büros von Helmut Schmidt und Manfred Lahnstein finden.
Sie finden sie auch in meinem Büro. Ich habe sie heute morgen eingesteckt. Es gibt eine Reihe von Zeitungen, gerade im Hinblick auf jene, die in der Finanz- und Währungspolitik Verantwortung haben, die man mit Gewinn liest, diese und andere. Das gilt für Sozialdemokraten, das gilt für christliche Demokraten, das gilt für Gewerkschaftsmitglieder, die sich sorgfältig informieren wollen, wenn siezu Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik sprechen wollen, und die Zahl derer wird hoffentlich immer größer, die das auch in den Gewerkschaften tun. Meine Damen und Herren, bei den Sozialdemokraten nimmt diese Zahl zur Zeit ab, sonst hätte Herr Vogel nicht so reden können.
Es hat wirklich keinen Sinn, es ist sehr befremdend, wenn jetzt der Leserkreis, von mir einmal in Umrissen so beschrieben, einer der führenden internationalen Zeitschriften sozusagen polemisch gegen die sogenannten kleinen Leute in unserem Lande abgesetzt wird. Das kann auch mit den großen liberalen Traditionen, auf die Sie sich gelegentlich als Rechtspolitiker berufen, eigentlich nicht vereinbar sein.Ich wollte hier keine Werbung für eine Zeitung machen — das steht mir nicht zu —, aber nachdem sie so schlecht gemacht wurde, will ich als letzten Satz sagen: Nachdem ich die hervorragende KarlMarx-Biographie von Richard Friedenthal gelesen habe, nehme ich an,
— ja, als studierter Historiker lese ich so etwas, Herr Kollege Vogel —, daß auch der hochgebildete Karl Marx in seinem Londoner Exil die „Financial Times" gelesen hätte, wenn sie zu seiner Zeit schon erschienen wäre.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu dieser Debatte nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.Die Vorlagen auf den Drucksachen 10/1800 und 10/1801 werden gemäß dem Vorschlag des Ältestenrates an den Haushaltsausschuß überwiesen. — Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 bis 10 auf:2. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
— Drucksache 10/1861 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Innenausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten3. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
— Drucksache 10/1862 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Innenausschuß
Ausschuß für WirtschaftAusschuß für Ernährung, Landwirtschaft und ForstenAusschuß für Jugend, Familie und Gesundheit4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Ge-
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Vizepräsident Westphalsetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs— Drucksache 10/1747 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
Finanzausschuß5. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren sowie anderer wertpapierrechtlicher Vorschriften— Drucksache 10/1904 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
FinanzausschußAusschuß für Wirtschaft6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Oktober 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen— Drucksache 10/1740 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Juni 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Benin über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen— Drucksache 10/1741 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet an der Werra— Drucksache 10/1765 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung wirtschaftsrechtlicher Vorschriften— Drucksache 10/1790 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Wirtschaft Rechtsausschuß10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Lohnstatistik— Drucksache 10/1916 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung InnenausschußHaushaltsausschuß gemäß § 96 GODas Wort wird zu diesen Vorlagen nicht gewünscht.Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung.
— Ist das eine Meldung zur Geschäftsordnung? Sie können nur zur Geschäftsordnung sprechen, Herr Porzner.
— Ja, das kommt gleich. Schönen Dank für den Hinweis. Es steht hier aber schon.Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrats ersehen Sie aber aus der Tagesordnung. Interfraktionell ist darüber hinaus vereinbart worden, die Vorlagen unter den Tagesordnungspunkten 2 und 3 auf den Drucksachen 10/1861 und 10/1862 auch dem Rechtsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Gibt es dazu andere Vorschläge? — Herr Wolfgramm!
— Diesen Punkt behandeln wir noch nicht, Herr Wolfgramm. Ich habe die Tagesordnungspunkte 2 bis 10 aufgerufen. Es ist alles ordnungsgemäß und sauber vorbereitet, und wir bemühen uns, das gut umzusetzen. Haben Sie aber vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.Andere Überweisungsvorschläg zu den Punkten 2 bis 10 werden nicht gemacht. — Die Überweisungen sind dann so beschlossen.Ich rufe jetzt Punkt 11 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Einführung umweltfreundlicher Kraftfahrzeuge— Drucksache 10/1768 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Innenausschuß
Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für VerkehrDas Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 10/1768 zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit so-
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Vizepräsident Westphalwie an den Ausschuß für Verkehr zu überweisen. Interfraktionell ist darüber hinaus vereinbart, den Antrag auch dem Finanzausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaft zur Mitberatung zu überweisen. Okay, Herr Wolfgramm?
— Alles okay.Anderweitige Vorschläge dazu gibt es nicht. Dann sind auch hier die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Daubertshäuser, Duve, Dr. Apel, Glombig, Gobrecht, Klose, Paterna, Schmidt , Berschkeit, Buckpesch, Kretkowski, Hettling, Ibrügger, Kuhlwein und der Fraktion der SPDAbteilung Seeverkehr — Bundesministerium für Verkehr— Drucksache 10/1884 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für VerkehrDas Wort wird nicht gewünscht.Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag auf Drucksache 10/1884 an den Ausschuß für Verkehr zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 13 auf:a) Beratung der Sammelübersicht 37 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/1689 —b) Beratung der Sammelübersicht 38 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/1690 —c) Beratung der Sammelübersicht 39 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/1907 —d) Beratung der Sammelübersicht 40 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/1908 —Die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Frau Kollegin Berger, hat zu einer Klarstellung das Wort erbeten. Ich bitte um ihren Beitrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Petitionsausschuß beantragt nach einem entsprechenden Beschluß in seiner 31. Sitzung am 12. September 1984, erstens die in der Sammelübersicht 38 unter der laufenden Nummer 33 aufgeführte Petition und zweitens die in der Sammelübersicht 39 unter den laufenden Nummern 1 und 174 enthaltenen Petitionen von der Beschlußfassung auszunehmen. Zur ersten Petition wird die Fraktion der GRÜNEN nach § 112 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine Aussprache beantragen und einen Änderungsantrag einbringen. Bei den beiden anderen Petitionen ist es erforderlich, daß der Ausschuß ergänzende Stellungnahmen anfordert. Die drei Eingaben werden dem Bundestag zu einem späteren Zeitpunkt zur Beschlußfassung erneut zugeleitet werden. — Vielen Dank.
Anderweitig wird dazu das Wort nicht gewünscht.
Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses, den in den Sammelübersichten 37 bis 40 enthaltenen Anträgen — unter Berücksichtigung der soeben von Frau Berger vorgetragenen Änderung — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen.—Stimmt jemand dagegen? — Enthaltungen? — Enthaltungen bei der Fraktion der GRÜNEN. Die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses sind damit mit den vorgetragenen Änderungen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Schluß der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 19. September 1984, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.