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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/83 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 83. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. September 1984 Inhalt: Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985) — Drucksache 10/1800 — in Verbindung mit Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988 — Drucksache 10/1801 — Dr. Vogel SPD 6067 B Carstens (Emstek) CDU/CSU 6075 B Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 6082 B Dr. Weng FDP 6084 B Lennartz SPD 6087 C Mischnick FDP 6089 C Wieczorek (Duisburg) SPD 6094 A Burgmann GRÜNE 6097 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 6098 C Vizepräsident Westphal 6098 C Erste Beratung des vom Bundesrat éingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anderung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (Abwärmeverwertung) — Drucksache 10/1861 — 6105 D Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Anlagensanierung) — Drucksache 10/1862 (neu) — 6105 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs — Drucksache 10/1747 — 6105 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verwahrung und Anschaffung von Wertpapieren sowie anderer wertpapierrechtlicher Vorschriften — Drucksache 10/1904 — 6106 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. Oktober 1983 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache 10/1740 — 6106 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 29. Juni 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Benin über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache 10/1741 — 6106 B II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet an der Werra — Drucksache 10/1765 — 6106 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung wirtschaftsrechtlicher Vorschriften — Drucksache 10/1790 — 6106 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Lohnstatistik — Drucksache 10/1916 — 6106 B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Einführung umweltfreundlicher Kraftfahrzeuge — Drucksache 10/1768 — 6106 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Daubertshäuser, Duve, Dr. Apel, Glombig, Gobrecht, Klose, Paterna, Schmidt (Hamburg), Berschkeit, Buckpesch, Kretkowski, Hettling, Ibrügger, Kuhlwein und der Fraktion der SPD Abteilung Seeverkehr — Bundesministerium für Verkehr — Drucksache 10/1884 — 6107 A Beratung der Sammelübersicht 37 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/1689 —in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 38 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/1690 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 39 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/1907 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 40 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/1908 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 6107 C Nächste Sitzung 6107 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 6109* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 6109*C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. September 1984 6067 83. Sitzung Bonn, den 14. September 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Antretter** 14. 9. Bachmaier 14. 9. Büchner (Speyer) 14. 9. Eigen 14. 9. Engelsberger 14. 9. Eylmann 14. 9. Dr. Glotz 14. 9. Dr. Götz 14. 9. Haase (Fürth) ** 14. 9. Dr. Hackel** 14. 9. Dr. Holtz** 14. 9. Jaunich 14. 9. Dr. Jobst 14. 9. Junghans 14. 9. Dr. Klejdzinski** 14. 9. Dr. Kreile 14. 9. Kroll-Schlüter 14. 9. Dr. Müller** 14. 9. Rapp (Göppingen) 14. 9. Frau Renger 14. 9. Reuschenbach 14. 9. Frau Roitzsch (Quickborn) 14. 9. Dr. Rumpf** 14. 9. Sauermilch 14. 9. Schäfer (Mainz) 14. 9. Schmidt (Hamburg) 14. 9. Schmidt (München) ** 14. 9. von Schmude 14. 9. Frau Schoppe 14. 9. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schröder (Hannover) 14. 9. Schulhoff 14. 9. Schwarz** 14. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 14. 9. Graf Stauffenberg* 14. 9. Voigt (Frankfurt) 14. 9. Voigt (Sonthofen) 14. 9. Weiskirch (Olpe) 14. 9. Frau Dr. Wex 14. 9. Dr. Unland** 14. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 14 23 Tit. 671 01 - Leistungen des Bundes nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz - (Drucksache 10/1799) zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 2. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1984 (Drucksache 10/1808) zuständig: Haushaltsausschuß
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rainer Barzel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Die Sitzung ist eröffnet.
    Wir fahren in der verbundenen Aussprache über die Punkte 1 a und 1 b der Tagesordnung fort:
    Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1985 (Haushaltsgesetz 1985)

    — Drucksache 10/1800 —
    Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
    Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1984 bis 1988
    — Drucksache 10/1801 —
    Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Haushaltsausschuß
    Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.


Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalition hat in den beiden letzten Tagen versucht, das miserable Bild, das sie während der Sommerpause geboten hat, mit schrillen Erfolgsfanfaren vergessen zu machen. Sie haben dazu, meine Damen und Herren, keine Anstrengungen, aber auch keine Übertreibung und keine Verdrehung und erst recht keine Polemik gescheut. Sie haben — und dieser Vorwurf trifft vor allem Sie, Herr Bundeskanzler — ohne Rücksicht Gemeinsamkeiten aufgekündigt und Gräben aufgerissen, wenn Sie sich davon parteitaktische Vorteile versprochen haben.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens, Sie haben am Mittwoch, Herr Bundeskanzler, dem Kollegen Brandt vorgeworfen, er habe geholzt. Das war angesichts der klugen, abgewogenen, auf Schadensbegrenzung auch nach innen zielenden Rede Willy Brandts absurd.

(Beifall bei der SPD)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Wer als Parteivorsitzender die jeweils kaltblütig geplanten und gezielt eingesetzten und verbreiteten Diffamierungen eines Generalsekretärs namens Geißler zu verantworten hat, der sollte vor der eigenen Türe kehren und sich nicht über andere beklagen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber zurück zu Ihrer Jubelbilanz, die Sie am Mittwoch in der deutschlandpolitischen Debatte präsentiert haben. Diese Bilanz entspricht nicht Ihren Ankündigungen. Sie ist auch formal nicht korrekt. Sie ist nämlich unvollständig. Wichtige Passivposten fehlen, und wichtige Aktivposten sind geschönt. Jede Prüfungsgesellschaft würde eine solche Bilanz zurückgeben und nicht akzeptieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Beginnen wir mit den Posten, die in Ihrer Bilanz fehlen und von denen Sie nicht gesprochen haben, von den sich häufenden Pannen beispielsweise, von den Skandalen und Affären. Die Liste dieser Vorfälle ist auch jetzt schon erschreckend lang, und sie verlängert sich fast von Woche zu Woche. Die von Ihnen, Herr Bundeskanzler, hier am Mittwoch angesprochenen Differenzen über die Besetzung der sogenannten Spaak-Kommission sind doch die neueste Panne dieser Art. Diesmal haben Sie durch Ihre mangelnde Geschicklichkeit den ehemaligen Bundespräsidenten Professor Karl Carstens in eine ungute Situation gebracht.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Leider wahr!)

    Vor wenigen Wochen ist Professor Biedenkopf, den Sie zur Unzeit und ohne genügende Sondierung für das Amt des Präsidenten der EG-Kommission ins Gespräch gebracht haben, dasselbe widerfahren. Überlassen Sie doch solche Dinge bitte den erfahrenen Männern des Auswärtigen Amts, wenn Ihre eigenen Initiativen zu solchen Pannen führen!

    (Beifall bei der SPD — von Hammerstein [CDU/CSU]: Haben Sie das im „Spiegel" gelesen?)

    In Ihrer Bilanz fehlen ebenso die unablässigen Streitigkeiten und Querelen in Ihrer Koalition. Da geht es doch nicht nur um Nuancen. Da geht es um wesentliche, zum Teil sogar um fundamentale Fragen. Sie streiten über die Einschätzung der polnischen Westgrenze — die denkwürdige Aktuelle Stunde zu den Äußerungen von Unionsabgeordne-
    6068 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 83. Sitzung. Bonn. Freitag, den 14. September 1984
    Dr. Vogel
    ten zu dieser Frage hat das deutlich gemacht —, über das Ausländerrecht, über die Kaufanreize für abgasentgiftete Personenautos und über den Zeitpunkt, von dem an nur noch Kraftfahrzeuge mit Katalysatoren zugelassen werden dürfen. Sie sind über die Einführung des neuen maschinenlesbaren Personalausweises ebenso uneins wie über die Änderungen des Waffenrechts oder über den Schuldzinsenabzug oder über das Erziehungsjahr und seine Finanzierung oder die Neuordnung der Krankenhausfinanzierung.
    Über diesen Zustand Ihrer Koalition sagten Sie am 31. August dieses Jahres vor der Bundespressekonferenz in Ihrer schwer nachzuahmenden Diktion: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt." Das mag ja so sein.

    (Lachen bei der SPD — Weiß [CDU/CSU]: Das ist auch bei Ihnen entscheidend!)

    Aber wenn ein Organismus seine Kräfte mehr und mehr im inneren Widerstreit verbraucht, dann kommt eben am Ende oder, wie Sie sagen, „hinten" schließlich überhaupt nichts mehr heraus.

    (Beifall bei der SPD)

    Wie der „Rheinische Merkur" — nicht gerade ein sozialdemokratisches Kampfblatt — letzte Woche zutreffend schrieb: „Kein Schiff kann einen Kurs halten, wenn sich die Mannschaft beständig gegenseitig anrempelt und dann durcheinandertorkelt." Sie sind ja ganz schön durch den Sommer getorkelt, meine Damen und Herren von der Koalition.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Sie sind 13 Jahre lang gestolpert!)

    Ausgerechnet Sie, die Sie von einem Streit zum nächsten und von einer Koordinierungspanne zur nächsten stolpern, werfen uns vor, wir würden in Hessen oder anderswo ein Chaos verursachen. Da kann ich nur sagen: Kümmern Sie sich um Ihr eigenes Chaos, beispielsweise um das Bundeskanzleramt!

    (Beifall bei der SPD)

    Das Problem im Bundeskanzleramt ist übrigens nicht der Chef des Amtes, den Sie nach Pressemeldungen jetzt sogar — man höre und staune — zu Ihren Gesprächen mit Bundesministern oder Vertretern der Koalitionsfraktionen hinzuziehen wollen und der nach den gleichen Meldungen jetzt dafür sorgen soll, daß über Ihre Gespräche mit ausländischen Besuchern Vermerke angefertigt werden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Das sind ja geradezu sensationelle Fortschritte, zu denen wir Sie herzlich beglückwünschen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Aber Herr Bundeskanzler, Herr Schreckenberger ist gar nicht das Problem. Er fügt dem Durcheinander Ihres Amtes nur die Züge liebenswürdiger professoraler Zerstreutheit hinzu.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Das Problem ist nicht Herr Schreckenberger. Das Problem sind Sie selbst in diesem Amt, Herr Bundeskanzler.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD)

    Von der Passivseite Ihrer Bilanz zu dem, was Sie für die Aktivseite reklamieren. Sie sagen, Ihr Haushaltsentwurf sei ein solcher Aktivposten. Aber keiner Ihrer Redner hat unsere Kritik entkräftet, keiner hat die schweren Widersprüche ausgeräumt, die diesen Haushaltsentwurf kennzeichnen. Darum frage ich noch einmal — —

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dann haben Sie nicht zugehört!)

    — Entschuldigung, ich bin einer der ganz wenigen, der hier Stunde für Stunde zugehört hat. Sie sollten diesen Vorwurf nicht erheben.

    (Beifall bei der SPD)

    Übrigens ist das, was Sie hier mit Ihrem Zwischenruf aufgreifen, ein Thema für die Debatte über das Selbstverständnis unseres Parlaments.
    Darum frage ich noch einmal: Was findet sich in diesem Haushalt eigentlich von all Ihren früheren Ankündigungen?
    Sie haben als Opposition aufs härteste kritisiert, daß wir von 1977 bis 1982 — also in sechs Jahren-13 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen in den Haushalt eingesetzt haben. Jetzt, in der Verantwortung, haben Sie schon in den ersten drei Jahren 30,5 Milliarden DM Bundesbankgewinne in Ihren Haushalten veranschlagt, und für die Jahre von 1986 bis 1988 planen Sie weitere 21 Milliarden DM an Bundesbankgewinnen ein. 13 Milliarden in unserer Zeit, 51,5 Milliarden in Ihrer Zeit! Das, was Sie angekündigt haben, ist doch tief widersprüchlich zu dem, was Sie jetzt tun.

    (Beifall bei der SPD)

    Grotesk, widersprüchlich und — da wende ich mich vor allen Dingen an Herrn Dregger in bezug auf seine gestrigen Ausführungen — ist auch das, was Sie zur Verschuldung sagen. Sie brandmarken die Entwicklung der Schuldenaufnahme bei uns, die ja nicht anders verlaufen ist als in den mit uns vergleichbaren europäischen Ländern, als Ursache allen Übels. Sie sagen, die Sozialisten seien Schuldenmacher. Gleichzeitig loben Sie die Wirtschaftspolitik der amerikanischen Administration als vorbildlich — eine Wirtschaftspolitik, Herr Kollege Dregger, die auf dem größten Haushaltsdefizit, auf der größten Schuldenaufnahme und den größten staatlichen Ausgabenprogrammen dieses Jahrhunderts beruht. Nach Ihrer Logik, Herr Dregger, wäre also Präsident Reagan ein besonders radikaler Sozialist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Das ist ein grotesker Widerspruch, in den Sie sich da verwickeln.
    Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie haben unablässig den Abbau der Subventionen gefordert. Im neuen Haushalt werden die Subventionen gesteigert, und zwar kräftig. Das ist doppelzüngig.



    Dr. Vogel
    Sie haben immer wieder die Erhöhung der Investitionsquote gefordert. Aber nach Ihrer mittelfristigen Finanzplanung sinkt sie in den Jahren bis 1988 auf den absoluten Tiefstand von 12,6 %. Das ist beschäftigungsfeindlich, meine Damen und Herren.
    Sie haben zu unserer Zeit die finanzielle Lage der Gemeinden stets kritisiert und der Verbesserung der finanziellen Lage das Wort geredet. Unter Ihrer Verantwortung verschlechtert sich die finanzielle Lage der Gemeinden, insbesondere die Finanz- und damit die Investitionskraft der Gemeinden. Was immer Sie sagen, Herr Kollege Stoltenberg: Allein im Jahre .1983 sind die kommunalen Sachinvestitionen von 34,48 Milliarden DM auf 29,7 Milliarden DM zurückgegangen, also um fast 10 %. Ihr Haushaltsentwurf ändert daran nichts. Auch das ist eindeutig beschäftigungsfeindlich.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie reden von der Steuerreform, die Sie immer aufs neue und mit häufig wechselnden Zahlen und mit viel Streit ankündigen. Sie nennen sie mit der Ihnen eigenen Bescheidenheit schon jetzt die größte Steuersenkung aller Zeiten. Aber alle Ihre Ankündigungen und Zahlenspiele ändern nichts an der Tatsache, daß die Lohnsteuerbelastung — das ist der wichtigste Gradmesser für die Belastung der Arbeitnehmer — unter Ihrer Verantwortung, Herr Bundeskanzler und Herr Kollege Stoltenberg, mit 17,8 % im Jahre 1984 einen Höchststand erreicht hat. Nie war die Belastung der Arbeitnehmer mit Lohnsteuer so hoch wie unter der Regierung der Wende.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Selbst wenn es Ihnen gelingt, Ihre Steuerreformabsichten zu verwirklichen, dann liegt die Lohnsteuerbelastung noch immer deutlich höher als zu unserer Zeit. Dafür haben Sie die Unternehmenssteuern, die ohnehin viel langsamer gewachsen sind — fast nur ein Drittel so stark wie die Steuern der Arbeitnehmer —, drastisch gesenkt.
    Auch die Tatsache bleibt trotz all Ihrer Zahlen und all Ihrer Propaganda bestehen, daß am Ende Ihrer Steuerreform im Jahre 1988 eine vierköpfige Familie, also ein Ehepaar mit zwei Kindern, bei einem Durchschnittseinkommen von jährlich 30 000 DM 65 DM im Monat, bei einem Einkommen von 300 000 DM aber 747 DM im Monat spart. Das sind die Tatsachen.

    (Beifall bei der SPD)

    Und da, meine Damen und Herren, wehren Sie sich gegen die Feststellung, daß Sie eine massive Umverteilung von unten nach oben betreiben! Das tun Sie doch. Was immer Herr Blüm erzählt: Die Umverteilung von unten nach oben ist die unverblümte Wahrheit, und wir werden sie aussprechen.

    (Beifall bei der SPD Zurufe von der CDU/CSU)

    Sie, Herr Bundeskanzler, haben den Stopp und dann den Abbau der Arbeitslosigkeit versprochen. Aber zwei Jahre nach Ihrem Amtsantritt sinkt die Arbeitslosigkeit nicht. Sie steigt vielmehr seit Be-
    ginn dieses Jahres Monat für Monat, saisonbereinigt von Januar bis August 1984 um über 100 000. In absoluten Zahlen sind es jetzt 2 202 000 Arbeitslose, die bei den Ämtern gemeldet sind. Eine erhebliche Anzahl nicht Gemeldeter kommt noch hinzu.
    Dies, die . Zahl der Arbeitslosen, Herr Bundeskanzler, ist der Kern der Sache. Daran ändern alle Daten nichts, die Sie sonst nennen — auch die Daten nicht, die wir durchaus begrüßen, wie etwa die gegenwärtige Beruhigung der Preisentwicklung. Sie ändern auch nichts daran, daß die Zahl der Arbeitsplätze unter unserer Verantwortung im Oktober 1982 um rund 200 000 höher lag als Mitte 1977. Dagegen gingen unter Ihrer Verantwortung allein 1983 fast 400 000 Arbeitsplätze für abhängig Beschäftigte verloren, und diese Entwicklung setzt sich im Jahre 1984 fort.
    Mehr junge Menschen denn je suchen verzweifelt einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz, darunter auch solche, die Ihrem Wahlversprechen vom letzten Jahr vertraut haben und noch heute auf der Straße stehen.
    Sie haben mehr soziale Gerechtigkeit versprochen. Aber niemals zuvor hat ein Bundeskanzler den Bürgerinnen und Bürgern in so kurzer Zeit eine solche Fülle von sozialen Ungerechtigkeiten zugemutet wie Sie, Herr Bundeskanzler, in den letzten zwei Jahren.

    (Beifall bei der SPD)

    Gewiß, auch wir hätten Konsolidierungsmaßnahmen in dieser weltwirtschaftlichen Situation treffen müssen. Aber, Herr Bundeskanzler, wir hätten dabei die soziale Gerechtigkeit nicht mit Füßen getreten. Und das ist unser Vorwurf gegen Sie.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Was haben Sie denn beim Kindergeld gemacht?)

    Wir hätten mit einer Ergänzungsabgabe begonnen, die diesen Namen verdient. Und wir hätten begonnen mit dem Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen, die sich in der veränderten Situation nicht mehr rechtfertigen lassen. Aber dazu fehlt Ihnen der Wille oder die Kraft oder beides. Sie haben sich mit Ihren Kürzungen lieber an die Mütter, an die Familien, an die Behinderten, an die Arbeitslosen und an die Rentner gehalten und dafür die Vermögensteuer gesenkt. Sie haben auch solchen Landwirten, die von den Brüsseler Beschlüssen überhaupt nicht betroffen sind, im Handumdrehen Milliarden bewilligt, die Sie zuvor den anderen genommen haben.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Jetzt, Herr Bundeskanzler, denken Sie sogar daran, Gelder, die bei der Bundesanstalt für Arbeit deshalb eingespart werden, weil mehr und mehr Arbeitslose infolge der langen Dauer ihrer Arbeitslosigkeit von der Bundesanstalt keinerlei Hilfe mehr erhalten, nicht etwa zur Verbesserung der Lage der Arbeitslosen oder zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder zur Schaffung zusätzlicher Lehrstellen einzusetzen, sondern Sie wollen diese Gelder so verwenden, als ob es Gewinne wären; Arbeitslosigkeit-



    Dr. Vogel
    gewinne, Anstaltsgewinne sozusagen als Gegenstück zu den Bundesbankgewinnen. Es blieb Ihnen vorbehalten, Herr Bundeskanzler, aus dem Anstieg und der Dauer der Arbeitslosigkeit auch noch Rendite für den Haushalt zu ziehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber das ist nicht alles. Unter Ihrer Verantwortung hat die Bundesrepublik den bittersten Arbeitskampf, jedenfalls einen der bittersten Arbeitskämpfe ihrer bisherigen Geschichte erlebt.

    (Zuruf von. der, CDU/CSU)

    Statt den sozialen Frieden zu wahren und zu fördern, haben Sie, Herr Bundeskanzler, durch Ihre einseitige Parteinahme am Beginn dieser Auseinandersetzung von Anfang an Öl ins Feuer gegossen.

    (Beifall bei der SPD — Klein [München] [CDU/CSU]: Was haben Sie denn gemacht?)

    Daß der Konflikt schließlich doch mit einem akzeptablen Kompromiß endete, ist nicht Ihr Verdienst.

    (Dr. Hackel [CDU/CSU]: Aber Ihrer auch nicht!)

    Es ist das Verdienst der Beteiligten, vor allem aber das Verdienst des Sozialdemokraten Georg Leber.

    (Beifall bei der SPD — Weiß [CDU/CSU]: Das war noch ein Sozialdemokrat!)

    Der Sozialdemokrat Georg Leber hat auch die Kastanien aus dem Feuer geholt, die Sie dort hineingeworfen haben.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU)

    Meine Damen und Herren von der Koalition, Herr Bundeskanzler, Sie haben den Schutz der Umwelt als eine Aufgabe bezeichnet, die für Ihre Regierung besondere Priorität besitze.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Ihr Innenminister hat sich j a zunächst auch furios in Szene gesetzt. Dabei kam ihm zugute, daß er genau das Gegenteil von dem zu tun schien, was er in der Opposition vertreten hat. Aber jetzt zeigt sich, daß die Kräfte des raschen Starters offenbar nicht über die volle Distanz reichen, daß er Ankündigungen in die Welt gesetzt hat, die er nicht einlösen kann. Hat nicht Ihr Innenminister für die Einführung des abgasentgifteten Autos immer wieder als Stichtag den 1. Januar 1986 genannt? Hat der Deutsche Bundestag nicht mit Ihrer Stimme, Herr Bundeskanzler, und denen Ihrer Kabinettsmitglieder am 9. Februar 1984 einstimmig die Einhaltung dieses Termins gefordert? Am 9. Februar 1984! Was ist denn von alledem geblieben? Ein verwirrendes, unschlüssiges Hin und Her um sogenannte Kaufanreize und Stufenpläne und immer neue Termine, ein Hin und Her, das die Käufer und damit die Autoindustrie und den Autohandel von Tag zu Tag mehr verunsichert! Ich habe den Eindruck, daß sich hier ganz offensichtlich — ich erinnere an den einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 9. Februar 1984 — ein zweites Buschhaus
    abzeichnet, daß Sie ein zweites Buschhaus vorbereiten.

    (Beifall bei der SPD)

    Im Falle Buschhaus 1 zeigte sich der wackere Herr Zimmermann in einer gerade für einen Bayern völlig neuen Rolle, nämlich in der des großen Schweigers. Da reichte es noch nicht einmal zu einer Wortmeldung in der ersten Sitzung, in der wir das Thema behandelten, und noch viel weniger — das kann ich ja verstehen — in der Sondersitzung. Sie, Herr Bundeskanzler, schwiegen bei der gleichen Gelegenheit ebenfalls. Dabei steht doch inzwischen fest, daß Sie selbst der, Urheber der ursprünglichen Entschließung waren, in der Sie sich und Ihre Regierung zu Maßnahmen aufforderten, die durchzusetzen Ihnen wiederum der Wille oder die Kraft oder beides gefehlt, hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Außerdem hat es mehr und mehr den Anschein, als ob Herr Albrecht das Parlament, die Öffentlichkeit und — wenn man Informationen trauen darf — möglicherweise auch Sie oder Ihr Bundeskanzleramt in Sachen Buschhaus geradezu hinters Licht oder hinter den Schwefel geführt hat. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Braunschweig und die verlegenen Antworten, die der eilends aufgebotene Herr Albrecht gestern auf die Fragen der Kollegen Hauff und Schäfer gegeben hat, lassen das jedenfalls vermuten. Sie sollten sich auf eine weitere, scharfe Auseinandersetzung in Sachen Buschhaus vorbereiten.

    (Beifall bei der SPD)