Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, zu meiner Freude sehe ich auf der Ehrentribüne einige Freunde und Kollegen aus dem Europäischen Parlament unter Vorsitz des Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments. Ich heiße Sie herzlich willkommen und wünsche Ihnen eine gute Zeit bei uns.
Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Hauchler, Verheugen, Bindig, Brück, Gansel, Dr. Holtz, Frau Huber, Klose, Lambinus, Frau Luuk, Schanz, Schluckebier, Dr. Soell, Stobbe, Toetemeyer, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD
Politik der Bundesregierung im südlichen Afrika
— Drucksachen 10/230, 10/833 —
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch. — Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Verheugen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gegenstand der heutigen Debatte ist ein Thema von im wahrsten Sinne des Wortes brennender Aktualität, und wir bedauern es, daß wir so lange auf diese Debatte warten mußten. Den außenpolitischen Interessen unseres Landes wäre es dienlicher gewesen, wenn die Bundesregierung früher zu einer Klärung ihrer Haltung gekommen wäre, ja wenn ihr das überhaupt gelungen wäre.
Das Produkt sechsmonatiger Bemühungen, die Antwort auf unsere Große Anfrage, widerlegt leider das Sprichwort, daß gut Ding Weile haben will; denn diese Antwort ist so offenkundig ein Kompromiß zwischen zwei völlig unvereinbaren Konzeptionen der Afrikapolitik, die es in der regierenden Koalition gibt, daß man die Behauptung wagen muß: Mit dieser Antwort kann eigentlich niemand zufrieden sein. Wir, die Fragesteller, sind es nicht,weil wir das von uns erhoffte Bekenntnis zur Kontinuität der deutschen Politik im südlichen Afrika nicht finden,
und Sie, Herr Bundesaußenminister, können eigentlich auch nicht zufrieden sein, wenn Sie Ihre jetzigen Aussagen an Ihren früheren messen, die mir noch ganz gut im Ohr sind. Natürlich sind auch diejenigen nicht zufrieden, denen schon in der Zeit der sozialliberalen Koalition die ganze Richtung nicht gepaßt hat und die auch für die Afrikapolitik lautstark eine Wende verlangt haben. Das ist die innenpolitische Seite des Problems.Viel gefährlicher ist der außenpolitische Aspekt. Der Kampf der zwei Linien, um mit Mao zu sprechen, führt zu Unsicherheit und Verwirrung bei den Betroffenen im südlichen Afrika. Dort möchte man doch auch gern wissen, welche Außenpolitik in Bonn eigentlich gilt, und man muß es auch wissen; denn die Bundesrepublik Deutschland ist im südlichen Afrika nicht irgendwer, sie trägt Verantwortung, sie spielte eine Rolle, auf ihr ruhen Hoffnungen. Dort ist noch ein gutes Stück Vertrauenskapital vorhanden; aber ich muß hier sagen, ohne das geringste Vergnügen dabei zu empfinden, daß die Antwort der Bundesregierung auf unsere Fragen im südlichen Afrika mehr als zurückhaltend aufgenommen worden ist. Um genau zu sein: Man ist dort enttäuscht.
Man hat dort wenig Verständnis für das Gerangel zwischen Auswärtigem Amt und BMZ, noch weniger Verständnis für den Austausch von Grobheiten zwischen der Regierung und einer Koalitionspartei. Ich will zugeben, daß „Austausch" vielleicht nicht das richtige Wort ist, denn die Grobheiten kommen mehr aus einer Richtung.
— Herr Klein, es hat keinen Zweck, ich höre nur die Zwischenrufe, die ich hören will.
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3864 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984
VerheugenDer simple Tatbestand ist doch, daß sich die Außenpolitik unseres Landes in einem wichtigen Teil der Welt in einem Zustand der Selbstlähmung befindet und daß sich daraus ein für uns alle schmerzlicher Ansehens- und Bedeutungsverlust der Außenpolitik ergibt.
Die Zerstrittenheit der Koalition über die Politik im südlichen Afrika hat die Interessen unseres Landes beschädigt. Wir fordern Sie auf, diesem Zustand ein Ende zu setzen und hier in dieser Debatte Klarheit zu schaffen, bevor das internationale Vertrauen ganz und gar verspielt ist.Wir wollen wissen: Was gilt? Gilt die Politik der Bundesregierung, oder gilt der Ruf nach einer Kurskorrektur? Ich weiß ja schon, was Sie dazu sagen werden. Sie werden sagen, die Antwort der Regierung sei die gemeinsame Position der Koalition.
Aber das möchten wir dann gern ganz genau wissen: Gilt die Kritik aus der CSU, die nach der Veröffentlichung der Antwort geäußert wurde, nicht mehr, oder gilt sie noch? Sind die Forderungen nach einer Kurskorrektur in der Afrikapolitik auf allen Seiten aufgegeben? Ist es falsch, was der CDU nahestehende Publikationen geschrieben haben, nämlich daß diese Kurskorrektur mit Rücksicht auf die Koalition nur in kleinen Schritten vollzogen werden könne? Worin bestehen diese kleinen Schritte? Oder haben wir es hier wieder einmal mit Ihrer berühmten Doppelstrategie zu tun:
für das Auftreten im Ausland diplomatische Nadelstreifen und für das einheimische Publikum die Lederhose?
Meine Damen und Herren, was sollen wir denn von einer Antwort halten, für deren einzelne Teile der Vorsitzende der zweitgrößten Koalitionspartei folgende Charakterisierungen zum besten gegeben hat — ich zitiere jetzt nur wörtlich —:
„irreführende Terminologie", „Hohn auf die Wirklichkeit", „gespenstisch irreal", „Vorurteile", „Unkenntnis der wirklichen Verhältnisse", „Schildbürgerstreich", „den üblichen Unsinn zu Papier gebracht", „eine Marotte Genschers, der Angst vor unerfreulichen Veröffentlichungen und entsprechenden Reaktionen in seiner eigenen Partei hat",
„schlechterdings wirklichkeitsfremd", „hanebüchener Unsinn", „schlechterdings Unsinn" — das Wort„schlechterdings" scheint er zu lieben — und schließlich „ein schlechter Witz".Meine Damen und Herren, in dieser Koalition gibt es Kräfte, die in vollkommener Einseitigkeit die aggressive Politik des rechten Flügels der weißen Minderheit in Südafrika zu der ihren gemacht haben und auf diese Weise die Politik der eigenen Regierung und ihres wichtigsten Verbündeten, der USA, hintertreiben.Da wird die SWAPO als eine Terrororganisation hingestellt, ohne daß der Terror, dem die Menschen in Namibia durch Südafrika ausgesetzt sind, mit einem einzigen Wort erwähnt wird.Da wird die Apartheid nicht nur verharmlost, sondern in einem atemberaubenden Zynismus damit verteidigt, daß die Gewährung von Freiheitsrechten für die Bevölkerungsmehrheit in Südafrika deshalb nicht möglich wäre, weil eine schwarze Mehrheitsregierung dazu führen würde, daß Millionen von Schwarzen hungern und verhungern würden.Da wird in Angola die Position der UNITA unterstützt — eine Bewegung, meine Damen und Herren, die dafür verantwortlich ist, daß dieses einst blühende Land in Blut und Elend versinkt.
Dort hungern die Menschen, und zwar heute schon und deshalb, weil sie ihres Lebens nicht sicher sein können, wenn sie auf dem Lande bleiben.Diese selbe, angeblich so westlich-demokratische UNITA entführt Menschen und hält sie als Geiseln gefangen, z. B. 20 Entwicklungshelfer aus unserem Nachbarland Tschechoslowakei seit nunmehr einem Jahr. Wer uns die UNITA als Gesprächspartner anbieten will, der möge zuerst einmal dafür sorgen, daß sie mit dem Menschenraub aufhört und die tschechischen Geiseln freiläßt.
Der andere Kurs, der da gefordert wird, sagt von den Frontstaaten, sie betrieben mit Hilfe sowjetischer Waffen und mit kubanischen Fremdenlegionären die Destabilisierung und Revolutionierung Südafrikas. Wer destabilisiert hier denn wen? Wer ist denn die wirtschaftliche, militärische und politische Supermacht in der Region? Wer schürt denn Widerstandsbewegungen gegen rechtmäßige Regierungen? Wer nutzt Stammesgegensätze aus? Wer unterhält ein „Zentrum für Destabilisation"?Wer hat das wehrlose kleine Lesotho, das ebenso wehrlose Mosambik und das nicht ganz so wehrlose Angola überfallen?
Waren das Kubaner, waren das die Frontlinienstaaten, oder war das die Republik Südafrika?
Lassen Sie mich noch auf eines hinweisen: Der andere Kurs, die verlangte Wende, unterstützt auch
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3865
Verheugendie sogenannte Homeland-Politik Südafrikas, also die zwangsweise Eingliederung der schwarzen Mehrheit in lebensunfähige Gebilde, in Bantustans. Ich wage ja gar nicht auszudenken, was hier los wäre, wenn etwa die Regierung von Simbabwe auf den Gedanken käme, für ihre weiße Minderheit Homelands einzurichten, statt sie an der Regierung — und entsprechend im Parlament — des Landes überproportional zu beteiligen.Die Bantustan-Politik, letzter Ausdruck der sogenannten getrennten Entwicklung, müßte doch eigentlich eine Partei auf den Plan rufen, in deren Reihen es Vertriebenenpolitiker gibt, die am besten wissen sollten, was Vertreibung bedeutet. Die Menschen werden unter Zwang in die Bantustans gebracht. Ihre Familien werden auseinandergerissen. Wenn sie Bauern waren, wird ihnen die Existenzgrundlage genommen. Und sie alle zusammen werden durch Beschluß der weißen Minderheit zu Ausländern im eigenen Land erklärt. Kann es angesichts unserer eigenen nationalen Erfahrung bei uns irgend jemand geben, der das für richtig halten kann?
Die Politik im Rücken der Regierung besteht nicht nur in Reden und Interviews. Ermutigt durch diese Redereien beteiligen sich Institutionen und Teile der Wirtschaft an jener Politik der Destabilisierung. Die Antwort der Bundesregierung auf die Fragen bezüglich der Aktivitäten des BND im südlichen Afrika, in Mozambique hat niemanden überzeugt, der die Sache kennt. Das wird an anderer Stelle weiter zu erörtern sein.Ich denke, daß die Interessen unseres Landes auch von denjenigen verletzt werden, die sich in jener Grauzone tummeln, in der die Sanktionen der Vereinten Nationen in bezug auf Rüstungsgüter und Rüstungstechnologie ungeniert verletzt und umgangen werden.Warum eigentlich ist das südliche Afrika für uns ein so wichtiges Problem? Wir meinen, daß, abgesehen vom Ost-West-Konflikt, das südliche Afrika einer der drei aktuellen Brennpunkte der Weltpolitik ist — neben dem Nahen Osten und Zentralamerika. Es sind amerikanische Analytiker, die uns sagen, daß schon auf mittlere Sicht dieser Konflikt der gefährlichste werden kann; denn hier mischen sich soziale, wirtschaftliche, militärische, ethnische und rassische Spannungen, und hier stoßen auch Großmachtinteressen aufeinander. Wenn Südafrika heute an einem Disengagement mit Angola interessiert ist, so doch nicht aus reinem Altruismus, sondern weil ihm die Gefährlichkeit der direkten Konfrontation mit sowjetischen Waffen bewußt geworden ist.Wir meinen, daß Politik im südlichen Afrika Teil einer weltweiten Friedenspolitik sein muß. Ob Entspannung teilbar ist oder nicht, mag für heute dahingestellt bleiben. Der Frieden jedenfalls ist es nicht. Unsere Bemühungen, Konfliktherde und Konfliktursachen in Europa abzubauen und die direkte Konfrontation der Blöcke zu vermeiden, bleiben gefährlich unvollständig, wenn wir uns nicht auch bemühen, die Konfliktherde in der Dritten Welt zu entschärfen, die durch ihre Einbeziehung in den Ost-West-Gegensatz so besonders gefährlich sind.Für uns als Deutsche gibt es noch einen anderen Grund. Wir sind im südlichen Afrika anders als im Nahen Osten und in Zentralamerika über die Mitwirkung der Bundesregierung in der Kontaktgruppe direkt und unmittelbar tätig. Wir sehen dies Engagement als Ausdruck einer historischen Verantwortung. Deutschlands koloniale Vergangenheit in diesem Teil der Welt entfaltet immer noch Wirkungen und wird das so lange tun, bis Namibia endlich unabhängig ist. Ein afrikanischer Staatsmann hat dazu gesagt: Deutschland ist im südlichen Afrika auch ein Frontstaat.Unsere Verantwortung besteht nicht nur in der Sorge um das Schicksal der Deutschen und Deutschstämmigen in Namibia. Sie ergibt sich auch aus dem Unrecht, das im deutschen Namen dort geschehen ist. Sie ist auch und besonders eine Verantwortung gegenüber der schwarzen Bevölkerungsmehrheit.
Es wäre dieselbe ganz und gar unhistorische Sicht, wie wir sie in bezug auf Israel jüngst vom Bundeskanzler erlebt haben, wenn wir den deutschen Kolonialismus durch Zeitablauf für erledigt hielten.
Ich glaube nicht an die Möglichkeit der Wiedergutmachung. Die Opfer jener Epoche, auf die wir ganz und gar nicht stolz sein müssen,
können nicht rehabilitiert werden wie ein in den Sand gesetztes Entwicklungshilfeprojekt. Aber wir haben die Chance, einen neuen Anfang zu machen und es besser zu machen als früher.
Genau das wird im südlichen Afrika von uns erwartet. Ich bezweifle, daß die Antwort der Bundesregierung dieser historischen Verantwortung, zu der sie sich verbal bekennt, tatsächlich gerecht wird.
Die Bundesregierung verurteilt pflichtgemäß die Apartheid, stellt aber nicht dar, daß das ApartheidSystem die entscheidende Ursache für die Konflikte der Region ist. Dieses System ist seinem Wesen nach agressiv und führt zu Aggressivität nach innen und nach außen. Denn um es verteidigen zu können, muß im Inneren ein Unrechts- und Unterdrückungssystem errichtet werden. Ich kann in der Verfassungsreform nur einen Versuch zur Verewi-
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Verheugengung dieses Systems, aber nicht zu seiner allmählichen Überwindung sehen.
Die Aggressivität nach außen ergibt sich nicht nur aus der Bekämpfung von Befreiungsbewegungen. Denn die wirtschaftliche und politische Destabilisierung der Nachbarstaaten liefert ja Südafrika zwei Argumente, die es dringend braucht.
Zum einen werden die schwarzen Regierungen für unfähig erklärt, ein Land ordentlich verwalten zu können, zum anderen kann sich Südafrika als Ordnungszelle darstellen. Dabei setzt die Regierung in Pretoria geschickt auf eine amerikanische Obsession, die überall die Sowjets am Werk sieht. Wenn die Sowjetunion im südlichen Afrika nicht schon präsent wäre, müßte Südafrika — man hat fast das Gefühl — sich diese Präsenz geradezu herbeiwünschen.Es wird im südlichen Afrika keinen Frieden geben ohne die Gewährung der politischen und sozialen Menschenrechte für alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe.
Ob ein kritischer Dialog oder ein constructive engagement ausreicht, um den Machthabern in Südafrika das klarzumachen? Wie lange mag das constructive engagement währen? Länger als bis zur Wiederwahl des jetzigen amerikanischen Präsidenten?Die Antwort der Bundesregierung enthüllt, daß sie an die Wirksamkeit ihrer eigenen Politik nicht glaubt. Wie wir alle tritt sie für friedliche Konfliktregelung ein. Ich zitiere wörtlich: „Sie weiß aber auch, daß Verzicht auf Gewalt voraussetzt, daß eine realistische Aussicht auf friedlichen Wandel besteht." Wenig später heißt es: „Eine grundlegende Bereitschaft der südafrikanischen Regierung zur Abkehr von ihrer Apartheidpolitik und zur Beteiligung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit an der Macht zeichnet sich gegenwärtig leider nicht ab."Mit anderen Worten: Die realistische Aussicht auf friedlichen Wandel besteht nach Auffassung der Bundesregierung nicht. Damit ist nach ihrer Meinung wohl auch der Verzicht auf Gewalt nicht zumutbar. Man kann das als eine Aufforderung zum bewaffneten Kampf verstehen, aber auch als ein Eingeständnis der eigenen Ohnmacht.
Vor dem Hintergrund dieses Eingeständnisses müssen die Instrumente bewertet werden, die uns zur Verfügung stehen, z. B. das Kulturabkommen, das mit fortschreitender Verwirklichung der Homeland-Politik den schwarzen Bevölkerungsteil immer weniger erreichen wird, z. B. die Einhaltung und Überwachung der in den Vereinten Nationen beschlossenen Sanktionen, z. B. der Verhaltenskodex für europäische Firmenniederlassungen. Denn so schön, wie die Bundesregierung die Ergebnisse darstellt, sind sie nun leider nicht.Ein wesentliches Instrument, das zwar erwähnt, aber nicht gewürdigt wird, möchte ich hinzufügen: Das ist die Förderung schwarzer Gewerkschaften. Die ökonomische und technologische Entwicklung wird Südafrika dazu zwingen, das Erziehungs- und Ausbildungssystem für die Schwarzen schnell zu entwickeln. Südafrika wird ohne eine breite Schicht schwarzer Facharbeiter nicht auskommen. Diese Facharbeiter brauchen starke Gewerkschaften, die ganz sicher nicht beim Kampf um mehr soziale Gerechtigkeit stehenbleiben werden, sondern die auch die ungeschmälerten Bürgerrechte verlangen werden. Es wird sich dann zeigen, daß die Apartheid in ihrem Kern keine Rassenfrage, sondern eine soziale Frage und eine Machtfrage ist.Es bleibt die Frage nach unserer Zusammenarbeit mit den Befreiungsbewegungen. Über die älteste dieser Bewegungen, ANC, schweigt sich die Bundesregierung völlig aus, und SWAPO wird zu einem „wichtigen Gesprächspartner" degradiert. Ich gebe zu, es hätte schlimmer kommen können, wenn man sich daran erinnert, daß in dem außenpolitischen Positionspapier von CDU/CSU vom März 1983 noch die „sofortige Einstellung der Unterstützung der prokommunistischen, der terroristischen SWAPO" gefordert wird.Der Westen und die Befreiungsbewegungen: das ist ein leidvolles Kapitel. Erst verweigert man ihnen Hilfe und zwingt sie, an die östlichen Türen zu klopfen, dann wirft man ihnen genau das vor. Gerade das Beispiel SWAPO zeigt doch, wie sinnvoll rechtzeitige Zusammenarbeit ist. Vor ein paar Jahren war von SWAPO über die Zukunft der Weißen in Namibia nichts zu erfahren. Heute sagt sie, daß das Land nur überleben kann, wenn die Weißen solche Garantien erhalten, daß sie bleiben können.Gibt die Antwort der Regierung den Menschen in Südafrika schon wenig Hoffnung auf wirkungsvolle Hilfe durch den Westen, so gilt das für die Menschen in Namibia noch mehr. Die Bemühungen der Kontaktgruppe sind bisher daran gescheitert, daß die USA und Südafrika die Verwirklichung des Unabhängigkeitsplans der Vereinten Nationen vom Abzug der Kubaner aus Angola abhängig gemacht haben. Dies erkennt die Bundesregierung nun als einen faktischen Zusammenhang an. Eine klare Position wäre es gewesen, das innenpolitische amerikanische Interesse an dem sogenannten Linkage in seinen Wirkungen präzise darzustellen. Denn diese Verknüpfung ist das entscheidende Hindernis für die Unabhängigkeit Namibias. Wir können nur hoffen, daß die Bundesregierung in der Kontaktgruppe alles tut, um diese Selbstblockade zu überwinden. Daß in der Antwort kein klares Nein zum Linkage mehr gesagt wird, gibt allerdings zu denken. Hat sich das Verhältnis zu den USA jetzt so entwickelt, daß man sie überhaupt nicht mehr kritisieren darf?Meine Damen und Herren, an dieser Stelle, beim operativen Schlüssel zur Lösung der Probleme in Namibia und Angola, hat die Bundesregierung eine Kehrtwendung vollzogen. Das ist schlimm, denn hier geht es nicht um Bekenntnisse, sondern um handfeste praktische Politik.
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VerheugenEs ist übrigens nicht so, daß Angola diesen faktischen Zusammenhang anerkennt. Der angolanische Außenminister hat es sehr entschieden zurückgewiesen, daß sein Land von der Bundesregierung zur Kaschierung ihres Politikwechsels in Anspruch genommen wird.Ich hoffe, wir stimmen darin überein, daß wir den Abzug aller raumfremden Truppen wünschen, daß dies aber im Falle Angola unter die Souveränitätsrechte dieses Staats fällt. Oder hat sich die Bundesregierung die bizarre These des Bundesministers Warnke zu eigen gemacht, der im Zusammenhang mit Grenada vom „Mißbrauch der Souveränität" gesprochen hat? Nach der Breschnew-Doktrin also jetzt eine Warnke-Doktrin für die Dritte Welt?Wir meinen, daß wir unzweideutig an der Resolution 435 festhalten sollten. Wenn in dem bereits erwähnten Positionspapier die Loslösung von der Resolution 435 verlangt wird, so möchte ich den verehrten Kolleginnen und Kollegen eine Autorität entgegenhalten, Herr Klein, die Ihnen womöglich noch mehr bedeutet als mir, nämlich den Papst, der in seiner Neujahrsbotschaft ausdrücklich die Unabhängigkeit Namibias bei Anerkennung durch die Vereinten Nationen verlangt hat. Von den Kubanern aber hat er nichts gesagt.Ein Wort zu den Frontlinienstaaten — eine Bezeichnung, die Sie ja nicht anerkennen wollen — und zu den jüngsten diplomatischen Aktivitäten der USA. Wir meinen, daß es richtig war, der Zusammenarbeit mit diesen Ländern eine besondere Priorität einzuräumen. Sie betreiben eine maßvolle Politik, und ich will nicht bestreiten, daß sie es auch im eigenen Interesse tun. Das Beispiel Mosambik zeigt, daß es sogar möglich ist, ein Land zu echter Blockfreiheit zu bringen, das bereits unter sowjetischen Einfluß geraten war. Wir halten das auch in Angola für möglich.
Herr Kollege, ich muß Sie leider auf die Redezeit hinweisen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zum Ende. Unser Verhalten im südlichen Afrika ist über die Region hinaus von Bedeutung, denn die Dritte Welt wird die Glaubwürdigkeit unserer gesamten Nord-Süd-Politik daran messen, wie wir uns gegenüber dem Rassismus und Kolonialismus in diesem Teil der Welt einstellen.
In unserer eigenen Geschichte betrachten wir diejenigen, die sich gegen Unterdrückung und Unfreiheit aufgelehnt haben, als Helden. Ist es nicht ein Stück Rassismus, wenn wir in Afrika andere Maßstäbe anlegen? Das amerikanische Magazin „Newsweek" hat in einer Betrachtung zur Jahreswende Afrika als „world champion in hopelessness" angekündigt, als Welt-Spitzenreiter in Hoffnungslosigkeit. Wir bieten unsere Hand zu einer Politik, die den Menschen in Afrika neue Hoffnung geben kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stercken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Verheugen, dies ist kein philosophisches Proseminar. Aber wenn es eines wäre, dann haben wir dort gelernt, daß wir einer These die Argumente folgen lassen. Ich war sehr gespannt darauf, wie Sie Ihre Eingangsbemerkung, es gäbe keine Kontinuität in der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, begründen würden. Solche Argumente habe ich nicht entdecken können. Ich fürchte daher — dies wäre mein Schluß aus der Form Ihrer Argumentation —, daß Sie keine Kontinuität haben, nicht die Bundesregierung.
Sie haben es uns, glaube ich, sehr leicht gemacht durch die Form Ihrer Darstellung — und ich darf dies gleich eingangs meiner Äußerungen sagen —, daß die CDU/CSU-Fraktion dieser Darstellung der Bundesregierung zustimmt.Meine Damen und Herren, es ist vier Jahre her, seit sich der Deutsche Bundestag in der Debatte zu einer Großen Anfrage mit Problemen des südlichen Afrika befaßt hat. Wieder wird die Aufmerksamkeit auf Probleme im südlichen Afrika gelenkt und außer Betracht gelassen, welche dramatischen Entwicklungen den ganzen Kontinent Afrika auf das schwerste erschüttern.Ich halte eine Betrachtungsweise für problematisch, die regionale Entwicklungen nicht in größerem Zusammenhang bewertet oder die das eine ständig in den Mittelpunkt rückt und andere, mindestens ebenso ernst zu nehmende Probleme ausklammert. Wir als Europäer haben doch zu bedenken, wie wir zu Frieden, Gerechtigkeit und Menschlichkeit in Afrika beitragen können, welche Entscheidungen wir treffen und welche Maßnahmen wir ergreifen, um im Rahmen unserer zugegebenermaßen begrenzten Möglichkeiten diesem Ziel zu dienen.Solche Zielsetzungen stärken und sichern die Rechte der Menschen — aller Menschen — in Afrika. Das Ausmaß der Gewährleistung von Menschenrechten — darum geht es doch wohl uns allen — hängt natürlich vom politischen System ab, das sich in dem jeweiligen Staat entwickeln konnte. Ein parlamentarischer und demokratischer Rechtsstaat ist für uns die größte Sicherheit für den Schutz der Menschenrechte. Doch wir können die menschliche Solidarität und das Bewußtsein für gleiche Werte und Rechte nicht an die Voraussetzung demokratischer Verfassungen nach unserem Vorbild binden. Sonst müßten wir im größten Teil unserer Welt auf die Einklagung von Menschenrechten verzichten.
Der Versuch in Nigeria, eine Demokratie nach westlichem Vorbild aufzubauen, ist von vielen afrikanischen Staaten kritisch begleitet worden. Mugabe meinte, ein Mehrparteiensystem verzehre die Kräfte des Staates, die sich auf seinen Aufbau konzentrieren sollen. Die gesellschaftlichen Interessen sind noch nicht so deutlich markiert und differen-
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Dr. Sterckenziert, daß man offenbar darauf eine solide Infrastruktur gründen könnte.Mit der ersten Liquidation eines demokratischen Systems ist in Nigeria der Versuch des volkreichsten Staates Afrikas gescheitert, ein funktionsfähiges demokratisches System zu verwirklichen. Daraus werden sich anderwärts nicht gerade Ermunterungen ergeben, auf dem Weg zu einer pluralen Gesellschaft fortzufahren, wie wir es laufend empfehlen, weil wir die Demokratie als die beste Voraussetzung für menschliche Existenz und soziale Gerechtigkeit empfinden.Diese Debatte, meine Damen und Herren, muß uns Anlaß geben, über diese zentrale Frage nachzudenken. Denn unter solchen Voraussetzungen muß der Sicherung der Menschenrechte vor allen gesellschaftstheoretischen Erwartungen der Vorrang zugewiesen werden. Menschenrechte müssen unabhängig vom System gewährt und gesichert werden können.
Je mehr Staaten es auf dieser Welt gibt, um so weniger demokratische Rechtsstaaten sichern offenbar dem Bürger in ihrem System den Schutz seiner unveräußerlichen Rechte als Mensch.Nun soll in Namibia ein Staat geschaffen werden, an dessen Geburt auch die Bundesrepublik Deutschland in einer besonderen historischen Verantwortung beteiligt ist. Es ist ganz gewiß nicht leicht, an der Gründung eines Systems mitzuwirken, das seine demokratische Feuerprobe nicht bestehen könnte. Viele Kümmernisse der Fünfergruppe sind darauf zurückzuführen, daß trotz der Mehrheitsbeschlüsse der Vereinten Nationen Elemente fehlen, die nicht nur den demokratischen Wahlablauf, sondern auch die Stabilität der neuen Demokratie gewährleisten.
Eine demokratische Regierung beteiligt sich kaum — das gilt doch wohl für uns alle — an Prozessen, die nicht zu gleichen Wertvorstellungen führen, es sei denn, daß man sich einer Aufgabe einfach nur entledigen will, und das wollen wir doch wohl niemandem unterstellen.Alle deutschen Bundesregierungen haben bekundet, daß sie einen Alleinvertretungsanspruch auf die Ausübung politischer Macht in Namibia nicht anerkennen.
Dies ist die Voraussetzung für Gerechtigkeit und Demokratie, und demokratische Vermittler haben dies auch zu gewährleisten.Als Menschenrecht wird von den Afrikanern weithin die Befreiung von der Geißel des Hungers und des Krieges empfunden.
Mit Theorie und Protest allein ist da nicht geholfen.
Die menschliche Verbundenheit mit unseren afrikanischen Nachbarn sollte auf das Überleben durch Nahrung und Gewaltlosigkeit ausgerichtet sein.
— Ich möchte in den wenigen Minuten im Zusammenhang reden können!Mir fehlt jedes Verständnis für die direkte und indirekte Unterstützung des Mordens für politische Ideen.
Wer dies rechtfertigt, trägt — und das gilt für alle, mein verehrter Herr Kollege —
an der Verantwortung für die Verfügung über das Leben anderer zum Zwecke der politischen Demonstration.
Im deutsch-sowjetischen Vertrag verzichten wir auf die Anwendung und die Androhung von Gewalt zur Erreichung politischer Zielsetzungen.
Meine Damen und Herren, wir tun dies angesichts unseres gespaltenen Vaterlands. Der Gewaltverzicht ist ein Prinzip, das keine wahlweise Anwendung erlaubt, auch nicht auf diejenigen, die Macht mißbrauchen. Wer könnte dem angesichts der erschreckenden Ereignisse dieser Stunden im Libanon widersprechen?Wir sollten der mehrheitlich gebilligten Empfehlung nach bewaffnetem Kampf die Forderung nach Versöhnung gegenüberstellen.
Napoleon Duarte hat einmal gesagt, er verstehe nicht, warum viele seiner Kritiker in Europa nicht einsähen, daß es ihm nicht um Sympathie für andere — auch extreme — politische Gruppen gehe, sondern um die Versöhnung aller; ohne Versöhnung gebe es keinen Frieden, ohne Frieden keinen Staat.
In Namibia hilft also kein Alleinvertretungsanspruch; erst die Versöhnung aller,
meine Damen und Herren, aller, die sich am politischen Prozeß beteiligen wollen, garantiert Staat, Frieden, Menschenrechte. Ohne Konsens in den grundlegenden Fragen kann man keinen Staat machen.Wir sehen ja am Beispiel Angolas, wohin es führt, wenn der nationale Konsens bislang noch nicht erreicht werden konnte. Es muß zu einer Einigung
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Dr. Sterckenüber eine solche Grundlage für staatliches Handeln zwischen MPLA und UNITA kommen. Darauf müssen sich alle Kräfte konzentrieren, die mit ihrer Politik in anderen Kontinenten zum Frieden beitragen wollen.
So wird es auch keinen Staat Namibia geben, wenn es darin zwei Parteien gibt, die sich nicht auf die grundlegenden Prinzipien ihres gemeinschaftlichen Handelns verständigen können oder die nach dem Verlust der Wahl zur Waffe greifen.
Das gilt für beide Seiten.
Ein Wort zu den sogenannten Frontstaaten. Ich weiß nicht, wer diesen Begriff erfunden hat und wer hier gegen wen steht, wenn das Wort „Front" verwendet wird.
Ich weiß nur, daß die Fronten in den meisten dieser Länder gleichermaßen nach außen wie im Innern verlaufen. Vielfach wird die Lösung nationaler Konflikte aber erst möglich, wenn diese Staaten auch im Innern in Frieden leben. Wer zum Frieden beitragen will, muß diesen Prozeß fördern. Wer Partei nimmt und den einen zum Kampf gegen den anderen ermuntert,
verhindert den Frieden, der nur durch Versöhnung, Kompromiß und Konsens herbeigeführt werden kann.
— Hier wurde gerade gefragt: Wer tut das denn? Das taten in der Vergangenheit z. B. all diejenigen, die den Alleinvertretungsanspruch der SWAPO in Namibia als Fraktion — beispielsweise erinnere ich an den Kollegen Roth — anerkannt haben.
Sie haben sich auf eine Seite festgelegt und nicht die Öffnung gegenüber allen praktiziert. Ich dagegen habe die Vertreter der DTA genausogut wie Herrn Sam Nujoma empfangen. Das war meine Offenheit zu beiden Seiten hin. Das heißt im Klartext, meine Damen und Herren: Wenn sich MPLA und UNITA in Angola nicht einigen, wenn sich Regierung und Opposition in Simbabwe nicht zu respektvollem Umgang miteinander entschließen, wenn sich die in Mosambik miteinander streitenden Gruppen nicht zur Toleranz und nationalen Zusammenarbeit bereitfinden, wenn in der Republik Südafrika die Rassengesetzgebung nicht beseitigt wird und nicht alle an dem mühevollen Prozeß zur gemeinsamen Gestaltung der öffentlichen Dinge teilnehmen werden, dann wird es keinen Frieden geben.
Frieden läßt sich nicht ideologisch oder politologisch herbeireden.
Meine Damen und Herren, Menschenrechte, um die es uns geht, sind unteilbar. Dies gilt für alle, auch für die Republik Südafrika. Die Würde aller Menschen als Ebenbilder Gottes verlangt jeden Tag aufs neue diese Mahnung. Der Verhaltenskodex europäischer Unternehmen in Südafrika ist ein wirksames Lehrstück, wie wir den Menschen in unserer Arbeitswelt einschätzen. Das gute und verbesserungsfähige Beispiel bewirkt für diesen Entwicklungsprozeß mehr als das Aufreißen von neuen Gräben, als Kritik und Haß.Wir wünschen allen Menschen in Südafrika einen Wandel in Frieden, eine Integration durch Versöhnung und gegenseitige Achtung. Buthelezi ist der Garant eines solchen Weges. Dies wird kein kurzer und bequemer Weg sein. Verständnis, Grundsatztreue und Beharrlichkeit werden ihn erleichtern. Dies ist auch die Meinung vieler schwarzer Politiker. Wer nur mit den Extremisten umgeht, haftet, meine Damen und Herren, für den neuen Libanon.Versöhnung und Frieden in Afrika brauchen wir auch in Uganda, zwischen Äthiopien und Somalia, zur Lösung der Westsahara-Frage und in vielen anderen Ländern, in denen Gewaltherrschaft ausgeübt wird, in denen Minderheiten oft über Mehrheiten herrschen.Nicht der bewaffnete Kampf hat die Europäer zur Sicherung ihrer Menschenrechte geführt, sondern der Wille zur Versöhnung. Tragen wir, meine Damen und Herren, diese Einsicht in einen Kontinent, der ebenso heillos zerstritten ist, wie es einst Europa war. Die Konflikte zwischen den Ländern, Stämmen und Rassen werden nur durch förderale Integration eine Lösung finden. Wer daran mitwirkt und dazu seinen konstruktiven Beitrag leistet, wird gleichermaßen einen Beitrag zur Sicherung der Menschenrechte leisten.
Wir werden auch in diesem Hause darauf achten müssen, daß wir dazu die rechte Sprache finden. Worte der Vergeltung, des Aufruhrs und des Hasses sind kein Beitrag zu diesem Frieden.
Den aber, meine Damen und Herren, wollen wir, allerdings auf der Grundlage der Gerechtigkeit: für die Europäer gleichermaßen wie für alle afrikanischen Nachbarn.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Hamm-Brücher.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider muß auch ich ein Kolleg halten und kann im Hinblick auf die kurze Redezeit keine Debatte führen.Von den drei weltpolitischen Krisenherden, über die der Deutsche Bundestag in den letzten beiden
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Frau Dr. Hamm-BrücherWochen debattiert hat, könnte — da stimme ich mit Herrn Kollegen Verheugen überein — aus dem südlichen Afrika langfristig die gefährlichste Weltkrise werden, und zwar noch aus einem anderen Grund als den, den Sie genannt haben, weil es sich dort nämlich um die letzte Bastion der Vorherrschaft des weißen Mannes in einem Kontinent handelt, der wie kein anderer das Opfer dieser Vorherrschaft geworden ist. Es ist ein Kontinent, dem es, wie so viele Beispiele leider gezeigt haben — da gebe ich Herrn Kollegen Stercken recht —, bisher auch nicht gelungen ist, seine bessere Zukunft nur auf sich gestellt zu gestalten. Das ist die Situation.So seltsam es klingen mag: Der Schlüssel für diese bessere Zukunft liegt oder müßte oder könnte im südlichen Afrika liegen, wenn es dort gelänge, eine Lösung für ein Zusammenleben der weißen Minderheit mit der schwarzen Mehrheit zu bewerkstelligen und eine Lösung zu finden, die in einem staatlichen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Konkordanzmodell jede Diskriminierung einer der ethnischen Gruppen ausschließt und auf diese Weise die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation auch über die Grenzen dieser Republik hinaus überwindet. Nur dieser Weg würde — nach meiner Kenntnis der afrikanischen Probleme — ein erfolgversprechender Weg sein, um die Eskalation wechselseitiger Gewalt- endlich zu durchbrechen und damit eine endgültige afrikanische Katastrophe zu vermeiden.
Leider scheint dieser Weg als Folge politischer Uneinsichtigkeit in Südafrika derzeit aussichtslos und fast eine Utopie zu sein. Nur wenn die in Südafrika herrschende weiße Minderheit die Vernunft, die Einsicht und die Menschlichkeit aufbringen würde, könnte diese Ausweglosigkeit überwunden werden.
Das, was wir, meine Damen und Herren, als nur sehr mittelbar Beteiligte, aber doch — das wurde schon gesagt — Mitbetroffene dazu beitragen könnten, ist wenig genug. Einiges davon — aber nach Ansicht der Liberalen ist es vielleicht doch noch nicht genug — finden wir in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD.
Wir finden darin wichtige und richtige und auch mutige Aussagen, leider aber auch — das kann in einer offiziellen Antwort gar nicht anders sein, meine Kollegen von der SPD — manches Verklausulierte. Es ist unsere Aufgabe, das eine oder andere mit offenem Visier doch noch etwas deutlicher zu sagen. Herr Kollege Rumpf und ich werden uns in diese Aufgabe teilen.Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere Afrikapolitik leidet unter dem Dilemma der dortigen Situation. Einerseits wissen wir sehr wohl, daß ein Umsturz von der Minderheiten- zu einer Mehrheitsherrschaft zumindest für Jahrzehnte katastrophale Folgen haben würde, weil die Reformen zu spät gekommen sind.
Andererseits müssen eine weitere Verzögerung und Verhinderung eines echten Prozesses der Überwindung der Rassentrennung, der Apartheidspolitik und der Rassendiskriminierung zu einer weiteren Eskalation der Gewalt führen.
Für den Weg der Vernunft, der Einsicht und der Menschlichkeit bleibt dazwischen derzeit nur noch sehr, sehr wenig Raum und Hoffnung. Derzeit — das möchte ich unterstreichen — ist es allein die kleine, tapfere, weiße südafrikanische Opposition der Liberalen von 27 unter 166 Abgeordneten, die diesen Weg vertritt, tapfer dafür kämpft und ein Modell ausgearbeitet hat, das einen solchen Weg der schrittweisen Überwindung der jetzigen Verletzungen und der Apartheidspolitik weist.
Für die FDP-Fraktion möchte ich hier unseren Dank, unsere Anerkennung und unsere Unterstützung für diese Anstrengungen aussprechen.
Nun zur Antwort der Bundesregierung. Sie ist für die Fraktion der FDP befriedigend. Wir danken Ihnen, Herr Außenminister, und Ihren Mitarbeitern für das große Engagement, das daraus hervorgeht.
Sie ist befriedigend insoweit, als sie die Kontinuität bekräftigt und deutlich macht, wo die gravierenden Punkte der Kritik und der Belastung in den deutsch-südafrikanischen Beziehungen liegen. Sie ist befriedigend, wo sie Ansatzpunkte für die wenigen Möglichkeiten eines verstärkten Engagements aufzeigt.Die Antwort kann aber auch für uns insoweit nicht voll befriedigend sein, als in der Anlage partiell verschwommene Formulierungen zu finden sind, die dann folgerichtig auch in ihren Konsequenzen halbherzig sind. Als Beispiel hierfür möchte ich nur den Punkt 2 in den allgemeinen Vorbemerkungen hier vortragen dürfen. Darin steht:Die Bundesregierung ist ... bestrebt, in Südafrika einen schnellen und friedlichen Wandel zu einer gesellschaftlichen und politischen Ordnung zu begünstigen, die— jetzt bitte zuhören! —von der Zustimmung aller Südafrikaner getragen wird und in der alle Südafrikaner gerechten Anteil an der Gestaltung der Geschicke ihres Landes haben.Jeder von uns kann diese Aussage unterschreiben, aber sie stimmt, doch so einfach nicht;
denn wie kann die Bundesregierung etwas begünstigen wollen, was von der Regierung Südafrikasgar nicht angestrebt wird? Weder will sie allen Süd-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3871
Frau Dr. Hamm-Brücherafrikanern einen gerechten Anteil an der Gestaltung der Geschicke ihres Landes geben, noch wird die derzeit von ihr mit unerbittlicher Konsequenz praktizierte Politik der sogenannten getrennten Entwicklung jemals von der Zustimmung aller Südafrikaner getragen werden.Das ist doch die bittere Realität, an der sich die Politik der Bundesregierung orientieren muß, und nicht an Fiktionen, die doch nun, nach der endgültigen Zementierung der großen Apartheid durch die sogenannte Verfassungsreform, nicht mehr weiter verfolgt werden können. Deshalb können wir Liberalen auch nicht in den Chor derer einstimmen, die die minimalen Zugeständnisse an die asiatische und die farbige Bevölkerung in Südafrika als einen Schritt in die richtige Richtung bezeichnen.
Es scheint uns eine gefährliche Illusion zu sein, daran weitergehende Hoffnungen zu knüpfen.Nein, meine Damen und Herren wir müssen die Ziele, die Ergebnisse und die Folgen dieser Verfassungsreform doch etwas klarer herausarbeiten. Ich will das kurz versuchen. Diese Verfassungsreform hat das Ziel, etwa 800 000 Asiaten und etwa 2,5 % Mischlingen eine Mitsprache in eigenen Angelegenheiten und eine gewisse Mitwirkung in allgemeinen Angelegenheiten zu sichern. Gleichzeitig wird die Vormachtstellung der weißen Minderheit ganz beträchtlich gestärkt. Während in der realen Verteilung der Bevölkerung auf einen weißen Bürger fünf Schwarze und knapp ein andersfarbiger Nichtweißer kommt, sieht es in den jetzt konstruierten Kammern so aus, daß auf vier weiße Abgeordnete drei nichtweiße und null farbige Abgeordnete kommen. Das ist der zweite Aspekte der sogenannten Reform. Der dritte und der schmerzlichste Aspekt ist, daß die schwarze Bevölkerungsmehrheit damit endgültig ausgebürgert wird, ihrer Rechte beraubt wird und damit eigentlich Menschenrechtsverletzungen auch noch konstitutionalisiert werden.
Welche Entwicklung zeichnet sich nun seit Annahme der Verfassung ab? Der Zementierung auf der einen Seite entspricht die weitere Entrechtung der Zweidrittelmehrheit, der schwarzen Bevölkerung, auf der anderen Seite. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter. Menschen werden aus ihren angestammten Dörfern vertrieben. Bisher sind es über 3,5 Millionen, weitere 2 Millionen werden dasselbe Schicksal erleiden. In den ohnehin überfüllten Homelands werden 80 % der Bevölkerung zusammengepfercht. Sie werden nur noch als menschliche Schutthalden bezeichnet. 90 % sind arbeitslos, 90 % sind unterernährt, die Kindersterblichkeit beträgt 60 %. Das ist das Ergebnis. Die wenigen sogenannten „schwarzen Flecken" — das sind schwarze Siedlungen in weißen Siedlungsgebieten — werden, auch wenn sie rechtmäßig gekauft und erworben worden sind, geräumt, abgebrannt. Die Bevölkerung, die Familien werden vertrieben, wie es erst neulich in Mogopa der Fall gewesen ist.Die Zahl der Verhaftungen hat von Januar bis August 1983 im Vergleich zum Vorjahr von 167 auf 306 zugenommen. Viele Verhaftete bleiben monatelang in Polizeigefängnissen. Wie es dort zugeht, kann jeder den Berichten von kirchlichen Organisationen aller Konfessionen entnehmen. Immer wieder wird von Folterungen berichtet. Mindestens zwei Tote als Folge sind nach Erkenntnissen unserer Botschaft in diesem Jahr zu beklagen. Mehr als ein Drittel der Inhaftierten warten immer noch auf die Anklageerhebung. Über 206 000 größere und kleinere Strafen wegen Paßvergehen wurden allein im letzten Jahr verhängt und damit die Bewegungsfreiheit der schwarzen Bevölkerung weiter eingegrenzt. Willkür und Terror in den Homelands, vor allem neuerdings in der Ciskei, werden offensichtlich geduldet, zumindest nicht entschieden genug abgestellt.Zusammengefaßt muß eben leider festgestellt werden, daß mit dieser Verfassungsreform die große Apartheid zementiert wurde und sich dadurch eine ohnehin schon unerträgliche Situation noch verschärft hat. Diese sogenannte Reform eröffnet keinerlei Zukunftsperspektiven für Schwarze. Sie hat — das bedauern wir ebenso, meine Damen und Herren — schon jetzt zu einer weiteren Radikalisierung unter den Schwarzen wie auch in Teilen der farbigen und indischen Bevölkerung beigetragen; denn der Teil der Bevölkerung, dem man nun gewisse Rechte einräumt, beteiligt sich bisher nicht an den neuen Möglichkeiten. Sie unterstützen diesen Weg nicht. Sie haben sich in einer machtvollen Organisation, der United Democratic Front, zusammengeschlossen, um zu versuchen, dieser Entwicklung solidarisch mit der schwarzen Bevölkerung entgegenzuwirken. Der Boykott der Township-Wahlen ist ein erster Erfolg. Nur 10 % der Bevölkerung in den 29 Townships hat sich an diesen Wahlen beteiligt.Angesichts dieser Tatsachen, meine sehr geehrten Damen und Herren, müßten wir doch eigentlich alle gemeinsam feststellen, daß wir, solange die menschen- und bürgerrechtsverletzenden Zwangsumsiedlungen nicht gestoppt werden, solange die Paß- und Aufenthaltsgesetze nicht drastisch liberalisiert werden, solange die jeder rechtsstaatlichen Ordnung hohnsprechenden Sicherheitsgesetze nicht geändert werden, solange die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und keine Aussicht auf ein Konkordanzmodell besteht, das alle Gruppen an der Verantwortung beteiligt, nicht bereit sein können, eine solche Politik, selbst wenn sie mit der Verfassungsreform Hand in Hand geht, als einen Schritt in die richtige Richtung zu bezeichnen.
Ich komme nun zu den Fragen und Antworten. Was schafft unserer eigenen Politik einigen Spielraum? Ich möchte sagen: Wir können sehr wenig tun; aber das wenige, was wir tun könnten, sollten wir sehr entschieden tun. Anders als Herr Kollege Verheugen muß ich nach einem sehr gründlichen Studium der Berichte über die Auswirkungen des
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3872 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984
Frau Dr. Hamm-BrücherEG-Verhaltenskodex sagen: Hier gibt es doch durchaus positive Ergebnisse zu vermelden. Immerhin gibt es Fortschritte bei der Lohnentwicklung und der Gewährung von Sozialleistungen. Wir haben, glaube ich, jetzt schon mehrere hundert schwarze Lehrlinge in unseren Betrieben. Noch vor wenigen Jahren gab es überhaupt keine. Ich glaube nach den Berichten, daß auch die gewerkschaftliche Betätigung in den deutschen Tochtergesellschaften durchaus zufriedenstellend laufen kann.
Ich halte es für wichtig, auch so etwas zu sagen, weil es die Firmen, die unsere Außenwirtschaftsbeziehungen tragen, ermutigen soll, auf diesem Weg weiterzufahren. Wo sie es noch nicht tun, sollten wir unsere Bundesregierung veranlassen, die Nachahmung der guten Beispiele zu empfehlen.Wir haben andererseits die kulturelle Zusammenarbeit. Das in der Antwort beschriebene Sonderprogramm Südafrika, das seinerzeit von mir initiiert wurde, liegt mir hier besonders am Herzen. Denn nur über Lehrerfortbildung, Hebung des Bildungsniveaus der schwarzen Bevölkerung und Verbreiterung beruflicher Ausbildung können wir die Defizite ein wenig mildern. Ich nenne Ihnen zwei Beispiele. Für ein weißes Schulkind gibt die südafrikanische Regierung jährlich 640 Rand aus, für ein schwarzes lediglich 68 Rand, also kaum 10 %. Auf einen weißen Lehrer kommen 18 weiße Schüler, auf einen schwarzen fast 46. Diese Diskrepanz sagt alles. Darum sollten wir dieses Sonderprogramm nicht nur mit der sehr bescheidenen Summe von 1,7 Millionen DM bedenken, sondern wir sollten dieses Programm intensivieren. Vielleicht könnte sogar die EG ein gemeinsames Programm initiieren, vielleicht sogar der Europarat oder die UNESCO; hier wären nämlich die UNESCO-Gelder endlich einmal wirklich nützlich angelegt.
Entsprechende Anregungen sollten von uns ausgehen, damit man sieht: Wir meinen es ernst, dort, wo wir etwas bewirken können, über ein bißchen Kosmetik hinaus Einfluß zu nehmen.Nun noch ein Wort zu unseren eigenen, von uns finanzierten Schulen. Wir lesen, daß nach erheblichen Schwierigkeiten und gegen den Widerstand der meisten Ortslehrkräfte und gegen den aktiven und passiven Widerstand der meisten Eltern nun doch durchgesetzt werden konnte, daß nichtweiße Kinder zu Deutschkursen aufgenommen werden. Aber leider — ich habe mir das angesehen — finden diese Kurse außerhalb der Unterrichtszeit statt. Es kommt weder zu einer Begegnung zwischen schwarzen und weißen Kindern noch zu gemeinsamen Festen, Sportwettkämpfen oder Ausflügen. Das wäre doch der eigentliche Sinn der Öffnung unserer Schulen und das eigentliche Beispiel.
So ist ein guter Anlauf auf halbem Weg steckengeblieben. Ich bitte den Herrn Bundesminister, hiernach dem Rechten zu sehen, damit das weiterkommt.So gesehen, war das Kulturabkommen, glauben wir, bisher ein wichtiges Instrument. Aber wenn wir die Zusammenarbeit nicht wirklich auf die Homelands ausdehen können, wird sich die Frage neuerlich stellen.Herr Präsident, noch zwei Sätze. Ich glaube auch, daß das Ungleichgewicht in der Visumerteilung nicht so aufrechterhalten werden kann; zunehmend wird Deutschen die Einreise nach Südafrika verweigert
und können umgekehrt unliebsame Südafrikaner nicht hierher kommen.
Ich hätte noch viel zu sagen. Ich möchte noch einmal allen danken, die sich für friedliche Lösungen in dieser Region, in diesem Krisenherd einsetzen, und uns alle ermutigen, nicht nachzulassen, bis wir endlich auch in diesem Teil der Welt Menschenrechte und Gleichberechtigung erreicht und Rassendiskriminierung und Apartheid —, eine Schande der Weißen — überwunden haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schwenninger.
Mein lieber hochedler Deutsch-Kaiserlicher Herr! Euer Edlen fragen mich, ob ich Frieden mit Ihnen machen will oder Krieg. Darauf antworte ich: Euer Edlen wissen ganz gut, daß ich mit Ihnen und mit allen weißen Leuten Frieden gehalten habe. Ich lag ruhig in meinem Haus und schlief. Da kam das kaiserliche Heer, um mich wachzuschießen. Und das nicht um des Friedens willen oder um einer Missetat, deren ich mich schuldig gemacht hätte. Sondern darum, daß ich etwas, was allein mein Eigentum ist und worauf ich Recht habe, nicht aufgegeben habe.Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde Südafrikas und Namibias! Von Hendrik Witbooi, dem angesehenen Führer des Nama-Volkes, stammen diese eindringlichen Worte an den Befehlshaber der deutschen Kolonialtruppen in Namibia. Aber sein Appell für den Frieden im Jahre 1894 stieß auf taube Ohren. Das kaiserliche Deutschland dachte nicht im Traum daran, Plünderung, Raub und Mord einzustellen.
Es paßt sehr gut, daß diese Debatte über das südliche Afrika am Anfang des Jahres 1984 stattfindet. Wir werden damit einem historischen Datum deutscher Außenpolitik gerecht. Vor genau 100 Jahren, 1884, in dem Jahr, in welchem der Kuchen Afrika verteilt wurde, begann die kaiserliche Kolonialherr-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3873
Schwenningerschaft über das damalige Deutsch-Südwest, heute Namibia genannt.Die Verbrechen der Deutschen in diesem Land sind heute nur noch wenigen bekannt. Mit brutaler Gewalt wurde damals jeder Widerstand gegen die unerwünschte deutsche Schutzherrschaft aus dem Weg geräumt. So wagen z. B. die Hereros im Jahre 1904 einen verzweifelten Aufstand gegen die übermächtigen Kolonialherren. Die Antwort des Deutschen Reiches ist Völkermord. Deutsche Truppen jagen wehrlose Kinder, Frauen und Männer in eine Wüste und riegeln diese erbarmungslos ab. Rund 80 000 Hereros kommen dabei um. Sie verdursten unter großen Qualen. Nur 20 % des Volkes überleben, ohne Hoffnung, ohne Land. In meinem Geschichtsunterricht habe ich davon nie gehört.
— Vielleicht ist es besser geworden. Das würde mich freuen, aber ich glaube das bei der Kulturpolitik in dem Land, aus dem ich komme, Baden-Württemberg, nicht.Die geschichtliche Schuld der Deutschen in Namibia bedeutet für uns heute eine besondere Verantwortung; denn noch immer ist Namibia nicht unabhängig. Heute halten südafrikanische Truppen das Land völkerrechtswidrig besetzt. Mit offenem Terror soll der Widerstand der schwarzen Bevölkerung gebrochen und ihre Befreiungsbewegung SWAPO zerschlagen werden.Die Zusicherung des Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung vom Mai 1983, auf eine baldige Unabhängigkeit Namibias hinzuwirken, ist nicht erfüllt worden. Statt dessen ist die Bundesregierung voll auf den Kurs der USA und Südafrikas eingeschwenkt. Sie hat die Verbindung der Unabhängigkeit Namibias mit der Anwesenheit kubanischer Truppen in Angola übernommen und damit die Grundlagen der UNO-Resolution 435 verlassen.Es ist kein Wunder, daß die Kontaktgruppe der Westmächte inzwischen in einer gewollten Sackgasse gelandet ist. Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf, die Kontaktgruppe zu verlassen. Außerdem soll die Bundesregierung endlich massiven Druck auf Südafrika ausüben, damit die Unabhängigkeit Namibias auf Grundlage jener UNO-Resolution 435 nicht länger hintertrieben werden kann.Wir wenden uns gegen jede „Entwicklungshilfe" für Namibia vor seiner Unabhängigkeit. Die Durchführung von Projekten in der augenblicklichen Situation — auch von gutgemeinter Handwerkerausbildung oder auch von Sportkontakten — bedeutet eine Anerkennung der illegalen südafrikanischen Besetzung.
Wer die Menschen Namibias — schwarz oder weiß — in ihrem Freiheitskampf unterstützen will, kann dies über ihre Befreiungsbewegung SWAPO oder über den Sonderfonds des Weltkirchenrats gegen den Rassismus tun.Trotz riesiger Kosten hält Südafrika an der Besetzung Namibias fest, um das unmenschlicheApartheid-Regime im eigenen Land verteidigen zu können. Apartheid bedeutet nicht nur die perfekte Trennung nach Äußerlichkeiten und Diskriminierung aller Menschen dunkler Hautfarbe; Apartheid steht auch für wirtschaftliche Ausbeutung, politische Unterdrückung und kulturelle Zerstörung in Südafrika und Namibia. Durch Zwangsumsiedlungen und durch die Bantustan-Politik — das hat Frau Hamm-Brücher schon gut dargestellt — sollen alle Schwarzen Fremde im eigenen Land werden. Die unabhängigen afrikanischen Nachbarstaaten bedroht Südafrika mit militärischen Überfällen und wirtschaftlichen Sanktionen.Wer sich gegen Unrecht und Menschenrechtsverletzungen auflehnt, muß in Südafrika mit Verhaftung, Folter und Tod rechnen. Heute beginnt in der Provinz Ciskei der Prozeß gegen den Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz des südlichen Afrikas, Pfarrer Mkathshwa. Er soll wegen sogenannter terroristischer Bestrebungen angeklagt werden.Herr Genscher, Sie haben mit dem südafrikanischen Außenminister im November letzten Jahres über dieses Beispiel und andere Beispiele politischer Verfolgung und staatlicher Gewalt gesprochen. Welche Zusagen hat Ihnen damals Herr Botha gemacht? Haben Sie inzwischen Hinweise dafür, daß die südafrikanische Regierung Ihr Anliegen ernst genommen hat?
Wie lange noch können Sie Ihre Gesprächsbereitschaft gegenüber dem 'weißen Unrechtsregime glaubwürdig vertreten? Ohne Hilfen von außen und damit auch von Ihnen, Herr Genscher, wäre Südafrika nicht in der Lage, den gewaltigen Militär- und Unterdrückungsapparat aufzubauen und zu unterhalten. Das ist doch klar.
Südafrika wird dabei entscheidend unterstützt von den USA, aber auch von uns und anderen westlichen Mächten.Wir verurteilen den Versuch der USA-Regierung und der Bundesregierung, die Ost-West-Konfrontation auf den Konfliktherd südliches Afrika zu übertragen — wie gehabt beim Beispiel Zentralamerika. Alleinige Ursache von Gewalt und Krieg in dieser Region ist eben die rassistische Gewaltherrschaft der kleinen weißen Minderheit über die in Ausbeutung und Elend gehaltene Mehrheit der Menschen mit dunkler Hautfarbe.Die führende Befreiungsbewegung Südafrikas, der Afrikanische Nationalkongreß , hat 50 Jahre lang mit gewaltfreien Mitteln den Widerstand organisiert. Erst nach seinem Verbot vor etwa 20 Jahren begann er mit genau geplanten und sorgfältig ausgeführten Sabotageaktionen, bei denen seit etwa anderthalb Jahren leider auch Verluste an Menschenleben zu beklagen sind.
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3874 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984
SchwenningerDie GRÜNEN treten jederzeit und überall ein für eine gewaltfreie Austragung von gesellschaftlichen und internationalen Konflikten. Wir respektieren aber die Entscheidung der unterdrückten Menschen in Südafrika und Namibia, in ihrem Befreiungskampf gegen die strukturelle Gewalt auch in begrenztem Umfang Gegengewalt einzusetzen. Wir haben Verständnis für diese sicher nicht leichtfertig getroffene Entscheidung. Ich erwähne hier nur die blutigen Meilensteine von Sharpeville und Soweto.Die verbale Verurteilung der Apartheid durch die Bundesregierung klingt hohl und unglaubwürdig. Mit wohlklingenden Phrasen über eine bundesdeutsche Friedenspolitik im südlichen Afrika soll verschleiert werden, daß ausschließlich bündnispolitische und wirtschaftliche Interessen den Kurs bestimmen.Franz Josef Strauß ist hier ehrlicher. Bei seinem Besuch in Südafrika zur Einweihung eines BMW-Zweigwerks hat der heimliche Außenminister dieser Republik
die Regierung Südafrikas zur Fortsetzung ihrer menschenverachtenden Politik ermuntert. Wir halten es für einen Skandal, daß Herr Strauß die Forderung der Schwarzen „one man, one vote" — ein Mensch, eine Stimme — in Südafrika öffentlich verworfen hat und bis jetzt hier nicht gerügt wurde.
Seine Partei, aber auch Kräfte in der CDU kooperieren mit der Faschistischen Untergrundorganisation RNM in Mozambique und der Rebellengruppe UNITA in Angola, die im Auftrag Südafrikas die Regierungen dieser Länder beseitigen sollen. Die Hanns-Seidel-Stiftung hintertreibt in Namibia die Bemühungen um eine baldige Unabhängigkeit.
Die ungebrochene Bereitschaft dieser wie auch der vorangegangenen Bundesregierung zur Stärkung des Apartheid-Regimes läßt sich aus der engen militärisch-nuklearen Zusammenarbeit ablesen. Da können Sie so viel dementieren, wie Sie wollen, Herr Genscher: Bundesdeutsche Firmen und Institutionen beteiligen sich mit offenkundiger Kenntnis — vielleicht auch Billigung — der Bundesregierung an der Umgehung des UNO-Embargos gegen Rüstungslieferungen an Südafrika. Südafrikanischen Rüstungsunternehmen wird freier Zugang zu bundesdeutscher Technologie gewährt. Ein Beispiel dafür möchte ich etwas ausführlicher dokumentieren.1982 veranstaltete das staatlich geförderte Fraunhofer-Institut für Treib- und Explosivstoffe seine Jahrestagung in Karlsruhe zum Thema „Verwendung von Kunststoffen für Treib- und Explosivstoffe". Zu diesem Anlaß versammelten sich hohe Militärs und Vertreter von Rüstungsfirmen aus dem In- und Ausland. An der Tagung nahmen aber auch sieben Munitionsspezialisten der südafrikanischen Rüstungsfirmen Kentron, Naschem und Somchem teil, die alle Tochterunternehmen der staatlichen Rüstungsgesellschaft ARMSCOR sind. Einer der südafrikanischen Gäste hielt sogar einen Vortrag während des offiziellen Tagungsprogramms über die ballistischen Eigenschaften bestimmter Munitionstypen. Auch bei der internationalen Jahrestagung 1983 waren wieder Vertreter südafrikanischer Rüstungsfirmen anwesend.Weitere Beispiele: Die Firma Rheinmetall, von der Ihre Partei, die FDP, Herr Bundesaußenminister, und die Partei des Herrn Bundeskanzlers Millionenbeträge entgegennahm, lieferte eine Munitionsabfüllanlage. Daimler-Benz liefert Tausende von Unimog-Fahrzeugen. Daimler-Benz-Großaktionär Flick zahlte u. a. an die FDP und erhielt vom Wirtschaftsminister die rechtswidrige Auskunft, die Fahrzeuge dürften nach Südafrika geliefert werden.
Magirus-Deutz lieferte zerlegte Militärfahrzeuge. Daimler errichtete eine Fabrik für Motoren, die die Armee bezieht. Siemens produziert in einer neu gebauten Fabrik Militärelektronik. MTU liefert Motoren für Raketenschnellboote. Die Firma Abeking & Rasmussen liefert Minenkampfboote. Gutehoffnungshütte und Varian MAT liefern für die von STEAG entworfene Urananreicherungsanlage entscheidende Teile. Dort wird Uran für militärische Zwecke angereichert.
— Bringen Sie Beweise, daß diese Behauptung nicht stimmt. Herr Genscher, Sie können dazu nachher j a Stellung nehmen.Wie können Sie, Herr Genscher, wie kann die Bundesregierung angesichts dieser Tatsachen in ihrer Antwort behaupten — ich zitiere —:Die Bundesregierung hat bereits mehrfach ... festgestellt, daß sie sich strikt an das gegen Südafrika verhängte Embargo ... hält .. .DIE GRÜNEN im Bundestag fordern die Bundesregierung erneut auf, einen sofortigen Stopp aller Rüstungsexporte nach Südafrika durchzusetzen.
Wir fordern ein sofortiges Ende der rüstungs- und nukleartechnologischen Zusammenarbeit. Wir fordern von der Bundesregierung umfassende und verbindliche Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika. Wir fordern insbesondere ein Ende der Bankkredite an Südafrika.
Und wir fordern die sofortige Kündigung des Kulturabkommens.Das Argument der Bundesregierung, Wirtschaftsboykott könne nichts bewirken — so haben Sie es das letzte Mal gesagt —, zieht nicht. Warum sonst hätte der Westen selber Wirtschaftssanktionen gegen Polen, Argentinien und andere Länder verhängt?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3875
SchwenningerLassen Sie mich an dieser Stelle auch ein Wort an die SPD-Fraktion richten. Wir begrüßen die Initiative der SPD, die zur heutigen Aussprache geführt hat. Wir kritisieren aber, daß die Große Anfrage der SPD empfindliche Bereiche der Südafrika-Politik ausklammert, und zwar immer dort, wo sie selber während ihrer damaligen Regierungsverantwortung nicht anders gehandelt hat. Steht aber die SPD-Fraktion hinter ihrem Sprecher für das südliche Afrika, Günter Verheugen, der vor kurzem in der evangelischen Akademie in Bad Boll Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika — auch im Alleingang — gefordert hat? Welche Position vertreten Sie zur Entwicklungshilfe an Namibia vor der Unabhängigkeit?Die massive Unterstützung Südafrikas durch die Bundesrepublik stößt immer mehr auf den Protest der Menschen in unserem Land. Sie wollen nicht mitschuldig werden an den Leiden der unterdrückten Menschen im südlichen Afrika. Vor allem in unseren Kirchen treten immer mehr Menschen für eine neue Südafrika-Politik der Bundesregierung und für eine Überwindung der Apartheid ein. Wir begrüßen deswegen die Gespräche von EKD mit ANC.Nach der Fastenaktion von Misereor für Südafrika im letzten Jahr, die von Strauß und anderen übel verleumdet wurde, wächst das Engagement in der katholischen Kirche. Auch die Gewerkschaften bei uns zeigen zunehmend Solidarität mit ihren schwarzen Kollegen und Kolleginnen in Südafrika. Die Anti-Apartheid-Bewegung, amnesty international und viele andere Solidaritätsgruppen leisten wertvolle Informationsarbeit und mobilisieren finanzielle Unterstützung für die Befreiungsbewegungen und Oppositionsgruppen in Südafrika. Seit über zwei Jahren finden regelmäßige Mahnwachen vor südafrikanischen Einrichtungen in verschiedenen bundesdeutschen Städten statt, die auf das Schicksal der politischen Gefangenen aufmerksam machen wollen.Ein Komitee gegen das Kulturabkommen, dem u. a. Heinrich Böll und Helmut Gollwitzer angehören, hat seine Arbeit aufgenommen. Die Kampagne gegen Bankkredite an Südafrika findet immer mehr Unterstützung.Da die Bundesregierung durch ihre Untätigkeit Mitverantwortung für das Leiden im südlichen Afrika trägt — das dürfte ja nun klargeworden sein —, fordern wir die Bevölkerung der Bundesrepublik auf, jeden nur möglichen Beitrag für die schnelle Beseitigung des Apartheid-Regimes zu leisten. Jeder kann da bei sich selber anfangen, z. B. können Sie dem Aufruf der evangelischen Frauenarbeit folgen und keine südafrikanischen Früchte oder Krügerrands kaufen. Jetzt kommen ja wieder in unserem Land die Konfirmationen. Vielleicht wäre das hier ein Appell, keine Krügerrands für die Zöglinge zu kaufen.Als eine weitere Möglichkeit praktischer Solidarität möchte ich Sie auf die Flüchtlingslager der ANC und der SWAPO in Tansania, Sambia und Angola hinweisen. Dort bereiten sich Tausende, meist junger Menschen auf die Rückkehr in die befreite Heimat vor. In den letzten 14 Tagen waren ja zwei Vertreter aus Morogoro in der Bundesrepublik und haben schön eindeutig dargestellt, wie wichtig es ist, dort einen neuen Weg in Richtung auf ein befreites Südafrika einzuschlagen. Dies sind nur kleine, aber wichtige Zeichen der Hoffnung, die wir politisch und finanziell unterstützen sollten.Lassen Sie mich mit einem Gedicht des südafrikanischen Schriftstellers James Mathwes schließen, in welchem das Selbstbewußtsein und der Freiheitswille jener jungen Südafrikaner zum Ausdruck kommt:Kind der Freiheit,zu lange wurdest du verachtet.Füll deine Lungen, und schrei deinen Zorn hinaus!Tritt hervor, und nimm dein Recht! Du wirst nicht mehr dazu erzogen, an die Hintertür zu klopfen.Für dich verfügt kein Gesetz mehr Reisen dritter Klasseund getrennte Schulen, wo man auf dem Boden hockt.Die Flüsse unseres Landes, die Gebirge und der Meeresstrandgehören dir, sind dir nicht mehr verwehrt. Schrei deinen Zorn hinaus, Kind der Freiheit.Amandla! — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt ausdrücklich, daß durch die Große Anfrage die Möglichkeit gegeben wird, wieder grundsätzlich die deutsche Afrikapolitik zu diskutieren. Ich glaube, es hat sich gelohnt, daß wir mit der Erteilung der schriftlichen Antwort zugewartet haben,
denn die uns bekannten Entwicklungen zeigen sehr wohl, daß gerade im südlichen Afrika Bewegung in die Politik geraten ist.
— Herr Kollege, Sie müssen ertragen, daß Ihre mit dieser Großen Anfrage verfolgte Absicht, die Diskontinuität der Politik der Bundesregierung offenzulegen, gescheitert ist.
Das ist ja keine schlechte Sache; Sie sollten im Interesse der deutschen Außenpolitik vielmehr darüber befriedigt sein. Es ist ja wichtig, daß die deutsche Außenpolitik klar und berechenbar bleibt.
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3876 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984
Bundesminister GenscherWenn Sie sehen, wie sich Ihr Fraktionsvorsitzender im Augenblick, während wir hier über Afrika debattieren, in den Vereinigten Staaten müht, die Leute wenigstens davon zu überzeugen, daß Sie in der NATO bleiben wollen, dann können Sie erkennen, welche Risiken dann entstehen, wenn die Außenpolitik einer wichtigen Partei ihren kontinuierlichen Weg verlassen hat.
Aber wir wollen ja eine sachliche Aussprache führen.
Deshalb würde ich gern dem Herrn Abgeordneten Schwenninger sagen: Sie sind mit einem großen Anspruch vor Ihren Wählern in diesen Bundestag gekommen. Die Art, wie Sie in Ihren Ausführungen mit leichtfertigsten Behauptungen, Anschuldigungen, Ehrverletzungen umgehen, ist das Gegenteil von dem, was Sie Ihren Wählern im Wahlkampf gesagt haben.
— Wie Sie Ihre Zusagen einhalten, werden wir ja in präzise einem Jahr beobachten, wenn jeder von Ihnen dann entscheiden muß, ob Sie Ihre Rotationszusage, nämlich nach zwei Jahren dem Nächsten den Platz freizumachen, einhalten wollen oder nicht.
Meine Damen und Herren, der Bundestag hat zum letztenmal vor vier Jahren eingehend über die deutsche Afrikapolitik debattiert. Anlaß gab damals wie heute eine Große Anfrage der Opposition. Damals wie heute hat die Bundesregierung in ihrer Antwort klargestellt: Die deutsche Afrikapolitik ist Teil unserer Friedenspolitik. Sie will im deutschen wie im afrikanischen Interesse dazu beitragen, unseren Nachbarkontinent politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren. Sie will den schwarzafrikanischen Partnerländern helfen, die oft unter größten Opfern errungene Unabhängigkeit abzusichern.In der Republik Südafrika wollen wir zu einem gewaltfreien Wandel, zu einer gerechten Gesellschafts- und Verfassungsordnung, der alle Südafrikaner zustimmen können, beitragen.
Für die Unabhängigkeit Namibias und für andere Konfliktherde in Afrika suchen wir Verhandlungslösungen, weil für uns der Verzicht auf Gewalt nicht auf bestimmte Teile der Welt beschränkt ist, sondern weltweit gelten soll.
Die deutsche Politik im südlichen Afrika ist stetig und berechenbar, denn die deutschen Interessen in dieser Region — Wahrung des Friedens, die Durchsetzung der Menschenrechte, ungehinderter Wirtschaftsaustausch — sind langfristig. Sie sind überdies in die gemeinsamen Ziele des Westens eingebunden. In ihren afrikapolitischen Grundsätzen und Zielen weiß sich die Bundesregierung mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und Nordamerika eins.Seit der Debatte Anfang Januar 1980 hat es im südlichen Afrika wesentliche Veränderungen gegeben. Zimbabwe hat am 18. April 1980 seine Unabhängigkeit erlangt. Es geht bald in das fünfte Jahr seiner Unabhängigkeit. Die ehemaligen Führer der Befreiungsbewegungen sind heute politische Führer mit einem demokratischen Mandat. Sie achten die in Lancaster House vereinbarte Verfassung. Wir achten sie als unabhängige Partner, zu denen wir freundschaftliche Beziehungen unterhalten.Eine weitere wichtige Änderung, die sich ebenfalls schon seit einiger Zeit abzeichnete, ist in Mozambique vor sich gegangen, und sie setzt sich fort. Wir beobachten dort eine Entwicklung, die sich in allen jungen Staaten Afrikas vollzogen hat, vollzieht oder noch vollziehen wird, nämlich den Willen der Völker, ihr Schicksal selbst zu bestimmen.
Der Wille ihrer Führer, eigene und nicht fremde Politik zu machen, nimmt zu. Diese Völker machen eine Erfahrung. Das, Herr Kollege Schwenninger, sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen. Diese Völker machen nämlich die Erfahrung, daß spät-, post-, nachkoloniale Bindungen an die Sowjetunion genauso schmerzhaft sein können wie die bitteren Erfahrungen der Kolonialzeit.
Das ist der Weg, der dazu beiträgt, daß sich der Gedanke der Unabhängigkeit und Selbständigkeit, daß sich der Gedanke wirklicher Blockfreiheit in Afrika immer stärker durchsetzt.
— Bei uns, Herr Kollege, ist das ja schon immer Bestandteil unserer Politik gewesen; denn wir sehen in der Blockfreienbewegung einen wichtigen Faktor der Stabilität in der Welt.
Wenn wir „blockfrei" sagen, dann meinen wir wirkliche Blockfreiheit und nicht Anlehnung der Blockfreien an das eine oder andere System, das heute in der Welt vorhanden ist.Immer deutlicher wird das Bemühen der Regierung Mozambiques, die eigene Blockfreiheit zu stärken, und immer deutlicher werden die Anstrengungen, sich gerade bei der Gestaltung der Beziehungen zu den Staaten der Region und zu den Nachbarn an nationalen Interessen auszurichten und nicht an fremden Interessen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3877
Bundesminister GenscherIn der Republik Südafrika haben sich im Wirtschafts- und Arbeitsleben Reformen zugunsten schwarzer Arbeitnehmer vollzogen. Sie beziehen sich auf freie Berufswahl, auf gewerkschaftliche Rechte für nichtweiße Arbeitnehmer und allgemeine Lockerung in der strikten Rassentrennung.
Was vor vier Jahren im Zusammenhang mit der Diskussion über den EG-Verhaltenskodex für Firmen mit Niederlassungen in Südafrika oft noch strittig war,
ist heute weitgehend selbstverständlich geworden. Wenn Sie, Herr Kollege, sagen, das sei ein Fehlschlag, dann bitte ich Sie wirklich: Gehen Sie doch einmal hin; sprechen Sie mit den schwarzen Arbeitnehmern in den Betrieben, die deutschen Unternehmen gehören, wie sich ihre Lage gerade in den letzten Jahren verbessert hat.
— Ich würde gern meinen Gedanken zu Ende führen, Herr Kollege Holtz.Ich habe immer, auch in der Auseinandersetzung über die West-Ost-Politik, die Meinung vertreten, daß eine Politik des Alles-oder-Nichts am Ende zu nichts führen wird. Deshalb müssen wir dort, wo wir mit unseren Mitteln die Möglichkeit haben, Menschen zu helfen, die in einem für sie in keiner Weise akzeptablen Rechtssystem leben müssen, sie auch wahrnehmen. Der Verhaltenskodex der Europäischen Gemeinschaft war eine solche Möglichkeit. Das ist ein richtiger Schritt in eine richtige Richtung, der hoffentlich beispielgebend für alle Unternehmen in der Republik Südafrika werden wird.
Die südafrikanische Gesetzgebung hat zu einem gewissen Teil den EG-Verhaltenskodex eingeholt. Aus dieser Erfahrung lassen sich Schlüsse sowohl auf die Chancen des gewaltfreien Wandels in Südafrika als auch auf die Möglichkeit ziehen, ihn von außen zu begünstigen. Das Bewußtsein unter den Weißen in Südafrika, daß ein grundlegender Wandel erforderlich ist, hat über die Jahre zugenommen.Wir lassen uns auch im südlichen Afrika nicht in ein starres Freund-Feind-Schema einreihen, sondern versuchen gerade aus unserer Überzeugung von der Notwendigkeit der Durchsetzung der Menschenreche im Dialog mit allen relevanten Kräften die Lösung von Konflikten. Wir wollen dazu beitragen — das ist das Ziel unserer Politik —, daß dieKonflikte in Afrika politisch, auch durch die Überwindung ihrer politischen und ökonomischen Ursachen, friedlich, durch Wandel und ohne Gewalt gelöst werden können.
Wir wollen für unsere afrikanischen Partner — das gilt auch für diese wichtige Region „südliches Afrika" — auch morgen und übermorgen ein glaubwürdiger und berechenbarer Partner sein. Wir müssen jetzt alles tun, um dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Das System der Rassendiskriminierung, der Namibia-Konflikt, die Anwesenheit raumfremder Truppen in Afrika und Vorherrschaftsinteressen gehören zu den entscheidenden Ursachen der bestehenden Spannungen in dieser Region. Das kann doch niemand bestreiten.
Die Frontlinienstaaten sehen dadurch die Konsolidierung ihrer staatlichen Unabhängigkeit und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte in Frage gestellt. Die Frontlinienstaaten sind zu wichtigen Mitwirkenden an den Bemühungen um eine friedliche Lösung der Namibia-Frage auch deshalb geworden, weil sie wissen, daß nur ein neben ihnen lebendes unabhängiges Namibia, daß nur eine Beendigung der Feindseligkeiten in Angola ihnen den eigenen Raum geben wird, in dem sie die dringend notwendige soziale und wirtschaftliche Entwicklung im Innern friedlich voranbringen können.
Andererseits sind vor wenigen Wochen zwischen Südafrika und Mosambik Verhandlungen über wirtschaftliche Zusammenarbeit und auch über Fragen der Sicherheit zustande gekommen. Das sind doch Entwicklungen, die wir positiv beurteilen können
und die wir fördern sollten. Diese Verhandlungen wirken vertrauensbildend. Hier ist ein Ansatz für eine Politik friedlicher Nachbarschaft vorhanden, von der wir hoffen, daß daraus auf Dauer eine solche Politik werden möge.Wir halten diesen Weg für entschieden besser als eine gezielte Beeinträchtigung der Stabilität der Regierungen und der wirtschaftlichen und administrativen Strukturen in den Nachbarstaaten. Ein Verhältnis zwischen Südafrika und seinen Nachbarn, das von Druck und Einschüchterung bestimmt wird, ist nicht geeignet, Frieden und Fortschritt in der Region zu fördern. Aus diesem Grunde begrüßen wir, daß in bezug auf Mosambik eine solche Entwicklung jetzt in Gang gekommen ist.Wir sind an unabhängigen Staaten überall in Afrika interessiert. Dieser Unabhängigkeit droht durch die Einflußnahme der Sowjetunion und anderer, ihr verbundener Staaten Gefahr. In den Frontlinienstaaten haben wir mit unserem konsequenten Eintreten für echte Blockfreiheit, für Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Aufbau Vertrauen ge-
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3878 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984
Bundesminister Genscherschaffen. Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, einmal mit den Verantwortlichen in den Frontlinienstaaten darüber zu sprechen, wie sie unsere Bemühungen, die der Bundesregierung, um einen friedlichen Wandel einschätzen; dann würden Sie sich nicht zu so extremen Äußerungen über die Politik der Bundesregierung im südlichen Afrika hinreißen lassen.
Die Notlage der Menschen in der Region infolge anhaltender Dürre hat uns veranlaßt, für 1984 gegenüber dem Vorjahr unsere Nahrungsmittelhilfe um fast 40% zu steigern. Die entsprechende Hilfe der Europäischen Gemeinschaft, zu der wir mit 28% beitragen, ist im vergangenen Jahr auf 73 000 t verdoppelt worden. Auch darin sehen unsere Partner im südlichen Afrika Beweise des Verständnisses und auch der Solidarität.Tansania weiß, wie hoch die Bundesregierung den Wert der unabhängigen, maßvollen und vermittelnden Außenpolitik Präsident Nyereres einschätzt, und das ist anläßlich des Besuchs von Außenminister Salim im vergangenen September ausdrücklich bestätigt worden.
Unser Eintreten für größere wirtschaftliche Effizienz beim Einsatz von Entwicklungshilfe hat die Kontinuität der Zusammenarbeit nicht beeinträchtigt, wohl aber jenen in Daressalam den Rücken gestärkt, die auf zügigen und vernünftigen Strukturverbesserungen bestehen. Präsident Kaunda wurde im September 1983 von der Bundesregierung zu einem freundschaftlichen Besuch in Bonn empfangen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Kollege Warnke, hat bei seinem Besuch in Lusaka in der letzten Woche erlebt, wie sehr die Zusammenarbeit mit unserem Lande dort geschätzt wird.Die deutsch-simbabwischen Beziehungen sind gut. Wegen der regionalen Schlüsselfunktion dieses Landes sehen wir eine besondere Verantwortung, zu seiner Stabilität nach besten Kräften beizutragen.Mit Mosambik stehen wir am Anfang einer konstruktiven entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Unser Angebot zu dieser Zusammenarbeit bestand seit 1975, es wurde aber erst Mitte 1982 von Mosambik angenommen. Das Land hat verstanden, daß wir nicht einfach Wünsche erfüllen, sondern daß wir wirtschaftlich vernünftig helfen wollen.Der Bundespräsident hat vor wenigen Tagen ein wichtiges Schreiben des angolanischen Präsidenten zur Lage in der Region beantwortet; ich stehe mit dem Außenminister Angolas in einem engen Kontakt. Wann neben dem politischen Dialog und der humanitären Hilfe die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Angola treten kann, hängt von der Entscheidung dort ab. Wir wollen die Regierung nicht drängen, aber wir sind zur Zusammenarbeit bereit.Solide und vielseitige Beziehungen verbinden uns unverändert auch mit Botsuana, Malawi, Lesotho und Swasiland.Über die Pflege der bilateralen Beziehungen hinaus begrüßt und unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der Staaten des südlichen Afrika und stärkere regionale Zusammenarbeit. Mit der Teilnahme des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit an der Konferenz in Lusaka vor einer Woche hat die Bundesregierung bewußt ein Zeichen ihrer Bereitschaft zu aktiver Zusammenarbeit mit dieser Organisation gegeben.Meine Damen und Herren, die europäischen Staaten haben nach dem Zweiten Weltkrieg, als es darum ging, unseren zerstörten Kontinent aus den Trümmern des Krieges aufzubauen, ein Beispiel gegeben, wie die regionale Zusammenarbeit mittlerer und kleinerer Staaten die gemeinsamen Kräfte verstärken kann. Dieses Beispiel macht zunehmend Schule in der Welt. Die ASEAN-Staaten sind ein weiteres Beispiel. Die Staaten im südlichen Afrika, die Lusaka-Staaten, wie man sie nennt, wollen denselben Weg gehen und sind deshalb interessiert, die Namibia-Frage endlich gelöst zu sehen. Eine Bundesregierung, die gerade wieder durch die Teilnahme an dieser Konferenz ihren Beitrag leistet, damit die wirtschaftlichen und sozialen Ursachen der Spannungen und der Not in dieser Region beseitigt werden, leistet damit für die Menschen der Region mehr als diejenigen, die laut nach wirtschaftlichen Sanktionen rufen, die in Wahrheit die Ärmsten, nämlich die Unterdrückten, die schwarze Mehrheit, in der Republik Südafrika treffen würden.
Mit Südafrika führt die Bundesregierung einen kritischen Dialog. Apartheid, diese zum Gesetz erhobene rassische Diskriminierung, ist für uns völlig unannehmbar. Wir verwerfen und verurteilen sie; denn sie mißachtet die Menschenrechte und die Menschenwürde. Die Bundesregierung ist entschlossen, alles in ihre Kräften Stehende zu tun, um jede Bewegung zum friedlichen Wandel zu unterstützen. Wenn es um Rassendiskriminierung, um Zwangsumsiedlungen geht, wenn das Recht des namibischen Volkes auf Selbstbestimmung und auf eine international anerkannte Unabhängigkeit auf dem Spiel steht, wenn die Souveränität und die territoriale Integrität unabhängiger Staaten verletzt werden, wenn Menschenleben durch Gewaltakte — von welcher Seite auch immer — bedroht werden, dann läßt uns das nicht unberührt, dann ergreifen wir Partei für jene, deren Leben bedroht ist, deren Rechte unterdrückt werden, deren Würde mißachtet wird.
— Herr Kollege, das ist unsere Politik, aber wir machen sie weltweit. Wir blicken nicht erst hin, wer es ist, der die Menschenrechte verletzt, sondern wir stellen fest, ob sie verletzt werden, und dann neh-
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Bundesminister Genschermen wir mit den Möglichkeiten, die wir haben, dazu Stellung.
Nichts verbietet einseitige Blindheit mehr als das Eintreten für Menschenrechte, wo immer es ist: gegenüber großen Staaten, die sie verletzen, genauso wie gegenüber kleineren Staaten, die sie verletzen.
So hat die Bundesregierung immer gehandelt, so wird sie auch in Zukunft handeln.Es ist eine unveränderliche Grundposition, daß wir weder auf militärischen Druck noch auf wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen setzen. Trotz aller Schwierigkeiten und gelegentlicher Rückschläge beharren wir auf Dialog, Vertrauensbildung und Verständigung.Wir wissen, daß in der Republik Südafrika die Voraussetzungen für ein harmonisches Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen und damit für eine friedliche Entwicklung erst dann gegeben sein werden, wenn sich alle Südafrikaner dort als vollberechtigte Bürger ihres Landes anerkannt und heimisch fühlen können. Wir haben auch gegenüber der südafrikanischen Regierung niemals einen Zweifel an dieser Haltung gelassen, auch nicht daran, daß wir die Apartheidfrage eben nicht als eine bloß interne Angelegenheit Südafrikas betrachten, sondern als eine Frage, zu deren Durchsetzung weltweit wir uns ja auch durch den Beitritt zu den Vereinten Nationen verpflichtet haben. Das ist bei dem Besuch des südafrikanischen Außenministers vor zweieinhalb Monaten deutlich gesagt worden.Auch heute ist wieder argumentiert worden, die Verurteilung der Apartheid sei unglaubwürdig, wenn sie nicht von Sanktionen begleitet werde.
Wie haben umgekehrt immer die Auffassung vertreten, daß wirtschaftliche Sanktionen nicht das Mittel sind, Einfluß ausüben zu können, sondern daß auch wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Möglichkeit ist, Einfluß auszuüben.
Wie wollten wir es denn sonst rechtfertigen, daß wir wirtschaftliche Beziehungen weltweit nicht nur mit solchen Staaten haben, die Demokratien sind, sondern auch mit solchen, die es nicht sind und die auch gar nicht behaupten, daß sie es sein wollten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch hier bitte keine Einäugigkeit, sondern Klarheit und eine grundsätzliche Position, auch über wirtschaftliche Zusammenarbeit die Möglichkeit der politischen Einflußnahme sich zu erhalten und sie auch zu nutzen.
— Sehen Sie, Sie sagen: Apartheid ist etwas Einzigartiges! Ich würde diese allgemeine Feststellung etwas differenzierter treffen: Das ist eine einzigartige Art, die Menschenrechte zu verletzen. Aber es ist leider nicht die einzige Art, wie Menschenrechte auf dieser Welt verletzt werden. Das ist der Punkt.
Mit einseitigen Maßnahmen würden wir nichts erreichen. Aber wir würden tiefgreifende wirtschaftliche Schäden — ich sage es noch einmal — schaffen, die vor allem die schwarze Bevölkerungsmehrheit treffen würden.Ähnliche Überlegungen gelten übrigens auch gegenüber der Forderung, das Kulturabkommen zu kündigen.Die Bundesregierung hält sich ohne jede Einschränkung an das vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen Südafrika verhängte Waffenembargo. Zur Überwachung dieses Waffenembargos hat der Sicherheitsrat einen besonderen Ausschuß eingesetzt. Andere Fälle, in denen ein Verstoß gegen das Waffenembargo nachgewiesen oder dargelegt wird, sind dem Sonderausschuß des Sicherheitsrates jedenfalls mit Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland nicht bekanntgeworden. Einen Fall gibt es. Wir haben dazu in der Beantwortung der Großen Anfrage Stellung genommen und haben das zur Aufklärung Notwendige getan.Ich muß wiederholen: Der Verhaltenskodex hat dazu beigetragen, daß im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsbeziehungen eine Veränderung in der sozialen Landschaft Südafrikas bewirkt worden ist; es ist ein kleines Stück friedlichen Wandels in einem beschränkten Sektor.
Das zeigt sich an den Menschen, an der dynamischen Entwicklung der jungen schwarzen und gemischtrassischen Gewerkschaften in den letzten Jahren. Hier ist eine Realität entstanden, die auch mit Verhaftungsaktionen gegen die Gewerkschaftsführer nicht mehr aus der Welt geschafft werden kann.Ich sage nicht, daß diese und andere Veränderungen im südafrikanischen Arbeitsleben dem EG-Kodex zuzuschreiben wären. Aber wichtige Anstöße sind von ihm ausgegangen und werden weiter von ihm ausgehen.Ich will auch nicht — das möchte ich Ihnen klar sagen — den Eindruck erwecken, daß wir mit den Fortschritten zufrieden wären, die erreicht worden sind. Gerade die jungen südafrikanischen Gewerkschaften verdienen und erhalten unsere besondere Aufmerksamkeit. Vor allem aber brauchen sie die Unterstützung und die Solidarität seitens der europäischen Arbeitnehmerschaft.Aber auch außerhalb des Arbeitsbereichs ist die politische Landschaft Südafrikas nicht erstarrt. Es sind Dinge in Bewegung, die zu Chancen für mehr friedlichen Wandel werden können.Die Verfassungsreform zeigt, daß das Bewußtsein der Notwendigkeit von Veränderungen auch unter
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Bundesminister Genscherden Weißen zunimmt. Es muß sich allerdings erst noch erweisen, ob diese Reform zum Ansatzpunkt für die alles entscheidende Öffnung gegenüber den Schwarzen wird. Eines steht heute schon fest, das werden Ihnen auch diejenigen Weißen bestätigen, die in Opposition zur Regierung stehen: Die Diskussion über die Verfassungsreform hat in Südafrika ein Tabu gebrochen, das einen dynamischen Diskussionsprozeß auch in der weißen Minderheit einsetzen läßt, die wir durch unsere Politik fördern, aber doch nicht entmutigen sollten.
Deshalb muß es jetzt darum gehen, daß wir alles tun, damit nicht das, was jetzt getan wurde und was als Verfassungsreform bezeichnet wird, als Lösung erkannt wird, sondern damit in Wahrheit das Kernproblem der Gleichberechtigung aller Bürger dieses Staates gelöst wird.
Die Bundesregierung mußte in ihrer Antwort auf die Große Anfrage leider feststellen, daß sich eine grundlegende Bereitschaft der südafrikanischen Regierung zur Abkehr von ihrer Politik und zur Beteiligung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit an der Macht gegenwärtig noch nicht abzeichnet. Diese Feststellung kann für uns nicht das Ende unserer Bemühungen um friedlichen Wandel sein. Wir wissen auch aus der europäischen Geschichte, wie überraschend schnell sich für ewig gehaltene politische Überzeugungen ändern können. Politisches Einwirken von seiten des Westens bleibt ein Faktor, der Veränderungen in Südafrika vorantreibt und weiterhin dringlich fordert. Deshalb werden wir unsere Politik des kritischen Dialogs beharrlich fortsetzen.Was Namibia angeht, so fordern wir das Selbstbestimmungsrecht für die Menschen in Namibia. Wir haben den Lösungsplan nach Sicherheitsratsresolution 435 mitgestaltet. Dieser Plan — d. h. freie und faire Wahlen unter UNO-Aufsicht — ist und bleibt die unverzichtbare Grundlage der Namibia-Lösung.Das ist nicht nur ein zentraler Bestandteil unserer Afrikapolitik. Ich habe 1981 in Rom und Ottawa bei den Treffen der Außenminister der Staaten, die sich mit uns in der Kontaktgruppe zusammengefunden haben — der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs und Kanadas —, die Initiative zu einem Gedankenaustausch ergriffen mit dem Resultat, daß diese Haltung als die gemeinsame Politik dieser fünf befreundeten und verbündeten Länder bestätigt wird. Nach weiteren Namibia-Treffen 1981 und 1982 haben die Außenminister der fünf im Laufe des Jahres 1983 auf meinen Vorschlag erneut erst in Williamsburg und später in Paris über den Fortgang der Lösungsbemühungen beraten.Die Bundesregierung besteht darauf, das Ziel im Wege beharrlicher Verhandlungen und unter Beendigung der kriegerischen Konfrontation zu erreichen, durch die die Region noch heimgesucht wird. Nur das steht im Einklang mit unserem vitalenInteresse an Sicherheit, Frieden und wirtschaftlichem Austausch mit der Region. Nur so können wir aber auch der berechtigten Forderung der dort betroffenen Menschen nach Freiheit und Schutz gesicherter Grundrechte und nach einer Zukunft in sozialer Gerechtigkeit sowie nach wirtschaftlichem Aufbau genügen.Dabei ist uns das Schicksal der Deutschen in Namibia ein besonderes Anliegen. Wir wollen, daß Namibia auch nach der Unabhängigkeit die Heimat auch dieser Menschen bleiben kann. Deshalb haben wir uns in der Vergangenheit auch immer wieder dafür eingesetzt, daß die politisch relevanten Kräfte miteinander sprechen können.Es ist nicht so, wie in die Antwort auf die Große Anfrage hineingeheimnißt wird, als ob die Regierungsparteien von heute in einem beschwerlichen Prozeß erst zur Antwort hätten finden müssen. Ich darf daran erinnern, daß am 10. Januar 1981 Vertreter der Interessengemeinschaft der Deutschen in Namibia hier in Bonn waren, daß Vertreter aller Fraktionen — der SPD, der FDP und der CDU/CSU — an dem Gespräch teilnahmen und daß wir es damals gemeinsam in einer Erklärung begrüßt haben, daß es möglich wurde, durch Begegnungen der Interessengemeinschaft mit der SWAPO Gespräche über die künftige Gestaltung Namibias zu führen, damit ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben nach der Unabhängigkeit garantiert wird. Es muß doch unser Ziel sein, heute schon auch den inneren Frieden zu fördern, damit dort ein rechtsstaatliches Namibia, ein unabhängiges und rechtsstaatliches Namibia, entstehen kann.
Wir wollen die Durchführung des Lösungsplans gemäß Resolution 435 ohne Verzögerungen und weitere Vorbedingungen. Südafrika und die Vereinigten Staaten fordern heute, daß im Zusammenhang mit der Lösung des Namibia-Problems ein Abzug kubanischer Truppen aus Angola erfolgen müsse. Selbstverständlich hält die Bundesregierung, die genauso wie ihre Partner in der Kontaktgruppe und übrigens auch Angola selber den faktischen Zusammenhang zwischen der Anwesenheit fremder Truppen in Namibia und Angola erkennt, eine schnellstmögliche Regelung des Kubanerabzugs aus Angola für dringend erwünscht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß es jemanden geben kann, der nicht dafür eintritt, daß auch Angola in völliger Unabhängigkeit und ohne die Anwesenheit raumfremder Kräfte sein Schicksal gestalten kann.
Was uns von anderen Staaten, von Staaten anderer Wertvorstellungen, unterscheidet, ist doch die Tatsache, daß wir eben nicht anderen Ländern unsere Gesellschaftsordnung aufzwingen,
aber daß wir dafür eintreten, daß sie die Möglichkeit bekommen, in Unabhängigkeit über ihre innere Ordnung entscheiden zu können. Das ist die
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Bundesminister GenscherPolitik, zu der wir uns hier doch alle gemeinsam sollten bekennen können.
Die Bundesregierung hat das militärische Vorgehen Südafrikas in Angola als Verletzung des Völkerrechts verurteilt. Daher sieht sie die jetzt eingeleitete Umkehr und den Rückzug der südafrikanischen Truppen mit Befriedigung. Sie begrüßt ebenfalls, daß die SWAPO vorgestern ihre Bereitschaft erklärt hat, für 30 Tage alle Angriffe gegen südafrikanische Truppen einzustellen. Wir sind weit davon entfernt, anzunehmen, damit sei nun die Friedensregelung erreicht. Aber hier ist zum erstenmal eine begrenzte, wenigstens zeitlich befristete Bereitschaft zum Gewaltverzicht in diesem Bereich vorhanden. Wir setzen unseren Einfluß bei allen Beteiligten, mit denen wir in Kontakt stehen, dafür ein, daß diese wichtige Chance genutzt wird, um endlich der Vereinbarung des Waffenstillstands zwischen Südafrika und der SWAPO und damit der Einleitung der Namibia-Lösung nach Resolution 435 näherzukommen.Die Vereinigten Staaten haben dieser Tage in einer neuen Verhandlungsrunde mit Südafrika, mit Angola und anderen Frontlinienstaaten gesprochen. Unsere Konsultationen mit dem amerikanischen Chefunterhändler Chester Crocker und mit Vertretern von Frontlinienstaaten haben uns ermutigt. Angola zeigt Zeichen ernster Bereitschaft, seinen Beitrag zur Vermeidung weiterer Kampfhandlungen zu leisten. Das bedeutet Zurückhaltung der angolanischen Streitkräfte, aber auch der Kubaner und der SWAPO.Die in der Region einflußreichen Staatspräsidenten von Sambia, Tansania und Mosambik unterstützten das. Frieden im südlichen Afrika ist hier wie in anderen Frontstaaten das bei weitem dringendste Anliegen. Der Lösungsplan der Resolution 435 hat nach Meinung dieser Länder absoluten Vorrang. Und deshalb unterstützen sie auch unsere Bemühungen um seine Durchführung. Damit ergeben sich auch für die bilateralen Verhandlungen der Vereinigten Staaten mit Angola günstigere Perspektiven.Wir haben im Laufe der Namibia-Initiative im übrigen die Erfahrung gemacht, daß auch die Sowjetunion nicht an dem Willen der Frontlinienstaaten vorbeigehen kann. Das heißt, daß die aktive Mitwirkung der Frontlinenstaaten bei der Unterstützung des westlichen Friedensplans für Namibia die Einflußmöglichkeiten der Sowjetunion in dieser Region einschränkt.Meine Damen und Herren, hier ist auch die Frage des Verhältnisses zu den Befreiungsbewegungen aufgeworfen worden. Ich habe davon gesprochen, daß die Führer der Befreiungsbewegungen in Simbabwe heute demokratisch legitimiert dieses Land regieren. Stillhalten ist erfahrungsgemäß eine schwierige Anforderung an Befreiungsbewegungen. Die Amerikaner bitten ihre westlichen Partner gerade jetzt, die vertrauensbildende Aussprache mit SWAPO zu intensivieren. Die Amerikaner selbst setzen ihre Kontakte mit der SWAPO-Führung fort.Die Bundesregierung führt einen ständigen intensiven Dialog mit allen politisch relevanten Kräften Namibias. Sie fördert auch unmittelbare Kontakte zwischen diesen Gruppen. Selbstverständlich gehört zu unseren Gesprächspartnern auch SWAPO. Südafrika selbst ist jetzt erstmals zum Kontakt mit SWAPO bereit.Wir lehnen andererseits den Anspruch der SWAPO ab, als alleinige und authentische Vertretung des namibischen Volks zu gelten, genauso wie wir den Anspruch derjenigen ablehnen, die SWAPO den Zugang zu freien Wahlen verwehren wollen.Ebensowenig haben einseitige und mit Resolution 435 unvereinbare Maßnahmen in Namibia, besonders die vorweggenommene Gründung von Verfassungsinstitutionen, Aussicht auf Anerkennung durch die Bundesrepublik Deutschland.Namibia wird bei Unabhängigkeit gut ausgebildeter Fachkräfte bedürfen, um dann die notwendige Aufbauleistung zu vollbringen. Die Bundesregierung hat in Zusammenarbeit mit den Kirchen rund 4 Millionen DM für Projekte vornehmlich zur besseren Ausbildung Nichtweißer aufgewendet. Sie bereitet im Ausbildungsbereich ein erheblich größeres Engagement vor. Dabei wird sorgfältig darauf geachtet, daß in keinem Fall solche Hilfen zum Vorteil bestimmter Parteien mißbraucht werden. Wichtig bleibt ebenso das fortgesetzte Ausbildungsprogramm für Flüchtlinge aus Namibia.Wer friedliche Nachbarschaft, wer vernünftige Wirtschaftsbeziehungen der Region des südlichen Afrika will, der muß den Unabhängigkeitswillen aller dieser Staaten in Rechnung stellen. Neben unserer Hilfe, die zugleich ein dynamischer Antrieb zu sein hat, brauchen diese Staaten das Vertrauen, daß der Westen auch politisch für sie eintritt, indem er für ihre Unabhängigkeit Partei ergreift. Mit unserem Angebot vollwertiger Partnerschaft können wir diesen Staaten wirksam helfen, sich Bestrebungen nach Einflußnahme von außen und regionalen Vormachtpositionen entgegenzustellen. Die Staaten des südlichen Afrikas brauchen die Unabhängigkeit, nicht die Bevormundung. Und dabei wollen wir sie unterstützen.Die Bundesregierung wird ebenso stetig und konsequent dafür eintreten, daß alle Staaten der Region — auch, aber nicht nur die Republik Südafrika — die für einen evolutionären Prozeß notwendige Geduld und Zurückhaltung aufbringen. Nur auf dieser Grundlage können wir dem gemeinsamen Ziel näherkommen. Dieses gemeinsame Ziel muß ein in Frieden und Unabhängigkeit lebender afrikanischer Nachbarkontinent sein.Es hat sich bei der Fragestellung und bei der Beantwortung der Großen Anfrage gezeigt, daß in Wahrheit die Auffassungen über die Notwendigkeit, soziale und politische Ursachen der Spannungen zu beseitigen, im Deutschen Bundestag gar nicht so weit auseinandergehen. Wir haben genug Themen, über die wir uns leidenschaftlich auseinandersetzen können. Wir sollten dort, wo es darum geht, in der Dritten Welt durch gesunde politische und soziale Strukturen zu helfen, damit Hunger und Not
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Bundesminister Genscherüberwunden werden können, vor allem sehen, wieweit wir zusammenarbeiten können.
Das ist Teil einer und Bekenntnis zu einer wirklichen Friedenspolitik. Und wenn Sie von den GRÜNEN „sehr richtig" sagen, dann können Sie das dadurch beweisen, daß Sie bei etwas objektiverer Betrachtung unserer in den afrikanischen Ländern bei weitem besser bewerteten Afrikapolitik mehr Anerkennung geben, als Sie dazu heute in Ihrem ersten Beitrag bereit gewesen sind. — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauchler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist mit Ihnen, Herr Außenminister, einig, daß die Anwesenheit raumfremder Truppen in Angola und Namibia eine wichtige Ursache für Unfrieden und Konfrontation im südlichen Afrika ist. Wir können Ihnen aber keinesfalls darin zustimmen, wenn Sie sagen, raumfremde Truppen seien die eigentliche Ursache des Leids und des Unfriedens in dieser Region. Die eigentliche Ursache, die letzte Wurzel, ist nichts anderes als die Apartheid in Südafrika selbst.
Alles andere sind Folgeprobleme, die zu neuen verheerenden Ursachen und Kettenreaktionen des Unfriedens führen.
— Das ist nicht schlicht, das ist die schlichte Wahrheit.
Es kann im südlichen Afrika keinen Frieden, keine wirkliche Selbstbestimmung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit und keine Souveränität der jungen afrikanischen Staaten geben, solange die Apartheid existiert. Darüber, meine Herren von der Koalition, hätten Sie heute etwas länger sprechen müssen. Trotz zahlreicher Resolutionen der Vereinten Nationen, trotz weltweiten Protests, trotz siebenjähriger Verhandlungen der westlichen Kontaktgruppe mit Südafrika ist eine Lösung der vielfältigen Probleme keineswegs in Sicht, wie Sie vorgeben wollen, Herr Bundesaußenminister.Südafrika ist seit 1977 nach innen nicht weniger repressiv und nach außen nicht weniger aggressiv geworden. Im Gegenteil, das rassistische Regime der weißen Minderheit sitzt fester denn je im Sattel. Es verfügt über unbeschränkten Zugang zu fortgeschrittenster Technologie und zu den Kapitalmärkten der westlichen Welt. Es hat die Zeit genutzt, um hochmoderne Waffen selbst zu produzieren, sich auf diesem Gebiet unabhängiger zu machen, das Waffenembargo zu unterlaufen und so eine Armee aufzubauen, die jede reguläre Streitmacht im südlichen Afrika schlagen kann.Es hat jede mögliche Atempause, die auch wir Südafrika verschafft haben, genutzt, um sich nicht zuletzt unter Ausbeutung der schwarzen Land- und Industriearbeiter zur beherrschenden Wirtschaftsmacht in der Region aufzuwerfen.Die Lage der schwarzen Bevölkerungsmehrheit in Südafrika ist verzweifelt. Frau Hamm-Brücher hat darauf hingewiesen; Herr Schwenninger hat einiges erwähnt, was wir sehr ernst nehmen sollten. Daran ändern auch die kosmetischen Korrekturen an der Arbeitsgesetzgebung, der Verhaltenskodex der deutschen Firmen und die minimalen Rechte nichts, die den Asiaten und Farbigen durch die neue Verfassung vom 2. November 1983 zugestanden wurden.Die Homeland-Politik, die 70 % der Bevölkerung von der weißen Minderheit abtrennt, in die unfruchtbarsten Gebiete wie in Ghettos einsperrt, wird bis in die jüngste Zeit hinein fortgesetzt. Das ist eine Tatsache. Erst im Juni letzten Jahres rückten Bulldozer in Mogopa, einer blühenden schwarzen Gemeinde in der Nähe Johannesburgs, ein und machten Wohnhäuser, Schulen, Kirchen dem Erdboden gleich.
Die 500 schwarzen Familien wurden brutal vertrieben. Dies ist nur ein Beispiel für die brutale Umsiedlungspolitik Pretorias, durch die Millionen der Heimat entrissen, entwurzelt und brotlos gemacht werden.Die Gewerkschaft South African Allied Workers Union in der Ciskei wird gebannt, ihre Führer werden bedroht, wie jedermann, der in Gewerkschaften, in Kirchen oder anderen Gruppierungen gegen die weiße Minderheitsherrschaft opponiert.Die Führer der südafrikanischen Befreiungsbewegung ANC werden nach wie vor bedroht, bespitzelt, ins Gefängnis geworfen, über die Grenzen hinweg verfolgt und getötet. Die Bundesregierung hält es aber nicht für nötig, in ihrer Antwort den ANC auch nur mit einem einzigen Wort zu erwähnen, geschweige denn seine Unterdrückung durch Südafrika zu verurteilen.
Herr Außenminister, wissen Sie nicht, daß der ANC die wichtigste politische Kraft des schwarzen Südafrika ist? 1912 gegründet, kämpft er seit 70 Jahren für eben die Werte, zu denen sich die Bundesregierung in der Präambel ihrer Antwort großartig bekennt: Menschenrechte, Selbstbestimmung, Demokratie. 50 Jahre lang hat der ANC versucht, mit demokratischen Mitteln einen Wandel der politischen und sozialen Ordnung herbeizuführen. Er hat erst dann zur Gewalt gegriffen, als er blutig erfahren mußte, daß friedlicher Wandel am schlichten Unwillen der weißen Minderheit, ihre Privilegien freiwillig aufzugeben, gescheitert ist. Wer sollte besser verstehen, meine Damen und Herren, als gerade wir Deutschen, die wir auf die Männer und Frauen
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Dr. Hauchlerdes 20. Juli stolz sind, daß die so brutal Unterdrückten eines Tages keinen anderen Ausweg mehr wissen, als selbst die Waffen gegen Faschismus und Rassismus zu richten?
Was die Apartheidpolitik der Südafrikaner nicht nur im eigenen Land, sondern auch in den Frontstaaten für die politische, wirtschaftliche und soziale Lage der Menschen bedeutet, weiß jeder, der auch nur die Statistiken der letzten Jahre über den Niedergang der Landwirtschaft, der industriellen Produktion und der Infrastruktur in diesen Frontstaaten liest.Die Verteidigung der Frontstaaten gegen direkte Übergriffe südafrikanischer Truppen und gegen die von Südafrika unterstützten Guerillabewegungen in Angola, Mosambik und Simbabwe binden gewaltige Mittel, die für die ökonomische und soziale Entwicklung fehlen.
Die Schäden, die durch die südafrikanischen Überfälle in den Frontstaaten in den letzten Jahren entstanden sind, beziffern sich auf zig Milliarden Dollar. Allein in Angola belaufen sie sich auf schätzungsweise 10 Milliarden Dollar.
Und dann zeigen wir auf diese Staaten und sagen, sie seien nicht fähig, wirtschaftliche Entwicklung zu betreiben. Über die Toten, Verletzten und Obdachlosen, die dem südafrikanischen Terror zum Opfer fallen, kann man nur schweigen.
Dieses Leid schlägt sich in keiner Statistik nieder.Südafrikas Politik läuft darauf hinaus, die Frontstaaten in wirtschaftlicher und infrastruktureller Hinsicht zu destabilisieren, systematisch von sich abhängig zu machen, Entwicklungen zu verhindern, sie militärisch einzuschüchtern und, wenn möglich, die heutigen Regierungen in Angola und Mosambik und, wenn es geht, auch in Simbabwe zu enthaupten und an ihrer Stelle Marionettenregime zu installieren.
Es ist bestürzend und alarmierend, wie cool die Bundesregierung in ihrer Antwort die inneren Untaten und Menschenrechtsverletzungen wie auch die aggressive Verletzung der Souveränität und Integrität benachbarter Staaten durch Südafrika übergeht.
Sie empfiehlt den Unterdrückten Gewaltfreiheit, geißelt aber nicht die Gewalt der Herrschenden in Gestalt wirtschaftlicher Erpressung, Sabotage, Folter und Gewehrfeuer.
Dies ist ein typischer Standpunkt von Privilegierten, Herr Klein; denn für Privilegierte ist die Erhaltung ihrer Privilegien am billigsten, wenn mit den Unterprivilegierten ein Gewaltverzicht vereinbart werden kann.
Aus dieser Perspektive ist die Antwort der Bundesregierung geschrieben.
Sieben Jahre intensiver Bemühungen der westlichen Länder haben Pretoria nicht veranlassen können, seine Repressions- und Destabilisierungspolitik wirklich zu ändern. Wenn heute der Außenminister die Ankündigung Südafrikas, seine Truppen aus Angola bis zur namibischen Grenze zurückzuziehen, zum Erfolg westlicher Diplomatie hochstilisiert hat, kann ich ihn nur fragen — er ist nicht mehr da —: Welche Maßstäbe legen Sie eigentlich an, Herr Außenminister?
— Danke, Herr Außenminister. Ich habe Sie übersehen.Werten Sie es, Herr Außenminister, schon als Erfolg, wenn ein Staat seine Truppen nach einem Einfall in ein anderes Land dorthin zurückzieht, wo sie vorher standen? Ist es ein Erfolg oder nicht eher eine banale Selbstverständlichkeit, daß süfafrikanische Truppen in Südafrika zu stehen haben und nicht in Cuvelai, 300 km tief in Angola, und auch nicht in Namibia?
Sie sollten nichts aufwerten, was eine Selbstverständlichkeit in dieser südlichen Region ist.Nichts spricht dafür, daß Südafrika sich veranlaßt sähe, von der Apartheid, der eigentlichen Wurzel aller inneren und äußeren Konflikte im südlichen Afrika, wirklich abzurücken.
Warum auch? Beweisen nicht die letzten Jahre, daß der Westen in den Verhandlungen alle Trümpfe zurückgehalten hat, die wirklich stechen könnten? Beweisen nicht die letzten Jahre, daß sich der Westen auf gutes Zureden und moralische Appelle beschränkt hat? Pretoria wird nicht nachgeben, solange es selbst die entscheidenden Trümpfe in der Hand hält.Erstens. Südafrika weiß, daß das Amerika der Reagan-Administration — right or wrong — immer dem beisteht, der glaubhaft macht, daß er gegen den Kommunismus antritt.Zweitens. Der Westen hat in den letzten Jahren unterstrichen, daß er ein unvermindertes Interesse an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Apartheidregime hat. Der Grundsatz des freien
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Dr. HauchlerHandels- und Kapitalverkehrs ist den USA, Kanada, England, Frankreich und auch der Bundesrepublik heilig.Südafrika bleibt ein wichtiger Rohstofflieferant des Westens und ist angesichts der Massenarbeitslosigkeit der westlichen Industrieländer ein unverzichtbarer Markt zum Absatz der eigenen Produkte.
Südafrika kann mit Genugtuung registrieren, daß der bayerische Ministerpräsident jüngst in Johannesburg ein neues BMW-Werk feierlich eröffnete, daß Magirus und Daimler Lastwagen auch dann nach Südafrika liefern, wenn darauf Soldaten zum Einsatz transportiert werden,
daß aus Deutschland, den USA und Japan jede Art von Hochtechnologie und Elektronik zu haben ist, daß die deutschen Banken Südafrika behilflich sind, Milliarden-Anleihen auf dem deutschen Kapitalmarkt zu plazieren und daß die Bundesregierung nicht zögert, der Vergabe eines Zahlungsbilanzkredites in Höhe von sage und schreibe über 1 Milliarde Dollar durch den Internationalen Währungsfonds zuzustimmen.
Drittens. Die wirtschaftliche Stabilisierung der Frontstaaten kann noch Jahrzehnte dauern, wenn die westlichen Industrieländer im südlichen Afrika keinen entwicklungspolitischen Schwerpunkt setzen. Das ist bisher nicht geschehen. Südafrika wird registrieren, daß hier zumindest von seiten der Bundesrepublik auch in Zukunft keine Gefahr droht. Der neue Entwicklungsminister hat seit seinem Amtsantritt den Frontstaaten über 120 Millionen DM weniger an finanzieller Hilfe zugesagt als sein sozialdemokratischer Vorgänger.
Was sollen da Trinkgelder auf der letzten SADCC-Konferenz in Höhe von 3 Millionen DM?
Herr Minister Warnke, ist das die Anerkennung für die — ich zitiere Ihre Antwort — „verantwortungsvolle und realistische Politik", die die Bundesregierung den Frontstaaten in ihrer Antwort attestiert hat: die Kürzung von Entwicklungshilfe?Sie werden sich darauf hinausreden, daß der Mittelabfluß an die Frontstaaten in diesem und vielleicht auch im nächsten Jahr noch das Niveau der Vorjahre erreicht. Das wird niemanden beeindrukken; denn es kommt nicht darauf an, daß Sie die alten Zusagen der sozialliberalen Koalition einhalten. Auf was es jetzt ankommt, ist, daß in den vonDürre, Hunger und von Südafrika bedrängten Staaten heute Solidarität für morgen geübt wird.
Daran scheint es zu fehlen. Da kann ich nur sagen: Pretoria läßt grüßen.Pretoria hat noch einen vierten Trumpf in Händen. Es gibt nämlich im Westen und nicht zuletzt auch in der Bundesrepublik rechtskonservative Kreise, die dem Apartheidregime wenn nicht mit Sympathie, so doch mit Wohlwollen oder verständnisvoll gegenüberstehen. Vielleicht hören wir heute noch etwas dazu ... Herr Botha wird erfreut zur Kenntnis genommen haben, daß Franz Josef Strauß die Auffassung vertritt, es wirke gespenstisch irreal, wenn die Bundesregierung für Südafrika das Prinzip „one man — one vote" vertrete.
Soll sich das Apartheidregime nicht freuen, wenn der Kommandant des Bundesgrenzschutzes WEST, nach Zeitungsmeldungen vom 3. Februar 1984, die Befreiungsorganisation ANC als Terroristenorganisation bezeichnet und Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche als instinktlos diffamiert,
weil sie mit dem ANC jüngst ein Gespräch geführt haben?
— Wollen Sie sagen, der Kommandeur habe recht,
daß er den ANC als Terroristenorganisation diffamiert habe? Sie können uns dazu j a Näheres in Ihren Ausführungen sagen.
Welche Schlüsse soll man daraus ziehen, daß der Bundesnachrichtendienst Verbindungen zur Guerilla RNM in Mosambik pflegt und Mitglieder der CSU — vielleicht auch Sie, Graf Huyn — Kontakte zur UNITA, der Guerilla in Angola, halten? Beides sind Bewegungen, die es ohne die Unterstützung aus Südafrika schon längst nicht mehr gäbe.
Im südlichen Afrika stehen nicht nur das Leben, die Freiheit und die Menschenrechte von 50 Millionen schwarzen Afrikanern auf dem Spiel,
sondern auch die Glaubwürdigkeit der westlichen Demokratien in der ganzen Dritten Welt. Bedenken Sie das.
Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
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Ich komme zum Schluß.
Die Erwartungen, die die Bundesregierung in die kleinen Schritte setzt, bedeutet Sand in die eigenen Augen streuen. Wenn Südafrika nicht bald zur Aufgabe der Apartheid an sich gezwungen wird, dann wird es im südlichen Afrika unvermeidlich und früher, als wir denken, zu einer schrecklichen Eskalation der Gewalt kommen. Es müssen jetzt große Schritte kommen, wenn nicht alle Versöhnungschancen verspielt werden sollen.
Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Huyn.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen im südlichen Afrika vor wirklich entscheidenden Wochen, ob es hier zu einer friedlichen Lösung kommt oder ob Gewalt eskaliert. Und was hören wir von seiten der Opposition? — Ideologische Vorstellungen statt konstruktive Vorschläge,
Einzelwertungen, einzelne Punkte, die herausgegriffen werden, statt eine globale Sicht zu wählen. Zu dieser sind Sie aber offenbar nicht fähig.
Ich sage gleich etwas zu dem, was der ehrenwerte Professor aus Bremen zu „one man — one vote" gesagt hat.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sieht es denn in Schwarzafrika dort aus, wo man „one man — one vote" praktiziert hat? Was ist denn daraus geworden? Daraus geworden ist „one vote — one man". Es wurde einmal gewählt, und ein Mann ist heute meist noch ohne weitere Wahlen an der Macht. Von allen etwa 40 unabhängigen schwarzafrikanischen Staaten
werden heute 34 entweder von Militärregimen oder von Einparteiensystemen beherrscht.
— Ja, dazu komme ich gleich.Es geht auch nicht darum, daß in Südafrika oder in Südwestafrika/Namibia eine sogenannte schwarze Mehrheit über eine sogenannte weiße Minderheit herrschen soll, sondern es geht um etwas ganz anderes: Es geht um die Sicherung des friedlichen Zusammenlebens gleichberechtigter, aber völlig unterschiedlicher ethnischer Gruppierungen — auch gerade der schwarzen. Es geht darum, eine Vorherrschaft von einer Gruppierung über die andere — ganz gleich welche — zu verhindern.
Wir sind uns sicher einig, daß sich auch in Südafrika manches zu langsam bewegt.
Das Entscheidende aber ist doch, daß es in die richtige Richtung geht.
Wir fordern natürlich alle den Abbau der kleinen Apartheid. Wir sollten aber auch anerkennen, wieviel hier bereits in den letzten Jahren erreicht worden ist.
Genauso wie auf dem Gebiet des politischen Mit-und Selbstbestimmungsrechtes sind entscheidende Schritte eingeleitet worden.
In diesen Tagen ist in Kapstadt zum letztenmal ein rein weißes Parlament nach Westminster-Modell eröffnet worden.
Wer z. B. in Südafrika einmal Sportwettkämpfe erlebt hat,
der kann sehen, daß Schwarze und Farbige, Weiße und Inder sie gemeinsam austragen. Es ist völlig widersinnig, daß Südafrika nach wie vor auf dem Gebiet des Sports diskriminiert wird.
Ich kann nur wünschen, daß deutsche Sportler und Sportfunktionäre einmal dort hinfahren und sich selber ein Bild davon machen, um zu sehen, wie es dort wirklich ausschaut.
— Nein, ich habe es selbst gesehen. Ich falle nicht darauf herein. Ich lerne das eben nicht aus marxistischen Lehrbüchern.
Wir sind uns einig, daß jede Diskriminierung auf Grund von Rasse, Herkunft, Religion oder Hautfarbe den Menschenrechten und der Menschenwürde widerspricht. Das gilt sicher für Südafrika, das gilt aber genauso für alle anderen Länder der Welt und natürlich auch für alle Länder Schwarzafrikas. Wer von Ihnen spricht denn von Rassismus und Menschenrechtsverletzungen, etwa bei der Austreibung von zwei Millionen ghanaischen Arbeitern aus Nigeria, bei der Vertreibung von 700 000 Somalis aus Äthiopien, bei der Flucht von Hundert-
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3886 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984
Graf Huyntausenden von Eritreern und Einwohnern von Uganda in den Sudan, bei den über 300 000 Flüchtlingen in Zaire aus Angola, Ruanda und Burundi? Wer denkt an die 300 000 Hutus und Tutsis bei den blutigen Auseinandersetzungen in Ruanda und Burundi, und wer denkt an die über eine Million Opfer bei der Auseinandersetzung um Biafra in Nigeria? Wer in der Welt setzt sich für die vor dem kommunistischen MPLA-Regime in Angola geflüchteten schwarzen Angolaner im Norden Südwestafrikas/ Namibias ein, für deren Betreuung die Republik Südafrika mehr aufwendet als die Vereinten Nationen für sämtliche Flüchtlinge aus dem gesamten afrikanischen Kontinent?Wer hilft denn Jonas Savimbi beim Aufbau von Schulen und Krankenhäusern in dem von Kommunisten, Kubanern und Sowjets befreiten Teil Angolas? Wer in der Welt erfährt überhaupt etwas über die Tausende durch den Terror der nordkoreanischen 5. Brigade Mugabes massakrierten Matabeles in Simbabwe? Wäre es nicht vielleicht eine bessere Aufgabe, Herr Hauchler, für kirchliche Würdenträger — statt Repräsentanten des von Moskau geführten kommunistischen ANC zu empfangen —, sich für die Freiheit des früheren Präsidenten Simbabwes, des methodistischen schwarzafrikanischen Bischofs Muzorewa, einzusetzen? Wer denkt an die Tausende von Schwarzafrikanern, die durch die marxistisch-leninistische SWAPO entführt und ermordet wurden? Wer hilft den 3 500 politischen Gefangenen im Lager Machava und anderswo im kommunistischen Mosambik Samora Machels, worunter sich auch die deutsche Staatsbürgerin Hannelore d'Espinay befindet?Wir sind gegen Unterdrückung, auch gegen Apartheid, gegen politische Verfolgung, aber bitte überall mit gleichem Maß. Wenn wir zu politischen Lösungen beitragen wollen, dann dürfen wir nicht einzelne Mosaiksteinchen herausgreifen und nicht ideologische Idealvorstellungen verwirklichen, sondern müssen sehen, wie dies im gesamtpolitischen Bild aussieht. Nicht wir, nicht der Westen hat den Ost-West-Konflikt nach Afrika getragen. Es ist die Sowjetunion mit ihren expansionistischen und kolonialistischen Bestrebungen, die versucht, das an Bodenschätzen reiche Südafrika in den Griff zu bekommen. Es gibt eine Studie des amerikanischen Senats über die terroristische Unterstützung durch Moskau, Ost-Berlin und Kuba.
Es werden Söldner nach Äthiopien, in den Kongo, nach Mosambik und nach Angola entsandt. Ponomarjow hat 1981 im Zentralkomitee der KPdSU ein „Unterkomitee Südliches Afrika" zur Konsolidierung der sowjetischen Herrschaft in Angola und Mosambik, zur Abkoppelung der fälschlicherweise sogenannten Frontlinienstaaten von Südafrika und zum Vorantreiben von Subversion und Terrorismus eingerichtet.Meine Damen und Herren, allein über 600 Agenten des KGB, des Staatssicherheitsdienstes und des kubanischen DGI sind eingeschleust worden; darüber hinaus hat die Sowjetunion in den letzten Jahren eine enorme Anzahl von Waffen und Militärs in die sogenannten Frontlinienstaaten gepumpt. Die Gesamtstärke gepanzerter Fahrzeuge ist von 1976 bis heute von 376 auf 1 379 gestiegen, die Zahl der Kampfflugzeuge von 375 auf 670. Nach Angaben aus dem ägyptischen Verteidigungsministerium stehen heute 69 000 Sowjets und Kubaner auf dem afrikanischen Kontinent.Die Südafrikaner haben erst vor kurzem einen für den Westen neuen sowjetischen Granatwerfer vom Typ RGS 17 sowie eine vollständige SAM 9-Raketenstellung mit vier geladenen Raketen erbeutet. Es ist bedauerlich, daß wir noch immer keinen deutschen Militärattaché in Pretoria haben, für den die Auswertung dieser im Westen erstmals verfügbaren Waffen von höchstem Interesse wäre.
— Genau das fehlt. —
Wer von Ihnen eine sofortige und bedingungslose Entlassung Südwestafrikas/Namibias in die Unabhängigkeit, verbunden mit dem gleichzeitigen Abzug südafrikanischer Truppen fordert, der handelt irreal, solange die terroristischen Übergriffe der SWAPO andauern und die Kubaner noch in Angola stehen.Unser deutsches politisches Interesse am südlichen Afrika ist nicht nur in der Sorge um weitere sowjetische Expansion, um den Ausbau freien Handels und wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit allen Staaten, um die Sicherheit der Kaproute und der Rohstoffe begründet, sondern auch in der Mitverantwortung für die Deutschen und Deutschstämmigen in Südwestafrika/Namibia.
Insofern war die vor nunmehr nahezu sieben Jahren von der SPD-geführten Regierung Schmidt verfügte Schließung des deutschen Konsulats in Windhuk ein Fehler, den die Fraktion der CDU/CSU einmütig bedauert hat. Ich möchte die Bundesregierung auffordern, Überlegungen anzustellen, wie wiederum eine bessere konsularische Betreuung der weit in dem großen Land verstreut lebenden deutschen Farmer sichergestellt werden kann.
Das Wichtigste aber ist — hierfür möchte ich der Bundesregierung und auch dem Bundesaußenminister besonders danken —, daß wir bereit sind, uns aktiv an der von der Republik Südafrika und den Vereinigten Staaten eingeleiteten Politik eines friedlichen Wandels zu beteiligen. Heute ist der zehnte Tag des einseitig von Südafrika verkündeten und praktizierten Waffenstillstands, und es ist unser aller Hoffnung, daß er von allen Seiten beachtet wird, damit er in eine wirkliche friedliche Lösung für das südliche Afrika und insbesondere auch für die Unabhängigkeit Namibias übergeführt werden kann.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3887
Graf HuynParallel hierzu haben sich in den letzten Wochen in Windhuk die weißen Parteien und Gruppierungen spontan zu einer Allparteienkonferenz zusammengefunden. Dieser neue Ansatz wird auch von den Deutschstämmigen mehrheitlich begrüßt. Der Beitritt Kalangulas im Ovamboland wird angestrebt. Auch die SWAPO Nujomas ist zur Teilnahme aufgefordert. Pretoria, das im Grenzraum zu Angola mit Truppenentflechtungen begonnen und Waffenstillstand angeboten hat, nimmt ebenso wie die Vereinigten Staaten positiv zu dieser politisch unabhängigen Willensbildung Stellung.Dieser neuen Entwicklung sollten wir nicht zu zusehen, sondern wie die Vereinigten Staaten durch Unterstaatssekretär Crocker auch unsererseits den Dialog mit den politischen Führern der Allparteienkonferenz aufnehmen und sie zur Fortführung ermutigen.Trotz großer Enttäuschungen in den letzten Jahren setzen die deutschstämmigen Südwester weiterhin Hoffnungen auf eine konstruktive deutsche Afrikapolitik, welche die Interessen aller ethnischen Gruppierungen Namibias, auch die der weißen Volksgruppen, berücksichtigt. Hier haben wir eine Chance, aktiv an der Gestaltung einer friedlichen Zukunft teilzunehmen. Wir sollten diese Chance nicht verpassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Brück.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Schwenninger hat damit begonnen, daß er darauf hinwies, daß vor 100 Jahren die deutsche Kolonialgeschichte in Afrika begann. Ich will damit beginnen, daß ich darauf hinweise, daß sich fast auf den Tag genau vor 80 Jahren der Deutsche Reichstag mit dem südlichen Afrika beschäftigt hat, um es präzise zu sagen: mit Südwestafrika, dem heutigen Namibia.Damals debattierte der Deutsche Reichstag über den Herero-Aufstand und die Maßnahmen zu seiner Unterdrückung. Wer als Sozialdemokrat die Protokolle des Deutschen Reichstags nachliest, der kann das voller Stolz tun. Das, was damals der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, August Bebel, im Deutschen Reichstag gesagt hat, kann auch in der Diskussion heute um die Lösung der Probleme im südlichen Afrika zitiert werden. August Bebel sagte:In Wahrheit verteidigen die Hereros ihre Heimat. Sie verteidigen das Land, das ihnen seit Jahrhunderten gehört, das sie als das von ihren Göttern geschenkte Eigentum ansehen und das sie gegen den Hereinbruch Fremder mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen verpflichtet sind.Wenn ich sagte, daß wir Sozialdemokraten diese Debatte voller Stolz nachlesen können, so gilt das weniger für die Konservativen. Ich will die Kolleginnen und Kollegen von der Rechten nicht dadurch quälen, daß ich hier das zitiere, was Konservative damals, vor 80 Jahren, im Deutschen Reichstag gesagt haben. Es genügt, hier heute morgen dem Grafen Huyn zugehört zu haben; dann hat man eine Ahnung von dem, was damals, als es weniger Erkenntnisse für Konservative gegeben hat, im Deutschen Reichstag gesagt wurde.Wir Sozialdemokraten sind stolz auf die Geschichte unserer Partei im Kampf gegen Kolonialismus umd Imperialismus. Wer die Programme und die Politik der deutschen Sozialdemokratie seit ihrem Bestehen verfolgt, der weiß, daß sie immer gegen Unterdrückung fremder Völker angetreten ist, daß sie immer gegen Kolonialismus und Imperialismus war, und so stehen wir auch heute in dieser Debatte in der Tradition unserer Partei.Ich hoffe, daß wir alle — ich meine das ganze Haus — uns in einem einig sind: Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden. So steht es nämlich im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Ich gehe davon aus, daß wir uns auch darin einig sind, daß dies nicht nur eine Handlungsanweisung für die Innenpolitik der Bundesrepublik, sondern auch zwingendes Gebot für die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland ist: daß wir alles tun müssen, damit niemand wegen seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt wird.In der Republik Südafrika und in Namibia aber ist es so, daß man, wenn man weißer Hautfarbe ist, bevorzugt ist, und, wenn man schwarzer Hautfarbe ist, benachteiligt ist. Dagegen wenden wir Sozialdemokraten uns mit aller Leidenschaft. Es ist höchste Zeit, daß die letzten Reste des Kolonialismus in Afrika beseitigt werden, und diese Reste gibt es im südlichen Afrika. Wir fordern die Bundesregierung noch einmal auf, alles zu tun, damit Namibia unabhängig wird, damit die Menschen in Namibia über ihr Schicksal selbst entscheiden können und damit die Menschen schwarzer Hautfarbe nicht wegen ihrer Rasse benachteiligt werden.Herr Bundesaußenminister, wenn Sie diese Politik betreiben, haben Sie auch die Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, und zwar mehr, als Sie die Unterstützung der CSU in diesem Hause haben. Wer Graf Huyn zugehört hat, der weiß, warum Sie ein halbes Jahr gebraucht haben, um die Antwort auf unsere Große Anfrage zu formulieren. Das macht die Unterschiede deutlich, die es innerhalb der Koalition bezüglich unserer Afrikapolitik gibt.Aus der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage geht hervor, daß wir uns auch darüber einig sind, daß wir, die Deutschen, angesichts der Geschichte, angesichts der Tatsache, daß Namibia einmal deutsche Kolonie oder, wie es früher schamhaft hieß, deutsches Schutzgebiet war, eine besondere Verantwortung für dieses Land und seine Menschen tragen.
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3888 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984
BrückIch hoffe, daß sich auch die Deutschen und die Deutschstämmigen, die jetzt in Namibia leben und arbeiten, dieser Verantwortung bewußt sind. Ich weiß aus mehreren Gesprächen mit dem Präsidenten der SWAPO, Sam Nujoma, aus Gesprächen erst jetzt wieder zusammen mit meinen Freunden Ingomar Hauchler und Günter Verheugen in Luanda, daß die weitere Anwesenheit, das Arbeiten der Deutschen und Deutschstämmigen in Namibia, auch nach der Unabhängigkeit, nach der Übernahme der politischen Macht durch die Mehrheit des Volkes, nicht nur geduldet wird, sondern dringend erwünscht ist.
„Wir brauchen Experten zur Entwicklung unseres Landes", sagte Sam Nujoma, „und wenn wir sie im eigenen Lande haben, dann brauchen wir keine von draußen hereinzuholen".Die Forderung nach Gleichheit der Rassen gilt aber nicht nur für Namibia, sie gilt genauso für die Republik Südafrika. Die Weißen in Südafrika werden begreifen müssen, daß sie ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder nicht sichern können, wenn sie an der Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung Südafrikas festhalten. Wenn sie nicht zu einer friedlichen Lösung dieses Problems bereit sind, dann wird in Südafrika viel Blut fließen. Niemand von uns will das. Wir müssen alles tun, um Blutvergießen zu vermeiden. Wir müssen aber auch die Verzweiflung der Menschen schwarzer Hautfarbe sehen, die sie ja zwingt, Gewalt anzuwenden. Es ist leider ein dunkles Kapitel europäischer Kolonialgeschichte, daß die koloniale Herrschaft in vielen Ländern Afrikas nur deshalb beseitigt worden ist, weil es gewaltsamen Widerstand der unterdrückten Afrikaner gegeben hat und geben mußte.Wer dies leugnet, verkennt die Geschichte. Man muß sich in Afrika immer wieder anhören, daß die westlichen Industriestaaten nicht bereit waren, Befreiungsbewegungen zu unterstützen. Dieser Vorwurf geht vor allem an die Vereinigten Staaten von Amerika. In der Tat: Man muß unsere amerikanischen Verbündeten fragen, ob sie denn ihre eigene Geschichte vergessen haben. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind aus früheren Kolonien entstanden. Und so beginnt ja auch die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten mit folgenden Formulierungen:Wenn im Laufe menschlicher Ereignisse es für ein Volk notwendig wird, die politischen Bande, welche es seither an ein anderes gefesselt, zu lösen und unter den Mächten der Erde die getrennte und gleichmäßige Stellung einzunehmen, wozu die Gesetze Gottes und der Natur es berechtigen ...Das, was in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten für das amerikanische Volk gilt, gilt auch für die Völker in Afrika.Die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika in Afrika wird leider vor allem dadurch bestimmt, daß man Einfluß der Sowjetunion zurückdrängen oder aber Einfluß der Sowjetunion verhindern will. Ich stimme Ihnen, Herr Bundesaußenminister, der Sie sich gegen den Einfluß der Sowjetunion in Afrika gewandt haben, ausdrücklich zu. Auch ich bin der Überzeugung, daß es weder in unserem Interesse noch im Interesse der Länder Afrikas sein kann, wenn die Sowjetunion in diesem Raum dominiert. Viele afrikanische Länder mußten hier leidvolle Erfahrungen machen.
Sie mußten feststellen, wie sie von der Sowjetunion, die doch vorgibt, sie im Kampf gegen Imperialismus und Ausbeutung zu unterstützen, dann anschließend ausgebeutet worden sind.Wenn wir jedoch sowjetischen Einfluß in der Welt verhindern wollen, dann können wir das nur tun, wenn wir an unsere eigenen Ideale glauben, uns auch an sie halten und sie nicht verraten. Wenn wir überall in dieser Welt für mehr Gerechtigkeit und gegen die Unterdrückung der Völker eintreten, dann haben Kommunisten dort keine Chance. Klaus Natorp hat im Dezember des vergangenen Jahres in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu Recht geschrieben:Für die Republik Südafrika gelten da noch besonders hohe Ansprüche, weil die Regierung in Pretoria immer wieder beteuert, das Land betrachte sich als Teil des Westens. Nun gut, dann muß sie sich aber auch gefallen lassen, nach westlichen Maßstäben beurteilt und behandelt zu werden, und darf nicht immer nur andere afrikanische Länder— wie Sie, Graf Huyn, es ja auch getan haben —oder gar kommunistische Staaten als Vergleichsmaßstab benutzen. Im westlichen Kulturkreis gelten nun einmal bestimmte Pflichten, die von den in Südafrika lebenden Menschen weißer Hautfarbe bisher nur unzureichend oder überhaupt nicht erfüllt wurden.Ich stimme dem zu, was die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", die ja nicht im Verdacht steht, den Sozialdemokraten nahezustehen, gesagt hat.Wir aber müssen unsere Pflichten hier erfüllen. Wer aus lauter Angst vor dem Einfluß der Kommunisten die Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika nicht unterstützt oder gar bekämpft, lädt den Kommunismus geradezu ein, hilft der Sowjetunion zu politischem Einfluß.
Die afrikanischen Befreiungsbewegungen sind zuerst nationalistische Bewegungen; das müssen Sie endlich einmal verstehen.
Daß sie sich dann, wenn sie von uns, dem Westen, nicht unterstützt werden, ihre Hilfe im Ostblock suchen, ist eigentlich nur zu natürlich; wer sollte ihnen denn da noch helfen?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3889
BrückDa lese ich in einem Brief einer Propagandaagentur für die südafrikanische Politik — ich nehme an, auch Sie haben diesen Brief bekommen —:In keinem Land der Erde werden so viele SWAPO-Kader geschult wie in der DDR.Ich will das nicht bezweifeln.
Zum Glück aber werden jetzt junge Menschen der SWAPO auch in der Bundesrepublik geschult.Aber wer kann eigentlich der SWAPO hier einen Vorwurf machen? Wenn man beispielsweise sieht, welche Probleme es für Angola mit sich gebracht hat, daß 400 000 Portugiesen das Land fast schlagartig verlassen haben, so daß es keine Fachleute gibt, ja, selbst für einfache Arbeiten keine Leute, dann weiß man auch, wie sehr man dieses Land dann an die Seite solcher Staaten treibt, die bereit sind, ihnen die Hilfe zu geben, die sie jetzt brauchen.Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: Selbst die Angehörigen der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland sind froh, daß es in Luanda Ärzte aus der DDR gibt; sie wüßten nämlich sonst nicht, wo sie sich behandeln lassen sollten.Ich will hier ganz offen sagen — auch wenn Sie vielleicht anderer Auffassung sind —: Ich sehe keine so große Gefahr darin, wenn junge Afrikaner in Ostblockstaaten ausgebildet werden. Unter afrikanischen Vätern soll es das Wort geben: Willst du, daß dein Sohn ein Kommunist wird, dann laß ihn im Westen studieren; willst du, daß er ein Kapitalist wird, dann laß ihn im Osten studieren.Ich sage noch einmal: Wenn wir aus ständiger Angst vor dem Einfluß der Sowjetunion Südafrika unterstützen, dann werden wir den Einfluß der Sowjetunion im südlichen Afrika stärken.
Der Einfluß der Sowjetunion in der Welt beruht nur auf ihrer militärischen Stärke. Wirtschaftlich ist sie j a noch nicht einmal so stark wie manches Schwellenland der Dritten Welt. Gibt es aber keine militärischen Konflikte in Afrika, dann wird auch die Hilfe der Sowjetunion für die afrikanischen Völker nicht mehr notwendig sein. Für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas braucht man dort die Zusammenarbeit mit dem Westen.Nachdem ich eben ein Wort, das unter afrikanischen Vätern kursiert, nannte, will ich auch ein Wort sagen, das unter afrikanischen Politikern kursiert: Gewinne deine Kriege mit Hilfe der Sowjetunion; baue dein Land mit Hilfe des Westens auf!Wer also glaubt, er könne die Sowjetunion zurückdrängen, indem er nur in Antikommunismus macht, bewirkt genau das Gegenteil. Ich halte solche Politik für töricht. Manchmal denke ich auch, daß es ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Interessenlage der Republik Südafrika und der Sowjetunion im südlichen Afrika gibt. Die Sowjetunion braucht die Rassenpolitik der Südafrikaner, um ihre Präsenz im südlichen Afrika zu rechtfertigen. Und die Republik Südafrika braucht die Präsenz der Sowjetunion, um sich uns, dem Westen, als Verteidiger gegen den Kommunismus darstellen zu können.Wir sollten hier — wenn ich „wir" sage, meine ich nicht nur die Deutschen, sondern den Westen insgesamt — mehr an uns selbst glauben. Ich sage das deshalb, weil ich den Eindruck habe, daß es viele gibt, die das Zurückdrängen des Einflusses der Sowjetunion für das wichtigste Ziel ihrer Politik halten und diese nur danach ausrichten.Das wichtigste Ziel deutscher Politik in Afrika muß es aber sein, daß, nachem der größte Teil der Länder Afrikas seine Freiheit, seine Unabhängigkeit vom Kolonialismus erhalten hat, dort auch die letzten Reste beseitigt werden. Wir sollten dafür einstehen, daß in unserer Außenpolitik dafür eingetreten wird, daß alle Menschen gleich sind, gleich, welcher Rasse sie sind.Herr Bundesaußenminister, wenn die Bundesregierung — ich wiederhole es — dies als ihre Politik bezeichnet, dann wird sie die Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion haben.Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf von Waldburg-Zeil.
Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben diese heutige Debatte über das südliche Afrika vornehmlich unter außenpolitischen Gesichtspunkten geführt, aber selbstverständlich hat dieser Raum auch ganz wesentliche entwicklungspolitische Aspekte. Dennoch sind die entwicklungspolitischen Aspekte nichts anderes als ein Spiegelbild der außenpolitischen. Nichts ist für Entwicklung schädlicher als Krieg, Bürgerkrieg und — meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition — selbstverständlich auch politisch-gesellschaftliche Strukturen, die dazu führen können.
Die Konsequenz: Nicht nur die Außenpolitik, sondern auch die Entwicklungspolitik muß bei allem Respekt vor der Souveränität anderer Staaten und bei vollem Bekenntnis zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates mit den Instrumenten, die der Entwicklungspolitik zur Verfügung stehen, auf die Entschärfung von Konflikten hinwirken und nicht auf deren Verschärfung.
Wer das Beispiel Libanon vor Augen hat, kann nur hoffen, daß solche Entwicklungen Südafrika erspart bleiben.Herr Kollege Brück, Sie haben vorher die Problematik der Unterstützung für Befreiungsbewegungen angesprochen. Wenn wir die vielen unabhängigen Staaten Afrikas betrachten, so müssen wir feststellen, daß die meisten von ihnen die Unabhängigkeit ohne Gewaltanwendung durch den Verzicht
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3890 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984
Graf von Waldburg-Zeilder früheren Kolonialmächte erlangt haben. Ich möchte nur sagen: Sie haben dadurch einen Entwicklungsvorsprung erhalten. Ich meine, was wir im Zusammenwirken mit Befreiungsbewegungen unterstützen sollten, ist, daß sie Landwirtschaft lernen, daß sie das lernen, was ihre Länder entwickeln hilft, aber nicht, daß sie töten lernen.
Nichts ist einer fruchtbaren Entwicklung dienlicher als das Zusammenwirken von Gruppen unterschiedlicher Erfahrungen, Traditionen, Kultur und wirtschaftlicher Entwicklung. Jede Hochkultur ist aus solchen Wechselwirkungen entstanden.Frau Hamm-Brücher — sie ist nicht mehr da — hat vorhin darauf hingewiesen, daß im südlichen Afrika Strukturen bestehen, die eigentlich Anachronismen bedeuten. Ich muß auf der anderen Seite darauf hinweisen, daß die Probleme dort Zukunftsprobleme sind; denn Rassen, verschiedene Kulturen, verschiedene Völker rücken auf der ganzen Erde immer näher zusammen. Die Frage, wie dieses Problem des Näherzusammenrückens gelöst werden kann, ist ein Zukunftsproblem, nicht nur für Südafrika, sondern für die ganze Welt.Diese beiden Grunderfahrungen müssen die Entwicklungspolitik sowohl gegenüber den schwarzafrikanischen Staaten des südlichen Afrika leiten, als auch gegenüber dem auf dem Wege in die Unabhängigkeit befindlichen Namibia sowie gegenüber Südafrika selbst.Erlauben Sie mir, in diesem Zusammenhang drei spezielle Probleme anzusprechen.Erstens. Die Länder, die in der Koordinierungskonferenz für Entwicklung im südlichen Afrika zusammenwirken — ich spreche lieber von diesen Ländern als von den „Frontstaaten", ein militärischer Begriff —,
haben in jüngster Zeit sehr deutlich gezeigt, daß die meisten von ihnen friedliche Nachbarschaft ständigem Grenzkrieg vorziehen, daß sie lieber auf innere Evolution in Südafrika setzen als auf Revolution und daß die Bewältigung des harten wirtschaftlichen Alltags für sie an der allerersten Stelle steht. Diese Entwicklung sollten wir mit Sympathie und Freundschaft begleiten. Es gilt hier nicht, Frontstaaten in einem bevorstehenden Kampf wirtschaftlich den Rücken zu stärken, sondern Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß wirtschaftliche Kooperation später einmal in einem gesamtsüdafrikanischen Markt Wirklichkeit werden kann.
Zweitens. In Namibia hat sich bedauerlicherweise und aus verschiedenen Gründen der Weg in die Unabhängigkeit verzögert. Hier ist — darüber wurde bereits gesprochen — die deutsche Außenpolitik in besondere Verantwortung genommen. Der Entwicklungspolitik bleibt nur, den Start in die Unabhängigkeit durch gezielte, am besten über dieKirchen und Nichtregierungsorganisationen laufende Maßnahmen schon vorbereitend abzusichern.
Drittens. In Südafrika selber, einem hochentwikkelten Industrieland, scheint deutsche Entwicklungspolitik nichts verloren zu haben. Dennoch möchte ich in diesem Zusammenhang gern ein Problem kurz ansprechen, weil es heute früh schon mehrfach in der Diskussion gekommen ist, nämlich das der Homelands.Axel Halbach schreibt in seinem 1976 erschienenen sehr wohlabwägenden Buch — er ist selbstverständlich gegen die Apartheidskonzeption — über die südafrikanischen Homelands:Trotz aller dieser Probleme kann jedoch heute gesagt werden, daß die Heimatländer inzwischen von einer ursprünglich rein ideologischen Konzeption zu einer greifbaren Realität geworden sind, die wahrscheinlich nur weiterentwickelt, aber nicht ersatzlos wieder aufgegeben werden kann.Diese Aussage wäre nicht verständlich, wenn man die Apartheidideologie im Auge hat, die bestimmten afrikanischen Völkern reservierte Gebiete zuweist und Wahlrecht allein in diesen Gebieten erlaubt. Die Unhaltbarkeit dieses Konzepts liegt nicht nur in der vieldiskutierten Lebensunfähigkeit dieser meist auch noch sehr stark zersplitterten Gebiete — eines hat 44 kleine Teile —, sondern vielmehr in der Tatsache, daß sich sowohl die städtischen als auch die seit Generationen auf dem Land lebenden Schwarzen als Bürger Südafrikas
und nicht als Bürger der Transkei oder Kwazulus fühlen. Umgekehrt gibt es aber natürlich Bürger, deren Familien seit Generationen in diesen Gebieten leben. Es ist wenig bekannt, daß die größeren Homelands, Bophuthatswana, die Transkei, Kwazulu und Lebowa, mit zwischen 25 000 und 44 000 qkm Fläche zumeist größer als Belgien sind, daß die übrigen Gebiete, nämlich vier weitere, eine Fläche von bis zur dreifachen Größe Luxemburgs haben und nur eines, Quaqwa, etwa die dreifache Fläche des Fürstentums Liechtenstein hat, das letzte übrigens bei sehr hoher Bevölkerungsdichte.
— Die Unfruchtbarkeit ist ein ganz anderes Problem. Sehen Sie sich einmal die ursprüngliche Entwicklung an. 1913 ist der Vertrag geschlossen worden, der die Siedlung nur schwarzer Bürger in diesen Gebieten sicherstellte. Das ist im Grunde genommen zum Teil sogar auf landwirtschaftliche Verträge zurückzuführen, die durchaus die Fruchtbarkeit der Ländereien mit in Rechnung gestellt haben. Die Frage ist sehr stark: Wie bebaue ich ein solches Land? Es geht nicht nur um die Frage der Fruchtbarkeit der Böden als solche.
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Deutscher Bundestag - 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3891
Graf von Waldburg-ZeilDie De-facto-Bevölkerungsdichte liegt mit Ausnahme von Quaqwa nur zwischen 30 und 90 Menschen pro qkm. Aber die Art der landwirtschaftlichen Nutzung ist nicht geeignet, diese geringe Bevölkerung zu ernähren, zumal ein besonders hoher Bevölkerungszuwachs die Probleme immer noch schwieriger macht.
Selbstverständlich ist hier in erster Linie Südafrika selber angesprochen. Dennoch wird, vorausgesetzt, Südafrika unternimmt alle nur denkbaren Anstrengungen, auf die Dauer westliche Hilfe für diese Gebiete unumgänglich sein.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, das Thema Südafrika weckt viele Emotionen, bei uns selber, weil wir schlechtes Gewissen wegen der in der Weltgeschichte einmaligen in deutschem Namen verübten rassistischen Verbrechen empfinden. Aber das berechtigt uns doch nicht, zum Lehrmeister der anderen werden zu wollen und den Finger am höchsten zu erheben.
Herr Abgeordneter, ich darf bitten, zum Schluß zu kommen.
Gern.
Das, was wir tun sollten, ist, zur Konfliktlösung und nicht zur Konfliktschürung beizutragen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hornhues.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluß dieser Debatte noch einmal die Positionen meiner Fraktion zusammenfassen.1. Die CDU/CSU unterstützt die Grundsätze und Ziele der Politik der Bundesregierung im südlichen Afrika, so wie sie in der Beantwortung der Großen Anfrage zum Ausdruck gekommen sind.2. Die baldige Unabhängigkeit Namibias, die Begünstigung eines schnellen und friedlichen Wandels in Südafrika hin zu einer gesellschaftlichen und politischen Ordnung, die von der Zustimmung aller Südafrikaner getragen wird, sind ebenso Hauptziele der Politik der CDU/CSU wie die Sicherheit, Stabilität und Entwicklung für die anderen Staaten des südlichen Afrika. Wir danken dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit — dem ich, nebenbei bemerkt, durch seinen Redeverzicht meine Redezeit verdanke — herzlich dafür, daß er durch seinen Besuch in Lusaka gerade in den letzten Tagen der Bedeutung dieses Punktes Nachdruck verliehen hat.
3. Die CDU/CSU lehnt wie bisher die Apartheid entschieden ab, weil sie mit unseren Wertvorstellungen unvereinbar ist.4. Menschenrechtsverletzungen verurteilen wir, wo immer sie geschehen, also auch im südlichen Afrika, also auch in Südafrika.5. Trotz aller positiven Veränderungen im Arbeitsrecht, bei der Beseitigung der kleinen Apartheid, im Bildungswesen ist eine anhaltende Diskriminierung der Schwarzen in Südafrika zu konstatieren, vor allem dadurch, daß die Schwarzen betreffenden Entscheidungen wesentlich ohne deren Mitwirken von den Staatsorganen der Weißen verordnet werden.6. Die darauf resultierenden Spannungen — nicht nur sie, aber sie vor allem — sind für die Sowjetunion der Konfliktstoff, den sie sich zunutze zu machen sucht.7. Wenn es der Sowjetunion je gelingen sollte, ihre Hand auf Südafrika zu legen, dann geschieht es, wenn es nicht gelingt, diese Konflikte friedlich zu lösen. Nicht zuletzt wegen des ökonomischen Potentials und der strategischen Lage Südafrikas kann uns dies nicht gleichgültig sein.8. Daher unterstützt und ermutigt die CDU/CSU alle in Südafrika, die auf einen friedlichen Wandel hinwirken. Dazu gehört vor allem auch ein kritischkonstruktiver Dialog mit der südafrikanischen Regierung und mit der dominierenden Nationalen Partei.9. Die CDU/CSU sieht das Kulturabkommen mit Südafrika als wichtige Möglichkeit im Gesamt eines konstruktiven Beitrags, die Entwicklung des friedlichen Wandels zu fördern.
— Das ist keine Illusion! Beschäftigen Sie sich mal mit den Realitäten, Herr Holtz!10. Eine Kündigung des Kulturabkommens lehnt die Union unter den gegebenen Umständen ebenso ab wie eine Politik der Nadelstiche oder eines Wirtschaftsboykotts. Das würde nach unserer Überzeugung nicht den friedlichen Wandel fördern, sondern eher eine Entwicklung zu eskalierender Gewalt, Chaos, Not und Leid, vor allem für die schwarze Bevölkerung in Namibia und den benachbarten Staaten.
11. Die Verfassungsreform in Südafrika sieht die CDU/CSU nicht als die Lösung der Probleme Südafrikas an, aber als einen wichtigen Schritt, da erstmals das Prinzip weißer Alleinherrschaft durchbrochen wurde. Dies kann ein erster wichtiger Schritt zu einem grundlegenden Wandel in Südafrika sein, wenn die Gräben zu den Schwarzen nicht vertieft werden, sondern ein Weg zu einer gesellschaftlichen und politischen Ordnung beschritten wird, der von allen Südafrikanern getragen wird und in der alle Südafrikaner gerechten
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Dr. HornhuesAnteil an der Gestaltung der Geschicke ihres Landes haben.
12. Die CDU/CSU hat mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, daß die amerikanischen Bemühungen um eine Problemlösung in Angola und, damit zusammenhängend, auch um die Einleitung des Unabhängigkeitsprozesses in Namibia sich in den letzten Wochen so hoffnungsvoll zu entwickeln scheinen.
Sie begrüßt, daß die Bundesregierung die amerikanischen Bemühungen unterstützt hat — und unterstützen wird —, auch wenn es nicht Inhalt der Sicherheitsresolution 435 und des Lösungsplans gewesen ist.
13. Die CDU/CSU begrüßt, daß die Bundesregierung in Namibia schon vor der Unabhängigkeit Entwicklungsprojekte privater Träger unterstützt.
Sie sieht darin einen wesentlichen Beitrag zur Vorbereitung gerade der bisher unterprivilegierten Bürger dieses Landes auf die Unabhängigkeit.
14. Vor hundert Jahren wurde Namibia deutsche Kolonie. Das ist heute wiederholt erwähnt worden. In besonderer Weise fühlt sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion genauso wie die Bundesregierung daher verpflichtet, sich für Frieden, Unabhängigkeit
und Menschenrechte für die Menschen Namibias zu engagieren.
Die CDU/CSU wird die Bundesregierung in ihrem Bemühen unterstützen, auf der Grundlage der Sicherheitsratsresolution 435 und des damit verbundenen Lösungsplans eine international anerkannte Unabhängigkeit zu erreichen. Wir wünschen und hoffen, daß dieses Jahr 1984, 100 Jahre danach, für Namibia den entscheidenden Durchbruch bringt.
15. Die Tatsache, daß sich in Namibia viele Menschen, Gruppen, Parteien weder durch SWAPO noch durch Südafrika vertreten fühlen, hat dort bei vielen zu großer Bitterkeit geführt, da man über ihr Schicksal spricht und verhandelt, ohne daß sie eine nennenswerte Chance hatten, über ihr eigenes Schicksal mitzuentscheiden. Die CDU/CSU ist der Auffassung, daß die Bundesregierung bei den sicher noch notwendigen Gesprächen und Verhandlungen dem im Rahmen ihrer Möglichkeiten Rechnung tragen sollte.16. Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kollege Verheugen hat in einem beiläufigen Satz eine Parole ausgegeben — glücklicherweise hat derKollege Brück mit seinem Beitrag dem ein wenig Abbruch getan, aber ich möchte das als meinen Eindruck wiedergeben —: Ich höre nur, was ich will. Man sollte hören und sehen, was Wirklichkeit ist, und dazu gehört alles und nicht nur das, was einem paßt.
17. und letztens. Die Debatte des heutigen Tages war gerade von den Kollegen der SPD von sehr viel Pathos getragen. Lassen Sie mich mit einem Zitat eines Politikers schließen, von dem ich vermute, daß er wenigstens in den Reihen der SPD als bedeutender Politiker gilt; ich sehe ihn auch so. Das Zitat lautet:Aber durch Pathos ist noch keinem Verfolgten, keiner bedrückten Minderheit, geschweige denn einer unterdrückten Mehrheit geholfen worden. Hier geht es um Augenmaß, auch bei Protesten. Und es geht um die Frage, ob man in erster Linie anderen helfen oder ob man sich lieber durch Deklamationen selbst helfen will.Dieses Zitat stammt vom Vorsitzenden der SPD, Willy Brandt, zur Woche der Brüderlichkeit, bezogen auf das südliche Afrika formuliert.Ich danke Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28a und 28 b auf:a) Beratung der Sammelübersicht 21 des Petitionsausschusses über die Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/909 —b) Beratung der Sammelübersicht 22 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/920 —Zu der zweiten Sammelübersicht liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/986 vor.Bevor wir uns mit diesem Änderungsantrag befassen, frage ich zunächst, ob das Wort zur Sammelübersicht 21 auf Drucksache 10/909 gewünscht wird. — Das ist nicht der Fall.Ich lasse dann zunächst über diese Sammelübersicht abstimmen. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses, die in Sammelübersicht 21 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist angenommen.Wir kommen nun zum Änderungsantrag zu der Sammelübersicht 22 auf Drucksache 10/986. Wird hierzu das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist der Fall. Ich erteile der Frau Abgeordneten Nickels das Wort.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am Ende einer anstrengenden Arbeitswoche muß ich leider Gottes Ihre Zeit noch einmal in Anspruch nehmen. Es handelt sich hier um nicht mehr und nicht weniger als um eine Petition, die aber ein grelles Schlaglicht darauf wirft, wie ernst es der Regierung und wie ernst es uns, die wir hier jetzt noch sitzen, mit dem Postulat der Erziehung des jungen Menschen zum mündigen Staatsbürger wirklich ist.
Vor zwei Jahren, 1982, versuchten Schülervertreter in der Freien und Hansestadt Hamburg, ihr Recht auf Versammlung in Schülermitvertretungsveranstaltungen durchzusetzen. Das steht auf dem Papier. Das Recht hat man. Sie mußten aber leider feststellen, daß dieses Vorhaben, dieses Recht in der Realität daran scheitert, daß Berufsschüler in der Regel nicht am gleichen Tag Unterricht haben. Wenn man sich wirklich ordentlich versammeln will, wäre daher eine Freistellungspflicht des Arbeitgebers vonnöten. Dazu gibt es heute noch keine rechtliche Grundlage.
Im Petitionsausschuß haben wir die Sache sehr lange verhandelt und auch Stellungnahmen eingeholt. 1982 war der Petitionsausschuß der Auffassung, daß entsprechend dem Votum des Ministers für Arbeit und Sozialordnung die rechtliche Grundlage besteht. Der Bildungsminister war anderer Auffassung. Hamburg erklärte, solange ein Dissens auf Bundesebene bestehe, sehe man sich außerstande, etwas für die Schüler zu tun.
Jetzt hat sich — wohlgemerkt: nach nur einem Jahr — das Bundesarbeitsministerium der Auffassung des Bundesbildungsministers angeschlossen und ist der Meinung, daß Mitvertretungsveranstaltungen kein Unterricht in diesem Sinne seien.
Im Petitionsausschuß haben alle Fraktionen übereinstimmend erklärt, daß eine gesetzliche Grundlage für die Freistellung zu Veranstaltungen im Rahmen der Schülermitverwaltung nötig ist. Die CDU- und auch die FDP-Kollegen meinten allerdings, das solle das Land machen.
Das ist ein sehr schöner Anspruch, aber wir dürfen nicht an den Tatsachen vorbeigehen. Es sieht einfach so aus, daß Hamburg sich seit zwei Jahren beharrlich weigert, im Sinne des Rechtsanspruchs der Schüler tätig zu werden. Wir haben im Petitionsausschuß parteilich, wie ich sagen möchte, und politisch mit der Mehrheit des Ausschusses gegen die Petenten entschieden, und zwar ohne Not, weil die diskutierten Gesetze zur konkurrierenden Gesetzgebung gehören und der Bund hier durchaus regelnd tätig werden kann. Es ist auch ein Regelungsbedarf vorhanden, weil bisher nur zwei Bundesländer Verordnungen geschaffen haben, die noch nicht einmal inhaltlich gleich sind.
Wenn man nun wie der Kollege Göhner erklärt, daß kein überragender Gesichtspunkt zu erkennen ist, warum der Bund hier tätig werden sollte, möchte ich namens der Fraktion DIE GRÜNEN erklären, daß wir der Meinung sind, daß wir unbedingt tätig werden müssen, und zwar deshalb, weil sonst ein sehr großer Flurschaden bei den jungen Staatsbürgern entsteht. Diese jungen Leute haben nämlich ihr Recht auf Mitbestimmung ernst genommen und machen nun die Erfahrung, daß sie, wenn sie dieses Recht geltend machen, an die Gerichte verwiesen werden. Es wird ihnen gesagt, sie sollten ihre Rechte gegen die Arbeitgeber einklagen — und das in den heutigen Zeiten der Arbeitslosigkeit.
Wir machen uns lächerlich bei den jungen Leuten. Es entsteht der Eindruck, daß Demokratie und Freiheit auf dem Papier stehen, aber sobald der Staatsbürger diese Rechte reklamiert, die er auf dem Papier hat, läßt man ihn einfach im Getriebe untergehen, und die Rechte sind nicht da.
Das Wort hat der Abgeordnete Hedrich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In dem vorliegenden Fall wird der Eindruck erweckt, als ginge es um die grundsätzliche Bewertung der Schülermitverwaltung an berufsbildenden Schulen. Dieser Eindruck ist irrig. Es ist keine vorrangige Frage, ob wir das Anliegen des Petenten unterstützen, nämlich die Schaffung einer gesetzlichen Regelung für die Freistellung der Auszubildenden für Veranstaltungen der Schülervertretung durch den Arbeitgeber. Dazu mag jeder seine persönliche oder parteipolitisch gefärbte Meinung haben. Es geht allein darum, ob ein Handlungsbedarf seitens des Bundesgesetzgebers besteht.Seit Beginn dieser Legislaturperiode haben wir die Auffassung vertreten, der Petition nicht entsprechen zu wollen. Dabei haben wir durchaus in Übereinstimmung mit den anderen Fraktionen beanstandet, daß in der Stellungnahme der zuständigen Ministerien einzelne und vor allem widersprechende Auffassungen vertreten wurden. Der Petitionsausschuß ist aber bei seiner Meinungsbildung darauf angewiesen, daß eine klare Darlegung seitens der Bundesregierung erfolgt, weil er ja nur so erkennen kann, ob und, wenn ja, in welcher Form dem Anliegen des jeweiligen Petenten Rechnung getragen wird.Daß das Abstimmungsverfahren innerhalb der Bundesministerien einen nicht unerheblichen Zeitraum beanspruchte, sollte nicht getadelt werden, wenn man an eben der erwähnten klaren Darstellung der Sachverhalte wirklich interessiert ist.Lassen Sie mich allerdings eine Nebenbemerkung zum Anlaß der erneuten Behandlung dieser Petition machen. Die Bundesregierung und sich ihr anschließend der Petitionsausschuß hatten nämlich in der letzten Legislaturperiode — darauf wurde richtigerweise hingewiesen — die Berücksichtigung beschlossen. Die Hamburger Schulbehörde folgte in eigener Zuständigkeit dem aber nicht.Nun änderte die Bundesregierung und mit ihr der Petitionsausschuß die Meinung. Aus dem Tatbestand, daß jemand glaubt, klüger geworden zu sein,
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Hedricheinen Vorwurf abzuleiten, halte ich für eine verkürzte Argumentation.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in dem vorliegenden Fall haben Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Hessen den Sachverhalt geregelt. Dem könnte z. B. auch das Land Hamburg folgen. Dazu sieht es aber keine Veranlassung. Nun könnte man j a — die Sozialdemokraten haben das Anliegen im Petitionsausschuß unterstützt — den Hamburger Freunden empfehlen: Nun geht hier doch voran und macht etwas! Die Hamburger Mehrheitsfraktion sieht aber auch keine Veranlassung dazu. Da möchte ich allerdings sagen: Hier ist ein klassisches Instrumentarium des Föderalismus angesprochen. Wir sollten uns nicht ständig darum bemühen, alles selbst zu regeln.
Wenn es Länder gibt, die etwas regeln wollen, sollen sie es tun. Das eine Land wird das restriktiver machen, das andere wird es weniger restriktiv und großzügiger gestalten. Wenn einmal ein Sachverhalt nicht geregelt wird, dann ist das auch nicht zu bedauern.
Wir sind der Auffassung, hier sind die Länder am Zuge.
Nach dem Grundsatz „Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht?" empfehlen wir, die Petition als erledigt anzusehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Peter .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird sich dem Votum der Fraktion der GRÜNEN auf Berücksichtigung der Petition anschließen.
Der Sachverhalt ist denkbar einfach. Bei allen Fraktionen herrscht Einigkeit über den Regelungsbedarf. Die Frage ist allerdings, wo geregelt werden soll. Dabei hat auch das Land Hamburg — da muß ich Sie, Herr Hedrich, korrigieren — eindeutig den Regelungsbedarf bestätigt, allerdings auf die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes nach Art. 72 des Grundgesetzes hingewiesen,
um im Interesse der Rechtseinheit und Rechtsgleichheit eine bundeseinheitliche Regelung zu erwirken.
Es besteht weiterhin Übereinstimmung, daß Teilzeitberufsschüler bei der gegenwärtigen Rechtslage mit Ausnahme des Landes Hessen praktisch nicht von ihrem Recht der Mitwirkung im Rahmen der Schülervertretung Gebrauch machen können. Darüber hinaus besteht Übereinstimmung, daß die Teilnahme an Schülervertretungssitzungen durch Freistellung durch den Arbeitgeber ermöglicht werden muß.
Die Uneinigkeit beginnt bei dem Wie. Im Interesse der Rechtsgleichheit befürwortet die SPD eine bundeseinheitliche Regelung. Hier muß der Bund von seinem pflichtgemäßen Ermessen im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch machen.
Deshalb betrachten wir die Empfehlung der CDU/ CSU als ein Sich-Davonstehlen aus der Interessenwahrnehmung für die Petenten.
Das Bemerkenswerte an dieser Petition ist deshalb die Bewertung des Verhaltens der Koalitionsfraktionen. Herr Hedrich hat ja gesagt: Die Bundesregierung änderte ihre Meinung und damit auch der Petitionsausschuß. Hier ist man offensichtlich bewußt auf eine andere politische Position, auf einen anderen Interessenstandpunkt eingegangen, weil sich die Mehrheitsverhältnisse und das Klima geändert haben.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die Unterhaltung etwas einzuschränken bzw. sie draußen fortzusetzen.
Bitte sehr, Herr Abgeordneter.
Die Kollegen von der CDU/ CSU hören das wahrscheinlich nicht so gern.Aber uns ist unklar, Herr Scheu: Ist nun das Land Bayern derjenige, der es verändert hat — bekanntlich steht Bayern ja nicht an der Spitze, wenn es um die Wahrnehmung demokratischer Rechte durch Schüler geht —, oder sind es die Arbeitgeber, oder ist es der Herr Lambsdorff? Die hessische Praxis zeigt, daß noch kein Betrieb zusammengebrochen ist, weil ein Auszubildender zum Schülervertreter gewählt worden ist und einmal im Monat im Betrieb fehlt.
Es geht Ihnen also — die Zwischenrufe bestätigen es und bestärken mich in meiner Meinung — um die Wende als Prinzip. Es darf keine Gesetzesin-
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Peter
itiative geben, an der die Arbeitgeber Kritik üben könnten, mag sie auch noch so berechtigt sein.
Dabei sind Sie im anderen Fall j a keineswegs zimperlich mit den Gesetzesänderungen. Als es darum ging, den Jugendarbeitsschutz auszuhöhlen, war das Jugendarbeitsschutzgesetz für Änderungen durchaus offen. Wenn es darum geht, Schülerrechte, Rechte von Jugendlichen im Arbeitsschutzgesetz abzusichern, wird die Tür zugemacht. Auf der Strecke bleiben dabei die berechtigten Interessen der Auszubildenden. Auf der Strecke bleibt allerdings — darüber sollten Sie nachdenken, Herr Hedrich —, wenn die Praxis einreißt: „Die Meinung der Regierung hat sich geändert, damit auch die Meinung des Petitionsausschusses", das Selbstverständnis des Petitionsausschusses, die Interessen des Petenten in den Mittelpunkt zu stellen. Weil wir das tun und auch so weiter handhaben wollen, sind wir für die Berücksichtigung dieser Petition im Interesse der Betroffenen.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Neuhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt 12.15 Uhr. Es ist zwar nicht Mitternacht, aber es erinnert mich an eine Gespensterstunde, was aus diesem Tagesordnungspunkt gemacht wird.
Wenn die Kollegin Nickels gesagt hat, es werfe ein grelles Schlaglicht auf unser Verhalten, und Demokratie und Freiheit stünden nur auf dem Papier, dann muß ich sagen:
Es ist diese Überhöhung von Begriffen, unter der diese Begriffe kaputtgehen.
Wenn der Kollege Peter aus Kassel auch hier wieder im Hintergrund die Wende am Werke sieht, dann muß ich sagen: Mir naivem Abgeordneten im Bundestagsausschuß für Petitionen ist das nicht so vorgekommen.
Im Ernst: Hier geht es um zwei sachliche Fragen. Es geht einmal um die Frage — sie ist dargestellt worden —, ob nach der gegenwärtigen gesetzlichen Regelung die Teilnahme an Veranstaltungen der Schülermitverwaltung unter die Freistellungsverpflichtung zur Teilnahme am Berufsschulunterricht fällt.
Zweitens ging es darum, ob eine Gesetzgebungskompetenz beim Bund oder bei den Ländern liegt.
Gemäß der Interpretation des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft kann man die Teilnahme an den Veranstaltungen nicht ohne weiteres unter den Begriff des Unterrichts subsumieren. Wir waren im Ausschuß alle der Meinung — Herr Hedrich hat es dargestellt —, daß man, wenn es überhaupt schon diese Teilnahmemöglichkeit gibt, auch den Zugang zu ihr ermöglichen sollte. Es handelt sich also gar nicht um einen inhaltlichen Dissens, sondern um die Frage: Wer soll denn das jetzt regeln?
— Nein. — Da fallen Sie, Herr Peter, in die Verführung, dieses jetzt in Zusammenhang mit der grundsätzlichen Frage der Bundeskompetenz oder der Länderkompetenz zu bringen.
In diesem Punkte aber, Herr Peter, geht es um schulnahe, unter Umständen sogar schulinterne Regelungen. Ich bin der Meinung, daß es ein Ausufern von Zentralismus wäre, wenn der Bund in diesem Bereich die Kompetenz übernehmen würde.
Wir sollten uns die Frage der Bundeskompetenz im Bildungswesen für wichtigere, grundsätzlichere Fragen vorbehalten und sie nicht durch solche Probleme kaputtmachen.
Ich bedanke mich.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/986 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen! — Enthaltungen? — Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 10/920. Wer der Beschlußempfehlung, die in der Sammelübersicht 22 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenstimmen! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist angenommen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 22. Februar 1984, 13 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.