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ID1005401200

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    Plenarprotokoll 10/54 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 54. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 Inhalt: Begrüßung von Mitgliedern des Europäischen Parlaments 3863 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Hauchler, Verheugen, Bindig, Brück, Gansel, Dr. Holtz, Frau Huber, Klose, Lambinus, Frau Luuk, Schanz, Schlukkebier, Dr. Soell, Stobbe, Toetemeyer, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Politik der Bundesregierung im südlichen Afrika — Drucksachen 10/230, 10/833 — Verheugen SPD 3863 B Dr. Stercken CDU/CSU 3867 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 3869 D Schwenninger GRÜNE 3872 D Genscher, Bundesminister AA 3875 D Dr. Hauchler SPD 3882 A Graf Huyn CDU/CSU 3885 A Brück SPD 3887 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 3889 C Dr. Hornhues CDU/CSU 3891 B Beratung der Sammelübersicht 21 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/909 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 22 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/920 — Frau Nickels GRÜNE 3893 A Hedrich CDU/CSU 3893 C Peter (Kassel) SPD 3894 B Neuhausen FDP 3895 B Nächste Sitzung 3895 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3897*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3897* B Anlage 3 Stellung des homosexuellen Bürgers in der Öffentlichkeit nach dem Fall Kießling/ Wörner MdlAnfr 6 03.02.84 Drs 10/957 Frau Dr. Vollmer GRÜNE SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 3897* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3863 54. Sitzung Bonn, den 10. Februar 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3897* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10.2. Bahr 10.2. Frau Beck-Oberdorf 10.2. Bohl 10.2. Brosi 10.2. Dr. Bugl 10.2. Dr. Faltlhauser 10.2. Conrad (Riegelsberg) 10.2. Dr. Dollinger 10.2. Ertl 10.2. Gattermann 10.2. Dr. Götz 10.2. Grünbeck 10.2. Handlos 10.2. Hartmann 10.2. Haungs 10.2. Hoffie 10.2. Frau Huber 10.2. Ibrügger 10.2. Kißlinger 10.2. Dr. Kreile 10.2. Kretkowski 10.2. Kroll-Schlüter 10.2. Lennartz 10.2. Liedtke 10.2. Link (Diepholz) 10.2. Dr. h. c. Lorenz 10.2. Menzel 10.2. Dr. Mertens (Bottrop) 10.2. Dr. Mertes (Gerolstein) 10.2. Nagel 10.2. Nelle 10.2. Petersen 10.2. Dr. Probst 10.2. Reschke 10.2. Reuschenbach 10.2. Roth 10.2. Sauermilch 10.2. Schmidt (Hamburg) 10.2. Frau Schmidt (Nürnberg) 10.2. Dr. Sperling 10.2. Dr. Stark (Nürtingen) 10.2. Dr. Steger 10.2. Stobbe 10.2. Vahlberg 10.2. Dr. Vogel 10.2. Voigt (Frankfurt) 10.2. Frau Dr. Wex 10.2. Wieczorek (Duisburg) 10.2. Dr. Wulff 10.2. Zander 10.2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Anlagen zum Stenographischen Bericht Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand hier: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung — Drucksache 10/985 — zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Rheumabericht der Bundesregierung über die eingeleiteten Maßnahmen zur Rheumabekämpfung — Drucksache 10/850 — zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Entschließung des Europäischen Parlaments zu kindergesicherten Verschlüssen — Drucksache 10/933 — zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Entschließung des Europäischen Parlaments zu Überfällen auf Lastkraftwagen und Diebstählen von innerhalb der Gemeinschaft beförderten Gütern — Drucksache 10/936 — zuständig: Rechtsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über Energie und Energieforschung in der Gemeinschaft: Ein Fünf-Jahres-Programm und seine Finanzierung — Drucksache 10/940 — zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zur Notwendigkeit gemeinschaftlicher Maßnahmen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle und zur Wiederaufbereitung bestrahlter Kernbrennstoffe — Drucksache 10/953 — zuständig: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Forschung und Technologie Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer (DIE GRÜNEN) (Drucksache 10/957 Frage 6): Was gedenken der Bundesverteidigungsminister, Dr. Wörner und der Bundeskanzler, Dr. Kohl, zu tun, um die ,,schweren Kränkungen" und den Schaden an Ehre und Ansehen wieder gutzumachen, der den homosexuellen Bürgern der Bundesrepublik Deutschland durch die regierungsamtliche und öffentliche Behandlung des Falles Kießling/Wörner in den letzten Wochen enstanden sind? In der Fragestunde am 19. Januar 1984 habe ich die Auffassung der Bundesregierung im Hinblick auf diese Problematik sehr ausführlich dargestellt. Die Diskussion in der Öffentlichkeit ist teilweise in einer Weise geführt worden, die die Bundesregierung ebenso bedauert wie Sie. Es wird diesen Bürgern sicher am ehesten damit gedient, wenn das Thema nicht weiter in dieser Art diskutiert wird.
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    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung begrüßt ausdrücklich, daß durch die Große Anfrage die Möglichkeit gegeben wird, wieder grundsätzlich die deutsche Afrikapolitik zu diskutieren. Ich glaube, es hat sich gelohnt, daß wir mit der Erteilung der schriftlichen Antwort zugewartet haben,

    (Lachen bei der SPD)

    denn die uns bekannten Entwicklungen zeigen sehr wohl, daß gerade im südlichen Afrika Bewegung in die Politik geraten ist.

    (Zuruf von der SPD: Genscher, der Prophet!)

    — Herr Kollege, Sie müssen ertragen, daß Ihre mit dieser Großen Anfrage verfolgte Absicht, die Diskontinuität der Politik der Bundesregierung offenzulegen, gescheitert ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das ist ja keine schlechte Sache; Sie sollten im Interesse der deutschen Außenpolitik vielmehr darüber befriedigt sein. Es ist ja wichtig, daß die deutsche Außenpolitik klar und berechenbar bleibt.

    (Krizsan [GRÜNE]: Das ist richtig!)




    Bundesminister Genscher
    Wenn Sie sehen, wie sich Ihr Fraktionsvorsitzender im Augenblick, während wir hier über Afrika debattieren, in den Vereinigten Staaten müht, die Leute wenigstens davon zu überzeugen, daß Sie in der NATO bleiben wollen, dann können Sie erkennen, welche Risiken dann entstehen, wenn die Außenpolitik einer wichtigen Partei ihren kontinuierlichen Weg verlassen hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Geist der Unverfrorenheit!)

    Aber wir wollen ja eine sachliche Aussprache führen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das schaffen Sie doch nicht!)

    Deshalb würde ich gern dem Herrn Abgeordneten Schwenninger sagen: Sie sind mit einem großen Anspruch vor Ihren Wählern in diesen Bundestag gekommen. Die Art, wie Sie in Ihren Ausführungen mit leichtfertigsten Behauptungen, Anschuldigungen, Ehrverletzungen umgehen, ist das Gegenteil von dem, was Sie Ihren Wählern im Wahlkampf gesagt haben.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Bindig [SPD]: Sie haben doch dem Wähler das Wort gebrochen! — Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

    — Wie Sie Ihre Zusagen einhalten, werden wir ja in präzise einem Jahr beobachten, wenn jeder von Ihnen dann entscheiden muß, ob Sie Ihre Rotationszusage, nämlich nach zwei Jahren dem Nächsten den Platz freizumachen, einhalten wollen oder nicht.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Apartheid ist wichtiger als Rotation! — Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, der Bundestag hat zum letztenmal vor vier Jahren eingehend über die deutsche Afrikapolitik debattiert. Anlaß gab damals wie heute eine Große Anfrage der Opposition. Damals wie heute hat die Bundesregierung in ihrer Antwort klargestellt: Die deutsche Afrikapolitik ist Teil unserer Friedenspolitik. Sie will im deutschen wie im afrikanischen Interesse dazu beitragen, unseren Nachbarkontinent politisch und wirtschaftlich zu stabilisieren. Sie will den schwarzafrikanischen Partnerländern helfen, die oft unter größten Opfern errungene Unabhängigkeit abzusichern.
    In der Republik Südafrika wollen wir zu einem gewaltfreien Wandel, zu einer gerechten Gesellschafts- und Verfassungsordnung, der alle Südafrikaner zustimmen können, beitragen.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Schauen Sie sich die letzten fünf Jahre an!)

    Für die Unabhängigkeit Namibias und für andere Konfliktherde in Afrika suchen wir Verhandlungslösungen, weil für uns der Verzicht auf Gewalt nicht auf bestimmte Teile der Welt beschränkt ist, sondern weltweit gelten soll.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die deutsche Politik im südlichen Afrika ist stetig und berechenbar, denn die deutschen Interessen in dieser Region — Wahrung des Friedens, die Durchsetzung der Menschenrechte, ungehinderter Wirtschaftsaustausch — sind langfristig. Sie sind überdies in die gemeinsamen Ziele des Westens eingebunden. In ihren afrikapolitischen Grundsätzen und Zielen weiß sich die Bundesregierung mit ihren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und Nordamerika eins.
    Seit der Debatte Anfang Januar 1980 hat es im südlichen Afrika wesentliche Veränderungen gegeben. Zimbabwe hat am 18. April 1980 seine Unabhängigkeit erlangt. Es geht bald in das fünfte Jahr seiner Unabhängigkeit. Die ehemaligen Führer der Befreiungsbewegungen sind heute politische Führer mit einem demokratischen Mandat. Sie achten die in Lancaster House vereinbarte Verfassung. Wir achten sie als unabhängige Partner, zu denen wir freundschaftliche Beziehungen unterhalten.
    Eine weitere wichtige Änderung, die sich ebenfalls schon seit einiger Zeit abzeichnete, ist in Mozambique vor sich gegangen, und sie setzt sich fort. Wir beobachten dort eine Entwicklung, die sich in allen jungen Staaten Afrikas vollzogen hat, vollzieht oder noch vollziehen wird, nämlich den Willen der Völker, ihr Schicksal selbst zu bestimmen.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Ist ja gut!)

    Der Wille ihrer Führer, eigene und nicht fremde Politik zu machen, nimmt zu. Diese Völker machen eine Erfahrung. Das, Herr Kollege Schwenninger, sollten Sie auch einmal zur Kenntnis nehmen. Diese Völker machen nämlich die Erfahrung, daß spät-, post-, nachkoloniale Bindungen an die Sowjetunion genauso schmerzhaft sein können wie die bitteren Erfahrungen der Kolonialzeit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

    Das ist der Weg, der dazu beiträgt, daß sich der Gedanke der Unabhängigkeit und Selbständigkeit, daß sich der Gedanke wirklicher Blockfreiheit in Afrika immer stärker durchsetzt.

    (Burgmann [GRÜNE]: Sogar auch bei uns!)

    — Bei uns, Herr Kollege, ist das ja schon immer Bestandteil unserer Politik gewesen; denn wir sehen in der Blockfreienbewegung einen wichtigen Faktor der Stabilität in der Welt.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Er meint Blockfreiheit bei uns!)

    Wenn wir „blockfrei" sagen, dann meinen wir wirkliche Blockfreiheit und nicht Anlehnung der Blockfreien an das eine oder andere System, das heute in der Welt vorhanden ist.
    Immer deutlicher wird das Bemühen der Regierung Mozambiques, die eigene Blockfreiheit zu stärken, und immer deutlicher werden die Anstrengungen, sich gerade bei der Gestaltung der Beziehungen zu den Staaten der Region und zu den Nachbarn an nationalen Interessen auszurichten und nicht an fremden Interessen.



    Bundesminister Genscher
    In der Republik Südafrika haben sich im Wirtschafts- und Arbeitsleben Reformen zugunsten schwarzer Arbeitnehmer vollzogen. Sie beziehen sich auf freie Berufswahl, auf gewerkschaftliche Rechte für nichtweiße Arbeitnehmer und allgemeine Lockerung in der strikten Rassentrennung.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Gewerkschafter sitzen in den Gefängnissen!)

    Was vor vier Jahren im Zusammenhang mit der Diskussion über den EG-Verhaltenskodex für Firmen mit Niederlassungen in Südafrika oft noch strittig war,

    (Schwenninger [GRÜNE]: Ist ein Fehlschlag!)

    ist heute weitgehend selbstverständlich geworden. Wenn Sie, Herr Kollege, sagen, das sei ein Fehlschlag, dann bitte ich Sie wirklich: Gehen Sie doch einmal hin; sprechen Sie mit den schwarzen Arbeitnehmern in den Betrieben, die deutschen Unternehmen gehören, wie sich ihre Lage gerade in den letzten Jahren verbessert hat.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr wahr! — Abg. Dr. Holtz [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich würde gern meinen Gedanken zu Ende führen, Herr Kollege Holtz.
    Ich habe immer, auch in der Auseinandersetzung über die West-Ost-Politik, die Meinung vertreten, daß eine Politik des Alles-oder-Nichts am Ende zu nichts führen wird. Deshalb müssen wir dort, wo wir mit unseren Mitteln die Möglichkeit haben, Menschen zu helfen, die in einem für sie in keiner Weise akzeptablen Rechtssystem leben müssen, sie auch wahrnehmen. Der Verhaltenskodex der Europäischen Gemeinschaft war eine solche Möglichkeit. Das ist ein richtiger Schritt in eine richtige Richtung, der hoffentlich beispielgebend für alle Unternehmen in der Republik Südafrika werden wird.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Sanktionen wären besser! — Dr. Holtz [SPD]: Weshalb haben die Schwarzen gestreikt? — Klein [München] [CDU/CSU]: Weil sie ein Streikrecht haben, du Blödmann!)

    Die südafrikanische Gesetzgebung hat zu einem gewissen Teil den EG-Verhaltenskodex eingeholt. Aus dieser Erfahrung lassen sich Schlüsse sowohl auf die Chancen des gewaltfreien Wandels in Südafrika als auch auf die Möglichkeit ziehen, ihn von außen zu begünstigen. Das Bewußtsein unter den Weißen in Südafrika, daß ein grundlegender Wandel erforderlich ist, hat über die Jahre zugenommen.
    Wir lassen uns auch im südlichen Afrika nicht in ein starres Freund-Feind-Schema einreihen, sondern versuchen gerade aus unserer Überzeugung von der Notwendigkeit der Durchsetzung der Menschenreche im Dialog mit allen relevanten Kräften die Lösung von Konflikten. Wir wollen dazu beitragen — das ist das Ziel unserer Politik —, daß die
    Konflikte in Afrika politisch, auch durch die Überwindung ihrer politischen und ökonomischen Ursachen, friedlich, durch Wandel und ohne Gewalt gelöst werden können.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Wir wollen für unsere afrikanischen Partner — das gilt auch für diese wichtige Region „südliches Afrika" — auch morgen und übermorgen ein glaubwürdiger und berechenbarer Partner sein. Wir müssen jetzt alles tun, um dafür die Voraussetzungen zu schaffen. Das System der Rassendiskriminierung, der Namibia-Konflikt, die Anwesenheit raumfremder Truppen in Afrika und Vorherrschaftsinteressen gehören zu den entscheidenden Ursachen der bestehenden Spannungen in dieser Region. Das kann doch niemand bestreiten.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Kubaner, Sowjets, Ost-Berlin!)

    Die Frontlinienstaaten sehen dadurch die Konsolidierung ihrer staatlichen Unabhängigkeit und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Fortschritte in Frage gestellt. Die Frontlinienstaaten sind zu wichtigen Mitwirkenden an den Bemühungen um eine friedliche Lösung der Namibia-Frage auch deshalb geworden, weil sie wissen, daß nur ein neben ihnen lebendes unabhängiges Namibia, daß nur eine Beendigung der Feindseligkeiten in Angola ihnen den eigenen Raum geben wird, in dem sie die dringend notwendige soziale und wirtschaftliche Entwicklung im Innern friedlich voranbringen können.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Stimmt! Das gilt auch für Südafrika!)

    Andererseits sind vor wenigen Wochen zwischen Südafrika und Mosambik Verhandlungen über wirtschaftliche Zusammenarbeit und auch über Fragen der Sicherheit zustande gekommen. Das sind doch Entwicklungen, die wir positiv beurteilen können

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Richtig!)

    und die wir fördern sollten. Diese Verhandlungen wirken vertrauensbildend. Hier ist ein Ansatz für eine Politik friedlicher Nachbarschaft vorhanden, von der wir hoffen, daß daraus auf Dauer eine solche Politik werden möge.
    Wir halten diesen Weg für entschieden besser als eine gezielte Beeinträchtigung der Stabilität der Regierungen und der wirtschaftlichen und administrativen Strukturen in den Nachbarstaaten. Ein Verhältnis zwischen Südafrika und seinen Nachbarn, das von Druck und Einschüchterung bestimmt wird, ist nicht geeignet, Frieden und Fortschritt in der Region zu fördern. Aus diesem Grunde begrüßen wir, daß in bezug auf Mosambik eine solche Entwicklung jetzt in Gang gekommen ist.
    Wir sind an unabhängigen Staaten überall in Afrika interessiert. Dieser Unabhängigkeit droht durch die Einflußnahme der Sowjetunion und anderer, ihr verbundener Staaten Gefahr. In den Frontlinienstaaten haben wir mit unserem konsequenten Eintreten für echte Blockfreiheit, für Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Aufbau Vertrauen ge-



    Bundesminister Genscher
    schaffen. Ich würde Ihnen wirklich empfehlen, einmal mit den Verantwortlichen in den Frontlinienstaaten darüber zu sprechen, wie sie unsere Bemühungen, die der Bundesregierung, um einen friedlichen Wandel einschätzen; dann würden Sie sich nicht zu so extremen Äußerungen über die Politik der Bundesregierung im südlichen Afrika hinreißen lassen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Notlage der Menschen in der Region infolge anhaltender Dürre hat uns veranlaßt, für 1984 gegenüber dem Vorjahr unsere Nahrungsmittelhilfe um fast 40% zu steigern. Die entsprechende Hilfe der Europäischen Gemeinschaft, zu der wir mit 28% beitragen, ist im vergangenen Jahr auf 73 000 t verdoppelt worden. Auch darin sehen unsere Partner im südlichen Afrika Beweise des Verständnisses und auch der Solidarität.
    Tansania weiß, wie hoch die Bundesregierung den Wert der unabhängigen, maßvollen und vermittelnden Außenpolitik Präsident Nyereres einschätzt, und das ist anläßlich des Besuchs von Außenminister Salim im vergangenen September ausdrücklich bestätigt worden.

    (Dr. Holtz [SPD]: Wieso werden dann die Verpflichtungsermächtigungen gekürzt?)

    Unser Eintreten für größere wirtschaftliche Effizienz beim Einsatz von Entwicklungshilfe hat die Kontinuität der Zusammenarbeit nicht beeinträchtigt, wohl aber jenen in Daressalam den Rücken gestärkt, die auf zügigen und vernünftigen Strukturverbesserungen bestehen. Präsident Kaunda wurde im September 1983 von der Bundesregierung zu einem freundschaftlichen Besuch in Bonn empfangen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Kollege Warnke, hat bei seinem Besuch in Lusaka in der letzten Woche erlebt, wie sehr die Zusammenarbeit mit unserem Lande dort geschätzt wird.
    Die deutsch-simbabwischen Beziehungen sind gut. Wegen der regionalen Schlüsselfunktion dieses Landes sehen wir eine besondere Verantwortung, zu seiner Stabilität nach besten Kräften beizutragen.
    Mit Mosambik stehen wir am Anfang einer konstruktiven entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Unser Angebot zu dieser Zusammenarbeit bestand seit 1975, es wurde aber erst Mitte 1982 von Mosambik angenommen. Das Land hat verstanden, daß wir nicht einfach Wünsche erfüllen, sondern daß wir wirtschaftlich vernünftig helfen wollen.
    Der Bundespräsident hat vor wenigen Tagen ein wichtiges Schreiben des angolanischen Präsidenten zur Lage in der Region beantwortet; ich stehe mit dem Außenminister Angolas in einem engen Kontakt. Wann neben dem politischen Dialog und der humanitären Hilfe die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Angola treten kann, hängt von der Entscheidung dort ab. Wir wollen die Regierung nicht drängen, aber wir sind zur Zusammenarbeit bereit.
    Solide und vielseitige Beziehungen verbinden uns unverändert auch mit Botsuana, Malawi, Lesotho und Swasiland.
    Über die Pflege der bilateralen Beziehungen hinaus begrüßt und unterstützt die Bundesregierung die Bemühungen der Staaten des südlichen Afrika und stärkere regionale Zusammenarbeit. Mit der Teilnahme des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit an der Konferenz in Lusaka vor einer Woche hat die Bundesregierung bewußt ein Zeichen ihrer Bereitschaft zu aktiver Zusammenarbeit mit dieser Organisation gegeben.
    Meine Damen und Herren, die europäischen Staaten haben nach dem Zweiten Weltkrieg, als es darum ging, unseren zerstörten Kontinent aus den Trümmern des Krieges aufzubauen, ein Beispiel gegeben, wie die regionale Zusammenarbeit mittlerer und kleinerer Staaten die gemeinsamen Kräfte verstärken kann. Dieses Beispiel macht zunehmend Schule in der Welt. Die ASEAN-Staaten sind ein weiteres Beispiel. Die Staaten im südlichen Afrika, die Lusaka-Staaten, wie man sie nennt, wollen denselben Weg gehen und sind deshalb interessiert, die Namibia-Frage endlich gelöst zu sehen. Eine Bundesregierung, die gerade wieder durch die Teilnahme an dieser Konferenz ihren Beitrag leistet, damit die wirtschaftlichen und sozialen Ursachen der Spannungen und der Not in dieser Region beseitigt werden, leistet damit für die Menschen der Region mehr als diejenigen, die laut nach wirtschaftlichen Sanktionen rufen, die in Wahrheit die Ärmsten, nämlich die Unterdrückten, die schwarze Mehrheit, in der Republik Südafrika treffen würden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Was wird denn in Südafrika dadurch besser? Nichts, Thema verfehlt!)

    Mit Südafrika führt die Bundesregierung einen kritischen Dialog. Apartheid, diese zum Gesetz erhobene rassische Diskriminierung, ist für uns völlig unannehmbar. Wir verwerfen und verurteilen sie; denn sie mißachtet die Menschenrechte und die Menschenwürde. Die Bundesregierung ist entschlossen, alles in ihre Kräften Stehende zu tun, um jede Bewegung zum friedlichen Wandel zu unterstützen. Wenn es um Rassendiskriminierung, um Zwangsumsiedlungen geht, wenn das Recht des namibischen Volkes auf Selbstbestimmung und auf eine international anerkannte Unabhängigkeit auf dem Spiel steht, wenn die Souveränität und die territoriale Integrität unabhängiger Staaten verletzt werden, wenn Menschenleben durch Gewaltakte — von welcher Seite auch immer — bedroht werden, dann läßt uns das nicht unberührt, dann ergreifen wir Partei für jene, deren Leben bedroht ist, deren Rechte unterdrückt werden, deren Würde mißachtet wird.

    (Zuruf des Abg. Schwenninger [GRÜNE])

    — Herr Kollege, das ist unsere Politik, aber wir machen sie weltweit. Wir blicken nicht erst hin, wer es ist, der die Menschenrechte verletzt, sondern wir stellen fest, ob sie verletzt werden, und dann neh-



    Bundesminister Genscher
    men wir mit den Möglichkeiten, die wir haben, dazu Stellung.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Nichts verbietet einseitige Blindheit mehr als das Eintreten für Menschenrechte, wo immer es ist: gegenüber großen Staaten, die sie verletzen, genauso wie gegenüber kleineren Staaten, die sie verletzen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! — Bindig [SPD]: Wenn's man so wäre!)

    So hat die Bundesregierung immer gehandelt, so wird sie auch in Zukunft handeln.
    Es ist eine unveränderliche Grundposition, daß wir weder auf militärischen Druck noch auf wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen setzen. Trotz aller Schwierigkeiten und gelegentlicher Rückschläge beharren wir auf Dialog, Vertrauensbildung und Verständigung.
    Wir wissen, daß in der Republik Südafrika die Voraussetzungen für ein harmonisches Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen und damit für eine friedliche Entwicklung erst dann gegeben sein werden, wenn sich alle Südafrikaner dort als vollberechtigte Bürger ihres Landes anerkannt und heimisch fühlen können. Wir haben auch gegenüber der südafrikanischen Regierung niemals einen Zweifel an dieser Haltung gelassen, auch nicht daran, daß wir die Apartheidfrage eben nicht als eine bloß interne Angelegenheit Südafrikas betrachten, sondern als eine Frage, zu deren Durchsetzung weltweit wir uns ja auch durch den Beitritt zu den Vereinten Nationen verpflichtet haben. Das ist bei dem Besuch des südafrikanischen Außenministers vor zweieinhalb Monaten deutlich gesagt worden.
    Auch heute ist wieder argumentiert worden, die Verurteilung der Apartheid sei unglaubwürdig, wenn sie nicht von Sanktionen begleitet werde.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Richtig!)

    Wie haben umgekehrt immer die Auffassung vertreten, daß wirtschaftliche Sanktionen nicht das Mittel sind, Einfluß ausüben zu können, sondern daß auch wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Möglichkeit ist, Einfluß auszuüben.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Natürlich ist das so! Die Erfahrungen sprechen dafür!)

    Wie wollten wir es denn sonst rechtfertigen, daß wir wirtschaftliche Beziehungen weltweit nicht nur mit solchen Staaten haben, die Demokratien sind, sondern auch mit solchen, die es nicht sind und die auch gar nicht behaupten, daß sie es sein wollten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch hier bitte keine Einäugigkeit, sondern Klarheit und eine grundsätzliche Position, auch über wirtschaftliche Zusammenarbeit die Möglichkeit der politischen Einflußnahme sich zu erhalten und sie auch zu nutzen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Die Apartheid ist doch etwas Einzigartiges! So etwas gibt es sonst nirgends!)

    — Sehen Sie, Sie sagen: Apartheid ist etwas Einzigartiges! Ich würde diese allgemeine Feststellung etwas differenzierter treffen: Das ist eine einzigartige Art, die Menschenrechte zu verletzen. Aber es ist leider nicht die einzige Art, wie Menschenrechte auf dieser Welt verletzt werden. Das ist der Punkt.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Mit einseitigen Maßnahmen würden wir nichts erreichen. Aber wir würden tiefgreifende wirtschaftliche Schäden — ich sage es noch einmal — schaffen, die vor allem die schwarze Bevölkerungsmehrheit treffen würden.
    Ähnliche Überlegungen gelten übrigens auch gegenüber der Forderung, das Kulturabkommen zu kündigen.
    Die Bundesregierung hält sich ohne jede Einschränkung an das vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegen Südafrika verhängte Waffenembargo. Zur Überwachung dieses Waffenembargos hat der Sicherheitsrat einen besonderen Ausschuß eingesetzt. Andere Fälle, in denen ein Verstoß gegen das Waffenembargo nachgewiesen oder dargelegt wird, sind dem Sonderausschuß des Sicherheitsrates jedenfalls mit Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland nicht bekanntgeworden. Einen Fall gibt es. Wir haben dazu in der Beantwortung der Großen Anfrage Stellung genommen und haben das zur Aufklärung Notwendige getan.
    Ich muß wiederholen: Der Verhaltenskodex hat dazu beigetragen, daß im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsbeziehungen eine Veränderung in der sozialen Landschaft Südafrikas bewirkt worden ist; es ist ein kleines Stück friedlichen Wandels in einem beschränkten Sektor.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Das glauben Sie selber nicht!)

    Das zeigt sich an den Menschen, an der dynamischen Entwicklung der jungen schwarzen und gemischtrassischen Gewerkschaften in den letzten Jahren. Hier ist eine Realität entstanden, die auch mit Verhaftungsaktionen gegen die Gewerkschaftsführer nicht mehr aus der Welt geschafft werden kann.
    Ich sage nicht, daß diese und andere Veränderungen im südafrikanischen Arbeitsleben dem EG-Kodex zuzuschreiben wären. Aber wichtige Anstöße sind von ihm ausgegangen und werden weiter von ihm ausgehen.
    Ich will auch nicht — das möchte ich Ihnen klar sagen — den Eindruck erwecken, daß wir mit den Fortschritten zufrieden wären, die erreicht worden sind. Gerade die jungen südafrikanischen Gewerkschaften verdienen und erhalten unsere besondere Aufmerksamkeit. Vor allem aber brauchen sie die Unterstützung und die Solidarität seitens der europäischen Arbeitnehmerschaft.
    Aber auch außerhalb des Arbeitsbereichs ist die politische Landschaft Südafrikas nicht erstarrt. Es sind Dinge in Bewegung, die zu Chancen für mehr friedlichen Wandel werden können.
    Die Verfassungsreform zeigt, daß das Bewußtsein der Notwendigkeit von Veränderungen auch unter



    Bundesminister Genscher
    den Weißen zunimmt. Es muß sich allerdings erst noch erweisen, ob diese Reform zum Ansatzpunkt für die alles entscheidende Öffnung gegenüber den Schwarzen wird. Eines steht heute schon fest, das werden Ihnen auch diejenigen Weißen bestätigen, die in Opposition zur Regierung stehen: Die Diskussion über die Verfassungsreform hat in Südafrika ein Tabu gebrochen, das einen dynamischen Diskussionsprozeß auch in der weißen Minderheit einsetzen läßt, die wir durch unsere Politik fördern, aber doch nicht entmutigen sollten.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deshalb muß es jetzt darum gehen, daß wir alles tun, damit nicht das, was jetzt getan wurde und was als Verfassungsreform bezeichnet wird, als Lösung erkannt wird, sondern damit in Wahrheit das Kernproblem der Gleichberechtigung aller Bürger dieses Staates gelöst wird.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Sagen Sie einmal etwas zu deutschen Waffen!)

    Die Bundesregierung mußte in ihrer Antwort auf die Große Anfrage leider feststellen, daß sich eine grundlegende Bereitschaft der südafrikanischen Regierung zur Abkehr von ihrer Politik und zur Beteiligung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit an der Macht gegenwärtig noch nicht abzeichnet. Diese Feststellung kann für uns nicht das Ende unserer Bemühungen um friedlichen Wandel sein. Wir wissen auch aus der europäischen Geschichte, wie überraschend schnell sich für ewig gehaltene politische Überzeugungen ändern können. Politisches Einwirken von seiten des Westens bleibt ein Faktor, der Veränderungen in Südafrika vorantreibt und weiterhin dringlich fordert. Deshalb werden wir unsere Politik des kritischen Dialogs beharrlich fortsetzen.
    Was Namibia angeht, so fordern wir das Selbstbestimmungsrecht für die Menschen in Namibia. Wir haben den Lösungsplan nach Sicherheitsratsresolution 435 mitgestaltet. Dieser Plan — d. h. freie und faire Wahlen unter UNO-Aufsicht — ist und bleibt die unverzichtbare Grundlage der Namibia-Lösung.
    Das ist nicht nur ein zentraler Bestandteil unserer Afrikapolitik. Ich habe 1981 in Rom und Ottawa bei den Treffen der Außenminister der Staaten, die sich mit uns in der Kontaktgruppe zusammengefunden haben — der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs und Kanadas —, die Initiative zu einem Gedankenaustausch ergriffen mit dem Resultat, daß diese Haltung als die gemeinsame Politik dieser fünf befreundeten und verbündeten Länder bestätigt wird. Nach weiteren Namibia-Treffen 1981 und 1982 haben die Außenminister der fünf im Laufe des Jahres 1983 auf meinen Vorschlag erneut erst in Williamsburg und später in Paris über den Fortgang der Lösungsbemühungen beraten.
    Die Bundesregierung besteht darauf, das Ziel im Wege beharrlicher Verhandlungen und unter Beendigung der kriegerischen Konfrontation zu erreichen, durch die die Region noch heimgesucht wird. Nur das steht im Einklang mit unserem vitalen
    Interesse an Sicherheit, Frieden und wirtschaftlichem Austausch mit der Region. Nur so können wir aber auch der berechtigten Forderung der dort betroffenen Menschen nach Freiheit und Schutz gesicherter Grundrechte und nach einer Zukunft in sozialer Gerechtigkeit sowie nach wirtschaftlichem Aufbau genügen.
    Dabei ist uns das Schicksal der Deutschen in Namibia ein besonderes Anliegen. Wir wollen, daß Namibia auch nach der Unabhängigkeit die Heimat auch dieser Menschen bleiben kann. Deshalb haben wir uns in der Vergangenheit auch immer wieder dafür eingesetzt, daß die politisch relevanten Kräfte miteinander sprechen können.
    Es ist nicht so, wie in die Antwort auf die Große Anfrage hineingeheimnißt wird, als ob die Regierungsparteien von heute in einem beschwerlichen Prozeß erst zur Antwort hätten finden müssen. Ich darf daran erinnern, daß am 10. Januar 1981 Vertreter der Interessengemeinschaft der Deutschen in Namibia hier in Bonn waren, daß Vertreter aller Fraktionen — der SPD, der FDP und der CDU/CSU — an dem Gespräch teilnahmen und daß wir es damals gemeinsam in einer Erklärung begrüßt haben, daß es möglich wurde, durch Begegnungen der Interessengemeinschaft mit der SWAPO Gespräche über die künftige Gestaltung Namibias zu führen, damit ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben nach der Unabhängigkeit garantiert wird. Es muß doch unser Ziel sein, heute schon auch den inneren Frieden zu fördern, damit dort ein rechtsstaatliches Namibia, ein unabhängiges und rechtsstaatliches Namibia, entstehen kann.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir wollen die Durchführung des Lösungsplans gemäß Resolution 435 ohne Verzögerungen und weitere Vorbedingungen. Südafrika und die Vereinigten Staaten fordern heute, daß im Zusammenhang mit der Lösung des Namibia-Problems ein Abzug kubanischer Truppen aus Angola erfolgen müsse. Selbstverständlich hält die Bundesregierung, die genauso wie ihre Partner in der Kontaktgruppe und übrigens auch Angola selber den faktischen Zusammenhang zwischen der Anwesenheit fremder Truppen in Namibia und Angola erkennt, eine schnellstmögliche Regelung des Kubanerabzugs aus Angola für dringend erwünscht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß es jemanden geben kann, der nicht dafür eintritt, daß auch Angola in völliger Unabhängigkeit und ohne die Anwesenheit raumfremder Kräfte sein Schicksal gestalten kann.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Was uns von anderen Staaten, von Staaten anderer Wertvorstellungen, unterscheidet, ist doch die Tatsache, daß wir eben nicht anderen Ländern unsere Gesellschaftsordnung aufzwingen,

    (Vereinzelter Beifall bei der SPD)

    aber daß wir dafür eintreten, daß sie die Möglichkeit bekommen, in Unabhängigkeit über ihre innere Ordnung entscheiden zu können. Das ist die



    Bundesminister Genscher
    Politik, zu der wir uns hier doch alle gemeinsam sollten bekennen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die Bundesregierung hat das militärische Vorgehen Südafrikas in Angola als Verletzung des Völkerrechts verurteilt. Daher sieht sie die jetzt eingeleitete Umkehr und den Rückzug der südafrikanischen Truppen mit Befriedigung. Sie begrüßt ebenfalls, daß die SWAPO vorgestern ihre Bereitschaft erklärt hat, für 30 Tage alle Angriffe gegen südafrikanische Truppen einzustellen. Wir sind weit davon entfernt, anzunehmen, damit sei nun die Friedensregelung erreicht. Aber hier ist zum erstenmal eine begrenzte, wenigstens zeitlich befristete Bereitschaft zum Gewaltverzicht in diesem Bereich vorhanden. Wir setzen unseren Einfluß bei allen Beteiligten, mit denen wir in Kontakt stehen, dafür ein, daß diese wichtige Chance genutzt wird, um endlich der Vereinbarung des Waffenstillstands zwischen Südafrika und der SWAPO und damit der Einleitung der Namibia-Lösung nach Resolution 435 näherzukommen.
    Die Vereinigten Staaten haben dieser Tage in einer neuen Verhandlungsrunde mit Südafrika, mit Angola und anderen Frontlinienstaaten gesprochen. Unsere Konsultationen mit dem amerikanischen Chefunterhändler Chester Crocker und mit Vertretern von Frontlinienstaaten haben uns ermutigt. Angola zeigt Zeichen ernster Bereitschaft, seinen Beitrag zur Vermeidung weiterer Kampfhandlungen zu leisten. Das bedeutet Zurückhaltung der angolanischen Streitkräfte, aber auch der Kubaner und der SWAPO.
    Die in der Region einflußreichen Staatspräsidenten von Sambia, Tansania und Mosambik unterstützten das. Frieden im südlichen Afrika ist hier wie in anderen Frontstaaten das bei weitem dringendste Anliegen. Der Lösungsplan der Resolution 435 hat nach Meinung dieser Länder absoluten Vorrang. Und deshalb unterstützen sie auch unsere Bemühungen um seine Durchführung. Damit ergeben sich auch für die bilateralen Verhandlungen der Vereinigten Staaten mit Angola günstigere Perspektiven.
    Wir haben im Laufe der Namibia-Initiative im übrigen die Erfahrung gemacht, daß auch die Sowjetunion nicht an dem Willen der Frontlinienstaaten vorbeigehen kann. Das heißt, daß die aktive Mitwirkung der Frontlinenstaaten bei der Unterstützung des westlichen Friedensplans für Namibia die Einflußmöglichkeiten der Sowjetunion in dieser Region einschränkt.
    Meine Damen und Herren, hier ist auch die Frage des Verhältnisses zu den Befreiungsbewegungen aufgeworfen worden. Ich habe davon gesprochen, daß die Führer der Befreiungsbewegungen in Simbabwe heute demokratisch legitimiert dieses Land regieren. Stillhalten ist erfahrungsgemäß eine schwierige Anforderung an Befreiungsbewegungen. Die Amerikaner bitten ihre westlichen Partner gerade jetzt, die vertrauensbildende Aussprache mit SWAPO zu intensivieren. Die Amerikaner selbst setzen ihre Kontakte mit der SWAPO-Führung fort.
    Die Bundesregierung führt einen ständigen intensiven Dialog mit allen politisch relevanten Kräften Namibias. Sie fördert auch unmittelbare Kontakte zwischen diesen Gruppen. Selbstverständlich gehört zu unseren Gesprächspartnern auch SWAPO. Südafrika selbst ist jetzt erstmals zum Kontakt mit SWAPO bereit.
    Wir lehnen andererseits den Anspruch der SWAPO ab, als alleinige und authentische Vertretung des namibischen Volks zu gelten, genauso wie wir den Anspruch derjenigen ablehnen, die SWAPO den Zugang zu freien Wahlen verwehren wollen.
    Ebensowenig haben einseitige und mit Resolution 435 unvereinbare Maßnahmen in Namibia, besonders die vorweggenommene Gründung von Verfassungsinstitutionen, Aussicht auf Anerkennung durch die Bundesrepublik Deutschland.
    Namibia wird bei Unabhängigkeit gut ausgebildeter Fachkräfte bedürfen, um dann die notwendige Aufbauleistung zu vollbringen. Die Bundesregierung hat in Zusammenarbeit mit den Kirchen rund 4 Millionen DM für Projekte vornehmlich zur besseren Ausbildung Nichtweißer aufgewendet. Sie bereitet im Ausbildungsbereich ein erheblich größeres Engagement vor. Dabei wird sorgfältig darauf geachtet, daß in keinem Fall solche Hilfen zum Vorteil bestimmter Parteien mißbraucht werden. Wichtig bleibt ebenso das fortgesetzte Ausbildungsprogramm für Flüchtlinge aus Namibia.
    Wer friedliche Nachbarschaft, wer vernünftige Wirtschaftsbeziehungen der Region des südlichen Afrika will, der muß den Unabhängigkeitswillen aller dieser Staaten in Rechnung stellen. Neben unserer Hilfe, die zugleich ein dynamischer Antrieb zu sein hat, brauchen diese Staaten das Vertrauen, daß der Westen auch politisch für sie eintritt, indem er für ihre Unabhängigkeit Partei ergreift. Mit unserem Angebot vollwertiger Partnerschaft können wir diesen Staaten wirksam helfen, sich Bestrebungen nach Einflußnahme von außen und regionalen Vormachtpositionen entgegenzustellen. Die Staaten des südlichen Afrikas brauchen die Unabhängigkeit, nicht die Bevormundung. Und dabei wollen wir sie unterstützen.
    Die Bundesregierung wird ebenso stetig und konsequent dafür eintreten, daß alle Staaten der Region — auch, aber nicht nur die Republik Südafrika — die für einen evolutionären Prozeß notwendige Geduld und Zurückhaltung aufbringen. Nur auf dieser Grundlage können wir dem gemeinsamen Ziel näherkommen. Dieses gemeinsame Ziel muß ein in Frieden und Unabhängigkeit lebender afrikanischer Nachbarkontinent sein.
    Es hat sich bei der Fragestellung und bei der Beantwortung der Großen Anfrage gezeigt, daß in Wahrheit die Auffassungen über die Notwendigkeit, soziale und politische Ursachen der Spannungen zu beseitigen, im Deutschen Bundestag gar nicht so weit auseinandergehen. Wir haben genug Themen, über die wir uns leidenschaftlich auseinandersetzen können. Wir sollten dort, wo es darum geht, in der Dritten Welt durch gesunde politische und soziale Strukturen zu helfen, damit Hunger und Not



    Bundesminister Genscher
    überwunden werden können, vor allem sehen, wieweit wir zusammenarbeiten können.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Sehr richtig!)

    Das ist Teil einer und Bekenntnis zu einer wirklichen Friedenspolitik. Und wenn Sie von den GRÜNEN „sehr richtig" sagen, dann können Sie das dadurch beweisen, daß Sie bei etwas objektiverer Betrachtung unserer in den afrikanischen Ländern bei weitem besser bewerteten Afrikapolitik mehr Anerkennung geben, als Sie dazu heute in Ihrem ersten Beitrag bereit gewesen sind. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wir haben nur einen! — Schwenninger [GRÜNE]: Wir haben leider nur einen! Viel zuwenig!)



Rede von Dr. Rainer Barzel
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hauchler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Ingomar Hauchler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion ist mit Ihnen, Herr Außenminister, einig, daß die Anwesenheit raumfremder Truppen in Angola und Namibia eine wichtige Ursache für Unfrieden und Konfrontation im südlichen Afrika ist. Wir können Ihnen aber keinesfalls darin zustimmen, wenn Sie sagen, raumfremde Truppen seien die eigentliche Ursache des Leids und des Unfriedens in dieser Region. Die eigentliche Ursache, die letzte Wurzel, ist nichts anderes als die Apartheid in Südafrika selbst.

    (Beifall bei der SPD)

    Alles andere sind Folgeprobleme, die zu neuen verheerenden Ursachen und Kettenreaktionen des Unfriedens führen.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Ein bißchen schlicht, Herr Kollege!)

    — Das ist nicht schlicht, das ist die schlichte Wahrheit.

    (Vorsitz : Vizepräsident Wurbs)

    Es kann im südlichen Afrika keinen Frieden, keine wirkliche Selbstbestimmung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit und keine Souveränität der jungen afrikanischen Staaten geben, solange die Apartheid existiert. Darüber, meine Herren von der Koalition, hätten Sie heute etwas länger sprechen müssen. Trotz zahlreicher Resolutionen der Vereinten Nationen, trotz weltweiten Protests, trotz siebenjähriger Verhandlungen der westlichen Kontaktgruppe mit Südafrika ist eine Lösung der vielfältigen Probleme keineswegs in Sicht, wie Sie vorgeben wollen, Herr Bundesaußenminister.
    Südafrika ist seit 1977 nach innen nicht weniger repressiv und nach außen nicht weniger aggressiv geworden. Im Gegenteil, das rassistische Regime der weißen Minderheit sitzt fester denn je im Sattel. Es verfügt über unbeschränkten Zugang zu fortgeschrittenster Technologie und zu den Kapitalmärkten der westlichen Welt. Es hat die Zeit genutzt, um hochmoderne Waffen selbst zu produzieren, sich auf diesem Gebiet unabhängiger zu machen, das Waffenembargo zu unterlaufen und so eine Armee aufzubauen, die jede reguläre Streitmacht im südlichen Afrika schlagen kann.
    Es hat jede mögliche Atempause, die auch wir Südafrika verschafft haben, genutzt, um sich nicht zuletzt unter Ausbeutung der schwarzen Land- und Industriearbeiter zur beherrschenden Wirtschaftsmacht in der Region aufzuwerfen.
    Die Lage der schwarzen Bevölkerungsmehrheit in Südafrika ist verzweifelt. Frau Hamm-Brücher hat darauf hingewiesen; Herr Schwenninger hat einiges erwähnt, was wir sehr ernst nehmen sollten. Daran ändern auch die kosmetischen Korrekturen an der Arbeitsgesetzgebung, der Verhaltenskodex der deutschen Firmen und die minimalen Rechte nichts, die den Asiaten und Farbigen durch die neue Verfassung vom 2. November 1983 zugestanden wurden.
    Die Homeland-Politik, die 70 % der Bevölkerung von der weißen Minderheit abtrennt, in die unfruchtbarsten Gebiete wie in Ghettos einsperrt, wird bis in die jüngste Zeit hinein fortgesetzt. Das ist eine Tatsache. Erst im Juni letzten Jahres rückten Bulldozer in Mogopa, einer blühenden schwarzen Gemeinde in der Nähe Johannesburgs, ein und machten Wohnhäuser, Schulen, Kirchen dem Erdboden gleich.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Schweinerei!)

    Die 500 schwarzen Familien wurden brutal vertrieben. Dies ist nur ein Beispiel für die brutale Umsiedlungspolitik Pretorias, durch die Millionen der Heimat entrissen, entwurzelt und brotlos gemacht werden.
    Die Gewerkschaft South African Allied Workers Union in der Ciskei wird gebannt, ihre Führer werden bedroht, wie jedermann, der in Gewerkschaften, in Kirchen oder anderen Gruppierungen gegen die weiße Minderheitsherrschaft opponiert.
    Die Führer der südafrikanischen Befreiungsbewegung ANC werden nach wie vor bedroht, bespitzelt, ins Gefängnis geworfen, über die Grenzen hinweg verfolgt und getötet. Die Bundesregierung hält es aber nicht für nötig, in ihrer Antwort den ANC auch nur mit einem einzigen Wort zu erwähnen, geschweige denn seine Unterdrückung durch Südafrika zu verurteilen.

    (Zustimmung des Abg. Bindig [SPD] und des Abg. Schwenninger [GRÜNE])

    Herr Außenminister, wissen Sie nicht, daß der ANC die wichtigste politische Kraft des schwarzen Südafrika ist? 1912 gegründet, kämpft er seit 70 Jahren für eben die Werte, zu denen sich die Bundesregierung in der Präambel ihrer Antwort großartig bekennt: Menschenrechte, Selbstbestimmung, Demokratie. 50 Jahre lang hat der ANC versucht, mit demokratischen Mitteln einen Wandel der politischen und sozialen Ordnung herbeizuführen. Er hat erst dann zur Gewalt gegriffen, als er blutig erfahren mußte, daß friedlicher Wandel am schlichten Unwillen der weißen Minderheit, ihre Privilegien freiwillig aufzugeben, gescheitert ist. Wer sollte besser verstehen, meine Damen und Herren, als gerade wir Deutschen, die wir auf die Männer und Frauen



    Dr. Hauchler
    des 20. Juli stolz sind, daß die so brutal Unterdrückten eines Tages keinen anderen Ausweg mehr wissen, als selbst die Waffen gegen Faschismus und Rassismus zu richten?

    (Zustimmung bei der SPD — Graf Huyn [CDU/CSU]: Das ist eine Beleidigung der Männer des 20. Juli! Unerhört!)

    Was die Apartheidpolitik der Südafrikaner nicht nur im eigenen Land, sondern auch in den Frontstaaten für die politische, wirtschaftliche und soziale Lage der Menschen bedeutet, weiß jeder, der auch nur die Statistiken der letzten Jahre über den Niedergang der Landwirtschaft, der industriellen Produktion und der Infrastruktur in diesen Frontstaaten liest.
    Die Verteidigung der Frontstaaten gegen direkte Übergriffe südafrikanischer Truppen und gegen die von Südafrika unterstützten Guerillabewegungen in Angola, Mosambik und Simbabwe binden gewaltige Mittel, die für die ökonomische und soziale Entwicklung fehlen.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Sehr richtig!)

    Die Schäden, die durch die südafrikanischen Überfälle in den Frontstaaten in den letzten Jahren entstanden sind, beziffern sich auf zig Milliarden Dollar. Allein in Angola belaufen sie sich auf schätzungsweise 10 Milliarden Dollar.

    (Zuruf des Abg. Schwenninger [GRÜNE])

    Und dann zeigen wir auf diese Staaten und sagen, sie seien nicht fähig, wirtschaftliche Entwicklung zu betreiben. Über die Toten, Verletzten und Obdachlosen, die dem südafrikanischen Terror zum Opfer fallen, kann man nur schweigen.

    (Dr. Holtz [SPD]: Dem Staatsterror!)

    Dieses Leid schlägt sich in keiner Statistik nieder.
    Südafrikas Politik läuft darauf hinaus, die Frontstaaten in wirtschaftlicher und infrastruktureller Hinsicht zu destabilisieren, systematisch von sich abhängig zu machen, Entwicklungen zu verhindern, sie militärisch einzuschüchtern und, wenn möglich, die heutigen Regierungen in Angola und Mosambik und, wenn es geht, auch in Simbabwe zu enthaupten und an ihrer Stelle Marionettenregime zu installieren.

    (Zuruf von der SPD: Genau das!)

    Es ist bestürzend und alarmierend, wie cool die Bundesregierung in ihrer Antwort die inneren Untaten und Menschenrechtsverletzungen wie auch die aggressive Verletzung der Souveränität und Integrität benachbarter Staaten durch Südafrika übergeht.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Sie empfiehlt den Unterdrückten Gewaltfreiheit, geißelt aber nicht die Gewalt der Herrschenden in Gestalt wirtschaftlicher Erpressung, Sabotage, Folter und Gewehrfeuer.

    (Klein [München] [CDU/CSU]: Haben Sie denn nicht zugehört in dieser Debatte?)


    Dies ist ein typischer Standpunkt von Privilegierten, Herr Klein; denn für Privilegierte ist die Erhaltung ihrer Privilegien am billigsten, wenn mit den Unterprivilegierten ein Gewaltverzicht vereinbart werden kann.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Klein [München] [CDU/CSU])

    Aus dieser Perspektive ist die Antwort der Bundesregierung geschrieben.

    (Hedrich [CDU/CSU]: Sie haben letztenmal schon so eine merkwürdige Rede gehalten!)

    Sieben Jahre intensiver Bemühungen der westlichen Länder haben Pretoria nicht veranlassen können, seine Repressions- und Destabilisierungspolitik wirklich zu ändern. Wenn heute der Außenminister die Ankündigung Südafrikas, seine Truppen aus Angola bis zur namibischen Grenze zurückzuziehen, zum Erfolg westlicher Diplomatie hochstilisiert hat, kann ich ihn nur fragen — er ist nicht mehr da —: Welche Maßstäbe legen Sie eigentlich an, Herr Außenminister?

    (Genscher [FDP]: Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß ich im Saal bin!)

    — Danke, Herr Außenminister. Ich habe Sie übersehen.
    Werten Sie es, Herr Außenminister, schon als Erfolg, wenn ein Staat seine Truppen nach einem Einfall in ein anderes Land dorthin zurückzieht, wo sie vorher standen? Ist es ein Erfolg oder nicht eher eine banale Selbstverständlichkeit, daß süfafrikanische Truppen in Südafrika zu stehen haben und nicht in Cuvelai, 300 km tief in Angola, und auch nicht in Namibia?

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Schön wäre das bei Afghanistan!)

    Sie sollten nichts aufwerten, was eine Selbstverständlichkeit in dieser südlichen Region ist.
    Nichts spricht dafür, daß Südafrika sich veranlaßt sähe, von der Apartheid, der eigentlichen Wurzel aller inneren und äußeren Konflikte im südlichen Afrika, wirklich abzurücken.

    (Zuruf des Abg. Klein [München] [CDU/ CSU])

    Warum auch? Beweisen nicht die letzten Jahre, daß der Westen in den Verhandlungen alle Trümpfe zurückgehalten hat, die wirklich stechen könnten? Beweisen nicht die letzten Jahre, daß sich der Westen auf gutes Zureden und moralische Appelle beschränkt hat? Pretoria wird nicht nachgeben, solange es selbst die entscheidenden Trümpfe in der Hand hält.
    Erstens. Südafrika weiß, daß das Amerika der Reagan-Administration — right or wrong — immer dem beisteht, der glaubhaft macht, daß er gegen den Kommunismus antritt.
    Zweitens. Der Westen hat in den letzten Jahren unterstrichen, daß er ein unvermindertes Interesse an der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Apartheidregime hat. Der Grundsatz des freien



    Dr. Hauchler
    Handels- und Kapitalverkehrs ist den USA, Kanada, England, Frankreich und auch der Bundesrepublik heilig.
    Südafrika bleibt ein wichtiger Rohstofflieferant des Westens und ist angesichts der Massenarbeitslosigkeit der westlichen Industrieländer ein unverzichtbarer Markt zum Absatz der eigenen Produkte.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Und von Kohle für uns! 5 Millionen Tonnen!)

    Südafrika kann mit Genugtuung registrieren, daß der bayerische Ministerpräsident jüngst in Johannesburg ein neues BMW-Werk feierlich eröffnete, daß Magirus und Daimler Lastwagen auch dann nach Südafrika liefern, wenn darauf Soldaten zum Einsatz transportiert werden,

    (Schwenninger [GRÜNE]: Mit Kanonen!)

    daß aus Deutschland, den USA und Japan jede Art von Hochtechnologie und Elektronik zu haben ist, daß die deutschen Banken Südafrika behilflich sind, Milliarden-Anleihen auf dem deutschen Kapitalmarkt zu plazieren und daß die Bundesregierung nicht zögert, der Vergabe eines Zahlungsbilanzkredites in Höhe von sage und schreibe über 1 Milliarde Dollar durch den Internationalen Währungsfonds zuzustimmen.

    (Hört! hört! bei der SPD — Schwenninger [GRÜNE]: Unglaublich! — Krizsan [GRÜNE]: Eine große Schweinerei!)

    Drittens. Die wirtschaftliche Stabilisierung der Frontstaaten kann noch Jahrzehnte dauern, wenn die westlichen Industrieländer im südlichen Afrika keinen entwicklungspolitischen Schwerpunkt setzen. Das ist bisher nicht geschehen. Südafrika wird registrieren, daß hier zumindest von seiten der Bundesrepublik auch in Zukunft keine Gefahr droht. Der neue Entwicklungsminister hat seit seinem Amtsantritt den Frontstaaten über 120 Millionen DM weniger an finanzieller Hilfe zugesagt als sein sozialdemokratischer Vorgänger.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Pfui!)

    Was sollen da Trinkgelder auf der letzten SADCC-Konferenz in Höhe von 3 Millionen DM?

    (Schwenninger [GRÜNE]: Und dann noch für Nahrungsmittel! Das ist sowieso ein deutlicher Ausdruck für Almosen!)

    Herr Minister Warnke, ist das die Anerkennung für die — ich zitiere Ihre Antwort — „verantwortungsvolle und realistische Politik", die die Bundesregierung den Frontstaaten in ihrer Antwort attestiert hat: die Kürzung von Entwicklungshilfe?
    Sie werden sich darauf hinausreden, daß der Mittelabfluß an die Frontstaaten in diesem und vielleicht auch im nächsten Jahr noch das Niveau der Vorjahre erreicht. Das wird niemanden beeindrukken; denn es kommt nicht darauf an, daß Sie die alten Zusagen der sozialliberalen Koalition einhalten. Auf was es jetzt ankommt, ist, daß in den von
    Dürre, Hunger und von Südafrika bedrängten Staaten heute Solidarität für morgen geübt wird.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Daran scheint es zu fehlen. Da kann ich nur sagen: Pretoria läßt grüßen.
    Pretoria hat noch einen vierten Trumpf in Händen. Es gibt nämlich im Westen und nicht zuletzt auch in der Bundesrepublik rechtskonservative Kreise, die dem Apartheidregime wenn nicht mit Sympathie, so doch mit Wohlwollen oder verständnisvoll gegenüberstehen. Vielleicht hören wir heute noch etwas dazu ... Herr Botha wird erfreut zur Kenntnis genommen haben, daß Franz Josef Strauß die Auffassung vertritt, es wirke gespenstisch irreal, wenn die Bundesregierung für Südafrika das Prinzip „one man — one vote" vertrete.

    (Graf von Waldburg-Zeil [CDU/CSU]: Lesen Sie doch einmal nach, was Herr Bahr dazu gesagt hat!)

    Soll sich das Apartheidregime nicht freuen, wenn der Kommandant des Bundesgrenzschutzes WEST, nach Zeitungsmeldungen vom 3. Februar 1984, die Befreiungsorganisation ANC als Terroristenorganisation bezeichnet und Mitglieder des Rates der Evangelischen Kirche als instinktlos diffamiert,

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Der Mann hat recht!)

    weil sie mit dem ANC jüngst ein Gespräch geführt haben?

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: So ist es!)

    — Wollen Sie sagen, der Kommandeur habe recht,

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Jawohl!)

    daß er den ANC als Terroristenorganisation diffamiert habe? Sie können uns dazu j a Näheres in Ihren Ausführungen sagen.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Darauf können Sie sich gefaßt machen!)

    Welche Schlüsse soll man daraus ziehen, daß der Bundesnachrichtendienst Verbindungen zur Guerilla RNM in Mosambik pflegt und Mitglieder der CSU — vielleicht auch Sie, Graf Huyn — Kontakte zur UNITA, der Guerilla in Angola, halten? Beides sind Bewegungen, die es ohne die Unterstützung aus Südafrika schon längst nicht mehr gäbe.

    (Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN — Graf Huyn [CDU/CSU]: Woher wissen Sie denn das? Das sagt wohl die Universität Bremen!)

    Im südlichen Afrika stehen nicht nur das Leben, die Freiheit und die Menschenrechte von 50 Millionen schwarzen Afrikanern auf dem Spiel,

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Für die die UNITA kämpft!)

    sondern auch die Glaubwürdigkeit der westlichen Demokratien in der ganzen Dritten Welt. Bedenken Sie das.