Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Am Ende einer anstrengenden Arbeitswoche muß ich leider Gottes Ihre Zeit noch einmal in Anspruch nehmen. Es handelt sich hier um nicht mehr und nicht weniger als um eine Petition, die aber ein grelles Schlaglicht darauf wirft, wie ernst es der Regierung und wie ernst es uns, die wir hier jetzt noch sitzen, mit dem Postulat der Erziehung des jungen Menschen zum mündigen Staatsbürger wirklich ist.
Vor zwei Jahren, 1982, versuchten Schülervertreter in der Freien und Hansestadt Hamburg, ihr Recht auf Versammlung in Schülermitvertretungsveranstaltungen durchzusetzen. Das steht auf dem Papier. Das Recht hat man. Sie mußten aber leider feststellen, daß dieses Vorhaben, dieses Recht in der Realität daran scheitert, daß Berufsschüler in der Regel nicht am gleichen Tag Unterricht haben. Wenn man sich wirklich ordentlich versammeln will, wäre daher eine Freistellungspflicht des Arbeitgebers vonnöten. Dazu gibt es heute noch keine rechtliche Grundlage.
Im Petitionsausschuß haben wir die Sache sehr lange verhandelt und auch Stellungnahmen eingeholt. 1982 war der Petitionsausschuß der Auffassung, daß entsprechend dem Votum des Ministers für Arbeit und Sozialordnung die rechtliche Grundlage besteht. Der Bildungsminister war anderer Auffassung. Hamburg erklärte, solange ein Dissens auf Bundesebene bestehe, sehe man sich außerstande, etwas für die Schüler zu tun.
Jetzt hat sich — wohlgemerkt: nach nur einem Jahr — das Bundesarbeitsministerium der Auffassung des Bundesbildungsministers angeschlossen und ist der Meinung, daß Mitvertretungsveranstaltungen kein Unterricht in diesem Sinne seien.
Im Petitionsausschuß haben alle Fraktionen übereinstimmend erklärt, daß eine gesetzliche Grundlage für die Freistellung zu Veranstaltungen im Rahmen der Schülermitverwaltung nötig ist. Die CDU- und auch die FDP-Kollegen meinten allerdings, das solle das Land machen.
Das ist ein sehr schöner Anspruch, aber wir dürfen nicht an den Tatsachen vorbeigehen. Es sieht einfach so aus, daß Hamburg sich seit zwei Jahren beharrlich weigert, im Sinne des Rechtsanspruchs der Schüler tätig zu werden. Wir haben im Petitionsausschuß parteilich, wie ich sagen möchte, und politisch mit der Mehrheit des Ausschusses gegen die Petenten entschieden, und zwar ohne Not, weil die diskutierten Gesetze zur konkurrierenden Gesetzgebung gehören und der Bund hier durchaus regelnd tätig werden kann. Es ist auch ein Regelungsbedarf vorhanden, weil bisher nur zwei Bundesländer Verordnungen geschaffen haben, die noch nicht einmal inhaltlich gleich sind.
Wenn man nun wie der Kollege Göhner erklärt, daß kein überragender Gesichtspunkt zu erkennen ist, warum der Bund hier tätig werden sollte, möchte ich namens der Fraktion DIE GRÜNEN erklären, daß wir der Meinung sind, daß wir unbedingt tätig werden müssen, und zwar deshalb, weil sonst ein sehr großer Flurschaden bei den jungen Staatsbürgern entsteht. Diese jungen Leute haben nämlich ihr Recht auf Mitbestimmung ernst genommen und machen nun die Erfahrung, daß sie, wenn sie dieses Recht geltend machen, an die Gerichte verwiesen werden. Es wird ihnen gesagt, sie sollten ihre Rechte gegen die Arbeitgeber einklagen — und das in den heutigen Zeiten der Arbeitslosigkeit.
Wir machen uns lächerlich bei den jungen Leuten. Es entsteht der Eindruck, daß Demokratie und Freiheit auf dem Papier stehen, aber sobald der Staatsbürger diese Rechte reklamiert, die er auf dem Papier hat, läßt man ihn einfach im Getriebe untergehen, und die Rechte sind nicht da.