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    Plenarprotokoll 10/54 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 54. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 Inhalt: Begrüßung von Mitgliedern des Europäischen Parlaments 3863 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Hauchler, Verheugen, Bindig, Brück, Gansel, Dr. Holtz, Frau Huber, Klose, Lambinus, Frau Luuk, Schanz, Schlukkebier, Dr. Soell, Stobbe, Toetemeyer, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD Politik der Bundesregierung im südlichen Afrika — Drucksachen 10/230, 10/833 — Verheugen SPD 3863 B Dr. Stercken CDU/CSU 3867 C Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 3869 D Schwenninger GRÜNE 3872 D Genscher, Bundesminister AA 3875 D Dr. Hauchler SPD 3882 A Graf Huyn CDU/CSU 3885 A Brück SPD 3887 B Graf von Waldburg-Zeil CDU/CSU . . 3889 C Dr. Hornhues CDU/CSU 3891 B Beratung der Sammelübersicht 21 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/909 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 22 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/920 — Frau Nickels GRÜNE 3893 A Hedrich CDU/CSU 3893 C Peter (Kassel) SPD 3894 B Neuhausen FDP 3895 B Nächste Sitzung 3895 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3897*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3897* B Anlage 3 Stellung des homosexuellen Bürgers in der Öffentlichkeit nach dem Fall Kießling/ Wörner MdlAnfr 6 03.02.84 Drs 10/957 Frau Dr. Vollmer GRÜNE SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 3897* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3863 54. Sitzung Bonn, den 10. Februar 1984 Beginn: 9.00 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 54. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Februar 1984 3897* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 10.2. Bahr 10.2. Frau Beck-Oberdorf 10.2. Bohl 10.2. Brosi 10.2. Dr. Bugl 10.2. Dr. Faltlhauser 10.2. Conrad (Riegelsberg) 10.2. Dr. Dollinger 10.2. Ertl 10.2. Gattermann 10.2. Dr. Götz 10.2. Grünbeck 10.2. Handlos 10.2. Hartmann 10.2. Haungs 10.2. Hoffie 10.2. Frau Huber 10.2. Ibrügger 10.2. Kißlinger 10.2. Dr. Kreile 10.2. Kretkowski 10.2. Kroll-Schlüter 10.2. Lennartz 10.2. Liedtke 10.2. Link (Diepholz) 10.2. Dr. h. c. Lorenz 10.2. Menzel 10.2. Dr. Mertens (Bottrop) 10.2. Dr. Mertes (Gerolstein) 10.2. Nagel 10.2. Nelle 10.2. Petersen 10.2. Dr. Probst 10.2. Reschke 10.2. Reuschenbach 10.2. Roth 10.2. Sauermilch 10.2. Schmidt (Hamburg) 10.2. Frau Schmidt (Nürnberg) 10.2. Dr. Sperling 10.2. Dr. Stark (Nürtingen) 10.2. Dr. Steger 10.2. Stobbe 10.2. Vahlberg 10.2. Dr. Vogel 10.2. Voigt (Frankfurt) 10.2. Frau Dr. Wex 10.2. Wieczorek (Duisburg) 10.2. Dr. Wulff 10.2. Zander 10.2. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Anlagen zum Stenographischen Bericht Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand hier: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung — Drucksache 10/985 — zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Rheumabericht der Bundesregierung über die eingeleiteten Maßnahmen zur Rheumabekämpfung — Drucksache 10/850 — zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Entschließung des Europäischen Parlaments zu kindergesicherten Verschlüssen — Drucksache 10/933 — zuständig: Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Entschließung des Europäischen Parlaments zu Überfällen auf Lastkraftwagen und Diebstählen von innerhalb der Gemeinschaft beförderten Gütern — Drucksache 10/936 — zuständig: Rechtsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat über Energie und Energieforschung in der Gemeinschaft: Ein Fünf-Jahres-Programm und seine Finanzierung — Drucksache 10/940 — zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Forschung und Technologie Haushaltsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zur Notwendigkeit gemeinschaftlicher Maßnahmen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle und zur Wiederaufbereitung bestrahlter Kernbrennstoffe — Drucksache 10/953 — zuständig: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Forschung und Technologie Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Vollmer (DIE GRÜNEN) (Drucksache 10/957 Frage 6): Was gedenken der Bundesverteidigungsminister, Dr. Wörner und der Bundeskanzler, Dr. Kohl, zu tun, um die ,,schweren Kränkungen" und den Schaden an Ehre und Ansehen wieder gutzumachen, der den homosexuellen Bürgern der Bundesrepublik Deutschland durch die regierungsamtliche und öffentliche Behandlung des Falles Kießling/Wörner in den letzten Wochen enstanden sind? In der Fragestunde am 19. Januar 1984 habe ich die Auffassung der Bundesregierung im Hinblick auf diese Problematik sehr ausführlich dargestellt. Die Diskussion in der Öffentlichkeit ist teilweise in einer Weise geführt worden, die die Bundesregierung ebenso bedauert wie Sie. Es wird diesen Bürgern sicher am ehesten damit gedient, wenn das Thema nicht weiter in dieser Art diskutiert wird.
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    Rede von Graf Hans Huyn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen im südlichen Afrika vor wirklich entscheidenden Wochen, ob es hier zu einer friedlichen Lösung kommt oder ob Gewalt eskaliert. Und was hören wir von seiten der Opposition? — Ideologische Vorstellungen statt konstruktive Vorschläge,

    (Beifall bei der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Jetzt kommen wieder die Schlagworte!)

    Einzelwertungen, einzelne Punkte, die herausgegriffen werden, statt eine globale Sicht zu wählen. Zu dieser sind Sie aber offenbar nicht fähig.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Aber Sie, Herr Graf!)

    Ich sage gleich etwas zu dem, was der ehrenwerte Professor aus Bremen zu „one man — one vote" gesagt hat.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie sieht es denn in Schwarzafrika dort aus, wo man „one man — one vote" praktiziert hat? Was ist denn daraus geworden? Daraus geworden ist „one vote — one man". Es wurde einmal gewählt, und ein Mann ist heute meist noch ohne weitere Wahlen an der Macht. Von allen etwa 40 unabhängigen schwarzafrikanischen Staaten

    (Schwenninger [GRÜNE]: Die alte Leier!)

    werden heute 34 entweder von Militärregimen oder von Einparteiensystemen beherrscht.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Nur in Südafrika ist das anders!)

    — Ja, dazu komme ich gleich.
    Es geht auch nicht darum, daß in Südafrika oder in Südwestafrika/Namibia eine sogenannte schwarze Mehrheit über eine sogenannte weiße Minderheit herrschen soll, sondern es geht um etwas ganz anderes: Es geht um die Sicherung des friedlichen Zusammenlebens gleichberechtigter, aber völlig unterschiedlicher ethnischer Gruppierungen — auch gerade der schwarzen. Es geht darum, eine Vorherrschaft von einer Gruppierung über die andere — ganz gleich welche — zu verhindern.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Wo ist die Gleichheit von Menschen, Graf Huyn?)

    Wir sind uns sicher einig, daß sich auch in Südafrika manches zu langsam bewegt.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist wohl wahr!)

    Das Entscheidende aber ist doch, daß es in die richtige Richtung geht.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Da kann man doch Druck machen!)

    Wir fordern natürlich alle den Abbau der kleinen Apartheid. Wir sollten aber auch anerkennen, wieviel hier bereits in den letzten Jahren erreicht worden ist.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Nichts und wieder nichts!)

    Genauso wie auf dem Gebiet des politischen Mit-und Selbstbestimmungsrechtes sind entscheidende Schritte eingeleitet worden.

    (Krizsan [GRÜNE]: Wo sehen Sie die denn?)

    In diesen Tagen ist in Kapstadt zum letztenmal ein rein weißes Parlament nach Westminster-Modell eröffnet worden.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Daß ich nicht lache!)

    Wer z. B. in Südafrika einmal Sportwettkämpfe erlebt hat,

    (Schwenninger [GRÜNE]: Ja, ja, jetzt kommt es!)

    der kann sehen, daß Schwarze und Farbige, Weiße und Inder sie gemeinsam austragen. Es ist völlig widersinnig, daß Südafrika nach wie vor auf dem Gebiet des Sports diskriminiert wird.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Sie haben eine schöne Broschüre von der südafrikanischen Botschaft gelesen!)

    Ich kann nur wünschen, daß deutsche Sportler und Sportfunktionäre einmal dort hinfahren und sich selber ein Bild davon machen, um zu sehen, wie es dort wirklich ausschaut.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Schwenninger [GRÜNE]: Sie fallen voll auf die derzeitige Informationspolitik von Südafrika mit Hochglanzbroschüren herein!)

    — Nein, ich habe es selbst gesehen. Ich falle nicht darauf herein. Ich lerne das eben nicht aus marxistischen Lehrbüchern.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei den GRÜNEN)

    Wir sind uns einig, daß jede Diskriminierung auf Grund von Rasse, Herkunft, Religion oder Hautfarbe den Menschenrechten und der Menschenwürde widerspricht. Das gilt sicher für Südafrika, das gilt aber genauso für alle anderen Länder der Welt und natürlich auch für alle Länder Schwarzafrikas. Wer von Ihnen spricht denn von Rassismus und Menschenrechtsverletzungen, etwa bei der Austreibung von zwei Millionen ghanaischen Arbeitern aus Nigeria, bei der Vertreibung von 700 000 Somalis aus Äthiopien, bei der Flucht von Hundert-



    Graf Huyn
    tausenden von Eritreern und Einwohnern von Uganda in den Sudan, bei den über 300 000 Flüchtlingen in Zaire aus Angola, Ruanda und Burundi? Wer denkt an die 300 000 Hutus und Tutsis bei den blutigen Auseinandersetzungen in Ruanda und Burundi, und wer denkt an die über eine Million Opfer bei der Auseinandersetzung um Biafra in Nigeria? Wer in der Welt setzt sich für die vor dem kommunistischen MPLA-Regime in Angola geflüchteten schwarzen Angolaner im Norden Südwestafrikas/ Namibias ein, für deren Betreuung die Republik Südafrika mehr aufwendet als die Vereinten Nationen für sämtliche Flüchtlinge aus dem gesamten afrikanischen Kontinent?
    Wer hilft denn Jonas Savimbi beim Aufbau von Schulen und Krankenhäusern in dem von Kommunisten, Kubanern und Sowjets befreiten Teil Angolas? Wer in der Welt erfährt überhaupt etwas über die Tausende durch den Terror der nordkoreanischen 5. Brigade Mugabes massakrierten Matabeles in Simbabwe? Wäre es nicht vielleicht eine bessere Aufgabe, Herr Hauchler, für kirchliche Würdenträger — statt Repräsentanten des von Moskau geführten kommunistischen ANC zu empfangen —, sich für die Freiheit des früheren Präsidenten Simbabwes, des methodistischen schwarzafrikanischen Bischofs Muzorewa, einzusetzen? Wer denkt an die Tausende von Schwarzafrikanern, die durch die marxistisch-leninistische SWAPO entführt und ermordet wurden? Wer hilft den 3 500 politischen Gefangenen im Lager Machava und anderswo im kommunistischen Mosambik Samora Machels, worunter sich auch die deutsche Staatsbürgerin Hannelore d'Espinay befindet?
    Wir sind gegen Unterdrückung, auch gegen Apartheid, gegen politische Verfolgung, aber bitte überall mit gleichem Maß. Wenn wir zu politischen Lösungen beitragen wollen, dann dürfen wir nicht einzelne Mosaiksteinchen herausgreifen und nicht ideologische Idealvorstellungen verwirklichen, sondern müssen sehen, wie dies im gesamtpolitischen Bild aussieht. Nicht wir, nicht der Westen hat den Ost-West-Konflikt nach Afrika getragen. Es ist die Sowjetunion mit ihren expansionistischen und kolonialistischen Bestrebungen, die versucht, das an Bodenschätzen reiche Südafrika in den Griff zu bekommen. Es gibt eine Studie des amerikanischen Senats über die terroristische Unterstützung durch Moskau, Ost-Berlin und Kuba.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Die hätte ich gerne!)

    Es werden Söldner nach Äthiopien, in den Kongo, nach Mosambik und nach Angola entsandt. Ponomarjow hat 1981 im Zentralkomitee der KPdSU ein „Unterkomitee Südliches Afrika" zur Konsolidierung der sowjetischen Herrschaft in Angola und Mosambik, zur Abkoppelung der fälschlicherweise sogenannten Frontlinienstaaten von Südafrika und zum Vorantreiben von Subversion und Terrorismus eingerichtet.
    Meine Damen und Herren, allein über 600 Agenten des KGB, des Staatssicherheitsdienstes und des kubanischen DGI sind eingeschleust worden; darüber hinaus hat die Sowjetunion in den letzten Jahren eine enorme Anzahl von Waffen und Militärs in die sogenannten Frontlinienstaaten gepumpt. Die Gesamtstärke gepanzerter Fahrzeuge ist von 1976 bis heute von 376 auf 1 379 gestiegen, die Zahl der Kampfflugzeuge von 375 auf 670. Nach Angaben aus dem ägyptischen Verteidigungsministerium stehen heute 69 000 Sowjets und Kubaner auf dem afrikanischen Kontinent.
    Die Südafrikaner haben erst vor kurzem einen für den Westen neuen sowjetischen Granatwerfer vom Typ RGS 17 sowie eine vollständige SAM 9-Raketenstellung mit vier geladenen Raketen erbeutet. Es ist bedauerlich, daß wir noch immer keinen deutschen Militärattaché in Pretoria haben, für den die Auswertung dieser im Westen erstmals verfügbaren Waffen von höchstem Interesse wäre.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Das fehlte gerade noch!)

    — Genau das fehlt. —

    (Schwenninger [GRÜNE]: Schicken Sie doch gleich eine Bundeswehreinheit hin!)

    Wer von Ihnen eine sofortige und bedingungslose Entlassung Südwestafrikas/Namibias in die Unabhängigkeit, verbunden mit dem gleichzeitigen Abzug südafrikanischer Truppen fordert, der handelt irreal, solange die terroristischen Übergriffe der SWAPO andauern und die Kubaner noch in Angola stehen.
    Unser deutsches politisches Interesse am südlichen Afrika ist nicht nur in der Sorge um weitere sowjetische Expansion, um den Ausbau freien Handels und wirtschaftlicher Zusammenarbeit mit allen Staaten, um die Sicherheit der Kaproute und der Rohstoffe begründet, sondern auch in der Mitverantwortung für die Deutschen und Deutschstämmigen in Südwestafrika/Namibia.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Insofern war die vor nunmehr nahezu sieben Jahren von der SPD-geführten Regierung Schmidt verfügte Schließung des deutschen Konsulats in Windhuk ein Fehler, den die Fraktion der CDU/CSU einmütig bedauert hat. Ich möchte die Bundesregierung auffordern, Überlegungen anzustellen, wie wiederum eine bessere konsularische Betreuung der weit in dem großen Land verstreut lebenden deutschen Farmer sichergestellt werden kann.

    (Schwenninger [GRÜNE]: Am besten gleich einen Militärattaché dazu!)

    Das Wichtigste aber ist — hierfür möchte ich der Bundesregierung und auch dem Bundesaußenminister besonders danken —, daß wir bereit sind, uns aktiv an der von der Republik Südafrika und den Vereinigten Staaten eingeleiteten Politik eines friedlichen Wandels zu beteiligen. Heute ist der zehnte Tag des einseitig von Südafrika verkündeten und praktizierten Waffenstillstands, und es ist unser aller Hoffnung, daß er von allen Seiten beachtet wird, damit er in eine wirkliche friedliche Lösung für das südliche Afrika und insbesondere auch für die Unabhängigkeit Namibias übergeführt werden kann.



    Graf Huyn
    Parallel hierzu haben sich in den letzten Wochen in Windhuk die weißen Parteien und Gruppierungen spontan zu einer Allparteienkonferenz zusammengefunden. Dieser neue Ansatz wird auch von den Deutschstämmigen mehrheitlich begrüßt. Der Beitritt Kalangulas im Ovamboland wird angestrebt. Auch die SWAPO Nujomas ist zur Teilnahme aufgefordert. Pretoria, das im Grenzraum zu Angola mit Truppenentflechtungen begonnen und Waffenstillstand angeboten hat, nimmt ebenso wie die Vereinigten Staaten positiv zu dieser politisch unabhängigen Willensbildung Stellung.
    Dieser neuen Entwicklung sollten wir nicht zu zusehen, sondern wie die Vereinigten Staaten durch Unterstaatssekretär Crocker auch unsererseits den Dialog mit den politischen Führern der Allparteienkonferenz aufnehmen und sie zur Fortführung ermutigen.
    Trotz großer Enttäuschungen in den letzten Jahren setzen die deutschstämmigen Südwester weiterhin Hoffnungen auf eine konstruktive deutsche Afrikapolitik, welche die Interessen aller ethnischen Gruppierungen Namibias, auch die der weißen Volksgruppen, berücksichtigt. Hier haben wir eine Chance, aktiv an der Gestaltung einer friedlichen Zukunft teilzunehmen. Wir sollten diese Chance nicht verpassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Brück.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Alwin Brück


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Schwenninger hat damit begonnen, daß er darauf hinwies, daß vor 100 Jahren die deutsche Kolonialgeschichte in Afrika begann. Ich will damit beginnen, daß ich darauf hinweise, daß sich fast auf den Tag genau vor 80 Jahren der Deutsche Reichstag mit dem südlichen Afrika beschäftigt hat, um es präzise zu sagen: mit Südwestafrika, dem heutigen Namibia.
    Damals debattierte der Deutsche Reichstag über den Herero-Aufstand und die Maßnahmen zu seiner Unterdrückung. Wer als Sozialdemokrat die Protokolle des Deutschen Reichstags nachliest, der kann das voller Stolz tun. Das, was damals der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, August Bebel, im Deutschen Reichstag gesagt hat, kann auch in der Diskussion heute um die Lösung der Probleme im südlichen Afrika zitiert werden. August Bebel sagte:
    In Wahrheit verteidigen die Hereros ihre Heimat. Sie verteidigen das Land, das ihnen seit Jahrhunderten gehört, das sie als das von ihren Göttern geschenkte Eigentum ansehen und das sie gegen den Hereinbruch Fremder mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen verpflichtet sind.
    Wenn ich sagte, daß wir Sozialdemokraten diese Debatte voller Stolz nachlesen können, so gilt das weniger für die Konservativen. Ich will die Kolleginnen und Kollegen von der Rechten nicht dadurch quälen, daß ich hier das zitiere, was Konservative damals, vor 80 Jahren, im Deutschen Reichstag gesagt haben. Es genügt, hier heute morgen dem Grafen Huyn zugehört zu haben; dann hat man eine Ahnung von dem, was damals, als es weniger Erkenntnisse für Konservative gegeben hat, im Deutschen Reichstag gesagt wurde.
    Wir Sozialdemokraten sind stolz auf die Geschichte unserer Partei im Kampf gegen Kolonialismus umd Imperialismus. Wer die Programme und die Politik der deutschen Sozialdemokratie seit ihrem Bestehen verfolgt, der weiß, daß sie immer gegen Unterdrückung fremder Völker angetreten ist, daß sie immer gegen Kolonialismus und Imperialismus war, und so stehen wir auch heute in dieser Debatte in der Tradition unserer Partei.
    Ich hoffe, daß wir alle — ich meine das ganze Haus — uns in einem einig sind: Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden. So steht es nämlich im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Und das überall in der Welt!)

    Ich gehe davon aus, daß wir uns auch darin einig sind, daß dies nicht nur eine Handlungsanweisung für die Innenpolitik der Bundesrepublik, sondern auch zwingendes Gebot für die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland ist: daß wir alles tun müssen, damit niemand wegen seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt wird.
    In der Republik Südafrika und in Namibia aber ist es so, daß man, wenn man weißer Hautfarbe ist, bevorzugt ist, und, wenn man schwarzer Hautfarbe ist, benachteiligt ist. Dagegen wenden wir Sozialdemokraten uns mit aller Leidenschaft. Es ist höchste Zeit, daß die letzten Reste des Kolonialismus in Afrika beseitigt werden, und diese Reste gibt es im südlichen Afrika. Wir fordern die Bundesregierung noch einmal auf, alles zu tun, damit Namibia unabhängig wird, damit die Menschen in Namibia über ihr Schicksal selbst entscheiden können und damit die Menschen schwarzer Hautfarbe nicht wegen ihrer Rasse benachteiligt werden.
    Herr Bundesaußenminister, wenn Sie diese Politik betreiben, haben Sie auch die Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, und zwar mehr, als Sie die Unterstützung der CSU in diesem Hause haben. Wer Graf Huyn zugehört hat, der weiß, warum Sie ein halbes Jahr gebraucht haben, um die Antwort auf unsere Große Anfrage zu formulieren. Das macht die Unterschiede deutlich, die es innerhalb der Koalition bezüglich unserer Afrikapolitik gibt.
    Aus der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage geht hervor, daß wir uns auch darüber einig sind, daß wir, die Deutschen, angesichts der Geschichte, angesichts der Tatsache, daß Namibia einmal deutsche Kolonie oder, wie es früher schamhaft hieß, deutsches Schutzgebiet war, eine besondere Verantwortung für dieses Land und seine Menschen tragen.



    Brück
    Ich hoffe, daß sich auch die Deutschen und die Deutschstämmigen, die jetzt in Namibia leben und arbeiten, dieser Verantwortung bewußt sind. Ich weiß aus mehreren Gesprächen mit dem Präsidenten der SWAPO, Sam Nujoma, aus Gesprächen erst jetzt wieder zusammen mit meinen Freunden Ingomar Hauchler und Günter Verheugen in Luanda, daß die weitere Anwesenheit, das Arbeiten der Deutschen und Deutschstämmigen in Namibia, auch nach der Unabhängigkeit, nach der Übernahme der politischen Macht durch die Mehrheit des Volkes, nicht nur geduldet wird, sondern dringend erwünscht ist.

    (Dr. Wulff [CDU/CSU]: Bei den Portugiesen hat man das auch einmal gesagt! — Graf Huyn [CDU/CSU]: Das kennen wir doch!)

    „Wir brauchen Experten zur Entwicklung unseres Landes", sagte Sam Nujoma, „und wenn wir sie im eigenen Lande haben, dann brauchen wir keine von draußen hereinzuholen".
    Die Forderung nach Gleichheit der Rassen gilt aber nicht nur für Namibia, sie gilt genauso für die Republik Südafrika. Die Weißen in Südafrika werden begreifen müssen, daß sie ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder nicht sichern können, wenn sie an der Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung Südafrikas festhalten. Wenn sie nicht zu einer friedlichen Lösung dieses Problems bereit sind, dann wird in Südafrika viel Blut fließen. Niemand von uns will das. Wir müssen alles tun, um Blutvergießen zu vermeiden. Wir müssen aber auch die Verzweiflung der Menschen schwarzer Hautfarbe sehen, die sie ja zwingt, Gewalt anzuwenden. Es ist leider ein dunkles Kapitel europäischer Kolonialgeschichte, daß die koloniale Herrschaft in vielen Ländern Afrikas nur deshalb beseitigt worden ist, weil es gewaltsamen Widerstand der unterdrückten Afrikaner gegeben hat und geben mußte.
    Wer dies leugnet, verkennt die Geschichte. Man muß sich in Afrika immer wieder anhören, daß die westlichen Industriestaaten nicht bereit waren, Befreiungsbewegungen zu unterstützen. Dieser Vorwurf geht vor allem an die Vereinigten Staaten von Amerika. In der Tat: Man muß unsere amerikanischen Verbündeten fragen, ob sie denn ihre eigene Geschichte vergessen haben. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind aus früheren Kolonien entstanden. Und so beginnt ja auch die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten mit folgenden Formulierungen:
    Wenn im Laufe menschlicher Ereignisse es für ein Volk notwendig wird, die politischen Bande, welche es seither an ein anderes gefesselt, zu lösen und unter den Mächten der Erde die getrennte und gleichmäßige Stellung einzunehmen, wozu die Gesetze Gottes und der Natur es berechtigen ...
    Das, was in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten für das amerikanische Volk gilt, gilt auch für die Völker in Afrika.
    Die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika in Afrika wird leider vor allem dadurch bestimmt, daß man Einfluß der Sowjetunion zurückdrängen oder aber Einfluß der Sowjetunion verhindern will. Ich stimme Ihnen, Herr Bundesaußenminister, der Sie sich gegen den Einfluß der Sowjetunion in Afrika gewandt haben, ausdrücklich zu. Auch ich bin der Überzeugung, daß es weder in unserem Interesse noch im Interesse der Länder Afrikas sein kann, wenn die Sowjetunion in diesem Raum dominiert. Viele afrikanische Länder mußten hier leidvolle Erfahrungen machen.

    (Dr. Hupka [CDU/CSU]: Leider!)

    Sie mußten feststellen, wie sie von der Sowjetunion, die doch vorgibt, sie im Kampf gegen Imperialismus und Ausbeutung zu unterstützen, dann anschließend ausgebeutet worden sind.
    Wenn wir jedoch sowjetischen Einfluß in der Welt verhindern wollen, dann können wir das nur tun, wenn wir an unsere eigenen Ideale glauben, uns auch an sie halten und sie nicht verraten. Wenn wir überall in dieser Welt für mehr Gerechtigkeit und gegen die Unterdrückung der Völker eintreten, dann haben Kommunisten dort keine Chance. Klaus Natorp hat im Dezember des vergangenen Jahres in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu Recht geschrieben:
    Für die Republik Südafrika gelten da noch besonders hohe Ansprüche, weil die Regierung in Pretoria immer wieder beteuert, das Land betrachte sich als Teil des Westens. Nun gut, dann muß sie sich aber auch gefallen lassen, nach westlichen Maßstäben beurteilt und behandelt zu werden, und darf nicht immer nur andere afrikanische Länder
    — wie Sie, Graf Huyn, es ja auch getan haben —
    oder gar kommunistische Staaten als Vergleichsmaßstab benutzen. Im westlichen Kulturkreis gelten nun einmal bestimmte Pflichten, die von den in Südafrika lebenden Menschen weißer Hautfarbe bisher nur unzureichend oder überhaupt nicht erfüllt wurden.
    Ich stimme dem zu, was die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", die ja nicht im Verdacht steht, den Sozialdemokraten nahezustehen, gesagt hat.
    Wir aber müssen unsere Pflichten hier erfüllen. Wer aus lauter Angst vor dem Einfluß der Kommunisten die Befreiungsbewegungen im südlichen Afrika nicht unterstützt oder gar bekämpft, lädt den Kommunismus geradezu ein, hilft der Sowjetunion zu politischem Einfluß.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die afrikanischen Befreiungsbewegungen sind zuerst nationalistische Bewegungen; das müssen Sie endlich einmal verstehen.

    (Dr. Stercken [CDU/CSU]: Gilt das auch für die UNITA? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Daß sie sich dann, wenn sie von uns, dem Westen, nicht unterstützt werden, ihre Hilfe im Ostblock suchen, ist eigentlich nur zu natürlich; wer sollte ihnen denn da noch helfen?



    Brück
    Da lese ich in einem Brief einer Propagandaagentur für die südafrikanische Politik — ich nehme an, auch Sie haben diesen Brief bekommen —:
    In keinem Land der Erde werden so viele SWAPO-Kader geschult wie in der DDR.
    Ich will das nicht bezweifeln.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Im Lager Finsterwalde werden sie in Terrorismus geschult!)

    Zum Glück aber werden jetzt junge Menschen der SWAPO auch in der Bundesrepublik geschult.
    Aber wer kann eigentlich der SWAPO hier einen Vorwurf machen? Wenn man beispielsweise sieht, welche Probleme es für Angola mit sich gebracht hat, daß 400 000 Portugiesen das Land fast schlagartig verlassen haben, so daß es keine Fachleute gibt, ja, selbst für einfache Arbeiten keine Leute, dann weiß man auch, wie sehr man dieses Land dann an die Seite solcher Staaten treibt, die bereit sind, ihnen die Hilfe zu geben, die sie jetzt brauchen.
    Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: Selbst die Angehörigen der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland sind froh, daß es in Luanda Ärzte aus der DDR gibt; sie wüßten nämlich sonst nicht, wo sie sich behandeln lassen sollten.
    Ich will hier ganz offen sagen — auch wenn Sie vielleicht anderer Auffassung sind —: Ich sehe keine so große Gefahr darin, wenn junge Afrikaner in Ostblockstaaten ausgebildet werden. Unter afrikanischen Vätern soll es das Wort geben: Willst du, daß dein Sohn ein Kommunist wird, dann laß ihn im Westen studieren; willst du, daß er ein Kapitalist wird, dann laß ihn im Osten studieren.
    Ich sage noch einmal: Wenn wir aus ständiger Angst vor dem Einfluß der Sowjetunion Südafrika unterstützen, dann werden wir den Einfluß der Sowjetunion im südlichen Afrika stärken.

    (Beifall bei der SPD)

    Der Einfluß der Sowjetunion in der Welt beruht nur auf ihrer militärischen Stärke. Wirtschaftlich ist sie j a noch nicht einmal so stark wie manches Schwellenland der Dritten Welt. Gibt es aber keine militärischen Konflikte in Afrika, dann wird auch die Hilfe der Sowjetunion für die afrikanischen Völker nicht mehr notwendig sein. Für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas braucht man dort die Zusammenarbeit mit dem Westen.
    Nachdem ich eben ein Wort, das unter afrikanischen Vätern kursiert, nannte, will ich auch ein Wort sagen, das unter afrikanischen Politikern kursiert: Gewinne deine Kriege mit Hilfe der Sowjetunion; baue dein Land mit Hilfe des Westens auf!
    Wer also glaubt, er könne die Sowjetunion zurückdrängen, indem er nur in Antikommunismus macht, bewirkt genau das Gegenteil. Ich halte solche Politik für töricht. Manchmal denke ich auch, daß es ein gemeinsames Interesse, eine gemeinsame Interessenlage der Republik Südafrika und der Sowjetunion im südlichen Afrika gibt. Die Sowjetunion braucht die Rassenpolitik der Südafrikaner, um ihre Präsenz im südlichen Afrika zu rechtfertigen. Und die Republik Südafrika braucht die Präsenz der Sowjetunion, um sich uns, dem Westen, als Verteidiger gegen den Kommunismus darstellen zu können.
    Wir sollten hier — wenn ich „wir" sage, meine ich nicht nur die Deutschen, sondern den Westen insgesamt — mehr an uns selbst glauben. Ich sage das deshalb, weil ich den Eindruck habe, daß es viele gibt, die das Zurückdrängen des Einflusses der Sowjetunion für das wichtigste Ziel ihrer Politik halten und diese nur danach ausrichten.
    Das wichtigste Ziel deutscher Politik in Afrika muß es aber sein, daß, nachem der größte Teil der Länder Afrikas seine Freiheit, seine Unabhängigkeit vom Kolonialismus erhalten hat, dort auch die letzten Reste beseitigt werden. Wir sollten dafür einstehen, daß in unserer Außenpolitik dafür eingetreten wird, daß alle Menschen gleich sind, gleich, welcher Rasse sie sind.
    Herr Bundesaußenminister, wenn die Bundesregierung — ich wiederhole es — dies als ihre Politik bezeichnet, dann wird sie die Unterstützung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion haben.
    Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)