Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Meine Damen und Herren, bevor wir unsere Arbeit aufnehmen, wollen wir eines Kollegen gedenken, der in der Sommerpause von uns gegangen ist.
Der Deutsche Bundestag trauert um sein Mitglied, den ehemaligen Senator im Land Berlin, unseren Kollegen Horst Korber, der am 2. Juli 1981 nach einer schweren Herzoperation plötzlich und unerwartet verstorben ist.Horst Korber wurde am 16. März 1927 im thüringischen Stadtroda geboren. Nach Notabitur, Arbeits-und Kriegsdienst studierte er Rechtswissenschaften an der Universität Jena. Mit Beginn des Studiums wurde er Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und zweiter Vorsitzender im Ortsverein seiner Heimatstadt. Im Oktober 1949 verließ Horst Korber seine Heimatstadt und ging nach West-Berlin. Nach kurzer Tätigkeit als Richter am Berliner Landgericht wurde er in die Senatsverwaltung des Landes Berlin berufen.Er wurde bekannt als Unterhändler bei den langwierigen Verhandlungen mit der DDR über die Passierscheinabkommen. Nicht zuletzt seinem Verhandlungsgeschick, seinem zähen Bemühen und seiner Sachkenntnis ist es zu danken, daß praktische Regelungen gefunden worden sind, die es den Berlinern ermöglichten, ihre Verwandten im anderen Teil der Stadt wieder zu besuchen.Ab 1967 gehörte Horst Korber dem Senat von Berlin an, zunächst als Senator für Jugend und Sport, danach für Justiz, Arbeit und Soziales. Von 1977 bis 1979 vertrat er Berlin im Bundesrat als Senator für Bundesangelegenheiten.Neben seiner Arbeit als Senator lagen ihm die Belange des Sports besonders am Herzen. So war er Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees und seit 1977 Präsident des Landessportbundes Berlin. Auch in diesen Ämtern ist er stets für die engen Bindungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik eingetreten.Seit Beginn dieser Legislaturperiode gehörte er dem Deutschen Bundestag an. Er war Mitglied desAusschusses für innerdeutsche Beziehungen und hat hier seine früher gewonnenen praktischen Erfahrungen verwerten können.Der Deutsche Bundestag verliert mit Horst Korber einen hochgeschätzten Abgeordneten. Den Angehörigen und der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands spreche ich meine aufrichtige und herzliche Anteilnahme aus. Der Deutsche Bundestag wird Horst Korber ein dankbares und ehrendes Andenken bewahren.Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren des Kollegen Korber erhoben. Ich danke Ihnen.Ich habe dem Haus einige Mitteilungen zu machen:Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Korber hat der Abgeordnete Bühling am 6. Juli 1981 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.Die Abgeordnete Frau Dr. Engel hat am 26. Juni 1981 als Nachfolgerin für den am 25. Juni 1981 durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Hoffie die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.Der Abgeordnete Wallow hat am 29. Juni 1981 für den am 26. Juni 1981 durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. von Dohnanyi die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.Der Abgeordnete Doss hat am 20. Juli 1981 als Nachfolger für den am 16. Juli 1981 durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten Pieroth ebenfalls die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben.Ich begrüße die neuen Kollegen, von denen uns der Abgeordnete Bühling schon bekannt ist, sehr herzlich und wünsche ihnen mit uns zusammen erfolgreiche Arbeit im Deutschen Bundestag.
Meine Damen und Herren, dann habe ich Glückwünsche für runde Geburtstage auszusprechen, die in die Sommerpause gefallen sind:Zuerst möchte ich unserem Kollegen Herbert Wehner, der am 11. Juli dieses Jahres 75 Jahre alt geworden ist, sehr herzlich gratulieren.
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2746 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Vizepräsident LeberWie viele habe auch ich gesehen und erlebt, daß Herbert Wehner nach seinem Geburtstag und nach überstandenem Krankenhausaufenthalt mit frischer Kraft und neuer Energie die Arbeit bereits während der Sommerpause wieder aufgenommen hat. Wir freuen uns darüber, Herr Kollege Wehner. Ich wünsche Ihnen, daß Sie den vierten Abschnitt Ihres Lebensjahrhunderts mit guter Kraft bestehen werden.
Herr Kollege Polkehn ist am 24. Juli 1981 60 Jahre alt geworden und der Abgeordnete Pensky am 22. August 1981 ebenfalls 60 Jahre. Ich möchte auch diesen Kollegen namens des Hauses unsere herzlichen Glückwünsche aussprechen.
Meine Damen und Herren, wir haben noch ein Geburtstagskind. Am 20. August 1981 hat unser Kollege Richard Stücklen seinen 65. Geburtstag gefeiert. Ich freue mich, lieber Herr Kollege Stücklen, Ihnen aus diesem Anlaß von dieser Stelle aus die herzlichen Glückwünsche des ganzen Hauses aussprechen zu dürfen.
Sie werden aus Anlaß dieses Tages gewiß von vielen Seiten Dank und Anerkennung gehört und wohl auch viele Beweise der Sympathie und der Freundschaft erfahren haben. Zu beidem besteht auch reichlich Anlaß.Ihr politischer Weg begann unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Auf dem Weg, für den Sie sich entschieden haben und den Sie gegangen sind, haben Sie Wichtiges bewirkt und nicht wenig erreicht. Als Sie begannen, gehörten Sie zu den jungen Politikern, die es als eine vordringliche Aufgabe ansahen, unser Land und unser Volk aus den Trümmern auf den Weg der parlamentarischen Demokratie zu führen. Sie gehören zu den Gründungsmitgliedern der Christlich Sozialen Union und der Jungen Union in Bayern. Sie empfanden es als eine Verpflichtung, sich trotz zunächst starker beruflicher Belastungen auch der Politik, der Sorge um das allgemeine Wohl zu widmen. Später machten Sie die Politik zu Ihrer ausschließlichen Arbeit und zu Ihrer Hauptaufgabe.So sind die Jahre vergangen. Sie waren einmal eines der jüngsten Mitglieder des Deutschen Bundestages, und Sie gehören heute zu den zwar noch nicht an Lebensjahren, wohl aber an Jahren der Wirkung im Deutschen Bundestag ältesten Mitgliedern unseres Parlaments.Im Deutschen Bundestag sind Sie sehr bald in das vorderste Glied aufgerückt. Sie wurden Mitglied im Vorstand der CDU/CSU-Fraktion, waren Ausschußvorsitzender und haben dann neun Jahre lang als Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen auf der Ministerbank gesessen. Als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe haben Sie viele Jahre die Politik Ihrer Fraktion mitbestimmt, bis Sie 1976 zum Vizepräsidenten und 1979 zum Präsidenten des Deutschen Bundestages gewählt wurden.Sie können, Herr Kollege Stücklen, wie nur wenige in diesem Hause auf eine große Spanne parlamentarischen Lebens zurückblicken, und Sie verfügen über einen parlamentarischen Erfahrungsschatz, der von hohem Werte für die Übernahme und die Ausübung des Amtes an der Spitze des Deutschen Bundestages ist.Der Präsident hat die Würde und die Rechte des Bundestages zu wahren, seine Arbeit zu fördern, die Verhandlungen gerecht und unparteiisch zu leiten und für die Ordnung im Hause zu sorgen. Sie haben das Amt ganz zweifellos in diesem Sinne ausgeübt.Aber es kommt etwas hinzu, was nirgendwo geregelt ist, weder in der Geschäftsordnung noch sonstwo: das ist Ihre Art des offenen, des verständnisvollen und von menschlicher Wärme bestimmten Umganges in Ihrer Tätigkeit; Ihre Fähigkeit, auch ein nettes und freundschaftliches Wort zu finden, wenn es sich einmal um ernste Dinge handelt, und bei scharfen Auseinandersetzungen, bei politischen und sachlichen Gegensätzen der persönlichen Achtung und der Kollegialität immer eine Gasse zu bahnen. Dafür möchte ich Ihnen heute besonders herzlich danken.
Ich wünsche Ihnen, lieber Herr Kollege Stücklen, gute Gesundheit, Kraft und neben Gottes Segen immer die Portion Glück, die jemand haben muß, wenn er hohe Verantwortung zu tragen hat. — Herzliche Glückwünsche.
Meine Damen und Herren, wir haben noch einige Beschlüsse zu fassen.Die Fraktion der CDU/CSU schlägt für den aus dem Deutschen Bundestag ausgeschiedenen Dr. von Weizsäcker den Abgeordneten Haase als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes vor. Ich frage: Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Damit ist der Abgeordnete Haase (Kassel) anstelle des ausgeschiedenen Dr. von Weizsäcker als stellvertretendes Mitglied des Gemeinsamen Ausschusses nach Art. 53 a des Grundgesetzes bestimmt.Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat als Nachfolger für den Abgeordneten Corterier, der aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarats ausscheidet, den Abgeordneten Schluckebier als stellvertretendes Mitglied benannt. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist der Abgeordnete Schluckebier als stellvertretendes Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarats gewählt.Meine Damen und Herren, wir treten damit in die Abwicklung der vorgesehenen Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Zweites Folgetreffen der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Madrid
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2747
Vizepräsident Leber— bisherige Verwirklichung der Schlußakte von Helsinki— weiterführende Vorschläge zur Schlußakte von Helsinki— Drucksachen 9/77, 9/643 —Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für die Aussprache eine Redezeit von vier Stunden vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich sehe, das ist so.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Abgeordneten Graf Huyn das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesen Tagen wird für alle Bürger unseres Landes mehr und mehr die schwierige Situation, j a die Misere offenbar, in die diese Bundesregierung unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, auf allen Gebieten geführt hat:
auf den Gebieten von Wirtschaft und Finanzen, bei Haushalt und Arbeitslosigkeit, Verteidigung und Energiepolitik.Die Antwort auf die Große Anfrage unserer Fraktion zum Stand der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die, wenn auch nicht in allen Punkten erschöpfend, so doch in großen Passagen durchaus realistisch ist, zeigt, daß auch die Entspannungsillusionen zerstoben sind. Die Antwort, die uns das Auswärtige Amt erteilt hat, führt die Scherben der Illusionen der von Willy Brandt und Egon Bahr initiierten Ostpolitik vor.Das Schlimme dabei ist nicht der Mangel an Erfolg dieser Politik
— wir hatten nicht viel anderes erwartet, Herr Wehner —, sondern die Dunstglocke von Illusionen und unrealistischen Erwartungen, die Sie über die Menschen in unserem Lande gesenkt haben. Das süße Gift des falsch verstandenen Begriffs „Entspannung" macht das Erwachen aus dem Traum für viele heute nur noch um so schmerzhafter.
Erinnern wir uns: Es war Egon Bahr, der in Punkt 10 seines Bahr-Papiers als erster Vertreter einer westlichen Regierung der Sowjetunion zugestanden hatte, die Bundesrepublik Deutschland werde alles von ihr Abhängende tun für die Vorbereitung und erfolgreiche Durchführung einer Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.Moskau hat sich damit vor der Erfüllung eines seiner alten Ziele gesehen, das bereits Molotow im November 1954 vorgeschlagen hatte. Strategisches Ziel der Sowjetunion war damals wie heute die Abkoppelung des freien Europas von den Vereinigten Staaten.Moskau hat dieses Verhandlungsziel nicht erreicht. Dank unserer amerikanischen Freunde, dank des Zusammenwirkens in der westlichen Allianzund auch dank der engen Zusammenarbeit in der Europäischen Gemeinschaft und des Zusammenwirkens mit den neutralen Staaten wird die Frage der Verwirklichung der Menschenrechte, werden die Forderungen nach Freiheit und Freizügigkeit in Europa aufgenommen.Unsere Fraktion hat im Juli 1975 gegen die KSZE gestimmt. Inzwischen sind über sechs Jahre vergangen, und wir haben bereits die zweite KSZE-Nachfolgekonferenz. Es ist daher, wie ich meine, Zeit, Bilanz zu ziehen über das, was erreicht worden ist. Franz Josef Strauß hat damals als Redner für unsere Fraktion, am 25. Juli 1975 in diesem Hohen Hause erklärt — und ich zitiere wörtlich —:Wir sagen nicht nein zu diesem oder jenem Inhalt der Dokumente; wir sagen zu der Systematik, zu der Konzeption, zu der eingebauten Konsequenz dieses Vertragswerkes nein, weil mit derselben Sicherheit, mit der in 25 Jahren die Sowjetunion ein Ziel erreicht hat, das damals, vor 25 Jahren, utopisch schien, sie die nächste Etappe erreichen wird, und die nächste Etappe beginnt nach der KSZE ...Die KSZE und ihre Schlußakte — so fuhr er fort —helfen, einen Vorhang über die wirklichen Veränderungen der Sicherheitslage in der Welt zu ziehen, ein trügerisches Gefühl zu vermitteln, das eines Tages zu einem bösen Erwachen führen wird.Franz Josef Strauß wies vor sechs Jahren auf den sowjetischen Vorstoß in Vietnam und Angola hin. Heute, meine Damen und Herren, sechs Jahre später, stehen Moskau und seine Helfershelfer nicht nur in Vietnam und Angola, sondern inzwischen in Kambodscha und Laos, in Mosambik und im Tschad, in Äthiopien und im Südjemen, und seit einem Jahr führen sie einen blutigen Vernichtungskrieg gegen das afghanische Volk. Aber Sie haben damals unsere Warnungen in den Wind geschlagen. Leider haben sie sich bewahrheitet.Moskau hat den Dunstschleier der Entspannungseuphorie zu weiterer Expansionspolitik genutzt. Moskau hat die KSZE ebenso wie Abrüstungsverhandlungen und Rüstungskontrollpolitik als Nebelwand zur Verschleierung weiterer Machtentfaltung und Aufrüstung benutzt.Es ist höchste Zeit, daß nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa die Illusionen hierüber vergehen.
— Herr Wehner, wir wollen hier nicht über Vergangenes rechten.Trotz unserer, wie sich gezeigt hat, völlig berechtigten Kritik stehen wir zu den Verpflichtungen der von der Bundesregierung unterzeichneten KSZESchlußakte.
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2748 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Graf HuynNehmen Sie den Osten in Fragen der Menschenrechte beim Wort! Aber wie sieht denn heute die Realität aus? Ich komme nochmals auf das von Ihnen, von der SPD, damals erweckte Illusionsgefühl zurück. Herr Brandt Sie haben vor sechs Jahren in der Debatte vom 25. Juli 1975 folgende Hoffnungen erweckt. Sie bezeichneten die KSZE als einen — ich zitiere —... Ausgangspunkt ... , durch den mehr Zusammenarbeit stimuliert werden kann, von dem aus einiges mehr als bisher geschehen kann, damit Menschen in Europa einander begegnen und Ideen aneinander gemessen werden können und damit immer noch vorhandenes Mißtrauen abgebaut werden kann, ein(en) Ausgangspunkt hoffentlich auch,— so sagten Sie —um zügige Forgschritte bei den Verhandlungen über den beiderseitigen ausgewogenen Abbau von Truppen und Rüstungen zu erreichen.Wenn dies so gewesen wäre, wir wären alle froh darüber.
Nur wenn wir heute die Bilanz ziehen und fragen, wie denn heute die Wirklichkeit aussieht, wird deutlich: Nichts, aber auch nichts von dem ist erreicht worden.Um gleich mit dem letzten Punkt anzufangen: Die Sowjetunion hat in diesen Jahren mehr aufgerüstet denn je. Die Wiener Konferenz über ausgewogenen und gegenseitigen Truppenabbau hat sich gerade in diesen Tagen nach fast acht Jahren erneut vertagt — bisher ohne jedes Ergebnis. Moskau ist in Wien in all diesen Jahren noch nicht einmal der Verpflichtung nachgekommen, richtige Angaben über die eigene Truppenstärke zu machen.Was den Abbau des Mißtrauens, die vertrauensbildenden Maßnahmen betrifft, so hält die Sowjetunion gerade jetzt, zu dieser Stunde, gewaltige Droh-Manöver an der Ostgrenze Polens ab. Die Bundesregierung hat sich erst vor drei Tagen genötigt gesehen, an Moskau zu appellieren, seine Verpflichtungen aus der KSZE-Schlußakte voll zu erfüllen. Die Weigerung der Sowjetregierung, die Stärke der Manövertruppen, hunderttausend Mann, vor Beginn der Übung anzugeben, war eine Verletzung der KSZE-Schlußakte.
Und wie sieht es im innerdeutschen Verhältnis aus? Hier hat sich die Abgrenzungspolitik des SED-Regimes seit der Konferenz von Helsinki nicht nur verschärft, sondern es ist noch dazu gekommen, daß sich Ost-Berlin nunmehr nicht nur gegenüber dem Westen, sondern auch gegenüber dem Osten, gegenüber Polen, abzugrenzen genötigt sieht.Mauer und Stacheldraht sind nicht nur nicht abgebaut, sondern leider noch ausgebaut worden. In Berlin wurde erst am 25. August wieder auf einen Menschen geschossen, weil er von Deutschland nach Deutschland wollte. Vor gut einer Woche ist der Bauingenieur Hans Joachim Koppetsch aus Wismar 12Stunden lang über die Ostsee in die Freiheit geschwommen. Seit Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte sind über 25 000 Deutsche aus dem „sozialistischen Arbeiter- und Bauernparadies" geflohen. Weiterhin gibt es Tausende von politischen Häftlingen, die nach wie vor zum Teil schwer mißhandelt werden. Schriftsteller, geistig Schaffende, werden unterdrückt, Journalisten werden, insbesondere seit 1979, noch mehr behindert und gegängelt als zuvor. Herr Honecker hat den Zwangsumtauschsatz unmittelbar nach der letzten Bundestagswahl einseitig erhöht. Wie steht es mit der Verwirklichung der Gruppenrechte für unsere ostdeutschen Landsleute jenseits von Oder und Neiße? Auch hier gibt es keinen Fortschritt.Natürlich ist es erfreulich, wenn trotz massiver antipolnischer Hetze durch die SED in Mitteldeutschland zunehmend, bis hin in die Reihen der sogenannten Nationalen Volksarmee, Solidaritätskundgebungen mit den um ihre Freiheit ringenden Polen vorkommen. Auch die freien Gewerkschaften in der Sowjetunion, SMOT, haben durch das russische Komitee zur Unterstützung der polnischen Arbeiter einen flammenden Appell verabschiedet, der mit den Worten endet: Solidarität mit Solidarność.Mancher von Ihnen hält uns entgegen, dies und vieles andere sei erst durch die KSZE möglich geworden. Wir würden uns ehrlich freuen, wenn dem so wäre. Die Wahrheit aber ist: Es sind in Osteuropa tatsächlich viele sogenannte Helsinki-Komitees gegründet worden. Nur halten sich die Regierungen, ob in Moskau, Ost-Berlin, Prag oder Sofia, nicht an die in Helsinki eingegangenen Verpflichtungen, sondern die Gründer dieser Komitees, die für die Einhaltung der Helsinki-Vereinbarungen eintreten, werden aufs Brutalste festgenommen, aufs Grausamste verfolgt und unterdrückt. Erst vor kurzem sind etwa 30 Bürgerrechtler der Charta 77 in der Tschechoslowakei festgenommen worden, und in der Sowjetunion sind in den letzten zwei Jahren rund 500 Freiheitskämpfer verhaftet worden.In Düschanbe, der Hauptstadt der Sowjetrepublik Tadschikistan, sind erst vor wenigen Wochen mehrere auswanderungswillige Volksdeutsche festgenommen worden. Zu den Vorgängen in Dŭschanbe nahm die Moskauer Helsinki-Gruppe am 30. Juni 1981 mit einer u. a. von Frau Jelena Bonner, der Frau des Friedensnobelpreisträgers Sacharow, unterschriebenen Erklärung Stellung. Mir ist dieser Vorgang durch ein vor zwei Tagen eingegangenes Schreiben des Vorsitzenden des schweizerischen Instituts „Glaube in der Zweiten Welt" bekanntgeworden. In diesem Schreiben heißt es wörtlich: „Moskauer Helsinki-Gruppe setzt sich für Deutsche ein. — Setzen sich Deutsche für die Moskauer HelsinkiGruppe ein?" Ich appelliere hiermit an die Bundesregierung, dies zu tun. Ich appelliere auch an die Bundesregierung, sich mit Nachdruck für den nach wie vor in Verbannung lebenden russischen Nobelpreisträger Professor Sacharow einzusetzen.
Ich appelliere um so mehr, als der SPD-Vorsitzende,Herr Brandt, offenbar nicht bereit ist, in seiner Eigenschaft als Träger des Friedensnobelpreises an ei-
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Graf Huynnem öffentlichen Appell von anderen Friedensnobelpreisträgern teilzunehmen, die sich für Sacharow einsetzen wollten.
Ein Kommentar hierzu, Herr Brandt, erübrigt sich wohl.
Es handelt sich um einen Appell ebenfalls zugunsten von Anatolij Martschenko, der erst am letzten Wochenende in Wladimir zu 15 Jahren Freiheitsentzug und Verbannung verurteilt worden ist. Hier und in all diesen Fällen bedarf es der moralischen Solidarität dieses ganzen Hohen Hauses und der Bundesregierung.Aber, meine Damen und Herren von der SPD, statt sich gegen diese brutale Unterdrückung zu wenden, wird aus Ihren Reihen noch der Antiamerikanismus geschürt; niedrige Gefühle gegen diejenigen unserer westlichen Freunde, die wir am nötigsten brauchen, um uns vor diesem Schicksal, wie es die Menschen östlich des Eisernen Vorhangs täglich erleiden müssen, zu schützen! Hinsichtlich Berlins wäre es angebracht, Herr Brandt, daß Sie als Vorsitzender der SPD noch ein deutlicheres Wort gegen die gemeinsam geplanten und von der Jugendorganisation Ihrer Partei organisierten Demonstrationen gegen den amerikanischen Außenminister Alexander Haig sagen. Wir verurteilen diese Haltung aufs schärfste.
Darüber hinaus — damit möchte ich schließen — sät Herr Wehner auch noch im eigenen Lande Unfrieden, indem er in einem Brief vom 3. August an die Fraktionsmitglieder seiner Partei den Frieden für seine Partei zu pachten versucht.
Er schreibt dort, das machtpolitische Denken konservativer Parteien habe das deutsche Volk und die Welt in zwei furchtbare Katastrophen gestürzt, während Sozialdemokraten stets für Friedenspolitik gewesen seien.
Herr Wehner, Sie verwechseln hier offenbar Konservative mit Nationalisten. Bundeskanzler Schmidt hat ähnliches jetzt im „Vorwärts" versucht, indem er wiederum die Friedensfähigkeit der CDU/CSU und unserem Fraktionsvorsitzenden abzusprechen versucht. Ich weise dies mit Nachdruck zurück.
Ich möchte Ihnen, Herr Wehner, mit den Worten eines sozialdemokratischen Sozialökonomen Professor Eduard Heimann, antworten. Ich zitiere aus dessen Buch „Freiheit und Ordnung", das er während der Zeit des Nationalsozialismus in der Emigration in Amerika geschrieben hat. Er schrieb:Der Pazifismus war in den dreißiger Jahren dieherrschende Philosophie in allen westlichenLändern. Er beherrschte die deutschen Sozialisten, die Hitler ohne Kampf überwältigte. In Frankreich beherrschte das Schlagwort „Krieg ist schlimmer als Tyrannei" die Lehrerunion und durch sie die geistige Haltung der Linken ... Letzten Endes ist der Pazifismus für unsere Lage ebenso verantwortlich wie die profaschistische Beschwichtigungspolitik ...
Es ist eine höchst beunruhigende Tatsache, daß sowohl in England als auch in Frankreich die beiden großen Führer im Krieg, die die Demokratien retteten, von der Rechten kommen mußten. Den Linksparteien beider Länder gereicht es zur bleibenden Ehre, daß, als sie sich schließlich der Schwere der Gefahr bewußt wurden, sie sich Churchill und de Gaulle, den Männern des Muts, des Scharfblicks und des moralischen Ansehens rückhaltslos zur Verfügung stellten. Es spricht aber gegen die Linksparteien, daß sie selbst nicht die Führer hervorbrachten. Sie waren unfähig, sie zu stellen, da sie selbst unter dem Zauber des Pazifismus gestanden hatten.
Heute sind Sie in Ihrer inneren Zerrissenheit zu schwach, um sich dem roten Faschismus entgegenzustellen, zu schwach für das, was unser Land braucht: eine realistische Politik zur Sicherung des Friedens in Freiheit.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Brandt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir schätzen die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Unionsfraktion. Wir schätzen auch, daß diese Antwort der Bundesregierung so sachlich und damit auch hilfreich ist für diejenigen, die sich mit dieser Materie befassen. Sachlich und hilfreich, das ist mehr, als ich vom Redebeitrag meines Vorredners sagen kann.
Ich möchte, verehrte Kollegen, meinem Vorredner nicht auf dem Wege der Polemik folgen,
sondern ich möchte die Debatte aus meiner Sicht als eine willkommene Gelegenheit nutzen, die Außenpolitik der sozialliberalen Koalition zu begründen und zu bestätigen. Wenn man die, wie wir es gerade wieder gehört haben, weithin weltfremden, zumindest aber wirklichkeitsfremden Stellungnahmen der Opposition hört und liest, wird einem immer noch einmal klar, weshalb unser Land die sozialliberale Koalition braucht.
Für uns Sozialdemokraten ist für diesen Abschnitt maßgebend, was unter Hinweis auf Kontinuität in der Regierungserklärung vom 24. November 1980 festgehalten wurde.
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2750 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
BrandtWie Sie sich erinnern, verehrte Kollegen, wurde dort in einem ersten Punkt auf das Gleichgewicht und unsere Stellung und Rolle im Bündnis verwiesen und im zweiten Punkt hieß es — und heißt es —:Das Gleichgewicht ist zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung des Friedens. Deshalb muß der Frieden auch durch eine Politik der Rüstungsbegrenzung und der Zusammenarbeit gesichert werden. „Militärische Sicherheit und eine Politik der Entspannung" ... sind seit über einem Jahrzehnt die beiden Kernstücke des sicherheitspolitischen Konzepts der Allianz.Der Beginn des letzten Satzes war ein Zitat, und zwar aus dem Bericht des seinerzeitigen christdemokratischen Außenministers von Belgien, Pierre Harmel, an dem mitzuwirken ich als Bundesminister des Auswärtigen die Ehre hatte.Beim Bundeskanzler hieß es weiter:Wir werden die Politik der Zusammenarbeit mit unseren östlichen Nachbarn im Interesse der friedlichen Entwicklung in Europa und der Zukunft des ganzen deutschen Volkes fortsetzen.Darauf stütze ich mich auch heute.Der wichtige dritte Punkt in dieser Regierungserklärung bezieht sich auf die Europäische Gemeinschaft. Der vierte Punkt bezieht sich auf unser Verhältnis zu den Entwicklungsländern. Darauf brauche ich in diesem Augenblick nicht einzugehen, um das Thema nicht ohne Not auszuweiten.Die weltpolitische Lage hat sich seit November, als diese Regierungserklärung abgegeben wurde, gewiß nicht zum Besseren gewendet. Sie ist vor allem wegen der Rüstungsentwicklung noch schwieriger, noch ernster, noch bedrückender geworden. Aber die Orientierungspunkte für die Politik der Regierung unseres Landes bleiben gültig.In dieser Regierungserklärung vom 24. November 1980 heißt es zu dem Gegenstand, der uns heute im engeren Sinn befaßt:Wir halten an dem Prozeß fest, der durch die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die Verabschiedung der Akte von Helsinki eingeleitet worden ist. Bei der derzeitigen Nachfolgekonferenz in Madrid hat der Bundesminister des Auswärtigen klargestellt,— die Konferenz in Madrid hatte ja Ende des vorigen Jahres nach sehr vielen unerquicklichen Kontroversen gerade begonnen —daß die Schlußakte gerade in schwierigen Zeiten in allen ihren Teilen Richtschnur für das Handeln aller Teilnehmerstaaten sein muß. Auf dieser Grundlage wollen wir bauen. Entspannung kann keine Einbahnstraße sein. Dabei sind für uns Deutsche die Einhaltung der Prinzipienerklärung und Erleichterungen zugunsten der Menschen von gleicher Wichtigkeit.Dann heißt es in dem folgenden Abschnitt:Wir unterstützen den französischen Vorschlag einer Konferenz zur Abrüstung in Europa, welche vertrauensbildende Maßnahmen für den ganzen europäischen Kontinent vereinbaren soll. Wir streben auch eine europäische Energiekonferenz an.
Ich möchte den Kollegen von der Opposition sagen, daß es nützlich wäre, sich in der Antwort der Bundesregierung — auf die ich auch sonst noch zurückkomme — auf der zweiten Seite noch einmal genau anzuschauen, was der Ministerrat der NATO im Dezember 1980 — nicht irgendwann, sondern im Dezember des Jahres 1980 — zu dem Gegenstand gesagt hat, mit dem wir uns befassen. Da hat die NATO nämlich durch ihre Ministerratstagung gesagt, daß die Verbündeten die Konferenz von Helsinki und das, was ihr gefolgt ist, für einen wertvollen Rahmen halten. Und dann heißt es zum Schluß dieses Absatzes:Sie— die Verbündeten —bleiben der Fortsetzung des KSZE—Prozesses über das gegenwärtige Folgetreffen in Madrid hinaus verpflichtet.
Ich möchte der Opposition sagen: Wenn Sie für die NATO sind — was Sie ja doch sind wie wir —,
dann sollten Sie auch bedenken, was das Bündnis zu dem Punkt gesagt hat, mit dem wir uns heute hier befassen, und nicht immer noch einmal, Graf Huyn, die Fehler der vergangenen Jahre nachvollziehen und durchbuchstabieren, praktisch Fehler, die Sie machten, als Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollten, daß unsere Vertragspolitik mit den Verbündeten abgestimmt war;
Fehler, die sich besonders deutlich zeigten, als Sie gegen die deutsche Teilnahme in Helsinki waren, obwohl alle Verbündeten sich nach reiflicher Prüfung dafür ausgesprochen hatten.
Herr Kollege Brandt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr.
Herr Kollege Brandt, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen — —
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2751
Dr. Mertes
Herr Kollege Brandt, haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, daß das, was der NATO-Ministerrat zur Fortsetzung des KSZE-Prozesses gesagt hat, auch unsere Auffassung ist, daß sich aber auch bewahrheitet hat, was wir befürchtet haben, nämlich daß der Osten die KSZE-Schlußakte politisch völlig anders versteht und verwendet, als der Westen und daß es deshalb zu dem langen Interpretationsstreit in Belgrad 1977/78 und seit 1980 in Madrid gekommen ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber das ist j a nicht der Punkt, über den ich spreche, Herr Kollege Mertes. Sie dürfen doch nicht unterstellen, daß der französische, der britische, der norwegische Außenminister — ich weiß nicht, welcher Außenminister —, alle, die dort zusammengesessen haben, nicht auch in der Lage sind, den schwierigen Prozeß — ich äußere mich gleich dazu, wie ich ihn werte — zu würdigen. Ich sage: Demgegenüber nehmen Sie heute eine Haltung ein, die sich erneut im Gegensatz zu dem befindet, was das Bündnis im Dezember festgehalten hat.
— Herr Kollege Mertes, Sie meinen, das sei unwahr. Das ist natürlich wie so häufig in der Politik, wo es subjektive Einschätzungen gibt. Ich muß Ihre subjektive Einschätzung so zur Kenntnis nehmen, wie Sie sie vorbringen. Es gibt j a bei der Wertung politischer Tatbestände sehr häufig leider nicht die Möglichkeit, absolute Wahrheiten festzustellen. — Bitte sehr!
Kollege Brandt, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß die Position des westlichen Bündnisses auf der Madrider Folgekonferenz von der Opposition in vollem Umfang mitgetragen und geteilt wird und daß dies von uns offen und oft gesagt wird?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist interessant. Das war nicht herauszuhören aus dem, was Graf Huyn uns heute morgen hier gesagt hat.
Wenn Sie, verehrte Kollegen, bitte noch einmal hineinschauen in die Antwort — das ist eine umfassende Antwort der Bundesregierung —, dann werden Sie finden: diese Antwort enthält gute Argumente in bezug auf Illusionen, Fehleinschätzungen, Kurzsichtigkeiten oder Kurzatmigkeiten. Es ist manchem Kollegen in diesem Hause bekannt, daß ich in den vergangenen Jahren mehr als einmal meine Sorge darüber geäußert habe, die Schlußakte, das Schlußdokument von Helsinki könnte damals überladen worden sein, und die Formulierungen zu einer Reihe von Punkten könnten wegen ihrer Deutbarkeit und Dehnbarkeit viel Auslegungsstreit nach sich ziehen. Jedenfalls das will ich heute wiederholen — war es von Anfang an eine Illusion, Graf Huyn, zu meinen, die kommunistisch regierten Staaten hätten sich in Helsinki zur Abschaffung ihrer politischen Ordnung verpflichtet. Das haben sie offensichtlich nicht. Ich sage es noch einmal: Die Antwort der Bundesregierung enthält eine Reihe wichtiger Klarstellungen zum Thema Illusionen, zum Thema des Grundkonflikts, wie es dort genannt wird, zwischen den unterschiedlichen politischen Ordnungen, zum Thema der langfristigen Perspektiven. Ich kann nur empfehlen, sich das noch einmal in Ruhe anzuschauen.Es ist auch wichtig zu wissen — die uns begleitende Öffentlichkeit weiß dies nicht immer, kann es nicht immer wissen —, daß im KSZE-Prozeß — wenn wir das sagen, versteht man uns häufig schon nicht mehr —, also diesem Prozeß, der in Helsinki in Gang gesetzt wurde, leider nicht die schrecklichen Gefahren des Rüstens zu bannen sein werden, wenn auch eine Konferenz zur Abrüstung in Europa zumal durch vertrauensbildende Maßnahmen einen wichtigen friedenspolitischen Beitrag leisten kann. Wenn es so ist, daß im Rahmen dieses Prozesses gegen die Gefahren des Wettrüstens nichts Wesentliches wird getan werden können, dann konzentrieren sich die Erwartungen um so mehr auf die Weltmächte, daß sie sich nicht unnötig viel Zeit nehmen möchten. Denn es werden in wenigen Wochen schon wieder zwölf Monate vergangen sein, ein Jahr wird vergangen sein, seit sie sich im Oktober 1980 in Genf zusammensetzten, um zu sehen: Wie kann man sich an Verhandlungen über die Begrenzung auch und gerade auch der sogenannten nuklearen Mittelstrekkenwaffen in Europa heranarbeiten?Zu Beginn dieses Prozesses, von dem die Rede ist, war die Einsicht da — jedenfalls bei uns, so hat es sich mir dargestellt; diese Einsicht gilt es erneut klarzumachen —, daß durch mehr praktische Zusammenarbeit — ich stehe zu dem, was mein Vorredner aus dem Jahre 1975, als wir hier darüber sprachen, zitiert hat; ich hatte mich so genau gar nicht mehr daran erinnert — mehr menschliche Kontakte und vielleicht sogar Lockerungen in den ideologischen Fronten bewirkt werden können und daß auch dies der Sicherung des Friedens zugute kommen kann.Unser Bemühen darum, den Prozeß der Entspannung nicht verkommen zu lassen, sondern — so es geht und wo es geht — wieder in Gang zu setzen, ist ein Teil unserer Antwort an die vielen, zumal Jüngeren in unserem Land, die von der Furcht vor den Folgen des Rüstungswettlaufs umgetrieben werden
und die sich für Frieden durch Abrüstung engagieren und von denen manche — nicht nur Jüngere — die zusätzliche Sorge vor einer Entwicklung haben, die, was immer sonst noch in der Welt geschieht, mit einem Todesurteil über das deutsche Volk gleichzusetzen sein könnte.Ich stimme den sozialdemokratischen Arbeitnehmern zu, ihrem Bundesausschuß, der dieser Tage zu Papier gebracht hat:Der Einsatz vieler Menschen in unserem Lande für den Frieden ist ein gutes Zeichen.
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2752 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
BrandtEr macht deutlich, daß die Bürger nicht daran glauben, daß allein Waffen den Frieden sichern können. Sozialdemokraten müssen sich weiterhin an diesem Gespräch intensiv beteiligen.Und das tun wir: das ist nicht immer leicht. Ich habe gesagt, verehrte Kollegen — ich will es hier ruhig erneut zu Protokoll geben; es ist nicht besonders kompliziert, schwierig, wie manches ist, was uns junge Menschen heute entgegenhalten —: Ich habe in meinen Leben Schlimmeres erfahren, als daß junge Deutsche sich für Frieden und Abrüstung engagieren; ich habe Schlimmeres erlebt.
Das bedeutet nicht, irgend jemandem nach dem Munde zu reden, das bedeutet, sich mit Einseitigkeiten und Übertreibungen kritisch auseinanderzusetzen. Aber es kann auch nicht bedeuten, irgend jemanden, der guten Willens ist, zu beschimpfen. Es führt kein Weg daran vorbei, uns mit den ernsten Sorgen der Bürger zu befassen.Ich werbe für die Friedensinitiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
Die deutschen Gewerkschaften wollen als die große Friedensinitiative in unserem Lande in diesem Augenblick, daß Frieden durch Abrüstung geschaffen wird; sie setzen auf den Vorrang von Verhandlungen, um durch eine allgemeine, ausgewogene und kontrollierte Abrüstung das Wettrüsten zu beenden und den Frieden zu sichern. Die Gewerkschaften zeigen damit, daß sie sich nicht vor falsche Alternativen stellen lassen. Sie sagen: Blindheit auf einem Auge führt in der Friedensdiskussion nicht weiter. Redlich ist nur derjenige, der eine gleichgewichtige Abrüstung der Mittelstreckenraketen auf allen Seiten verlangt.Jetzt hat mein Vorredner eine Frage an mich gerichtet, die sich auf Berlin bezieht. Verehrter Kollege, mich quält schon, was sich andeutet in Verbindung mit einem Besuch des amerikanischen Außenministers. Es ist für mich ein schwacher Trost, zu wissen, daß ich vor über 20 Jahren schon einmal — das vergessen die meisten — als Berliner Bürgermeister in der Situation war, den damaligen amerikanischen Außenminister John Foster Dulles gegen eine Demonstration schützen zu lassen, und wie quälend und bedrückend es war, daß sich junge Leute wegen des Streits um Vietnam auf eine nicht zu akzeptierende Weise mit dem Amerika-Haus beschäftigten. Ich habe da eine ganze Menge Erfahrung auf dem Buckel.
— Jawohl. — Ich habe mich damals dagegen gewandt und tue es heute, und zwar mit Nachdruck. Auch ich bin erschrocken ich will das hier ganz offen sagen — über manches, was in der letzten Zeit aus Washington zu hören war. Aber ich muß mich eindringlich gegen Demonstrationen wenden, die es nicht leichter, sondern schwerer machen, sich mit Vorstellungen unserer amerikanischen und sonstigen Verbündeten auseinanderzusetzen, die man für abwegig hält,
und unsere Interessen so zu vertreten, wie es geboten ist. Deshalb habe ich zur Demonstration, die dort angekündigt ist, gesagt: Die Verantwortung für Berlin und für das deutsch-amerikanische Verhältnis gebieten, von der vorgesehenen Demonstration abzuraten und sie nachdrücklich abzulehnen.
Als langjähriger Regierender Bürgermeister von Berlin und als Parteivorsitzender möchte ich dringend bitten, sich von Aktivitäten fernzuhalten, die Berlin schaden würden.Wogegen ich mich zugleich wende — Herr Kollege Huyn, Sie haben es angesprochen —, ist der sorglose Umgang mit dem Wort „Antiamerikanismus". Es gibt in den Vereinigten Staaten selbst unterschiedliche Meinungen. Natürlich muß sich unsere Regierung an die dortige Regierung halten. Aber sind die jeweiligen Kritiker der dortigen Regierung Feinde ihres eigenen Landes? Sind z. B. die Regierungen von Mexiko und Frankreich antiamerikanisch, wenn sie eine andere Politik, nämlich eine politische Lösung für El Salvador, befürworten? — Nein! Die Freundschaft mit dem amerikanischen Volk, zu den Vereinigten Staaten überhaupt, gebietet es, offen zu sagen, wo man etwas anders sieht, wo man etwas nicht für richtig hält und wovon man überzeugt ist, daß es den eigenen Interessen dient, und wie sich dies in den Rahmen der gemeinsamen westlichen Interessen einfügen sollte.Es wäre nicht angemessen, wenn ich mich in Polemik verlöre. Ich möchte gerne die Aufmerksamkeit der Kollegen auf die Entschließung lenken, die die beiden die Regierung tragenden Fraktionen dem Haus vorgelegt haben. In diesem Augenblick möchte ich die Aufmerksamkeit besonders auf den Punkt 1 lenken. Durch diesen Punkt 1 laden wir nämlich den Deutschen Bundestag ein, seine Überzeugung zu bekräftigen, daß der KSZE-Prozeß, also der durch Helsinki in Gang gekommene und jetzt in Madrid verhandelte Prozeß gerade in der heutigen Weltlage fortgesetzt und ausgebaut werden muß.Dieser langfristig angelegte, dynamische Prozeß,— so heißt es dort —der den Verzicht auf die Anwendung und Androhung von Gewalt zur Voraussetzung hat, dient der Festigung des Friedens und der Stabilität in Europa. Er trägt dazu bei, die menschliche Dimension der Entspannung zu entwickeln und die praktische Zusammenarbeit zwischen Ost und West ... zu stärken.Dann folgt noch unter derselben Ziffer im Entschließungsentwurf der Hinweis auf die von der Teilung Deutschlands und Europas ausgehenden Gefahren und die Erschwernisse im menschlichen Zusammenleben, die das deutsche Volk besonders belasten. Die beiden Fraktionen sagen, daß daher die beiden
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Brandtdeutschen Staaten eine besondere Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Friedens in Europa haben. In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage wird ja zutreffend — nämlich realistisch — gesagt, daß der Prozeß, von dem wir sprechen, leider — das füge ich hinzu — das Problem der Teilung Deutschlands nicht wird lösen können, wohl aber, wenn wir Glück haben, dabei helfen kann, die Folgen der Teilung — solange sie dauert — zu lindern.Meine Damen und Herren, gerade auch nach den unsachlichen Angriffen, die in den letzten Tagen gegen den Kollegen Bahr gerichtet worden sind und die ich hier scharf zurückweise
— nein —, unterstreiche ich — in Verbindung mit der entsprechenden Ziffer in unserer Resolution — die Notwendigkeit, politische Gespräche, wenn sie richtig eingeordnet sind, auch zwischen den Verantwortlichen in den beiden deutschen Staaten zu führen.
doch Nebel, Herr Brandt!)Deshalb verspreche ich mir etwas davon — richtig eingeordnet —, wenn der im vorigen Jahr vorgesehene Besuch des Bundeskanzlers beim ersten Mann in der DDR in absehbarer Zeit nachgeholt werden kann.Von dem besonderen Anlaß einmal abgesehen, Herr Kollege Barzel, den Fall einmal ins Grundsätzliche gewendet: Liegt es nicht im Interesse aller Deutschen, der Westdeutschen und der Landsleute drüben, auch derer, die für sie auf die dort eigene Weise Verantwortung tragen, daß Begegnungen mit der DDR auch auf der politischen Ebene zur Selbstverständlichkeit werden?
Nur die Anerkennung dessen, was in Europa ist, ermöglicht die allmähliche Überwindung, und zwar auf eine Weise, die die Stabilität des ohnehin fragil gewordnen Friedenszustandes nicht gefährdet. Abrupte Veränderungen — wo auch immer — können vielleicht ehrenwerte Emotionen befriedigen; politisches Gleichgewicht in Europa brauchen wir jedoch in gewisser Hinsicht nicht weniger als das militärische. Angesichts dieser rationalen, allen Illusionen abholden Tatsache müssen wir jedes vernünftige Gespräch zwischen Politikern der beiden deutschen Staaten grundsätzlich begrüßen,
unabhängig vom Protokoll, unabhängig von so oder so auszulegenden Vertragsformulierungen; die Politik geht insoweit Verträgen voraus. Wenn Deutschland in seinen beiden Staaten eine Zukunft haben soll, so werden seine Politiker die Courage brauchen — unter Berücksichtigung aller vorgegebenen und auch notwendigen Fakten —, das Gespräch zu suchen und zu führen, wo immer es möglich ist.Ich kehre zu unserem Entschließungsantrag zurück. Wir nehmen in den Ziffern 3, 4 und 5 eine Wertung dessen vor, was jetzt verhandelt wird. Gegen Ende der Ziffer 4 laden wir den Bundestag erneut ein, der Hoffnung Ausdruck zu geben,daß es insbesondere gelingen wird, die Kontakte und Informationen zwischen den Menschen in Ost und West zu verbessern, durch geeignete Schritte auf eine bessere Verwirklichung der Menschenrechte hinzuwirken und die wirtschaftliche, technisch-wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit auszubauen.In der Antwort der Bundesregierung wird an der geeigneten Stelle gesagt, wie schwierig sich das erwiesen hat, was mit der Menschenrechtspolitik zusammenhängt. Es wird dann an anderer Stelle aber positiv gewürdigt, daß sich im Laufe dieser Jahre auf dem Gebiet der Familienzusammenführungen Fortschritte ergeben haben; das ist mehr als nichts.Mein Vorredner hat geglaubt, in Verbindung mit einem Aufruf zugunsten von Professor Sacharow eine Kritik an meine Adresse anbringen zu sollen. Verehrter Kollege, ich würde Ihnen raten, sich mit einem Gegenstand etwas genauer vertraut zu machen, bevor Sie sich äußern. Jemand wie ich hat sich im Laufe der letzten Jahre mehr als einmal fragen müssen: Wie nimmst du die Wahl vor, wenn du die Chance hast, vielleicht mehr zu erreichen, wenn du etwas ohne Plakatierung machst?
Ich bin gern bereit, Ihnen das zu dokumentieren.Verehrter Herr Vorredner, Sie haben auch Polen anklingen lassen. Wir haben uns daran gehalten und wir wollen dabei bleiben, uns zu diesem erregenden Vorgang sehr behutsam zu äußern, damit keine Andeutung von Einmischung hochkommt, woraus ich ableite, daß sich die gesellschaftlichen Kräfte in Polen auch auf ihren eigenen Prozeß konzentrieren. Aber wir haben uns bei aller Zurückhaltung, bei aller Behutsamkeit doch mit großem Respekt gegenüber diesem historischen Prozeß der Erneuerung geäußert und eingestellt, zugleich in der Hoffnung, daß im wesentlichen eigene Arbeit — denn anders geht es nicht — diese unsere Nachbarn über ihre schwierigen Probleme hinwegbringen hilft; aber glaubt man, verehrte Kollegen — —
Herr Kollege Brandt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Huyn?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte gern diesen Gedanken zu Ende führen; ich hatte eben nur ein Semikolon gesetzt und noch nicht einen Punkt.Glaubt man, daß dieser historische Prozeß eigenständige Prozeß des polnischen Volkes und seiner Arbeiter, seiner Gewerkschaften ohne Helsinki leichter gewesen wäre? Glaubt man das wirklich?
Sieht man nicht gerade am Beispiel Polen, daß esauch zwischen wirtschaftlicher Zusammenarbeitund Erleichterungen für die Menschen einen Zu-
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Brandtsammenhang gibt? Ist es nicht gerade dies, was uns in den nächsten Wochen wieder befassen wird?Bitte sehr, Herr Kollege.
Herr Kollege Brandt, Sie haben gerade erklärt, ohne Plakatierung für den in Verbannung lebenden russischen Friedensnobelpreisträger Sacharow mehr erreichen zu können. Ich möchte Sie fragen, nachdem Sie gerade vor wenigen Wochen in Moskau waren, ob Sie sich dort für Sacharow eingesetzt haben und was Sie ohne Plakatierung erreicht haben?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe nicht allein von dem Fall, wie Sie es nennen, gesprochen, sondern von meiner Erfahrung.
— Jetzt feixt noch einer dabei, wo es um verfolgte Menschen geht, von denen man einigen hat helfen können. Ich war ein paar Wochen, bevor ich nach Moskau gefahren bin, bei Ihrem Fraktionsvorsitzenden und ich habe ihm gesagt, auf welche Weise ich mich für Menschen einsetze, deutschstämmige und andere.
— Ich bin nicht bereit, mich hier in irgendeine elende Polemik hereinziehen zu lassen.
Was die Entschließung der beiden Fraktionen angeht: Die Ziffern 5 und 6 befassen sich, wie Sie sehen, mit der in Aussicht genommenen Konferenz über Abrüstung in Europa und mit den vertrauensbildenden Maßnahmen als einem wichtigen Mittel, die dringend erforderlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Rüstungskontrolle und Abrüstung zu fördern.
Herr Kollege Huyn, da Sie schon etwas über Moskau wissen wollten, will ich Ihnen einmal etwas sagen. Wenn es erforderlich sein sollte, dann können wir ja in dieser Debatte auch noch einmal auf die verleumderische Begleitung zurückkommen, die eine Reihe von Kollegen aus Ihren Reihen in bezug auf diese Reise vorgenommen haben. Und dann tun Sie hinterher noch so, als ob man etwas wissen wollte, Herr Kollege Mertes. Erst verleumden und dann etwas vernehmen wollen — so können Sie mit dem Vorsitzenden der deutschen Sozialdemokraten nicht umspringen.
Ich weiß, daß viele auf meiner Seite, in unserem Volk — weit über die Reihen der eigenen Partei hinaus — mit starkem Interesse begleitet haben, was Hans-Jürgen Wischnewski und ich uns dort um die Monatswende Juni/Juli vorgenommen hatten. Sie sind mit uns der Meinung, daß, ohne daß man der Regierung etwas abnehmen kann, ein verantwortlicher Politiker, wenn er die Möglichkeit hat, nichts unversucht lassen darf, damit wieder geredet wird, damit man zumindest weiß, wo man miteinander steht.
Ich halte es deshalb auch für gut, daß Breschnew nach Bonn kommen wird. Nebenbei, Herr Kollege Mertes: Es gibt ja auch schon Fühler, die die Union in Moskau ausgestreckt hat, was diesen Besuch angeht.
Herr Kollege Brandt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Mertes?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte.
Herr Kollege Brandt, bezeichnen Sie es als eine Verleumdung, wenn die CDU/CSU vor Ihrer Reise sagte, sie könne dann nützlich sein, wenn Sie in Moskau in allen derzeit entscheidenden Fragen der Sicherheit und der Abrüstung die Auffassungen der Bundesregierung ebenso klar und deutlich vertreten, wie dies die CDU tut?
— Ja, lachen Sie! — Und sind Sie, Herr Kollege Brandt, allen Ernstes der Meinung, daß Sie in Ihrem Moskauer „Spiegel"-Interview die Auffassungen der Bundesregierung zu den entscheidenden Fragen der Abrüstung und Sicherheit vertreten haben? Das ist keine Verleumdung, das war eine Sachfeststellung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, das ist eine Einschätzungsfrage. Da teile ich Ihre Meinung zwar nicht. Aber das hat mit Verleumdung natürlich nichts zu tun. Sie wissen genau, an welche Kommentare ich denke. Die kamen wahrscheinlich nicht von Ihnen und auch nicht vor der Reise, sondern danach.
— Was heißt „aha"? Ist eine Verleumdung keine Verleumdung, wenn sie nach einer Reise erfolgt statt davor? Überlegen Sie sich doch einen solchen Zuruf!
Im übrigen möchte ich zu dem, was Sie hier vorbringen, bemerken: Wenn Sie die Politik, die heute morgen Graf Huyn vorgetragen hat, als eine Unterstützung der Bundesregierung betrachten, dann verstehe ich Sie überhaupt nicht mehr, Herr Mertes.
Uns Sozialdemokraten geht es heute morgen darum, die Sicherheits-, Entspannungs- und Friedenspolitik der sozialliberalen Koalition nachdrücklich zu unterstreichen und zu unterstützen. Ich weiß mich hier in Übereinstimmung mit dem Kollegen Mischnick, dem Vorsitzenden der Fraktion der Freien Demokratischen Partei im Bundestag.
Er hat dieser Tage gesagt:
Diese sozialliberale Koalition hat ganz besonders dazu beigetragen, daß zwischen Ost undWest ein Geflecht von Abmachungen entstan-
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Brandtden ist, das auch in der jetzigen schwierigen weltpolitischen Situation von Nutzen ist. Wir haben gerade in diesen Tagen den 10. Jahrestag der Unterzeichnung des Berlin-Abkommens notiert. Ohne die Entspannungspolitik wäre dieser Grundstein für die Zukunftssicherung Berlins nicht gelegt worden.
Wir Freien Demokraten wollen,
— so heißt es bei Herrn Kollegen Mischnick —daß diese Politik der Verständigung zwischen Ost und West fortgesetzt wird. Sie ist nötiger denn je, um dem drohenden Rüstungswettlauf Einhalt zu gebieten.Wir können uns das Wort für Wort zu eigen machen.
Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Jung das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tatsache, daß die Debatte über die Große Anfrage der CDU/CSU und die Antwort der Bundesregierung zu einem Zeitpunkt stattfinden, zu dem die zweite KSZE-Folgekonferenz in Madrid noch im Gange ist — zur Zeit ist sie allerdings unterbrochen —, Ergebnisse noch ausstehen und die Pflicht, ja, der Zwang zur Übereinstimmung besteht, verpflichtet uns geradezu, diese Diskussion ganz im Sinne des Appells des Bundesaußenministers Genscher vom 25. Juli dieses Jahres an alle Teilnehmerstaaten zu führen, nämlich, sachlich nüchtern, unpolemisch die Verhandlungspause bis zum 27. Oktober zu aktiven Bemühungen um einen erfolgreichen Abschluß des Madrider Treffens zu nutzen.Wenn die Fragestellung des Kollegen Mertes und die dazu getroffene Feststellung, daß die Union in voller Übereinstimmung mit den Bemühungen der Bundesregierung gerade bei diesem zweiten Folgetreffen in Madrid steht, zutreffen, dann frage ich mich, warum heute früh an Stelle des Grafen Huyn hier nicht der Kollege Mertes gesprochen hat;
denn er hat in der Tat wieder alte Hüte gebracht und alte Fehler der Union, die Herr Mertes immer wieder zu korrigieren versucht, wiederholt.
Unser gemeinsames Ziel muß es sein, dazu beizutragen — ich meine nicht nur die 35 Teilnehmerstaaten, sondern auch die drei Fraktionen in diesem Hause —, die Madrider Folgekonferenz durch ein ausgewogenes Schlußdokument erfolgreich abzuschließen, mit dem auf allen Gebieten der Schlußakte von Helsinki, bei allen drei Körben also, richtungweisende Entscheidungen getroffen werden. Gerade angesichts zunehmender Sorge vor einer unkontrollierten Entwicklung haben alle politisch Verantwortlichen in Ost und West die Pflicht, die Hoffnungenihrer Völker auf solche Fortschritte, vor allem auch bei den vertrauensbildenden Maßnahmen im militärischen Bereich, nicht zu enttäuschen.Dabei müssen wir unverändert davon ausgehen — Herr Kollege Brandt hat darauf auch schon verwiesen —, daß Europa nach wie vor in zwei ideologisch getrennte Lager gespalten ist: das sozialistische und das der westlichen Länder im Nordatlantischen Bündnis. Die KSZE — das haben wir in den Debatten der vergangenen Jahre immer wieder betont — kann und will die Welt j a nicht verändern, sondern soll durch kleine, ja vielleicht auch kleinste Schritte die Übergänge zwischen den beiden Systemen behutsam erleichtern. Das ist schon bei dem Gipfeltreffen 1975 in Helsinki und erst recht bei dem Folgetreffen in Belgrad und bei den verschiedenen Expertentreffen deutlich geworden.Deutlich geworden ist aber auch, daß gerade kleinere und mittlere Mächte und besonders auch die Neutralen — und nicht so sehr die beiden Großen, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten — bei diesen Treffen immer wieder den Anstoß gaben, die Beziehungen zwischen den Völkern von der Vernunft bestimmen zu lassen. Deswegen hätte ich mir auch gewünscht, daß der Beitrag der Union in dieser Debatte mehr von Vernunftargumenten geprägt gewesen wäre, als das heute früh der Fall gewesen ist.Gerade in der ersten Phase des KSZE-Folgetreffens in Madrid, in der ja ausreichend Zeit für eine umfassende Implementierungskritik zur Verfügung gestellt wurde, beherrschten die Auseinandersetzungen der beiden Großmächte stärker als bisher im KSZE-Prozeß das Treffen. Das war allerdings angesichts der Verletzungen der Schlußakte auch nicht verwunderlich, die seit Belgrad im Entspannungsprozeß zu Rückschlägen geführt haben. Afghanistan, Menschenrechtsverletzungen, Defizit bei menschlichen Kontakten und auf dem Gebiet der Information sind Stichworte zu diesen Rückschlägen.Unter dem Gewicht der Sicherheitsproblematik, der dramatischen Entwicklung in Polen und der sowjetischen Truppenkonzentration an den Grenzen hat sich diese Tendenz weiter verstärkt. Um so bedeutsamer war das Bemühen der Bundesrepublik und hier insbesondere das des Bundesaußenministers Genscher, der mit 15 anderen Außenministern in der ersten Woche die politische Bedeutung des Treffens unterstrichen und dabei die wichtige Funktion erfüllt hat, gerade in Zeiten größerer Gereiztheit und gegenseitigen Mißtrauens auf Mäßigung, auf Verstärkung von Kontakten und auf Mehrung von Vertrauen hinzuwirken.Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Große Anfrage der Unionsparteien vielleicht in zu nüchterner Form ihr politisches Konzept der Ost-West-Beziehungen und die wahrlich nicht zu leugnenden positiven Ergebnisse des KSZE-Prozesses gerade für uns im geteilten Deutschland dargestellt. Ganz zweifellos wurden durch diese sozialliberale Vertragspolitik Spannungen entschärft, und es wurden — die Zahlen, die Sie in der Antwort finden, be-
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Jung
weisen es; ich will sie nicht wiederholen — humanitäre Erleichterungen geschaffen.Es muß immer wieder betont werden, daß es für die Bundesrepublik Deutschland gar keine Alternative zur Entspannungspolitik gibt. Das möchte ich hier insbesondere auch im Blick auf die geplanten Proteste in Berlin anläßlich des Besuchs des amerikanischen Außenministers Haig sagen. Ich möchte diese destruktiven Beiträge ebenso verurteilen, wie das auch schon mein Vorredner getan hat. Ich möchte alle diejenigen, die in Berlin so etwas vorhaben, daran erinnern, daß das Schicksal Berlins nach einem Ausspruch von Theodor Heuss an das Schicksal Westdeutschlands gebunden ist, daß aber das Schicksal Gesamtdeutschlands an Berlin gebunden bleibt.
Daß die Amerikaner ihren großen Anteil daran haben, sollte bei diesem Vorhaben niemand vergessen!Ich will auch hinzufügen, daß liberale Entspannungspolitik den Abbau von Konfrontation, friedliche Veränderungen innerhalb und zwischen den Systemen durch Krisenmanagement, die Feststellung gemeinsamer Interessen und die Ausweitung von Kooperation, die Rüstungskontrolle und auch die Bewältigung des Nord-Süd-Gefälles beinhaltet. Das sind wesentliche konstruktive Elemente einer Politik, die Leistungen für den Frieden erbringt, im Gegensatz zu solchen destruktiven Vorhaben, die wir— das darf ich im Namen der FDP-Fraktion hier tun— scharf verurteilen.Wenn ich vorhin von einer vielleicht zu nüchternen Form der Darstellung in der Antwort der Bundesregierung sprach, dann meinte ich damit, daß der Bundeskanzler und der Bundesaußenminister ihre Politik als konsequente Fortsetzung der Ostpolitik Brandts und Scheels noch deutlicher hätten herausstellen dürfen. Das Netz zwischen Ost und West wurde durch ihre Initiativen enger geknüpft, und der KSZE-Prozeß wurde durch vielfältige Aktivitäten gefördert. Bundesaußenminister Genscher hat z. B. in zahlreichen Begegnungen mit osteuropäischen Außenministern und Regierungschefs gerade auch in schwierigen Zeiten — zuletzt mit dem polnischen Außenminister — eine Vielzahl konkreter Ergebnisse erreicht. Zu nennen ist hier vor allem das erfolgreiche Eintreten für die Aufnahme von Rüstungskontrollgesprächen über Mittelstreckenwaffen, und zwar nicht nur in Washington, wie ja das gemeinsame Kommuniqué über das Gespräch Haig/ Genscher ausweist, sondern auch und gerade in Moskau. Erwähnen möchte ich auch das jüngste Treffen mit dem polnischen Außenminister mit dem Ergebnis der Hilfeleistung für Polen.Der durch die Ostpolitik gesteckte Rahmen ist durch zahlreiche erfolgsorientierte Aktivitäten des Bundesaußenministers erfüllt worden, indem das Netz von Kooperation und Dialog enger geknüpft wurde, um Belastungen in schwierigen Zeiten standzuhalten und den Absturz in den Kalten Krieg odergar in kriegerische Auseinandersetzungen zu verhindern.Dabei war es auch nötig, deutlich zu machen, daß Entspannungspolitik nur auf der Grundlage des politischen und militärischen Gleichgewichts und daher nur aus dem westlichen Bündnis heraus und mit Zustimmung der Bündnispartner betrieben werden kann.Das konsequente Eintreten für diese Erkenntnis kann nicht als Politik, die in ihrem Denken von militärischen Kategorien dominiert wird, mißverstanden werden; denn Ausgangspunkt der Entspannungspolitik war j a bekanntlich der Harmel-Bericht der NATO. Wir — ich zähle mich dazu — haben in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten immer wieder die Notwendigkeit des Gleichgewichts als Basis und Voraussetzung für Entspannung betont. Deshalb auch wurde das Bündnis in seiner politischen und militärischen Effektivität durch deutsche Initiativen gestärkt.Am Beispiel des NATO-Doppelbeschlusses wird auch deutlich, daß erst die deutsche Initiative zur Förderung der Rüstungskontrolle, d. h. das auf deutscher Vorarbeit basierende Verhandlungsangebot, das gemeinsame Votum im Bündnis ermöglichte.Auch bei den MBFR-Gesprächen in Wien, dem zweiten Bereich ständigen Dialogs zwischen Ost und West neben der KSZE, hat die Bundesregierung einen inzwischen im Bündnis eingebrachten Vorschlag ausgearbeitet, der das Ziel hat, die Verhandlungen in Wien zu vereinfachen und zu einem konkreten Zwischenergebnis zu kommen. Es ist richtig, Graf Huyn, daß es, wie Sie gesagt haben, in der Datendiskussion noch erhebliche Differenzen zwischen östlichen und westlichen Zahlen gibt. Aber das ist nun wahrhaftig nicht die Schuld der Bundesregierung.
Daneben hat sich die von Genscher besonders befürwortete Politik der internationalen Zusammenarbeit in der UNO mit dem Ziel, gerade auch den ärmsten der armen Länder zu helfen und den Nord-Süd-Dialog zu fördern, positiv entwickelt.Mit einer restriktiven Rüstungspolitik hat die Bundesregierung sicher auch einen Beitrag dazu geleistet, Gefährdungen für den Frieden in anderen Teilen der Welt, außerhalb der NATO, zu mindern. Oberstes Motiv dieser unter außenpolitischer Verantwortung von Hans-Dietrich Genscher und im übrigen unter der Gesamtverantwortung des Bundeskanzlers Helmut Schmidt betriebenen Entspannungspolitik ist, den Frieden zu erhalten und weiter auszugestalten. Daran orientiert sich auch unsere Gesamteuropapolitik; denn Europa ist für uns in der Tat nicht nur Westeuropa.Da wir nun einmal Deutsche sind, bleibt unser Ziel, nicht nur kurz- und mittelfristig durch Kooperation und Dialog die Lage der Deutschen in beiden Staaten zu erleichtern. Langfristig müssen wir, getreu unserem Verfassungsauftrag, die deutsche Einheit wiedererlangen. Darauf hat Bundesaußenminister Genscher in seinen Reden vor den Vereinten
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Nationen immer wieder hingewiesen. Denn alle unnatürlichen politischen Lösungen in der Geschichte, seien es solche der Trennung von Völkern oder der unberechtigten Wegnahme von Gebieten, haben auf mittlere und lange Sicht stets zu schweren Instabilitäten, ja zu Belastungen für den Weltfrieden geführt.Da unsere sozialliberale Politik das Prinzip des Gewaltverzichts achtet, wird es zu solchen Belastungen nicht kommen, auch wenn das deutsche Volk schwer am Opfer der Spaltung als Folge des Krieges trägt. Vielleicht haben wir gerade auch aus dieser Erfahrung stets für beharrliches, auch an kleinen Erfolgen sich orientierendes Verhandeln plädiert, auch und gerade bei den KSZE-Folgetreffen.Gewiß hätten auch wir lieber ein ausgewogenes Schlußdokument zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt begrüßt. Es hat j a auch durchaus schon beachtliche Ergebnisse in Teilbereichen gegeben — bei den menschlichen Kontakten, bei wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und kultureller Kooperation und auf dem Gebiet des Umweltschutzes. Die Fortschritte in Madrid — das ist nicht zu leugnen —, sind in Korb I und Korb II weit größer, als sie es am Ende der Folgekonferenz in Belgrad waren. Herr Kollege Mertes, wir hatten j a Gelegenheit, dieser Folgekonferenz teilweise beizuwohnen.Ich meine, diese bereits erzielten Einigungen stärken unsere Hoffnung auf einen positiven Konferenzabschluß, wenngleich ich nicht verhehlen will, daß die erneute Nichtbeachtung bereits vereinbarter Grundsätze im so wichtigen Bereich vertrauensbildender Maßnahmen durch die Sowjetunion ein schwerer Rückschlag sein kann. Die Nichtanmeldung bzw. Nichteinladung von Beobachtern des Manövers des Warschauer Pakts in der Größenordnung von über hunderttausend Mann in und um Polen und auf der Ostsee bestärkt eher die Skeptiker und belastet gewiß die Schlußphase dieses Treffens.
Alle Anstrengungen sind deshalb darauf zu richten, daß neben den noch ausstehenden Einigungen über Menschenrechte, Fragen des Mittelmeers, Verbesserungen im Informationsbereich und Festlegung weiterer Folgetreffen die wichtigste noch offene Frage, die eines konkreten Mandats für eine Konferenz über Abrüstung in Europa, bald beantwortet wird. Ein solches Mandat muß den geographischen Anwendungsbereich vertrauensbildender Maßnahmen gegenüber dem Bestehenden ausweiten und genau bestimmen. Auf der Basis des Dokuments der Neutralen und Ungebundenen sollte es eigentlich gelingen, die Hauptkriterien für vertrauensbildende Maßnahmen, nämlich die militärische Bedeutsamkeit, die Verbindlichkeit, die Verifizierbarkeit und die Anwendbarkeit in ganz Europa, einschließlich des europäischen Teils der Sowjetunion, festzulegen.Es muß allen politisch Verantwortlichen bewußt sein, welch große Bedeutung der erfolgreiche Abschluß der Madrider Folgekonferenz und die Einsetzung einer Konferenz über Abrüstung in Europa für die Ost-West-Beziehungen, ja für den Weltfriedenhat. Die erkennbaren Gemeinsamkeiten — ich werte einige Zwischenfragen und Feststellungen des Kollegen Mertes so — in diesem Hause lassen auch mich hoffen, daß Sie dem Ihnen vom Kollegen Brandt schon in Teilen erläuterten Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und FDP insgesamt zustimmen können. Ich bitte darum. — Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, in der Zwischenzeit hat auf der Diplomatentribüne eine gemeinsame Delegation des kanadischen Unterhauses und des kanadischen Senats Platz genommen. Ich habe die Ehre, Ihre Exellenz, die Präsidentin des kanadischen Unterhauses, Madame Jeanne Sauvé, und die sie begleitenden Parlamentarier aus Kanada in unserem Lande und im Deutschen Bundestag sehr herzlich begrüßen zu dürfen.
Wir freuen uns, daß Sie uns bei unserer Arbeit im Deutschen Bundestag besuchen. Es ist uns auch eine besondere Freude, daß die Delegation Gelegenheit nehmen wird, an der heutigen Konstituierung der Deutsch-Kanadischen Parlamentariergruppe teilzunehmen. Ich wünsche unseren kanadischen Gästen und Kollegen guten Aufenthalt in unserem Lande, daß sie Begegnungen und Gespräche während ihres Aufenthaltes haben, die ihnen gute Eindrücke von unserem Land vermitteln und ihnen auch die Bestätigung einer guten und freundschaftlichen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern mitgeben. Guten Aufenthalt!
Wir setzen unsere Debatte fort. Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Todenhöfer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei Dinge in der Rede des Kollegen Brandt haben mich betroffen gemacht.Erstens. Der Kollege Brandt hat in langen und ausführlichen Passagen die Opposition angegriffen, aber er hat nicht ein einziges Mal die vielen massiven Verstöße der Sowjetunion gegen die KSZE-Akte in der nötigen Form gerügt. Das finde ich schlimm.
Zweitens bin ich über die unvertretbare Verharmlosung des wachsenden Antiamerikanismus in der öffentlichen Abrüstungsdiskussion betroffen, Herr Brandt.
Ich wiederhole für meine Fraktion noch einmal mit allem Nachdruck: Frieden und Freiheit in Europa haben nur eine Chance, wenn unsere Freundschaft — ich sage nicht nur „Partnerschaft" — zu den Vereinigten Staaten von Amerika gefestigt wird. Deshalb ist vieles von dem, was Sie, Herr Brandt, was Sie, Herr Wehner, und was Sie, Herr Bahr, in der letzten Zeit an die Adresse der USA gesagt haben
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Dr. Todenhöferund wie Sie es gesagt haben, für die Zukunft unseres Landes ausgesprochen schädlich.
Kernstück jeder tragfähigen Abrüstungspolitik ist ein Mindestmaß gegenseitigen Vertrauens. Hierzu heißt es in der Schlußakte von Helsinki: Die Teilnehmerstaaten sind entschlossen, das Vertrauen zwischen ihnen zu stärken und somit zur Erhöhung der Stabilität und Sicherheit beizutragen. Diese Aussage verdeutlicht, daß die Schaffung von Vertrauen eine der wesentlichen offiziellen Zielsetzungen der KSZE-Schlußakte darstellt.
Vertrauen ist nicht teilbar. Auch das wird in der KSZE-Schlußakte ausdrücklich hervorgehoben. Dort heißt es:Die Teilnehmerstaaten ... entschlossen, sich in ihren gegenseitigen Beziehungen sowie in ihren internationalen Beziehungen im allgemeinen der Androhung und Anwendung von Gewalt, die gegen die territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit irgendeines Staates gerichtet (sind), (zu) enthalten.Damit wird deutlich, daß die KSZE-Schlußakte nicht nur für die Politik der Unterzeichnerstaaten untereinander, sondern auch für ihre weltweiten Beziehungen Gültigkeit besitzt.
Diese und andere Formulierungen der Schlußakte haben Erwartungen geweckt, die der Bundeskanzler am 30. Juli 1975 in dem Satz zusammengefaßt hat:Aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland wird mit der Unterzeichnung der Konferenzdokumente die Politik des Friedens um ein wesentliches Stück vorankommen.Es stellt sich die Frage, ob diese hoffnungsvolle Äußerung des Bundeskanzlers Realität geworden ist.Die Herstellung von Vertrauen zwischen den Unterzeichnerstaaten — ich wiederhole es — war ein zentrales Anliegen der KSZE-Schlußakte —, d. h. vertrauensbildende Maßnahmen sollten die Atmosphäre für konkrete Schritte der Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung schaffen. Damit war die Erwartung verbunden, daß dieses Vertrauen auf alle Abrüstungsverhandlungen, also auch auf MBFR und SALT ausstrahlen würde.Als wohl wichtigster konkreter Schritt im Bereich der vertrauensbildenden Maßnahmen wurde die Anmeldung von Manövern innerhalb eines bestimmten definierten Raumes festgelegt. Wie sieht die Praxis in dieser Frage aus? Der Westen hat seit 1975 Manöver selbst dann angemeldet, wenn die in der KSZE-Schlußakte vorgesehen Teilnehmerstärken unterschritten wurden. Bis Juli 1979 hat auch der Warschauer Pakt Manöver angemeldet und vereinzelt auch Beobachter eingeladen. Seit Juli 1979 ist durch den Warschauer Pakt keine weitere Anmeldung erfolgt. Ein besonders schwerwiegendes Beispiel für die neue Praxis der Sowjets sind die Manöver, die zur Zeit innerhalb des in der Schlußakte festgelegten Territoriums abgehalten werden. Sie wurden nicht angemeldet, obwohl es sich hierbei um die größten Manöver handelt, die die Sowjetarmee seit Ende des Zweiten Weltkrieges durchführte.
Allein schon die Zahlenangaben sind ein Beweis für die Absicht, den Westen irrezuführen und über das tatsächliche Ausmaß der Truppenkonzentrationen und der Truppenbewegungen zu täuschen.
Aus der Tatsache, daß die Sowjetunion die Manöver vorher bekanntgab, schloß man im Westen, es müsse sich wohl um 25 000 Mann handeln. Als die USA auf detaillierte Zahlenangaben drängten, erklärte TASS, 100 000 Mann nähmen an der Übung teil. Doch wieviel sind es tatsächlich?Der Leitungsstab des Manövers befindet sich in Moskau. Das ist bereits ungewöhnlich. Die Übung wird vom sowjetischen Verteidigungsminister Ustinow persönlich geführt. Auch das ist nicht Brauch. Der Funkführungskreis umfaßt die drei westlichen Militärbezirke der Sowjetunion: Karpaten, Weißrußland und Baltikum mit zirka 30 Divisionen. Ein weiterer Führungskreis umfaßt sieben sowjetische Luftlandedivisionen, die in den letzten Wochen mit eigenen Lufttransportkapazitäten ausgestattet wurden. Selbst wenn man von den gewaltigen Verstärkungen der sowjetischen Rotbanner-Flotte einmal absieht, umfassen allein die Landtruppen in ihrer militärischen Struktur — durch Reservisten aufgefüllt, wie bekanntlich die „Prawda" selbst geschrieben hat — wahrscheinlich mehr als eine Million Mann.
auf jeden Fall jedoch mehr als 100 000 Mann. Dies alles ist der Bundesregierung genau wie uns bekannt.Diese Manöver dienen ferner der Einschüchterung des polnischen Volkes. Dies ist ein weiterer Verstoß gegen die KSZE-Schlußakte, die auch die Androhung von Gewalt ausdrücklich verbietet.Das weltweite, außereuropäische Verhalten der Sowjetunion ist auch nicht wesentlich vertrauenerweckender. Das sowjetische Verhalten in Angola, in Äthiopien oder in Afghanistan ist ein klarer Verstoß gegen Buchstaben und Geist der KSZE-Akte.Was ist aus der erhofften Ausstrahlung der KSZE-Vereinbarungen auf andere Abrüstungsverhandlungen, z. B. auf MBFR, geworden? Hier genügen an dieser Stelle zwei Hinweise. Die Taschenspielertricks, mit denen die Sowjetunion in der sogenannten Datendiskussion nun schon seit Jahren arbeitet, führen auch hier zu erheblichen Zweifeln in die Vertrauenswürdigkeit der Sowjetunion. Dabei geht es nicht, wie einige Vertreter von SPD und FDP es gern darstellen, um das Zählen von „Erbsen und Fliegenbeinen". Hier geht es um die für die Abrüstung fundamentale Frage, ob man der anderen Seite Vertrauen entgegenbringen kann.
Dieses Vertrauen wird erschwert durch die unverminderte Aufrüstung im konventionellen Bereich
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2759
Dr. Todenhöferwährend der Dauer der Verhandlungen. Allein die DDR verdoppelte in der Zeit, in der in Wien Verhandlungen geführt wurden, die Zahl ihrer Divisionen, indem sie zum einen sogenannte Kaderdivisionen aufstellte — mindestens drei, wahrscheinlich vier — und zum andern aus den Grenztruppen der DDR drei weitere Divisionen formierte und das entsprechende Großgerät bereitstellte. Das gemeinsame Kriterium für alle ist, daß sie in kürzester Frist gefechtsbereit gemacht werden können. All das geschah während der MBFR-Verhandlungen in Wien.Durch diese Vorgänge wird auch der Aberglaube mancher deutscher Politiker widerlegt, daß Verhandlungen allein bereits die Aufrüstung verhindern.
Moskau hat seine Abrüstungspolitik konsequent nach dem Motto ausgerichtet: Was wir haben, das haben wir; und über das, was ihr habt, werden wir noch zu sprechen haben.
MBFR schleppt sich nunmehr seit acht Jahren dahin. Der mehrfach angekündigte Durchbruch ist ausgeblieben, und SALT II ist zunächst gescheitert. Das sind Feststellungen, denen wohl niemand ernsthaft widersprechen kann. Die Sicherheit des Westens ist durch die MBFR-Verhandlungen und die SALT-Verhandlungen nicht größer geworden. Im Gegenteil. Sie hat sich, während die Verhandlungen liefen, dramatisch verschlechtert:Erstens. Bei den strategischen Nuklearwaffen — Waffen mit einer Reichweite von mehr als 4 000 km — hat die Sowjetunion unmittelbar nach der Einigung von Wladiwostok über die Grunddaten für SALT II mit der Einführung einer kompletten Generation neuer strategischer Waffen begonnen. Das entscheidende qualitative Merkmal dieser neuen sowjetischen Waffengeneration war und ist die Tatsache, daß sie in der Lage sind, die verbunkerten amerikanischen Raketensilos zu zerstören. Mit dieser qualitativen Überlegenheit vor Augen ist es der Sowjetunion natürlich nicht schwergefallen, in SALT II auf ihre zahlenmäßige Überlegenheit, die ihr SALT I gewährt hatte, zu verzichten. Die Sowjets haben in Wladiwostok die USA nach allen Regeln der Kunst ausmanövriert.Entscheidend für den weiteren Verlauf war dann allerdings das Tempo, mit dem diese neuen Raketen eingeführt wurden. Auch dies beweist, daß es der Sowjetunion eben leider nicht um Gleichgewicht und beiderseitige Sicherheit, sondern um Überlegenheit auch im nuklear-strategischen Bereich geht. Bis heute hat die Sowjetunion über 1 000 Raketen der neuen Generation aufgestellt.Zweitens. Die Entwicklung im Bereich der strategischen Nuklearwaffen darf selbstverständlich nicht isoliert gesehen werden. Sie steht im Zusammenhang mit der sowjetischen Rüstung im Bereich der Mittelstreckenwaffen — Waffen mit einer Reichweite von 1 000 bis 4 000 km. Der Westen hat derÜberlegenheit der Sowjetunion auf diesem Gebiet, auch nach dem Urteil der Bundesregierung, „nichts Vergleichbares entgegenzusetzen". Ausmaß und Tempo der Dislozierung der SS 20 stellen wiederum die Frage nach der Vertrauensbasis in Europa, die doch die Grundlage für echte erfolgversprechende Abrüstungsverhandlungen ist.Drittens. In der Diskussion um SALT und Mittelstreckenwaffen wurde bisher ein weiterer Bereich massiver sowjetischer Nuklearrüstung weitgehend übersehen, nämlich die Entwicklung im Bereich der taktischen Nuklearwaffen — Waffen mit einer Reichweite bis 1 000 km. Auch hier hat die Sowjetunion mit der Einführung der Kurzstreckenwaffen SS 21, SS 22 und SS 23 nicht nur eine normale Modernisierung ihres Arsenals, sondern gleichzeitig eine erhebliche qualitative Verstärkung in Gang gesetzt. Mit der SS 22 kann die Sowjetunion schon heute aus den westlichen Bezirken der Sowjetunion aus weite Teile Deutschlands und Österreichs atomar vernichten. Sie hat sich dadurch neben der SS 20 eine zweite atomare Faust gegen Europa und Deutschland geschaffen. Hier wird in gefährlicher Weise an der Rüstungsspirale gedreht, und dies ist ein schwerer Schlag gegen die Friedenssehnsucht unseres Volkes.
Meine Damen und Herren, um wiederum auch hier die Zahl zu nennen, obwohl Zahlen nicht allein entscheidend sind, sondern die Ursachen der Rüstung in der Welt mindestens genauso entscheidend sind: Die Sowjetunion hat zur Zeit 1 300 atomare Kurzstreckenraketen gegenüber 300 atomaren Kurzstreckenraketen der NATO.Viertens. Ähnlich verhält sich die Sowjetunion im konventionellen Bereich, der allerdings nur teilweise Gegenstand der MBFR-Verhandlungen ist. Wie bei SALT zeigen auch diese Verhandlungen, daß es der Sowjetunion offenbar nicht um die Herbeiführung eines Gleichgewichts, sondern um den Ausbau ihrer Überlegenheit geht.
Herr Kollege Todenhöfer, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Herr Präsident, ich bin in außerordentlichen Zeitschwierigkeiten. Deswegen bitte ich, auf diese Frage zu verzichten — ausnahmsweise.Im übrigen stellt sich bei MBFR ganz nüchtern die Frage, ob durch diese Konferenz in ihrer jetzigen Konzeption, angesichts der regionalen Begrenzung und der Beschränkung auf Personalstärken, überhaupt jemals ein Mehr an Sicherheit in Mitteleuropa erreicht werden kann. Die regionale Beschränkung war angesichts der geostrategischen Asymmetrie von vornherein ein überaus problematischer Ansatz. Dies ist im Grundsatz längst erkannt, eine Korrektur erscheint nun allerdings — wie wir alle wissen — sehr schwer zu sein.Der wichtigste Aspekt für die Frage von Sicherheit und Vertrauen im Rahmen der MBFR-Verhand-
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Dr. Todenhöferlungen ist jedoch die Tatsache, daß die Sowjetunion die Zeit der Verhandlungen genutzt hat, um ihre bereits bestehende konventionelle Überlegenheit in Mitteleuropa beträchtlich auszubauen. Die Steigerung der Anzahl der Panzer von 13 000 auf ca. 20 000 ist das markanteste Beispiel der sowjetischen Aufrüstungspolitik in diesem Bereich.
Die Gefahren, die die konventionelle Unterlegenheit des Westens mit sich bringt, werden leider in der augenblicklichen öffentlichen Diskussion erheblich unterschätzt.
Das mag vielleicht häufig an mangelndem Wissen liegen; es reicht eben nicht aus, wenn die Bundesregierung gelegentlich ein oder zwei Hochglanzbroschüren herausgibt. Hier muß erheblich mehr getan werden. Warum hat die Bundesregierung zum Beispiel der Öffentlichkeit verschwiegen, daß die Sowjetunion während dieses Sommers 1981 das Großgerät — d. h. Panzer, Schützenpanzer, Kanonen usw. — für die Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland und für die Zentralgruppe der Sowjetarmee in Böhmen und Mähren praktisch verdoppelt hat? Schon die Information über diese Tatsache, die der Bundesregierung wohlbekannt ist, könnte die oftmals von Fakten ungetrübte friedenspolitische Diskussion in der Öffentlichkeit wesentlich versachlichen. Informieren Sie besser, dann wird auch die Diskussion in der Öffentlichkeit weniger emotional, sondern sachlicher geführt werden.
Eine konventionelle Schwäche hat darüber hinaus zur logischen Konsequenz eine Senkung der Schwelle des nuklearen Einsatzes.
Auch das wird in der öffentlichen Friedensdiskussion übersehen.
Je schwächer wir konventionell sind, desto größer ist die Gefahr, daß es eines Tages zu nuklearen Katastrophen kommt.Die Bundesregierung hat mehrfach offiziell erklärt, das Ziel ihrer Abrüstungspolitik sei „gleiche Sicherheit auf niedrigerem Niveau". Die bisherigen Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß auf Grund der Verschiebungen im militärischen Kräfteverhältnis zur Zeit „keine gleiche Sicherheit" zwischen West und Ost existiert.Um diese für den Westen und den Frieden in der Welt nicht akzeptierbare Lage zu ändern, gibt es zwei Möglichkeiten, erstens eine asymmetrische Abrüstung, d. h. eine Abrüstung, bei der der Ostblock auf Grund seiner militärischen Überlegenheit in weiten Bereichen stärker abrüsten muß als der Westen, oder — zweitens — die Nachrüstung im Westen.Wir geben ohne Wenn und Aber einer asymmetrischen Abrüstung zur Herstellung eines ausgewogenen Kräftverhältnisses auf niedrigerem Niveau den Vorzug, auch wenn dieser Ansatz wegen des Verhaltens der Sowjetunion nicht sehr erfolgversprechend ist, da das die Anerkennung der Asymmetrie durch die Sowjetunion voraussetzen würde. Dennoch: Es liegt ausschließlich an der Sowjetunion, eine westliche Nachrüstung überflüssig zu machen.Wenn allerdings die Sowjetunion zu einer Herstellung des Gleichgewichts durch asymmetrische Abrüstung nicht bereit ist, wird der Westen, um die Glaubwürdigkeit der Strategie der „abgestuften Abschreckung" wiederherzustellen, die notwendigen Nachrüstungsmaßnahmen durchführen müssen. Das bedeutet für die einzelnen Bereiche:Erstens. Im Bereich der strategischen Nuklearwaffen muß die uneingeschränkte Zweitschlagkapazität der landgestützten Interkontinentalraketen der USA wiederhergestellt werden. Dies erfordert eine ausreichende Dislozierung der MX-Rakete in einer möglichst kurzen Zeitspanne.Zweitens. Im Bereich der Grauzonenwaffen ist die Verwirklichung des NATO-Doppelbeschlusses unverzichtbar. Wir von der CDU/CSU unterstreichen noch einmal die Gleichgewichtigkeit beider Teile des NATO-Doppelbeschlusses.
Drittens. Bei den taktischen Nuklearwaffen unterstützen wir den Beschluß der amerikanischen Regierung, die Neutronenwaffe zu produzieren, nachdem die Sowjetunion auf die Aussetzung der Entscheidung durch Präsident Carter in keiner Weise positiv reagiert hat. Ich vermag der Kritik von Vertretern der SPD und FDP nicht zu folgen, die sowohl die geplanten westlichen Mittelstreckenwaffen als auch die Neutronenwaffe kritisieren, weil sie „anwendbarer" seien als die bisher vorhandenen Waffen. Ein potentieller Gegner kann nur durch Waffen abgeschreckt werden, deren Anwendung auch tatsächlich möglich ist. Wo liegt denn die abschrekkende Wirkung von Waffen, die niemals eingesetzt werden können?Herr Bahr hat die Neutronenwaffe als „Perversion des menschlichen Denkens" bezeichnet. Ich halte die moralische Bewertung einzelner Waffen ohnehin für sehr problematisch. Aber wenn Herr Bahr so argumentiert, muß er sich fragen lassen, ob er chemische Kampfmittel, über die die Sowjetunion in hohem Maße verfügt und die sie in Afghanistan erbarmungslos einsetzt, etwa für moralisch höherwertig hält.
Lassen Sie mich noch ein Argument anführen, das bei der Diskussion über die Einführung der Neutronenwaffe leider selten zu hören ist: Ein Verhandlungsergebnis bei MBFR mit einer Verringerung der Panzerüberlegenheit des Warschauer Pakts hätte die Einführung der Neutronenwaffe überflüssig gemacht. Die Sowjetunion hat sich die Einführung der
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Dr. TodenhöferNeutronenwaffe durch ihre hemmungslose Aufrüstungspolitik selbst zuzuschreiben.
Viertens. Erforderlich ist, falls es nicht zu einer asymmetrischen Abrüstung kommt, nicht nur die Stärkung des Westens im nuklearen Bereich. Es muß auch etwas getan werden, um die dramatische Überlegenheit des Warschauer Pakts im Bereich der konventionellen Kräfte — insbesondere in Verbindung mit der sowjetischen Überlegenheit bei den chemischen Kampfstoffen — abzubauen.In der Öffentlichkeit und hier im Parlament wurde mehrfach die Forderung erhoben, der Westen solle Vorleistungen erbringen und dadurch ein Signal geben, um im Sinne der KSZE-Schlußakte die Bildung von Vertrauen zu beschleunigen. Hierbei wird übersehen, daß der Westen bereits eine Reihe von Vorleistungen erfolglos erbracht hat:Erstens. Die USA haben die Entscheidung über den Bau der Neutronenwaffe ausgesetzt — ohne Gegenleistung der Sowjetunion.Zweitens. Die Regierung Carter hat auf den Bau des Bombers B-1 verzichtet — ohne Reaktion der Sowjets.Drittens. Die USA haben in der Folge des Nachrüstungsbeschlusses 1 000 taktische Nuklearsprengköpfe aus Europa abgezogen, ohne daß dies von der Sowjetunion honoriert worden wäre.Wie hat denn der Warschauer Pakt mit der Führungskraft Sowjetunion auf diese Vorleistungen reagiert? Sie von der SPD/FDP kennen doch die Antwort; auch Herr Brandt muß sie kennen. Es gab keine Reaktion, sondern es gab im Gegenteil eine Fortsetzung der ungehemmten Aufrüstung zusammen mit einer Außen- und Sicherheitspolitik, die von einer zunehmenden Risikobereitschaft der Sowjetunion gekennzeichnet ist. Ich frage Sie erneut: Wo ist hier ein Ansatz für Vertrauen erkennbar?Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich fasse zusammen. Das Verhalten der Sowjetunion in der gesamten Welt ist nicht geeignet, das entscheidende Ziel des abrüstungspolitischen Teils der KSZE-Schlußakte — Vertrauen zwischen den Vertragspartnern in Ost und West — sicherzustellen. Seit 1975, seit der Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki, ist entgegen den Beteuerungen der Bundesregierung der Frieden in der Welt unsicherer geworden. Die Verantwortung hierfür hat allein und ausschließlich die Sowjetunion.Der Warschauer Pakt hat heute gegenüber der NATO im Bereich der Kampfpanzer in Mitteleuropa eine Überlegenheit von 3:1, im Bereich der nuklearen Kurzstreckenraketen in Europa eine Überlegenheit von 4:1, im Bereich der Sprengköpfe atomarer Mittelstreckenraketen eine Überlegenheit von 8:1 und im Bereich der chemischen Waffen eine Überlegenheit von 10:1.Angesichts dieser Kräfteverhältnisse ist es einfach unerträglich, wenn linke Gruppen in Deutschland — auch Mitglieder dieses Hauses — Herrn Breschnew als einen um den Weltfrieden zitternden Friedenspolitiker darstellen und den amerikanischen Präsidenten Reagan als Kriegstreiber. Das ist unerträglich!
Die Sowjetunion verletzt Geist und Buchstaben der KSZE-Schlußakte nicht nur durch die Unterdrückung der Menschenrechte im eigenen Lande und im Ostblock, sondern eben auch durch ihre Hochrüstungspolitik und durch ihre unmenschlichen machtpolitischen Aktivitäten in der Dritten Welt — leider, muß ich sagen, maßgeblich unterstützt durch die Regierung der DDR.Die Tatsache, daß diese Verstöße gegen die KSZE-Schlußakte von der Bundesregierung und — wie die Rede des Kollegen Brandt gezeigt hat — von der SPD nicht in aller Deutlichkeit angesprochen werden, führt doch zu der Frage, ob hier nicht schon bedenkliche Anzeichen eines kleinmütigen Wohlverhaltens gegenüber einem überstark gewordenen Nachbarn vorliegen.Abschließend möchte ich allerdings auch folgendes feststellen. Die Bundesregierung findet die CDU/CSU an ihrer Seite, wenn es im Interesse des Friedens darum geht, eine realistische Abrüstungspolitik auf der Basis des Gleichgewichts durchzuführen. Wir sind bereit, in den zuständigen parlamentarischen Gremien an einer umfassenden abgestimmten Konzeption westlicher Abrüstungspolitik mitzuarbeiten. Das gilt — ich wiederhole es — ganz besonders bei der Suche nach vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Ost und West. Auch der kleinste Schritt auf dem Wege zur Abrüstung setzt ein Mindestmaß an Vertrauen in die Politik der Sowjetunion voraus. Es ist Aufgabe der Sowjetunion, dieses Vertrauen herzustellen, und es ist Aufgabe der Bundesregierung, dies der Sowjetunion mit größerem Nachdruck als bisher deutlich zu machen. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich erteile dem Herrn Bundesminister des Auswärtigen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Grundlage der heutigen Debatte bilden die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU und die schriftliche Antwort der Bundesregierung. Als Abgeordneter habe ich selbst zu denjenigen gehört, die sich dafür eingesetzt haben, daß Große Anfragen schriftlich beantwortet werden, damit dem Parlament der Vortrag der Antwort erspart wird. Ich frage mich heute, ob das wirklich der richtige Weg war. Die beiden Kollegen der CDU/CSU, der anfragenden Fraktion, die hier gesprochen haben, haben sich an keiner Stelle mit der Antwort der Bundesregierung auseinandergesetzt.
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2762 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Bundesminister GenscherMeine Damen und Herren, wenn man an der Antwort, was ich hoffe, nichts zu beanstanden hätte, wäre es gut, wenn man das auch ausdrücklich sagt. Das könnte ja auch eine Basis für eine solche Debatte sein.Ich denke, daß diese Debatte, die sich ihrem Thema nach mit dem KSZE-Prozeß, der Arbeit auf der Grundlage der Schlußakte von Helsinki befaßt, ein Anlaß sein könnte, in der Tat zu würdigen, ob der 1975 eingeschlagene Weg richtig oder falsch war. Es hat hier im Deutschen Bundestag über diese Frage damals zwei große Debatten gegeben. Die Regierungsparteien haben die Bundesregierung damals ermutigt, in Helsinki ihre Unterschrift unter dieses Dokument zu setzen. Die Fraktion der CDU/CSU hat die Bundesregierung mit einem Antrag hier im Deutschen Bundestag aufgefordert, ihre Unterschrift unter diese SchluBakte zu verweigern.
Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Graf Huyn?
Bitte, Herr Kollege.
Herr Bundesminister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich in den wesentlichen Teilen meiner Rede durchaus auf all das eingegangen bin, was in der Antwort der Bundesregierung deutlich wird, und sind Sie bereit, auch zur Kenntnis zu nehmen, daß ich ausweislich des Protokolls wörtlich erklärt habe:
Die Antwort auf die Große Anfrage unserer Fraktion zum Stand der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die, wenn auch nicht in allen Punkten erschöpfend, so doch in großen Passagen durchaus realistisch ist, zeigt, daß auch die Entspannungsillusionen zerstoben sind.
Ich habe also zu der Antwort der Bundesregierung durchaus Stellung genommen.
Herr Kollege, wenn Sie den zweiten Halbsatz nicht dazugesagt, sondern anerkannt hätten, daß sich diese Antwort im Rahmen der Erwartungen hielt, die die Bundesregierung von Anfang an in den KSZE-Prozeß gesetzt hat, dann wäre, glaube ich, die Würdigung — aber das ist natürlich Ihre Sache —
positiver gewesen.
Herr Kollege Wörner, der Herr Kollege Brandt hat hier aus der Antwort der Bundesregierung bereits etwas vorgelesen, was auch ich noch einmal vorlesen muß. Da ist am 11. und 12. Dezember 1980 vom NATO-Ministerrat, von den Außenministern aller NATO-Staaten, gesagt worden:
Die Verbündeten halten den durch die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa ... in Gang gesetzten Prozeß als wertvollen Rahmen für die Verbesserung der Sicherheit und für die Entwicklung der Zusammenarbeit in Europa auf der Grundlage der vollen Durchführung der in Helsinki eingegangenen Verpflichtungen für bedeutsam. Sie bleiben der Fortsetzung des KSZE-Prozesses über das gegenwärtige Folgetreffen in Madrid hinaus verpflichtet.
Das ist die Auffassung aller Mitgliedstaaten des westlichen Verteidigungsbündnisses, der Amerikaner wie der Deutschen, der Norweger wie der Portugiesen.
— Herr Kollege Mertes, da Sie sagen „Und dieses Hauses!", frage ich mich, ob es dann wirklich angemessen ist, wenn hier von Herrn Kollegen Graf Huyn gesagt wird, nichts ist erreicht worden. Ich kann mich daran erinnern, daß es eine der ganz unmittelbaren Auswirkungen der Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki war, daß noch dort am Platz mit der damaligen Führung der Volksrepublik Polen die Vereinbarung über die Ausreise von 125 000 Deutschen aus der Volksrepublik Polen zustande kam. Wir haben damals im Deutschen Bundestag und auch im Bundesrat eine lange Diskussion über die Frage gehabt, was denn nun geschehe, wenn dieses Protokoll abgelaufen ist, über die Frage, ob die sogenannte Öffnungsklausel beachtet wird, ob dann weiter Ausreisen möglich sind. Wenn Sie sich einmal ansehen, was nach dem Ablauf geschehen ist, so können wir sagen: Auch die Öffnungsklausel wird praktiziert.
Nun frage ich nur an Hand dieses einen Beispiels: Kann man wirklich sagen, da sei nichts erreicht worden? Für jeden einzelnen dieser unserer Mitbürger war das sehr viel an persönlicher Freiheit und persönlicher Entscheidung, was er durch jene damalige Vereinbarung verwirklichen konnte.
Herr Bundesminister, Herr Abgeordneter Graf Huyn möchte eine Zwischenfrage stellen.
Ich würde gern meinen Gedankengang zu Ende führen. Bitte lassen Sie mich weiterreden, Herr Kollege Graf Huyn.Meine Damen und Herren, nun ist hier ein Zwischenruf gemacht worden, der besagte, diese Vereinbarung sei doch getrennt davon, sie sei nicht eine Wirkung der Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki. — Ich habe damals die Meinung vertreten und vertrete auch heute die Meinung: Wir hätten diese Vereinbarung einschließlich der Öffnungsklausel weder damals noch später zustande bringen können, wenn wir nicht mit der Schlußakte von Helsinki Regeln für das Zusammenleben der Staaten in Europa geschaffen hätten, die dies möglich machten, auch für ein Land, das im Rahmen seines politischen
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Bundesminister Genscherund militärischen Systems j a auch nicht gänzlich frei über Fragen von dieser Bedeutung mit Ja oder Nein entscheiden kann.
Deshalb wollen wir bitte bei der Einschätzung des Prozesses, den wir alle realistisch mit seinen Fortschritten und dem, was offenbleibt, sehen, eines nicht unterschätzen. Das muß ich Herrn Kollegen Todenhöfer sagen, der hier vornehmlich über Fragen des militärischen Bedrohungspotentials, worauf ich noch kommen werde, gesprochen hat. Ja, Herr Kollege Todenhöfer — darüber hat die Bundesregierung hier vor dem Hohen Hause oft gesprochen —, wir sind besorgt über zunehmende Spannungen in der Welt, wir sind besorgt darüber, daß eine zunehmende Rüstung auf der östlichen Seite uns zwingt, im Interesse der eigenen Sicherheit Entscheidungen zu treffen, die wir lieber im Wege der Abrüstung, und zwar einer gleichgewichtigen Abrüstung, vermeiden würden. Aber auch wenn wir das feststellen und sagen, so können wir auf der anderen Seite doch auch nicht verkennen, daß uns jedenfalls in Europa — das ist eine der Auswirkungen der Schlußakte von Helsinki und des damals eingeleiteten multilateralen Entspannungsprozesses — ein stärkeres Durchschlagen der internationalen Spannungen erspart geblieben ist. Wir haben dies am Jahrestag des Berlin-Abkommens doch eben selbst alle gemeinsam für Berlin feststellen können, das für uns immer ein Testfall, auch was die Lage der Entspannung und Zusammenarbeit in Europa angeht, war.
Deshalb denke ich, daß wir in dieser Debatte darangehen sollten, ganz nüchtern den Stand der Madrid-Konferenz zu prüfen und uns anzusehen: Was ist dort möglich, was kann man schaffen, und was muß sonst in der Welt geschehen, damit die Sorgen von den Menschen genommen werden, die die Menschen heute überall bedrücken, nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Teilen der Welt? Dabei sind wir uns immer dessen bewußt, daß diejenigen, die im anderen Teil Europas wohnen, ihre Sorge um den Frieden nicht so artikulieren und zum Ausdruck bringen können, wie sie es gern möchten.Die Madrider Folgekonferenz hat ihre Arbeiten am 11. November 1980 begonnen. Angesichts der erheblichen Bedeutung, die wir diesem Folgetreffen beigemessen haben, habe ich zusammen mit 15 anderen Außenministern aus westlichen, neutralen und ungebundenen Ländern dort gesprochen und die Eingangserklärung der Bundesrepublik abgegeben.
Wir haben in dieser Phase des Treffens dargelegt, was uns befriedigt, was uns enttäuscht und was wir erwarten. Wir haben das j a auch noch einmal in der schriftlichen Antwort ausgeführt. In den folgenden Wochen sind die Ausführungen, die ich dort gemacht habe, durch unsere Delegation vertieft worden.In der zweiten Phase des Treffens, die am 27. Januar 1981 begann, stand die Verhandlung weiterführender Vorschläge aller Beteiligten im Vordergrund.Das Treffen hat, bis es sich am 28. Juli 1981 auf den 27. Oktober vertagt hat, etwa 70 % der Verhandlungsmaterie aufgearbeitet. „Aufgearbeitet" heißt, daß wir uns auch hier wieder in Übereinstimmung mit all unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft befinden und im Bündnis unser Urteil gemeinsam abgeben; da gibt es keine isolierte deutsche Position.Die bisherigen Verhandlungsergebnisse stehen unter dem Vorbehalt einer Regelung aller ausstehenden Fragen. Unter den vorläufigen Verhandlungsergebnissen befinden sich wichtige Ergänzungen zu den Texten der Schlußakte von Helsinki auf den Gebieten der menschlichen Kontakte. Wenn diese gemeinsamen Vereinbarungen in ein ausgeglichenes Schlußdokument von Madrid eingehen — das ist doch die große Bedeutung dieser Schluß-akte —, werden sie die bilateralen Bemühungen der Bundesregierung auf diesem zentralen Gebiet unserer Politik, nämlich auf dem Gebiet der menschlichen Erleichterungen, gegenüber den Staaten in Osteuropa wirksam unterstützen.Eine Schlüsselfrage der Madrider Konferenz ist die Einsetzung einer Konferenz für Abrüstung in Europa. Bisher ungelöst ist hier die Frage nach dem Anwendungsgebiet der vertrauensbildenden Maßnahmen, die diese Konferenz beschließen kann und soll. Am 27. Juli haben die Vereinigten Staaten in Madrid für den Westen in seiner Gesamtheit vorgeschlagen, daß vertrauensbildende Maßnahmen auf dem ganzen europäischen Kontinent gelten sollen und daß, soweit der angrenzende See- und Luftraum betroffen ist, auch diejenigen militärischen Aktivitäten eingeschlossen werden, die einen integralen Teil von anzukündigenden Aktivitäten auf dem Kontinent bilden. Die Vertagung des Treffens war notwendig, weil sich die Sowjetunion vor der Sommerpause zu einer Zustimmung zu diesem Vorschlag nicht verstehen konnte.Wir halten ungeachtet dieser Tatsache eine Gesamteinigung in Madrid für notwendig und möglich. Voraussetzung dafür ist der Wille aller Teilnehmerstaaten, auf dem Boden der Schlußakte zu gegenseitig akzeptablen Ergebnissen zu kommen.Ich möchte im Namen der Bundesregierung auch von dieser Stelle aus meinen Appell an alle Teilnehmerstaaten wiederholen, die bis zur Wiedereröffnung des Madrider Treffens verbleibende Zeit dazu zu nutzen, die Voraussetzungen für den Erfolg dieses Treffens zu schaffen. Die Bundesregierung wird mit ganzer Kraft auf einen solchen Erfolg hinarbeiten. Wir haben darüber intensive Konsultationen nicht nur mit unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft, mit unseren Verbündeten, sondern wir nehmen auch die Gelegenheit wahr, in Gesprächen mit den Regierungen des Warschauer Pakts vorbereitend für ein positives Abschlußergebnis zu arbeiten; ich werde das wiederum bei meinen Begegnungen in New York in der übernächsten Woche tun.Ich denke, daß wir in dieser Phase eine Bilanz des KSZE-Prozesses vornehmen und zugleich einen Ausblick auf die Zukunft geben sollten.
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2764 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Bundesminister GenscherFür die Bundesregierung führt das zu der ersten Feststellung, meine Damen und Herren: Es war richtig, daß die Bundesrepublik Deutschland an der Erarbeitung der Schlußakte von Helsinki mitgewirkt und daß sie die Schlußakte unterzeichnet hat.
Ich denke, daß im Interesse eines gemeinsamen Handelns auf der Grundlage dieser Schlußakte — Kollege Graf Huyn hat hier ja gesagt, auch die CDU/ CSU akzeptiere die Gültigkeit dieser Schlußakte — die Fraktion der CDU/CSU noch einmal prüfen sollte, ob sie wirklich bei dem Satz bleibt, der in der schriftlichen Begründung ihres damaligen Antrags, daß wir nicht unterschreiben sollten, steht, nämlich:Die Ergebnisse der KSZE drohen zu Instrumenten zur Durchsetzung langfristiger sowjetischer Ziele, insbesondere in ganz Deutschland zu werden, die elementaren Interessen des Westens in Europa zuwiderlaufen.Wer die Lage damals und heute, wer bestimmte Entwicklungen in anderen Teilen Europas sieht — ich will das nicht näher darlegen —, wird eines ganz sicher nicht bestreiten können — was ich damals in der Debatte gesagt habe —: Die Einhaltung der Schlußakte von Helsinki stellt uns, den Westen, nicht vor Probleme. Die Probleme sind woanders zu lösen, sicher mit großen Schwierigkeiten.Deshalb möchte ich sagen, daß die düstere Prognose, die Sie damals gegeben haben, nicht nur nach dem Urteil der Bundesregierung, sondern auch, wie ich zitiert habe, nach der Meinung aller Staaten des westlichen Bündnisses nicht richtig gewesen ist und daß wir vielmehr in dem Bemühen fortschreiten sollten, die Anwendung der Schlußakte dazu zu nutzen, daß in einem, wie wir wissen, langwierigen und auch langfristig angelegten Prozeß Schritt für Schritt alle die Fortschritte in Europa erzielt werden, die wir für die Menschen in Europa wollen.Ich denke, auch Sie, die Sie das damals nicht wollten, die Sie sich heute aber auf diese Grundlage stellen, werden die Erfahrung gemacht haben, daß Ihnen Gesprächspartner aus dem Warschauer Pakt sagen — jetzt meine ich nicht offizielle, sondern ganz normale Bürger in den kommunistischen Staaten —: Ja, diese Schlußakte von Helsinki, von deren Erfüllung wir noch vieles erwarten, ist trotzdem für uns ein gutes Dokument, auf das wir uns berufen können.Wer hätte sich vor zehn Jahren vorgestellt, daß entsprechend der Ausführung der Schlußakte diese Schlußakte im Bewußtsein der Menschen in Osteuropa auch dadurch zu einem offiziellen Dokument wird, daß es in der dortigen Presse veröffentlicht wurde, was vielen Bürgern dort Gelegenheit gegeben hat, sich darauf zu berufen, wobei wir wissen — das verschweigen wir an keiner Stelle —, daß die Konsequenzen, die sich daraus für manchen ergeben haben, genau im Gegensatz zu den Verpflichtungen stehen, die die andere Seite auf sich genommen hat? Das ist Gegenstand der Besprechungen, die wir in Madrid führen. Aber wann vorher haben wir eineLegitimation gehabt, auch über diese Fragen zu sprechen?Zweitens stelle ich fest: Die KSZE-Schlußakte ist kein Ende des KSZE-Prozesses. Sie ist ein Anfang. Die Fortsetzung dieses Prozesses bedarf dauernder aktiver Anstrengungen aller Beteiligten.Drittens. In der heutigen Situation kommt der Fortführung des KSZE-Prozesses im Rahmen unserer Politik der aktiven Friedenssicherung besondere Bedeutung zu.
Verzeihen Sie, Herr Bundesminister. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jäger ?
Gerne.
Herr Bundesminister, sollten Sie dem Satz über das gute Dokument, für das so viele Menschen, vor allem im Ostblock, die KSZE-Schlußakte nach Ihrer Auffassung halten, doch nicht auch hinzufügen, wie viele Jahre Haft, Zuchthaus und andere Drangsale allein die Berufung auf dieses Dokument Tausenden und Abertausenden von Menschen in Helsinki-Gruppen und ähnlichen Gruppen schon eingebracht hat?
Herr Kollege, habe ich das nicht gerade erwähnt? Habe ich es nicht gerade als eine Verletzung eben dieser Verpflichtungen bezeichnet, daß es Menschen gibt, die dort deshalb verfolgt worden sind? Und trotzdem können wir alle nicht daran vorbeigehen, daß der KSZE-Prozeß natürlich doch Wirkungen gehabt hat, die weit über das hinausgehen, was ich anfangs erwähnte, nämlich die Ausreise von Deutschen aus der Volksrepublik Polen. Sie wissen alle: Es gibt noch andere Bewegungen, die uns auch sehr am Herzen liegen, Menschen, die zu uns kommen können, wo wir immer wieder unter Berufung auf die Schlußakte unsere Wirkungen erzielen. Das nimmt nichts weg von dem, was wir da in gemeinsamer Sorge haben und was Sie zum Ausdruck gebracht haben.Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag hat in seiner Entschließung am 25. Juli 1975 festgestellt, daß die KSZE den bisher umfassendsten Versuch einer Zusammenarbeit auf zahlreichen Gebieten zwischen 35 Staaten mit verschiedener Gesellschaftsordnung darstellt und daß sie die völkerrechtlichen Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens in Europa bekräftigt. Die Schlußakte von Helsinki hat — und das wollen wir nicht gering einschätzen — die Themen der Menschenrechte und die menschlichen Erleichterungen auf die internationale Tagesordnung gesetzt. Die Schlußakte hat auch die Rolle der Vereinigten Staaten und Kanadas als Teilnehmer am Prozeß der Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa verankert. Der KSZE-Prozeß hat im westlichen Bündnis, in der Europäischen Gemeinschaft seine positiven Auswirkungen auf unsere Zusammenarbeit — übrigens in den Grundfragen, die uns bewegen: der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit, unseren Wertvorstellungen —
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2765
Bundesminister Genschermit den neutralen und ungebundenen Staaten gehabt.Die Schlußakte hat den Ansatz für die notwendige Brücke geschaffen von der politischen zur militärischen Sicherheit. Sie hat unsere bilaterale Vertragspolitik mit unseren westlichen Nachbarn fortgesetzt und ergänzt.Die Schlußakte der KSZE konnte — das wußten wir und haben es auch damals gesagt — den Grunddissens zwischen Ost und West nicht beseitigen, noch konnte sie über Nacht tiefgreifende Verbesserungen bewirken. Auch das hat der Deutsche Bundestag damals zum Ausdruck gebracht.Meine Damen und Herren, deshalb ist es so wichtig, daß wir die Folgekonferenz — und da darf die in Madrid nicht die letzte sein; weitere müssen folgen —
immer wieder nutzen, um durchzusetzen, daß die Absichtserklärungen Schritt für Schritt Wirklichkeit werden.Wir wollen dabei unsere Sorge über Rückschläge nicht verschweigen, die seit dem ersten KSZE-Folgetreffen unser Verhältnis belasten. Meine Damen und Herren, wir haben dazu auch in der schriftlichen Antwort Stellung genommen. Ich unterstreiche ganz ausdrücklich, daß diese Schlußakte nicht nur Maßstäbe für das Verhalten der Teilnehmerstaaten gegeneinander setzt, sondern auch für ihr Verhalten überall in der Welt.Im Bereich der vertrauensbildenden Maßnahmen hat sich inzwischen das Projekt einer europäischen Abrüstungskonferenz entwickelt. Wir sind aber der Meinung, daß auch Korb 2 über die wirtschaftliche Zusammenarbeit bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Die Ausweitung des Handels, die langfristige Kooperation, die Vermehrung der Geschäftskontakte können Interdependenz schaffen und das Interesse aller Beteiligten vergrößern, die Vorteile der wirtschaftlichen Zusammenarbeit nicht durch ihr Verhalten in anderen Bereichen der Politik zu stören.Breite Entwicklungsmöglichkeiten enthalten die Erklärungen in Korb 3 über die Zusammenführung von Familien, persönliche Reisen, Jugendbegegnungen, Sporttreffen, über den Informationsaustausch, über die Arbeitsbedingungen von Journalisten, über die Möglichkeiten der kulturellen Zusammenarbeit. Da steckt noch vieles in den Anfängen, was hier erreicht wurde. Trotzdem wollen wir es nicht kleinschreiben.Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage enthält auf Seite 9 eindrucksvolle Zahlen zur Familienzusammenführung. Sie enthält in ihrer Anlage 3 Ziffern zur Entwicklung des Besucherverkehrs. In Madrid sind nach dem bisherigen Verhandlungssstand Regelungen vorgesehen, die gerade für diesen Bereich, der uns menschlich so stark berührt, weitere Verbesserungen bringen können.Herr Präsident, meine Damen und Herren, gerade in der gegenwärtigen Situation, in der das Ost-WestVerhältnis schweren Belastungen ausgesetzt ist,messen wir angesichts dieser krisenhaften Entwicklung der Fortsetzung des KSZE-Prozesses eine besondere Bedeutung zu. Die Bereitschaft der 35 Teilnehmerstaaten, unter ihnen die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten, auf der Grundlage der Schlußakte von Helsinki zu einem offenen Dialog zusammenzukommen und sich um Verbesserungen im Bereich der Sicherheit und Zusammenarbeit zu bemühen, stellt auch ein Stück Hoffnung für die Zukunft dar.Meine Damen und Herren, letztlich ist das Zustandekommen der Schlußakte und der darauf gegründete dynamische und sich nicht gegen uns auswirkende, sondern für uns arbeitende Prozeß ein Beispiel für die Fähigkeit der westlichen Staaten, realistische Möglichkeiten für Entspannung und Zusammenarbeit zu nutzen und dabei auch ihr Vertrauen in langfristig für uns arbeitende Entwicklungen zu setzen.
Meine Damen und Herren, der Erfolg der Schlußakte war möglich, weil der Westen zusammengewirkt hat und seine eigenen Interessen mit Festigkeit vertreten hat, aber auch, weil er Augenmaß für die Probleme der anderen Seite und ihrer Bewegungsmöglichkeiten gezeigt hat. Wie die Schlußakte von Helsinki so ist der Gesamtbestand dessen, was da in der Entspannungspolitik erreicht worden ist, nur möglich gewesen, weil wir das zusammen mit unseren Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und im Nordatlantischen Bündnis getan haben. Ich denke, die Annahme, deutsche Interessen im Alleingang vielleicht besser verfolgen zu können, würde die Grundlagen unserer gesamten Politik in Frage stellen.
Auch die Sicherung unserer besonderen Belange in der deutschen Frage und im Rahmen der Entspannungspolitik ist nicht trotz des Zusammenwirkens mit unseren westlichen Partnern, sondern nur im Zusammenwirken mit ihnen überhaupt erst möglich geworden.
Und das gilt ganz besonders für Berlin. Wir haben in der vergangenen Woche den zehnten Jahrestag der Unterzeichnung des Viermächteabkommens gewürdigt, das entscheidend zur Stabilisierung der Lage in und um Berlin beigetragen hat. In der Entschließung des Deutschen Bundestages vom 25. Juli 1975 hat der Deutsche Bundestag festgestellt, daß das Viermächteabkommen eine wesentliche Funktion auch für die Entspannungspolitik in Europa hatte.Meine Damen und Herren, am kommenden Sonntag wird der amerikanische Außenminister im Rahmen eines Deutschlandbesuches auch nach Berlin reisen. Ich möchte hier ganz ausdrücklich sagen, daß die Bundesregierung diesen Besuch begrüßt und daß wir den Außenminister der Vereinigten Staaten
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Bundesminister Genscherals unseren Verbündeten und unseren Freund in Deutschland begrüßen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir tun das in dem Bewußtsein der Übereinstimmung unserer Auffassungen mit der ganz, ganz großen Mehrheit unseres Volkes.
Verzeihen Sie, Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wörner?
Dieser Besuch unterstreicht die amerikanische Schutzgarantie für Berlin, ohne die diese Stadt keine Zukunftsperspektive hätte. Die Kampagne gegen diesen Besuch schadet den Interessen Berlins und der Deutschen insgesamt. Und deshalb verurteilen wir sie.
Verzeihen Sie, Herr Bundesminister. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wörner?
Aber selbstverständlich.
Herr Bundesminister, ich möchte nichts von dem zerreden, was Sie eben unter Zustimmung aller Teile des Hauses gesagt haben,
aber meine Frage geht dahin, wie Sie als Parteivorsitzender der FDP es hinnehmen können, nicht nur mit verbalen Attacken ablehnen, daß sich auch Teile Ihrer eigenen Partei an diesen Demonstrationen beteiligen.
Also der Vorsitzende ist er wohl nicht. Herr Kollege, nun seien Sie doch etwas klarer. Herr Kunze hat wie ich den Besuch des amerikanischen Außenministers begrüßt.Ihnen, Herr Kollege Wörner, möchte ich sagen: Wenn ich mich hier gegen diejenigen wende, die diese Kampagne in Gang setzen, dann ist es mir völlig gleichgültig, aus welchem politischen Lager sie kommen. Ich verurteile ihr Verhalten auch dann, wenn sie der eigenen Partei angehören. Das ist das Wesentliche.
Für diese Partei stehe ich hier als Vorsitzender.Meine Damen und Herren, wenn wir schon über das Thema reden, dann denke ich, daß wir Anlaß haben, vielleicht doch noch etwas tiefer zu bohren. Ich meine, daß es wohl notwendig geworden ist, daß wir die Bedeutung der Diskussion, worüber Herr Kollege Brandt heute gesprochen hat — ich meine die Friedensdiskussion unseres Landes —, die die Menschen bewegt, alle, die jüngeren, gewiß genauso auch diejenigen, die die schrecklichen Erfahrungen des letzten Krieges als Kinder oder schon auch als Soldaten erlebt haben, nicht unterschätzen. Wir sollten diese Diskussion mit dem Realismus führen, der notwendig ist, damit nicht aus der richtigen Sorge um den Frieden die falsche Konsequenz für seine Sicherung gezogen wird. Das heißt, daß wir über das informieren, was hier und drüben ist.Deshalb war es das Anliegen der Bundesregierung — etwa bei ihrem Vorschlag, auf die sowjetische Vorrüstung mit Mittelstreckenraketen einmal durch Nachrüstung und zum anderen parallel dazu durch ein Verhandlungsangebot zu reagieren —, zu zeigen, daß dort etwas ist, was unsere Sicherheit bedroht, und daß wir auf der anderen Seite entschlossen sind, darauf zu reagieren. Wir wollten damit nicht nur in die Reaktion einmünden, nun unsererseits nachzurüsten und damit, ohne eine Bemühung, einen Rüstungswettlauf zu verhindern, nur die militärische Seite zu sehen. Wir haben vielmehr gleichgewichtig dazu unser Verhandlungsangebot unterbreitet.Wir haben nur die Hoffnung, daß jetzt bei den Gesprächen, die in New York stattfinden, der Grundstein für realistische Verhandlungen über die Mittelstreckenraketen gelegt werden kann. Da muß ich sagen, daß wir mit diesem Herbst 1981 große Erwartungen verbinden, die z. B. dann erfüllt werden könnten, wenn die Sowjetunion die Verhandlungen über die Mittelstreckenraketen erleichtern würde, wenn sie wenigstens jetzt ihre Vorrüstung stoppen würde. Das würde das Problem noch nicht lösen — der Bundeskanzler hat hierzu im Deutschen Bundestag Ausführungen gemacht —, aber es würde diese Verhandlungen erleichtern. Ich denke auch — hierüber spreche ich im Gesamtzusammenhang der Schlußakte von Helsinki —, daß es dringlich notwendig ist, den Grundsatz der Mäßigung, der Zurückhaltung in allen Teilen der Welt stärker zu betonen.
Die Außenminister der Europäischen Gemeinschaft haben vor einigen Wochen erneut einen Vorschlag — der Europäische Rat hat ihn sich zu eigen gemacht — für eine friedliche und politische Lösung für das besetzte Afghanistan unterbreitet. Ein konstruktives Eingehen der Sowjetunion auf diesen Vorschlag könnte ein wesentlicher Beitrag zur Vertrauensbildung sein. Ich denke, das gehört alles mit in die Diskussion hinein.Es gibt einige, die uns in der öffentlichen Diskussion sagen, es könne sich für die Sowjetunion geradezu ein Zwang ergeben, praktisch in eine Abrüstung hineinzugehen, wenn wir nicht den Weg der Nachrüstung gingen, sondern nur verhandelten; man könne sogar erwarten, daß aus einem Verzicht auf eigene Sicherheitsanstrengungen sozusagen
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2767
Bundesminister Genschereine psychologische Lage in der Sowjetunion entstehen könnte, die sie dann veranlasse, ihre Rüstungsanstrengungen zu reduzieren.Ich darf daran erinnern, daß in den 70er Jahren in drei wesentlichen Fragen die Regierung der Vereinigten Staaten Entscheidungen getroffen hat, die für die Sowjetunion eine Ermutigung hätten sein können, ihre Rüstungsanstrengungen zu reduzieren. Das eine war die Abschaffung der Wehrpflicht in den Vereinigten Staaten. Das zweite war der Verzicht auf den Bau des B-1-Bombers. Das dritte war die Zurückstellung der Entscheidung über die Produktion der Neutronenwaffe 1978. Ich bin heute unverändert der Meinung, daß die Sowjetunion in allen drei Fällen eine historische Chance versäumt hat;
eine Chance, die aber immer noch einholbar ist. Das ist der Gegenstand der Verhandlungen.
Ich würde nun, nachdem ich die Rede von Herrn Kollegen Todenhöfer gehört habe, ihn fragen wollen, welche Konsequenzen er aus seinen Darlegungen zu diesem Thema — aus denen in vielen Punkten eine ähnliche Besorgnis heraussprach — für die Politik zieht. Die Bundesregierung hat sie gezogen. Sie hat sie gezogen, indem sie der Meinung ist, daß die Fortsetzung dieses KSZE-Prozesses, die Unterstützung der amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen, die MBFR-Verhandlungen und das Bemühen, nach Wegen zu suchen, wie die Frage der konventionellen Überlegenheit über das hinaus, was bei MBFR verhandelt wird, in die Rüstungskontrolle einbezogen werden kann, um auf der anderen Seite im Sinne einer Vermeidung auch Auswirkungen im Bereich der Neutronenwaffen zu erzielen. Die Bundesregierung hat diese Konsequenz gezogen.Ich denke, daß wir uns doch alle eigentlich nicht damit zufriedengeben dürfen, festzustellen, daß nach unserer Überzeugung drüben zuviel gerüstet wird, sondern daß zwei Dinge zusätzlich notwendig sind: einmal die eigene Entschlossenheit, das für die eigene Sicherheit Notwendige zu tun, und auf der anderen Seite jede Möglichkeit der Verhandlung zu nutzen. Alle die Kontakte, bis hin zu dem Besuch des sowjetischen Generalsekretärs Breschnew hier in Bonn in diesem Jahr, sind j a der Versuch, in diesen Gesprächen von der Notwendigkeit der Abrüstung zu überzeugen.Wenn wir hier unsere Rolle in Europa in der Geschichte ganz richtig sehen, dann denke ich, daß wir auch dort, wo wir der Meinung sind, daß das Maß der sowjetischen Rüstung sich nicht mehr an den eigenen Sicherheitsbedürfnissen orientiert und deshalb nicht einen defensiven, sondern offensiven Charakter hat, immer wieder daran denken sollten, daß es in der Sowjetunion ganz sicher viele Menschen gibt, die ein höheres Sicherheitsbedürfnis als gerechtfertigt ist, auch auf Grund einer geschichtlichen Erfahrung haben, die darin besteht, daß einmal in deutschem Namen ein Krieg gegen die Sowjetunion geführt worden ist. Für mich ist die psychologische Seite dieser Frage von erheblicher Bedeutung. Dasnimmt von einer realen Einschätzung der militärischen Kräfteverhältnisse nichts weg. Aber ich möchte erreichen, daß wir jede Verhandlungsmöglichkeit, jede Gesprächsmöglichkeit auch dazu nutzen, jeden einzelnen drüben in der Sowjetunion, ob er an einer führenden Stelle oder in einer anderen Etage Verantwortung trägt, jedenfalls davon zu überzeugen, daß hier in diesem Lande, auch wenn wir andere Vorstellungen vom Kräfteverhältnis haben, auch wenn wir eine gänzlich andere Gesellschaftsordnung und in vielen Fragen eine extrem andere Auffassung haben, für alle Demokraten eines gilt: Von unserem Boden aus soll nie wieder ein Krieg ausgehen!
Je breiter wir das darlegen können, je vielfältiger wir dafür arbeiten, um so wirksamer wird auch alles das sein, was wir an Bemühungen auch dort einbringen, wo es manchmal nicht so aussichtsreich erscheint.Deshalb finde ich, daß es sich lohnt, in Madrid weiterzuarbeiten, und daß es sich lohnt, in diesem KSZE-Prozeß darum zu ringen, daß es immer wieder neue Folgekonferenzen gibt, daß es sich lohnt, dafür zu arbeiten, daß dort eine europäische Abrüstungskonferenz mit vertrauensbildenden Maßnahmen für ganz Europa zustande kommt, die auch zum Abbau von Mißtrauen ein Beitrag sein können.Als wir diesen Prozeß einleiteten, als wir die Schlußakte unterzeichneten, wußten wir, daß die Unterzeichnerstaaten nicht alle solche sind, die sich den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet fühlen. Wir konnten auch nicht die Hoffnung haben, daß sie das für sich und aus sich heraus verändern würden. Aber ein Mindeststandard an mehr Rechten, an mehr Begegnungen, an mehr Reisemöglichkeiten, an mehr Information sollte erreicht werden. Wir haben dabei Fortschritte geschaffen.Ich denke, wir sind gut beraten, wenn wir frei von jeder Polemik, auch frei von Rechthaberei uns gemeinsam darum bemühen, dieses Dokument zu nutzen. Denn da gibt es nun wirklich ein besonderes Interesse hier bei uns in unserer Bundesrepublik Deutschland, das wir wahrzunehmen haben, nämlich immer in dem Bewußtsein zu handeln, daß wir von allen Unterzeichnerstaaten dasjenige Land sind, das durch seine Regierung in diesem Zeitpunkt nur für einen Teil des Volkes sprechen kann, und daß wir unter dieser Teilung Europas in unterschiedliche politische und gesellschaftliche Systeme am meisten leiden und daß deshalb unser Bemühen, auf diesem Gebiet Fortschritte zu erzielen, das stärkste sein muß. Da liegen ja auch die Gründe dafür, daß wir uns auch bemühen, im Verhältnis zur DDR Fortschritte zu erreichen und auch zu erreichen, daß internationale Entwicklungen nicht auf dieses Verhältnis durchschlagen, ja im Gegenteil vielleicht sogar den Versuch zu unternehmen, daß von diesem Verhältnis — ohne Überschätzung unserer Möglichkeiten — jedenfalls nicht zusätzliche Störungen, sondern vielleicht auch etwas an Zusammenarbeit und Vertrauensbildung ausgehen kann. Da gibt es auch eine gemeinsame Verantwortung.
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2768 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Bundesminister GenscherDort, wo die Führung drüben bereit ist, sich mit uns dieser Verantwortung zu stellen, wollen wir sie auch beim Wort nehmen.Deshalb ist es auch wichtig, daß es zu der Begegnung des Bundeskanzlers mit dem Generalsekretär Honecker kommt. Da bin ich der ganz festen Überzeugung, daß die Menschen im geteilten Land von übertriebenen Hoffnungen frei sind. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß es irgendwo wirklich Leute geben kann, die der Meinung sind, man sollte nicht auch den geringsten Versuch der Zusammenarbeit und auch dieser oder jener Verbesserung unternehmen. So gesehen, wollen wir uns ohne Überhöhung der Ansprüche, sondern eher in Kenntnis der Grenzen bemühen, im Verhältnis zur DDR diese Zusammenarbeit zu fördern.Das wird ganz sicher auch erleichtert, wenn sich die DDR dabei im Rahmen der Schlußakte von Helsinki bewegen kann. Unser Bemühen muß darauf gerichtet sein, zu erreichen, daß im Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander ein Höchstmaß an Verwirklichung der Grundsätze von Helsinki geschaffen wird. Das wäre ein gutes deutsches Modell, das wir für eine gute Entwicklung in Europa geben könnten.So verstanden ist es unsere Verantwortung, realistisch die Möglichkeiten zu sehen, bewußt zu sein, daß unsere Sicherheit und unsere politischen Möglichkeiten in der Europäischen Gemeinschaft und im westlichen Bündnis liegen, zu erkennen, daß nicht die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion sozusagen gleich weit entfernt von uns stehen, sondern daß wir mit den einen für den Frieden in Europa zusammenarbeiten wollen und daß wir mit den andern schon lange als Freunde und Verbündete für diesen Frieden und für die Freiheit bei uns gemeinsam einstehen. Das sind die Vereinigten Staaten. Das sind unsere Freunde. Sie haben uns in keiner schwierigen Lage in der Vergangenheit allein gelassen. Sie werden das auch in Zukunft nicht tun.
Es hat immer wieder Phasen gegeben, wo wir unsere Meinungen ausgetauscht haben und wo es unterschiedliche Meinungen gab. Aber auch hier gilt: Der Ton macht die Musik.
Ich denke, daß wir das erkennen sollten, wenn wir miteinander sprechen.Meine Damen und Herren, wenn wir uns so einmal die Möglichkeiten ansehen, die wir im West-OstVerhältnis und auf der Grundlage der Schlußakte von Helsinki haben, dann, denke ich, sollten gerade wir als Deutsche — bei allen Enttäuschungen, bei allen Rückschlägen — sagen: Wir sind es, für die es sich besonders lohnt weiterzuarbeiten, damit die Grundsätze der Schlußakte überall in Europa verwirklicht werden können. — Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mertes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte anknüpfen an das Wort des Bundesaußenministers, wir sollten hier frei von Rechthaberei miteinander sprechen. Nur hat er es selbst nicht wahrgemacht; denn er hat wieder auf unsere Bedenken von 1975 gegen die Schlußakte hingewiesen; aber er hat es unterlassen zu sagen, welche Bedenken uns damals bewogen haben.
Wir hatten während der ganzen 70er Jahre zwei Bedenken gegen das damalige Entspannungskonzept. Das erste Argument war, in unserem Volk werde durch das Überhandnehmen von Entspannungsillusionen das Wissen und das Bewußtsein von der Natur der sowjetischen Bedrohung in diesem Lande zurückgehen. Das zweite Argument war: Die Sowjetunion legt die Ostverträge und diese Schluß-akte von Helsinki nicht nur rechtlich, sondern in ihrer politischen Zielrichtung völlig anders, teilweise entgegengesetzt, aus. Es wird ein Dokument des Streites werden. Sind nicht die Folgetreffen von Belgrad 1977/78 und Madrid 1980/81 Veranstaltungen langen und oft lähmenden Streites geworden?
Wir haben damals gesagt: Wenn die Mehrheit dafür entschieden hat, werden wir uns als anständige Demokraten verhalten,
dann ist dies ein verbindliches Dokument, auf das sich die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland aktiv beziehen wird. Das haben wir gesagt, und dabei bleiben wir.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ist unerhört, wenn durch Mitglieder dieses Hauses die Vereinigten Staaten von Amerika — diese große Demokratie, die uns allen, die unserer Hauptstadt in zwei Berlin-Krisen , die Freiheit bewahrt hat — auf eine Stufe gestellt werden mit der totalitären Sowjetunion. Diese Äquidistanzsprache des Kollegen Bahr beispielsweise ist das, was Gift in die deutsche Außenpolitik trägt,
und nicht etwa die Kritik, die auch wir im Laufe der letzten Jahre immer wieder an dieser oder jener amerikanischen Politik geübt haben.Übrigens darf ich an etwas erinnern, was leicht vergessen wird. Als der Atomwaffensperrvertrag, zu dem eine Gruppe von uns nein gesagt hat, hier diskutiert wurde, haben wir der Bundesregierung gesagt: Hier können die beiden Supermächte, die uns diesen Vertrag zur Unterzeichnung vorlegen, zeigen, daß sie auch ihrerseits eine Gegenleistung im Bereich der nuklearen Abrüstung erbringen. Das war eines unserer entscheidenden Argumente. Wie kann
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Dr. Mertes
hier jemand in diesem Hause es wagen zu sagen, wir seien die Raketenpartei, die Aufrüstungspartei, nachdem wir in einer konkreten Situation der Bundesrepublik Deutschland von dieser Bundesregierung gefordert haben, sie müsse auf beide Staaten einwirken, damit sie hier eine Gegenleistung in realer Kernwaffenabrüstung bringe. Die Bundesregierung hat auf dieser Gegenleistung nicht bestanden. Was die Sprache gegenüber den Vereinigten Staaten so vergiftet, ist genau das, was der Kollege Brandt in seinem Moskauer „Spiegel"-Interview und was der Kollege Bahr in vielen seiner Äußerungen getan hat. Ich greife diese Kollegen heraus; denn es ist nicht Allgemeingut, wird aber immer stärker Allgemeingut in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.Was Berlin angeht, so kommt es nicht nur auf Worte an, Herr Brandt und Herr Kollege Genscher, sondern es kommt darauf an, welche Konsequenzen Sie ziehen, wenn sich Ihre Freunde in einer so wesentlichen Frage falsch und gegen die vitalen Interessen unseres Landes verhalten.
Herr Kollege Genscher, Sie haben noch einmal die Ausreisen aus den Oder-Neisse-Gebieten erwähnt, die 1975/76 in den deutsch-polnischen Vereinbarungen, den Vereinbarungen Schmidt-Gierek, festgelegt worden sind. Es muß der deutschen Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen werden, daß es falsch ist, wenn gesagt wird, die Ausreisen aus den Oder-Neisse-Gebieten, aus Polen, aus der Sowjetunion, aus der CSSR auch aus der DDR seien eine Folge der Entspannungspolitik der 70er Jahre gewesen. Die grundlegenden Absprachen darüber sind schon unter Adenauer gelegt worden. Die Zahlen der Bundesregierung und des Roten Kreuzes für die 50er und 60er Jahre sprechen eine sehr eindeutige Sprache zu unseren Gunsten. Aber das Wissen selbst über die jüngste Geschichte in diesem Lande ist so zurückgegangen, daß die Dinge, die wir geleistet haben, in den Keller des Vergessens gelegt worden sind. Deshalb müssen wir daran erinnern.Es gibt keine Fraktion in diesem Hause, die nicht mit äußerster Intensität auch im Bereich der Familienzusammenführung und freiwilligen Aussiedlung für Menschlichkeit eintritt.Noch eines, meine verehrten Damen und Herren — da richte ich mich vor allen Dingen an die sozialdemokratischen Kollegen —: Die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts machte stets einen großen Unterschied zwischen sozialen Erleichterungen und sozialen Rechten. Sie hatte immer den Verdacht, die sozialen Erleichterungen, die damals, so sagte man, die Fabrikanten gewährten, sollten die Gewährung der sozialen Rechte verhindern. Ich muß Sie fragen: Gibt es nicht diesen Unterschied genau auch zwischen den menschlichen Erleichterungen und den Menschenrechten? Ist es nicht so, daß die DDR und die Sowjetunion nicht Menschenrechte verwirklichen, sondern aus ihrem Herr-im-Hause-Standpunkt heraus auf politische und finanzielle Konzessionen hin menschliche Erleichterungen gewähren, die wir hier sehr hoch einschätzen, auch wir, aber die doch noch nicht gleichzusetzen sind mit der Verwirklichung der Menschenrechte. Vergessen Sie nie die Parallelität zwischen sozialen Rechten und Menschenrechten einerseits und den sozialen Erleichterungen und menschlichen Erleichterungen andererseits.
Lassen Sie mich im Zusammenhang der Vertrauensbildung und der Abrüstung noch einmal sagen, welches die Position der CDU/CSU ist. Ich fände es gut, Herr Bundesminister Genscher, wenn Sie das hier auch einmal etwas deutlicher gegenüber den Koalitionsfraktionen öffentlich hervorheben würden. Wir haben immer gesagt, seit Adenauer: Es gibt drei Gründe, die die Verhandlungen über ausgewogene und überprüfbare Abrüstung bei gleicher Sicherheit zu einer gebieterischen Notwendigkeit der deutschen Politik machen. Das ist erstens die Schrecklichkeit der modernen Waffen, kämen sie zum Einsatz. Es ist unerhört, daß wir hier als eine Partei hingestellt werden, die diese Waffen sozusagen herbeisehnt. Das ist unter der Gürtellinie dieser Demokratie.Wir sind dafür, daß alle Waffen, daß vor allem aber die Massenvernichtungswaffen auf ein Minimum reduziert werden — bei gleicher Sicherheit.Das zweite: Wir finden, daß es plausiblere Ausgaben gibt in einer Zeit, in der drei Viertel der Menschheit hungern, als Militärausgaben für Massenvernichtungswaffen. Aber das Problem ist doch nicht dieses, meine verehrten Damen und Herren, das Problem ist doch, daß die Abrüstung ohne verantwortbare Sicherheitspolitik friedenspolitisch nicht vertretbar ist.Das dritte ist dies: Wenn Gewaltverzicht eine der obersten Normen unserer Außenpolitik ist, dann muß auch der Abbau der Gewaltmittel ein wesentliches Ziel dieser Außenpolitik bleiben.Nicht dadurch, daß es Soldaten und Waffen auf der Welt gibt, ist Unfriede da, sondern es gibt Unfrieden, weil es politisches Mißtrauen gibt, weil die Sowjetunion einen Einflußkampf vollzieht, zu dem sie sich offen bekennt; und weil sie in diesem Einflußwettkampf auch militärische Macht zur Unterdrückung widerspenstiger Bevölkerungen — mit Gewaltanwendung und Gewaltandrohung — einsetzt; und weil sie in diesem von ihr gewollten Kampf um Einfluß auch ein Arsenal der Einschüchterung, der Angstschaffung, des Drucks, der Drohung und der Erpressungen aufbaut, das politisch auf Westeuropa wirkt, ohne einen Krieg zu riskieren. Deshalb ist die Abschreckung nicht nur eine Strategie der Verhinderung des Krieges, sondern sie ist auch eine Strategie der Verhinderung der Erpressung. Es gibt bisher leider keine Alternative zu dieser Strategie der Sicherung des Friedens in Freiheit. Deshalb müssen Rüstungskontrolle und Abrüstung mit ihr vereinbar sein. Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister: Die Position, die Sie in den grundlegenden Fragen der Friedenssicherung durch Abschreckungsfähigkeit und Abrüstung einnehmen, wird von uns seit Jahren in äußerster Loyalität, aus staatspolitischer Verantwortung, voll mitgetragen. Es gibt keine Position der Bundesrepublik Deutschland in internatio-
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Dr. Mertes
nalen Gremien und Verhandlungen über Abrüstung und Rüstungskontrolle, die nicht von der CDU/CSU aus eigener Überzeugung und in der Kontinuität der eigenen Abrüstungspolitik voll mitgetragen wird. Das sollten Sie einmal hier sagen, Herr Bundesminister.
Und dann sollten Sie hierher kommen und sagen, daß dies Ihr Koalitionspartner SPD eben nicht tut. Woher kamen denn in den ganzen Jahren und kommen bis heute die Querschüsse gegen die Politik der Bundesregierung? Nicht von der Opposition, sondern aus der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und teilweise aus der FDP.
— Ja, ich bitte Sie, es war doch der Herr Wehner, der Herrn Genscher den „großen Bremser" bei den Wiener Truppenabbauverhandlungen genannt hat. Das haben wir doch nicht vergessen. Es war doch der Bundeskanzler, der für die Wiener Verhandlungen einen 50-Prozent-Vorschlag — ich will mir jetzt die Einzelheiten ersparen — gemacht hat, den die Sowjetunion begierig aufgriff und den der Außenminister nach außen ignorierte und intern fallen ließ. Darüber redet niemand mehr. Aber ich bleibe dabei, die Querschläge und -schösse gegen die Sicherheits-und die Abrüstungspolitik des Außenministers kamen und kommen aus der SPD, nicht von uns.
— Lieber Herr Kollege Ehmke, Sie wissen ganz genau, wie recht ich habe. Sie haben einen Zwischenruf gemacht, der Ihrer Intelligenz eigentlich gar nicht würdig ist.
Lieber Herr Horst Ehmke, ein bißchen seriöser müssen Sie schon sein bei diesem Thema.Nun, kommen wir zu dem eigentlichen Problem unserer Zeit. Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, das Problem bei der Diskussion über Sicherheit und Abrüstung ist, daß wir sie alle viel zu militärtechnisch führen. Sie sagen gar nichts mehr über die Politik, über die Ziele, die hinter der sowjetischen Aufrüstung stehen. Es ist doch nicht der einzelne russische Soldat, der uns bedroht oder gegen den wir irgendein Gefühl des Hasses haben.
Es ist doch nicht die leblose Rakete, die der Verantwortung nicht fähig ist, die uns bedroht. Das Raketenzählen ist zwar unerläßlich, aber nur von begrenztem Wert. Es muß auch die Statistiken und Stärkevergleiche des Weißbuches geben. Aber es muß vor allem gesagt werden, welcher politische Wille hinter dieser Machtentfaltung steht. Und das tun Sie beide nicht mehr!
Herr Bundeskanzler, Herr Bundesaußenminister, wir werden unsere Jugend nicht von unserer Sicherheits- und Abrüstungspolitik überzeugen können — ich sage jetzt einmal: von der gemeinsamen Sicherheits- und Abrüstungspolitik —, wenn wir nicht über die militärtechnische Argumentation hinaus gehen, wenn wir nicht tiefer ansetzen und — ohne antisowjetischen Schaum vor dem Mund, ohne antikommunistischen Schaum vor dem Mund — in realistischer, in nüchterner Sprache den jungen Menschen erläutern, zu welchen Zielen sich die Sowjetunion selbst in großer Redlichkeit bekennt. Das Merkwürdige im Westen ist doch, daß wir uns die Augen und die Ohren vor dem zuhalten, was die Sowjetunion ihrerseits in aller Offenheit sagt oder erkennen läßt.Wir müssen dann auch sagen — das gehört ebenfalls zur KSZE-Debatte —, daß die Sowjetunion glaubte, die Schlußakte zu einem Instrument der Legalisierung ihrer Herrschaft machen zu können. Wir tragen doch seit dem Abschluß der parlamentarischen Auseinandersetzungen über die Schlußakte dieses Dokument mit. Von allem Anfang an — das weiß noch jeder, der damals an den Ausschußberatungen teilgenommen hat — haben wir auch die positiven, die hilfreichen Elemente dieser Schlußakte anerkannt. Wir tragen sie im Sinne der westlichen Interpretation seit ihrem Inkrafttreten voll mit.Sie, Herr Außenminister, haben gesagt, wir seien das einzige zwischen Ost und West geteilte Land in Europa. Wie recht haben Sie! Infolgedessen muß es gerade auch bei der KSZE das besondere Anliegen der Bundesrepublik Deutschland sein, unsere deutsche Frage immer wieder in das Bewußtsein zu heben und sich nicht so zu verhalten wie der Kollege Brandt — ich mache Ihnen, Herr Genscher, diesen Vorwurf keineswegs —, der bei den Vereinten Nationen gesagt hat, er wolle die Vereinten Nationen nicht zur Klagemauer der Deutschlandfrage machen. Ich halte einen solchen Ausdruck im übrigen für eine Beleidigung des jüdischen Volkes; denn die Klagemauer ist das Zeichen der religiösen und ethnischen Identität der Juden mit sich selbst über die Jahrhunderte und die Jahrtausende.Wir haben unsere Identität in diesen schweren Zeiten zu bewahren, und hier — das möchte ich ausdrücklich anerkennen, das haben wir in unseren öffentlichen Bekundungen auch schon vorher gesagt — ist ein Fortschritt in der Politik der Bundesregierung bei der KSZE-Folgekonferenz in Madrid im Vergleich zu Belgrad festzustellen. Eine ganze Reihe von dem, was wir damals in unserem Weißbuch gefordert haben, wird in Ihrer Antwort und auch in Ihrem Verhalten jetzt verwirklicht. Wir würdigen im übrigen die Leistung unserer Diplomaten in Madrid. Das haben wir auch in den Ausschußberatungen getan. Aber wir wären eine schlechte Opposition, wenn wir nicht darauf drängen würden, daß auch diejenigen Elemente der Schlußakte von Helsinki von den politisch Verantwortlichen stärker behandelt werden, die zur geistigen Auseinandersetzung geeignet sind. Hier schweigt sich — leider — die Antwort auf unsere große Anfrage weitgehend aus.Die eigentliche Auseinandersetzung ist eine Auseinandersetzung nicht um Raketen, sondern um gei-
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Dr. Mertes
stige Willensinhalte und -kräfte. Wir brauchen nicht nur ein Gleichgewicht der Waffen — sie sind nur ein leider notwendiges Instrument der Politik —, wir brauchen auch und vor allem ein Gleichgewicht des politischen Willens gegenüber unseren politischen Widersachern im Osten. Zu diesem politischen Willen gehört allerdings auch, daß wir Abrüstung und Rüstungskontrolle bei unverminderter Sicherheit wollen. Der Aspekt dieser geistig-politischen Auseinandersetzung, für die uns die Schlußakte einiges an Möglichkeiten gibt — so die Möglichkeit, im Rahmen des Völkerrechtes und der Schlußakte die Beendigung konkreter Mißachtungen der Menschenrechte zu fordern, ohne deshalb der Einmischung geziehen werden zu können —, kommt in der Antwort auf unsere Große Anfrage zu kurz.Ich will bei dieser Gelegenheit ein kurzes Wort sagen zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP, den wir heute morgen bekommen und sorgfältig studiert haben. Dieser Antrag enthält eine ganze Menge von Aussagen, die wir voll mit unterschreiben können. In ihm fehlt einiges, was wir — hoffentlich mit Ihrer Zustimmung — in den Beratungen noch hinzufügen werden. In einzelnen Punkten könnten wir so, wie sie jetzt formuliert sind, nicht zustimmen. Aber sehen Sie es bitte wieder als einen Beitrag zu konstruktiver Kooperation an, wenn wir Ihnen vorschlagen — das ist ja wohl schon abgesprochen —, daß wir hiermit beantragen, diesen Entschließungsantrag zu einer eingehenden Beratung an den Auswärtigen Ausschuß und den Innerdeutschen Ausschuß zu überweisen. Wir sollten uns dabei wirklich in einem Sinne einigen können, den wir hier wohl alle tragen; daß tatsächlich der KSZE-Prozeß im Sinne der Wertvorstellungen und Zielvorstellungen des Westens weitergehen soll.Im übrigen: Gerade in diesen Tagen — das konnte die Antwort noch nicht sagen — sehen wir doch, daß sich die Sowjetunion, wenn es darauf ankommt, nicht an die Texte hält. Der Kollege Todenhöfer hat darauf hingewiesen, daß nicht einmal die vereinbarten vertrauensbildenden Maßnahmen im militärischen Bereich — so bescheiden sie sind — von der großmächtigen Sowjetunion beachtet werden. Das ist deprimierend. Ich habe einem Vertreter der Sowjetunion in Moskau in Anwesenheit von zwei Kollegen anderer Fraktionen 1976 gesagt: „Bitte, entkräften Sie die früheren Bedenken der CDU/CSU gegen die Schlußakte; beweisen Sie selbst, daß unsere Prognosen über Ihre Einhaltung der Schlußakte zu skeptisch waren; blamieren Sie die CDU/ CSU durch Ihr konstruktives sowjetisches Verhalten bei der Verwirklichung der Schlußakte." Leider, ich wiederhole: leider, haben sich unsere Prognosen über das völlig andere Verständnis der Schlußakte von Helsinki seitens der Sowjetunion als richtig erwiesen. Ich sage noch einmal: leider, wie man in Fragen der internationalen Beziehungen, der Sicherheit und der Abrüstung überhaupt oft „leider" sagen muß. Alle Nachrüstungsentscheidungen sind bittere Notwendigkeiten, aber sie sind friedenssichernde Notwendigkeiten. Im Zeitalter der Massenvernichtungswaffen kann niemand mit Enthusiasmus, mit Vergnügen über moderne Waffen sprechen, aber noch sind auch sie — ich wiederhole es — bittereNotwendigkeiten. Wir — alle Parteien dieses Hauses — haben die Pflicht, den jungen Menschen in diesem Lande klarzumachen, daß auch militärisches Gleichgewicht eine unerläßliche Notwendigkeit ist, wenn der Friede und unsere Freiheit bewahrt werden sollen.
Lassen Sie mich noch auf einen anderen Punkt kommen, weil auch er im Rahmen der KSZE-Debatte, aber auch im Rahmen der Debatte über Abrüstung und Sicherheit eine große Rolle spielt; das ist der Begriff der „spezifischen deutschen Interessen". Man wäre wirklich kein Realist, wenn man nicht sagen würde, daß uns Deutschen durch die Teilung besondere Probleme auferlegt sind. Man wäre kein Realist, wenn man leugnen würde, daß im Falle — im hoffentlich nie eintretenden Falle — eines Krieges wir das erste große Opfer wären. Darauf hat niemand anders als Konrad Adenauer in einer Abrüstungsrede in Moskau im September 1955 hingewiesen. Aber die große Kunst der deutschen Politik war es unter Adenauer und unter den CDU/CSU-geführten Regierungen, das spezifische deutsche Interesse zu einem allgemeinen westlichen Interesse zu machen. Wir, meine Damen und Herren, dürfen unser spezifisches nationales Interesse nicht in einen Gegensatz zu den grundlegenden Interessen des Westens bringen. Denn dann wahren wir weder unsere besonderen nationalen Rechte und Interessen noch unsere Sicherheitsinteressen, die mit denen unserer Verbündeten identisch sind.Unsere Sicherheit — das sage ich vor allen Dingen an die Adresse des Kollegen Bahr; wir haben darüber ja auch schon im kleineren Kreis gesprochen — beruht auf der Unteilbarkeit des amerikanischeuropäischen Bündnisterritoriums.
Unsere Sicherheit, hier und in West-Berlin, beruht auf der Unteilbarkeit der westlichen Sicherheit. Und jetzt sage ich etwas vor allen Dingen auch an die Adresse unserer westlichen Freunde, auch der Amerikaner: Unser Interesse beruht auch darauf, daß der Westen erkennt, wie sehr die Deutschlandfrage im Kern eine Menschenrechtsfrage ist und wie gefährlich es die sowjetische Westpolitik begünstigen würde, wenn er sich aus kurzsichtiger nationaler — französischer, englischer oder amerikanischer — Betrachtung aus seiner Verantwortung für die Lösung der Deutschlandfrage und die Wahrung der Menschenrechte lösen wollte.Deshalb gibt es den Deutschlandvertrag. Es war gut, Herr Außenminister, daß Sie mit den drei westlichen Außenministern am 25. Jahrestag dieses Vertrages noch einmal auf die grundlegende Bedeutung dieses Vertrages, der sehr in Vergessenheit geraten war, hingewiesen haben. Es war gut, daß die NATO im Sommer 1980 in Ankara in ihrem Kommunique noch einmal an die Bedeutung der deutschen Frage erinnert hat. Wir führen es auch darauf zurück, daß unsere Fraktion in allen Beratungen über unsere Bündnis- und Ostpolitik auf die grundlegende Bedeutung des Deutschlandvertrages hingewiesen hat. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung, so wie sie es
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2772 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Dr. Mertes
am Jahrestag des Berlin-Abkommens getan hat, darauf hinweist, daß auch die Berlin-Frage in die Deutschlandfrage eingebettet ist. Denn die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte in bezug auf Deutschland als Ganzes haben nicht nur die Funktion, die West-Berliner zu schützen, sondern sie haben auch die Aufgabe, die der britische Botschafter in Bonn in einer Rede einmal so beschrieben hat: „Unsere westliche Präsenz in Berlin erinnert auch daran, daß die sowjetische Herrschaft über einen Teil Deutschlands vorläufiger Natur ist, daß es noch einen Friedensvertrag für das gegen seinen Willen geteilte deutsche Volk geben muß." Das heißt, daß es im Sinne des Briefes zur deutschen Einheit zum Moskauer Vertrag und zum innerdeutschen Grundvertrag einmal einen Frieden in Europa, auf den wir hinarbeiten, geben muß, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. All das ist Grundlage der westlichen Präsenz in Berlin. Es wäre gut, wenn auf diese Dinge von der Bundesregierung, aber auch von alliierter Seite stärker und öfter hingewiesen werden könnte. Wer den Begriff „besondere deutsche Interessen" in entscheidenden Punkten gegen unsere sicherheitspolitischen Interessen ausspielt, der gefährdet das Fundament unserer national- und sicherheitspolitischen Interessen. Ich will Ihnen ganz offen gestehen, daß einige Äußerungen von seiten der DDR uns folgendes befürchten lassen: Der Osten scheint für den Herbst nicht nur mit der pazifistischen Argumentation — „lieber einseitige Abrüstung statt Nachrüstung", — eine Offensive vorzubereiten.
— Sehr richtig, Kollege Marx.Der Osten scheint diese Offensive — wir müssen den Kollegen Bahr einmal fragen, was man ihm in Ost-Berlin dazu gesagt hat — auch mit der grausam alternativen Fragestellung führen zu wollen: Wollen Sie menschliche Erleichterungen oder Nachrüstung?Damit hier überhaupt kein Zweifel besteht: Für uns sind beide Teile des Doppelbeschlusses politisch gleichrangig. Wir stehen, was die Frage der Neutronenwaffe angeht, auf dem Standpunkt, den die Bundesregierung formuliert hat. Wir werden es aber nicht gestatten, daß der Osten unser Volk mit erpresserischen, scheinmoralischen, die Moral pervertierenden Argumenten vor die Alternative stellt: Wollt ihr Nachrüstung oder menschliche Erleichterungen? Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die bisherigen menschlichen Erleichterungen sind von seiten des Ostens leider so geartet, daß sie immer wieder zurückgenommen werden und dann immer wieder neu als Erpressungsinstrument für neue Leistungen Bonns eingesetzt werden können, die mal finanzieller, mal politischer und — möglicherweise — sicherheitspolitischer Natur sind. Vor einem Nachgeben vor weiterer Erpressung können wir nur warnen.Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich im Auftrag meiner Fraktion noch eine kurze Erklärung zu der Reise des Kollegen Bahr nach Ost-Berlin abgebe.Der Kollege Bahr, der für seine Person in sehr wesentlichen Fragen nicht die Politik der Bundesregierung vertritt, war kürzlich in Ost-Berlin. Der Kollege Bahr, der Vorsitzender des Unterausschusses des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages ist, hat dabei auch mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der Ostberliner Volkskammer, Axen, gesprochen, ohne davon vorher den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, unseren Kollegen Rainer Barzel, und den stellvertretenden Vorsitzenden des Unterausschusses, unseren Kollegen Hans Graf Huyn, zu informieren. Die CDU/CSU-Fraktion mißbilligt dieses Verhalten des Kollegen Bahr, auch deshalb, weil er der Tendenz der wertmäßigen Gleichstellung von Ost und West verbal ohnehin viel zuviel Vorschub leistet. Wir dürfen nicht verkennen, daß wir der frei gewählte Deutsche Bundestag sind und daß die Volkskammer die Institution eines totalitären Staates ist.
Gegenstand der Gespräche Bahr — Axen war auch das Thema einer eventuellen gemeinsamen Beratung des Bundestagsunterausschusses für Abrüstung und Rüstungskontrolle mit einem Gremium der Ost-Berliner Volkskammer über Fragen der Abrüstung und Friedenssicherung.
Der Kollege Bahr hat uns Kollegen im Auswärtigen Ausschuß gestern mit Nachdruck versichert, er habe seinen DDR-Gesprächspartnern eindeutig klargemacht, daß er mit ihnen für seine Person, nicht aber in seiner Eigenschaft als Vorsitzender eines Unterausschusses des Deutschen Bundestages gesprochen hat. Wir begrüßen diese Klarstellung und hoffen, daß dieses ein einmaliger Vorgang gewesen ist. — Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Voigt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst zu der letzten Bemerkung des Kollegen Mertes. Wir haben darüber ja bereits gestern in einer interfraktionellen Besprechung im Rahmen des Auswärtigen Ausschusses gesprochen. Ich möchte deshalb hier Ihre Erklärung betreffend den Kollegen Bahr, wie wir das auch gestern schon getan haben, in Form und Inhalt zurückweisen.
Auf diese Art und Weise, nach Reisen und auch vor Reisen von Sozialdemokraten in östliche Länder immer mit Unterstellungen zu reagieren, werde ich nachher im Laufe meines Diskussionsbeitrages noch eingehen. Sie hat Tradition. Sie bezieht sich nicht nur auf den Kollegen Bahr. Eigentlich muß sich jeder Sozialdemokrat beleidigt fühlen, der von Ihnen in dieser Weise noch nicht verdächtigt worden ist.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2773
Voigt
Wenn ich die heute morgen gehaltenen Reden des Kollegen Huyn, des Kollegen Todenhöfer und des Kollegen Mertes vergleiche, dann kann ich in bezug auf die KSZE-Konzeption eigentlich keine Gemeinsamkeiten feststellen. Ich kann nur eine Gemeinsamkeit feststellen: Sie liegt nicht in der KSZE-Konzeption, sondern in dem Zusammenhalt und dem gemeinsamen Bestreben der verschiedenen Sprecher der CDU/CSU, unbedingt an die Regierung zu kommen. Aber in der Außen- und Sicherheitspolitik gibt es keine gemeinsame Konzeption, besonders auch keine in bezug auf die KSZE, die sich aus den Diskussionsbeiträgen von heute morgen ableiten ließe.Häufig habe ich mich auch gefragt, welcher Gedanke, welche Idee der Grundstruktur der meisten Reden des Kollegen Mertes eigentlich zugrunde liegt. Ich bin der Sache heute ein wenig nähergekommen. In seinen Ausführungen befindet sich immer die folgende Grundstruktur: Fest verankert in der konservativen CDU/CSU kleidet er in die Formulierung von Feststellungen — aber mit der Wirkung von Unterstellungen — Vorwürfe an die Sozialdemokraten; gleichzeitig winkt er dann — halb mit Zustimmung — zur Regierungsbank hinüber. Diese Leistung, einerseits festzustellen und zu diffamieren
und andererseits zur Regierungsbank hinüberzuwinken und dort zu sagen, daß man der Regierung doch zustimme, obwohl die gleiche Regierung von den Sozialdemokraten mitgetragen wird,
ist eine Eigenschaft, die ich jetzt über mehrere Jahre hinweg beobachtet habe und die ich eigentlich auch nur aus dem Bestreben heraus erklären und erläutern kann, zu versuchen, mit dieser Methode einen Spalt in die Koalition zu treiben und dann eine konservative Regierung zu etablieren.Was ich heute in den Reden und auch vorher vermißt habe, ist, daß Sie, Herr Kollege Mertes, trotz der formellen Bejahung der Schlußakte heute, die Sie damals abgelehnt haben, immer noch kein Konzept für eine Mitarbeit, für ein Wirken im Rahmen der Schlußakte haben. Sie haben kein Konzept der Zusammenarbeit und der Sicherheit in Europa. Bei Ihnen gibt es kein Konzept der Sicherheit, das auch das Element der Zusammenarbeit einbezieht. Es gibt bei Ihnen nur ein Konzept der Sicherheit, das Elemente der Konfrontation unterstreicht, aber nicht ein Konzept, das Elemente der Zusammenarbeit konstruktiv wendet.
Wir sind der Meinung, daß Zusammenarbeit nötig ist. Es gibt kein Land in Europa, das mehr Bedürfnis nach Zusammenarbeit hat, und auch kein Land, das mehr Bedürfnis nach Sicherheit hat als die Bundesrepublik Deutschland, eigentlich: als die beiden deutschen Staaten.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mertes?
Herr Kollege Voigt, ist Ihnen bekannt, daß unter der CDU/CSU-Regierung die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion aufgenommen worden sind und daß es in der CDU/CSU-Zeit zahlreiche Abkommen mit dem Osten gegeben hat, auf die sich die neuen Verträge dieser Regierung sogar beziehen? Malen Sie hier doch nicht den Teufel an die Wand; denn er ist nicht da.
Wenn ich von der CDU spreche, male ich nicht gleich den Teufel an die Wand; soweit möchte ich gar nicht gehen. Mir ist bekannt, daß es solche Vereinbarungen und solche Verträge gab. Aber es gab auch in der gesamten Ära Adenauer kein Konzept der Zusammenarbeit zwischen Ost und West. Es gab zwar einzelne Verträge und Abmachungen, aber kein Konzept der Zusammenarbeit, des Interessenausgleichs oder der Rüstungskontrolle zwischen Ost und West, sondern es gab einen Geist der Konfrontation. An diesem Geist der Konfrontation ist die CDU in den 50er und 60er Jahren letzten Endes gescheitert.
— Ja, das meine ich. Deshalb trete ich dafür ein.
Wir sind auf Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses, innerhalb der EG angewiesen, aber auch auf eine Zusammenarbeit zwischen Ost und West und Europa. Das bezieht sich, wie ich meine, nicht nur auf die Staaten in Ost und West in Europa, sondern vor allem auch auf die bündnisfreien und neutralen Staaten, deren wichtige Rolle gerade im KSZE-Prozeß wir immer wieder erkennen. Diese Staaten werden uns jetzt hoffentlich auch ein bißchen helfen, durch ihre Vorschläge den KSZE-Prozeß aus der Sackgasse, in der er sich zur Zeit zu befinden scheint — wenigstens in einer bestimmten schwierigen Phase — herauszuführen.Aber ich möchte dem Kollegen Todenhöfer völlig widersprechen, wenn er eine Konzeption vertritt, die den Eindruck erweckt, als sei Sicherheit zuerst und vor allen Dingen militärische Sicherheit, als sei Sicherheit zuerst und vor allen Dingen nur mit dem Instrument der Abschreckung zu erreichen. Es ist richtig, daß Sicherheit auch das Instrument der Verteidigungsfähigkeit braucht. Es ist richtig, daß Sicherheit nach wie vor auch nicht auf Abschreckungsfähigkeit verzichten kann. Aber es wäre irrational, in Europa eine Politik zu betreiben, die mit dem Konzept der Abschreckung letzten Endes die Rationalität des potentiellen Gegners unterstellt — denn sonst wirkt Abschreckung nicht — und die nicht gleichzeitig versuchen würde, diese beim potentiellen Gegner unterstellte Rationalität im Sinne einer Zusammenarbeit zwischen Ost und West und im Sinne der Begrenzung und Verringerung der Rüstung konstruktiv zu wenden.
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2774 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Voigt
Sicherheit kann nicht allein auf Verteidigungsfähigkeit beruhen. Dazu gehören Vertrauensbildung und Rüstungskontrolle. Das, was heute morgen vom Kollegen Todenhöfer vorgetragen worden ist, ist die rechte Variante der Kritik an der Rüstungskontrolle, die ich in Teilen der Friedensbewegung genauso höre.Es ist richtig, daß Rüstungskontrolle bisher sehr wenige Ergebnisse in Richtung Abrüstung bewirkt hat. Aber ohne Entspannungspolitik, ohne Rüstungskontrollverhandlungen und ohne Rüstungskontrollvereinbarungen gibt es auf keinen Fall Abrüstung. Aus diesem Grunde möchte ich davor warnen — das sage ich jetzt weniger in Richtung auf die CDU/CSU, weil ich da auf wenig Einsicht hoffe, sondern eigentlich mehr in Richtung auf die Friedensbewegung —, ins gleiche Horn zu blasen wie bestimmte konservative Gruppen in unserem Lande, so daß es dann im objektiven Zusammenwirken einer Kritik aus linken Gruppen und rechter Kritik eine mangelnde Unterstützung für Vertragspolitik, für Verhandlungspolitik und für Rüstungskontrollpolitik zwischen Ost und West gibt.
— Ist aber wahr.Sicherheit ist gerade im KSZE-Prozeß auf Interessenausgleich gerichtet und auf Konsensus orientiert. Wenn man Konsens als Grundlage eines Prozesses hat, wie das beim KSZE-Prozeß der Fall ist, wird es j a noch schwieriger, als wenn man Vertragsverhandlungen zwischen Ost und West führt und nur auf einen Interessenausgleich zwischen zwei Seiten abstellt; denn beim KSZE-Prozeß kann es vorkommen — und es ist vorgekommen —, daß auch Länder wie Malta über lange Frist einen Interessenausgleich, einen Konsensus faktisch blockieren können. Deshalb meine ich, daß eine politische Konzeption, die nicht einmal zum Interessenausgleich zwischen Ost und West fähig ist, erst recht nicht den KSZE-Prozeß inhaltlich zu tragen vermag, der den Konsensus zwischen allen beteiligten Staaten in Europa voraussetzt.
— In diesem Fall glaube ich, daß die Kritik die CDU/CSU trifft.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mertes?
Bitte.
Herr Kollege Voigt, wie können Sie angesichts unseres Verhaltens, das Sie doch kennen, im Unterausschuß für Abrüstung und Rüstungskontrolle, bei MBFR und bei der KSZE so etwas Törichtes und Unsinniges sagen?
Herr Dr. Mertes, das ist nicht töricht, sondern Sie haben bei den einzelnenPositionen, die Sie und in noch viel stärkerem Maße der Kollege Todenhöfer und der Kollege Graf Huyn vorgetragen haben, wirklich keinerlei konstruktiven Ansatz erkennen lassen, wie man zu einem Interessenausgleich zwischen Ost und West gelangen könnte.
Das ist eigentlich der Kernpunkt. Ich habe die ganze Zeit, während der ich Ihre Beiträge gehört habe, nach Ihrem konstruktiven Ansatz für die zukünftige Gestaltung der Ost-West-Politik, der Europapolitik zwischen Ost und West gesucht. Ich habe keinen gefunden. Ich kann eigentlich dasselbe sagen, was die „Welt" über das Ergebnis Ihrer Beratungen über die Haushaltsprobleme geschrieben hat: „Opposition entrahmt"; denn auch dort ist keine Konzeption zu finden. Dies gilt auch für die Diskussion über die Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Auch hier war aus Ihren Diskussionsbeiträgen keine konstruktive Idee ersichtlich.
Sie haben die Entspannungspolitik kritisiert.
Sie haben das mehrfach getan. Wir halten daran fest, daß die Entspannungspolitik der geographischen Lage der Bundesrepublik Deutschland entspricht, daß sie unseren friedenspolitischen Zielen und auch unseren friedenspolitischen Verpflichtungen entspricht, daß ohne Entspannungspolitik unsere abrüstungspolitischen Ziele nicht erreichbar sind und daß die Entspannungspolitik unseren europäischen Zielen und unseren europäischen Interessen und auch unseren nationalen Interessen entspricht.Ich sage darüber hinaus: Entspannungspolitik ist als politische Konzeption im Harmel-Report verankert. Sie ist gemeinsame Bündnispolitik. Wer diese Entspannungspolitik in Frage stellt, stellt damit gleichzeitig die Bündnispolitik, wie sie seit 1967 formuliert ist, in Frage. Dies sollte er dann hier in einer solchen Diskussion offen eingestehen.
— Es ist seit 1967 sehr viel passiert. Damals wurde nämlich — zumindest seit 1969 — die erfolgreiche Entspannungspolitik begonnen. Das ist das, was Sie wieder zurückdrehen wollen.Noch zwei, drei Bemerkungen dazu, wie Sie mit Sozialdemokraten sonst umzugehen pflegen. Es fing schon an, als Helmut Schmidt, Alex Möller und Egon Franke 1969 nach Moskau gefahren sind, es setzte sich fort, als Willy Brandt 1971 mit Breschnew zusammentraf, es setzte sich bei den Gesprächen von Helmut Schmidt mit Breschnew im Juli 1980 fort, auch jetzt wieder bei der Reise von Willy Brandt und Hans-Jürgen Wischnewski im Juli 1981 nach Moskau, auch bei der Reise von Egon Bahr, daß Sie vor
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2775
Voigt
einer solchen Reise gegenüber Sozialdemokraten Begriffe gebraucht haben wie „Spazierfahrt nach Moskau", Schmidt lasse sich „vor den Karren des Kreml spannen", es entstehe der Eindruck, daß „erneut Forderungen der Sowjetunion erfüllt werden sollen" ,
„Reise dient der Aufwertung des sowjetischen Systems und der Aggression gegen Afghanistan, aber nicht dem Frieden" , „Die Moskau-Reise des Bundeskanzlers ist eine, wenn nicht die größte Fehlleistung der deutschen Außenpolitik" (Wörner), „freiheitsgefährdendes Abenteuer" (Würzbach).Aus all den zehn Jahren, die Sie die Ostpolitik begleiten, kommt ein Traditionsstrang heraus, der nicht nur typisch ist für die Zeit seit 1969, sondern in diesem einen Punkt — ich sage das bewußt nicht in bezug auf andere Fragen — setzen Sie einen Traditionsstrang fort, der auch nach 1917 — eigentlich schon vor 1917/1918 — damals in der Verleumdung von Sozialdemokraten gemeinsame Methodik von Deutschnationalen, Konservativen und Rechtsradikalen war.
Man kann nicht hier im Hause einerseits die Solidarität der Demokraten beschwören und andererseits, wenn es einem in den Kram paßt, die Sozialdemokraten verdächtigen, mit denen in Moskau gemeinsame Sache zu machen. Der eine sagt es vornehmer, der andere sagt es weniger vornehm. Aber immer läuft es auf dasselbe hinaus: Alle Wege des Sozialismus führen nach Moskau. Dies wird in den verschiedenen Varianten des „Ausverkaufs" noch einmal formuliert.Dies ist eigentlich der Kerntenor, der höflicher, netter formuliert bei Herrn Dr. Mertes herauskommt, schärfer formuliert bei Herrn Dr. Todenhöfer.
— Sie sagen j a selber, daß es so ist.
— Das ist so! Meiner Meinung nach ist es so!Wenn wir zu einer gemeinsamen Außenpolitik kommen wollen, auch im Bereich der KSZE, sollten Sie mit dieser Tradition der deutschen Konservativen, der Deutschnationalen und der Rechtsradikalen in diesem Lande im Hinblick auf die Unterstellung brechen, damit es wieder zu einer Gemeinsamkeit in diesem Hause kommen kann.
Man kann nicht den Dialog mit der Jugend führen, wenn man zwei Tage vorher, wenn man wochenlang, monatelang, jahrelang dieselben Personen verdächtigt, Helfershelfer von denen drüben auf der anderen Seite zu sein. Aber anschließend, wenn dieselben Leute in irgendwelche Ämter gewählt worden sind, sagt man: Nun laßt uns gemeinsam gegen diese Kräfte dort auftreten!
— Auch dieses trifft doch zu.Zuletzt noch einiges zu den konkreten Vereinbarungen dort bei der KSZE.
Es ist doch ein Tatbestand, daß trotz der Spannung, die es zur Zeit zwischen Ost und West gibt, bei den KSZE-Beratungen in Madrid bereits sehr viel Gemeinsamkeit herausgekommen ist. Der Herr Außenminister hat von 70 % gesprochen. Rein vom Textumfang ist es wahrscheinlich inzwischen bereits mehr, was dort bereits Gemeinsamkeit ist. Das ist aber nicht das Problem. Das wirkliche Problem ist die Frage der Vereinbarung über die Konferenz über Abrüstung in Europa. Sie wird sehr schwierig sein. Das, was die Sowjetunion dort unmittelbar vor der Sommerpause an Verhalten gebracht hat, kann nicht Grundlage einer Einigung sein. Ich selber betrachte die Formulierungen dort eigentlich so, als hätte sie mit diesen Formulierungen zu dem Zeitpunkt einen Abschluß nicht gewollt. So muß ich sie interpretieren.
Man muß sie dort also zu einer Revision dieser Haltung auffordern.Aber das, was dort jetzt bereits gemeinsam formuliert worden ist, ist gerade auch im menschenrechtlichen Bereich, im wirtschaftspolitischen Bereich und auch in relevanten Bereichen der Sicherheitspolitik genau das, was wir über Jahre hier bereits angestrebt haben. Daß das erreicht worden ist, halte ich für bedeutsam, gerade in solchen Zeiten der Spannung.Ich meine, daß das nicht nur Leistung der Bundesregierung im allgemeinen, sondern auch Leistung unserer Delegation dort ist. Ich sage das deshalb, weil Herr Botschafter Kastl noch immer nach einem schweren Unfall im Krankenhaus liegt. Ich glaube, daß wir der Delegation und auch dem Botschafter dort aus dieser Debatte unsere Grüße übersenden sollten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Entspannungspolitik stand nicht nur am Anfang dieser sozialliberalen Koalition,
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2776 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Voigt
die Entspannungspolitik hat auch die gesamte sozialliberale Koalition begleitet. In der Entschließung, die Ihnen vorliegt, wird der gemeinsame Wille der Koalitionsparteien zur Fortsetzung der Entspannungspolitik bekundet. Ich persönlich bin der Auffassung — da werden wir uns unterscheiden —, daß ein Abgehen von dieser Politik nicht nur schädlich für die Koalition wäre, sondern daß ein Abgehen von dieser Politik im Widerspruch zu unseren im rechten Sinne verstandenen nationalen, europäischen und auch bündnispolitischen Interessen läge. Aus diesem Grunde treten wir gerade in schwierigen Zeiten für die Fortsetzung dieser Entspannungspolitik ein. Die KSZE ist Ausdruck der Entspannungspolitik, sie ist Instrument der Entspannungspolitik. Und wir werden auch gegen eine CDU, die das Konzept der Entspannungspolitik im Kern immer noch nicht bejaht, versuchen, diese Politik fortzusetzen. — Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hennig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Voigt , der inzwischen fälschlicherweise mit der ganzen Stadt Frankfurt gleichgesetzt wird, wie wir seit der letzten Bundestagswahl wissen, hat ein weiteres Mal eine Rede gehalten, mit der hier sich auseinanderzusetzen wirklich nicht lohnt.
Ich frage mich, ob er nicht irgendwann ein bißchen wird zulegen müssen, wie das seine Position als Obmann der SPD im Auswärtigen Ausschuß eigentlich doch geboten erscheinen lassen sollte.Ich möchte hier nur einen Punkt zurückweisen: Dieses Gleichstellen, dieses In-einem-Atemzug-Erwähnen von Rechtsradikalen und Christlichen Demokraten kann nur unsere entschiedene Zurückweisung finden. Herr Voigt, es ist selbst unter Ihrem Niveau, so etwas immer wieder zu versuchen.
Meine Damen und Herren, der Bundesminister des Auswärtigen hat hier beklagt, daß man sich nicht genügend konkret mit der Antwort der Regierung auf unsere Große Anfrage auseinandersetze. Er hätte das Ende dieser Debatte abwarten sollen, denn ich habe die Absicht, genau dieses zu tun.
Von Ihrer Seite ist überhaupt noch nichts dazu gekommen. Fragen Sie mal den Kollegen Voigt, was der dazu gesagt hat.
Der Bundeskanzler hat am 30. Juli 1975 in Helsinki ausgeführt — und dies ist ein Schlüsselsatz, um ihn selbst zu beurteilen —:Die Politiker werden in allen Staaten, unabhängig von deren Verfassungssystem oder von deren gesellschaftspolitischem System, die Politiker werden daran gemessen, ob sie die moralische Stärke und ob sie die politische Kraft aufbringen, aus vernünftigen Prinzipien, die hier im Augenblick auf dem Papier stehen, ob sie daraus nachprüfbare Wirklichkeit machen.
Sehr wahr, meine Damen und Herren. Aber wie ist es nun mit der nachprüfbaren Wirklichkeit und demzufolge mit der „moralischen Stärke und politischen Kraft" Helmut Schmidts und Hans-Dietrich Genschers bestellt? Ich bin gar nicht der Meinung, daß man da um den Bundesaußenminister einen Bogen machen sollte, als sei er sakrosankt; denn er hat noch vor weniger als einem Jahr die „Magna Charta" des Friedens beschworen, die die KSZE-Schlußakte sei, und er hat heute wesentlich bescheidener dazu gesprochen.Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gibt darauf zumindest eine Teilantwort. Dabei, so Helmut Schmidt in der gleichen Rede, steht die Glaubwürdigkeit eines jeden einzelnen Staats- und Regierungschefs in West und Ost auf dem Spiel.
Er hat gesagt, daß hier „ein neuer Schritt auf dem Weg zur Stabilisierung des Friedens" gemacht worden sei. Er hat von „Maßstäben", von „wichtigen Formeln des Friedens" gesprochen. Der Bundesaußenminister hat, wie ich es erwähnte, von der „Magna Charta" für den Frieden in Europa gesprochen.„Der KSZE-Prozeß konnte die Teilung Deutschlands in Europa nicht überwinden", heißt es in der Antwort der Bundesregierung. Zu Deutschland gehören nicht nur die Bundesrepublik Deutschland und die DDR, von deren menschenrechtsloser-Wirklichkeit mein Freund Claus Jäger noch zu sprechen haben wird, sondern zu Deutschland gehören nach unserer jahrhundertelangen Geschichte, nach unserem Grundgesetz, nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und nach unserer festen Überzeugung auch unsere Ostgebiete, die heute unter sowjetischer bzw. polnischer Verwaltung stehen. Wir stehen zum Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes, das sich auf Deutschland in seinen rechtmäßigen Grenzen bezieht.Ob das die Bundesregierung auch noch tut, wird immer zweifelhafter. Die Bundesregierung nennt z. B. — das ist ein Punkt, der mich besonders beschwert — meine Heimat Ostpreußen „ehemaliges deutsches Gebiet, das heute zu einem fremden Staatsverband gehört". Sie spricht von „früheren deutschen Gebieten". Da hat sich zweifellos in den letzten zehn Jahren Wesentliches verändert, es hat sich eine enorme Entwicklung zum Negativen vollzogen. Ich finde, die Bundesregierung handelt dabei rechtswidrig und pflichtwidrig; denn ihre Pflicht ist es, das ganze Deutschland mit Zähnen und Klauen zu verteidigen.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2777
Dr. HennigDie KSZE-Teilnehmerstaaten haben sich verpflichtet, das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu achten, also nach Adam Riese auch das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes. Warum spricht eigentlich die Bundesregierung nicht mindestens ebenso laut und deutlich vom Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes, wie sie vom Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser spricht?
Warum wird in der Welt mehr über die Wiedervereinigung Koreas oder Zyperns als über die Deutschlands gesprochen? Wann sind eigentlich die Amerikaner, Engländer und Franzosen das letzte Mal darauf hingewiesen worden, daß sie nach Art. 7 des Deutschlandvertrages verpflichtet sind, die Wiedervereinigung Deutschlands mit friedlichen Mitteln zu verwirklichen? Sind sie in den letzten zwölf Jahren überhaupt auf diesen Punkt angesprochen worden, ausgenommen auf einer Jubiläumssitzung zur 25Jahr-Feier dieses Vertrages? Sind sie in der praktischen Arbeit beim Wort genommen worden?
Ich werfe es niemandem vor — damit wir uns nicht mißverstehen —, daß der KSZE-Prozeß die Teilung Deutschlands nicht überwinden konnte. Dies haben wir in den Jahren unserere Regierung auch nicht geschafft. Ich mache aber dieser Regierung den Vorwurf, daß sie dieses ganze Thema bis auf seltene Pflichtübungen hat verschwinden lassen, daß sie vom ganzen Deutschland gar nicht mehr spricht, daß sie gar nicht mehr daran glaubt.
Die KSZE-Staaten haben sich verpflichtet, freiere Bewegung und Kontakte, Möglichkeiten für umfassenderes Reisen ihrer Bürger zu entwickeln. Wie ist die nachprüfbare Wirklichkeit? Zu dieser Wirklichkeit gehört, daß z. B. kein Ostpreuße seine Heimatstadt Königsberg, Insterburg oder Memel besuchen darf. Wie ist es eigentlich 36 Jahre nach Kriegsende zu begründen, daß hier eine ganze Provinz für Mann und Maus, übrigens auch für Polen oder Bewohner der DDR, völlig gesperrt wird, daß dort ein militärisches Sperrgebiet dieser Größe aufrechterhalten bleibt?
Der Bundeskanzler habe bei seiner letzten Moskaureise keine Zeit gefunden, so hieß es, dieses Thema dort anzusprechen, das für viele Deutsche ein brennendes Problem darstellt. Wird er Zeit finden, es anzusprechen, wenn Herr Breschnew im November nach Bonn kommt, oder wird er zu diesem Problem wieder pflichtwidrig schweigen, das für uns wichtig ist und wichtig bleibt?Ich hatte im vergangenen Jahr die Ehre, die Delegation des Deutschen Bundestages zu leiten, die an der KSZE-Konferenz der Parlamentarier in Brüssel teilgenommen hat. Während dieser IV. Internationalen Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa habe ich das Thema öffentlich und in mehreren langen Gesprächen mit Herrn Ruben, dem sowjetischen Delegationsleiter und Präsidenten des Nationalitätensowjets, angesprochen. Wir haben uns darüber lange kontrovers unterhalten. Ich habe ihm gesagt, wenn Sie sich hier nicht bewegen, gibt es überhaupt kein Schlußdokument, weil wir nur einvernehmlich ein Schlußdokument verabreden können. Dann hat er sich bewegt. Nach langem Hin und Her kam dann doch eine erstaunlich weitgehende Formulierung zustande, die klar auf das nördliche Ostpreußen bezogen war:Die Teilnehmerstaaten werden Möglichkeiten suchen, um weitere Gebiete für Touristenreisen zugängig zu machen.Das haben sie so wörtlich mit uns zusammen unterschrieben. Gemeint ist ganz klar das Königsberger Gebiet. Dies ist also auf dem Papier bereits zugestanden.Was hat nun aber die Bundesregierung daraus gemacht? Hat sich der deutsche Botschafter in Moskau überhaupt schon einmal erkundigt, wann denn diese Prüfung abgeschlossen sein würde? In Madrid hat man das Thema verschämt nur in einer Unterkommission angesprochen. Für die Rede von Herrn Genscher war es wohl nicht wichtig genug. Die Bundesregierung täuscht sich aber, wenn sie meint, dieses Thema werde sich durch Liegenlassen erledigen. Nicht nur die Ostpreußen werden weiter darauf drängen, daß sie die ihnen in Helsinki zugestandenen Rechte auch wirklich ausüben können.Zur nachprüfbaren Wirklichkeit gehören folgende Kernsätze der Bundesregierung:Die Menschenrechtslage in den kommunistisch regierten Ländern hat sich seit der Unterzeichnung der Schlußakte nicht durchgreifend verbessert.Ich meine, das ist ein wirklicher Kernsatz dieser Antwort der Bundesregierung. Es geht also gar nicht darum, wie Herr Brandt getan hat, daß die ihr System abschaffen müßten, sondern es geht darum, ob diese dort in Helsinki getroffenen Verabredungen in der Zwischenzeit auch in den eigenen Ländern in Osteuropa erfüllt worden sind.
Dazu sagt Herr Genscher selbst: Dies hätte sich nicht durchgreifend verbessert. Dies gelte insbesondere für die Meinungs- und Informationsfreiheit, die Religions- und Gewissensfreiheit einschließlich der Bekenntnisfreiheit und die Vereinigungsfreiheit. Die Achtung dieser Menschenrechte und Grundfreiheiten ist aber ein Kernprinzip der Schlußakte. Sie wird aber im Kern durch die Praxis der osteuropäischen Staaten verletzt.Es ist ein schlimmes Kapitel, wie und in welchem Umfang heute noch viele Menschen unter kommunistischer Herrschaft wegen ihrer religiösen Überzeugung gesellschaftlich diskriminiert werden, wie religiöse und kirchliche Gemeinschaften in ihrer Tätigkeit behindert, eingeschränkt oder überhaupt verboten werden. Auch die atheistische Indoktrinierung von Jugendlichen ist eine flagrante Verletzung von Menschenrechten.
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2778 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Dr. HennigBürger und Vereinigungen,— so die Bundesregierung selbst —die sich für die Verwirklichung der KSZESchlußakte und der übrigen internationalen Vereinbarungen zum Schutze der Menschenrechte einsetzen und sich gegen Verstöße wenden, werden in den kommunistisch regierten Staaten in vielen Fällen verfolgt.Das ist ein wörtliches Zitat, Herr Bundesaußenminister.Der Deutsche Bundestag sollte heute wenigstens in diesem einen Punkt solidarisch handeln — dies gilt auch für die Entschließung der SPD, die nachher zur Abstimmung vorgelegt wird — und sollte solche Verfolgungsmaßnahmen klar und unmißverständlich verurteilen. Dies ist doch das Mindestmaß, daß wir hier heute schaffen sollten.Ein nachdrückliches Wort muß heute zur menschenrechtlichen Lage der Deutschen im Machtbereich Polens, der UdSSR, der Tschechoslowakei, Rumäniens und Ungarns gesagt werden. Es sind nämlich noch Hunderttausende, die aus diesen Ländern ausreisen wollen. Die konkrete praktische Frage ist: Geschieht genug, um ihnen dieses Grundrecht, das doch im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte kodifiziert ist — „jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen," heißt es dort in Art. 12 — wirklich zu erkämpfen? Die Bundesregierung selbst gibt zu, daß ihr eine große Zahl unerledigter Ausreiseanträge bekannt sei. Ein Blick auf die konkreten Zahlen: Dort leben noch dreieinhalb bis vier Millionen Deutsche. Es kann davon ausgegangen werden, daß aus der Sowjetunion 100 000 bis 200 000 Deutsche ausreisen wollen, aus Rumänien 200 000, aus der Tschechoslowakei 5 000 bis 10 000, aus Ostdeutschland jenseits von Oder und Neiße mindestens 150 000. Das ergibt eine Gesamtzahl von etwa 500 000, um die Dimension dieses Problems einmal zu verdeutlichen.Besonders schlecht ist es zur Zeit um die Ausreise von Deutschen aus der Sowjetunion bestellt. Im August kamen von dort nur 239 Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland, und dies trotz der großen Sprüche, die wir nach der Reise des Bundeskanzlers hier in diesem Hause gehört haben. 239 insgesamt!Auch der polnischen Regierung sind hier kritische Fragen zu stellen. Warum weigert sich die polnische Seite, wenn ein Besucher hiergeblieben ist — und vielfach ist das jetzt die einzige Möglichkeit auszureisen —, für die Ausreise der zurückgelassenen, besser gesagt: der zurückgehaltenen Familienmitglieder Interventionsnotizen unserer Warschauer Botschaft überhaupt nur entgegenzunehmen? Warum widersetzt sich Polen der Errichtung eines deutschen Kulturinstituts in Warschau?
Warum ist der Kulturaustausch immer noch eine Einbahnstraße mit ganz gelegentlichem Gegenverkehr?
Warum kann der Jugendaustausch nicht in Gang kommen, wie es doch zugesagt worden ist?In der Antwort der Bundesregierung heißt es — Herr Minister, ich setze mich jetzt sehr konkret mit ihr auseinander —:Die polnische Regierung begründet ihre restriktive Haltung gegenüber den kulturellen und sprachlichen Rechten der Deutschen mit der polnischen Verfassung, die es verbietet, einer Gruppe Sonderrechte einzuräumen.Die Bundesregierung hätte zumindest hinzufügen müssen, daß es gar nicht um Sonderrechte geht, sondern um die gleichen Rechte, wie sie den Polen selbst zustehen. Sie hätte hinzufügen müssen, daß es gerade in der erwähnten polnischen Verfassung heißt:Die Bürger der Volksrepublik Polen haben die gleichen Rechte, unabhängig von Geschlecht, Geburt, Ausbildung, Nationalität, Rasse, Konfession sowie gesellschaftlicher Herkunft und Stellung.
Wo sind denn die gleichen Rechte der Deutschen in Polen, wie sie Art. 67 Abs. 2 und Art. 81 Abs. 1 der polnischen Verfassung fordern? Hat die Bundesregierung darauf schon einmal hingewiesen? Hat sie überhaupt davon Gebrauch gemacht, daß dies in der polnischen Verfassung selbst steht?
Und da kommt diese Bundesregierung, die eine Schutzpflicht gegenüber allen Deutschen hat, einfach daher und wiederholt die polnische Propagandabehauptung, ausgerechnet die polnische Verfassung stehe Mindestrechten der deutschen Volksgruppe entgegen!Ganz unbegreiflich ist auch, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort schreibt, für Volksgruppenrechte gebe es keine rechtliche Grundlage. Das steht in dieser Antwort. Hat sie denn Art. 27 des Pakts über bürgerliche und politische Rechte überhaupt nicht gelesen, der doch in Polen geltendes Recht ist, wo diese Bezugnahme wortwörtlich steht? Ist dies etwa keine Rechtsgrundlage? Warum also setzt sich die Bundesregierung nicht für Volksgruppenrechte der Deutschen in Osteuropa ein? Warum antwortet man mir darauf aus Ihrem Hause, Herr Minister Genscher, in der Fragestunde:Eine Initiative der Bundesregierung, die darauf abzielte, die Lage der deutschen Minderheit in der UdSSR als Ganzes gegenüber der sowjetischen Regierung anzusprechen, würde der völkerrechtlichen Legitimation entbehren?
Gibt die Bundesregierung eigentlich auch Herrn Sadat solche Antworten, wenn er sich für die Rechte der Palästinenser einsetzt? Ist dies in nationalen Dingen nicht eine wirklich unglaublich schlappe Regierung? So möchte ich fragen.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2779
Dr. HennigWo bleibt denn das stürmische Verlangen nach der Gewährung der Menschenrechte, vor allem der Menschenrechte für die Millionen Deutsche, denen in Mitteldeutschland, in Ostdeutschland, in der Tschechoslowakei, in Rumänien und gerade in der Sowjetunion die elementaren Menschenrechte hartnäckig und brutal verweigert werden?Karsten Voigt hat hier nach dem Rezept der Union gefragt. Parteifreunde von ihm sind ja dabeigewesen, als ich selbst in Wien und Brüssel bei diesen KSZE-Konferenzen der Parlamentarier diese Punkte mit allem Nachdruck angesprochen habe, von der ungelösten deutschen Frage gesprochen habe, von den fehlenden Möglichkeiten der Einreise in das nördliche Ostpreußen gesprochen habe. Gewiß, da gab es zunächst eine Explosion. Der sowjetische Delegierte sagte, der Geist Konrad Adenauers habe über diesen Beratungen gelegen, als ich gesprochen habe.
— Ich habe das als ein großes Kompliment empfunden, Herr Wehner.
Es gab diese Auseinandersetzung. Hinterher aber gab es eine demonstrative Zusammenarbeit zwischen der sowjetischen und der deutschen Delegation. Wir haben nachher ein Schlußpapier verabredet, das über Helsinki sogar hinausgeht. Nur, meine Frage ist: Wo wird dies eigentlich von der Bundesregierung in Anspruch genommen? Wo wird es eingefordert, um zu sagen: Dies sind die konkreten Punkte, die bereits verabredet sind; wann endlich werdet ihr sie in die Tat umsetzen?
Das ist für mich ein Modell für politische Methodik, Herr Voigt, das sich auf alle Bereiche der Deutschland- und Außenpolitik übertragen läßt. Am Beginn muß eine ganz klare Ausgangsposition stehen, eine Position des Völkerrechts, unserer Verfassung und der nationalen unaufgebbaren Interessen unseres Landes. Wir müssen endlich aufhören, uns gegenüber kommunistischen Staaten einschmeicheln zu wollen, nur den Punkt der Zusammenarbeit hier in einer Rede zu behandeln — wenn Sie von den Verleumdungen der Opposition einmal absehen. Dies ist zuwenig.
Wir haben keinen Spielraum mehr für eine Politik der Vorleistungen, der unausgewogenen Verträge mit klaren Leistungen von uns und lediglich Erwartungen von der anderen Seite. Kasse gegen Hoffnungen ist eine schlechte Maxime der Politik. Rainer Barzel hat davon oft gesprochen.Der in Wien und Brüssel beschrittene Weg ist besser, meine Damen und Herren. Das ist unser Konzept: Zunächst einmal wird die eigene Position klar formuliert, werden die eigenen nationalen und unaufgebbaren Interessen unmißverständlich auf den Tisch des Hauses gelegt, wie dies die Sowjetunion in jeder ihrer Verlautbarungen zunächst doch auch als Methode tut. Dann spricht man darüber, wo ein Ausgleich möglich ist. Dann spricht man darüber, wosich dennoch Brücken schlagen lassen, und zwar nicht, indem man zweideutige Formelkompromisse à la Egon Bahr findet, die der eine Vertragspartner so und der andere anders deutet
und die natürlich zu immer neuen Auslegungsstreitigkeiten führen, in denen wir der Sowjetunion doch zweifelsohne unterlegen sind. Unsere Sorge war bei der Politik dieser Regierung immer — und das ist ja doch nachweisbar —, daß ein und derselbe Wortlaut gegensätzlich und zum Teil auch sehr unterschiedlich interpretiert wird. Das ist auf die Dauer nicht gut. Konrad Adenauer war der Meinung, Vertragstreue hänge auch mit klarem Vertragsinhalt zusammen. Das ist leider versäumt worden.
Nein, meine Damen und Herren von der SPD, unserer Politik tut nicht Gefälligkeit, nicht Entspannungseuphorie, nicht Liebedienerei nach allen Seiten not, unserer Politik tut in erster Linie Augenmaß und Berechenbarkeit not.
Bei einer deutschen Außenpolitik, die nicht den roten Faden der Berechenbarkeit sowohl für die Freunde auf unserer Seite als auch für Partner die auf der anderen Seite des Konferenztisches hat, wird sich zum Schluß eine Übereinstimmung lediglich im Mißtrauen gegen uns ergeben.
Es könnte sehr wohl sein, daß eine solche berechenbare, verläßliche Politik nun, nachdem die Kassen für größere Vorleistungen sowieso leer sind, selbst für die Sowjetunion eine zwar schwierige, letztlich aber doch angenehmere Alternative zur jetzt betriebenen Politik des Wandels durch Annäherung darstellt, bei der sich mit Kommunisten und Sozialisten Verwandte gegenüberstehen, die in Karl Marx zumindest einen ideologischen Stammvater haben, wenn nicht sogar zwei, Herr Kollege Wehner, nachdem Bruno Kreisky .auf dem Parteitag der österreichischen Sozialisten gesagt hat, wer Marx sage, müsse auch Engels sagen.Nein, meine Damen und Herren, diese Regierung ist unfähig — ich komme damit zum Schluß, Herr Präsident — sie ist unfähig mit dem Pfund zu wuchern, das sie selbst für das Kilo finanzieller und politischer Gegenleistungen eingehandelt hat. Sie ist angetreten, Verträge und Vereinbarungen mit Leben zu erfüllen, für die wir alle teuer, zu teuer, bezahlt haben. Nun schöpft sie diesen bescheidenen Spielraum, den diese schlechten Verträge gewähren, nicht einmal aus. Sie besteht nicht auf ihrer vollständigen Einhaltung durch die Vertragspartnerstaaten. Sie nimmt es hin, daß z. B. die KSZE-Schlußakte im Kern verletzt wird, ohne dagegen wirklich massiv und unmißverständlich zu protestieren. Sie wird also so behandelt, wie sie sich behandeln läßt. Dies ist keine Regierung Adenauerscher Vertragstreue.
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2780 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Dr. HennigDies ist eine Regierung, die A sagt, B unterschreibt und C tut.
Dies ist keine Regierung der Vertragsklarheit und damit der Vertragswahrheit.
Herr Abgeordneter, ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Die Alternative ist eine Regierungspolitik der Klarheit, der Beständigkeit, des langen Atems, der wirklichen Solidarität im westlichen Bündnis, des Mutes und der Beharrlichkeit in der Verfolgung unserer besonderen Interessen in unserem geteilten Vaterland Deutschland. — Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hätte hoffen dürfen, daß sich die heutige Debatte — ich habe versucht, dazu einen Beitrag zu leisten — den sachlichen Fragen im Ost-West-Verhältnis, der Not der Menschen im Ost-West-Verhältnis in einer sachlichen Weise widmet. Ich frage mich, ob nicht die Opposition, nicht zuletzt durch die Rede, die wir soeben nicht nur haben hören, sondern die ich für meine Person habe auch ertragen müssen, Herr Kollege Hennig,
durch diese Rede eine Chance versäumt hat, die z. B. in der gewiß nicht unkritischen Darlegung Ihres Kollegen Mertes anklang, mitzuwirken bei der Durchsetzung dessen, was uns eigentlich gemeinsames Anliegen sein sollte. Sehen Sie, über die Fähigkeit oder Unfähigkeit dieser Regierung entscheiden nicht Sie, da entscheiden nicht wir, da haben für die vier Jahre am 5. Oktober die Wähler in der Bundesrepublik Deutschland entschieden, Herr Kollege. Da hantieren Sie ganz leichtfertig mit den Begriffen „pflichtwidrig", „rechtswidrig". Da wird der moralische Anspruch von Mitgliedern der Bundesregierung bestritten;
da wird die Frage gestellt, ob wir denn wirklich unsere Alliierten daran erinnern, daß sie auch für Deutschland eintreten müssen. Da wird gesagt, die Regierung sei „schlapp". Also, ich will Ihnen einmal etwas sagen: Man kann ja über die Haltung einer Regierung unterschiedlicher Meinung sein. Für mich ist der bitterste Tag in der deutschen Nachkriegsgeschichte der 13. August 1961 gewesen, der bitterste Tag deshalb, weil an diesem Tage die schreckliche Trennung durch die Errichtung der Mauer auch sichtbar und fühlbar für jeden gemacht wurde. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, zu sagen, daß die Reaktion der damaligen Regierung „schlapp" gewesen sei. Wissen Sie, die martialischen Reden, die lautstarken Dinge, die haben nicht viel bewirkt in der Vergangenheit; redliches Bemühen hat eine Menge gebracht.
Aber ich würde das alles noch hinnehmen können und würde meinen, Sie hätten den Plenarsaal des Deutschen Bundestages mit einer Wahlkampfarena verwechselt. Nur, ich sage Ihnen, eines nehme ich nicht hin: daß Sie erklären, die frei gewählte Regierung dieses Landes sei nicht eine Regierung der Vertragswahrheit; dafür sollten Sie sich entschuldigen!
Da geht es um eine Idee mehr, Herr Kollege, als um kleine Vorteile gegenüber einer anderen Mehrheit. Hier geht es um die Glaubwürdigkeit unseres Landes. Ich hätte mir niemals in der Opposition zu einer Regierung, die Sie mit den Sozialdemokraten stellten, oder als Sie allein regierten, erlaubt, einer frei gewählten Regierung dieses Landes zu bestreiten, daß sie eine Regierung der Vertragswahrheit sei. Wollen wir wirklich so miteinander umgehen? Wissen Sie, was Sie hier alles in uns hineingelegt haben?
Und nun sagen Sie mir das vor allen Dingen nicht, wenn es darum geht, die Interessen des ganzen Volkes wahrzunehmen. Sie haben doch auch in Zweifel gestellt, daß wir das tun. Ich habe meine Heimat drüben in der DDR. Sie dürfen mich auf vielen Gebieten kritisieren; aber daß ich mit ganzem Herzen als Mitglied dieser Regierung darum ringe, etwas für das geteilte Land zu tun, und daß für mich der Wille der Nation zusammenzuleben immer Richtschnur meiner Politik ist, das dürfen Sie mir nicht bestreiten. Wenn ich Zweifel hätte, daß die ganze Regierung es nicht auch so tun würde, ich würde ihr nicht einen Tag länger angehören. Das wollte ich Ihnen sagen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Männing.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der fortgeschrittenen Zeit kann ich nicht umhin, mit einer persönlichen Bemerkung zu beginnen. Ich muß Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, sagen, daß es mir heute besonders schwergefallen ist, hier nach vorn ans Rednerpult des Deutschen Bundestages zu treten; nicht, weil mich Ihre Argumente jetzt endlich überzeugt hätten, sondern weil ich kaum noch Hoffnung hegen kann und hegen darf, mit dieser Union an der Schwelle zu den 80er Jahren einen konstruktiven Dialog über die Politik der Friedenssicherung für unser Land führen zu können.Das gilt auch und insbesondere für die Beiträge von Herrn Dr. Hennig und Herrn Dr. Mertes. Ich habe aufgehört, dies zu beklagen.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2781
MänningWenn Sie, Herr Dr. Hennig, mit der Verbindung zwischen der Unterschrift des sozialdemokratischen Bundeskanzlers unter die Schlußakte von Helsinki und dem Hinweis auf die ehemaligen deutschen Ostgebiete erneut versucht haben sollten, den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, den Sozialdemokraten Helmut Schmidt, in eine Ecke zu stellen, in die Adolf Hitler gehört, sage ich Ihnen für meine Fraktion, aber auch für mich ganz persönlich: Das wird von uns nicht mehr zurückgewiesen: Diese Politik richtet sich selbst.
Herr Dr. Mertes, mir ist unerfindlich, wie Sie ausgerechnet die deutsche Jugend zum Adressaten Ihrer Ausführungen machen können. Das zeigt für mich deutlich, daß Sie offensichtlich nicht im Dialog mit der deutschen Jugend stehen.Dann fordern Sie leichtsinnigerweise den Bundesaußenminister auf, Sie persönlich und die Fraktion der CDU/CSU zu blamieren. Das ist nicht mehr nötig! Das ist durch Ihre Beiträge am heutigen Vormittag schon geschehen,
und dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen.
— Nein, es hat sich im Grunde bei der Opposition seit der Debatte im Juli 1975, die der Bundesaußenminister erwähnt hat, nichts bewegt; nicht millimeterweise, es sei denn rückwärts.Ich erwähne dieses Datum doch noch einmal ganz ausdrücklich auch für die Öffentlichkeit, weil klar sein muß, daß Sie damals die einzige Partei gewesen sind, die die Verweigerung der Unterschrift gefordert hat, die einzige Partei neben den albanischen Kommunisten — eine schöne Koalition.Es fällt mir immer wieder auf, wie beharrlich Sie dieses Nein vom 25. Juli 1975 verschweigen
und sich geradezu zum Gralshüter dieser HelsinkiSchlußakte aufspielen,
um den durch „Wählerirrtum" — um nicht zu sagen „Wählerbetrug" — an die Macht gekommenen „Sozis" einen Verrat am Erbe Konrad Adenauers zu unterstellen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, ich kann sie nicht gestatten, denn ich bin in der gleichen Position wie mein Kollege Dr. Todenhöfer; mein Obmann hat mir so wenigZeit zugeteilt, daß ich jetzt versuchen muß, mit meinen Äußerungen über die Runden zu kommen.Was damals vor Helsinki, in Helsinki und nach Helsinki durch den Bundeskanzler und durch den Bundesaußenminister über die weiterhin andauernden Gegensätze zwischen Ost und West gesagt worden ist, ist doch auch heute noch — man kann es ja bedauern — grundsätzlich richtig. Richtig ist nämlich, daß der Kommunismus, wie Willy Brandt es einmal ausgedrückt hat, durch alle Abkommen vom Moskauer Vertrag über die Polen-Vereinbarungen und den Beitritt der beiden deutschen Staaten zu den Vereinten Nationen usw. bis zum Schlußdokument von Helsinki nicht „weggetextet" werden konnte, und daß eben in 30 Wochen oder in 30 Monaten nicht weggeräumt werden konnte, was sich in 30 Jahren an Problemen zwischen den Blöcken aufgetürmt hatte.Der Prozeß der Entspannung und des Dialogs mit den kommunistischen Regierungen und Systemen der Staaten des Ostens bedarf der Festigkeit, der Beharrlichkeit, der Prinzipientreue, aber auch der Geduld und des langen Atems.
Insofern muß ich erneut feststellen, daß Ihre heutigen Beiträge — und Herr Jäger wird die Darstellung Ihrer „Friedenspolitik" dann mit dem von mir erwarteten Schlußpunkt versehen — nicht nur jeweils kurz, sondern auch kurzatmig waren. Deswegen sage ich Ihnen für die sozialdemokratische Fraktion: Wir bleiben in Haltung, Überzeugung und Handlung fest: Gemeinsam mit den Freien Demokraten wird der mühselige Prozeß der Entspannung, der aber am Ende nicht aussichtslos ist, fortgesetzt, und zwar im Interesse der Menschen auf beiden Seiten, insbesondere der Menschen auf beiden Seiten meiner Heimatstadt Berlin. Wir werden diese Anstrengungen, wie gesagt, fortsetzen.Ich möchte ein paar kurze Bemerkungen zu Besuchen machen, die heute erwähnt worden sind. Was den Besuch des amerikanischen Außenministers in Berlin angeht, so ist meine eigene Haltung von mir frühzeitig klargemacht worden. Der Bundesaußenminister hat während der heutigen Debatte für sich und den Bundeskanzler eine eindeutige Haltung eingenommen; der Parteivorsitzende der SPD hat das gleiche getan.
— Herr Dr. Wörner, wenn Sie von den genannten Personen verlangen, daß sie die Demonstration verbieten, so ist das nicht nur rechtswidrig, sondern es wäre auch politisch ein Unding.
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2782 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
— Ich muß es mir ersparen, auf die Bemerkung von Herrn Dr. Wörner einzugehen. — Auch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird einen Weg finden, um den Besuch des amerikanischen Außenministers in Berlin auf entsprechende Weise zu begrüßen.Auch der Besuch des Kollegen Egon Bahr in Ost-Berlin hat eine Rolle gespielt und ist heute mehrfach angesprochen worden.
Es gab inzwischen eine Verständigung, den Versuch einer Veständigung
zwischen den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses. In dieser Zusammenkunft, Herr Dr. Hennig, hat Egon Bahr für uns klargemacht, daß er in Ost-Berlin in seinen Gesprächen für den Unterausschuß Abrüstung und Rüstungskontrolle des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages keinerlei Verpflichtung eingegangen ist.
Aus dieser Grundlage sollten wir in einer der nächsten Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses unsere Diskussion, Herr Dr. Todenhöfer, über den Bericht führen, den Egon Bahr geben wird.Ich habe erwähnt, daß wir Sozialdemokraten — und damit muß ich zum Schluß kommen — diese mühselige, aber am Ende nicht hoffnungslose Politik der Entspannung und der Friedenssicherung fortsetzen werden, so entmutigend und enttäuschend vielleicht einzelne Vorkommnisse sein mögen. Diese Anstrengungen sind vielleicht am treffendsten mit dem Titel eines vor einiger Zeit auch bei uns erschienenen Buches über Gespräche mit dem polnischen Gewerkschaftsführer Lech Walesa zu charakterisieren: „Vielleicht auf Knien, aber vorwärts!" — Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Jäger .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen doch noch ein kurzes Wort zu dem sagen, was der Herr Bundesminister des Auswärtigen in seiner Erwiderung auf die Rede meines Kollegen Hennig geäußert hat. Herr Bundesminister, nach dem, was Sie selber heute in Ihrer Rede hier gesagt haben, und zwar — in ganz wörtlichem Sinne — sehr lautstark gesagt haben, war es ein wenig leichtfertig von Ihnen, sich hier über lautstarkes Reden und die geringe Auswirkung solchen lautstarken Redens zu verbreiten. Wir wollen einmal abwarten, ob Ihr lautstarkes Wort von heute durchdie Taten Ihres Parteivorstandes so nachdrücklich unterstrichen wird, daß es die Berliner Jungdemokraten davon abhält, an dieser Demonstration teilzunehmen. Daran werden Sie gemessen, nicht an Ihren allgemeinen Äußerungen über Lautstärke.
Ein zweites Wort, Herr Bundesminister. Sie haben meinen Kollegen Hennig wegen seiner Ausführungen über die Vertragswahrheit der Bundesregierung angegriffen. Es wäre besser gewesen, Sie hätten ihn in der Sache widerlegt. Er hat nichts anderes getan, als darauf hingewiesen, daß zur Vertragswahrheit auch die Vertragsvollständigkeit gehört. Wenn eine Bundesregierung nicht mehr bereit ist, sich auf wesentliche, essentielle Grundlagen eines völkerrechtlichen Vertrages zu berufen — und dazu gehört eben das Recht der Minderheiten auf Wahrnehmung ihrer Rechte, wie es im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte niedergelegt ist —, so bedeutet dies: Ein Verzicht auf diese Vollständigkeit, ein Verzicht auf die Wahrnehmung solch fundamentaler Rechte ist auch ein Verstoß gegen die Pflicht der Bundesregierung, ihrem Volk und seinen Bürgern die ganze und volle Wahrheit zu sagen. Ich meine, dies konnte unser Kollege Hennig nicht nur rügen, dies mußte er sogar rügen, denn er ist ein Patriot, der für seine Landsleute und ihre Rechte hier einzutreten hatte.
Meine Damen und Herren, für kein Land ist Erfolg oder Mißerfolg der KSZE-Schlußakte so entscheidend wie für unser geteiltes Vaterland, dessen Menschen darauf warten, daß aus dem, was ihnen 1975 von 35 Staats- und Regierungschefs zugesagt worden ist, praktische, nachprüfbare Wirklichkeit wird, wie es j a der Bundeskanzler in dem bereits erwähnten Zitat gesagt hat. Deswegen müssen Menschenrechte und menschliche Erleichterungen, die vom Herrn Kollegen Mertes hier mit Recht als zwei Paar Stiefel dargestellt worden sind, die aber beide für uns von entscheidender Wichtigkeit sind, im Vordergrund dessen stehen, womit wir uns bei der Schlußakte von Helsinki beschäftigen. Ein Blick auf die allerersten grundlegenden Ausführungen in der Antwort der Bundesregierung, Herr Bundesminister, macht doch deutlich, daß die Menschenrechte nicht einmal in dem Konzept vorkommen, das die Bundesregierung schon vor einem Jahr in der Antwort auf die Große Anfrage der Koalitionsfraktionen und jetzt, wörtlich sich wiederholend, in der Antwort auf unsere Anfrage ihren Einzeldarlegungen vorausgeschickt hat. Dieses ausdrücklich als „Konzept" bezeichnete Kapitel der Antwort, Herr Minister, enthält weder das Wort „Menschenrechte" noch umschreibend diesen Begriff. Es sagt zu diesem Thema überhaupt nichts aus. Wenn Sie es nicht glauben, dann lesen Sie es auf Seite 1 der Drucksache nach. Dann werden Sie meine Feststellung bestätigen.Ich darf deshalb namens meiner Freunde hier folgendes sagen: Ein Konzept für die Verwirklichung der Schlußakte von Helsinki, aus dem Menschenrecht und damit auch Menschlichkeit ausgeklam-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2783
Jäger
mert werden, kann weder dem Frieden noch wahrer Entspannung noch dem Interesse unseres deutschen Volkes dienen. Ein solches Konzept ist falsch, gefährlich und im Endeffekt schädlich statt hilfreich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kommunisten haben sich in Helsinki nicht zur Abschaffung ihres politischen Systems verpflichtet. — Meine Damen und Herren, das ist eine Formel, mit der jede kommunistische Vertragsverletzung entschuldigt oder wenigstens ihre Hinnahme gerechtfertigt werden kann.
Das ist im Endergebnis eine menschenrechtsfeindliche Formel, weil Sie doch damit den Kommunisten selber die Stichworte, selber die Ausreden, selber die Entschuldigungen für ihre Verletzungen dessen liefern, was in Helsinki unterschrieben worden ist.
Die Bundesregierung hat dann im einzelnen — das soll anerkannt werden — die umfangreichen Menschenrechtsverletzungen in Deutschland sehr ausgiebig dargestellt. Meine Redezeit, die durch den Ablauf der Debatte erheblich gekürzt werden mußte, verbietet es mir, dies jetzt im einzelnen zu behandeln.
— Herr Kollege Wehner, wenn Sie die Antwort der
Bundesregierung intensiv nachlesen, dann tun Sie
Ihrem eigenen politischen Weltbild einen Gefallen,
weil Sie endlich einmal dahinterkämen, was selbst nach den Darlegungen Ihrer Regierung den Menschen unseres Volkes an Vertragsverletzungen zugemutet wird.
Aber einen Punkt möchte ich doch erwähnen: die Verfolgung von Menschen, die nichts anderes tun, als sich auf die Schlußakte von Helsinki und die Menschenrechte zu berufen. Ich will das an einem einzigen Beispiel in Deutschland darstellen. Es geht um den evangelischen Christen Rainer Bäurich, 43 Jahre alt, der von 1977 bis 1979 im Zuchthaus saß, nur weil er sich auf die KSZE-Schlußakte berief. Nach einer Amnestierung im März 1980 wurde er erneut verhaftet und im Juni letzten Jahres zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt. Rainer Bäurich leidet
mit vielen tausend anderen Menschen dafür, daß er sich auf dieses Werk von 1975 beruft, weil er an die Menschenrechte glaubt. Ich meine daher, es gehört zu den Aufgaben dieses Parlaments, an die Machthaber drüben zu appellieren, diesen aufrechten Mann endlich freizulassen.
Ich meine, dieser exemplarische Fall gehört auch, Herr Bundesminister, in das Gepäck des Bundeskanzlers, wenn er zu Herrn Honecker reist. Hier kann der Bundeskanzler beweisen, wieviel die Schlußakte dieser Bundesregierung wert ist, und ob es ihm gelingt, einen solchen Mann endlich in die Freiheit zu bringen, derer er auf Grund dessen, was kommunistische Führer unterschrieben haben, überhaupt nie hätte beraubt werden dürfen.
Meine Damen und Herren, die Schlußakte von Helsinki muß in Madrid durch Implementierung und vernünftige Beschlüsse weiter realisiert werden. Nach unserer Meinung ist es für die Bundesregierung unverzichtbar, darauf zu drängen, daß die drei menschenrechtlichen Papiere, die ja schon sehr weitgehend formuliert sind und die für uns echte Fortschritte sind, wenn es gelingt, sie durchzusetzen — es handelt sich um die Papiere betreffend die regelmäßigen Familienbesuche, die Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten und den Schutz für alle Menschen, die sich auf ihre Menschenrechte berufen und für die Durchsetzung der Schlußakte von Helsinki arbeiten —, endlich in die Tat umgesetzt werden.
Ich sage Ihnen deswegen, Herr Bundesminister: Zu dem Ergebnis von Helsinki muß gehören, daß diese Vorschläge der westlichen und der neutralen Staaten durchgesetzt werden. Wenn dies nicht erreicht wird, kann es auch keinen Platz für die sowjetische Forderung nach einer allgemeinen Abrüstungskonferenz geben. Denn nur wenn beides zusammen in das Schlußdokument eingeht, haben wir es mit einem abgerundeten und den Menschenrechten und den Menschen im geteilten Land dienenden Beitrag zu tun.
Diese Bundesregierung steht in Madrid und auch danach vor einer entscheidenden Bewährungsprobe. Unser Volk wird sie daran messen, was Madrid für die Menschen bringt, und zwar für jeden einzelnen, der unter der Spaltung unseres Landes zu leiden hat. Herr Bundesminister, gerade weil Sie aus jenem Teil Deutschlands kommen, der nach wie vor unter der Herrschaft jener leiden muß, die Menschenrechte so kleinschreiben und ihre Befürworter ächten und unterdrücken, muß es, so meine ich, unsere gemeinsame Anstrengung sein, alles zu tun, daß die Schlußakte von Helsinki ein Beitrag nicht bloß zu Frieden und Verständigung, sondern auch zu mehr Freiheit und Menschenrechten in unserem Vaterland wird. — Ich bedanke mich.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
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2784 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Vizepräsident WurbsZu der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der FDP vor. Es wird Überweisung an den Auswärtigen Ausschuß und den innerdeutschen Ausschuß empfohlen. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? — Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.
Meine Damen und Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 9/783 —
Die Frage 33 des Herrn Abgeordneten Dr. Lammert aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts soll auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Staatsminister Dr. Corterier zur Verfügung. Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
In welcher Weise hat die Bundesregierung ihr im Bulletin vom 20. Mai 1972 gegebenes Versprechen, sie werde „die Initiative, die die Bundesrepublik Deutschland bei der Gipfelkonferenz in Den Haag ergriffen hat, weiterführen und alles daransetzen, die Europäische Gemeinschaft zu einer politischen Union fortzuentwickeln", in den seitdem vergangenen neun Jahren erfüllt, und welche konkreten Schritte auf eine Verwirklichung hin gedenkt sie in Zukunft zu ergreifen?
Bitte schön, Herr Staatsminister.
Herr Abgeordneter, die Bundesregierung hält an dem Ziel der Umwandlung der Beziehungen der Mitgliedstaaten in eine europäische Union fest, wie es von den Staats- und Regierungschefs der EG-Länder im Anschluß an das Gipfeltreffen in Den Haag 1969, bei ihren Treffen in Paris 1972 und Den Haag 1976 als politische Perspektive aufgezeigt wurde. Auf dem Wege zu einem engeren politischen Zusammenschluß Westeuropas sind in den letzten Jahren wesentliche Fortschritte gemacht worden. So hat die außenpolitische Zusammenarbeit der EG-Länder, die sogenannte EPZ, die 1970 auf Grund deutscher Initiative vereinbart wurde, in den zehn Jahren ihres Bestehens eine erfolgreiche Entwicklung genommen. Heute stimmen die Zehn ihre außenpolitischen Positionen in fast allen Bereichen der Weltpolitik ab und treten nach außen, z. B. in den Vereinten Nationen, immer stärker mit gemeinsamen europäischen Positionen in Erscheinung.
Die Bundesregierung unterstützt eine Verbesserung der Strukturen der EPZ, um ihre Intensivierung und damit die schrittweise Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik in der Perspektive der europäischen Union zu ermöglichen. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme vom 3. März 1976 die Vorschläge des damaligen belgischen Premierministers Tindemans über die europäische Union nachdrücklich unterstützt. Gleiches gilt für die 1979 abgegebenen Empfehlungen der „drei Weisen" für Anpassung der Mechanismen und Verfahren der Organe der Gemeinschaft, die notwendig sind, um Fortschritte in Richtung auf eine europäische Union zu gewährleisten.
Die jährliche Bilanz konkreter Maßnahmen der EG-Staaten auf dem Weg zur schrittweisen Verwirklichung der Union — Beispiele sind die erste Direktwahl zum Europäischen Parlament oder die Schaffung des Europäischen Währungssystems — ist in dem seit 1976 von den Außenministern und der Kommission dem Europäischen Rat zu erstattenden Bericht über die europäische Union aufgelistet.
Mit seiner europapolitischen Initiative vom 6. Januar dieses Jahres hat der Bundesminister des Auswärtigen das politische Leitbild der europäischen Union in den Vordergrund der europapolitischen Diskussion gerückt. Es geht der deutschen Seite bei dieser Initiative darum, den Schwierigkeiten, die sich für die Zehnergemeinschaft aus weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Problemen, aber auch aus innergemeinschaftlichen Interessengegensätzen ergeben haben, das Ziel eines politisch handlungsfähigen Europas entgegenzusetzen. Der Zusammenhalt der zehn Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ist heute besonders gefordert. Europa muß zu einer angemessenen politischen Antwort auf diese Herausforderung finden. Eine Stärkung Europas durch konkrete Schritte in Richtung auf eine europäische Union auch im Bereich der sicherheitspolitischen Abstimmung würde auch zu einer Zurückdrängung des durch europäische Schwäche bedingten Antiamerikanismus führen und damit eine Verstärkung der transatlantischen Partnerschaft mit sich bringen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hennig,
Herr Staatsminister, indem ich mich für diese Antwort ausdrücklich bedanke, möchte ich Sie aber fragen, ob man nach dieser Europainitiative des Bundesaußenministers vom 6. Januar in der Zwischenzeit zeitlich oder thematisch konkretisieren kann, welche Vorstöße die Bundesregierung hier beabsichtigt.Dr. Corterier, Staatsminister: Der Bundesminister des Auswärtigen hat in seinem Grundsatzartikel vom 13. August 1981 in der „Freien Demokratischen Korrespondenz" seine diesbezüglichen Vorstellungen noch näher umrissen. Gedacht ist an die schrittweise Verwirklichung der europäischen Union durch Zusammenfassung des gegenwärtigen Besitzstands der Europäischen Gemeinschaften, der Europäischen Politischen Zusammenarbeit und des Europäischen Rats vorzugsweise in vertraglicher Form oder auch in einer gemeinsamen politischen Akte. Gedacht ist auch an die institutionelle Einbeziehung neuer Bereiche wie Sicherheitspolitik und kulturelle Zusammenarbeit.Weitere detaillierte Angaben kann die Bundesregierung zur Zeit nicht machen, da unsere europäischen Partner noch nicht offizell befaßt wurden. Die Bundesregierung wird die diesbezüglichen Ausarbeitungen in nächster Zeit in einer Klausurtagung erörtern. Sie werden heute morgen der Presse ent-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2785
Staatsminister Dr. Corteriernommen haben, daß diese Klausurtagung in wenigen Wochen stattfinden wird. Wir werden voraussichtlich danach unseren europäischen Partnern die deutschen Vorstellungen übermitteln.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wie erklären Sie sich angesichts dieses doch recht optimistischen Bildes gewisse besorgte Pressestimmen und Stimmen wie z. B. die des Präsidenten der Europa-Union, des Alt-Bundespräsidenten Scheel, der doch sehr nachdrücklich vor einem möglichen Auseinanderfallen Europas gewarnt hat, wenn man zu dieser Süderweiterung nicht auch die politische Union hinzutreten lasse?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich erkläre mir diese besorgten Stimmen daraus, daß wir im Moment in der Gemeinschaft eine große Zahl von Problemen haben. Sie wissen, daß wir uns ab der nächsten Woche — da gibt es eine Orientierungsdebatte im Rat in Brüssel — über das sogenannte Mandat mit unseren Partnern auseinandersetzen werden. Da geht es um die Frage der Finanzen der Europäischen Gemeinschaft, und da gibt es sehr konträre Auffassungen. Das gleiche gilt für die gemeinsame Agrarpolitik, aber auch für Strukturfragen, Regionalpolitik und Sozialpolitik. Daneben ist, wie Sie es eben erwähnt haben, die Süderweiterung ein Thema, zu dem es leider keine volle Einmütigkeit gibt, so daß natürlich schon die Sorge berechtigt ist: Wie können wir die Gemeinschaft in dieser Situation zusammenhalten?
Dazu möchte ich sagen, daß wir in unseren Verhandlungen zwar natürlich unsere berechtigten Ansprüche vorbringen werden, daß wir das aber in einem Geist tun werden, der diesen Zusammenhalt fördern wird. Aber dazu muß man eben auch die Initiative des Bundesaußenministers sehen, wonach die politischen Zielsetzungen der Gemeinschaft wieder stärker in den Vordergrund kommen sollen. Auch davon versprechen wir uns eine Stärkung der Gemeinschaft.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger .
Herr Staatsminister, können Sie mir die konkrete Frage beantworten, ob zu den Plänen der Bundesregierung zur Verbesserung der Zusammenarbeit in den Europäischen Gemeinschaften auch die Ausschöpfung der Möglichkeiten der Verträge dahingehend gehört, das Einstimmigkeitsprinzip im Ministerrat in bestimmten Fragen durch das Mehrheitsprinzip zu ersetzen und, gegebenenfalls, welchen Stand haben die Gespräche hierüber erreicht?
Dr. Corterier, Staatsminister: Das hat immer zu unseren Zielsetzungen gehört, Herr Abgeordneter Jäger. Ich muß sagen, daß wir in der Vergangenheit wegen anderer Auffassungen gewisser Partner in der Europäischen Gemeinschaft nicht so weit gekommen sind, wie wir uns das gewünscht hätten. Aber es gibt eine interessante Entwicklung in
Frankreich. Ich habe den Eindruck, daß die Haltung der neuen Regierung in diesen institutionellen Fragen etwas näher bei unseren Auffassungen liegt. Ich könnte mir vorstellen, daß, wenn die französische Regierung, die ihrerseits europapolitische Vorschläge angekündigt hat, diese auf den Tisch legen wird, auf dieser Basis Fortschritte in dem von Ihnen gewünschten Sinne möglich sein werden.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Dr. Hennig auf:
Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung über ihre Botschaft in Managua und aus anderen Quellen über die Höhe der finanziellen Hilfeleistung, die die DDR seit der Revolution in Nicaragua diesem Land geleistet hat, und was ist der Bundesregierung über Materiallieferungen im zivilen und militärischen Bereich im einzelnen bekannt?
Herr Staatsminister.
Dr. Corterier, Staatsminister: Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen ist die DDR von Anfang an bereit gewesen, die sandinistische Regierung in Nicaragua zu unterstützen. Die Hilfe umfaßt mit Sicherheit Materiallieferungen wie z. B. eine größere Zahl von Lkws. Kredite zum Zweck der Finanzierung solcher Lieferungen werden vergleichsweise großzügig gewährt.
Über Waffenlieferungen aus der DDR nach Nicaragua ist der Bundesregierung nichts bekannt. Auch sind die DDR-Experten, über deren Zahl der Bundesregierung keine genaueren Angaben zur Verfügung stehen, offenbar ausschließlich im zivilen Bereich eingesetzt.
Zusatzfrage, Dr. Hennig.
Herr Staatsminister, nachdem sich die Hilfe der Bundesregierung zahlenmäßig sehr genau bemessen läßt und seit der Revolution in Nicaragua weit über 100 Millionen DM liegt: Können Sie nicht auch in Richtung auf die DDR mit einer — ungefähren — Zahlenangabe aufwarten?
Dr. Corterier, Staatsminister: Die Hilfe der Bundesregierung ist tatsächlich sehr groß. Sie liegt allerdings nur knapp, nicht weit über 100 Millionen DM. Leider liegen mir entsprechende Zahlen über den Umfang der Hilfe der DDR nicht vor. Ich kann deswegen den von Ihnen gewünschten Vergleich nicht anstellen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß es grundsätzlich begrüßenswert ist, daß sehr verschiedene Staaten, auch Staaten verschiedener politischer Ordnung und Gesellschaftsordnung, beim Wiederaufbau eines weithin zerstörten Landes helfen?Dr. Corterier, Staatsminister: Soweit sich eine solche Hilfe im zivilen Bereich bewegt, ist das sicherlich begrüßenswert.
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2786 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka ist vom Fragesteller zurückgezogen worden.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Peter auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die öffentliche Kritik an der vom Bundespresseamt herausgegebenen Broschüre „Aspekte der Friedenspolitik — Argumente zum Doppelbeschluß des Nordatlantischen Bündnisses" bezüglich der Notwendigkeit, die Modernisierung im Bereich der U-Boot-Raketen der USA, Großbritanniens und Frankreichs im europäischen Bereich zu berücksichtigen?
Bitte sehr, Herr Staatsminister.
Dr. Cortierer, Staatsminister: In der Broschüre des Bundespresseamtes „Aspekte der Friedenspolitik" sind unter den nuklearen Mittelstreckenwaffen in und für Europa die U-Boot-Raketen Großbritanniens und Frankreichs, nicht jedoch amerikanische U-Boot-Raketen aufgeführt. Dies ist aus den auf Seite 54 sowie auf Seite 72, Fußnote 6, der Broschüre aufgeführten Gründen zu Recht geschehen.
Auch diejenigen Poseidon-Sprengköpfe auf amerikanischen U-Booten, die planerisch der NATO zugeordnet sind, werden in SALT II als interkontinental-strategische Waffen erfaßt. Sie können daher nicht gleichzeitig auch im Mittelstreckenbereich ein weiteres Mal mitgezählt werden. Anderenfalls hätte man auch die entsprechenden sowjetischen U-Boot-Raketen, die aus dem Bereich Nordmeer/Atlantik auf Westeuropa gerichtet werden können, in das euro-strategische Kräfteverhältnis einbeziehen müssen. Im übrigen zählt selbst die Sowjetunion in neueren Darstellungen diese amerikanischen Gefechtsköpfe nicht mehr zum Mittelstreckenbereich. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Artikel des sowjetischen Verteidigungsministers Ustinow in der „Prawda" vom 25. Juli 1981. Ich meine, daß wir gegenüber Veröffentlichungen der Bundesregierung nicht kritischer als selbst Moskau sein sollten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatsminister, bedeutet das auch, daß die Raketen, die SACEUR für den Einsatz in Europa unterstellt sind, nach Ihrer Auffassung sinnvollerweise im eurostrategischen Bereich nicht gezählt werden dürfen?
Dr. CorterIer, Staatsminister: Ja, ich bin dieser Meinung. Es gibt dazu eindeutige Kriterien, die zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten in SALT II festgelegt worden sind. Ich darf Ihnen dazu noch einmal die Stelle aus der soeben schon erwähnten Broschüre zitieren, die diesen Sachverhalt schildert. Es heißt dort — ich zitiere —:
Entsprechend diesen Kriterien sind beispielsweise alle Poseidon-Raketen auf amerikanischen U-Booten, auch die die der NATO zugeordnet sind, bereits bei SALT II als interkontinental-strategische Waffen mitgezählt. Sie können daher nicht noch einmal als nukleare Mittelstreckenraketen angerechnet werden.
Diesem Sachverhalt — ich kann das nur noch einmal betonen — trägt inzwischen offenbar auch die Sowjetunion Rechnung. Ich habe den Artikel des
Verteidigungsministers aus der „Prawda" zitiert. Aber das ist nicht etwa ein Einzelfall; wir haben auf diplomatischem Wege von der sowjetischen Regierung gleichlautende Informationen bekommen.
Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatsminister, halten Sie es für möglich, daß die der NATO und SACEUR unterstellten Poseidon-Raketen Auswirkungen auf die sowjetischen Mittelstreckenrüstungsüberlegungen haben können?
Dr. Corterier, Staatsminister: Davon gehe ich nicht aus. Das hat z. B. in den SALT-Verhandlungen keine Rolle gespielt, sondern da hat man sich über die Balance auf beiden Seiten und auch über die Zählkriterien verständigt. Die Sowjetunion hätte, wenn sie derartige Überlegungen gehabt hätte, diese mit Sicherheit in den SALT-II-Verhandlungen vorgebracht.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dallmeyer.
Herr Staatsminister, können Sie in diesem Zusammenhang freundlicherweise beantworten, wie die Bundesregierung die veröffentlichten Äußerungen des ehemaligen Generals Bastian bewertet, der gesagt hat, die Angaben der Bundesregierung seien eine Fälschung?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich wäre dankbar, wenn Herr Bastian seine Behauptung im Lichte dessen noch einmal überprüfen könnte, was ich soeben hier vorgetragen habe.
— Ich wäre dankbar, wenn wir uns an die Tatsachen halten könnten. Ich glaube, die sprechen für sich.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Thüsing.
Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, daß es der sachlichen Diskussion über die hier in Frage stehenden Probleme nützlich wäre, wenn in der Broschüre der Beschluß der englischen Regierung mit entsprechenden Zahlenangaben wenigstens erwähnt würde — der auf das eurostrategische Kräfteverhältnis erheblichen Einfluß hat —, die U-Boot-Flotte mit Trident-Raketen auszurüsten?Dr. Corterier, Staatsminister: Ich kann diese Auffassung nicht teilen, denn wenn Sie sich den Beschluß näher ansehen, werden Sie feststellen, daß er erst etwa ab Anfang der 90er Jahre zu konkreten Dislozierungen führen wird. Ich glaube daher, daß wir diese Waffensysteme nicht in die gegenwärtige Diskussion und die jetzt hoffentlich bald anlaufenden Verhandlungen einbeziehen können.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2787
Ich rufe die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Peter auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Angaben über die Kräfteverhältnisse von NATO und Warschauer Pakt in der Broschüre „Aspekte der Friedenspolitik — Argumente zum Doppelbeschluß des Nordatlantischen Bündnisses" zu korrigieren?
Dr. Corterier, Staatsminister: Die Bundesregierung ist zu einer Korrektur bereit. Wie sich aus meiner Antwort auf die Frage 18 ergibt, besteht aber kein Anlaß, die Darstellungen des westlichen Potentials in der Broschüre „Aspekte der Friedenspolitik" zu korrigieren. Anlaß zur Korrektur besteht allerdings hinsichtlich des östlichen nuklearen Mittelstrekkenraketenpotentials. Die Sowjetunion hat inzwischen insgesamt bereits über 250 SS-20-Raketen disloziert. Als die Broschüre vor drei Monaten veröffentlicht wurde, waren, wie sich aus Seite 72 ergibt, erst 220 solcher Raketen erkannt.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, halten Sie es im Interesse einer Information der Öffentlichkeit für sinnvoll, bei einer Korrektur der Broschüre darüber aufzuklären, welchen Stellenwert unterschiedliche Zahlenangaben von verschiedenen wissenschaftlichen Instituten bei der Beurteilung von Kräfteverhältnissen haben?
Dr. Corterier, Staatsminister: Ich glaube, die Diskussion, die es in den letzten Wochen und Monaten über die Broschüre der Bundesregierung, zu der Sie Ihre Fragen gestellt haben, gegeben hat, zeigt, daß die Daten, die von der Bundesregierung vorgelegt worden sind, eigentlich nicht ernsthaft angezweifelt werden können. Ich sehe deshalb keinen Anlaß für die Bundesregierung, nun auf private Veröffentlichungen von Instituten einzugehen, so interessant sie im Einzelfall sein mögen.
Zweite Zusatzfrage, bitte Herr Peter.
Ich muß noch einmal nachfragen. Ich hatte gesagt: Im Informationsinteresse der Öffentlichkeit Aufklärung über das Problem zu geben, daß es unterschiedliche Beurteilungen gibt.
Dr. Corterier, Staatsminister: Unterschiedliche Beurteilungen gibt es sicherlich. Ich kann mir aber nicht vorstellen, in welcher Weise wir diese Gegensätze ausräumen sollen — außer dadurch, daß wir die Tatsachen, die uns bekannt sind, auch der Öffentlichkeit mitteilen.
Herr Thüsing, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, könnten Sie nicht wenigstens dem Gedanken nahetreten, eine Argumentation aufzugreifen, die darin besteht, daß dem Bürger deutlich gemacht wird, was die NATO und Frankreich gegen einen möglichen sowjetischen Angriff im Mittelstreckenbereich dann an Gesamtpotential aufzubieten hätten?
Dr. Corterier, Staatsminister: Gerade das versuchen wir j a in der Broschüre mit den angefügten Tabellen zu tun.
— Sie sprechen vom Mittelstreckenbereich.
— Ja, das tun wir doch hier in der Broschüre.
Danke schön. Dies ist eine klare Antwort gewesen.
Ich rufe die Frage 32 des Herrn Abgeordneten Jäger auf:
Betrachtet die Bundesregierung die Art und Weise, mit der die sowjetrussische staatliche Nachrichtenagentur TASS den Bundeskanzler als „undemokratisch" und „Advokaten der US-Administration" beschimpft, als Zeichen für einen befriedigenden Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen, und wie sieht sie derartige Angriffe auf ihre Mitglieder im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Besuch des sowjetischen Staatsoberhaupts Breschnew in Bonn?
Dr. Corterier, Staatsminister: Medienäußerungen eignen sich nicht als Gradmesser für den Stand der deutsch-sowjetischen Beziehungen. Das gilt auch für den Bericht des Bonner Korrespondenten der staatlichen sowjetischen Nachrichtenagentur TASS, abgedruckt u. a. in der „Prawda" vom 1. September 1981, auf den sich Ihre Frage offensichtlich bezieht, Herr Abgeordneter. Überzogene Polemik birgt natürlich immer die Gefahr einer Verschlechterung des Klimas und der gegenseitigen Beziehungen. Sie sollte deshalb unterbleiben.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatsminister, da Ihnen wie auch mir bekannt ist, daß Äußerungen solcher Organe niemals ohne den Segen von sehr weit oben stattfinden, möchte ich Sie fragen: Hat die Bundesregierung etwa, was ich nicht unterstellen, sondern schlicht und einfach wissen möchte, ihrerseits durch Äußerungen Anlaß zu solchen Beschimpfungen des Bundeskanzlers gegeben, so daß man sagen könnte „wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus"?
Dr. Corterier, Staatsminister: Diesen an sich sehr guten Grundsatz macht sich die Bundesregierung nicht zu eigen, denn sie hätte natürlich viel zu tun, wenn sie zu den zahlreichen Medienäußerungen, die es da gibt, immer Stellung beziehen wollte. Das tun übrigens auch nicht unsere Verbündeten, soweit es sich um östliche Äußerungen handelt. Natürlich behält sich die Bundesregierung, je nach dem, um welchen Fall es sich handelt, vor, in geeigneter Weise Richtigstellungen vorzunehmen.
Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, da ja umgekehrt wohlwollende und wohlmeinende Äußerungen solcher Organe auch von der Bundesregierung schon öfters als ein Zeichen eines besonders freundlichen Klimas im Verhältnis zwischen uns und der Sowjetunion dargestellt werden, frage ich:
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2788 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Jäger
Zeigen nicht solche Ausfälle, daß es mit diesem Klima zur Zeit nicht zum Besten gestellt ist?Dr. Corterier, Staatsminister: Herr Abgeordneter, ich möchte das jetzt nicht vertiefen. Sie werden vielleicht gesehen haben, daß ich, allerdings persönlich — denn ich habe es im Sozialdemokratischen Pressedienst veröffentlicht —, darauf reagiert habe. Aber ich glaube, jetzt sollten wir alle Energien darauf konzentrieren, daß der j a doch sehr wichtige Besuch des Generalsekretärs hier in der Bundesrepublik in einer sachlichen Atmosphäre stattfindet, die es ermöglichen wird, die schwierigen Fragen, die mit ihm zu erörtern sind, in objektiver und realistischer Weise zu behandeln.
Danke schön, Herr Staatsminister. Damit sind alle Fragen beantwortet.
Ich erlaube mir, unseren Gästen eine herzliche Begrüßung in unserem Parlament zu entbieten. Auf der Tribüne befindet sich eine Abordnung des American Jewish Committee;
wir wünschen Ihnen guten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.
Wir vertagen die Sitzung bis 15.30 Uhr.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. August 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung
— Drucksache 9/373 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 9/619 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Klejdzinski Dr. Wittmann
Die Berichterstatter wünschen nicht das Wort. In der Debatte wird das Wort nicht gewünscht.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung. Ich rufe die Art. 1 bis 5, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig so angenommen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. August 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Ergänzung des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung
— Drucksache 9/374 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 9/620 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Klejdzinski Dr. Wittmann
Wünschen die Berichterstatter das Wort dazu? — Das ist nicht der Fall. In der Debatte wird das Wort nicht gewünscht.
Ich rufe die Art. 1 bis 7, Einleitung und Überschrift auf. Die Abstimmung hierüber wird mit der Schlußabstimmung verbunden. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 5 des Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser , Dr. Bötsch, Dr. Pinger, Helmrich, Dr. Dollinger, Dr. Schwarz-Schilling, Stücklen, Erhard (Bad Schwalbach), Jung (Lörrach), Engelsberger, Landré, Hinsken, Schröder (Lüneburg), Spranger, Dr. Schwörer, Dr. Waigel, Dr. Stavenhagen, Sick, Biehle, Dr. George, Niegel, Echternach, Schulze (Berlin), Dr. Kunz (Weiden), Pohlmann, Regenspurger, Louven, Kolb und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
— Drucksache 9/665 —
Im Ältestenrat ist eine Debattenrunde vereinbart worden. — Das Haus erhebt dagegen keinen Widerspruch. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bötsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jemand, der die Tagesordnungen des Deutschen Bundestages und die Tätigkeit dieses Hohen Hauses schon in der letzten Legislaturperiode beobachtet hat, wird feststellen, daß wir hier heute schon zum drittenmal eine erste Lesung einer Novelle zum derzeit geltenden Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb haben. Manch einer wird dann vielleicht meinen: Nun gut, der Gesetzentwurf oder die Gesetzentwürfe aus der
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2789
Dr. Bötschletzten Legislaturperiode sind eben der Diskontinuität zum Opfer gefallen.So einfach aber läßt sich die Tatsache, daß wir uns in dieser Legislaturperiode erneut mit einer Novelle zum UWG beschäftigen müssen, wohl nicht erklären, denn immerhin lagen — und dies ist vielleicht auch für die jetzige Situation kennzeichnend — in der letzten Legislaturperiode zwei Gesetzentwürfe vor, nämlich einer der Regierung und einer, den schon damals die Opposition eingebracht hatte. Heute haben wir, jedenfalls bis zur Stunde, nur einen einzigen Gesetzentwurf, nämlich den der Opposition, vorliegen.
Auch aus der Tatsache, daß in der letzten Legislaturperiode der Gesetzentwurf, den die Opposition vorgelegt hatte, bereits im April 1978 in erster Lesung behandelt wurde und der der Regierung immerhin schon im November 1978, läßt sich ersehen, daß es nicht allein der Zeitablauf war, der dazu geführt hat, daß in der letzten Legislaturperiode aus den Gesetzentwürfen nicht wenigstens ein Gesetz — und nur eines hätte es ja wohl werden können — geworden ist.Das Bild, das die Koalitionsfraktionen damals in den Ausschüssen boten — aus dem Rechtsausschuß ist mir das noch sehr gut in Erinnerung —, wo sie sich über verschiedene Punkte nicht einig wurden, weshalb sie dann beide Gesetzentwürfe von der Tagesordnung absetzten und nicht mehr bereit waren, sie weiterzubehandeln, wird heute dadurch deutlich unterstrichen, daß es diesmal keinen Regierungsentwurf und auch keinen Koalitionsentwurf zur sicherlich — jedenfalls aus unserer Sicht — notwendigen Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gibt.Auch demjenigen, der sich in diesem Hause vielleicht mehr auf die großen politischen Debatten wie beispielsweise heute vormittag konzentriert, zeigt dieses kleine Beispiel, daß Sie eben nicht handlungsfähig sind, nicht handlungsfähig auch in einer für uns entscheidenden Frage, nämlich speziell in der Frage, wie ein Teil unserer mittelständischen Wirtschaft vor manchen Auswüchsen bewahrt werden kann. Möglicherweise aber ist man bei der Regierung oder bei den Regierungsparteien — und vielleicht hören wir dazu heute etwas, was gilt — davon überzeugt, eine Novelle sei eben überhaupt nicht mehr notwendig.Sicherlich ist — dies muß ohne weiteres zugestanden werden — ein Teil der Probleme, die ja als mit den Regelungen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen überlappend zu bezeichnen sind, durch die 4. Kartellgesetznovelle in der letzten Legislaturperiode einer Lösung zugeführt worden — aber eben nur ein Teil.Vielleicht wird mancher auch sagen, eine solche Novelle sei deshalb überhaupt nicht notwendig, weil besondere Vorschriften in diesem Bereich nur sehr sparsam angewendet werden sollten und man im übrigen nur auf Selbstheilungskräfte vertrauen sollte. Dies ist sicherlich grundsätzlich richtig; aber die Frage, ob der Staat dann, wenn Auswüchse und Mißbräuche im Wettbewerb oder im Wettbewerbsrecht zu verzeichnen sind, eingreifen muß, wurde ja im Grunde genommen schon vor über 70 Jahren bei der Verabschiedung des ersten UWG beantwortet.Meine sehr geehrten Damen und Herren, viele Probleme sind auch heute noch vorhanden, in der gleichen Weise vorhanden, wie sie bereits während der Beratungen der beiden Gesetzentwürfe in der letzten Legislaturperiode sichtbar waren. Deshalb haben wir uns auch entschlossen, wiederum unseren Gesetzentwurf, und zwar fast unverändert den gleichen Gesetzentwurf wie in der letzten Legislaturperiode, vorzulegen.Daß eine Störung der Wettbewerbssituation vorliegt, ergibt sich aus einigen Zahlen, die ich bezüglich des Lebensmitteleinzelhandels einmal ganz nüchtern vortragen möchte. Gab es dort 1965 noch 154 000 Betriebe, so ist die Zahl der Einzelhandelsunternehmen in diesem Bereich bis ins Jahr 1980 auf 93 800 zurückgegangen. Dies bedeutet also, daß in einem Zeitraum von nur 15 Jahren immerhin 60 200 Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen aus dem Wettbewerb ausgeschieden sind. Es soll selbstverständlich nicht behauptet werden, daß der Schwund etwa der Anzahl der Unternehmen ausschließlich auf das einschlägige Recht oder auf irgendwelche Aktionen zurückzuführen ist, die mit einem lauteren Wettbewerb nicht vereinbar sind; sie sind unseres Erachtens jedoch ein ganz entscheidender Faktor gewesen.Wir haben — dies mag vielleicht manchen wundern, der das Hearing zu den letzten Novellen im April 1979 verfolgt hat — auch unsere veränderte Generalklausel des § 1 wieder in unseren Gesetzentwurf aufgenommen. Wir verkennen dabei nicht, daß durch die 1980 — ich erwähnte es bereits — in Kraft getretene 4. Kartellgesetznovelle zwar die Vorschriften gegen Diskriminierung und Behinderung verschärft wurden, sind jedoch nach wie vor der Auffassung, daß zusätzlich und flankierend zum GWB durch eine Verbesserung des UWG ein weiterer Beitrag zur Wiederherstellung und Absicherung des Leistungswettbewerbs geleistet werden muß.Leider hat die Rechtsprechung — auch in den letzten zweieinhalb Jahren — die Probleme hinsichtlich des § 1, die nach wie vor bestehen, nicht so in den Griff bekommen, daß wir hier auf eine Erweiterung der Generalklausel verzichten könnten, im Gegenteil: Seit der Einbringung damals haben sich die Probleme in diesem Bereich überhaupt nicht geändert, geschweige denn verbessert, sondern vielmehr noch verschärft.Um Ihre Zeit nicht allzu lange in Anspruch zu nehmen, möchte ich im einzelnen auf die ausführliche Begründung zu unserem Gesetzentwurf verweisen, insbesondere auf die neue Begründung zu § 1, die fortgeschrieben wurde, die etwa nicht das Gegenteil zu unserer Begründung von vor zweieinhalb Jahren beinhaltet, und im übrigen darauf hinweisen, daß wir — im Gegensatz zu unserer Novelle aus der letzten Legislaturperiode — eine veränderte Schadenersatzpflicht in § 13 normiert haben. Wir möchten betonen, daß wir das, was die Bundesregierung das letzte Mal in ihrem Entwurf zu diesem Bereich
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2790 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Dr. Bötschschon festzulegen versucht hat, nicht für ausreichend erachten. Die Frage des Schadensersatzes überhaupt war ja das, was zwischen den Koalitionsfraktionen streitig war und was wohl geklärt werden müßte. Denn dies war der Hauptpunkt, warum es in der letzten Legislaturperiode nicht zu einer Einigung und damit zu einem Ende der Beratungen gekommen ist.Zwei Punkte — mancher wird dies jetzt vielleicht vermissen — haben wir in dem Entwurf bisher nicht angesprochen, obwohl hier eine Reihe von Forderungen auch von Verbänden vorliegen und obwohl sich hier im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in den Ausschüssen möglicherweise noch die Notwendigkeit ergibt, eine Regelung zu treffen. Wir werden einerseits prüfen, ob eine Änderung des § 6 a UWG wegen der Großhandlungen notwendig wird, die an den privaten Letztverbraucher verkaufen und dadurch den Wettbewerb verzerren. Wir müssen hier prüfen, ob sie zur Einhaltung der für den Einzelhandel geltenden Gesetze durch Gesetz gezwungen werden müssen. Dem Einzelhandel, der sich wettbewerbsgerecht verhält, werden nämlich jährlich Umsätze in Milliardenhöhe durch Unternehmen entzogen, die sich über das geltende Recht systematisch hinwegsetzen. Dies gilt insbesondere für eine Vielzahl von Selbstbedienungsgroßhandlungen, die unter dem Vorwand, nur Großhändler zu sein, in groBem Umfang an Letztverbraucher für den nichtgewerblichen Bedarf verkaufen und damit ständig gegen die für die Verbraucher wichtige Verordnung über Preisangaben, gegen das Ladenschlußgesetz und gegen den jetzigen § 6 a UWG verstoßen, der eine Täuschung der Verbraucher mit der Bezeichnung „Großhandel" unterbinden will.Wir haben auch — dies ist der zweite Punkt, den ich hier noch ansprechen will — bewußt darauf verzichtet, schon jetzt eine gesetzliche Regelung gegen unseriöse Wettbewerbsverbände mit einzubauen. Wir wollen zunächst abwarten, inwieweit hier die Selbsthilfebemühungen der Wirtschaft, die seit Frühjahr dieses Jahres laufen und die insbesondere von der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels und vom Deutschen Industrie- und Handelstag unternommen werden, tatsächlich Erfolg haben. Immerhin waren 15 seriöse Wettbewerbsvereine bereits an einem Tisch, um über Richtlinien für die Tätigkeit dieser Verbände zu beraten. Wir sind bereit, hierzu in den Ausschüssen notfalls unsere Vorstellungen noch mit einzubringen. Wir sind allerdings davon überzeugt, daß eine dämpfende Wirkung auf unseriöse Vereine jetzt schon dadurch eintreten wird, daß die Novelle die Einführung eines Regelhöchststreitwertes von 50 000 DM vorsieht.Ich darf abschließend sagen, daß die CDU/CSU-Fraktion eine Verzögerung, wie sie von der Regierung in der letzten Legislaturperiode in diesem Verfahren vorgenommen wurde, nicht mehr hinnehmen wird, sondern darauf drängt, daß die Beratungen in den Ausschüssen zwar genau, aber doch zügig durchgeführt werden. Wir sind mit der Überweisung, wie sie in der Tagesordnung vorgeschlagen wurde, einverstanden. — Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. de With.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bötsch, Sie dürfen beruhigt sein; die Bundesregierung wird in Kürze einen Regierungsentwurf zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb einbringen, und zwar im Prinzip in der Form, wie wir es in der vergangenen Legislaturperiode getan haben,
nur mit zwei wesentlichen Unterschieden gegenüber der Vorlage der Union. Ich komme darauf noch zurück.
Zum einen wird unsere Vorlage eine deutlich stärkere Verbraucherschutzkomponente haben und damit sicherstellen, daß in das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zum erstenmal wirklich der Verbraucherschutz einzieht. Zum zweiten werden wir uns vor gewissen Überreglementierungen und unnötigen Bestimmungen hüten, wie Sie sie z. B. in § 1 und zu Teilen auch beim Räumungsverkauf vorschlagen.Im übrigen darf ich deutlich machen, daß ich den Entwurf der Union grundsätzlich begrüße, weil er zahlreiche Ansätze zu Gemeinsamkeiten enthält und verdeutlicht, daß auch Sie den Verbraucherschutz wollen. Ich meine, man sollte auf einzelne Punkte eingehen, um dies zu verdeutlichen.Wir begrüßen grundsätzlich, daß auch Sie einen Schadenersatzanspruch wünschen, wobei ich klarlegen will, daß es innerhalb der Koalition nie einen Streit darüber gab, daß ein Schadenersatzanspruch eingeführt werden muß. Wir haben allerdings darüber diskutiert, wie dieser Schadenersatzanspruch auszusehen hat, nämlich entweder so, daß der sogenannte große Differenzschaden eingeführt wird, oder aber so, daß wir ganz einfach sagen: Es gibt eine Regelung, die der BGB-Regelung entspricht. Grundsätzlich aber sage ich noch einmal: Es ist anerkennenswert, daß auch Sie erkannt haben, daß hier ein Schadenersatzanspruch eingeführt werden muß.Was bei Ihnen z. B. fehlt, ist eine eigene Bestimmung über die Möglichkeit der Vertragsauflösung, wenn sich ein Händler z. B. eine unlautere Bewerbung zurechnen lassen muß. Ich kann davon j eden-falls in Ihrem Entwurf überhaupt nichts entdecken. Insoweit fehlt hier eine Verbraucherschutzkomponente.Wir stimmen mit Ihnen überein, daß wir zu einer Streitwertherabsetzung kommen müssen. Hierüber gibt es keinen Streit.Wir stimmen mit Ihnen auch überein, daß wir etwas gegen die sogenannten Gebührenvereine tun müssen, wobei allerdings bei Ihnen konkretisierte Bestimmungen noch fehlen. Sie haben sie lediglich auf dem Deckblatt angekündigt. Wir hingegen hatten in unserer letzten Novelle klare Bestimmungen
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981 2791
Parl. Staatssekretär Dr. de Withvorgeschlagen. Wir werden uns nicht scheuen, über diese Bestimmungen noch hinauszugehen, weil eines ganz deutlich gesagt werden muß. Wenn Gebührenvereine lediglich die Zeitungen durchblättern, um dann am Montag entsprechende Klagen einzubringen — in erster Linie deswegen, weil damit das Geld in ihren Geldbeutel flattert, nicht aber, um den Wettbewerb zu schützen —, dann diskreditiert das den Wettbewerb ebenso wie den Verbraucherschutz. Dem werden wir einen Riegel vorschieben. Das darf ich hier ganz deutlich sagen.
Es gibt, wie ich bereits angedeutet habe, in Ihrem Entwurf einige Bestimmungen, von denen ich glaube, daß sie als nicht ganz zweckmäßig bezeichnet werden müssen. Herr Bötsch, Sie haben darauf verwiesen, daß Sie § 1 des UWG erweitern wollen. Dort ist vom „leistungsgerechten Wettbewerb" die Rede. Es ist aber zweifelhaft, ob dieser Begriff überhaupt justitiabel ist. Ich frage mich — wenn generell das Wort von der Normenflut in den Mund genommen wird —, wieso dieser Begriff hier hineingestellt werden kann.Zum zweiten glaube ich, daß eine solche Bestimmung Gefahr laufen kann, den Wettbewerb zu strangulieren. Deswegen sind wir gegen ein solches Einschiebsel, zumal da ich entgegen Ihren Vorstellungen nicht erkennen kann, daß die Rechtsprechung hierzu zu wenig gesagt hat oder nicht ausreichende Urteile gebracht haben würde.
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Bötsch?
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß der Begriff vom leistungsgerechten Wettbewerb nicht etwa eine Erfindung der Unionsfraktion ist, sondern schon in einem anderen Gesetz, nämlich in § 27 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, durchaus verwendet wird — wenn auch in anderem Zusammenhang — und deshalb dazu wohl auch justitiabel sein kann?
Dr. de With, Parl. Staatssekretär: Mir ist durchaus bekannt, daß der Union relativ selten etwas einfällt und daß sie gern etwas anderes übernimmt.
Aber gerade weil dieser Begriff bereits in zwei anderen Paragraphen Verwendung gefunden hat, ist er in § 1 UWG absolut unnötig. Was Sie meinen, sind die §§ 26 Abs. 3 und 37 a des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Diese beiden Vorschriften, die neu sind, reichen nach unserer Meinung völlig aus.
— Nein, §§ 26 und 37 a.
Etwas anderes haut in die gleiche Kerbe, meine Damen und Herren. Sie wollen in Ihrer Novelle
praktisch jede Preisgegenüberstellung verbieten. Auch das ist, wie ich meine, geeignet, den Wettbewerb einzuschränken. Dabei erkenne ich durchaus, daß es hier gegenwärtig Mißbräuche gibt. Wir meinen, daß die vorhandene Rechtsprechung völlig ausreicht. Auch der Verbraucher hat ein Anrecht darauf, in gewissen Fällen zu wissen, inwieweit die Preise gesunken sind. Im allgemeinen ist er klug genug, sich ein Bild von den Preisveränderungen zu machen.
Fraglich ist auch, ob eine derart weitgehende Anderung des Rechts der Aus- und Räumungsverkäufe zu verantworten ist. Ich räume aber ein, daß man hierüber diskutieren kann.
Für unnötig halten wir die Normierung der Beweislastumkehr, so wie Sie sie vorgeschlagen haben. Das bedeutet nichts anderes als eine Kodifizierung der Rechtsprechung.
Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung einer Novellierung habe ich gleichwohl die Hoffnung, daß wir uns, wenn der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegt, im Rechtsausschuß dahin einigen, daß die zukünftige Novelle in der Tat eine echte Verbraucherschutzkomponente aufweist und deutlich wird, daß wir mit den Änderungen den Wettbewerb nicht strangulieren wollen.
In diesem Sinn, Herr Kollege Bötsch, hoffe ich auf die Mitarbeit auch der Opposition. — Vielen herzlichen Dank.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schwenk.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der CDU/ CSU ist, wie Herr Kollege Bötsch hier eben schon gesagt hat, nahezu unverändert wieder eingebracht worden. Aber inzwischen ist es dreineinhalb Jahre her, daß der alte Entwurf eingebracht worden ist. Da hätten wir es natürlich gern gesehen, wenn auch von Ihnen einige neue Gedanken mit eingearbeitet worden wären. Aber daran mangelt es nun. Sie sagen natürlich: Das werden wir nachher noch in den Beratungen behandeln können. Schön und gut, — aber eigentlich hätten Sie damit auch schon früher kommen können.
— Der Staatssekretär hat gerade eben gesagt, daß der Gesetzentwurf kommt.Aber nun werde ich Ihnen noch folgendes dazu sagen. Zum Bereich des unlauteren Wettbewerbs gehören nicht nur der Wettbewerb der Anbieter untereinander, sondern auch der Verbraucher. Das wird seit längerer Zeit diskutiert. Aber der Verbraucher spielt bei Ihnen nur eine sehr untergeordnete Rolle. Eben ist schon angesprochen worden, daß Sie in § 13 unter Bezugnahme auf § 823 Abs. 2 — und dann auch Abs. 1 — BGB einen Schadenersatzanspruch einfügen wollen, wobei wir alle wissen, daß es sich um den
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2792 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Dr. Schwenk
negativen Schaden handelt und daß das für den Verbraucher nicht gerade viel bringt.Sie haben also einen Entwurf eingebracht, der sich mit einem verbesserten Schutz der Anbieter untereinander beschäftigt und deutlich auf die vielen Einzelhändler abzielt — das hat Herr Bötsch ja eben auch gesagt —, die unter gewissen Wettbewerbsformen anderer Anbieter leiden, wobei aber noch gar nicht gesagt werden kann, wie viel von dem, was von Ihnen gerügt worden ist, auch unlauter ist. Im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf werden wir uns ja auch nur mit unlauteren Formen zu befassen haben, nicht aber mit Formen, auf die der kleinere Anbieter nicht immer gleich eine Antwort finden kann, die aber im Rahmen der freien Marktwirtschaft liegen und keineswegs unlauter sind.Nachdem ich mir das angesehen habe — natürlich auch die Protokolle der früheren Verhandlungen —, weiß ich nicht, ob wir nun in dieser Richtung weitergehen können, wie weit wir uns Ihren Vorstellungen anschließen können oder sagen müssen: nein, da wird in die Flexibilität des Wettbewerbs eingegriffen, und dem können wir nicht folgen. Keineswegs darf dabei herauskommen, daß Wettbewerber, die nicht die nötige Beweglichkeit aufbringen, nun einen Naturschutzzaun um sich herum aufziehen können und damit anderen, neueren Formen nicht der erforderliche Raum gegeben wird. Das wäre weder für den gesamten Handel noch für den Verbraucher das, was wir ihm garantieren sollten und wofür wir uns stark machen können.Mir sind gerade aus der ländlichen Gegend — auch ich habe ja meine Kontakte zur mittelständischen Wirtschaft, zum mittelständischen Geschäft — die Klagen über Mischkalkulationen, Lockvogelangebote und Unter-Einstandsverkaufspreise in begrenzter Menge durchaus bekannt. Aber wir können hier nicht weiter als zu dem Punkt gehen, den ich eben genannt habe: nur gegenüber dem unlauteren Wettbewerb, nicht aber gegenüber dem, was woanders möglich ist und was vor allem auch in großstädtischen Regionen völlig beanstandungsfrei ist.Es mag ja sein, daß dem eben angesprochenen Bereich sicher wohl ums Herz ist, wenn dort Ihr Entwurf gelesen wird. Aber das bedeutet nocht nicht, daß sich der Gesetzgeber dem anschließen muß.Das gilt u. a. auch für Ihre Empfehlung, daß bestimmte Formen leistungsgerechten Wettbewerbs auch in § 1 UWG aufgenommen werden sollten. Wenn sich § 1 als Generalklausel bewährt hat, sollte man ihn nicht mit neuen, wohlklingenden Formeln belasten, mit denen nur neue unbestimmte Begriffe in das Gesetz aufgenommen würden, auf die sich die Rechtsprechung erst einmal einzustellen hätte.Man kann auch nicht vom Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gleich ohne weiteres einen Brückenschlag zu anderen Gesetzen herstellen. Wir wissen, daß Begriffe in Spezialgesetzen jeweils andere, unterschiedliche Bewertungen finden können. Wir sollten deshalb die Rechtsprechung auch nicht mit neuen Formulierungen belasten, deren sie nichtbedarf und die sie nur in Schwierigkeiten bringen können.
Gerade zu diesem Begriff, der ja in den ersten Beratungen der vergangenen Legislaturperiode eine Rolle gespielt hat, habe ich wolkige Erklärungen gelesen. Ein paar Zitate und weiter nichts. Nun haben sich in diesem Bereich ja bereits verschiedene Herren bemüht. Es kommen immer wieder einmal andere zu Wort. Ich meine allerdings, wir sollten in den Beratungen des Rechtsausschusses auf präzise, klare Darstellungen Wert legen und Überflüssiges vermeiden. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Fachwelt in diesem Zusammenhang eine Warnung ausgesprochen hat.Es gibt den Bereich des Ausverkaufs und des Räumungsverkaufs. Wir wissen alle, daß dort mancher Mißbrauch betrieben wird. Aber auch hier ist wieder die Frage zu stellen: Ist alles, was in dem Bereich geschieht, bereits unlauterer Wettbewerb? Sie sind jetzt auf die Formel der dreijährigen Karenzzeit gekommen. Mein Kollege Weber hat in der vorigen Legislaturperiode darauf hingewiesen, daß dem beweglichen Kaufmann dabei auch Schwierigkeiten in den Weg gelegt werden. Der Kollege Weber hat beispielsweise gesagt: Wenn in der Nähe eines kleinen Sortimenters ein Kaufhaus eröffnet wird, kann sich für ihn eine neue Lage ergeben, und er muß zum Räumungsverkauf schreiten. Sie schreiben, es müßte dann eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Es werden eine ganze Reihe Behörden genannt, die Genehmigungen erteilen sollen. Das halte ich nicht für gut. Sie weisen immher darauf hin: Der Bürokratie wehren. Lassen Sie also solche Sachen weg!Es kommt dort, so meine ich, nicht so sehr auf die Selbstheilungskräfte an, sondern es kommt sehr darauf an, daß die Kammern, die Kaufleute selbst mitwirken und nicht immer gleich nach dem Gesetzgeber rufen, wo sie, wenn sie entschlossen sind, auch einmal selbst tätig werden können, um unlauteren Wettbewerb durch die vorhandenen Vorschriften zu bekämpfen. Sie sollten nicht nach den Behörden rufen, die ihnen diese Arbeit abnehmen sollen.
Darüber werden wir im Ausschuß auch noch zu sprechen haben.Vielleicht können wir diesen einen Paragraphen mit der Beweislastumkehr ganz und gar weglassen. Wo es bereits eine Rechtsprechung gibt, brauchen wir nicht einen zusätzlichen Paragraphen einzufügen. Die Richter haben mit ihrer Rechtsprechung schon einiges bewirkt. Wir wollen auch zur Kenntnis nehmen, wohin die Diskussion zum Verbraucherschutz gegangen ist. Wir wollen uns diese Rechtsprechung zu Gemüte führen. Dann können wir beurteilen, ob wir auf einen solchen Paragraphen verzichten können.Zum Schluß möchte ich sagen: Der Verbraucher muß mit eingebunden werden. Wenn wir dem Verbraucher die Möglichkeit geben, seine Rechte zu wahren, dann wirkt er damit auch auf den lauteren
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Dr. Schwenk
Wettbewerb positiv ein. Dann werden diejenigen, die sich Möglichkeiten und Lücken bis hin zur Unlauterkeit zunutze machen, schon dahin gebracht werden, vorsichtiger zu arbeiten. Auch dieses gehört zum Kapitel „Selbstheilungskräfte". Damit meine ich nicht nur die freie Wirtschaft, sondern die Wirtschaft insgesamt einschließlich der Verbraucher. Damit kommen wir sicher weiter, als wenn wir hier nur einen bestimmten Berufsstand ins Auge fassen, dem in seinen Augen manches wohl täte. Er muß sich aber sagen lassen: Du bist hier im Bereich des unlauteren Wettbewerbs nicht der Nabel des Themas.Wir werden uns im Ausschuß darüber unterhalten. Es wird sicher interessant werden. — Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir sprechen ja nicht zum erstenmal über die Novellierung eines alten, und, wie wir alle glauben, für unsere Wirtschaft guten Gesetzes. Daß es mit den Novellierungsbestrebungen so langsam vorangegangen ist, ist meiner Ansicht nach darauf zurückzuführen, daß bei den wirklich Sachkundigen die Bedenken groß sind, ob diesem Gesetz eine Novellierung so not tut, wie es in der Vorzeigehektik gewisser Beratungen — insbesondere mit Verbänden von Interessenten — erscheint.Ich bin der Meinung, daß das nicht so eilig ist. Der Kern des Gesetzes ist gesund. Ich möchte auch sagen, warum er so gesund ist. Wenn das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb ausschließlich zwischen den Wettbewerbern, den Anbietern, wirkt — so ist es bislang immer gesehen worden —, dann ist das auch ein Schutz für den Verbraucher.Wir neigen neuerdings dazu, gesamtvolkswirtschaftliche Zusammenhänge souverän zu übersehen, weil es für irgend etwas neue Vereinigungen gibt, die sagen: Wir brauchen für unseren Bereich ein zusätzliches Gesetz. Oder es wird gesagt: Wir müssen ein altes Gesetz in dem Sinn umformulieren, daß es auch verbraucherschutzwirksam ist.Dabei wird übersehen, daß das Gesetz, wenn es richtig angewendet wird — ich meine: es ist weithin richtig angewendet worden —, dem Verbraucher nützt; denn eine gut funktionierende Wettbewerbswirtschaft ist das, was dem Verbraucher nützt.
Das ist unsere feste Überzeugung. Und darum sind wir auch gegen die Fummelei an diesem Gesetz.Die verehrliche Union mit den patentierten Liberalen, Herr Kiep — vorhin saß neben Ihnen noch ein weiterer bedeutender Hamburger; ich vermisse Sie in Niedersachsen, muß ich Ihnen ehrlich sagen — —
— Job-hopper, darauf habe ich neulich einen schlechten Reim gehört. Herr Kiep, Sie als richtiger Liberaler, der durch die Art, wie er liberal wirkt, gleich eine ganze Partei überflüssig machen kann,
sollten aus Ihrer wirtschaftlichen Erfahrung doch einsehen, daß es nicht dienlich ist, ausgerechnet an dem § 1 eines so alten Gesetzes herumzubasteln, wie man das in Ihrer Fraktion tut, um der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels einen Gefallen zu erweisen, wobei diese Hauptgemeinschaft in großen Schwierigkeiten ist, herauszufinden, was sie eigentlich will; denn sie beherbergt in sich ganz ungewöhnlich unterschiedliche Kräfte, angefangen von den Leuten auf der grünen Wiese bis zu den TanteEmma-Läden, dazwischen die Kaufhäuser in den Zentren der Städte. Sie will deren aller Interessen unter ein Dach bringen.Ihre Fraktion macht sich, durch einige namhafte, übrigens persönlich sehr sympathische Mitglieder vertreten, anheischig, diesem dort nicht klaren Wunsche durch eine Gesetzesvorlage, wie wir sie hier auf dem Tische haben, klar zu entsprechen. Das ist natürlich ungewöhnlich schwierig und deshalb auch total mißlungen. Und das Schlimmste ist: Sie werden bei den Leuten, von denen Sie den Beifall dafür haben wollen, überhaupt keinen Beifall ernten, weil die untereinander so verschiedene Interessen haben.Mir hat ein sehr namhafter Vertreter der Christlich Demokratischen Union, als wir auf diese Debatte zu sprechen kamen, heute auf der Straße gesagt:
— wir gehen ja alle da; wie gehen Sie? —
das einzige, was in diesem Zusammenhang machen könne, was den Einzelhandel wirklich interessiere, kommunalpolitischer Natur sei. Man müsse im Bebauungsplan, in den verschiedenen Planausweisungen dafür sorgen, daß ein allzu ungehemmter Wettbewerb von weniger bürgerfreundlichen, obwohl scheinbar billigeren Angeboten nicht zu sehr Platz greife. — Ein kluger Mann. Er hat verstanden, daß man nicht alles mit Gesetzen regeln kann und schon gar nicht mit Scheinaktivitäten Leute beruhigen kann.Herr Bötsch lächelt immer so verständnisvoll. Ich glaube, was Sie hier vorhin vorgelesen haben, haben Sie, obwohl der freien Rede mächtig, nur deshalb vorgelesen, weil Sie so ganz auch nicht daran geglaubt haben.
Dieser Mann der CDU hat also gesagt, das sei im wesentlichen ein kommunalpolitisches Problem. So sehe ich es auch. Man muß versuchen, das Zurückdrängen der bürgerfreundlichen, der kommunikationsfreundlichen kleinen Läden in den Gemeinden auf der kommunalen Ebene auszugleichen. Es gibt eine gewisse Verbesserung der Instrumente. Die ist hier beschlossen worden — offenbar vor einem an-
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2794 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Kleinertderen Kreis; denn wir haben immer nur erweiterte Fachausschußsitzungen.
Das ist kürzlich hier also vor einem anderen Kreis mal so durchgesetzt worden, übrigens von der sozialliberalen Koalition, die, nach einem Urteil eines führenden Mannes Ihrer Partei, damit das Wirksamste getan hat, was man dazu tun konnte.Jetzt sollten Sie nicht hergehen und mit diesem Gesetzentwurf zu erklären versuchen, Sie brächten das alles in Ordnung, zumal dieser Gesetzentwurf auch juristisch ungewöhnlich anfechtbar ist. Ich verstehe überhaupt nicht, was Sie mit den diversen Verweisungen auf den § 823 BGB meinen. Eine Partei, die ununterbrochen die Gesetzesflut, die Unklarheit der Gesetzessprache beklagt — wir sind da ganz einig —, die sollte nicht hergehen und in völligem Mißverständnis des Textes von § 823 Abs. 2 BGB sagen: Darauf muß ich im einzelnen verweisen. Nein, entweder sind gewisse Bestimmungen des UWG auch Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 — dann werden sie dort angewandt, und das hat Schadenersatzfolgen im Rahmen eines durch die Rechtsprechung gesicherten, entwickelten Systems — oder sie sind es nicht. Wenn es im Grenzfall Zweifelsfragen geben sollte, dann müßte man vielleicht überlegen, ob man darauf hinweisen soll. Ich meine allerdings, daß man das dann eher in der Begründung als im Text eines solchen Gesetzentwurfs tun sollte. Aber mit Sicherheit kann man nicht in einem Gesetz, das Sie jetzt verlangen, aufzählen: Dies ist Schutzgesetz, und dies mache ich hier als Gesetzgeber deutlich. Das ist ein ganz schwacher juristischer Versuch.Ich sehe übrigens von den Erfindern keinen im Saal.
— Herr Bötsch, wenn ich Sie verkannt habe, dann bitte ich vielmals um Vergebung. Die Erfinder habe ich bisher als ein Dreigestirn gesehen, und von diesem Dreigestirn sehe ich hier keinen im Raum.
Einer der Herren ist auch nicht mehr Mitglied des Hauses.Wenn dieses UWG novelliert werden sollte, müssen wir uns darüber jedenfalls unter Fachleuten ganz sorgfältig unterhalten. Der Gesetzentwurf bietet überhaupt keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich die Union etwa sämtlichen Einzelhändlern gleichzeitig, von Karstadt bis zu Tante Emma, als Schutzpatron empfehlen kann. Obendrein vernachlässigt der Gesetzentwurf die juristische Systematik schmählich, indem er in einem Gesetz etwas sagt, was ohnehin schon Gesetz ist. Das kann gar nicht wahr sein.Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU, der Meinung sind, sie müßten sich hier profilieren, tun Sie es doch bitte in unseren Beratungen, nennen Sie dann ganz genau Roß und Reiter, z. B. auch mit Umsatzzahlen und mit Zahlen von Ausgliederungen, den dabei erzielten Umsätzen usw., und tun Sie nicht so, als ob Sie hier beiläufig mit einem gesetzgeberischen Kunstgriff gleichzeitig Karstadt und Tante Emma einen Gefallen tun könnten! Das können Sie nämlich nicht, und die Juristen unter Ihnen gucken deshalb auch schon die ganze Zeit so peinlich betreten, was ich mit Vergnügen feststelle.Schließlich möchte ich, wenn Sie gestatten, noch einmal auf die Frage des Schadenersatzes zurückkommen. Dieses Schadenersatzproblem ist hier nur leicht angeklungen; Sie haben es in Ihrem Entwurf wieder eingefügt. Ich meine mehrere von Ihnen zu kennen, die diese Idee nicht für die glücklichste von allen Ideen halten, und wir halten sie auch nicht für glücklich. Ich habe soeben darauf hingewiesen, daß der richtige Weg über § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches geht. Eine Neueinführung in diesem Gesetz scheint mir auf erhebliche systematische Schwierigkeiten zu stoßen und eine Fülle von im übrigen überflüssigen Prozessen zu begründen. Ich befinde mich dabei, wie es der Zufall so will, in Obereinstimmung mit dem Präsidenten des Deutschen Richterbundes, Herrn Leonardy, der vor einigen Wochen zu dem gleichen Thema ganz klar gesagt hat, daß dies genau das ist, was unsere Gerichte nicht brauchen können, nämlich Scheinprobleme so „aufzupeppen", daß sie zu einer zusätzlichen Belastung der Gerichte werden, die unseren Bürgern in wirklich wichtigen Fragen Recht geben sollen.Ich komme zum Schluß. Wettbewerb ist Verbraucherschutz. Vor dem Hintergrund, daß Sie draußen so reden und unsere sozialdemokratischen Partner so hinstellen, als ob die von Wettbewerb, Marktwirtschaft und alledem gar nichts hielten, verstehe ich es überhaupt nicht, wie Sie hier ein so drolliges Gesetz vorlegen und obendrein noch auf das Vorblatt schreiben können: „Kosten: keine". Das ist nämlich der Gipfel der Ignoranz.
— Ich habe ja auch überlegt. Sie haben mir geholfen. — Das ist der Gipfel der Ignoranz, hier draufzuschreiben: „Kosten: keine." Denn das gibt natürlich enorme Kosten, was Sie da machen:
Bezahlung für diejenigen, die das alles nachprüfen, die dem allem nachgehen und die hier dafür sorgen, daß der Wettbewerb in Ihrem Sinne stattfindet. — Er kann in dieser Form gar nicht stattfinden, wie Sie selber wissen. Und da schreiben Sie ganz frech drauf: „Kosten: keine" und amüsieren sich über Leute, die sich in diesen Tagen ernsthaft mit den Haushaltsproblemen dieses Landes auseinandergesetzt haben.
Als nächstes kommen Sie dann gleich mit so einer Idee. Das ist nicht in Ordnung. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
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Vizepräsident WurbsDer Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Abgeordneten Hauser , Dr. Bötsch, Dr. Pinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/665 zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 bis 14 auf:6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. November 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über den Verzicht auf die Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen— Drucksache 9/634 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Innenausschuß Rechtsausschuß7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Wehrsoldgesetzes— Drucksache 9/661 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Innenausschuß VerteidigungsausschußHaushaltsausschuß gemäß § 96 GO8. Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verhinderung des Mißbrauchs von Sendeanlagen— Drucksache 9/719 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen InnenausschußRechtsausschußAusschuß für Wirtschaft9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. Oktober 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über die Ergänzung des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 und die Erleichterung seiner Anwendung— Drucksachen 9/732, 9/776 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. Oktober 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik über die Ergänzungdes Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen und die Erleichterung seiner Anwendung— Drucksachen 9/733, 9/776 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juli 1979 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Elfenbeinküste zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Regelung der gegenseitigen Amtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen— Drucksache 9/658 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Finanzausschuß
Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit12. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. Februar 1974 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Mauritius über den Luftverkehr— Drucksache 9/633 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Verkehr13. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen vom 7. Juli 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten— Drucksache 9/670 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung14. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank— Drucksache 9/669 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
FinanzausschußEs handelt sich um von der Bundesregierung und vom Bundesrat vorgelegte Gesetzentwürfe zur ersten Beratung. Das Wort wird offenbar nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 9/634, 9/661, 9/719, 9/732, 9/733, 9/658, 9/633, 9/670 und 9/669 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des
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2796 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Vizepräsident WurbsÄltestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung. Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Dr. Riesenhuber, Gerstein, Dr. Bugl, Engelsberger, Eymer , Dr. Hubrig, Maaß, Neuhaus, Prangenberg, Weirich, Dr. Stavenhagen, Dr. Kunz (Weiden), Regenspurger, Frau Dr. Hellwig und der Fraktion der CDU/CSUVerbesserung der Beratungskapazität des Deutschen Bundestages zur Bewertung technologischer Forschungsprogramme und Vorbereitung der Entscheidung über technologiepolitische Probleme— Drucksache 9/701 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Forschung und Technologie Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung HaushaltsausschußMeine Damen und Herren, im Ältestenrat ist für diese Aussprache eine Debattenrunde vereinbart worden. Ist das Haus mit dieser Regelung einverstanden? — Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eymer .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU begründe ich unseren Antrag zur Verbesserung der Beratungskapazität des Deutschen Bundestages zur Bewertung technologischer Forschungsprogramme und Vorbereitung der Entscheidung über technologiepolitische Probleme.Bereits in der 7. und in der 8. Legislaturperiode hat die Fraktion der CDU/CSU Vorstöße in dieser Richtung unternommen. Ich kann mich kurz fassen, da ausführliche Grundsatzstellungnahmen in diesem Hause 1973 zu unserem Antrag zur Errichtung eines Amtes zur Bewertung technologischer Entwicklungen beim Deutschen Bundestag und 1977 zu unserem Antrag auf Einrichtung einer Prognose- und Bewertungskapazität zur Begutachtung technologischer und forschungspolitischer Entwicklungen erfolgt sind. Anhörungen, Gutachten und die weitere parlamentarische Behandlung führten im Juni 1978 zu einem gemeinsamen, einstimmigen Beschluß des Ausschusses für Forschung und Technologie, aus dem ich das Wesentliche zitieren möchte:Der Deutsche Bundestag wolle beschließen:1. Beim Präsidium des Deutschen Bundestages wird eine besondere Arbeitsgruppe „Technologiefolgenabschätzung" gebildet, die den Deutschen Bundestag bei der Feststellung und Bewertung forschungspolitischer und technologischer Entwicklungen unterstützt.2. Bei der Arbeitsgruppe können für einzelne Projekte ad-hoc-tätige Gruppen aus Sachverständigen gebildet werden.3. Die Arbeitsgruppe hat die Aufgabe— Trends der technischen Entwicklung zu beobachten,— Technologiefolgenabschätzungen durch Vorstudien vorzubereiten,— Vorschläge für die Zusammensetzung und Arbeit von ad-hoc-tätigen Sachverständigengruppen zur Technologiefolgenabschätzung zu erarbeiten,— die Durchführung von Gutachten und Studien zur Technologiefolgenabschätzung, die vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegeben werden, kritisch zu begleiten,— wissenschaftliches Material für die technologiepolitische Entscheidungsfindung aufzuarbeiten.4. Für die Technologiefolgenabschätzung wird im Haushalt des Deutschen Bundestages ein gesonderter Titel ... gebildet.Für diesen Titel sahen die Fraktionen für das Haushaltsjahr 1979 1 Million DM vor.Der vorliegende Antrag der Fraktion der CDU/ CSU greift diesen Ansatz wieder auf. Er will die parlamentarisch-politischen Entscheidungsprozesse verbessern.Parlamentarische Demokratie heißt, die Bedingungen sichern, unter denen Freiheit, Selbstverwirklichung, Gerechtigkeit und Mehrung des Wohlstands möglich sind.Die Notwendigkeit von Innovationsstrategien unter Einsatz von Forschung und technologischer Entwicklung ist gegeben. Die Entwicklung neuer Energie- und Rohstofftechniken, die Förderung von Alternativenergien, Abfallbeseitigung, die Wassertechnologie, Kommunikations- und Verkehrstechnologie, die Chancen der Spezialisierung im Schiffsbau — was für meinen Lübecker Wahlkreis besonders wichtig ist — und vor allem Mikroelektronik sind nur einige Bereiche, wo Innovationsförderung einen dauerhaften Wirtschaftsaufschwung durch neue Technologien ermöglichen kann, wo der Staat nicht nur in der Grundlagenforschung, sondern auch als Initiator von zukunftsorientierten Projekten gefordert ist.25 Abgeordnete des Deutschen Bundestages zusammen mit noch nicht einmal einer Handvoll wissenschaftlicher Mitarbeiter sollen im Ausschuß für Forschung und Technologie kontrollieren, ob das Bundesministerium für Forschung und Technologie die finanziellen Mittel für die Forschungsförderung in Milliardenhöhe sinnvoll verwendet. Auf seiten des Bundesforschungsministeriums gibt es neben dem allein bereits beängstigenden und in meinen Augen ohne Zweifel unzulässig aufgeblähten Apparat der Ministerialbürokratie noch rund 1 200 externe Berater für Forschungsprojekte. Dazu kommen Hundertschaften von Forschern bei den Pro-
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Eymer
jektträgern. Demgegenüber müssen diese 25 Abgeordneten immer wieder aufs neue zu der Erkenntnis kommen, dem Herrschaftswissen der Regierung und ihrer Planungsbürokratie hoffnungslos unterlegen zu sein. Hinzu kommt, daß gerade diese Abgeordneten noch stärker als andere Parlamentarier im Hause an der Fülle von Informationen, Daten und Gutachten leiden. Gleichzeitig wird diese Fülle aber als der entscheidende Mangel empfunden, da die wirklich wichtigen Grundlagen und Hilfen für die politischen Entscheidungen in dieser Fülle jeden-falls meistens nicht enthalten sind.Dies alles geschieht in einer Phase, wo immer klarer erkennbar wird, daß die entscheidende Frage der kommenden Jahrzehnte sein wird, ob wir imstande sein werden, die Ergebnisse der Wissenschaft und die Entwicklung neuer Technologien zu beherrschen und auf Grund politischer Entscheidung die Zukunft der Menschen zu gestalten, oder ob wir vor den angeblich unvermeidlichen Eigengesetzlichkeiten der technischen Entwicklung kapitulieren oder resignieren.Auf der anderen Seite sind alle Parteien, Fraktionen und nicht zuletzt die Bundesregierung sich inzwischen darin einig, daß die notwendigen Entscheidungen darüber, ob und in welcher Weise die Ergebnisse der Forschung und neuer Techniken, z. B. die friedliche Nutzung der Kernenergie, künftig von uns genutzt werden sollen, weder durch Gerichte noch durch Bürgerinitiativen, mögen sie noch so berechtigt und gut gemeint sein, wie sie wollen, erfolgen oder ersetzt werden können. Die letzte politische Entscheidung steht nun einmal den Parlamenten zu, es sei denn, wir wollen das von dem weit überwiegenden Teil der Bürger dieses Landes akzeptierte und bejahte derzeit bestehende parlamentarisch-demokratische System entscheidend verändern. Ausgleichsfähigkeit gegenüber Interessen- und Weltanschauungskonflikten, organisierte und nicht organisierte Interessen in abstimmbaren Alternativen zusammenzufassen, Unanbhängigkeit und Überlegenheit des Staates und seines Parlaments auch gegenüber den großen Verbänden und Organisationen bleibt die Aufgabe.Zu den Aufgaben des Deutschen Bundestages als Kontrollorgan gehört nicht nur die nachträgliche Prüfung und Überprüfung der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit von politischen Vorgängen, Maßnahmen und Entscheidungen, sondern auch die politische Führung und Bestimmung notwendiger Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse in Regierung und Regierungsapparat. Zu diesen Aufgaben des Parlaments gehören aber auch — und dies nicht unwesentlich — die öffentliche Auseinandersetzung und Debatte über jene Prozesse und nicht zuletzt eine Fülle von mittelbaren und langfristigen Planungsaufgaben. Am Beispiel der Auseinandersetzung um die friedliche Nutzung der Kernenergie, um die Standorte von Kernkraftwerken und einer in totaler Konfusion zu enden drohenden Politik der Bundesregierung läßt sich nachweisen, daß das Vertrauen der Bürger in die Politik insgesamt und in die sachliche Kompetenz der verantwortlichen Politiker in Regierung und Bundestag erheblich gelitten hat und zunehmend Zweifeln und wachsender Kritik ausgesetzt ist. Schon läßt die Diskussion über Umweltschutz und die Auseinandersetzung um richtige notwendige umweltschutzpolitische Entscheidungen eine ähnlich verhängnisvolle Entwicklung befürchten, zumal die Meinungs- und Entscheidungsprozesse in den Bereichen der Forschungs- und Technologiepolitik auf der einen Seite und der Wirtschafts- und Energiepolitik auf der anderen Seite für den Bürger immer undurchschaubarer werden.Ob und wie man diesem insgesamt nicht nur bejammernswerten und irritierenden, sondern für unser parlamentarisches System auch bedrohlichen und verhängnisvollen Zustand abhelfen, auf welche Weise man die Entscheidungshilfen für die Abgeordneten qualitativ verbessern und das Parlament überhaupt in den Stand setzen könnte, die sozialen und politischen Auswirkungen neuer Forschungsergebnisse und technologischer Entwicklungen besser zu verstehen und zu beurteilen, war schon häufiger Gegenstand von Kommissionen, Bundestagsausschüssen, Unterausschüssen, parlamentarischen Abenden und wissenschaftlichen Fachtagungen. Ich meine, mit dem gemeinsamen Beschluß aller Fraktionen im zuständigen Forschungsausschuß des Deutschen Bundestages vom Juni 1978 ist der erste, vielleicht kleine Weg beschritten, uns gemeinsam diesen Aufgaben zu stellen und einen Versuch zu wagen.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist, wie das die bisherigen Verhandlungen und Gespräche hinreichend gezeigt haben, durchaus bereit, über verschiedene Organisationsformen mit allen Fraktionen ausführlich zu beraten. Feststehen muß jedoch grundsätzlich, daß eine Verbesserung der Beratungskapazität des Deutschen Bundestages politisch gewollt ist und institutionell gewährleistet wird. Hierzu müssen auch die notwendigen personellen und instrumentalen Voraussetzungen geschaffen werden. Wir wollen keine neue Bürokratie. Wir wollen eine effiziente Politikberatung für den Ausschuß für Forschung und Technologie und den Deutschen Bundestag. Nur so können nach Auffassung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die politischen Entscheidungen des Parlaments in diesem Bereich qualitativ in dem notwendigen und geforderten Maße verbessert werden.Wir bitten um Überweisung dieses Antrags an die zuständigen Ausschüsse. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, auf der Diplomatentribüne hat eine Delegation von Parlamentariern der Nationalversammlung der Republik Korea Platz genommen. Ich habe die Ehre die Mitglieder der Delegation herzlich im Deutschen Bundestag zu begrüßen. Ich möchte Ihnen einen ebenso nützlichen wie angenehmen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland wünschen.
Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Steger.
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2798 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist die dritte Legislaturperiode, in der sich der Deutsche Bundestag mit einem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auseinanderzusetzen hat. Es geht um die Abschätzung von neuen Technologien und die Schaffung einer Beratungskapazität beim Deutschen Bundestag.Herr Eymer, bevor wir hier über organisatorische Details reden — dazu werden wir im Ausschuß sicherlich noch genügend Zeit haben; wir werden auch einen Vorschlag dazu unterbreiten —, sollten wir die heutige Gelegenheit nutzen, einmal Bilanz zu ziehen, was wir selbst als Parlament auf diesem von uns als wichtig erachteten Gebiet gemacht haben. Wenn Sie das von unserem Ausschuß in Auftrag gegebene Helle-Gutachten einmal durchlesen und dort auch die Rolle und Bedeutung von Enquete-Kommissionen des Bundestages für die Technologiefolgenabschätzung gewürdigt finden und sich dann einmal überlegen, wie sich Ihre Fraktion bei der Einsetzung der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergiepolitik" verhalten hat, wie sich Ihre Fraktion bei der Einsetzung der Enquete-Kommission „Neue Informations- und Kommunikationstechnologien" verhalten hat, dann wird, wie ich sagen möchte, ein gewisser Zwiespalt deutlich. Ich will uns nicht selber auf die Schulter klopfen, aber wenn Sie einmal fragen, wer denn z. B. die Initiative ergriffen hat, daß in diesem Jahr der uns zur Verfügung gestellte Gutachtentitel ausgeschöpft worden ist, dann muß ich sagen: Dies war nicht die Opposition. Aber ich will hier keine Folgenabschätzung über die Opposition machen
— nicht, weil das nur zu einem Horrorszenario führen könnte —, sondern, Herr Lenzer, einmal selbstkritisch fragen: Was haben wir alle miteinander — da schließe ich die Koalitionsfraktionen oder zumindest meine Fraktion mit ein — getan, um über die Schaffung von organisatorischen Rahmenbedingungen und Planstellen hinaus den politischen und sozialen Dialog über die Folgen neuer Technologien voranzutreiben?Ich will einmal bei unseren eigenen Arbeitsbedingungen anfangen. Ich finde es — ich will mich jetzt sehr vorsichtig ausdrücken — etwas widersprüchlich, daß wir im Grunde hier im Parlament noch die Arbeitsbedingungen des 19. Jahrhunderts haben und uns nicht selber die Möglichkeiten zu eigen machen, die uns neue Technologien bieten.
Warum zum Teufel haben wir nicht eigentlich längst den Bundesforschungsminister einmal damit beauftragt, das Parlament in die Fachinformationszentren und in die Informations- und Dokumentationszentren einzubeziehen und dafür zu sorgen, daß wir dort die notwendigen Abrufmöglichkeiten haben und nicht in dieser Fülle von Papier ersaufen? Aber wir sind j a noch nicht einmal in der Lage, einen elektronisch gesteuerten Telefonwähler, den bei einer gut funktionierenden Kommunalverwaltung mittlerweile jeder Oberamtmann hat, hier im Parlament anzuschaffen.
— Herr Lenzer, dies war, bevor ich Mitglied dieses Hohen Hauses wurde. Ich weiß nicht, woran das gescheitert ist. Deswegen will ich darauf nicht reagieren.Zweiter Punkt. Wir haben uns gemeinsam bemüht und die Deutsche Forschungsgemeinschaft kritisiert, weil sie nicht bereit war, an dem Projekt Technologiefolgenabschätzung mitzuwirken. Sie hat sich dann bewegt und einen Vorschlag unterbreitet. Wer hat darauf wie reagiert? Ich muß Ihnen ehrlich sagen: Wir waren nicht zu einer angemessenen Reaktion in der Lage, vielleicht auch deswegen, weil wir nicht wußten, was wir im Grunde mit diesem Vorschlag anfangen sollten. Ich glaube, uns allen ist nicht geholfen, wenn wir wissen, daß es an irgendeiner Hochschule einen Professor gibt, der auf diesem oder jenem Gebiet sachkundig ist. Außer dem Bericht, den wir ja über den Haushaltsausschuß zu der Frage angefordert haben, inwieweit das WZB, das Wissenschaftszentrum in Berlin, in diese Serviceleistungen und Aufbereitungsfunktionen und auch forschungsorientierenden Funktionen der Technologiefolgenabschätzung eingeschaltet werden kann, haben wir im Moment noch nicht viel auf die Beine gebracht.Letzter Punkt. Ich möchte die Art und Weise erwähnen, wie hier Hearings veranstaltet werden. Wenn ich das aus eigener Erfahrung mit dem vergleiche, was im US-Kongreß gemacht wird, dann würde ich auch einiges Gehirnschmalz in die Beantwortung der Frage investieren wollen, warum bei uns die Anhörungen immer noch mehr Selbstbeweihräucherungen der Experten sind als wirklich eine kritische Hinterfragung dessen, was ansteht. Dies werden wir sicherlich auch diskutieren. Ich glaube, daß wir in diesem Bereich alle miteinander zu konstruktiven Vorschlägen kommen, denn es geht ja hier sicherlich darum — da würde ich Ihnen ausdrücklich zustimmen, Herr Eymer —, daß auch das Parlament seine Glaubwürdigkeit gegenüber dem Bürger zurückgewinnt, denn nur wenn wir dem Bürger klarmachen, daß wir hier zu einer ernsthaften Auseinandersetzung kommen und möglicherweise auch einmal zu Entscheidungen gegen wirtschaftliche Interessen, werden wir das Vertrauen beim Bürger zurückgewinnen. Nur so können wir ihm deutlich machen, daß die Aufgabe der kritischen Bewertung neuer Technologien nicht zu Unrecht an das Parlament delegiert worden ist.Lassen Sie mich aber abschließend noch auf einen Punkt eingehen, bei dem es, wie ich meine, einen Unterschied gibt. Mir scheint, wir haben in der Vergangenheit immer viel zuviel gefragt „Was kann denn die Wissenschaft dazu beitragen?" und zu wenig gefragt „Wie können wir eigentlich diese Diskussion als einen politischen Diskussionsprozeß organisieren?". Denn bei der Frage „Brauchen wir einen wissenschaftlichen Gerichtshof, sozusagen einen ,science court'?" ist ja sehr schnell klar geworden,
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Dr. Stegerdaß sich die Bürger an dessen Urteil überhaupt nicht orientieren würden; vielmehr erzielen Sie nur dann Ergebnisse, wenn Sie die sozialen Gruppen in diesem Lande einbeziehen. Im Grunde darf dieser Prozeß der Technikbewertung nicht ein Prozeß innerhalb der Wissenschaft sein, und er darf auch nicht ein Prozeß zwischen Politik und Wissenschaft allein sein, sondern wir müssen sicherlich die sozialen Gruppen miteinbeziehen; denn nur dann, wenn Sie Gewerkschaften und Arbeitgeber dabeihaben und wenn diese bereit sind, auf Grund von gemeinsamen Lernprozessen z. B. in den Betrieben bei der Einführung von Technologien etwas zu verändern, werden Sie tatsächlich praktische Erfolge haben.Ich will hier nicht vertieft diskutieren, inwieweit uns dies beim Programm zur Humanisierung des Arbeitslebens gelungen ist, aber ich glaube, dieses Programm war ein ganz wichtiger Schritt, die Wissenschaftler überhaupt einmal aus dem Elfenbeinturm heraus und in die Betriebe zu bringen und dort mit den Unternehmensleitungen und den Betriebsräten diesen Diskussionsprozeß — mit allen Konflikten, die dabei auf Grund der unterschiedlichen Interessen zwangsläufig auftreten — zu organisieren.Für meine Fraktion darf ich hier erklären, daß wir zu einer konstruktiven Beratung im Ausschuß bereit sind und daß wir dabei eigene Vorschläge — einiges davon habe ich hier angedeutet — unterbreiten werden, damit wir diese Funktion, die dem Parlament, dem Deutschen Bundestag, übertragen ist, auch angemessen erfüllen können. — Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Timm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der vielleicht nicht unangenehmen Lage, in diesem Hause über dieses Thema bisher noch nicht diskutiert zu haben, und ich habe bei Durchsicht der Unterlagen dazu so meine Feststellungen getroffen. Man muß sich darüber im klaren sein: Um den Einstieg in diese Materie zu finden, sollte man tunlichst mit einer Begriffsdefinition beginnen und klären, was eigentlich unter „Technologie" und demzufolge unter „Technologiebewertung" oder „Technikbewertung" verstanden wird.Schon dann, wenn wir den Begriff „Technologie" in verschiedene Bereiche einteilen, in Maschinentechnologie, soziale Technologie oder intellektuelle Technologie — das stammt nicht von mir; das haben schon vor mir wahrscheinlich klügere Leute herausgefunden —,
wird einem, so meine ich, deutlich, daß man auch die Technikbewertung und die Technologiefolgenabschätzung sehr viel differenzierter betrachten muß. Es geht hier nämlich um eine zusammengefaßte und systematische Analyse der Voraussage und der Bewertung der wesentlichen Auswirkungen für die zentralen Bereiche unserer Gesellschaft.Man kann, glaube ich, da nicht einfach hergehen und die Institutionalisierung fordern, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was denn eigentlich an Technologiebewertung in der Vergangenheit mit welchen Folgen schon geschehen ist. Es hat im Grunde immer Technologiebewertung gegeben. Ich möchte jetzt nicht auf das Rad zurückkommen; das war damals sicherlich nicht unter dem Gesichtspunkt zu sehen, daß man es besser nicht erfunden hätte, weil damit nun alles mögliche Dumme gemacht werden kann. Aber in der Geschichte, auch in der jüngeren Geschichte, gibt es Beispiele dafür, daß Technologiebewertung allzuoft nach dem Nützlichkeitsprinzip betrachtet worden ist; man hat, je nach Standpunkt, die jeweiligen positiven Seiten hervorgehoben und die negativen Seiten ausgelassen. Das hat zweifellos in vielen Bereichen zu einer weitgehend falschen Bewertung geführt. Um dies deutlich zu machen, darf ich folgendes Beispiel anführen: Als die Eisenbahn als Verkehrsmittel eingeführt werden sollte, gab es spürbaren Widerstand, weil man gesellschaftspolitsche Veränderungen befürchtete, die, wie man heute weiß, sicherlich nicht eingetreten sind. Als man aber das Kraftfahrzeug, das Auto als Verkehrsmittel eingeführt hat, gab es zwar auch Rufer in der Wüste, nur hat man sicherlich nicht gesehen, wie groß die Gefahr für unsere Umwelt allein durch das Freisetzen von Schwefeldioxyd ist. Wir sind heute gerade erst im Begriff, das zu erkennen und entsprechend zu bewerten. Also hier gibt es zwei unterschiedliche Entwicklungen mit unterschiedlicher und offensichtlich falscher Bewertung.Aber auch ein Ereignis der jüngeren Vergangenheit — gerade in diesem Jahr ist darüber sehr viel gesprochen worden — versetzt uns, wenn wir es betrachten, auch heute noch in Angst und Schrecken: der Abwurf der Atombombe über zwei japanischen Städten. Als dies geschah, hat sich damals sicherlich niemand aus Wissenschaft und Forschung, aber auch niemand aus der Politik in der Lage gesehen, eine richtige Folgebewertung einer solchen Entwicklung vorzunehmen oder zu beeinflussen. Wir spüren es immer wieder: Selbst heute noch leidet die gesamte Diskussion — auch um die friedliche Nutzung von Kernenergie — unter diesem Trauma. Wir sind aufgerufen, hier etwas zu tun, d. h., wir müssen für ein Umdenken in der gesamten Technikbewertung eintreten, genauso wie es — Gott sei Dank — auch in der Umwelt in zunehmendem Maße geschieht. Wir müssen unser Teil dazu beitragen. Dabei nenne ich gar nicht in erster Linie die Politiker, sondern alle, die die Möglichkeit haben, die Umweltbedingungen zu beeinflussen.Zwei Überlegungen aus den genannten Beispielen: Eine auf gesicherten Erkenntnissen beruhende Bewertung der Technikfolgen vorzunehmen ist schwierig; siehe Eisenbahn, siehe Auto. Und: Wenn die Politik selbst nicht stark genug ist, sich wegen vordergründiger politischer Überlegungen über Erkenntnisse möglicher Folgen hinwegzusetzen, dann hilft ihr auch eine noch so präzise Folgebewertung nicht. Von daher gehe ich davon aus, daß Technologiebewertung und Folgeabschätzung so komplex sind, daß man sie nicht so einfach ad hoc einer Insti-
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Timmtution, einer Lösungs- oder Lenkungsgruppe — ich komme gleich noch darauf zurück — überlassen kann. Vielmehr stehen Wissenschaftler und Forscher in einer großen gesellschaftspolitischen Verantwortung, ihre Erkenntnisse auch ohne politische Aufforderung und ohne Einschränkung den Entscheidungsgremien zur Verfügung zu stellen, damit hier verantwortungsvoll entschieden werden kann. Sie sollen damit nicht politische Verantwortung übernehmen — das ist nicht gemeint —, aber sie müssen in ihrem Verantwortungsbereich selbst so fest stehen, daß sie auch auf Folgen hinweisen können, die durch Mißbrauch ihrer Erkenntnisse eintreten können. Welch schreckliche Folgen durch Mißbrauch wissenschaftlicher Erkenntnisse eintreten können, hat uns die Vergangenheit leider auf vielfältige Weise bewiesen.Die Politiker nun können sich ihrer Verantwortung nicht entziehen. Sie dürfen sich nicht auf eine Institution zurückziehen, vielleicht in dem unbeholfenen Denken, daß man sich damit für seine eigene Entscheidung eine Alibifunktion schaffen kann. Es ist natürlich unbestritten — ich folge in diesem Punkt insofern auch den Intentionen Ihres Antrags —, daß die Legislative die Exekutive kontrollieren soll und muß. Genauso unumstritten müßte es für uns Politiker aber auch sein, daß wir die Pflicht haben, uns aus eigenem Antrieb in den Stand zu versetzen, daß wir unsere Entscheidungen nach Kenntnisnahme und Verarbeitung der Erkenntnisse und Bewertungen aus Wissenschaft und Forschung treffen können. Dazu bietet im Grunde manches, was wir bereits haben, schon die Gelegenheit.Wir — nicht nur wir Politiker — müssen also umdenken. Wir müssen den Umdenkungsprozeß beeinflussen. Wir müssen die Folgeabschätzung von Erkenntnissen und Entwicklungen in Technologie und Forschung genauso ins Bewußtsein rufen, wie wir es seinerzeit mit dem Umdenken hinsichtlich des Umweltschutzes getan haben. Beispielhaft seien hier nur die biologische Schädlingsbekämpfung und die Abfallbewirtschaftung mit Recycling genannt. Wir haben gerade in der jüngeren Vergangenheit in bestimmten Zeitabschnitten, die leider mit kriegerischen Aktivitäten gefüllt waren, erkennen müssen, daß im Grunde nur nach dem Nützlichkeitsprinzip abgeschätzt und bewertet wurde. Das ist natürlich nicht das Ziel für die Zukunft. Politische Aufgabe muß es vielmehr sein, daß wir das Schwergewicht eben auch auf die negativen Auswirkungen legen. Dazu sollten wir unseren Beitrag leisten. In der Bundesrepublik sind — das wurde von meinem Vorredner schon angeführt — Einrichtungen vorhanden, die wir nutzen können, eine Vielzahl wissenschaftlicher und technischer Institute und Organisationen. Wir können uns als Politiker — damit sollten wir uns, meine ich, zunächst einmal intern auseinandersetzen — dieser Institute, Organisationen und Einrichtungen durchaus selbst bedienen. Die Türen dazu stehen uns allen offen. Wir haben Berater im eigenen Lande und im internationalen Bereich. Ferner kann auf Arbeitsgruppen, Gutachten und Anhörungen zurückgegriffen werden. Für besonders wichtige Bereiche bietet sich das Instrument der Enquete-Kommission an. Ich meine, daß sich das Parlament damit durchaus in die Lage versetzen kann, Erkenntnisse zu gewinnen und in Beschlüsse umzusetzen — ohne zusätzliche Administration. Aus dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion geht unter anderem auch hervor, daß etwas geschaffen werden könnte, was uns gerade in der jetzigen Diskussion in Schwierigkeiten bringt, nämlich daß wir Weiteres an Administration, die wir ja so fürchten, installieren, daß wir weiterhin Geld ausgeben, obwohl — hier möchte ich ein anderes Beispiel anführen — z. B. der amerikanische Kongreß mit einer ähnlichen Einrichtung keinen Erfolg gehabt hat. Das Office of Technology Assessment, kurz OTA genannt, hat zu erkennen gegeben, daß es offensichtlich zu klein ist. Wenn man es nun größer bauen will, kommen wir wieder in Bereiche hinein, die wir wahrscheinlich schon aus finanziellen Gründen gar nicht wollen.Meine Meinung hierzu ist also — wir werden das in den Ausschüssen sicherlich entsprechend beraten —, daß wir als Politiker die vorhandenen Einrichtungen nutzen, aus ihnen den Nutzen für unsere politischen Entscheidungen ziehen sollten. Wir sollten unser Licht in dieser Beziehung nicht unter den Scheffel stellen. Die vorhandenen Möglichkeiten sind meiner Ansicht nach ausreichend. Ich unterstütze die Vorschläge auf Überweisung der Vorlage an die Ausschüsse zur weiteren Beratung. — Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst sowie weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/701 zur federführenden Beratung dem Ausschuß für Forschung und Technologie und zur Mitberatung dem Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung und dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Jenninger, Dr. Abelein, Werner, Dr. Bötsch, Spranger, Lemmrich, Lintner, Dr. Jobst, Hinsken, Dr. Dollinger, Dr. Faltlhauser, Biehle, Regenspurger, Glos, Dr. Wörner, Susset, Dr. Laufs, Dr. Stark , Röhner, Dr. Schwörer, Sauer (Stuttgart), Sauter (Epfendorf), Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Petersen, Hanz (Dahlen), Sick, Fischer (Hamburg), Straßmeir, PfeffermannFinanzierung der Autobahn Würzburg-Ulm
— Drucksache 9/748 -Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:Ausschuß für Verkehr Haushaltsausschuß
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Vizepräsident WurbsIm Ältestenrat ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen.Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Ich eröffne dann die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jobst.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag, Sondermittel für den Bau der Autobahn Würzburg-Ulm zur Verfügung zu stellen, bezieht sich nicht auf ein ausschließlich regionalpolitisches Problem, sondern vorwiegend auf ein bundespolitisches Problem. Der Bau dieser Autobahn Würzburg-Ulm ist 1978 durch ein eigenes Gesetz, dem alle Fraktionen dieses Hauses zugestimmt haben, in die Dringlichkeitsstufe I des Bundesfernstraßenausbauplans eingereiht worden. Maßgebend war, daß diese Autobahn neben ihrer wichtigen Erschließungsfunktion für die von ihr tangierten Regionen insbesondere eine wichtige Hauptverkehrsmagistrale in der Nord-Süd-Verbindung in der Bundesrepublik bilden sollte. Die A 7 ist die kürzeste Nord-Süd-Verbindung. Ich darf daran erinnern, daß sich der leider viel zu früh verstorbene Kollege Ollesch von der FDP damals sehr nachhaltig und auch maßgeblich mit dafür eingesetzt hat, daß dieses Gesetz zum Tragen gekommen ist. Der damalige Bundesverkehrsminister Gscheidle hat daraufhin die Länder Baden-Württemberg und Bayern gebeten, alles zu unternehmen, daß diese Autobahn bis 1983 fertiggestellt ist.Die A 7 hat also eine vorrangige, bundesweite Aufgabe. Im Bundesgebiet gibt es derzeit keine andere Neubaustrecke, die eine ähnliche Funktion für den internationalen Durchgangsverkehr hätte. Diese Autobahn dient darüber hinaus der Entlastung der vorhandenen süddeutschen überlasteten Autobahnen. Sie soll mit dazu beitragen, daß die erheblichen Verkehrsstauungen, die wir auf unseren süddeutschen Autobahnen leider Gottes haben, großräumig abgebaut werden.Durch die Kürzung der Mittel für den Bundesfernstraßenbau ist der Weiterbau dieser Trasse gefährdet. Die Alternative, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre, daß die Länder Baden-Württemberg und Bayern andere wichtige Straßenbaumaßnahmen vernachlässigen. Beides ist nicht vertretbar und nicht zumutbar. Beide Länder haben auch darauf hingewiesen, daß sie infolge der Kürzungen der Mittel für den Bundesfernstraßenbau ohne Einschränkungen anderer verkehrspolitischer Ziele nicht in der Lage sind, den Bau der A 7 zu finanzieren.Die Mittel für den Bundesfernstraßenbau sind 1980 um 500 Millionen und 1981 um weitere 350 Millionen DM gekürzt worden. In diesem Jahr sollen sie noch um weitere 200 Millionen DM gekürzt werden. Dies alles trotz steigender Baukosten!Auf Grund dieser unerfreulichen Finanzsituation kann also diese wichtige Autobahn nur weitergebaut werden, wenn Sondermittel aus dem Bundesfernstraßenetat bereitgestellt werden. Diejenigen, die diesen Antrag hier eingebracht haben, sind keine Straßenbaufetischisten. Wir wollen keine Luxusstraßen. Wir sind aber der Meinung, daß die dringend notwendigen Straßen gebaut werden müssen. Deshalb sind wir in der Bundesrepublik im Straßenbau nicht am Ende, wie manche meinen.Ich darf darauf hinweisen, daß alle drei Fraktionen des Bayerischen Landtags am 24. Juli 1971 einstimmig einen Dringlichkeitsantrag angenommen haben, der die Staatsregierung ersucht, weiterhin gemeinsam mit dem Nachbarland Baden-Württemberg alles zu unternehmen, um den zügigen Weiterbau der Bundesautobahn A 7 Würzburg-Ulm auf dem Weg einer Vorwegfinanzierung ohne Anrechnung auf die Länderanteile der Fernstraßeninvestitionen beim Bund zu erreichen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt bei uns ohne Zweifel Ballungsräume, die über eine nahezu voll ausgebaute Verkehrsinfrastruktur verfügen. Dort hat der Straßenbau gewiß nicht diese Priorität. Es gibt aber Regionen, in denen der Straßenbau eine ganz besondere Aufgabe darstellt. In den revierfernen Gebieten, in den ländlichen Räumen müssen die notwendigen Straßen erstellt werden, damit die Wirtschaftsstruktur verbessert werden kann, damit die Transportpreise gesenkt werden können. Auch die Bevölkerung dort hat ein Anrecht darauf, die Entfernungen genauso schnell zu bewältigen, wie sie in den Ballungsräumen bewältigt werden. Hinzu kommt, daß die Bevölkerung in diesen ländlichen Gebieten von jeher benachteiligt ist und heute durch die hohe Mineralölsteuer und die laufend steigenden Benzinpreise ganz besonders benachteiligt wird. Hinzu kommt auch, daß dort Straßen gebaut werden müssen, um die erheblichen Unfallzahlen zu reduzieren. Erinnern Sie sich an die Schlagzeilen heuer im Sommer: „Die Autos stehen wie eine Mauer" — „180 km Stau auf den bayerischen Autobahnen". Diese Staus sind doch für die Betroffenen nervenaufreibend, kosten Zeit und auf Grund des hohen Benzinverbrauchs viel Geld. Diese unmenschlichen Zustände müssen wir beseitigen.Die Leittragenden sind nicht vorrangig die bayerischen oder die baden-württembergischen Bürger, sondern die Bürger aus anderen Bundesländern und ausländische Kraftfahrer. Die deutschen Kraftfahrer werden laufend zur Kasse gebeten. Sie sind die Melkkuh der Nation. Auf der anderen Seite werden die erforderlichen Straßen aber nicht zur Verfügung gestellt.Die Bundesregierung sieht den Verkehr nur mehr als Einnahmequelle an. Steuern werden erhöht, die Investitionen gekürzt und die Probleme verdrängt. Überall heißt es: Investitionen sind gefragt. Was tut die Bundesregierung? Die Verkehrsinvestitionen werden laufend gekürzt.
Bei der Überprüfung des Bundesfernstraßenausbauplanes 1980 sind eine Reihe von Maßnahmen neu in die erste Dringlichkeitsstufe gekommen. Hinsichtlich der Länderquoten sind damals aber keine Konsequenzen gezogen worden. 26 % der Autobahn-
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Dr. Jobstmaßnahmen in der Stufe I sollen z. B. in Bayern durchgeführt werden. Für den Freistaat Bayern wurde aber 1975 eine Quote von nur 17,3 % festgelegt. Sie ist einfach unzureichend. Dieses Quotendenken ist heute nicht mehr haltbar. Wenn in gewissen Gebieten der Straßenbau höchste Priorität hat, dann muß eben von diesem Quotendenken abgegangen und in diesen Räumen mehr Geld bereitgestellt werden.Wenn ich als Vertreter eines ostbayerischen Wahlkreises diesen Antrag begründe, tue ich das, weil die Autobahn Würzburg-Ulm fertiggestellt werden muß. Allerdings darf dieser Weiterbau nicht zu Lasten von Projekten in ländlichen Regionen in Baden-Württemberg und auch nicht zu Lasten von Projekten in Ostbayern erfolgen.Ich darf auch daran erinnern, daß die Bauwirtschaft in diesen ländlichen Bereichen erheblich zu kämpfen hat, daß dort die Zeiten auf Sturm stehen, weil in industriell weniger entwickelten Regionen die Bauwirtschaft eine viel größere Bedeutung als anderwärts hat. Auch das sollte nicht übersehen werden.Wir wissen, daß wir die Aufstockung der Mittel für den Bundesfernstraßenbau angesichts der Haushalts- und Finanzmisere nicht erreichen können. Deshalb müssen die Gelder zielgerechter eingesetzt werden. Ich darf auch daran erinnern, daß in früheren Jahren der Neubau wichtiger Autobahnverbindungen — genannt sei die linksrheinische Autobahn — zu einer Konzentrierung von Straßenbaumitteln in bestimmten Regionen geführt hat. Unser Antrag ist deshalb berechtigt.Ich hoffe, daß wir in den Ausschußberatungen zu einem befriedigenden Ergebnis gelangen. Ich hoffe, daß auch dieses Mal wieder — so wie damals, als diese Maßnahme beschlossen wurde — bei allen Fraktionen breite Einsicht vorherrschen wird und daß diese Autobahn, die notwendig ist, mit den erforderlichen Sondermitteln gebaut werden kann.An eines darf ich noch erinnern. Es gäbe für die Bundesregierung, für den Bund eine Möglichkeit, zu Einnahmen zu kommen, die für den Autobahnbau verwendet werden könnten. Die deutschen Autofahrer ärgern sich zu Recht, wenn sie im Ausland zu immer saftigeren Autobahngebühren herangezogen werden, während die ausländischen Kraftfahrer unsere Autobahnen umsonst benützen können und auch dazu beitragen, daß diese erheblichen Staus entstehen. Ich will keiner weiteren Verwaltungsbürokratie das Wort reden. Ich kenne auch die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem EG-Recht. Es gibt aber Möglichkeiten; ich habe mehrfach darauf hingewiesen, daß diese Ungerechtigkeit abgebaut werden könnte. Das ist aber für heute nur eine Randbemerkung.Ich darf Sie noch einmal bitten, diesen Antrag an den Verkehrsausschuß und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Des weiteren darf ich die Kollegen der anderen Fraktionen heute schon bitten, einen Weg zu finden, Sondermittel bereitzustellen, damit diese Straße, die aus regional- und strukturpolitischen Gründen wichtig ist und gerade aus bundesweiter Sicht eine wichtige Funktion zu erfüllen hat, auch finanziert und weitergebaut werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Topmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag einiger Mitglieder der Unionsfraktionen zum Vorwegabzug der benötigten finanziellen Mittel zum Ausbau der A 7 Würzburg-Ulm ist für mich — jedenfalls, was die formale Seite angeht — nicht ganz verständlich.Warum nicht? Bereits am 1. April dieses Jahres haben wir im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestags exakt die gleiche Debatte geführt wie heute. Damals wurde der Antrag des Kollegen Lemmrich, die Mittel für die A 7 in den Vorwegabzug aufzunehmen, mit großer Mehrheit abgelehnt, nachdem zuvor der Antrag der Kollegen Jobst und Hinsken auf Erhöhung der Länderquote aus dem Hauptbautitel für Bayern auf 20 % nur drei Stimmen auf sich vereinigen konnte.Ich glaube, meine Damen und Herren der Opposition, daß bei dieser Debatte im Verkehrsausschuß des Deutschen Bundestags auch vielen CDU-Abgeordneten klar wurde, warum und aus welchen Gründen diesem Antrag nicht stattgegeben werden konnte.Herr Kollege Jobst, ich habe eben noch einmal gehört, daß Sie die Höhe der bayerischen Quote hier in Frage gestellt haben. Ich darf Ihnen sagen, daß die beantragten 20 % im rechnerischen Mittel der Jahre 1976 bis 1985, also über zehn Jahre hinweg, erfüllt worden sind bzw. erfüllt werden. Das Land Bayern erreicht innerhalb dieses Zeitraums exakt eine Quote von 20,5 %.Ich vermag nicht zu erkennen — das sage ich ganz deutlich —, daß sich die Ausgangslage seit dem 1. April bis zum heutigen Tag verändert haben könnte. 1978 hat der Deutsche Bundestag unter Anwendung von § 6 des Bundesfernstraßenausbaugesetzes beschlossen, daß die A 7 Würzburg-Ulm im Bereich Gollhofen-Aalen in die Dringlichkeitsstufe 1 a aufgenommen wird. Eine Sonderfinanzierung oder eine Änderung der Länderanteile wurde ausdrücklich nicht erwogen, da die Finanzierung unter den damaligen Rahmenbedingungen gesichert schien; dieses um so mehr, als davon auszugehen war, daß vor allem dem Freistaat Bayern in den Jahren bis 1980 erhebliche zusätzliche Mittel zufließen würden, die in anderen Bundesländern auf Grund struktureller Planungsschwierigkeiten in diesem Zeitraum nicht verbaut werden konnten.Wie uns allen bekannt ist, sind die damaligen Erwartungen in vollem Umfang eingetreten. Der Freistaat Bayern konnte in dieser Zeit über mehr als 1 Milliarde DM zusätzlich verfügen.
Ich gehe davon aus, verehrter Herr Kollege Jobst,daß mit diesem zusätzlichen Betrag baureife Maßnahmen im Bereich des Bundesfernstraßenbaus in
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TopmannAngriff genommen und zum Teil fertiggestellt worden sind, die nach den damaligen Dringlichkeitskriterien des Freistaats Bayern erst Anfang bis Mitte der 80er Jahre hätten durchgeführt werden können.Von daher gesehen ist es durchaus gerechtfertigt — so glauben wir jedenfalls; ich werde dazu noch einiges ausführen —, daß im Zuge der nächsten Jahre einiges aus den übrigen Programmen Bayerns zurückgeführt wird, damit die Prioritäten — beispielsweise die A 7 — auch zügig ausgebaut werden können.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Jobst?
Nein, ich kann der Zeit wegen diese Zwischenfrage nicht gestatten.Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal darauf verweisen, daß es zum damaligen Zeitpunkt der erklärte Wille des Verkehrsausschusses war — ich muß hier Herrn Dr. Jobst ausnehmen; er hat damals dagegen votiert, aber im übrigen hat, so glaube ich, keiner etwas anderes gewollt —, die überzahlten Mittel aus dem Hauptbautitel nach Überwindung der Planungsschwierigkeiten den betroffenen Ländern wieder zukommen zu lassen.Deshalb verdient es auch festgehalten zu werden, daß der Verkehrsausschuß in seiner Sitzung vom 1. April den Antrag von Mitgliedern der CSU auf nochmalige Besserstellung des Freistaates nicht einfach abgelehnt, sondern vielmehr gleichzeitig zu erkennen gegeben hat, daß dem Freistaat Bayern die 1976 bis 1980 erlangten erheblichen Vorteile ohne Wenn und Aber belassen werden sollen.Eigentlicher Inhalt des am 16. Februar 1978 einstimmig beschlossenen Antrags war — und hier zitiere ich den Kollegen Lemmrich — der durchgehende Bau der A 7 von Flensburg über Hamburg, Hannover, Kassel, Würzburg, Ulm zur Bundesgrenze Süd bei Füssen bzw. Lindau. Dieses Anliegen wird auch heute noch von der SPD-Fraktion in vollem Umfang vertreten.Daß es jetzt wegen des notwendigen zügigen Gesamtausbaus einer Finanzierung über den Vorwegabzug bedarf, ist allein schon deshalb nicht einzusehen, weil selbst im Falle einer großzügigen Finanzierungsmöglichkeit die Gesamtstrecke aus technischen Gründen frühestens 1988 fertiggestellt werden kann. Dieser Zeitraum ist aber auch dann in etwa einzuhalten, wenn die Baukosten in den vor uns liegenden Jahren aus den Länderquoten des Freistaates Bayern und des Bundeslandes BadenWürttemberg finanziert werden.Die sicherlich bestehende Möglichkeit, Teilabschnitte der Bundesautobahn A 7 zwischen Würzburg und Ulm im Rahmen der gewünschten Vorwegabzugsfinanzierung schneller zu realisieren, würde die wesentlichen Inhalte des Antrags aus dem Jahre 1977 und des hier zur Behandlung anstehenden Antrags nicht erfüllen, zumal die Großräume Nürnberg und Stuttgart in absehbarer Zeit dadurch nicht entlastet werden könnten. Denn bereits heute läßt sich absehen, daß der geplante Termin für die Befahrbarkeit der A 7 von Flensburg bis Füssen bzw. Lindau, 1983, überhaupt nicht eingehalten werden kann. Auf Grund von baurechtlichen Schwierigkeiten konnte die Planfeststellung für den Abschnitt von Haundorf bis Heidenheim bislang noch nicht einmal eingeleitet werden.Weil die A 7 ohne vierstreifige Anbindung in Richtung Österreich, Schweiz und Italien die ihr zufallende Aufgabe nicht erfüllen kann, sollte auch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß der Lückenschluß über die A 96 in Richtung Lindau ebenfalls nicht bis 1988 hergestellt werden kann. Darüber hinaus ist es ohnehin schwer vorstellbar, daß der bis zum Grenztunnel Füssen vierstreifige Verkehrsfluß auf der A 7 im Tunnel und auf österreichischer Seite ohne erheblichen Rückstau zweistreifig weitergeführt werden kann. Meine Damen und Herren, ich gebe zu bedenken, daß hier neue Probleme im Gesamtallgäuraum entstehen würden.Bei einer solchen Ausgangssituation kann man sich des Eindrucks nur schwerlich erwehren, daß der Antrag weniger die zügige Fertigstellung der A 7 zwischen Würzburg und Ulm in Gänze sicherstellen soll, als vielmehr darauf abzielt, daß sich die finanzielle Ausgangsposition der beiden Bundesländer zu Lasten aller anderen Bundesländer in Höhe von ca. 700 Millionen DM verbessern.Eine solche Entscheidung — das darf ich im übrigen auch noch einmal ganz klar herausstellen — kann nach unserer Auffassung nicht ohne vorherige Anhörung der übrigen Bundesländer getroffen werden. Aus diesem Grunde ist es mir unverständlich, daß auf der Landesverkehrsministerkonferenz am 1. Juni dieses Jahres dieses Anliegen des Freistaates Bayern und des Bundeslandes Baden-Württemberg nicht eingebracht worden ist,
obgleich zu diesem Zeitpunkt der uns heute beschäftigende Sachverhalt den beiden Bundesländern bekannt war.
Kann das, meine Damen und Herren der Opposition, daran liegen, daß man genau wußte, daß die übrigen Bundesländer, ob CDU-, ob sozialliberal, ob sozialdemokratisch regiert, sich diesem Antrag mit Sicherheit nicht angeschlossen hätten?
— Man hätte es doch auf die Tagesordnung bringen können. Verehrter Herr Kollege, die Situation ist seit April dieses Jahres bekannt.
— Na also.
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2804 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Topmann— Entschuldigung, man hätte einen solchen Antrag mit Sicherheit auf die Tagesordnung bringen können.
Bringen Sie ihn auf die Tagesordnung!
Ich bin sicher, die Länderverkehrsminister werden uns die Aufgabe gern abnehmen wollen.
Zusammenfassend darf ich feststellen, daß die SPD-Bundestagsfraktion
— ich kann es lauter, Herr Präsident — für einen zügigen Ausbau der A 7 im Rahmen des technisch Machbaren eintritt. Aus den von mir aufgezeigten Zusammenhängen ist selbst bei großzügiger Finanzierung eine kurzfristige Fertigstellung der gewünschten Verkehrsverbindung Würzburg—Ulm nicht erreichbar. Damit dürften auch die wesentlichen Voraussetzungen für alle Forderungen dieses Antrages nicht gegeben sein. Weil aber ganz offensichtlich eine Vertiefung dieses Themas in einer weiteren Sitzung, beispielsweise des Verkehrsausschusses, gewünscht wird, stimmen wir dem Überweisungsvorschlag des Ältestenrates zu. — Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Merker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich während der Rede hinten einmal umhörte, so hatte man gelegentlich den Eindruck, daß derjenige, der sich gegen diesen Antrag ausspricht, demnächst mit großen Schwierigkeiten zu rechnen hat, wenn er die Mainlinie nach Süden überqueren wird.
— Ja, damit rechnen wir. Wenn der Kollege Jobst hier schon ankündigt, daß demnächst auf bayerischen Autobahnen Mautgebühren zu zahlen sind, dann wissen die übrigen —
— Ach, das bezog sich auf die gesamten deutschen Autobahnen. Dann wird das alles noch viel schlimmer, weil damit ein solch kostenspieliger Bürokratismus aufgebaut wird, daß hinterher kaum noch etwas für den Bau von neuen Autobahnen übrigbleiben wird.Im übrigen glaube ich, daß sich das Interesse der bayerischen und baden-württembergischen Kollegen an diesem ach so dringlichen Problem sehr in Grenzen hält. Ich habe während der Diskussion verfolgt, wie es bei Ihnen nach und nach getröpfelt ist; zu Beginn der Diskussion war das Interesse nicht allzu groß.Trotzdem ist es vielleicht ganz gut, wenn man zu Beginn einmal festhält, daß es über die Notwendigkeit des Baus dieser Autobahn offensichtlich zwischen den drei Fraktionen überhaupt keinen Meinungsunterschied gibt. Auch bei dem Kollegen Topmann habe ich überhaupt nicht heraushören können, daß er sich etwa gegen die Notwendigkeit oder den schnellen Bau dieser Autobahn ausgesprochen hat.
Auch ich tue dies nicht, und zwar nicht nur deswegen, weil ich, wie ich es soeben in einem Zwischenruf gesagt habe, nicht das kaputtmachen will, was mein Kollege Ollesch damals im Jahre 1978 mit großem Verdienst aufgebaut hat,
sondern auch, weil ich in der Tat der Auffassung bin, daß es sich hierbei um eine unverzichtbare und auch wichtige Nord-Süd-Verbindung handelt. Nur habe ich große Zweifel, ob es für diese Nord-Süd-Verbindung die Sonderbehandlung geben darf, die Sie in diesem Antrag fordern. Zumindest habe ich Zweifel, ob wir hier der richtige Ansprechpartner dafür sind.Wir haben die Situation, daß zwischen allen Bundesländern einvernehmlich eine Sonderquotenregelung vereinbart worden ist, und ich halte es nicht für ganz fair, wenn wir qua Bundestag aus dieser Sonderregelung ausscheiden, ohne zuvor die anderen, wenn Sie so wollen, Vertragsteilnehmer, nämlich die übrigen Länder, zu fragen, wie sie dieses Problem sehen.
Ich glaube, daß es ganz wichtig ist, daß sich beide Länder, Bayern und Baden-Württemberg, selber einmal klarmachen, wo sie Prioritäten im Autobahnbau für die nächsten Jahre setzen wollen.
— Herrn Dr. Jobst, Sie könnten mit mir sehr gern darüber reden, ob wir uns darauf verständigen können, daß die Quotenregelung abgeschafft wird. Dies würde selbstverständlich bedeuten, daß wir als Bundespolitiker, als Fachausschuß, als Bundestag natürlich in einem sehr viel stärkeren Maße in die Pflicht genommen würden. Dann müßten wir nämlich die Prioritäten setzen und könnten uns nicht immer auf diese Quotenregelung zurückziehen, sondern wir müßten die Prioritäten dann dort setzen, wo sie nach unserer Auffassung aus verkehrlichen Gründen notwendig sind. Dann müßte nicht darauf Rücksicht genommen werden, daß ein bestimmtes Land eine be-
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Merkerstimmte Quotenregelung hat. Darüber könnten Sie durchaus mit mir reden. Dies würde allerdings für uns alle sehr viel mehr Arbeit bedeuten.Die Einigkeit aller Fraktionen und die Verdienste des Kollegen Ollesch sind hier soeben angesprochen worden. Weil ich dem Bundestag damals noch nicht angehört habe, habe ich übrigens die Protokolle von 1978 gelesen und bin dabei auf einen Zuruf des Kollegen Wehner gestoßen, der mich sehr amüsiert und belustigt hat. Er hat darauf hingewiesen, daß man sich hier offensichtlich in einem sehr viel stärkeren Maße um die Vaterschaft eines bestimmten Problems bemüht, als es sonst im menschlichen Leben der Fall ist. Der Kollege Hoffie hat dann gesagt: In diesem Fall würde sich selbstverständlich die wahre Vaterschaft irgendwann herausstellen, und derjenige müßte dann auch zahlen.Wir werden diesen Antrag, den Sie hier gestellt haben, selbstverständlich im Ausschuß sorgfältig prüfen. Ich will überhaupt nicht verhehlen, daß ich bezüglich der Durchführbarkeit eine gewisse Skepsis anmelden will. Ich bin nicht ganz sicher, ob dieser Antrag denn die Zustimmung aller Landesminister findet. Ich bin nicht einmal sicher, ob er die Zustimmung aller Kollegen aus Baden-Württemberg und Bayern findet, wenn sie sich erst einmal überlegen, daß eine Sonderregelung natürlich nicht nur zu Lasten der anderen Länder geht, sondern auch zu Lasten dieser beiden betreffenden Länder, denn das Einbeziehen in eine bestimmte Straßenbaumaßnahme kann natürlich auch dazu führen, daß in den betreffenden Ländern — Baden-Württemberg und Bayern — bestimmte Maßnahmen vor deren Haustür gestrichen werden.
— Ja. Dann wollen wir einmal sehen, ob denn die Uneigennützigkeit eines jeden Kollegen soweit geht, daß er dieser, Ihrer Regelung, zustimmen wird.Ich möchte mit einem letzten Satz noch darauf hinweisen, daß natürlich auch das bisher fertiggestellte Stück der A 7 nicht ausschließlich aus den Länderquotenmitteln von Baden-Württemberg und Bayern gezahlt worden ist. Es ist eben schon auf die Verschiebung der Quoten hingewiesen worden. Der Kollege Topmann hat gesagt, daß Bayern statt der 17,2 % in Wahrheit über 20 % in der Vergangenheit entgegengenommen hat. Das zeigt doch schon, daß die Stücke, die bisher fertiggestellt worden sind, nicht nur zu Lasten dieser beiden Länder, sondern auch zu Lasten der anderen Länder, vornehmlich Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, gebaut worden ist.
— Es hat doch gar keinen Zweck, Herr Kollege Jobst, jetzt mit einer gewissen Schadenfreude darauf zu verweisen, daß es in Ballungsgebieten in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen zehn Jahren größere Schwierigkeiten bei der Planung und bei der Durchführung von Autobahnen gegeben hat. Ich gehe davon aus, daß die Planungsbehörden in Bayern nicht so viel tüchtiger als die in Nordrhein-Westfalen sind. Die haben sicherlich auch ihre Verdienste. Die Voraussetzungen waren selbstverständlich unterschiedlich.Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen. Wenn wir im Verkehrsausschuß dieses Problem beraten werden, werden wir wohl auch sehr sorgfältig prüfen müssen, ob denn zusätzliche finanzielle Mittel wirklich zu einer erheblich schnelleren Realisierung dieses Autobahnbaus führen kann. Wir werden uns sehr sorgfältig angucken müssen, wie denn die technischen Voraussetzungen auf diesem — —
— Ich habe ja zu Beginn gesagt, daß ich für diese Autobahn bin. Aber ich bin nicht so leichtfertig, daß ich nun sagen würde: Dies ist alles kein Problem. Planungskapazitäten haben ihre Grenzen. Vor allen Dingen würde ich niemandem zumuten, eine Prognose darüber abzugeben, wie denn das juristische Verfahren verlaufen wird bei Einsprüchen, die es sicherlich auch bei dieser Autobahn geben wird. Ich unterstelle, daß in diesem Land keine Autobahn mehr ohne juristische Einsprüche gebaut wird.
Dies sollten wir uns alle einmal sorgfältig im Ausschuß ansehen. Eine sorgfältige, eine faire Beratung meiner Fraktion möchte ich Ihnen zusichern.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt vor, den Antrag der Abgeordneten Dr. Jenninger, Dr. Abelein, Werner und weiterer Abgeordneter der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 9/748 zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Verkehr und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:Beratung der Sammelübersicht 16 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 4. November 1980 bis 30. Juni 1981 eingegangenen Petitionen— Drucksache 9/677 —Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitonsausschusses auf Drucksache 9/677, die in der Sammelübersicht 16 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes
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2806 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. September 1981
Vizepräsident WurbsRechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1980 — Einzelplan 20-- Drucksache 9/624 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: HaushaltsausschußWird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Antrags an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus mit dem Überweisungsvorschlag einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die BundesregierungAgrarbericht 1981Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung— Drucksachen 9/140, 9/141, 9/542 —Berichterstatter: Abgeordneter BayhaWünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig gewünscht? — Auch das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten empfiehlt auf Drucksache 9/542, den Agrarbericht 1981 — Agrar- und ernährungspolitischer Bericht der Bundesregierung — auf den Drucksachen 9/140 und 9/141 zur Kenntnis zu nehmen. — Ich stelle fest, daß das Haus Kenntnis genommen hat.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:Beratung des Antrags des Bundesministers der FinanzenBundeseigenes Grundstück in Essen-Schuir, Gemarkung Schuir, Flur 3, Flurstück 20,h i e r: Veräußerung an das Land Nordrhein-Westfalen— Drucksache 9/757 —Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: HaushaltsausschußWird das Wort zur Einbringung gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird das Wort anderweitig begehrt? — Auch das ist nicht der Fall.Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat schlägt Überweisung des Antrags an den Haushaltsausschuß vor. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 bis 23 auf:Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung eines dritten Aktionsplans im Bereich der wissenschaftlich-technischen Information und Dokumentation
— Drucksachen 9/189, 9/631 —Berichterstatter:Abgeordnete Eymer BörnsenTimmBeratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die BundesregierungVorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinien 65/65/EWG und 75/319/EWG vom 20. Mai 1975 über die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten— Drucksachen 9/438, 9/702 —Berichterstatterin:Abgeordnete Frau Dr. Adam-SchwaetzerBeratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates über die Verwendung von Substanzen mit hormonaler oder thyreostatischer Wirkung bei HaustierenVorschlag einer Verordnung des Rates über Überwachung und Untersuchung von Tieren und Fleisch in der Gemeinschaft auf Rückstände von Substanzen mit östrogener, androgener, gestagener und thyreostatischer WirkungVorschlag einer Verordnung des Rates zur Festlegung der Bedingungen für die Überwachung von Aufbewahrung, Vertrieb und Verwendung von Stoffen mit hormonaler Wirkung bei Tieren— Drucksachen 9/60 Nr. 17, 9/158 Nr. 21, 9/158 Nr. 23, 9/734 —Berichterstatterin:Abgeordnete Frau Dr. NeumeisterWird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.Ich lasse über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen der Ausschüsse auf den Drucksachen 9/631, 9/702 und 9/734 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die Beschlußempfehlungen sind angenommen.Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 11. September 1981, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.