Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich habe zunächst einigen Mitgliedern des Hauses Glückwünsche zu übermitteln. Am 23. November hat der Abgeordnete Busse seinen 65. Geburtstag begangen.
Am gleichen Tag hat der Abgeordnete Steinhoff seinen 71. Geburtstag begangen.
Beiden Kollegen herzliche Glückwünsche.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung erweitert werden um die
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Funcke, Dr. Staratzke, Mertes, Genscher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1967
— Drucksache V/3482 —
Ist das Haus damit einverstanden? — Es wird nicht widersprochen; dann ist so beschlossen.
Wir kommen nun zu dem zunächst einzigen Punkt der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU, den Abgeordneten Schmidt , Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller, Frehsee, Dr. Schellenberg und Genossen und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung (AbsichG)
— Drucksache V/3524 —
Das Wort hat zunächst der Herr Bundeskanzler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD haben der Bitte der Regierung entsprechend — ich vermerke dies mit Dank — den Ihnen vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung eingebracht.Die Bundesregierung hat am Dienstag vergangener Woche beschlossen, unverzüglich die in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen einzuleiten, weil durch umfangreiche und beständig anschwellende Spekulationen eine gefährliche, sich überstürzende Entwicklung vorangetrieben wurde, die drohte, das internationale Währungssystem zu sprengen und schwerste wirtschaftliche und politische Schäden herbeizuführen. Diese spekulativen Kapitalbewegungen wurden vor allem durch die Erwartungen einer Aufwertung der D-Mark und einer Abwertung des französischen Franc ausgelöst. Diese Bewegungen auf den Geldmärkten erzeugten eine Flut von Devisenzuflüssen bei der Deutschen Bundesbank, die in der ersten Novemberwoche 750 Millionen Dollar, in der zweiten 1200 Millionen Dollar erreichte. Allein an einem einzigen Tage, am 15. November, betrug der Devisenzufluß 850 Millionen Dollar. Ein derartiger Vorgang war bis dahin noch nie und nirgends vorgekommen. Diese gefährliche Entwicklung vollzog sich vorwiegend zu Lasten der französischen Devisenbestände.Die Bundesregierung hatte sich mit der Situation, die durch die starke Stellung der D-Mark, die relative Schwäche anderer Währungen, durch unseren hohen Exportüberschuß und den Preisauftrieb bei wichtigen Handelspartnern entstanden war, seit geraumer Zeit befaßt. Es wurde deutlich, daß die Fortdauer dieser Situation korrigierende Eingriffe notwendig machen könnte. Dabei ging die Bundesregierung in Übereinstimmung mit der Bundesbank davon aus, daß diese Überprüfung im Januar des kommenden Jahres unter Berücksichtigung der dann bestehenden Lage stattfinden sollte.Durch die außerordentliche Spekulationswelle aber sah sich die Bundesregierung gezwungen, sofort zu handeln, um weiteren ruinösen spekulativen Kapitalbewegungen ein Ende zu setzen. Sie sah sich, wenn sie dieses Ziel erreichen wollte, vor die Wahl gestellt, entweder die D-Mark aufzuwerten oder steuerliche Maßnahmen zu ergreifen, die eine Dämpfung des Exports und eine Förderung des Imports bewirken. Damit sollte zugleich ein bedeutender Beitrag zur Wiederherstellung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts, zur Stabilisierung des internationalen Währungssystems und zur Wahrung der
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10616 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Bundeskanzler KiesingerStabilität unserer heimischen Preise geleistet werden.Meine Damen und Herren, die Gründe dafür, daß die Bundesregierung die Ihnen vorliegenden Maßnahmen und nicht eine Aufwertung der D-Mark beschloß, die im Ausland vielfach von uns erwartet wurde, werden Ihnen der Herr Bundeswirtschaftsminister und der Herr Bundesfinanzminister nachher im einzelnen darlegen. Der Hauptvorteil der von uns gewählten Lösung besteht darin, daß im Gegensatz zu einer Aufwertung das jetzt in Aussicht genommene Instrumentarium flexibel und gegenüber nicht voraussehbaren, aber möglichen Maßnahmen anderer Länder und möglichen einschneidenden Änderungen der Weltwirtschaftslage anpassungsfähig ist. Eine Aufwertung hätte außerdem zu schwersten Belastungen des Haushalts geführt, insbesondere in dem Bereich der Landwirtschaft.
Sie hätte uns zu weiteren erheblichen Kreditaufnahmen gezwungen und uns damit zu einer einschneidenden Veränderung der mittelfristigen Finanzplanung genötigt.In der dreitägigen Konferenz der Minister und Zentralbankgouverneure der Zehnergruppe fanden Beratungen über die vorgeschlagenen deutschen Maßnahmen statt. Sie wurden von dieser Konferenz als ein bedeutender Beitrag zur Stabilität des Währungssystems und zum Anpassungsprozeß gewertet. In Würdigung dieser Maßnahmen erklärte die Konferenz sich mit dem Beschluß der Bundesregierung einig, die Parität der D-Mark unverändert zu halten. Die Teilnehmer der Konferenz stimmten darin überein, daß die internationale Währungsstabilität in die gemeinsame Verantwortung aller Länder der internationalen wirtschaftlichen Gemeinschaft fällt. Sowohl die Defizitländer als die Überschußländer erklärten ihre Bereitschaft, durch eine geeignete konzertierte Wirtschaftspolitik einen wirksamen Beitrag zur Stabilität des internationalen Währungssystems zu leisten, und sie verständigten sich außerdem über Maßnahmen zur Bekämpfung spekulativer Kapitalbewegungen.Es wurde ferner, wie Sie wissen, eine Kredithilfe der Zentralbanken zugunsten Frankreichs in Höhe von 2 Milliarden Dollar beschlossen, wobei als Beitrag der Deutschen Bundesbank — anläßlich einer Bemerkung, die in den vergangenen Tagen im Zusammenhang mit den fehlenden 30 Millionen DM auf dem Gebiete der Weihnachtszuwendungen gefallen ist, vermerke ich: der Deutschen Bundesbank, nicht des deutschen Haushalts — 600 Millionen Dollar vorgesehen wurden. Frankreich konnte auf dieser Konferenz noch keine endgültige Aussage über seine eigenen Absichten machen. Inzwischen hat Präsident de Gaulle gewisse Maßnahmen angekündigt, die aber erst im Laufe des heutigen Nachmittags im einzelnen bekanntgeworden sind. Mir wurden die Nachrichten darüber soeben, als ich mich auf den Weg in den Bundestag machte, vorgelegt. Ich kann daher leider in diesem Augenblick noch keine Stellung zu ihnen nehmen. Vielleicht können es die beiden Herren Fachminister schon tun, die noch etwas Zeit hatten, diese Dinge nachzulesen.Die beiden zuständigen Herren Fachminister werden Sie über den Verlauf der Zehner-Konferenz noch im einzelnen unterrichten. Ich selbst, meine Damen und Herren, möchte mich in diesem Zusammenhang auf einige allgemeine politische Bemerkungen beschränken.Wer in den vergangenen Tagen die deutsche und die internationale Presse verfolgt hat, konnte sich eines Gefühls der Sorge nicht erwehren. Ich will mich nicht mit jenen ausländischen Stimmen auseinandersetzen, die uns eine egoistische oder gar arrogante Haltung vorwarfen. Wir haben, meine Damen und Herren, unsere Entscheidung in gewissenhafter Abwägung der Wahrung ' unserer eigenen Interessen wie unserer Mitverantwortung für die internationale Solidarität getroffen.
Niemand darf und kann übersehen, daß wir damitunserer Wirtschaft ganz erhebliche Opfer zumuten.Daß wir ein wirtschaftlich gesundes Land sind, verdanken wir nicht Handlungen — sei es im privaten Geschäftsbereich, sei es in der Politik —, die irgend jemandem einen berechtigten Anlaß zur Kritik geben könnten. Unser Volk hat eine große Arbeitsleistung vollbracht. Seit Jahr und Tag treiben wir eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Wir haben in unserem Land ein großes Maß an sozialer Gerechtigkeit verwirklicht und sind daher von schweren sozialen Erschütterungen verschont geblieben.
Ich glaube sagen zu dürfen, daß dieses Land seit Jahren von dem, was man seine wirtschaftliche Stärke nennt, einen vernünftigen und verantwortungsvollen Gebrauch gemacht hat.
Wir tun das auch mit den neuen von uns vorgeschlagenen Maßnahmen. Das ist auch von der Zehner-Konferenz ausdrücklich anerkannt worden. Wir sind uns der im Kommunique der ZehnerGruppe ausgesprochenen gemeinsamen Verantwortung aller durchaus bewußt und sind bereit, zu allem beizutragen, was ein gesichertes und gerechtes internationales Währungssystem auszugestalten vermag. Das wirtschaftliche Schicksal unserer Nachbarn und Partner darf uns nicht gleichgültig sein und ist uns nicht gleichgültig, weil unser aller Wohl und Wehe von einer gesunden allgemeinen Entwicklung abhängt.
Lassen Sie mich noch eines hinzufügen. Es gab in den publizistischen Äußerungen der vergangenen Tage im Ausland Stimmen, die im Blick auf die Ereignisse der letzten Woche von einer angeblichen Machtverlagerung .innerhalb Europas nach Bonn sprachen. Ich will nicht untersuchen, welche Motive derartigen kuriosen Feststellungen zugrunde lagen. Ich möchte aber meine eigenen Landsleute dringend davor warnen, auf solche Parolen hereinzufallen.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10617
Bundeskanzler KiesingerNichts stünde uns schlechter an als eine solche Überheblichkeit, die im übrigen die wirkliche Lage in Europa gar nicht begriffe.
Gerade wir, meine Damen und Herren, denken eben nicht mehr in den Kategorien des sogenannten europäischen Mächtekonzertes, der europäischen nationalstaatlichen Rivalität oder gar veralteter hegemonialer Vorstellungen. Wir bleiben dabei, daß wir das alles ein für allemal für überwunden halten und daß das Schicksal aller europäischen Völker mit der Frage verknüpft ist, ob es gelingt, im gegenseitigen Vertrauen eine Einigung Europas herbeizuführen, in der die Interessen jedes Landes und jedes Volkes sicher geborgen sind.
In diesem Geiste, meine Damen und Herren, lassen Sde uns bitte dieses vorliegende Gesetz beraten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den schwierigen und langwierigen Verhandlungen, die die Bundesregierung in den letzten Wochen mit der Bundesbank und dem Sachverständigenrat hatte und die schließlich in die Konferenz der Zehn einmündeten, sagte ein Mitglied des Sachverständigenrates — ich zitiere aus dem Gedächtnis —, das heutige Weltwährungssystem mit seinen festen Wechselkursen und unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der einzelnen Regierungen verführe die Politiker mit Sicherheit zur Heuchelei und Unwahrheit. Der Sachverständige meinte damit folgendes: Wenn jedes Land in seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik ganz unterschiedliche Ziele verfolgt — die einen lassen z. B. eine fünfprozentige Preissteigerung pro Jahr zu und fühlen sich dabei ganz wohl, während andere Preisstabilität anstreben und halten wollen; einige streben die Vollbeschäftigung in ihrem Lande an, während andere ihren Zahlungsbilanzausgleich mit Arbeitslosigkeit herbeiführen; drittens erreichen einige ein reales Wachstum ihres Volkseinkommens von 6 %, während andere seit Jahren nahe der Null-Linie operieren —, dann führt ein solches Auseinanderklaffen der wirtschaftspolitischen Ziele der verschiedenen Länder, so sagte er, zu periodischen Spannungen. Dann gäbe es hin und wieder hektische Spekulationen. Dann gäbe es hin und wieder auch abrupte und exzessive Anpassungen der Paritäten und schließlich sogar die Gefahr von Explosionen im Währungssystem. Er fuhr fort: Im allgemeinen wollen die Menschen diese Gefahren nicht sehen, sie wollen das Problem umgehen und die Notwendigkeit der außenwirtschaftlichen Absicherung der Stabilität eines Landes gegenüber anderen nicht anerkennen. Die Folgen seien dann erst einmal Dementis oder schließlich die Zuflucht zu dirigistischen Maßnahmen, die gegen den Markt wirkten. Das Ganze sei dann ein trauriges Kapitel aus dem Buch über den Kampf gegen die Realitäten des Marktes, der übrigens von der Politik regelmäßig verloren wird, wie Jürgen Eick es vor wenigen Tagen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dargestellt hat.Meine Damen und Herren, demgegenüber haben wir in der Bundesrepublik uns durch § 4 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gerade bei der außenwirtschaftlichen Absicherung zur Wahrheit und zum Handeln ohne Heuchelei verpflichtet. Nach diesem § 4 sind zuerst alle Möglichkeiten der internationalen Koordination auszuschöpfen. Das ist, weiß Gott, vorige Woche anläßlich der Tagung der Gruppe der Zehn hier in Bonn — und schon vorher von der Bundesregierung in vielen internationalen Konferenzen — geschehen.Der § 4 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sagt weiter in Satz 2: Die Bundesregierung setzt dann die ihr zur Wahrung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel ein. Im Sinne dieses Paragraphen und dieses Gebotes zur Wahrheit und zum Handeln haben wir in der Bundesregierung schon vor Wochen angefangen, Vorbereitungen zu treffen, um unsere Preisstabilität gegen die Gefährdung von außen abzuschirmen. Daß solche Gefahren von außen drohen, können wir jeden Tag an der internationalen Statistik ablesen. In Frankreich, in den USA und in England steigen in diesem Jahr die Preise um durchschnittlich 5 %, wenn nicht um mehr. Wir verzeichnen in den ersten zehn Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg unserer Lebenshaltungskosten von 1,2 %.Dabei ist erst einmal eines festzustellen: in dieser Situation — und seit heute noch viel weniger — bedarf es keiner binnenwirtschaftlichen Restriktionen. Das wäre ein untaugliches Mittel zum falschen Zeitpunkt am falschen Objekt. Eine binnenwirtschaftliche Bremsaktion wäre völlig verfehlt, denn es besteht keine inländische Übernachfrage.Überhitzungserscheinungen kommen aus dieser Wirtschaft der Bundesrepublik nicht. Zu diesem Ergebnis kam auch der Konjunkturrat für die öffentliche Hand, der in der letzten Woche tagte. Eine binnenwirtschaftliche Bremsaktion hätte uns nur ins Schleudern und auf die falsche Bahn gebracht. Unsere Unternehmer wären noch mehr auf die Auslandsmärkte abgedrängt worden. Dabei muß es doch gerade umgekehrt unser Ziel sein, einen Teil des für das Ausland produzierten Güterangebots auf den heimischen Markt umzulenken.Die Preisstabilität in diesem Lande ist nicht durch unsere beiden Konjunkturprogramme des vorigen Jahres und den nachfolgenden Aufschwung und insbesondere auch nicht durch die Tarifpolitik der deutschen Gewerkschaften bedroht. Diese Tarifpolitik der deutschen Gewerkschaften ist maßvoll. Die Überschußposition unseres Landes ist in erster Linie eine Folge der inflatorischen Bewegungen in anderen Ländern.Aber wir sollten auch nicht vergessen, daß wir früher einmal zum Entstehen auch von internationalen Ungleichgewichten beigetragen haben. Denn der Kern unserer Überschußposition wurde im Jahre
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10618 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Bundesminister Schiller1966/67 geschaffen, in der Zeit, in der es uns noch nicht gelungen war, die eigene Rezession abzustoppen und damit die Unternehmer davor zu bewahren, zu sehr auf die Auslandsmärkte abgedrängt zu werden. Es besteht also auch von dieser Seite her gar kein Anlaß, daß wir uns aufs hohe Roß setzen.Aus guten und wohlüberlegten Gründen haben wir in der Bundesregierung die umsatzsteuerlichen Maßnahmen und nicht die Aufwertung der D-Mark als Mittel der außenwirtschaftlichen Absicherung gewählt. Erstens: Eine isolierte und, wie von manchen Ländern verlangt, massive Aufwertung der D-Mark hätte die deutsche Wirtschaft insgesamt viel schwerer getroffen. Zweitens: Sie wäre eine praktisch unwiderrufliche Maßnahme gewesen. Es wäre der falsche Weg gewesen. In einer Zeit, in der die vor uns liegende weltwirtschaftliche Entwicklung voller Unsicherheiten steckt, in der niemand voraussehen kann, wie die Wirtschaftspolitik der neuen amerikanischen Administration sein wird, wie die Entwicklung in Großbritannien weitergeht und wie schnell und mit welchen Methoden Frankreich die Folgen der Mai/Juni-Krise überwindet, wäre eine endgültige einseitige Maßnahme auf unserer Seite ein Fehler gewesen. Die Bundesregierung handelt nicht wie ein Bergsteiger, der sich bei unsicherem Wetter anschickt, eine gefährliche Steilwand ohne Rückweg zu durchklettern.Ich will ruhig hinzufügen, daß der von uns gewählte steuerpolitische Weg vom Standpunkt der reinen Lehre der Ordnungspolitik Freiburger Observanz vielleicht nicht so schön ist wie die allgemeine Anpassung der Währungsparitäten. Aber unser Vorschlag ist auf jeden Fall befristet, er vermeidet abrupte Übergänge und er läßt uns den Rückweg offen.Meine Damen und Herren, man stelle sich nur vor, wir wären zu der Lösung gedrängt worden, wie einige Länder es verlangt haben, nämlich zu einer isolierten, einseitigen Aufwertung der D-Mark von 71/2 %, und wir hätten anschließend festgestellt, daß andere Länder bei Null geblieben wären und dazu noch handelspolitische und andere Schutzmaßnahmen ergriffen hätten. Dann wäre die Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf Dauer zementiert. Das wollen wir vermeiden.In diese Überlegungen der Bundesregierung hinein kam der Wunsch von drei Ländern, die Gruppe der Zehn nach Bonn einzuberufen. Die Spekulation, insbesondere gegen den Franc und auf die D-Mark war über die Ufer getreten. Bei den Staatsmännern, die uns aufforderten, hatte sich die Furcht verbreitet, daß durch eine isolierte und massive Abwertung einer bestimmten Währung eine unkontrollierte Kettenreaktion ausgelöst würde, d. h. eine ganze Serie von Abwertungen anderer Länder. Daran konnte niemand, auch niemand in Deutschland, irgendein Interesse haben. Aufgabe jener Konferenz und der Wunsch jener Politiker, der mir als dem Vorsitzenden vorgelegt wurde, war es also, einen solchen unkontrollierten Prozeß zu verhindern oder den Prozeß der Währungsmisere anderer Länder, der sich ausbreiten würde, zumindest unter Kontrolle zu bringen. Meine Damen und Herren, das ist mit der Zehner-Konferenz gelungen.Aber wir sollten uns umgekehrt — und der Herr Bundeskanzler hat das soeben angedeutet — auch über unsere eigene Position keine Illusion machen. Zu Beginn der Zehner-Konferenz forderten sieben Länder — wenn ich das Gastland Schweiz hinzuzähle, sind es elf — von elf also sieben eine einseitige Aufwertung der D-Mark, wobei ich in diesem Falle — weil ich die Schweiz erwähnt habe — hinzufügen darf, daß sie zu den Ländern gehört hat, die die Parität der D-Mark verteidigt hat und unsere Maßnahmen, die wir dort vorschlagen konnten, unterstützt hat.
Wir waren also nur vier. Aber, was ich mit besonderer Freude auch noch feststelle: die Brüsseler Kommission plädierte für eine unveränderte D-MarkParität. Brüssel hat uns hier in Bonn durch die Sprecher der Kommission, durch den Vizepräsidenten und durch den anwesenden Kommissar entscheidend geholfen.
Unser eigener klarer, harter Widerstand gegen die Aufforderung von anderen war nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch begründet:Erstens: Bei aller Hochachtung vor der Stärke der deutschen Volkswirtschaft und der deutschen Währung, einer Hochachtung, die sich ja nun auch im Ausland ausbreitet, erscheint es mir völlig unmöglich, ja eine ganz und gar illusorische Erwartung, allein durch eine Aufwertung der D-Mark 'die Zahlungsbilanzmiseren aller anderen Länder sozusagen von einem Punkte her zu kurieren.Zweitens: Es erscheint uns politisch unzumutbar, daß wir die unbestreitbaren Fehler anderer im eigenen Hause allein durch eine isolierte D-Mark-Aufwertung stellvertretend für Maßnahmen für andere sozusagen an uns selbst korrigieren.Drittens: Durch eine Aufwertung — ich nehme etwa die Zahl, die so oft genannt wurde, von 71/2 % — der D-Mark hätten wir unseren Handelsbilanzüberschuß in einem Jahr um fast 10 Milliarden DM reduziert. Wir hätten dann unsere internationalen Verpflichtungen, wie Entwicklungshilfe, Wiedergutmachung, Devisenausgleich, Zahlungen an internationale Organisationen, nicht mehr erfüllen können. Rechnen wir noch die notwendigen Abdekkungen unseres Fehlbetrages bei Dienstleistungen hinzu, so stehen den Überschüssen in der Zahlungsbilanz rund 8 Milliarden DM Verpflichtungen jetzt laufend gegenüber.
Viertens: Durch eine solche Maßnahme, wie sie zur Debatte stand — freundschaftlich, offen und hart —, hätten wir also nicht etwa Stabilität in andere Länder hinein exportiert, — meine Damen und Herren, durch eine solche massive einseitige Maßnahme hätten wir unser eigenes Wirtschaftswachsturn amputiert und damit in unser Land, die Bundesrepublik, eine Rezession importiert.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10619
Bundesminister SchillerDas waren die Gründe für unser klares und deutliches politisches und ökonomisches Nein.Aber wir konnten nicht bei dem schieren Nein bleiben. Wir mußten im Sinne einer multilateralen Aktion, wie alle es mit Recht wünschten, einen Beitrag einbringen, und wir waren dazu in der Lage; denn wir hatten in den Wochen vorher ein wenig unsere Schularbeiten — der Herr Bundeskanzler hat es angedeutet — gemacht.Wir konnten einbringen1. die zur Entscheidung hier in diesem Hause nun vorliegenden steuerlichen Maßnahmen der Einfuhrverbilligung um 4 % und der Exportbelastung um denselben Satz.2. die Beteiligung der Bundesbank — und damit der Bundesrepublik, natürlich in „Bürgschaft", nicht im Finanziellen auszahlen — mit 600 Millionen Dollar an dem Stützungskredit von insgesamt 2 Milliarden Dollar zugunsten Frankreichs, hier in Bonn beschlossen;3. die Verordnung zu § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes — sie ist am Montag früh in Kraft getreten —, mit der das Einfließen spekulativer Gelder aus dem Ausland abgewehrt wird;4. den am letzten Donnerstag in voller Übereinstimmung mit unserem Kampf hier in Bonn erfolgten Beschluß des Zentralbankrates, die Mindestreserven für ausländische Einlagen bei deutschen Geschäftsbanken auf 100 % zu erhöhen.Das war das deutsche Paket mit seinen vier Elementen.Nun zur Konferenz selbst. Die positiven Wirkungen der Konferenz und des Kommuniqués darüber, in dem der deutsche Beitrag mit den Beiträgen anderer ein wesentlicher Bestandteil ist, sind schon heute feststellbar. Die Spekulation hat einen schweren Schlag erhalten. Die Spekulanten haben sich an dem heißen Geld, das sie auf den internationalen Märkten hin und her geschoben haben, selber die Finger verbrannt. Wir haben allein im November dieses Jahres 8 Milliarden DM an Zuflüssen solchen heißen Geldes registrieren müssen. Alle diese Spekulanten, die jene Gelder hier hineingebracht haben, haben mindestens auf eine 5 %ige Aufwertung der D-Mark spekuliert. Das sind 400 Millionen DM entgangene Gewinne und 100 Millionen DM Zinsverluste.
Die Spekulation auf die Aufwertung der D-Mark um mindestens 5 % zu diesem letzten Montag hat eine halbe Milliarde DM verspielt. Ich kann nur sagen: Strafe muß sein.
Ein Zweites. Die Spekulation hat den Rückzug angetreten. Seit Montag früh — also in diesen zwei Tagen — sind unter dem Eindruck der Bonner Beschlüsse in der Zehnergruppe, im Kreise der Sechs und im Kreis der Bundesregierung wieder 510Millionen Dollar, d. h. über 2 Milliarden DM an Spekulationsgeldern reumütig aus der Bundesrepublik abgeflossen. Auch das ist ein Erfolg.Diesen Erfolg müssen wir bewahren und ausbauen. Mit unserer klaren Haltung zur einseitigen Aufwertung und mit dem deutschen Paket mit seinen vier Elementen konnten wir schließlich unseren Standpunkt auf der Konferenz durchsetzen. In dem Kommuniqué heißt es wörtlich — der Herr Bundeskanzler selber hat schon darauf hingewiesen —:Nach eingehender Beratung der deutschen Maßnahmen stimmten die . Minister und Gouverneure überein, daß diese deutschen Maßnahmen einen bedeutenden Beitrag zur Stabilität des Währungssystems und zum Anpassungsprozeß darstellen.Das Kommuniqué fährt fort:Im Lichte dieser Maßnahmen der Bundesrepublik indossieren sie— d. h. unterstützen sie — alle— die Elf —den Beschluß der Bundesregierung, die Parität der D-Mark nicht zu verändern.Soweit dieser Punkt aus dem Kommuniqué.Ich glaube, wenn wir die Ausgangssituation, die Debatte zu Beginn der dreitätigen Konferenz — 7 : 4 — vergleichen mit dem Resultat am Ende dieser Konferenz, dann können wir sagen: wir sind gut davongekommen.Meine Damen und Herren! Es war nicht' das Ziel dieser Konferenz — ich möchte das ganz klar aussprechen —, andere Länder zur Abwertung zu drängen. Im Gegenteil, man wollte ja einen unkontrollierten Prozeß des Zusammenbruchs von Währungen verhindern. Ich stelle noch einmal fest: Insbesondere hat kein Land in der Gruppe der Zehn eine Abwertung des französischen Franc gefordert. Eine massive Abwertung des Franc hätte im übrigen nicht nur Frankreich belastet. Am Ende der Konferenz verließ uns unser französischer Kollege mit der Darstellung, seine Regierung — die Frage der Parität sei eine nationale Entscheidung — könne entscheiden in dem Spielraum zwischen null und elf, es könne auch eine dazwischen liegende schwächere Lösung geben. Es stand also am Ende der Konferenz auch die Nichtabwertung des Franc durchaus im Raum.Frankreich und auch Großbritannien haben die deutsche Offerte und die Offerte der anderen Länder, was die Kredite betrifft, durch eigene Maßnahmen ergänzt. Wir müssen nur hoffen, daß diese beiden Länder mit ihren internen Schritten zum Gleichgewicht zurückfinden. Meine Damen und Herren, wir sollten uns heute in dieser Lage nicht zum Zensor der Welt in ökonomischen Angelegenheiten aufspielen.
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10620 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Bundesminister SchillerTrotzdem darf ich eine Sorge äußern. Es bleibt bei diesen ergänzenden Maßnahmen in Frankreich und in Großbritannien die Sorge bei uns bestehen, daß wir vielleicht in jenen beiden Ländern in eine Welt des Dirigismus und des _Protektionismus abgleiten. Diese Sorge muß ich pflichtgemäß äußern.
Wir werden uns gegen eine Ausbreitung solcher Dirigismen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wehren.
Um nirgendwo ein Mißverständnis aufkommen zu lassen, sage ich:Erstens: Unsere steuerlichen Maßnahmen, die hier durch die Initiativanträge der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD auf dem Tisch des Hauses liegen, können nicht als ein Beispiel, als eine Entschuldigung oder als eine Rechtfertigung für protektionistische und dirigistische Maßnahmen bei anderen Ländern dienen. Unsere Schritte sind ja Schritte in umgekehrter Richtung; denn wir fördern die Einfuhr nach Deutschland. Wir sind also mit unseren Maßnahmen nicht auf dem protektionistischen Wege, und wir sorgen dafür, daß das Angebot an potentiellen Exportgütern deutscher Produktion auf dem Binnenmarkt vergrößert wird. Wir können sagen: Wenn der Deutsche Bundestag in der dritten Lesung dieses Gesetz annimmt, verbilligt er für den deutschen Verbraucher die Importe und lenkt Exporte auf den deutschen Binnenmarkt, d. h. der deutsche Gesetzgeber sorgt für eine Anreicherung des Güterangebots und für eine erhöhte Preisstabilität hier auf dem Binnenmarkt.
Zum zweiten: Wie Sie wissen, ist im Gesetzentwurf eine Ermächtigung der Bundesregierung eingebaut, die Sätze der Belastung für die Ausfuhr und für die Erleichterung der Einfuhr für den Fall zu reduzieren, daß in anderen Ländern drastische oder exzessive Maßnahmen etwa protektionistischer Art ergriffen werden. Das bedeutet sehr viel. Es bedeutet zum ersten, wenn Sie uns diese Ermächtigung geben, die Sätze der Exportbelastung zu reduzieren und ebenfalls die der Einfuhrverbilligung zu reduzieren, daß Deutschland gleichsam einen Hebel zur Liberalisierung des Welthandels in der Hand hat. Zweitens gewinnen wir mit dieser steuerlichen Maßnahme Zeit, um weitere echte Fortschritte in der schrittweisen Reform unseres Weltwährungssystems zu erarbeiten. Ich bin fest davon überzeugt: wenn der Pulverdampf der Krisen sich verzogen hat, wird die Konstellation des Jahres 1969 oder 1970 für eine allgemeinere Form und Weiterentwicklung unseres Weltwährungssystems günstiger sein. Z. B. stehen dann die neuen Sonderziehungsrechte im Internationalen Währungsfonds zur Aktivierung zur Verfügung. Das Ratifikationsgesetz liegt dem Hohen Hause vor. Wenn es dann um die Mobilisierung der Sonderziehungsrechte geht — und das wird möglicherweise im Laufe des Jahres 1969 der Fall sein; ich glaube, das ist auch eine Bemerkung, die außenpolitisch angebracht ist —, wird sich entscheiden, welches Land dann wirklich mit wem kooperiert. Wir haben an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika und an der Seite der überwältigenden Mehrheit der Gruppe der Zehn die Sonderziehungsrechte auf den internationalen Währungskonferenzen 1967/68 durchgebracht. Die zufällige Konstellation, die in den ersten anderthalb Tagen auf der Bonner Konferenz vorherrschte, von Ländern, die zu dritt oder zu viert oder zu sieben auf eine isolierte Aufwertung der D-Mark hingewirkt haben, löst sich unter jenem Aspekt der Sonderziehungsrechte wohl auf, denn die Sonderziehungsrechte sind für das Hauptwährungsland, die USA, das Thema Nr. 1 der Währungspolitik im Jahre 1969/70. Hier ist dann eine Chance gegeben, gemeinsame Ziele zu formulieren und eine Allianz von Stabilität und Wachstum zu bilden, die alle einschließt. Wir glauben, daß unsere französischen Freunde auch ihrerseits dabei sind — schon aus ihrer Lage heraus —, ihre Position zu den Sonderziehungsrechten, die bisher negativ war, langsam zu korrigieren.Aber außer dem, was im großen multilateralen Kreise der Zehn fällig ist, kommt es vor allen Dingen auch auf Europa selbst an.
Trotz allen Schlägen, die wir in Europa in diesem Jahr erlitten haben, muß das Jahr 1969 auch währungspolitisch ein Jahr der verstärkten Kooperation innerhalb der Gemeinschaft der Sechs sein.
Wir können uns große Operationen etwa mit Bandbreitenerweiterung und ähnlichen Dingen innerhalb der Gemeinschaft der Sechs schon gar nicht mehr leisten, weil wir durch die branchenmäßige Integration auf lebenswichtigen Sektoren so aneinander gebunden sind, daß die Integration auf dem Gebiete der Währung eigentlich überfällig ist.
Aber in diesem Augenblick, heute und hier, können wir nicht auf internationale Reformen in großem Kreise oder auf Reformen im Rahmen der Sechs von morgen oder übermorgen warten. Wir müssen hier und heute, in diesen Tagen handeln.Gar nichts zu tun, das wäre noch eine Variante. Aber, nein zu sagen auf das Ansinnen der anderen und gar nichts zu tun, das hätte bedeutet, daß wir die Schicksalssymphonie der vollen Anpassungsinflation intoniert hätten. Wenn wir jetzt nicht die Initiative zur außenwirtschaftlichen Absicherung ergriffen hätten, dann hätte der Druck — und das wäre die andere Möglichkeit gewesen — zur Steigerung unserer Preise im Inland durch das Überschwappen der Preissteigerungen von außen auf unser Land zugenommen, und dann hätte eben die Anpassungsinflation ihren Lauf nehmen können.Ich darf hinzufügen: Es gibt manchmal auch solche Töne in unserem Lande. Unsere nationale Symphonie ist ja in diesen Tagen sehr polyphon geworden.
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10621
Bundesminister SchillerDabei kann ich, was diese Töne betrifft, nur folgendes antworten. Man kann in dieser Welt nicht alles zugleich haben, etwa — auf deutscher Seite in gewissen Branchen — straffe Einfuhrkontingente für bedrängte Industrien, Ausnahmeregelungen in Hülle und Fülle bei noch notwendigen Einfuhrliberalisierungen, gleich hohe und sogar weiter wachsende Exportüberschüsse der deutschen Wirtschaft und dann noch gleichzeitig Preisstabilität in diesem Lande und womöglich noch ganz niedrige Lohnkosten. Meine Damen und Herren, ein solches Wunder kann in Deutschland nicht stattfinden, ein solches Wunder gibt es nicht.
Wir mußten die Initiative ergreifen, und zwar im doppelten eigenen Interesse:1. Es gilt, wie ich sagte, unsere Stabilitätspolitik nach außen abzuschirmen.2. Wir als das derzeitige Überschußland in der Welt hatten am allerwenigsten ein Interesse, Zerfallsprozesse in der ganzen Welt stattfinden zu lassen. Wir mußten also einen Beitrag leisten.Deshalb ist es barer Unsinn, wenn draußen irgendwo in unserem Lande gesagt wurde, unsere Beiträge, die in diesen Tagen geleistet worden sind bzw. die in diesem Hause zur Verhandlung anstehen, seien als eine deutsche Vorleistung zu betrachten. Meine Damen und Herren, das ist keine deutsche Vorleistung, sondern das ist ein Angebot auch in unserem eigenen Interesse. Wir mußten und müssen aus eigener Vernunft handeln.Ich zitiere für viele andere deutsche Wirtschafts-und Handelsjournalisten, die uns in diesen Tagen mit ihrer Kritik und mit ihrem Rat unterstützt haben, Walter Slotosch, der in der Süddeutschen Zeitung von gestern schrieb: „Emotionale und Trotzreaktionen sind in Währungsfragen ein schlechter Berater."
Die Konsequenzen in dieser kühlen Betrachtung ohne Trotzreaktionen und ohne Emotionen sind nach meiner Ansicht folgende. Ich plädiere im Namen der Bundesregierung dringend dafür: dieses Gesetz muß ohne ins Gewicht fallende Abstriche verabschiedet werden.
Das sind wir der Glaubwürdigkeit unserer Politik nach innen — im Sinne der Preisstabilität — und nach außen einfach schuldig. Unser Angebot an die deutsche Wirtschaft mit diesem Gesetzentwurf ist klar: Ruhe an der Währungsfront durch ein eindeutiges, nicht durchlöchertes Gesetz zur außenwirtschaftlichen Absicherung, kombiniert mit einer weiteren Stärkung der Binnennachfrage. Und weiter —darüber wird mein Kollege Strauß sehr viel sachverständiger reden können — werden hoffentlich auch Mittel aus dieser steuerpolitischen Operation zur Verfügung stehen, um binnenwirtschaftliche Übergangshilfen für besonders betroffene Wirtschaftszweige zu leisten. Aber ein durchlöchertes Gesetz würde neue Unruhe für das internationaleWährungssystem mit allen bekannten Folgerungen nach sich ziehen.Meine Damen und Herren, wir haben die spekulativen Wesen vom Hühnerhof verscheucht,
aber wir müssen ihnen auch den Futtertrog auf Dauer entziehen. Sollten hier bei der Gesetzgebung Zweifel über die Durchschlagskraft dieses Gesetzes durch Durchlöcherung aufkommen, dann würden wir eines Tages wieder von jenen Wesen besucht werden, dann würden wir eines Tages erneut mit Liquidität überschwemmt. Und manch einer in diesem Hause ist sich vielleicht noch nicht darüber im klaren — deshalb spreche ich es aus —,
daß uns dann, in einem solchen Falle, von noch viel mehr Ländern die große und schwere Lösung, nämlich die einseitige Aufwertung der D-Mark, zugemutet werden würde. Das steht zur Wahl, meine Damen und Herren. Aber wir sollten diese Alternative ausschließen, und zwar aus den vorhin genannten Gründen.Die außenwirtschaftliche Absicherung — auch mit diesen steuerlichen Mitteln — ist natürlich für die deutsche Wirtschaft eine schwere Last. Dabei sieht sich diese Last, je nach der Position des Betrachters, verschieden an. Für die Befürworter einer Aufwertung der D-Mark, für die Befürworter gar einer isolierten Aufwertung der D-Mark ist diese steuerliche Maßnahme nur die zweitbeste Lösung. Für die Gegner einer solchen isolierten D-Mark-Aufwertung ist diese Maßnahme immer noch das geringere Ubel. Ich glaube, ich spreche die Gefühle von fast allen von uns aus, wenn ich sage: Es ist das geringere Übel.Es ist für uns alle ein ermutigendes Zeichen, daß dieses Urteil — „sicherlich eine Last, aber das geringere Übel" — fast wörtlich sowohl von dem Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Industrie wie von dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes abgegeben wurde. Wir sollten danken für dieses ausgewogene Urteil.
Das ist ein ermutigendes Zeichen der Solidarität, zumal da sonst aus dem Kreis von Einzelverbänden so oft andere Äußerungen zu hören sind.Meine Damen und Herren, auf jeden Fall sind wir auch in der Richtung, die wir mit dieser zeitlich befristeten und reversiblen Maßnahme einschlagen, auf dem richtigen Weg. Das wurde uns auch in vielen Gesprächen mit der Deutschen Bundesbank bestätigt. Ich sehe dabei von der Wahl der Instrumente ganz ab. Ich kann Ihnen sagen, daß uns ein Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank zugesichert hat, bei rechtzeitigen und ausreichenden Maßnahmen der außenwirtschaftlichen Absicherung und entsprechenden binnenwirtschaftlichen Maßnahmen sei es durchaus möglich, im Jahre 1969 eine vernünftige, positive, adäquate Lohnbewegung
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10622 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Bundesminister Schillerim Schutz der außenwirtschaftlichen Absicherung zu erreichen.
— Nein, das war gerade nicht gemeint.Wir werden unseren Aufschwung hinter dem Schutz dieser Maßnahmen stetig fortsetzen, wenn sie gesetzgeberisch ermöglicht werden.Ich halte es dabei allerdings für völlig unangebracht, daß wir mit diesem unserem Beitrag und mit unseren Anstrengungen etwa mit der Mentalität eines reichen Onkels in der Welt auftreten. Es ziemt uns nicht, den ökonomischen Lehrmeister der Welt zu spielen. Sicherlich können wir den Schwierigkeiten mancher Länder im Bewußtsein der eigenen Stärke gegenüberstehen. Aber das allein genügt eben nicht. Wir können auch nicht einfach Moral nach draußen predigen. Wir müssen anderen und damit zugleich uns helfen.Meine Damen und Herren, Sie müssen sich über die Alternativen klarwerden. Volle Anpassungsinflation wäre ein eklatanter Verstoß gegen den § 4 des Stabilitätsgesetzes. Eine isolierte und von manchen Ländern massiv gewünschte D-Mark-Aufwertung würde leicht das Abwürgen unseres Aufschwungs bedeuten. So schlagen wir heute etwas vor, was gegenüber den beiden anderen Dingen, die zur Wahl stehen, als Weg des Maßes und der Mitte gesehen werden muß. Anderes gibt es nicht im internationalen Sortiment für uns. Das ist die unserer Situation angemessene Haltung.Die Sitzung des Zehnerklubs endete mit einer multilateralen Aktion, um anderen Ländern, besonders einem Land, in den dortigen Wirren zu helfen. Wir haben durch unsere Teilnahme damit Schlimmeres verhindert, was auch bei dritten, vierten, fünften Ländern außerhalb der Bundesrepublik hätte eintreten können.Ich bitte das Hohe Hans um seine volle Unterstützung für unsere Maßnahmen. Ich kenne die Schwierigkeiten, die kommen. Trotzdem sollten wir allesamt dieses ganz klare Konzept in dieser Woche konsequent durchhalten.Ich möchte abschließen, indem ich ein paar Sätze aus „Hermann und Dorothea" zitiere:
Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist,Der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter;Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.Nicht dem Deutschen geziemt es, — so steht es dart! —die fürchterliche BewegungFortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin.Soweit „Hermann und Dorothea" von einem bekannten deutschen Poeten.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es spricht für die Objektivität und für das von Rivalitätsvorstellungen freie Denken des Herrn Bundeswirtschaftsministers Schiller, daß er nicht ein eigenes Zitat, sondern Goethe am Ende seiner Ausführungen strapaziert hat.
Ich möchte auch gleich sagen, daß die deutsche Exportwirtschaft keinen Grund hat, bei der Analyse dieses Gesetzes etwa an Schillers „Räuber" zu denken.
Denn hier ist ohne Zweifel durch die Entscheidung der Bundesregierung, die der Herr Bundeswirtschaftsminister maßgebend beeinflußt hat, Schlimmeres erspart geblieben. Sonst wäre sie vielleicht wirklich unter die Räuber gefallen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nichts von dem wiederholen, was der Herr Bundeskanzler und was der Herr Bundeswirtschaftsminister über das Thema „Vorgeschichte, Hintergründe, Ergebnisse der Aufwertungsdiskussion" zu dieser Aussprache bereits beigetragen haben. Ich möchte aber sehr nachdrücklich die Auffassung der Bundesregierung unterstreichen, daß sie durch ihr Nein zur Aufwertung und ihr notwendiges Ja zu einer uns auch nicht gerade sehr erfreulichen steuerpolitischen Maßnahme keine endgültige Entscheidung über eine Frage treffen wollte, die in dieser Form jetzt nicht endgültig entschieden werden kann. Damit möchte ich nicht sagen, daß sie demnächst etwa anders entschieden werden könnte, sondern damit möchte ich betonen, daß die Frage der Währungsordnung in absehbarer Zeit — was nicht wenige Wochen oder Monate heißt, sondern was immer einen Zeitraum von einigen Jahren umfaßt — noch einmal gründlich durchdacht und überprüft werden muß. Die Notwendigkeit dieser Überprüfung kann nicht durch regelmäßige, in kürzeren Abständen wiederkehrende Manipulationen an den Paritäten einzelner Währungen umgangen werden.
Die Diskussion über das Thema der Aufwertung ist im Ausland wie im Inland seit geraumer Zeit mit Höhepunkten und wieder nachlassender Kraft nicht zuletzt auch von der ausländischen Wirtschaftspresse geführt worden. Ich habe bei der steuerpoli-
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Bundesminister Dr. h. c. Straußtischen Diskussion in diesem Hohen Hause erst vor kurzer Zeit ausgeführt, warum die Bundesregierung unter Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Argumente zu der Auffassung gekommen ist, daß sie sich aus heutiger Sicht für eine vorausschaubare Zukunft nicht zu einer Aufwertung der D-Mark entschließen kann.Ich möchte noch etwas hinzufügen. Wenn man diese Erklärung — die nicht wegen der Person des Sprechers, sondern wegen des Gewichtes der dahinterstehenden politischen Institutionen hätte ernst genommen werden sollen — nicht systematisch ignoriert hätte, wäre der Spekulation schon früher der Boden entzogen worden. Ich habe den sogar durch gewisse Indizien und sonstige Umstände beweisbaren Eindruck, daß es gewisse Interessenten gab, die versucht haben, die Diskussion um die Aufwertung immer wieder und wider alle Erklärungen der Bundesregierung am Leben zu erhalten, in der Annahme, daß zum Schluß doch das eintreten müsse, was nach ihrer Ansicht wunschgemäß eintreten sollte. Man hat geglaubt, man brauche nur lange genug über Aufwertung der D-Mark zu reden, eine dauernde Welle der Spekulation und der Gerüchte zu erzeugen, dann werde sich die Bundesregierung so verhalten, wie man es von ihr erwartet und wie man es von ihr in einem weltweiten Geraune immer wieder behauptet hat.Wir sind nicht — wie der Kollege Schiller ausgeführt hat —, die währungs-, wirtschafts- oder finanzpolitischen praeceptores mundi. Aber eine Frage dürfen wir doch stellen, nämlich: haben wir mit unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik das Weltwährungsgefüge in Unordnung gebracht? Auf diese Frage möchte ich ohne jeden furor teutonicus sagen: nein, wir haben das Weltwährungsgefüge nicht in Unordnung gebracht.
Es gab einen aktuellen Anlaß: das waren die besorgniserregenden Vorgänge mit dem französischen Franc oder, wenn ich an gewisse veröffentlichte Bilder denke, das widerliche Gelaufe mit Koffern voller ausländischer Währung zu deutschen Bankschaltern, um den Gewinn einer erwarteten deutschen Aufwertung einheimsen zu können. Hierzu ja zu sagen, hätte nur bedeutet, den arbeitslosen Gewinn derer, die Zeit haben, durch Unterlassung von Arbeit über Spekulationsmöglichkeiten nachzudenken, noch von Staats wegen zu unterstützen.
Natürlich gibt es einerseits die Spätwirkungen der französischen Mai- und Juniunruhen, die uns seinerzeit mit größter Sorge erfüllt haben und deren Auswirkungen uns auch heute noch mit großer Sorge und mit der Bereitschaft erfüllen, von uns aus helfend zur Verfügung zu stehen, wo immer man uns wünscht.
Das heißt aber nicht, daß man uns mit Aufwertungsvorstellungen unter Druck setzen kann.Natürlich gibt es die permanente und latente Problematik der englischen und amerikanischen Währung. Diese Problematik hat aber ganz verschiedene Hintergründe.Wir haben in dieser Periode der Diskussion um Währungsprobleme bewiesen — ich sage das ohne jede törichte Angeberei oder bramarbasierende Betonung —, daß wir unsere augenblickliche wirtschaftliche Position nicht dazu mißbrauchen wollen, uns unangemessene Vorteile zu verschaffen, sondern daß wir seit Jahren auch als Kreditgeber unsere Bereitschaft bewiesen haben, zur Ordnung der Währung in anderen Ländern beitragen zu wollen,
und zwar haben wir das konkret und aktiv bewiesen, nicht nur durch theoretische Ratschläge und schöne Sprüche.Ich glaube, hier auch eines sagen zu dürfen, was ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe. Man kann nicht die deutsche Währung und die für ihre Position verantwortlichen Persönlichkeiten der deutschen Wirtschafts-, Finanz- und damit auch Währungspolitik auf die Anklagebank setzen. Man kann nach der Aufwertung vom Jahre 1961 nicht erwarten, daß durch eine weitere und in wesentlich höheren Prozentsätzen geforderte Aufwertung im Jahre 1968 das grundsätzliche Problem gelöst wird.Was ist das grundsätzliche Problem? Man möge es — ich sage es ohne allzu große Selbstbetonung —dem deutschen Finanzminister erlauben, dieses grundsätzliche Problem mit einem Stichwort anzuschneiden. Das Problem ist, ob wir in der freien Welt den Kampf gegen eine epidemische Krankheit aufgegeben haben und vor ihr kapituliert haben oder ob wir bereit sind, diesen Kampf im Rahmen des Möglichen weiterzuführen, nämlich den Kampf gegen die Inflation.
Hierüber gibt es viel Literatur, und hier gibt es verschiedene Positionen. Aber im Grundsatz sind wir uns wohl alle einig. Wir wissen, daß Wachstum und Preisstabilität immer in einem gewissen Zielkonflikt zueinander stehen. Darum kann eine Wachstumsrate nur innerhalb gewisser Größenordnungen ohne Gefahr für die Preisstabilität angestrebt und verfolgt werden. Man kann nicht' dem Moloch Wachstum die Preisstabilität opfern. Genauso wenig kann man die Preisstabilität zum Fetisch erheben und damit das Wachstum ignorieren und alle mit dieser Haltung verbundenen Folgen für die eigene weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Kauf nehmen.Was wir in diesem Hohen Hause und in der Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Parlament versucht und auch weitgehend erreicht haben, war eine ausgemessene Dosierung der Wachstums- und der Stabilitätspolitik. Das war seit dem Jahre 1966 unsere Zielsetzung; wir haben, durch bittere Lehren der Vergangenheit gewitzigt, versucht, wieder Fuß zu fassen und neuen Tritt zu bekommen.Wir haben uns damals — vor zwei Jahren — mit zwei Problemen befassen müssen. Heute müssen wir
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Bundesminister Dr. h. c. Straußuns wieder mit zwei Problemen befassen, nur sind es erfreulicherweise andere als damals. Damals ging es erstens um das Problem der langfristigen Konsolidierung der Bundesfinanzen und zweitens um das Problem der raschen, kurzfristigen Wiederbelebung unserer Wirtschaft. Ich sage das nicht, um Vergangenheitsforschung zu betreiben, sondern aus einem wohlüberlegten Grunde, mit dem ich das Nein der Bundesregierung zu einer Aufwertung und das Ja zu steuerlichen Maßnahmen auch noch über das hinaus, was Herr Kollege Schiller gesagt hat, begründen will. Wir haben die Konsolidierung der Finanzen damals durch Maßnahmen herbeigeführt, die in diesem Hause schon öfter Gegenstand kontroverser Debatten waren. Wir haben sie erstens durch gewisse Steuererhöhungen herbeigeführt, Erhöhungen der Verbrauchsteuern für Mineralöl und Tabak, gewisse Erhöhungen der direkten Steuern, Kürzung der Kilometergeldpauschale, Verbot der Kumulierung bei gewissen Sparförderungsarten und im Jahre 1967 dann auch Einführung der Ergänzungsabgabe ab 1. 1. 1968. Ferner haben wir das Problem der Konsolidierung durch Korrekturen in unseren Ausgaben gelöst. Wir alle wissen — wir brauchen uns darüber nicht zu unterhalten —, wie schwierig in einem sozialen Rechtsstaat Korrekturen an einmal beschlossenen Ausgaben sind. Dieses Paket von Maßnahmen hat aber im großen und ganzen immerhin Erhebliches und Entscheidendes zur Konsolidierung beigetragen. Wir wußten aber, daß in dieser Situation Steuererhöhungen und Ausgabenkorrekturen für die kurzfristige Aufgabe der Konjunkturbelebung nicht förderlich waren. Darum die auch schon in der letzten Debatte genannten Maßnahmen: einmal Sonderabschreibungen, wesentlich höhere Entlastung der Altvorräte bei der Umstellung des Umsatzsteuersystems und zwei große Konjunkturprogramme, von denen manche heute schon sagen, sie seien zu hoch gewesen und ,sie würden sich noch zu lange auswirken, also, man habe des Guten zuviel getan. Das ist eine Ansicht, die ich nicht teilen kann, wie ich ausdrücklich sagen muß, weil wir jetzt auf dem Boden der wiedererworbenen Position vielleicht doch geneigt sind, allzu ungerecht über die damaligen Maßnahmen zu denken.Ich darf wohl auch im Namen der Bundesregierung sagen, daß die Regierung diesem Hohen Hause dafür dankbar ist, daß eine große Mehrheit dieses Hauses — in der Zielsetzung alle, wie immer, aber in den konkreten Maßnahmen eine große Mehrheit dieses Hauses — die Bemühungen der Bundesregierung um die Lösung der beiden Probleme unterstützt hat, und das mit Maßnahmen, die der einzelne aus diesem Hohen Hause draußen nicht immer als sehr populär an seine Zuhörer verkaufen mußte.Wenn wir nun heute wieder an Sie herantreten und von Ihnen die Billigung von Maßnahmen verlangen, oder erbitten, die die Bundesregierung nur entwerfen und vorschlagen kann, die die Bundesregierung aber nicht aus eigener Zuständigkeit durchführen kann, dann aus den Gründen, die Herr Kollege Schiller eingehend dargestellt hat.Wenn aber die Bundesregierung sich nicht zur Aufwertung entschlossen hat, dann — neben den schon dargestellten Argumenten und Motiven, die ich genauso hundertprozentig billige und vertreten habe — auch noch aus dem Grund, daß die vor wenigen Wochen von Ihnen gutgeheißene mehrjährige Finanzplanung des Bundes — und darunter der erste Haushalt dieser Finanzplanung, nämlich der Haushalt 1969, der sich in parlamentarischer Beratung befindet — zu einem erheblichen Teile als überholt, nicht mehr aussagefähig oder, etwas deutlicher ausgedrückt, als reif für den Papierkorb hätte bezeichnet werden müssen.Ich habe nach den Ausführungen — mehrmaligen Ausführungen — des Kollegen Schiller in dieser Zehnerkonferenz auch diesen Gesichtspunkt angeführt: wenn man eine wirtschaftliche Stagnation und Rezession, d. h. eine wirtschaftliche Krise in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit einer großen parlamentarischen Mehrheit zum Teil mit unpopulären Maßnahmen — Stichwort Steuererhöhungen, Ausgabenkürzung — bewältigt hat, dann wäre es demselben Parlament gegenüber unfair, eine Maßnahme durchzuführen, für die man formell jedenfalls keine parlamentarische Zustimmung braucht, nämlich eine deutsche Aufwertung in der Größenordnung von 5 plus x % vorzunehmen. Die Folgen dieser Aufwertung hätten dann wiederum nur gemeinsam mit diesem Parlament bewältigt werden können.Denn — damit komme ich zu dem zweiten Problempaar, vor dem wir heute stehen — heute haben wir einmal die Frage: wie können wir unsere Außenhandelsüberschüsse so abbauen, daß wieder ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht hergestellt ist, und zweitens, wie können wir verhindern, daß im Inneren unseres Landes Überhitzungserscheinungen der Konjunktur eintreten?Was wir nach dem Stabilitätsgesetz tun könnten, um Überhitzungserscheinungen, von denen da oder dort geredet wird, zu bekämpfen, das würde dem Abbau der Außenhandelsüberschüsse nicht dienlich sein, sondern das würde im Gegenteil den Abbau der Außenhandelsüberschüsse erschweren. Nach dem Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes steht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Verfügung: Stillegung konjunkturbedingter steuerlicher Mehreinnahmen — dafür haben wir uns positiv ausgesprochen--, also Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage, oder Verminderung der Kreditaufnahme oder vorzeitige Schuldenrückzahlung oder Straffung der Investitionen, was noch nicht beabsichtigt ist, und zwar weil jeder Abbau der Binnenkaufkraft ja nur den Druck auf die Exportmärkte wiederum von neuem verstärken würde im Sinne der Ausführungen, die Herr Kollege Schiller gemacht hat, und dann noch die Frage der Steuererhöhungen, die ja im Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes enthalten sind.Diese Maßnahmen können wir zur Dämpfung der Binnenkonjunktur nicht ergreifen, weil wir sonst die andere Krankheit nur verstärken würden, nämlich unsere Exportüberschüsse nicht abbauen, sondern im Gegenteil unsere Wirtschaft wegen nicht ausreichender Nachfrage aus dem Binnenmarkt auf die Nachfrage aus dem Ausland geradezu hinweisen
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Bundesminister Dr. h. c. Straußund auf sie zutreiben würden. Darum könnten alle fiskalischen Folgen einer Aufwertung — man mag über die Größenordnung verschiedener Meinung sein; es liegen darüber auch verschiedene Schätzungen vor; das hängt natürlich auch vom Prozentsatz einer Aufwertung ab — nicht durch Steuererhöhungen und nicht durch Ausgabenkürzungen, sondern nur durch eine Mehrverschuldung der Bundesrepublik ausgeglichen werden. Wenn nämlich der Zweck einer Aufwertung ist, Exportüberschüsse abzubauen und damit das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz und eine bessere Parität der Währungen herzustellen, dann darf der Abbau der Exportüberschüsse nicht mit einer Verminderung der Binnenkaufkraft infolge von Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen verbunden werden.Hier, meine Damen und Herren, stand auch der Finanzminister als der für diese spezielle Frage im besonderen Zuständige vor einem fast unlösbaren Problem, daß nämlich je nach Größenordnung der von uns gewünschten Aufwertung die Nettokreditaufnahme des Bundes im Jahre 1969 und in noch weiteren Jahren um 3,5 bis unter Umständen 5 Milliarden DM hätte erhöht werden müssen. Warum? Einmal, weil als Folge der Aufwertung erhebliche steuerliche Einbußen naturgemäß zu befürchten sind, die wir auch, soweit die Einkommensteuer betroffen ist, in irgendeiner Form den Ländern ersetzen müssen, zweitens, weil 1 % Aufwertung einen Einnahmeausfall bei der Landwirtschaft von 250 Millionen DM bedeutet, also 250 mal 5 oder mal 7 oder 8 %, ferner, weil die Landwirtschaft nicht der alleinige Leidtragende wäre, weil es auch in der Kohle, im Schiffsbau und in anderen Bereichen die Notwendigkeit von Ausgleichsmaßnahmen gegeben hätte und weil darüber hinaus mit dem Abbau der Auslandsnachfrage eine Verstärkung der Inlandsnachfrage durch weitere konjunkturfördernde Maßnahmen erforderlich gewesen wäre. Die Summe dieser Maßnahmen, für die die Gelehrten verschiedene Größenordnungen nennen, hätte aber für die Bundesrepublik als Minimum 3 oder 3,5 Milliarden DM und als Maximum 5 Milliarden DM betragen, bei höheren Aufwertungssätzen, wie sie da oder dort auch in Rede waren, noch mehr.Das Thema „Verschuldung" ist doch in diesem Hause schon öfter angesprochen worden; wir haben in den Jahren der Bekämpfung der Rezession unter dem Stichwort deficit spending bewußt eine höhere Nettoverschuldung des Bundes in Kauf genommen. Ich habe mich hier von dieser Stelle aus mehrmals in Beantwortung von Fragen dazu geäußert, auch schriftlich außerhalb dieses Hauses. Es handelt sich im übrigen um eine Größenordnung, die von der Bundesbank wie vom Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums als absolut erträglich und ungefährlich bezeichnet worden ist.Jetzt, in den Jahren der Hochkonjunktur, zumindest einer gutgehenden Konjunktur, hätten wir uns, um die Folgen unseres Erfolges zu überwinden, wieder genauso hoch verschulden müssen wie vorher, als wir die hohe Verschuldung zwecks Wirtschaftsankurbelung bewußt in Kauf genommen haben. Das heißt, wir hätten in den folgenden Jahren auch eineNettoverschuldung von 7 bis 8 Milliarden DM im Jahr statt der von uns vorgesehenen 3,6 bis 4 Milliarden DM in Kauf nehmen müssen. Damit wäre nach unserer Auffassung der Schuldensockel des Bundes in einer Weise angewachsen, daß wir mit den sich daraus ergebenden Problemen der Umschuldung, der Anschlußfinanzierung und der Prolongation nur sehr schwer, vielleicht nicht ohne schwerwiegende wirtschaftliche Folgen, hätten fertigwerden können. Diese Dinge, meine Damen und Herren, hätte dann die Regierung, wenn sie Ihnen die Aufwertung beschert hätte, nicht mehr ohne Ihre Hilfe bewältigen können.Wir haben auf dieser Konferenz zum Ausdruck gebracht: Da wir in der Bundesrepublik mit zum Teil sehr unpopulären Maßnahmen in schwierigster Situation, gestützt auf eine starke parlamentarische Mehrheit, die bereit war, das Opfer an Popularitätsverzicht zu bringen, die damaligen Probleme überwunden haben, können wir heute nicht hinter dem Rücken des Parlaments durch einen Aufwertungsbeschluß Konsequenzen schaffen, die dann nur mit schwierigsten politischen Entscheidungen bewältigt werden können, und das in einer Situation, wo man von uns verlangt, daß wir dem Radikalismus links und rechts in unserem Land wirksam, überzeugungskräftig und in den Wahlen sich ausdrückend entgegentreten.
Die mittelfristige Finanzplanung hätte dann einer Überarbeitung bedurft, mit dem Ergebnis, daß die neue Fassung doch erhebliche Abweichungen von der alten Fassung aufgewiesen hätte.Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vorteile der Ihnen jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen gegenüber dem, was von anderer Seite erwogen worden war, sind unverkennbar. Aber eines kann man nicht verlangen: daß wir unsere Außenhandelsüberschüsse abbauen, einen Beitrag zur Normalisierung der Handelsverhältnisse zwischen uns und unseren Partnern leisten, die Binnenkonjunktur erhalten und trotzdem keine Maßnahmen ergreifen, die irgend jemandem auch nur die geringsten Opfer auferlegen würden. Das Ja-Aber, „wir sagen zu allem ja, aber spüren darf es niemand", diese Politik ist schlechterdings unmöglich. Das sage ich auch im Hinblick auf die Fülle von Telegrammen und Briefen, die bei uns allen im Laufe der letzten Tage eingetroffen sind, mit der verständlichen Forderung, regionale Ausnahmen, Branchenausnahmen, allgemeine Ausnahmen, gezielte Ausnahmen zu treffen. Wir können nicht ein Gesetz beschließen, das nur Augenauswischerei ist, ein Gesetz, in dem die Summe aller Ausnahmen zum Schluß mit der Nichtexistenz dieses Gesetzes gleichbedeutend wäre.
Wir haben eine Frist vorgesehen. Es ist erwogen worden, auf diese Frist zu verzichten. Das liegt in der Entscheidung dieses Hauses. Es gibt gute Argumente sowohl für die eine wie für die andere Lösung. Aber wir gehen ja einigen Unbekannten entgegen. Herr Kollege Schiller hat mit Recht auf die
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Bundesminister Dr. h. c. StraußFrage hingewiesen: Was wird die Handelspolitik und was wird die Finanzpolitik unseres größten Partners im Weltgeschehen, der Vereinigten Staaten von Amerika, unter der neuen Administration sein? Wird es eine border tax geben? Wird es einen Exportbonus geben? Wie hoch werden die Forderungen auf den Devisenausgleich gestellt? Was kommt noch auf uns zu auf einer Reihe von Gebieten, die zur Zeit in politischer Diskussion sind, von der Verteidigung angefangen bis zu anderen Bereichen hinüber? Wir stehen doch vor einer Reihe von Ungewißheiten, und diese Ungewißheiten werden sich erst im Laufe der kommenden Monate, vielleicht erst im Laufe der kommenden Jahre lüften.Darum ist diese Maßnahme ein wirksamer Beitrag, nicht eine Geste des guten Willens. Aber sie hat auch den gewaltigen Vorteil, daß sie noch keine endgültigen Entscheidungen setzt, daß sie reversibel ist.Wir wissen auch nicht, welche Maßnahmen unsere englischen und französischen Partner ergreifen werden. Ich glaube, daß das, was von englischer und französischer Seite bis jetzt an Maßnahmen sich abzeichnet, nicht nur eine Geste des guten Willens ist, sondern der ernsthafte Versuch, in diesen Ländern die Grundlage für eine gesunde Währung zu schaffen. Wir haben nicht das Recht, uns irgendwie in souveräne Entscheidungen anderer Völker und anderer Regierungen und ihrer Parlamente einzumischen. Wir haben nur einen Wunsch: daß unsere britischen und französischen Freunde mit ihren Maßnahmen das Ziel erreichen.Wir haben auch nicht den Wunsch, Frankreich Ratschläge zu erteilen. In keiner Weise! Wir haben einen Wunsch: daß das französische Volk und die für die französische Wirtschaft auch im privaten Bereich verantwortlichen Kräfte der französischen Regierung helfen, die Probleme, in die Frankreich geraten ist, ohne eine Abwertung zu lösen. Was an uns liegt, wird dazu getan werden; siehe die Höhe der Kreditzusage im Rahmen des Gesamtkredits.Wir können außerdem feststellen, daß die Berechnungseinheit der EWG-Agrarmarktordnungen von der vorgeschlagenen Maßnahme unberührt ist. Damit entfallen die Ausgleichszahlungen, von denen ich vorhin sagte: Größenordnung der Ertragsausfälle je Prozent Aufwertung 250 Millionen DM. Ich .brauche über die Sachlage nicht zu reden. Das ist in diesem Hause schon oft geschehen. Ich brauche auch über die politische Problematik nicht zu reden. Darauf ist oft genug hingewiesen worden. Aber selbst wenn wir Ausgleichszahlungen zu leisten hätten, müßte ich sagen: bis jetzt hat noch niemand verstanden, einen befriedigenden Schlüssel zu finden, mit dem solche Ausgleichszahlungen geleistet werden könnten. Wir haben die Problematik in einem anderen Fall schon einmal erlebt.Die Maßnahmen wollen wir so gestalten, daß trotz binnenwirtschaftlicher Ausgleichsleistungen für einige besonders betroffene Bereiche nach Möglichkeit keine zusätzlichen Belastungen des Bundeshaushalts eintreten. Bei dieser Gelegenheit darf ich betonen, daß selbstverständlich die von uns beabsichtigten steuerpolitischen Maßnahmen keine fiskalischen Hintergründe haben. Ich glaube, ich brauche das in diesem Hause nicht noch eigens zu betonen. Aus fiskalischen, also aus finanzpolitischen Gründen hätte keine Notwendigkeit bestanden, eine solche Maßnahme zu ergreifen, auch wenn sich dabei einige Überschüsse ergeben.
Diese Überschüsse hängen nicht zuletzt von der Gestaltung des Gesetzes im einzelnen ab. Aber wenn diese Überschüsse nicht stillgelegt werden sollen, dürfen sie nur zu dem Zweck verwendet werden, die Härten auszugleichen, die durch eine schematische Regelung zwangsläufig entstehen müssen.
Dafür stehen sie bereit; dafür sollen sie bereit stehen und nicht für Spekulationen, was man an Mehrausgaben durch Mehreinnahmen etwa leisten könnte oder wie man diese oder jene Haushaltslücke im Hinblick auf kommende Ausgabenwünsche schließen könnte. Dafür nicht!
Ich darf das auch bei dieser Gelegenheit hier sagen.Damit jeder Zweifel ausgeschlossen ist: ich stehe mit meiner ganzen Person und mit dem Amtsbereich des Bundesfinanzministeriums hinter dieser Gesetzesvorlage, die heute Gegenstand der ersten Lesung in diesem Hohen Hause ist. Warum sage ich das? An sich ist es unwichtig; trotzdem hat es eine gewisse Bedeutung. Wir sind uns der Tatsache sehr wohl bewußt, daß mit dieser steuerpolitischen Maßnahme vorübergehend ein Grundsatz aufgegeben wird, den wir bei der Verabschiedung des Mehrwertsteuergesetzes betont haben. Seinerzeit haben wir zwei große Grundsätze herausgestellt: die Wettbewerbsneutralität im Innern und den vollen Grenzausgleich hinüber und herüber. Aus gutem Grund haben wir den zweiten Grundsatz vorübergehend aufgegeben, befristet und mit der Vollmacht an die Regierung, in der Zwischenzeit auch diese Maßnahmen vermindern oder aufheben zu können. Sie wissen, daß bei der Vorbereitung des Stabilitätsgesetzes in den Ausschüssen dieses Hauses die Frage erörtert wurde, ob man auch die Umsatzsteuer in das Instrumentarium der Stabilitäts- und Konjunkturbelebungsmaßnahmen und Wachstumsmaßnahmen einbeziehen soll. Damals war die Mehrheit dieses Hohen Hauses in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzministerium der Auffassung, man solle das einmal erreichte Mehrwertsteuersystem aus dieser ganzen Diskussion ausschalten und es nicht zu einem Routineinstrument der Konjunkturpolitik oder der Währungsausgleichspolitik machen. Die besondere Situation, die Ungeklärtheit der vor uns stehenden Probleme und die Notwendigkeit einer späteren langfristigen Regelung der internationalen Währungsordnung bringen mich dazu, hier vor diesem Hause zu erklären, daß ich diesen Abfall von dem Grundsatz — befristet, widerruflich und mit Ermächtigung an die Regierung, Ausnahmen bzw. in der Zwischenzeit Aufhebungsmaßnahmen zu
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Bundesminister Dr. h. c. Straußtreffen — für notwendig halte und voll dahinterstehe.Ich brauche den vor Ihnen liegenden Gesetzentwurf nicht im einzelnen zu begründen. Er sollte ohne substantielle Einschränkungen angenommen werden. Denn je mehr Einschränkungen oder Ausnahmen gemacht werden, desto mehr müssen wir befürchten, daß die Gespenster der Diskussion der letzten Monate, die wir gebannt zu haben hofften, wieder mit vermehrter Kraft zu uns zurückkehren. Ich weiß, welche schwerwiegenden Probleme damit verbunden sind, aber es lassen sich sehr wohl elastische Formulierungen treffen, mit denen man bei ein bißchen Vertrauen auf die Finanzbehörden Regelungen schafft, durch die im Falle des Gewinnverfalls, der Existenzbedrohung auch Ausnahmen möglich gemacht werden können. Wir wollen mit diesem Gesetz nicht Existenzen vernichten, aber der Öffentlichkeit auch nicht vorgaukeln, daß nicht gewisse Gewinnminderungen in Kauf genommen werden müssen, weil es sonst eben einfach nicht geht.Ich darf in dem Fall auch sagen, daß ich die Meinung des Bundesministers der Justiz teile, daß die Einbeziehung der Altkontrakte verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist. Man mag über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, man mag über Treu und Glauben, man mag über alle möglichen zweckmäßigen oder unzweckmäßigen Argumente reden, die sich ja immer anbieten, wenn es um lucrum cessans oder damnum emergens geht; aber ich teile die Auffassung des Bundesjustizministers, daß die verfassungsrechtliche Seite nicht strapaziert werden sollte. Ich habe mich in diesem Hause schon einmal leicht ironisch geäußert, daß da, wo Interessen auf dem Spiele stehen, Verfassungsrecht und konjunkturpolitisch zwingende Notwendigkeiten immer gern als willkommene Helfer in Anspruch genommen werden, auch wenn zum Teil ganz andere Dinge da oder dort dahinterstehen.
Ich darf sagen, daß das Paket unserer Maßnahmen einmal diese steuerliche Belastung des Exports — zeitlich begrenzt und bei Eintreten einer anderen Lage durch die Ermächtigung an die Regierung aufzuheben — umfaßt, zum anderen einen namhaften Beitrag an die gesamte Stützungsaktion, der aus den Währungsreserven der D-Mark für den internationalen Gesamtkredit geleistet wird.Ich darf auch sagen, daß wir nicht leichten Herzens den § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes in Anspruch genommen und mit administrativen Maßnahmen den Zustrom unerwünschten Geldes, heißen Geldes, spekulativen Geldes bestimmter Währungen unter Kontrolle gebracht haben.Ich darf als Viertes noch nennen unseren guten Willen, in absehbarer Zeit etwas anzubieten, was sich zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium noch in Verhandlung befindet, nämlich eine administrative und steuerliche Erleichterung für deutsche Direktinvestitionen in den Ländern unserer Wirtschafts- und Währungspartner, deren Zahlungsbilanz uns gegenüber durch bestimmte Ereignisse in Schwierigkeiten geraten ist. Auch das ist eine Maßnahme, die der Wiederherstellung normaler Wirtschaftsbeziehungen und der Entzerrung bestimmter Verkrampfungen dient. Ich glaube, ich brauche mehr an Einzelheiten darüber hier vor Ihnen nicht auszubreiten.Wenn man aber so oft an die deutsche Verantwortlichkeit erinnert — und wir sind auch im Laufe der letzten Woche oft an die deutsche Verantwortung erinnert worden —, so möchte ich doch sagen, daß wir in der Bundesrepublik Verantwortungen auf uns genommen haben, die sich einmal aus unserer tragischen Vergangenheit und aus unserer gegenwärtigen Situation, aber auch aus unserem Eintreten für die Gesamtnotwendigkeiten der freien Welt ergeben. Ich brauche hier nicht zu erwähnen, daß für uns die Situation in Berlin eine hohe finanzielle Belastung, und zwar sowohl durch unmittelbare Zuschüsse als auch durch Steuerverzichte, bedeutet. Ich brauche nicht im einzelnen darzulegen, daß nur die Bundesrepublik Deutschland Wiedergutmachungszahlungen leistet in einer Gesamtsumme, die weit über alle Schätzungen hinausgeht, Wiedergutmachungszahlungen, von denen ein großer Teil an die im Ausland lebenden Opfer fließt. Das steht gar nicht zur Diskussion; aber andere reden immer von Überwindung der Vergangenheit, wir leisten etwas dafür.
Ich darf ferner daran erinnern, daß auch der zum Teil witterungs- und landschaftsbedingte Zustrom von Hunderttausenden und Millionen deutscher Touristen, hauptsächlich in Länder unserer EWG-Partner wie Frankreich und Italien, von uns auch devisenmäßig verkraftet werden muß und auch eine Devisenausgleichsmaßnahme darstellt. Ich darf daran erinnern, daß die wachsende Zahl von Gastarbeitern, die bei uns eine menschenwürdige Existenz bei gerechter Entlohnung gefunden haben, ebenfalls verlangen kann, daß ihre Ersparnisse bei uns ohne weiteres frei konvertiert und in ihre Heimat überwiesen werden können. Ich darf auch ohne Übertreibung darauf hinweisen, daß die Bundesrepublik infolge ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten und im Bewußtsein ihrer außenpolitischen Verpflichtungen bis jetzt immer noch einen Weg gefunden hat, zum Teil unter schwierigsten Maßnahmen den von unseren amerikanischen Freunden als Ausgleich für die Stationierung ihrer Truppen in Europa geforderten Devisenausgleich zu erfüllen.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung will diesen Verpflichtungen auch in der Zukunft in einem vollen fairen Maße nachkommen. Sie muß auch aus diesem Grunde Wert darauf legen, daß eine deutsche Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik getrieben wird, die Überschüsse in einem für die Erfüllung dieser Leistungen notwendigen Ausmaße ermöglicht. Das ist nicht ein unberechtigter Egoismus, sondern das Ausbleiben deutscher Leistungen würde man uns dann sehr wohl in kürzester Zeit als bösen Willen — und das nicht einmal mit Unrecht — anrechnen.Ich darf zum Schluß noch eines sagen. Es sind da oder dort Gerüchte aufgetaucht, Meldungen erschienen, wir hätten oder der Bundesfinanzminister —
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Bundesminister Dr. h. c. Straußum in der dritten Person von ihm zu sprechen — habe nach der Währungskonferenz erklärt, die Franzosen würden abwerten, weil sie müßten. Das ist eine gezielte Falschmeldung, wie ich hier ausdrücklich sagen darf. Das ist eine gezielte Falschmeldung, mit der man offensichtlich psychologische Reaktionen und gewisse politische Verärgerungskonsequenzen auslösen wollte. Ich habe hier die Frage, die vom Zweiten Deutschen Fernsehen, von der Frau Krause-Brewer, an mich gerichtet worden ist:Wenn der Franc abgewertet wird, wovon ja nun immer wieder gesprochen wird, würde das im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung getroffen hat, unsere Wirtschaft nicht etwa doch zu stark belasten?Nach dem vom Bundespresseamt verteilten Text lautet die Antwort:Ich glaube, daß die von uns angebotenen Maßnahmen, also steuerliche Belastung des Exports, Entlastung des Imports, Verhinderung des Zustroms unerwünschten Spekulationsgeldes, dazu unter Umständen steuerliche Erleichterung deutschen Kapitalexportes, vor allen Dingen für Zwecke der Direktinvestitionen, und die Folgen einer französischen Abwertung, von der wir nicht wissen, ob sie überhaupt von der Regierung beschlossen werden wird, von der wir auch nicht wissen, in welcher Höhe sie eventuell beschlossen wird: das zusammengenommen ist das Opfer, das wir bringen müssen, aber dieses Opfer ist für uns geringer als eine schematische Aufwertung.In der anderen Äußerung heißt die Frage:Aber daß die französische Regierung sich entscheiden wird,— nämlich zur Abwertung —ist doch wohl keine Frage mehr, glauben Sie das?Antwort:Ich möchte der Entscheidung in keiner Weise vorgreifen. Es läßt sich sowohl der eine wie der andere Weg gehen.Ich habe das nicht gesagt, um hier irgendeine Apologie zu zelebrieren, sondern um an Hand der ja objektiv vorliegenden Texte nachzuweisen, daß man auch durch Manipulation gewisser Äußerungen versucht hat, Empfindlichkeiten zu wecken .und damit die Begründung für diese oder jene politische Reaktion. Ich darf, so wie der Herr Bundeswirtschaftsminister, feststellen: es ist von unserer Seite mit unseren Maßnahmen, den steuerlichen Maßnahmen, dem Kreditbeitrag, der Absicherung durch die Verordnung gemäß § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, keinerlei Forderung nach einer Gegenleistung verbunden worden, es ist keinerlei Forderung gestellt worden, es ist keinerlei Voraussetzung genannt worden: wir haben in der Konferenz wie nach der Konferenz betont, daß unsere Partner in ihrer Entscheidung völlig frei sind, sich aber darauf verlassen können, daß die Bundesrepublik Deutschland zur Wiederherstellung der internationalenWährungsordnung und zur Überwindung der bei anderen Ländern eingetretenen Schwierigkeiten ihren Beitrag leisten wird, ohne im mindesten irgendeinen Einfluß auf die souveränen Entscheidungen anderer Länder auszuüben.Wir sind dieser Meinung auch nicht nur aus Gründen der rhetorischen Kosmetik oder des internationalen Protokolls. Denn es ziemt uns, bescheiden zu sein und — sozusagen — das Polykrates-Modell nicht zu vergessen: Es kann über Nacht, morgen oder übermorgen, der Blitz auch in unser Haus einschlagen, und dann erwarten wir, daß sich die anderen mit ihrer Feuerwehr uns genauso zur Verfügung stellen, wie wir es bisher gegenüber anderen gezeigt haben.
Es wird so viel törichtes Zeug über Verlagerung der politischen Schwerpunkte in Europa, so viel törichtes Zeug über „die Deutschen wieder Nummer eins" geschrieben. Ich weiß nicht, ob diese hinterhältigen Lobpreisungen nicht eigentlich einen ganz anderen Zweck verfolgen, nämlich alte Ressentiments und Empfindlichkeiten zu wecken. Wir halten gar nichts von diesem Gerede. Wir wollen weder Nummer eins noch Nummer X sein. Wir wollen unsere Pflicht er- füllen, damit die freie Welt wieder in Ordnung kommt, damit der Prozeß des europäischen Zusammenwachsens nicht durch diese Probleme von neuem erschwert wird, und — wir wissen, was wir der Welt schuldig sind — wir hoffen, daß die Welt auch bereit ist, uns zu helfen, wenn wir einmal, was Gott verhüten möge, in diese Lage kommen sollten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pohle.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns auch weder unter Schillers „Räubern" fühlen noch mit der Regierung glauben, daß sie uns hier den „Ring des Polykrates" überreicht hat, so glaube ich doch sagen zu können, daß die Bundestagsfraktion der CDU/CSU der Meinung ist, daß mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine für die zukünftige Entwicklung unseres Landes recht bedeutsame Frage zur Diskussion gestellt wird. Sie befindet sich insoweit in Übereinstimmung mit der seriösen und sachkundigen Wirtschaftspresse, die die Dinge auch so sieht, daß sie von ungewöhnlicher Bedeutung sind.Meine Damen und Herren, das Problem betrifft nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern die gesamte freie Welt. Das Problem ist politisch und ökonomisch gleichermaßen schwerwiegend. Wir stehen, obwohl die Vorlage den Anschein eines nur steuertechnischen Gesetzes erweckt, dennoch an einer Weggabelung. Die Vorlage erfordert von uns ebenso wie von unseren westlichen Partnern die Grundsatzentscheidung, ob der Weg in -eine ständig wachsende und sich festigende marktwirtschaftliche Ordnung im Weltmaßstab fortgesetzt wird oder der Anfang zu einem bequem erscheinenden, aber später in einem Irrgarten endenden Weg eines sich
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10629
Dr. Pohleinternational. ausbreitenden Protektionismus und Dirigismus gemacht werden soll.Die Wirtschaft der Bundesrepublik, meine Damen und Herren, müßte schwersten Schaden erleiden, wenn etwa der Welthandel in die chaotischen Verhältnisse der 20er Jahre zurückfiele mit einem System von Nationalstaaten, die mit allen Mitteln gegeneinander kämpfen; eine der Folgen dieses Weges wäre eine allmähliche Abkapselung der einzelnen Volkswirtschaften gegeneinander. Das, glaube ich, ist hier das Grundproblem.Eingebettet in dieses Problem ergeht zugleich die Frage an alle Länder der westlichen Währungsgemeinschaft: Wie haltet ihr es mit der wirtschaftlichen und monetären Disziplin und mit der Stabilität? Ein weltweiter Austausch von Waren, Leistungen und Kapital kann bekanntlich nur dann reibungslos funktionieren, wenn die Währungen — also das Geld, in dem sich diese Vorgänge ausdrücken — in Ordnung sind und wenn ihr Tauschverhältnis der wirtschaftlichen Realität entspricht. Ist das nicht der Fall, sind Störungen der Weltwirtschaft und der einzelnen nationalen Wirtschaften unausweichlich. Internationale Störungen greifen auf Grund des Mechanismus des internationalen Währungssystems unweigerlich auf andere Volkswirtschaften über.Meine Damen und Herren, kein anderer als Lenin hat die Bedeutung der Geldwirtschaft für unsere Wirtschaftsordnung erkannt. Von ihm stammt der Gedanke: Wer den Kapitalismus zerstören will, der zerstöre sein Geld!Die Funktionsfähigkeit der modernen Wirtschaft hängt nun einmal vom geordneten Geldwesen ab. Die erbittertsten Gegner unseres Systems — z. B. Lenin — sind sich der Verwundbarkeit dieses komplizierten Ordnungsmechanismus sehr wohl voll bewußt.Das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung, meine Damen und Herren, ist im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums angesprochen, und die Herren Minister und der Herr Bundeskanzler haben dieses Gesetz bereits erwähnt. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist eines der vier Leitziele dieses Gesetzes. Bei außenwirtschaftlichen Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts muß die Bundesregierung alle Möglichkeiten der internationalen Koordination nutzen. Reicht dies nicht aus, sollen die zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel eingesetzt werden. Welche konkreten Maßnahmen im Einzelfall zu treffen sind, sieht das Stabilitätsgesetz bekanntlich nicht vor. Es überläßt das, anders als andere Behelfe, ganz bewußt einer besonderen Gesetzesinitiative; die Sache ist zur Sprache gekommen, als wir über das Stabilitätsgesetz berieten.Der Gesetzentwurf über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung mit einer Belastung der Exporte und einer Entlastung der Importe um 4 Prozent stellt in erster Linie eine Schutzmaßnahme für die deutsche Volkswirtschaft dar. Diese Maßnahme ist eine Konsequenz der im Stabilitätsgesetz niedergelegten Grundsätze. EineRestriktionspolitik, also eine Dämpfung der inneren Nachfrage, würde die Situation nicht verbessern, sondern nur verschlimmern; darauf hat der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Rede mit Nachdruck hingewiesen. Meine Fraktion stimmt der Auffassung der Bundesregierung und der Bundesbank durchaus zu, daß ein solches Instrument zur Zeit ungeeignet ist. Es würde nur die innere Nachfrage zugunsten der Auslandsnachfrage zurückdrängen. Damit würden die Außenhandelsüberschüsse vergrößert, und genau das nicht Gewollte würde eintreten. Außerdem müßte sich unsere Volkswirtschaft alsdann noch stärker auf zusätzliche Exporte orientieren.Der Gesetzentwurf ist darüber hinaus eine notwendige Konsequenz der internationalen vertraglichen Bindungen, die die Bundesrepublik eingegangen ist. Eine von ihnen ist das Abkommen von Bretton Woods vom Jahre 1944; ihm trat die Bundesrepublik im Jahre 1952 bei. Dieses Abkommen schreibt unter anderem als Leitsatz für Änderungen der Währungsparitäten vor — ich zitiere —:Ein Mitglied soll nicht eine Änderung der Parität seiner Währung vornehmen, es sei denn, um eine grundlegende Störung des Gleichgewichts zu beheben.Die folgenden Abschnitte von Bretton Woods legen die Einzelheiten für den Fall fest, daß doch Paritätsänderungen vorgenommen werden, jedoch bleibt festzuhalten, daß der übergeordnete Leitgedanke die Vermeidung — ich wiederhole: die Vermeidung — derartiger Änderungen ist. Dies ist ein ganz bedeutsamer Sachverhalt angesichts der ständigen Forderung nach einer Aufwertung.Meine Fraktion kann der Bundesregierung nur bestätigen, daß sie in Erfüllung ihrer internationalen vertraglichen Verpflichtungen handelt, wenn sie alle Möglichkeiten ausschöpft, bevor sie eine Änderung des Wechselkurses ins Auge faßt. Sie handelt hierbei auch in Übereinstimmung mit den in Art. 1 von Bretton Woods niedergelegten Vertragszielen. Dort wird als Aufgabe des Vertrages festgelegt, daß die Stabilität der Währungen zu fördern, geordnete Währungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern aufrechtzuerhalten und Währungsabwertungen aus Wettbewerbsgründen zu verhindern sind. Die Stabilität der Währungen sowie geordnete Währungsbeziehungen und die Ablehnung von diskriminierenden Währungspraktiken sind also die Basis von Bretton Woods. In der Sprache dieses Abkommens umfaßt der Begriff „Stabilität der Währung" nicht nur den inneren, sondern auch den äußeren Geldwert.Eine grundlegende Störung des Gleichgewichts ist bisher nicht übereinstimmend vom Internationalen Währungsfonds festgestellt worden, schon gar nicht, soweit die Bundesrepublik betroffen ist. Meine Fraktion ist daher der Meinung, daß die richtige Konsequenz aus dieser Sachlage eine befristete und kurzfristig zu verändernde Lösung ist, wie sie die vorgeschlagene Umsatzsteuervorlage ermöglicht. Sie ist im Augenblick notwendig, um den spekulativen
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10630 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Dr. PohleGeldbewegungen, von denen hier bereits gesprochen worden ist, Einhalt zu gebieten. Sie eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, eine Reform des Abkommens von Bretton Woods anzustreben. Wir sind der. Meinung, daß die letzten Ereignisse, aber auch z. B. die in der Mitte des Jahres stattgehabte Goldspekulation mit der dann folgenden Spaltung des Goldpreises wie auch die zahlreichen Stützungsaktionen für das englische Pfund, an denen die Bundesrepublik maßgeblich mitgeholfen hat, hinreichend klargemacht haben, daß hier auf die Grundsätze von Bretton Woods zurückgegriffen werden muß und wie notwendig andererseits eine Reform dieses Abkommens erscheint.Meine Damen und Herren, ist die Währungsstabilität eines der wesentlichen Leitziele des Abkommens von Bretton Woods, so liegt an dieser Stelle zugleich der wunde Punkt des Vertrages im Hinblick auf die festen Wechselkurse. Er begründet auch dessen Reformbedürftigkeit. Beide Bedingungen, Währungsstabilität und stabile Wechselkurse, können nur dann optimal und gleichzeitig erfüllt werden, wenn sich die Wirtschaftspolitik sämtlicher Vertragspartner gleichermaßen an diesen Zielen orientiert. Nun, wir alle wissen, daß das nicht der Fall ist. Wir haben Länder, die eine Politik monetärer Disziplin befolgen, und wir haben auf der anderen Seite Staaten, die seit Jahren eine Politik des leichten Geldes, leichter Inflation und großer Haushaltsdefizite auf ihr Panier geschrieben haben. Wirtschaftliche Spannungen und Disparitäten sind deshalb zwangsläufig. Bei den stabilitätsbewußten Ländern zeigen sich diese Spannungen in der ständigen Bedrohung durch die sogenannte importierte Inflation. Wir müssen anstreben, daß nationale Unterschiede nicht das internationale Währungssystem oder einzelne Mitglieder dieses internationalen Währungssystems bedrohen und zu wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen führen, vielmehr daß solche Störungen schon im Frühstadium aufgefangen werden. Wir müssen unseren Beitrag zur Sanierung des Weltwährungssystems leisten. Aber wir dürfen nur solche Maßnahmen beschließen, die unsere Konjunktur nicht gefährden.Damit komme ich zu den Alternativen, vor denen wir stehen. Wir haben vier zur Auswahl. Wir können eine multilaterale Lösung anstreben, wir können aufwerten, wir können die Umsatzsteueränderung beschließen, die die Bundesregierung vorgeschlagen hat, und wir können — darüber ist schon gesprochen worden, auch vom Bundeswirtschaftsminister und vom Bundesfinanzminister — als letzte Alternative eben gar nichts tun.Zum ersten Punkt, der internationalen Fortbildung multilateraler Lösungen, internationalen Währungsabkommen, habe ich die tragenden Gesichtspunkte bereits erwähnt. Aber dieser Weg wird, wenn überhaupt, nicht sofort zum Ergebnis führen können. Er erfordert Zeit. Es müssen unter den Mitgliedsländern Verbündete für den deutschen Standpunkt gewonnen werden. Dieser Weg kann daher nur in Kombination mit anderen, sofort wirksamen Maßnahmen beschritten werden.Soll man sich auf den Versuch beschränken, multilateral lediglich zu einer Neufestsetzung der Währungsparitäten zu gelangen? Das reicht angesichts der konträren wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Mitgliedsländer kaum aus. Es müßte gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen werden, daß zukünftige Störungen durch entsprechende Instrumente so reibungslos wie irgend möglich ausgeglichen werden. Dies kann nur durch eine Reform des Vertragswerks von Bretton Woods geschehen.Die CDU/CSU-Fraktion glaubt, daß wir auf diesem Wege fortschreiten müssen. Sie unterstützt die Bundesregierung deshalb in ihrem Bestreben, einen Beitrag zur Weltwährungssanierung zu leisten und sich um diese multilateralen Abkommen zu kümmern, ohne eine D-Mark-Aufwertung — die zweite Alternative — vorzunehmen.Wie der Herr Bundeskanzler und die beiden Herren Minister bereits hervorgehoben haben, hätte diese D-Mark-Aufwertung als Dauererscheinung verheerende Auswirkungen z. B. auf die bäuerliche Bevölkerung. Sie würde eine ungewöhnliche Erschwerung unserer Exportwirtschaft bedeuten, die uns ja im wesentlichen auch während der Rezession getragen hat. Unsere Exportquote ist seit 1961 von 15 auf 19 % gestiegen. Große Firmen und auch kleine mit einem Exportanteil von weit über 50 %, gerade auch in den Zonenrandgebieten, wären die Hauptbetroffenen.Lassen Sie mich stichwortartig einige Gründe nennen, die hier noch nicht zur Sprache gekommen sind. Die Bundesrepublik hat der internationalen Wirtschaft in den letzten Jahren kaum Liquidität entzogen. Unsere Zahlungsbilanz wirkt ohnedies als Bremse gegenüber dem Überschuß der Handelsbilanz. Die D-Mark ist ein sehr lohnendes Spekulationsobjekt; diesen Anreiz schaffen wir auch nicht durch eine Aufwertung im jetzigen Zeitpunkt weg. Im Gegenteil! Es kommt hinzu, daß der sogenannte Bumerang-Effekt der Kapitalexporte sehr fraglich ist, weil ein Teil der Erlöse ausländischer D-Mark-Anleihen z. B. von den Emittenten in offiziellen Devisenreserven angelegt wird. Die Bundesrepublik braucht auf der anderen Seite Überschüsse in ihrer Leistungsbilanz, und zwar erstens für den Bereich der Wiedergutmachung, zweitens für den Bereich der Entwicklungshilfe, drittens für etwaige Devisenausgleichsabkommen. Meines Erachtens ist der Ausgleich für die Überschüsse auch anders möglich. Ich erinnere an einen Teil des Buketts, das die Bundesregierung hier ausgebreitet hat, z. B. an Anreize für den Kapitalexport durch Investitionen im Ausland.Durch eine Aufwertung würde ein neuer Aufwertungsverlust der Bundesbank entstehen. Soweit ich weiß, ist der alte durch den Bund noch nicht völlig abgedeckt. In erster Linie aber würde sich ein ungeheurer Vertrauensverlust im Ausland ergeben. Meine Damen und Herren, fragen Sie die Exporteure, die von den traditionellen Absatzmärkten zurückkommen, z. B. aus Südamerika, aus Südostasien, aus Südafrika. Dort rechnet die Welt damit, daß die D-Mark fest bleibt und nicht durch ein Hin und Her beeinträchtigt wird.
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Dr. PohleEs ist unwahrscheinlich, daß eine Aufwertung das internationale Währungssystem stärken würde. Im Gegenteil, andere Länder würden dann um so weniger geneigt sein, eigene Maßnahmen zu ergreifen. Niemand kann erwarten, daß die Bundesrepublik die Folgen einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung in den anderen Ländern durch Maßnahmen in der Bundesrepublik selber ausgleicht.Noch schwerer — dies als letztes zur Aufwertung — wiegt für meine Freunde und mich das Risiko einer derartigen irrevisiblen Maßnahme angesichts der Unklarheit, welche Politik Frankreich und Großbritannien in der Wechselkursfrage einschlagen, einer Unklarheit, die bis heute noch nicht behoben ist, und welche Wirtschaftspolitik obendrein die neue Administration in den Vereinigten Staaten führen wird.Auch die Gefahr einer Kumulierung deutscher und französischer Maßnahmen — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat bereits darauf hingewiesen — muß gesehen werden. Eine solche Kumulierung kann für einzelne Wirtschaftszweige sehr gravierend, unter Umständen sogar tödlich wirken. Schließlich betrug der deutsch-französische Warenaustausch im Jahre 1967 18,5 Milliarden DM. Er lag damit innerhalb der EWG an der Spitze. Diese Zahl sollte uns zur Vorsicht mahnen. Ich bin daher der Ansicht, daß wir die Bundesregierung bitten müssen, unverzüglich Konsultationen mit Frankreich durchzuführen. Davon wird im wesentlichen auch die Beratung in den Ausschüssen abhängen, die stattfinden kann, sobald das Ergebnis der französischen Maßnahmen, die wir noch nicht kennen, auf dem Tisch liegt.So viel zur zweiten Alternative, der Aufwertung der D-Mark; ich habe sie damit abgelehnt.Die dritte Möglichkeit, meine Damen und Herren, stellt die vorgeschlagene Umsatzsteueränderung dar. Sie genießt den Vorzug, jederzeit abänderbar oder sogar aufhebbar zu sein. Sie tastet in ihrer Wirkung die realen Bedingungen ab und läßt wegen ihrer Flexibilität eine schnelle Anpassung zu. Der Vorschlag der Bundesregierung enthält drei Maßnahmen : Importförderung, Exporterschwerung und — in einem Paragraphen — einen Härteausgleich.Ich verhehle nicht, daß sich beachtliche Kräfte auch innerhalb meiner Fraktion zu Wort gemeldet haben, die aus vielerlei Gründen sehr starke Bedenken gegenüber der jetzt vorgeschlagenen Manipulation geäußert haben. Wir haben im vorigen Jahr das Mehrwertsteuergesetz verabschiedet, das eine Gleichstellung der indirekten Steuern im grenzüberschreitenden Verkehr mit sich brachte und mit dem komplizierten System von Umsatzausgleichsteuern und Umsatzsteuerrückvergütungen aufräumte. Der international anerkannte Grundsatz des neutralen Grenzausgleichs wird nunmehr zu Lasten der deutschen Industrie wieder verlassen, obwohl gerade dies ein Motiv — wenn auch nicht das alleinige — für den Systemwechsel war.Wir haben uns der Einführung einer entsprechenden Ermächtigung im Stabilitätsgesetz seinerzeit verschlossen. Heute, nach Inkrafttreten des Mehrwertsteuergesetzes, manipulieren wir nun erneut mit der Steuer. Nicht zu Unrecht — ich sage das ganz offen — ist deshalb auch bei den sehr ernsten Unterhaltungen in meiner Fraktion — wir haben viele Stunden darüber gesprochen — das Wort von der Denaturierung der Steuer- und Finanzpolitik gefallen. Die steuerliche Grenzregelung wird damit systemwidrig als Mittel der Konjunktur- und Währungspolitik eingesetzt. Auch dadurch wird ein starkes Moment der Unsicherheit in die langfristigen Dispositionen der Außenwirtschaft getragen.Wenn wir dennoch der Regierung die Zustimmung nicht versagen, so deshalb, weil wir in unserer Fraktion eine solche Maßnahme unter allen Umständen der Aufwertung vorziehen und weil andererseits die andere Alternative, auf die ich noch zu sprechen komme — nämlich die Dinge einfach auf sich beruhen zu lassen und Gewehr bei Fuß zu stehen —, heute nicht mehr gangbar ist.Wenn jemand sagt, daß der Effekt verloren ginge, den beispielsweise eine allgemeine Aufwertung hätte, wenn nicht alle Maßnahmen der Regierungsvorlage durchgeführt werden sollten — ich komme gleich darauf zurück —, dann muß ich sagen, daß eben die jetzt getroffene Maßnahme ein Behelf ist. Sie ist kein Aufwertungsersatz, sondern ein aliud. Sie ist mit anderen Maßnahmen zusammen als Bukett unseres guten Willens dafür bestimmt und geeignet, unter Beweis zu stellen, daß wir zu unserem Teil dazu beitragen wollen, die internationale Währungssituation zu entwirren.Wir müssen uns auch über die wirtschaftlichen Folgen klar sein. Deshalb haben die beiden Minister und der Herr Bundeskanzler mit großem Ernst über die wirtschaftlichen Folgen gesprochen, die diese Aktion auf dem Gebiet des Exports und im Bereich der Einfuhr auslösen kann. Die Folgen, die sich daraus ergeben, daß der Export erschwert wird, sind verhältnismäßig leicht zu übersehen.Wir müssen uns aber auch über die Folgen der Importerleichterung im klaren sein. Lassen Sie mich dazu kurz folgendes sagen. Bei allen Massengütern, bei allen Erzeugnissen, die von vielen Herstellern im In- und Ausland in gleicher Qualität hergestellt werden — also bei chemischen Zwischenprodukten, bei Walzstahl usw. — gibt es einen europäischen Marktpreis. Diesen Marktpreis bestimmt jeweils der niedrigste Anbieter. Sinkt dieser Marktpreis der ausländischen Wettbewerber nun durch Importverbilligung um 4 %, so werden nicht nur diese eingeführten Waren billiger, sondern sämtliche übrigen Produktionen, die ihren Marktanteil behalten wollen, müssen dieser Preissenkung folgen. Um ein Beispiel zu nennen: Beim Stahl führt die Senkung der Einfuhrpreise — heute werden schon mehr als 30 % des deutschen Marktes durch Einfuhren beliefert; vor wenigen Jahren waren es noch weniger als 20 % — zu einer Erlöseinbuße von etwa 600 Millionen DM. Nimmt man dazu die Einbußen aus der Exportsteuer, so summiert sich dieser Betrag auf 800 Millionen DM.
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10632 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Dr. PohleMan muß die Frage aufwerfen, ob es richtig ist, daß — um mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu sprechen — dieses Gesetz nicht „durchlöchert werden soll", oder ob — um mit dem Bundesfinanzminister zu reden — dieses Gesetz „ohne substantielle Einschränkungen" hingenommen werden muß und soll, oder ob nicht die Möglichkeit besteht — so habe ich die Ausführungen der beiden Minister verstanden —, in den Ausschußberatungen Überlegungen anzustellen, aus denen sich eine gewisse flexible Handhabung dieses Gesetzes ergibt. Dazu gehört auch die bereits erörterte Frage .des Ausschlusses der Altverträge. Ganz abgesehen davon, daß man in den Ausschüssen zumindest die rechtsstaatlichen Gründe untersuchen muß, betrifft nun gerade diese Miterfassung der Altverträge eine ganze Reihe von Unternehmen, die in der Rezessionsphase die Beschäftigung der Unternehmen und ihrer Belegschaften durch Exportlieferungen sichergestellt haben. Diese Miterfassung wirft jede vernünftige Kalkulation über den Haufen. Die 4 % bleiben eben bei den Exporteuren hängen.Ich wiederhole — ich habe es vorhin schon gesagt —: Dieses Gesetz soll nicht ein voller Ersatz für die Aufwertung sein, sondern es soll die Exporte ad futurum erschweren, und es soll die Importe erleichtern, aber es kann nicht genau denselben Effekt wie eine Aufwertung erzielen. Deshalb muß es unter anderen Gesichtspunkten betrachtet, d. h. flexibel gestaltet werden.Meine Damen und Herren, ich habe damit zum Ausdruck gebracht, daß die große Mehrheit meiner Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmt. Wir hoffen und wünschen, daß wir mit der Verwaltung und mit den zuständigen Ministern in den Ausschüssen die strittigen Fragen sehr eingehend erörtern und möglichst klären können.Eine vierte Möglichkeit wäre, nichts zu tun. Ich stelle fest, dieser Weg ist nicht gangbar. In Wirklichkeit stellt er eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen dar. Die Folgen dieser Entscheidung würden sein: ein Inflationsimport, der sich binnenwirtschaftlich in Kosten- und Preissteigerungen und in Einfuhrbeschränkungen bei unseren Handelspartnern niederschlagen würde, ein Verlust der Solidarität innerhalb der westlichen Währungsgemeinschaft, gleichzeitig ein Andauern der Spekulation und der spekulativen Aufkäufe. Wir würden uns außerdem der Möglichkeit begeben, daß die Maßnahmen unserer Partner dann in Übereinstimmung mit uns getroffen werden. Der Druck würde so außerordentlich stark auf uns sein, daß wir, glaube ich, mit gutem Gewissen sagen können: Dieser Weg ist nicht gangbar.Wir dürfen es uns dabei auch nicht zu leicht machen. Die Bundesrepublik hat in der Zeit von 1966 bis September 1968 einen Ausfuhrüberschuß erzielt, der die Größenordnung von mehr als 36 Milliarden DM erreicht. Das ist ein Tatbestand, den man auch nicht ohne weiteres ignorieren kann. Wir haben also nicht darüber zu entscheiden, ob wir einfach nichts tun, sondern die Entscheidung, vor der wir stehen, lautet: Protektionismus bei den anderen oder Verhinderung dieser Entwicklung. Das ist die Alternative.Angesichts dieses Sachverhalts kann die Antwort nur lauten — und das ist der Standpunkt meiner Fraktion —: Wir müssen handeln, und wir werden es auch tun. Es ist daher wichtig, daß die Vorschläge der Bundesregierung ein ganzes Paket umfassen. Neben umsatzsteuerlichen Maßnahmen stehen also die Kredithilfen von 2,4 Milliarden DM allein an Frankreich, die Anwendung des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, die Abwehr heißen Geldes und steuerliche Erleichterungen für Direktinvestitionen im Ausland. Meine Fraktion ist der Meinung, daß es sich hierbei um ein wohlabgewogenes Bündel von Maßnahmen handelt, dem sie ihre Zustimmung erteilen kann.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Wirtschaft der Bundesrepublik ist nun einmal auf den Außenhandel und damit auf eine funktionierende Weltwirtschaft angewiesen. Dies verbietet uns, angesichts der bei unseren Nachbarn bestehenden Probleme tatenlos zu bleiben. Wir gehen dabei von der Voraussetzung aus, daß, wenn wir handeln, auch die anderen handeln müssen. Meine Fraktion unterstützt deshalb die Vorschläge der Bundesregierung. Ich bin der Meinung, daß wir damit erstens den internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik nachkommen, zweitens den Geboten der internationalen Solidarität entsprechen und damit die Voraussetzung für eine entsprechende solidarische Haftung auch und gerade unserer Nachbarn schaffen, drittens der Gefahr einer Desintegration des Welthandels einen Riegel vorschieben, viertens den Weg für nationale Gesundungsmaßnahmen bei den am meisten gefährdeten Ländern erleichtern und fünftens Zeit für eine Reform des Abkommens von Bretton Woods gewinnen.Die Bundesrepublik ist im Begriff, als Außenhandelsland, das auf Handelsbilanzüberschüsse angewiesen ist, einen positiven Beitrag zur Gesundung des internationalen Währungssystems zu leisten. Damit erfüllen wir eine uns auferlegte Pflicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das kleine Bonn war in der vorigen Woche ein Zentrum weltpolitischen Interesses. Regierungen und Währungspolitiker aus aller Welt blickten zur Hauptstadt am Rhein, teils mit Bangen, teils hoffend, daß die deutsche Bundesregierung eine Lösung der jüngsten internationalen Währungskrise ermöglicht und mithilft, notleidend gewordene Währungen befreundeter Staaten zu sanieren, d. h. der internationalen Währungsspekulation endlich ein Ende zu bereiten.Bei den Bonner Beratungen des Zehnerklubs hat sich die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung zu währungspolitischer Solidarität nicht entzogen. Die von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen stellen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerinternationalen Währungskrise dar. Das Verhandlungsgeschick und das Stehvermögen der deutschen Delegation verdienen volle Anerkennung. Dem Vorsitzenden des Zehnerklubs, Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller, gebührt der Dank für seinen raschen Entschluß, die währungspolitische Vertretung der zehn führenden westlichen Industrieländer so kurzfristig nach Bonn eingeladen zu haben.
Er überholte damit die internationale Spekulation und die Folgen einer solchen Spekulation.Dank schulden wir auch dem Bundesfinanzminister, Herrn Strauß, der erneut bewiesen hat, daß er — zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister — in der Lage ist, in einer für die Bundesrepublik Deutschland entscheidenden Situation eine wohlverstandene Koordination der Interessen befreundeter Länder mit den Möglichkeiten der Leistungskraft der Bundesrepublik zu verbinden.
Ich füge als meine persönliche Meinung hinzu: nicht nur zu verbinden, sondern für eine als richtig anerkannte Konzeption überzeugend, mit Festigkeit und daher auch erfolgreich einzutreten.Die Konferenz selbst erbrachte den Beweis, daß die währungspolitische Kooperation der westlichen Industriestaaten auch bei sehr harten Auseinandersetzungen bei unterschiedlichsten Interessenlagen zu einem Ergebnis für alle Beteiligten führen kann, das nicht negiert, sondern das konstruktive Lösungen anstrebt. Der Zehnerklub bat nicht das Recht, verbindliche Entscheidungen zu treffen; er kann nur Empfehlungen aussprechen und den Versuch unternehmen, einen gemeinsamen Weg aufzuzeigen. Welche Mittel die betreffenden Länder einsetzen, unterliegt ihrer souveränen Bestimmung. Die Bundesrepublik hat zur Beseitigung dieser internationalen währungspolitischen Krise nicht die ihr vielfach und hartnäckig von befreundeten Ländern nahegelegte Aufwertung vorgenommen, sondern statt dessen Maßnahmen gewählt, die der wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik angemessen sind und die in vieler Hinsicht negativen Wirkungen einer Aufwertung vermeiden.Im güterwirtschaftlichen Bereich soll das Gesetz über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung für die Umlenkung der Handelsströme auf dem Binnenmarkt durch eine steuerliche Belastung des Exports und eine entsprechende Subventionierung des Imports sorgen. Das ist auch eine Aufgabe unserer neuen Mehrwertsteuer, die durchaus die Anerkennung und Billigung der Brüsseler Kommission findet, und es ist abwegig, zu unterstellen, daß das nicht zu den Aufgaben einer konstruktiven Steuerpolitik gehöre. Die geldwirtschaftliche Normalisierung im internationalen Zahlungsverkehr läßt sich durch die Einführung einer Genehmigungspflicht für Geld- und Kreditgeschäfte von Gebietsfremden auf Grund des Außenwirtschaftsgesetzes erreichen. Darüber hinaus beschloß der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank eine Erhöhung der Mindestreservesätze für einströmendes Auslandsgeld.Die Bundesregierung hat schon in der Zeit vor den turbulenten Ereignissen der letzten Woche immer wieder und mit Nachdruck betont, daß sie nicht beabsichtige, den Außenwert der D-Mark zu verändern. Auch auf der diesjährigen Weltwährungskonferenz Ende September legte Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller diese Auffassung mit aller Deutlichkeit dar. Mitte Oktober hat der Bundeswirtschaftsminister vor dem Deutschen Bundestag über die Konferenz des Weltwährungsfonds und die Tagung der Weltbank berichtet. Er konnte auf den Erfolg seiner Anstrengungen verweisen, die anderen Länder davon zu überzeugen, daß die Entwicklung unserer Zahlungsbilanz keineswegs dazu zwinge, die Aufwertung der D-Mark zu fordern. In seiner Begründung hat Professor Schiller damals wörtlich ausgeführt, und ich möchte an diese Ausführungen gern erinnern:So wenig ein Defizitland gedrängt werden kann, zum Ausgleich seiner Zahlungsbilanz eigene Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen, so wenig sollte ein Überschußland gezwungen werden, seine mühselig wiedererrungene Stabilität zu opfern, bloß weil sich andere Länder in einem Inflationsprozeß befinden. Ich sage es noch deutlicher: Es ist auf jeden Fall unzumutbar, daß wir Deutschen allein sozusagen an uns selbst jene Fehler korrigieren, die andere Länder im eigenen Hause begangen haben. Jeder hat doch seine Pflichten, und diese Pflichten sind im Gegensatz zum Grundsatz des Weltwährungssystems nicht konvertibel. Deshalb versuchen wir ja auch mit allen Mitteln, unsere eigenen Pflichten, die uns aus unserer wirtschaftlichen Überschußlage erwachsen, zu erfüllen.Leider hat die Spekulation auf eine Aufwertung der D-Mark — das zeigte die hektische Entwicklung der jüngst vergangenen Wochen — dennoch nicht abgenommen, sondern zugenommen. Immer neue Gerüchte über eine mögliche Aufwertung der D- Mark führten dazu, daß die Bundesrepublik — wie auch vor der Aufwertung im Jahre 1961 — das Ziel spekulativen „heißen" Geldes aus aller Welt geworden ist. In einem in der Währungsgeschichte bisher einmaligen Ausmaß strömten innerhalb weniger Tage weit über 7 Milliarden DM fluktuierenden ausländischen Geldes in die Bundesrepublik. Dieser Strom wurde von der Absicht gesteuert, aus einer erwarteten Aufwertung gewissermaßen über Nacht einen Spekulationsgewinn zu erzielen, der bei einem Aufwertungssatz von 7,5 v. H. allein für die erwähnten 7 Milliarden DM einen Gewinn von 525 Millionen DM erbracht hätte. Solche Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, und das ist gut so. Insbesondere der Franc, der seinerseits als abwertungsverdächtig galt, aber auch das noch kränkliche Pfund gerieten bei diesen nicht von uns verschuldeten Kapitalfluchtbewegungen immer mehr und immer stärker unter einen unerträglichen Druck.Angesichts dieser eskalierenden Entwicklung mußte Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller auf der überraschend nach Bonn einberufenen Währungskonferenz des Zehnerklubs Mitte vergangener
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10634 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. MöllerWoche unzweideutig klarstellen, daß die D-Mark entgegen aller Spekulationen und trotz des mittlerweile massiven Drucks anderer Länder nicht im Alleingang aufgewertet wird. Auch Bundeskanzler Kiesinger hat, allerdings mit einer Einschränkung, am 22. November mit aller Entschiedenheit bekundet, daß eine Aufwertung während seiner Amtszeit ausgeschlossen sei.Trotz dieser entschiedenen Haltung, die D-Mark nicht aufzuwerten, erklärte sich die Bundesregierung bereit, einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der internationalen Währungskrise und zum Abbau der Zahlungsbilanzdefizite anderer Länder zu leisten. Nunmehr liegt es an diesen Ländern mit defizitären Zahlungsbilanzen, ihren Teil beizutragen, daß die von der Bundesregierung beschlossenen handelspolitischen Maßnahmen die erwarteten Erfolge zeitigen. Ich möchte klar aussprechen, daß die Realisierung unserer Absichten für die deutsche Wirtschaft eine nicht unerhebliche Belastung mit sich bringt. Wir erwarten auch aus diesem Grunde, daß sich die Konjunkturpolitik und die monetären Dispositionen in den währungsschwachen Ländern entschiedener als bisher dem Inflationsprozeß widersetzen. Auf das Wie können wir keinen direkten Einfluß nehmen. Aber ich meine, wir haben doch wohl das Recht, Bedauern auszudrücken, wenn man sich vom Ideal des freien Handels über die Grenzen hinweg entfernt und die unbestrittene Realität des Marktes zu negieren versucht.Es sei deutlich gesagt: bisher haben sich die anderen Welthandelsländer an ihre eigenen Fehler kaum erinnert oder erinnern lassen. Selten fand man, insbesondere auf englischer Seite, eine so ehrliche und selbstkritische Haltung, wie sie einer großen Zeitung vom 21. November 1968 entnommen werden konnte.Die Zeitung schrieb:Dabei ist die einzige Sünde der Deutschen, daß sie nicht über ihre Verhältnisse gelebt haben, die Preise stabil hielten, die Staatsausgaben nicht ins Uferlose ließen und das Sparen förderten.Tatsächlich muß man immer wieder daran erinnern, daß die bei uns in der Vergangenheit erreichte Preisstabilität, die zu den Exporterfolgen unserer Wirtschaft wesentlich beigetragen hat und nicht zuletzt durch Lohnverzichte der Arbeitnehmer bezahlt wurde, dem französischen, dem englischen und dem amerikanischen Arbeiter einen Teil seines Lebensstandards mitfinanziert hat.
Hierauf wurde mit aller Deutlichkeit und mit Recht von Franz Thoma in der Süddeutschen Zeitung am 21. November 1968 hingewiesen. Würden nämlich unsere Partnerländer, soweit ihr gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht gestört ist, mit ihrer bisherigen Wirtschaftspolitik fortfahren und z. B. einen unverminderten Preisanstieg im Ausland ermöglichen, so wäre der durch die Belastung unseres Exports für diese Länder geschaffene Wettbewerbsvorteil bald wieder vertan.Die vorgeschlagene Lösung, die Umsatzsteuer beim grenzüberschreitenden Warenverkehr in den Dienst der Währungspolitik und damit der außenwirtschaftlichen Absicherung zu stellen, hält die sozialdemokratische Bundestagsfraktion für notwendig und richtig. Ich muß allerdings darauf hinweisen, daß der jetzt erforderlich gewordene Gesetzesweg und die damit verbundene zeitliche Verzögerung, wenn nicht noch andere Schwierigkeiten auftreten, hätten vermieden werden können, wenn seinerzeit bei der Beratung des Stabilitätsgesetzes der sozialdemokratische Antrag auf Aufnahme eines umsatzsteuerrechtlichen außenhandelspolitischen Instruments in das Stabilitätsgesetz realisiert worden wäre.
Grundsätzlich sprachen sich damals zwar sowohl der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages als auch die Bundesregierung nicht gegen eine konjunkturelle Anpassung der Umsatzausgleichsteuer aus, sie lehnten jedoch eine Anpassung nach Gütergruppen ab. Der Antrag meiner Fraktion wurde damals unter Hinweis auf die durch die Einführung der Nettoumsatzsteuer am 1. Januar 1968 veränderte Rechtslage nicht in das Stabilitätsgesetz aufgenommen. Bei den Ausschußberatungen haben die Vertreter der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zwar die Veränderung der Rechtslage anerkannt, die ersatzlose Streichung dieses Instruments aber nicht für richtig erachtet. Bei Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes forderte der Deutsche Bundestag von der Bundesregierung bis Anfang 1968 — ich wiederhole: bis Anfang 1968 — die Überprüfung der Möglichkeiten, die binnenwirtschaftliche Stabilitätspolitik durch steuerliche Maßnahmen gegen außenwirtschaftliche Störungen abzusichern. Ich erinnere auch diejenigen Kollegen daran, die vielleicht in ihrer heutigen Stellungnahme daran nicht mehr erinnert werden möchten.
Ich muß feststellen, das Ergebnis dieser Prüfung ist dem Deutschen Bundestag bis heute noch nicht vorgelegt worden.
In der Variierung des steuerlichen Grenzausgleichs sehe ich ein wirksames Mittel, einer internationalen Spekulation auf eine Aufwertung entgegenzutreten. Allein die Möglichkeit, für ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht mit gezielteren und elastischeren Mitteln als einer Aufwertung zu sorgen, macht nämlich das Risiko für spekulative Kapitalbewegungen unkalkulierbar. Das Vorhandensein einer Ermächtigung für die Bundesregierung — das sagen wir nicht zum erstenmal; das haben wir auch schon gesagt, als wir uns in der Opposition befanden —, den steuerlichen Grenzausgleich im Verordnungswege zu verändern, hätte mit Sicherheit verhindert, daß vagabundierendes Geld in einem solchen Ausmaß wie in den vergangenen Tagen nach Deutschland geflossen wäre. Deshalb bedaure ich, daß wir mit dem Absicherungsgesetz nur eine einmalige Maßnahme beschließen, statt eine Ermächtigung für die Bundesregierung generell vorzunehmen und dem Parlament ein nach-
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10635
Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerträgliches Aufhebungsrecht einzuräumen, wie es von uns seit langem angestrebt worden ist.
Die Bundesregierung hat mit ihren Beschlüssen ihrem Auftrag nach den §§ 1 und 4 des Stabilitäts-und Wachstumsgesetzes entsprochen und Instrumente vorbereitet, die das außenwirtschaftliche Gleichgewicht wahren sollen. Der Leistungsüberschuß im Jahre 1968 wird sich trotz der angestiegenen Importe nicht vermindern, sondern mit 16 Milliarden DM annähernd die Höhe des Vorjahres aufweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die deutsche Wirtschaft in der Rezession des Jahres 1967 ihren Absatz wegen der fehlenden Binnennachfrage verstärkt auf dem Auslandsmarkt gesucht hat. Die jüngsten Daten von Oktober 1968 zeigen die bedenkliche Entwicklung des Außenhandels noch deutlicher auf: Die Ausfuhr stieg um 16,9 % oder um 9,6 Milliarden DM und war damit größer als je zuvor in einem Monat. Der Exportüberschuß hat sich von 1,5 Milliarden DM im September auf knapp 1,8 Milliarden DM im Oktober 1968 erhöht. Trotz des rezessionsbedingten Exportdrucks hatte der Außenhandel im Oktober 1967 nur mit einem Überschuß von 1,6 Milliarden DM abgeschlossen. Die Bundesregierung wies zur Begründung des Absicherungsgesetzes auf die unterschiedliche Preisentwicklung in der Bundesrepublik und bei den wichtigen Handelspartnern hin. So betrug der Preisauftrieb in Großbritannien und in Frankreich annähernd 5% gegenüber dem Vorjahresdurchschnitt. Die Bundesregierung hat nicht nur ein berechtigtes Interesse, sondern sie ist nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz sogar dazu verpflichtet, eine Anpassung an das gestiegene Preisniveau dieser Länder zu verhindern.Auf diese Vorgänge bin ich deshalb ausführlich eingegangen, weil in der Öffentlichkeit die umsatzsteuerlichen Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung nur als ein Akt der Wirtschaftsgemeinschaft angesehen werden und das vitale eigene Interesse der Bundesrepublik an diesen Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung verkannt wird.Die deutschen Bemühungen zur binnenwirtschaftlichen Absicherung und zur Stabilität des internationalen Währungssystems müssen in engem Zusammenhang mit den Bemühungen der übrigen Länder des Zehnerklubs betrachtet werden, in ihrem Bereich für eine Normalisierung der Währungsbeziehungen zu sorgen. Die Bundesregierung hat mit ihrer Bereitschaft, Maßnahmen für den Abbau des deutschen Handelsbilanzüberschusses zu ergreifen, den Grundsatz bestätigt, daß auch die Überschußländer für die internationale Währungsstabilität verantwortlich sind. Selbstverständlich werden die Defizitländer dadurch nicht von ihrer Verpflichtung befreit, alles zu unternehmen, um die Ursachen der Störungen des Währungssystems dort zu beheben, wo sie entstanden sind.Lassen Sie mich nun zu dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag einige wenige Bemerkungen machen. Wie Sie wissen, soll die seitAnfang 1968 eingeführte vollständige Entlastung der Exporte von der inländischen Mehrwertsteuer zeitweilig aufgehoben und so die Ausfuhr mit einer Steuer von 4 v. H. belastet werden. Demgegenüber werden die Importe für einen begrenzten Zeitraum von 16 Monaten nicht mit dem vollen inländischen Mehrwertsteuersatz belastet. Die Variation der Umsatzsteuer betrifft also nur den grenzüberschreitenden Warenverkehr, nicht dagegen den Kapital- und Dienstleistungsverkehr. Die steuerliche Maßnahme bleibt auf 16 Monate beschränkt und kann jederzeit vor Ablauf dieser Frist wieder aufgehoben werden, wenn die gesamtwirtschaftliche Lage das erfordert.Ich halte diesen Weg gegenüber einem endgültigen Eingriff, wie ihn eine Aufwertung darstellt, für erheblich besser. Die Bundesregierung behält damit ihre Aktionsfähigkeit auch weiterhin, während eine Aufwertung mit ihrer kaum übersehbaren multiplikativen Wirkung nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, es sei denn durch eine nachfolgende Abwertung. Damit wäre aber praktisch allen geschadet und keinem geholfen.Von der Verbilligung des Imports und der Belastung des Exports ist eine wesentliche Erhöhung des inländischen Güterangebots und damit eine Dämpfung des Preisauftriebs zu erwarten. Wie wir hören, haben überschlägige Berechnungen ergeben, daß mit einer Reduzierung unserer Handelsbilanzüberschüsse in einer Größenordnung von rund 5 Milliarden DM gerechnet werden kann. Gleichzeitig werden durch den Abbau unserer eigenen Handelsbilanzüberschüsse auch die Handelsbilanzdefizite unserer Partnerländer reduziert. Auch ich gehe davon aus, daß durch das aus der Reduktion der Handelsbilanzüberschüsse fließende vermehrte Güterangebot der bisher ohne außenwirtschaftliche Absicherung für das Jahr 1967 geschätzte Preisanstieg von 2,5 bis 3 v. H. um einen Prozentpunkt vermindert wird. Dabei wäre daran zu erinnern, daß die letzte Schätzung des Interministeriellen Arbeitskreises für die Preisentwicklung des Jahres 1968 von einem Preisanstieg ausgeht, der bei 1,9 v. H. liegt.Allerdings, meine Damen und Herren, würde der Erfolg dieser handelspolitischen Maßnahmen, nämlich die binnenwirtschaftliche Preisstabilität gegenüber außenwirtschaftlichen Störungen abzusichern und gleichzeitig einen wirksamen deutschen Beitrag zur Verbesserung der internationalen Währungssituation zu leisten, in dem Umfang gefährdet, als nicht vertretbare Ausnahmeregelungen zugelassen werden.Eine Ausnahme gilt allerdings für die Landwirtschaft, der auf Grund — und das ist der einzige, aber entscheidende und für uns nicht wegzudiskutierende Grund — der EWG-Agrarmarktordnung politisch und vertraglich ein bestimmtes Preisniveau garantiert ist. Gerade das Problem der EWG-Agrarmarktordnung war bei den Überlegungen um eine Aufwertung der D-Mark von erheblichem Gewicht; denn eine Aufwertung hätte das Nominaleinkommen der Landwirte je Aufwertungsprozentpunkt um bis zu 250 Millionen DM vermindert. Bei einem Aufwertungssatz von z. B. 7 v. H. wäre ein Einkommensaus-
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möllerfall für die Landwirtschaft von jährlich bis zu 2 Milliarden DM entstanden. Eine so plötzliche Veränderung des gesamten agrarischen Preisniveaus hätte bei der nun einmal vorhandenen EWG-Agrarmarktordnung außerordentlich schwerwiegende ökonomische, soziale und politische Konsequenzen. Ganz zweifellos wäre ein solcher Einkommensausfall in dieser Größenordnung Anlaß zu entsprechenden Ausgleichsforderungen an die öffentliche Hand geworden. Ich brauche in diesem Hohen Hause nicht weiter zu belegen, welche Folgen sich hieraus für die Finanzdispositionen, insbesondere für die mittelfristige Finanzplanung ergeben hätten.Es ist bekannt, daß die Exportabhängigkeit der westdeutschen Wirtschaft seit dem Jahre 1961 weiter gestiegen ist und daß sich die Exportquote, d. h. die Ausfuhr in Prozent des Bruttosozialprodukts, erhöht hat. Gerade diese Überlegungen haben sehr wesentlich zu der entschiedenen Haltung der Bundesregierung gegenüber einer Aufwertung der D-Mark beigetragen und führten konsequenterweise zu den nun vorgeschlagenen umsatzsteuerlichen Maßnahmen. Eine Aufwertung würde aber auch die deutsche Exportwirtschaft — daran muß ich alle die erinnern, die Telegramme und Briefe schicken — zweifellos härter getroffen haben als die jetzige Regelung. Wie der deutschen Presse zu entnehmen ist, werten auch viele Exporteure die Zusatzsteuer als das geringere Übel. Eine Aufwertung hätte eine dauerhafte Verschlechterung unserer Wettbewerbsposition auf dem Weltmarkt hervorgerufen, ganz abgesehen von der doch durch niemanden zu bestreitenden Tatsache, daß der Aufwertungssatz sicherlich höher gewesen wäre als 4 v. H.
Meine Damen und Herren, gerade die Wahl des in jeder Hinsicht richtigen Aufwertungssatzes ist ein schwer lösbares Problem. Der Erfolg einer Aufwertung hängt ganz entscheidend von der absolut richtigen Festsetzung des Korrektursatzes ab. Die Gefahr einer Fehlentscheidung ist nunmehr durch eine im richtigen Zeitpunkt korrigierbare außenhandelspolitische Intervention vermieden worden.Wie wir vom Bundesfinanzminister gehört haben, ergibt sich bei der Gegenüberstellung des Ausfalls an Einfuhrumsatzsteuer von 2,8 Milliarden DM und des Mehraufkommens aus der Belastung der Ausfuhr von 4,1 Milliarden DM ein Saldo — nur auf dem Papier stehend — zugunsten des Bundes von 1,3 Milliarden DM. Bei der Bewertung der finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte ist jedoch zu berücksichtigen, daß eine Verminderung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer erwartet werden muß; denn die Kostenerhöhung im Export wird zu einer Einschränkung der Exportgewinne führen. Die Steuer im Export und die Umleitung der Produktion auf den Binnenmarkt bei der dort zunehmenden Konkurrenz hat eine Reduzierung der Gewinne der exportorientierten Unternehmen zur Folge. Dem steht die Ertragssteigerung bei den Importeuren gegenüber, soweit nicht die Steuersubvention in Form von Preissenkungen — was zu hoffen ist — an die Abnehmer weitergegeben wird. Die genaue Höhe dieser steuerlichen Sekundärwirkung läßt sich noch nicht klar übersehen. Insgesamt betrachtet dürften die umsatzsteuerlichen Mehreinnahmen, die aus den beabsichtigten Maßnahmen zu erwartenden Steuermindereinnahmen, wahrscheinlich, aber nur wahrscheinlich, noch übersteigen. Deswegen warne ich davor, in den Ausschußberatungen mit einem Saldo von mehreren hundert Millionen D-Mark zugunsten des Bundesfinanzministeriums zu rechnen. Ich bin überzeugt davon, ein solcher Saldo wird sich nicht einstellen.Das mit dem Aufwertungsgesetz verfolgte Ziel läßt sich nur erreichen, wenn die binnenwirtschaftlichen Hilfen für die in ihrer Wettbewerbsfähigkeit betroffenen Wirtschaftszweige eng begrenzt bleiben.Wem wird nun die Erleichterung der Einfuhr nützen? Preisermäßigungen werden erfahrungsgemäß am ehesten dann weitergegeben, wenn die importierte Ware möglichst rasch an den Endabnehmer gelangt. Durch eine Senkung der Steuerbelastung auf Einfuhrprodukte ist eine Preisermäßigung möglich. Es ist empirisch nachweisbar, daß die Nachfrageelastizität nach Fertigerzeugnissen sowohl hinsichtlich des Einkommens als auch bezüglich der Preise relativ hoch zu veranschlagen ist. Bei unseren Bemühungen um eine Reduzierung des Leistungsbilanzüberschusses im Interesse einer Stabilisierung des Preisniveaus und zum Nutzen unserer Partnerländer kommt uns dabei der relativ hohe Anteil von Fertigprodukten an der Gesamteinfuhr mit fast 30 v. H. zugute. Auch Wirtschaftsbereiche, deren Produktion stark von importierten Rohstoffen oder Halbfertigfabrikaten abhängig ist, werden durch die Importförderung in die Lage versetzt, ihre Erzeugnisse am Inlandsmarkt billiger anzubieten. Von dieser Seite ist also ein preisregulierender Einfluß zu erwarten. Andererseits wird bei der Exportwirtschaft durch die Verbilligung der Einfuhren bei hohen Importen die durch Verteuerung des Exports entstandene Belastung gemindert.Wertet man die vorgesehenen umsatzsteuerlichen Maßnahmen im Vergleich zu den Folgen einer Aufwertung, so kann man nach alledem sagen, daß lediglich der grenzüberschreitende Warenverkehr, d. h. die Handelsbilanz, betroffen wird, während die Nachteile, die eine Aufwertung für die Kapitalbilanz gehabt hätte, vermieden werden können.Aus der Aufwertung hätten sich ganz zwangsläufig negative Konsequenzen insofern ergeben, als sie die Kapitalbilanz kaum übersehbar belasten würde. Hierfür ein, wie ich meine, überzeugendes Beispiel. Die Erträge westdeutscher Unternehmen aus Direktinvestitionen im Ausland wären — umgerechnet in D-Mark — durch die Aufwertung vermindert worden. Das würde wiederum in erheblichem Maße eine Dämpfung der westdeutschen Investitionsbereitschaft im Ausland bewirken. Der Kapitalexport wäre erschwert! Andererseits wären im Ausland die Besitzer deutscher Wertpapiere und Gesellschaften mit internationalen Interessen zu weiteren Engagements in der Bundesrepublik angeregt, weil Zinsen und Gewinne in D-Mark — in ausländischer Währung ausgedrückt — einen höheren Wert repräsentierten.
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Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. MöllerDie steuerliche Regelung macht keine Neubewertung der in ausländischer Währung bestehenden Forderungen und Verpflichtungen notwendig, so daß Aufwertungsverluste und natürlich auch Aufwertungsgewinne ausgeschlossen sind.Das gleiche gilt für die Währungsreserven der Deutschen Bundesbank, für die bei einer Aufwertung ein Abschreibungszwang besteht, der nach dem Bundesbankgesetz aus den Gewinnanteilen des Bundes zu tragen gewesen wäre. Somit ist dem Bund ein erheblicher Einnahmeausfall erspart geblieben. Das ist ein sehr gewichtiges Argument, da wir wissen, daß die Deutsche Bundesbank als Folge der D-Mark-Aufwertung in 1961 jahrelang keine Gewinne mehr an den Bund abführen konnte. Das waren Beträge, die uns in unseren Haushaltsdispositionen außerordentlich gefehlt haben. Diesmal würde es sich um eine Größenordnung von 3 Milliarden DM handeln, die wir vom Bund an die Deutsche Bundesbank abzuführen hätten.Im übrigen halte ich es für begrüßenswert, daß durch unsere Konzeption die Vermögenswerte deutscher Staatsbürger im Ausland als Folge einer Aufwertung vor Schaden bewahrt werden konnten.Es ist selbstverständlich, daß bei dieser Debatte auch das Problem — Herr Kollege Pohle hat es ebenfalls getan — der „alten Kontrakte" erörtert werden muß. Der Gesetzentwurf stellt nur auf den Zeitpunkt der Ausfuhr von Waren und nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab. Durch einen Berg von Telegrammen und Briefen an alle Abgeordnete — zum Nutzen der Deutschen Bundespost! — ist von seiten der Exportwirtschaft verlangt worden, sämtliche vor dem 23. November 1968 geschlossenen Verträge von der „Exportsteuer" auszunehmen. Ich möchte schon in der ersten Lesung für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion eindeutig erklären, daß wir nicht geneigt sind, die vorgesehenen Maßnahmen in einer Weise zu durchlöchern, daß Abschlüsse mit einer Vertragssumme von etwa 20 bis 25 Milliarden DM nicht einbezogen werden.
Eine Sonderregelung in einem derartigen Umfang — das kann doch niemand bestreiten — würde das Angebot der Bundesregierung an den Zehnerklub entwerten und die beabsichtigte Wirkung bei der außenwirtschaftlichen Absicherung unbedingt in Frage stellen.
Meine Damen und Herren, wer hier Klagen darüber vorbringt, daß die steuerliche Belastung der Exportindustrie mit 4 v. H. zu hoch ist, dem muß gesagt werden, daß nur zur Diskussion stand, die D-Mark aufzuwerten — und sicher mit einem höheren Satz als 4 v. H. — oder den gesamten Komplex der zur außenwirtschaftlichen Absicherung in Angriff genommenen Maßnahmen durchzuführen.Nur zwischen diesen beiden Möglichkeiten lag die Entscheidung. Es ist einfach falsch, in der Öffentlichkeit darstellen zu wollen, wir hätten nichts tun und auch nichts in Angriff nehmen müssen.Wir verkennen nicht, daß es für einzelne Unternehmen mit einem hohen Exportanteil eine Belastung bedeutet, die sie in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringen kann. Inwieweit man in Härtefällen Billigkeitsregelungen erwägen muß, sollte in den Ausschußberatungen geklärt werden.Lassen Sie mich zum Schluß meiner Ausführungen kommen. In der gegenwärtigen Situation hatte die Bundesregierung die alleinige Last der Verantwortung für die Konjunktur zu tragen, weil das Beispiel der sechziger Jahre sehr ernst und sehr schmerzlich die Ohnmacht der Deutschen Bundesbank zeigte, daß sie mit restriktiven Mitteln Zahlungsbilanzüberschüsse in der Hochkonjunktur nicht vermeiden konnte. Nachdem eine Aufwertung aus den dargelegten Gründen, nicht zuletzt auch wegen der Ungewißheit darüber, welche Maßnahmen ausländische Regierungen zur Bekämpfung ihrer Zahlungsbilanzschwierigkeiten ergreifen werden und welche Marschrichtung die neue Regierung der USA einschlagen wird, nicht opportun war, galt es, den von unserer Seite notwendigen Beitrag für die Geldwertstabilität und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des internationalen Währungssystems mit fiskalischen Mitteln zu erbringen.Die Deutsche Bundesbank wird nunmehr in der Lage sein, an ihrer Politik des billigen Geldes festzuhalten, was im Interesse des Kapitalexports notwendig ist. Der unerwünschte Devisenzustrom in die Bundesrepublik, der die internationale Währungssituation in der letzten Woche so verschärfte, wird, das ist meine Überzeugung, durch die auf der Rechtsgrundlage des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes getroffenen Maßnahmen der Genehmigungspflicht für die Entgegennahme und Verzinsung von Einlagen auf Konten Gebietsfremder in der Bundesrepublik und weiter durch die neue Mindestreserveregelung abgebremst werden, und das ist zweifellos gut und richtig.Eine rasche Verabschiedung der beabsichtigten Maßnahmen, und zwar noch in dieser Woche, muß nach Meinung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion erfolgen, weil sonst der leider vorhandene Ankündigungseffekt dieser Aktion einen Teil des erhofften Erfolges wieder zunichte machen könnte.Meine Damen und Herren, ich habe die Hoffnung, daß man im befreundeten Ausland früher oder später doch noch zu der Überzeugung gelangen wird, daß unsere Politik keineswegs auf die Lösung interner Schwierigkeiten fixiert war, sondern in erster Linie zu begreifen ist als ein echter deutscher Beitrag der Solidarität mit den uns befreundeten Staaten. Nur eine solche Haltung setzt für unsere Arbeit im Geiste gegenseitiger Partnerschaft die richtigen Maßstäbe.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mertes.
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10638 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Freien Demokratischen Partei gebe ich folgende Erklärung ab.
Die Freien Demokraten bedauern, daß sich die Bundesregierung in eine Lage hineinmanövriert hat, die dazu geführt hat — —
— Meine sehr verehrten Herren der SPD, — —
— Nein, ich halte keine Rede von Ihnen von vor vier Jahren, Herr Dr. Möller! Wir können natürlich, wenn Sie das wollen, jetzt noch in eine sehr lange Debatte einsteigen. Wir sind dazu bereit und in der Lage, in dieser Debatte stückweise einiges von den Stelzen abzusägen, auf denen sich einige aus der Koalition und aus der Regierung durch die wirtschafts- und finanzpolitische Landschaft bewegen.
Ich darf noch einmal betonen, daß wir bedauern, daß die Bundesregierung sich in eine Lage hineinmanövriert hat, die dazu geführt hat, daß nicht nur Frankreich — und jetzt werden Sie vielleicht nicht mehr lachen —, sondern auch Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika gleichermaßen währungspolitisch Front gegen die Bundesrepublik bezogen haben.
Die Bundesregierung hat einem Druck nachgegeben, ohne daß sie bindende Zusagen derjenigen Staaten erhalten hat, deren Währungslage in erster Linie Maßnahmen erforderlich macht und zu deren Gunsten der heute eingebrachte Gesetzentwurf wirken soll.
Die Freien Demokraten bedauern weiterhin, daß die Bundesregierung nicht rechtzeitig Konsultationen im Rahmen des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages geführt hat. Außerdem hätten rechtzeitige Verhandlungen und eindeutige Erklärungen des Bundeskanzlers, daß keine D-Mark-Aufwertung stattfindet, die jetzt vorgesehenen harten Maßnahmen verhindert.
— Herr Kollege, er hat es erklärt. Aber wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie sicher auch jetzt um 21 Uhr noch mitbekommen, daß ich von rechtzeitigen Erklärungen gesprochen habe. Die Erklärung, die der Herr Bundeskanzler vor wenigen Tagen abgegeben hat, als er glaubte, daß die Probleme bereits gelöst seien, wird von ihm vielleicht noch einmal sehr bedauert werden.
Warum hat die Bundesregierung, so muß man fragen, erst zu einem so späten Zeitpunkt zum Mittel der Rechtsverordnung nach dem Außenwirtschaftsgesetz gegriffen und Spekulationsgelder nicht rechtzeitig abgewehrt? Warum hat die Bundesregierung zugelassen, daß gegen Zinssteigerungen, die eine Folge ihrer Wirtschaftspolitik waren,
mit der Aufwertung gedroht und dadurch wiederum die Spekulation angeheizt wurde? Warum hat die Bundesregierung nicht zur rechten Zeit durch Steuermaßnahmen den Kapitalexport gefördert? Warum ist die Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der Bundesbank so schlecht, daß Meinungsverschiedenheiten durch Bruch der Vertraulichkeit in aller Öffentlichkeit ausgetragen werden müssen?
Warum, meine Damen und Herren, spricht die Bundesregierung in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf nur von einer Preiswelle, der sie zuvorkommen müsse? Warum spricht sie nicht von der durch sie seit Monaten provozierten Kostenwelle, welche die Wirtschaft zu überschwemmen droht? Hier geht es um Steuererhöhungen, um die Erhöhung der Sozialkosten, um angeblich konjunkturgerechte Pläne zur Lohnfortzahlung und um Steigerung der Massenkaufkraft durch angeblich konjunkturgerechte Lohnerhöhungen. Warum, so muß ich weiter fragen — —
— Ich kann es gern noch einmal wiederholen, wenn Sie es wünschen. Es geht bei diesen Kostenerhöhungen, von denen ich sprach — und nun hören Sie einmal genau zu —, um Steuererhöhungen — ich brauche sie wohl im einzelnen nicht aufzuzählen —, es geht um die Erhöhung der Sozialkosten, es geht um angeblich konjunkturgerechte Pläne zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, um es ganz deutlich zu sagen, und es geht um die Steigerung der Massenkaufkraft durch ebenfalls angeblich konjunkturgerechte Lohnerhöhungen. Wer diese Äußerungen von der Bundesregierung gemacht hat, dürfte Ihnen von den Koalitionsfraktionen sicher bekannt sein.
Herr Abgeordneter Mertes, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ravens?
Bitte sehr!
Herr Kollege Mertes, Sie sprachen von dem rechtzeitigen Zeitpunkt. Darf ich Sie fragen, ob Sie damit den Zeitpunkt meinten, in dem Ihr Kollege Mende von der Inflation und damit von der neuen Währungsreform sprach.
Verehrter Herr Kollege, wir wollen Sie gar nicht dadurch überfordern, daß wir in der Zeit zu weit zurückgehen.
Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197, Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10639
Mertes
Vielleicht gestatten Sie noch einige weitere Fragen; aber auch wenn Sie sie nicht gestatten, bin ich gezwungen, sie zu stellen. Warum steht die Bundesregierung noch heute auf dem Standpunkt, daß im Jahre 1969 die Ausgabensteigerung der öffentlichen Haushalte 6 % betragen muß? Warum streitet die Bundesregierung noch immer darüber, ob sie im Haushaltsjahr 1969 neue Schulden machen soll, ob sie die erhöhten Steuereingänge zur Schuldenrückzahlung oder für eine Konjunkturausgleichsrücklage verwenden will?
Zum Zeitpunkt der Übernahme der Bundesregierung durch die Große Koalition, im Herbst 1966, waren die Preise stabil. Heute, nach zwei Jahren ihrer neuen Wirtschafts- und Finanzpolitik, spricht die Bundesregierung von Preissteigerungen in Höhe von 3,8% für das vierte Quartal 1969.
Wie anders sprach der heutige Bundeswirtschaftsminister, als er noch als Oppositionsredner den damaligen Bundeskanzler Professor Erhard angriff! Wo bleibt die von Herrn Schiller damals propagierte Konzeption einer von Jahr zu Jahr und von Prozent zu Prozent abzubauenden Preissteigerungsrate?
So, meine Damen und Herren, hat die Bundesregierung die währungs- und wirtschaftspolitische Situation bis vor wenigen Tagen völlig verkannt. Keine Äußerung von ihr deutete darauf hin, daß sie plötzlich aus eigener, innerer Überzeugung währungspolitische Maßnahmen durchführen werde.
Geht die Bundesrepublik nun einen solchen Weg, so warnen die Freien Demokraten vor der Manipulierung der Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden Verkehr. Ein solcher Weg verletzt das der Mehrwertsteuer immanente Prinzip des steuerneutralen Grenzübergangs. Ein solcher Weg verletzt, auf die Dauer gesehen, die Interessen der Europäischen Gemeinschaft. Insbesondere aber ist dieser Weg als Ersatz für eine Aufwertung ein Schritt in den Dirigismus, dem andere Länder als Ersatz für andere währungspolitische Maßnahmen folgen werden. Ein solcher Weg würde ferner dazu führen, daß man jedesmal, wenn durch eine falsche Wirtschaftspolitik die Preise in Bewegung kommen, ohne Rücksicht auf die Kostenlage mit der Manipulierung der Umsatzsteuersätze im grenzüberschreitenden Verkehr droht.
Wir wissen, daß die SPD seit Jahren den Weg verfolgt, Wirtschaftspolitik über diese Manipulierung der Umsatzsteuersätze zu betreiben. Die CDU/ CSU hat sich ihr angesichts der Ergebnisse der von der Großen Koalition betriebenen Wirtschaftspolitik nunmehr angeschlossen. Die Freien Demokraten lehnen aus den genannten Gründen diese Manipulierung der Umsatzsteuersätze nach wie vor eindeutig ab.
— Die Freien Demokraten, meine Herren von der
SPD, werden bei der Einzelberatung des Gesetzes
in den Ausschüssen trotzdem Anträge aur Verbesserung des Gesetzes stellen.
— Insbesondere werden Sie, Herr Dr. Möller — um nur ein Beispiel zu nennen — die Einbeziehung der schwebenden Kontrakte ablehnen. Die steuerliche Maßnahme hat zum Ziel, den Export zu vermindern. Dieses Ziel kann bei den schwebenden Kontrakten auch durch diese steuerliche Maßnahme nicht erreicht werden, weil diese Exporte ganz einfach aus rechtlichen Gründen und wegen des zukünftigen deutschen Exports abgewickelt werden müssen.
Die politische Konferenz in Bonn, von der heute abend wiederholt die Rede war, hat nicht zu einer konzertierten Wirtschaftspolitik sondern — schon heute erkennbar — zu nationalen Maßnahmen geführt, die einen neuen, weiteren gefährlichen Schritt in die Desintegration der Weltwirtschaft darstellen und einen Rückschritt besonders in der EWG bewirken. Die eigentlichen Probleme bleiben nach wie vor ungelöst.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Luda.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Statuten des Internationalen Währungsfonds, dem die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1952 beigetreten ist, erlauben eine Änderung des Wechselkurses, wenn damit ein fundamentales Ungleichgewicht der Zahlungsbilanz korrigiert werden soll. Besteht somit völkerrechtlich keine Pflicht zur Kursänderung, sondern unter bestimmten Voraussetzungen hierzu nur ein Recht, so ist die amtliche Wirtschaftspolitik in Deutschland durch § 4 des Stabilitätsgesetzes bei außenwirtschaftlichen Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts von Rechts wegen zur Aktion verpflichtet.Wenn die Bundesrepblik durch zahlreiche Erklärungen des Bundeskanzlers, des Bundeswirtschaftsministers und des Bundesfinanzministers eine einseitige Aufwertung zu diesem Zeitpunkt abgelehnt hat, so war dafür offensichtlich die Lagebeurteilung maßgebend, welche der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Arndt namens des Bundeswirtschaftsministers am 25. September im Deutschen Bundestag ausführlich dargelegt hat. Herr Kollege Dr. Arndt hat damals erklärt, außenwirtschaftliche Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts im Sinne des § 4 des Stabilitätsgesetzes. gebe es nicht. Auch für die noch vor uns liegenden Monate des Jahres 1968 gebe es keinen Anlaß, daran zu zweifeln.
— Das können Sie gleich tun, ich habe es nicht zur Hand.
— Bitte schön!
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10640 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Herr Kollege, kennen Sie den nächsten Satz? Das Zitat fährt fort:
Über das Jahr 1969 wartet die Bundesregierung noch das Urteil der Fachwelt ab.
Kennen Sie weiter, Herr Kollege Luda, die Darstellung des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Arndt der Aktionen, die von der Bundesrepublik Deutschland zur Abwehr der möglichen außenwirtschaftlichen Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts bereits im Jahre 1968 unternommen worden sind?
Herr Kollege Möller, Sie unterstellen mir, daß ich Herrn Dr. Arndt angreifen wolle. Ich will vielmehr die Ansicht teilen, die damals vertreten worden ist. Das ergibt sich jetzt aus dem Folgenden.
— Diesmal ausnahmsweise, das gebe ich zu.
Es ist kein zwingender Grund ersichtlich, die Richtigkeit dieser Lagebeurteilung des zuständigen Ministers im damaligen Zeitpunkt in Frage zu stellen. Im Jahre 1967 war die Zahlungsbilanz mit einem Überschuß von nur 400 Millionen DM nahezu ausgeglichen. Die Erwartungen, daß im Zuge des Konjunkturaufschwungs wenigstens im zweiten Halbjahr 1968 die Importe erheblich stärker zunehmen würden als die Exporte, haben sich bisher nicht erfüllt. Das ist zu einem wesentlichen Teil auf Sonderfaktoren zurückzuführen. Wegen des Fortfalls der EWG-Binnenzölle und der im Rahmen der KennedyRunde bewirkten Senkung der Zolltarife ist ein großer Teil der Auslandslieferungen in die Zeit nach dem 1. Juli verschoben worden. Legt man die Entwicklung der ersten neun Monate dieses Jahres zugrunde, so zeigt sich, daß dem nach wie vor hohen Handelsbilanzüberschuß ein großes Defizit der Bilanz des langfristigen Kapitalverkehrs gegenübersteht. Unsere Bemühungen, trotz weiterhin hoher Exportüberschüsse unseren Außenhandelspartnern Liquiditätsverluste weitgehend zu ersetzen, hatten also einen unbestreitbaren Erfolg, der allerdings nachträglich durch Entschuldungsmaßnahmen der Banken im Ausland und durch Zustrom kurzfristiger Fluchtgelder im Zusammenhang mit der Franc-Krise wieder gemindert wurde.Leider ist in absehbarer Frist mit zusätzlichen Schwierigkeiten zu rechnen. Den Nettokapitalexport können wir aus den verschiedensten Gründen nicht im bisherigen Ausmaß wiederholen. Er beruhte übrigens zu 60 % auf Bankentransaktionen und wurde hier vor allem durch Fristigkeitsverlängerung bestehender Guthaben erzielt. Die Dienstleistungsbilanz ist nicht mehr wie in der. Vergangenheit defizitär, u. a. wegen der Zinsrückflüsse aus dem exportierten Kapital. Sogar die Touristenbilanz tendiert neuerdings zum Ausgleich, obwohl die Zahl der amerikanischen Besucher abgenommen hat. Hinzukommt, daß die Schere der Kaufkraftunterschiede sich mehr und mehr öffnet. Während bei uns die Stabilitätspolitik langer Jahre Erfolg gehabt hat, so daß die Exportpreise im Durchschnitt nur geringfügig über dem Niveau des Jahres 1964 liegen, hat in führenden Industrieländern die Defizitpolitik zu permanenten Inflationsraten geführt. Bei unseren wichtigsten Handelspartnern sind die Exportpreise seit 1964 im Durchschnitt um etwa 7% gestiegen.Im Ausland gibt es immer noch Stimmen, die behaupten, der Übergang der Bundesrepublik Deutschland zur Mehrwertsteuer habe eine abwertungsähnliche Wirkung gehabt. Dieser Auffassung bin ich schon in der dritten Lesung des Mehrwertsteuergesetzes entgegengetreten. Die nunmehr neunmonatigen Erfahrungen mit der neuen Steuer zeigen, daß in den Warenpreisen im Durchschnitt heute noch 2 % alter Umsatzsteuer enthalten sind. Der Übergang zur Mehrwertsteuer hat unserem Export in Wahrheit also vorerst eine Mehrbelastung gebracht und ausländische Importware entsprechend begünstigt.Es ist nach alledem verständlich, wenn die Bundesregierung einerseits in der augenblicklichen Situation keinen Anlaß für eine einseitige Änderung des Wechselkurses der D-Mark hat erkennen können, andererseits jedoch kurzfristig sonstige Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung ergriffen hat. Ihr Beschluß, den steuerlichen Grenzausgleich befristet zu ändern, entspricht weitgehend Vorstellungen, die der Bundeswirtschaftsminister seit langem vertritt. Bei der Beratung des Stabilitätsgesetzes, Herr Kollege Dr. Möller, war es uns gelungen, die permanente gesetzliche Verankerung dieses Instruments zu verhindern. Mangels einer geeigneten Alternative sehen wir uns jedoch in dieser durch die Krise des Franc plötzlich geschaffenen Zwangslage genötigt, einer solchen Regelung grundsätzlich zuzustimmen.
Ich bedauere das sehr, weil dieser Eingriff kaum als marktkonforme Globalsteuerung anzusehen ist. Er verteilt die Lasten in einer Weise, die von manchem Betroffenen als willkürlich und ungerecht empfunden werden wird. Auch in der technischen Abwicklung verursacht er erhebliche Schwierigkeiten.Besonders bedauerlich ist ferner, daß die Neubelastung der Exporte und die Subventionierung der Importe ebenso wie die Anwendung des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes den freien Waren- und Kapitalverkehr erschweren und bei unseren Partnerstaaten eine Fülle nationaler Einzeldirigismen auslösen könnte. Wir haben das System fester Wechselkurse stets verteidigt, weil es geeignet ist, den Welthandel zu fördern. Wenn aber die gegenwärtigen Kurse der wichtigsten Währungen der freien Welt — vor allem aller Reservewährungen — durch Maßnahmen verteidigt werden müssen, die den Welthandel stören, dann ist das ein Widerspruch, der zu denken geben sollte.Wir stimmen der Änderung des steuerlichen Grenzausgleichs nur zu, weil zur Zeit eine Alternative fehlt, weil die Bundesregierung angekündigt
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Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10641
Dr. Ludahat, daß sie Übergangshilfen zugunsten besonders betroffener Wirtschaftszweige — vor allem Kohle, Werften sowie Teilbereiche der Textilindustrie — zur Verfügung stellen will, und schließlich weil diese Maßnahme befristet ist. Zu den Einzelheiten des Gesetzes werden wir uns erst in zweiter und dritter Lesung äußern, d. h. nach Überprüfung der von der französischen Regierung angekündigten Maßnahmen.Was die Inanspruchnahme des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes betrifft, so ist zu beachten, daß hierdurch zwar der Zustrom ausländischer Fluchtgelder erschwert, nicht jedoch unterbunden wird; denn Auslandskredite an deutsche Wirtschaftsunternehmen, Direktinvestitionen und Wertpapiererwerb durch Ausländer bleiben unberührt. Wir hoffen, daß diese Regelung trotzdem hinreichenden Erfolg haben wird.Wir begrüßen es außerordentlich, daß auch in diesem Falle der Währungskrise eines Partnerstaates die Bundesrepublik Deutschland durch Bereitstellung eines namhaften Stützungskredites ihre Bereitschaft bewiesen hat, ihre Hilfsmittel im allseitigen Interesse zur Verfügung zu stellen. Dabei bleiben wir intensiv bemüht, zu vergessen, daß der französische Partner in den letzten Jahren zweimal an Stützungsaktionen für das englische Pfund nicht teilnehmen wollte und vor knapp einem Jahr durch seinen Angriff auf den Goldpreis eine Krise des internationalen Währungssystems ausgelöst hat, deren Sinn bis heute unerfindlich geblieben ist.
Die Solidarität der wichtigsten Partnerstaaten hat sich im jetzigen .Falle erneut bewährt. Die Krise, die zunächst leider wiederum nationale" Dirigismen zur Folge hat, sollte allen Beteiligten klarmachen, daß letztlich nur vermehrte Solidarität und somit vermehrte Integration der Sicherheit und dem Wohlstand aller Beteiligten dienen kann. Da die Ereignisse des 21. August einen neuen Impuls für die europäische und atlantische Partnerschaft erzeugt haben, wäre es um so tragischer, wenn diese Währungskrise einer vermehrten Zusammenarbeit entgegenwirkte.Die dankenswerte Initiative des Bundeswirtschaftsministers, die zur Bonner Konferenz der Zehnergruppe des Internationalen Währungsfonds geführt hat, sollte der Auftakt zu weiteren Konsultationen auf hoher und höchster Ebene sein. Entscheidende Erfolge sind nur dann zu erwarten, wenn nicht einzelne Partner den Anschein einseitiger Diskriminierung glauben befürchten zu müssen. Daher sollte weiter eine Gesamtlösung der Probleme des Weltwährungssystems angestrebt werden, die erkennen läßt, daß allen Hauptbeteiligten gleichmäßige Opfer abverlangt werden.Dank schuldet der Deutsche Bundestag aber auch der Deutschen Bundesbank, ihrem Zentralbankrat und ihrem Präsidenten Karl Blessing. Wie man auch zu den Auffassungen des Zentralbankrates im einzelnen stehen mag, er hat durch seine Arbeit zu einer fundierten Urteilsbildung entscheidend beigetragen, die ihm gesetzten Grenzen jedoch nicht verletzt.Das Prinzip der Unabhängigkeit der Bundesbank hat sich erneut bewährt. Für uns von der CDU/CSU- Bundestagsfraktion bleibt es unverzichtbar.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! .Fürchten Sie nichts, es wird ganz kurz!
Ein Wort unseres Bundeskanzlers hat mich dazu veranlaßt, hier noch ein paar Worte zu sagen. Er hat in seiner Regierungserklärung gesagt: „Wir wollen nicht vergessen, daß wir unserer Wirtschaft ganz erhebliche Opfer auferlegen." — Ich bin der Meinung, daß diese Opfer nur dann zumutbar sind, wenn sie dem angestrebten Zweck dienen, nämlich die Exporte zu beschränken und die Importe zu steigern. Sicher kann dieser Zweck nicht erreicht werden, wenn bereits fest abgeschlossene Exportverträge belastet werden. Hier kann ein Rückgang des Exports nicht mehr erzielt werden. Ich halte deshalb eine Rückwirkung über den 20. November hinaus für sinnlos und keinem Unternehmen zumutbar. Es muß bei dem Beschluß der CDU/CSU-Fraktion bleiben, die Exportbelastung nicht rückwirkend in Kraft treten zu lassen.
Herr Abgeordneter Dr. Schwörer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte sehr!
Herr Kollege Schwörer, werden Sie im Hinblick auf die Argumente, die Sie hier vortragen, einen Antrag stellen?
Unsere Fraktion wird sicher im Ausschuß einen Antrag stellen, die Rückwirkung nicht zuzulassen.
Werden Sie dann auch in der Begründung deutlich machen, warum wir der Meinung sind, daß die Argumente, die Sie gerade vortragen, dazu berechtigen würden, hier die Altverträge auszunehmen?
Aus dem Sinn der Maßnahmen, die uns hier vorgelegt worden sind, nämlich — ich habe es schon gesagt — Beschränkung der Exporte und Steigerung der Importe, kann sich nur ergeben, daß bereits abgeschlossene Verträge nicht belastet werden können.Ich möchte noch eine zweite Gruppe von Fällen ansprechen. Das sind die Fälle, in denen Industriezweige hinsichtlich ihrer Vollbeschäftigung betroffen werden, wenn die Maßnahme für diese Bereiche an-
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10642 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968
Dr. Schwörergewendet wird. Das sind die Industriezweige, die im Inland für ihre Produkte keinen vollen Absatz finden können. In diesem Fall tritt zusätzlich zu dem Verlust der Vollbeschäftigung der uns allen unerwünschte Rückgang der Binnenkaufkraft ein. Damit wirken wir selbst der Absicht dieser Maßnahme entgegen, nämlich die Einfuhren zu steigern. Wenn die Binnenkaufkraft nachläßt, ist das eine Maßnahme besonders gegen die beabsichtigte Einfuhrsteigerung. Das gilt ganz allgemein. Es gilt aber ganz besonders für gewisse lohnintensive Bereiche, die auf diesem Gebiet immer schon Schwierigkeiten hatten.Ich möchte mich deshalb dafür aussprechen, daß bei den Beratungen im Ausschuß für solche Bereiche — ich denke vor allem an die Textilindustrie, an den Maschinenbau, an die Uhrenindustrie — der Ausnahmekatalog geöffnet wird.
— Lieber Kollege Fellermaier, das ist ja gerade der Vorteil dieser Regelung, daß wir differenzieren können. Das haben wir immer als Vorteil gegenüber der Aufwertung gepriesen. Deshalb sollten wir auch von der Möglichkeit der Differenzierung Gebrauch machen.
Meine Damen und Herren, es ist nicht einzusehen, warum wir bei den Bereichen, in denen wir gerade mühsam eine Vollbeschäftigung erreicht haben, diese jetzt durch diese Maßnahme wieder gefährden sollten.
Herr Abgeordneter Schwörer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Jung?
Bitte!
Herr Kollege Schwörer, würden Sie in diesen Industriekreis auch die deutsche Luftfahrtindustrie einschließen, weil ja ein gemeinsamer Beschluß der drei Fraktionen besteht, den Export dieser Industrie besonders zu fördern?
Ich bin sicher, daß die Luftfahrtindustrie hiervon auch besonders betroffen ist und daß sehr genau untersucht werden muß, ob man nicht diesen Zweig auch hier hineinnehmen muß.
Meine Damen und Herren, ich möchte für die Textilindustrie noch einen besonderen Punkt anführen. Die gute Beschäftigungslage, die wir im Augenblick dort haben, ist von Sondereinflüssen geprägt. Sie wissen, daß wegen der Einführung der Mehrwertsteuer die Lager dort — wegen der Altvorräteentlastung — sehr weitgehend abgebaut worden sind und zur Zeit wieder aufgebaut werden. Diese Sondereinflüsse sind in Bälde zu Ende. Deshalb sollten wir uns sehr überlegen, ob wir gerade bei diesem Bereich eine neue Maßnahme einführen, die dort die Gefahr heraufbeschwört, daß die Vollbeschäftigung nicht durchgehalten werden kann.
Ich möchte wünschen, daß wir im Ausschuß gerechte Lösungen für diese Fälle finden werden.
Wird weiter das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Ausschußüberweisung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache V/3524 dem Finanzausschuß — federführend — und zur Mitberatung dem Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen und dem Haushaltsausschuß zu überweisen, letzterem auch nach § 96 der Geschäftsordnung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Wir kommen zu dem zu Beginn der Sitzung zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzten Punkt:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Funcke, Dr. Staratzke, Mertes, Genscher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1967
— Drucksache V/3482 —
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Antrag der Abgeordneten Frau Funcke und Genossen dem Finanzausschuß zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 27. November, 14.30 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.