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ID0519700800

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    Deutscher Bundestag 197. Sitzung Bonn, den 26. November 1968 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Busse (Herford) und Steinhoff . . . 10615 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 10615 A Entwurf eines Gesetzes über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung (CDU/CSU, SPD) (Drucksache V/3524) — Erste Beratung —Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 10615 B Dr. Schiller, Bundesminister . . . . 10617 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . . 10622 C Dr. Pohle (CDU/CSU) 10628 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 10632 D Mertes (FDP) 10638 A Dr. Luda (CDU/CSU) . . . . . 10639 C Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . . 10641 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1967 (Mehrwertsteuer) (Abg. Frau Funcke, Dr. Staratzke, Mertes, Genscher u. Gen.) (Drucksache V/3482) — Erste Beratung — . . . . 10642 D Nächste Sitzung 10642 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10643 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10615 197. Sitzung Bonn, den 26. November 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 18.00 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 30. 11. Dr. Aigner * 30. 11. Dr. Apel * . 30. 11. Arendt (Wattenscheid) * 30. 11. Dr. Arndt (Hamburg) 30. 11. Dr. Artzinger * 30. 11. Bading * 30. 11. Behrendt * 30. 11. Bergmann * 30. 11. Borm 26. 11. Buchstaller 30. 11. Dr. Burgbacher * 30. 11. Corterier * 30. 11. Deringer * 30. 11. Dichgans * 30. 11. Dr. Dittrich * 30. 11. Dröscher * 30. 11. Frau Dr. Elsner * 30. 11. Faller * 30. 11. Fellermaier * 30. 11. Dr. Furler * 30. 11. Gerlach * 30. 11. Gscheidle 29. 11. Haase (Kellinghusen) 26.11. Hahn (Bielefeld) * 27. 11. Hauffe 30. 11. Illerhaus * 30. 11. Dr. Jungmann 29. 11. Frau Kleinert 15. 1. 1969 Klinker * 30. 11. Kriedemann * 30. 11. Freiherr von Kühlmann-Stumm 6. 12. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Kulawig * 30. 11. Lange 26. 11. Lautenschlager * 30. 11. Lemmrich 26. 11. Lenz (Brühl) * 30. 11. Dr. Löhr * 30. 11. Lücker (München) * 30. 11. Mauk * 30. 11. Memmel * 30. 11. Metzger * 30. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 11. Müller (Worms) 29. 11. Richarts * 30. 11. Riedel (Frankfurt) * 30. 11. Dr. Schmidt (Offenbach) 26. 11. Dr. Serres 26. 11. Springorum * 30. 11. Dr. Süsterhenn 29. 11. Dr. Starke (Franken) * 30. 11. Steinhoff 31. 12. Frau Wessel 31. 12. Frau Dr. Wex 30. 11. Wienand 31. 12. Wischnewski 30. 11. Dr. Zimmermann 29. 11. Zink 30. 11. b) Urlaubsanträge Adorno 3. 12. Hamacher 31. 12. Dr. Heck 9. 12. Kunze 31. 12. Frau Dr. Maxsein 15. 12. Storm 31.12. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Pohle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns auch weder unter Schillers „Räubern" fühlen noch mit der Regierung glauben, daß sie uns hier den „Ring des Polykrates" überreicht hat, so glaube ich doch sagen zu können, daß die Bundestagsfraktion der CDU/CSU der Meinung ist, daß mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine für die zukünftige Entwicklung unseres Landes recht bedeutsame Frage zur Diskussion gestellt wird. Sie befindet sich insoweit in Übereinstimmung mit der seriösen und sachkundigen Wirtschaftspresse, die die Dinge auch so sieht, daß sie von ungewöhnlicher Bedeutung sind.
    Meine Damen und Herren, das Problem betrifft nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern die gesamte freie Welt. Das Problem ist politisch und ökonomisch gleichermaßen schwerwiegend. Wir stehen, obwohl die Vorlage den Anschein eines nur steuertechnischen Gesetzes erweckt, dennoch an einer Weggabelung. Die Vorlage erfordert von uns ebenso wie von unseren westlichen Partnern die Grundsatzentscheidung, ob der Weg in -eine ständig wachsende und sich festigende marktwirtschaftliche Ordnung im Weltmaßstab fortgesetzt wird oder der Anfang zu einem bequem erscheinenden, aber später in einem Irrgarten endenden Weg eines sich



    Dr. Pohle
    international. ausbreitenden Protektionismus und Dirigismus gemacht werden soll.
    Die Wirtschaft der Bundesrepublik, meine Damen und Herren, müßte schwersten Schaden erleiden, wenn etwa der Welthandel in die chaotischen Verhältnisse der 20er Jahre zurückfiele mit einem System von Nationalstaaten, die mit allen Mitteln gegeneinander kämpfen; eine der Folgen dieses Weges wäre eine allmähliche Abkapselung der einzelnen Volkswirtschaften gegeneinander. Das, glaube ich, ist hier das Grundproblem.
    Eingebettet in dieses Problem ergeht zugleich die Frage an alle Länder der westlichen Währungsgemeinschaft: Wie haltet ihr es mit der wirtschaftlichen und monetären Disziplin und mit der Stabilität? Ein weltweiter Austausch von Waren, Leistungen und Kapital kann bekanntlich nur dann reibungslos funktionieren, wenn die Währungen — also das Geld, in dem sich diese Vorgänge ausdrücken — in Ordnung sind und wenn ihr Tauschverhältnis der wirtschaftlichen Realität entspricht. Ist das nicht der Fall, sind Störungen der Weltwirtschaft und der einzelnen nationalen Wirtschaften unausweichlich. Internationale Störungen greifen auf Grund des Mechanismus des internationalen Währungssystems unweigerlich auf andere Volkswirtschaften über.
    Meine Damen und Herren, kein anderer als Lenin hat die Bedeutung der Geldwirtschaft für unsere Wirtschaftsordnung erkannt. Von ihm stammt der Gedanke: Wer den Kapitalismus zerstören will, der zerstöre sein Geld!
    Die Funktionsfähigkeit der modernen Wirtschaft hängt nun einmal vom geordneten Geldwesen ab. Die erbittertsten Gegner unseres Systems — z. B. Lenin — sind sich der Verwundbarkeit dieses komplizierten Ordnungsmechanismus sehr wohl voll bewußt.
    Das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung, meine Damen und Herren, ist im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums angesprochen, und die Herren Minister und der Herr Bundeskanzler haben dieses Gesetz bereits erwähnt. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist eines der vier Leitziele dieses Gesetzes. Bei außenwirtschaftlichen Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts muß die Bundesregierung alle Möglichkeiten der internationalen Koordination nutzen. Reicht dies nicht aus, sollen die zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel eingesetzt werden. Welche konkreten Maßnahmen im Einzelfall zu treffen sind, sieht das Stabilitätsgesetz bekanntlich nicht vor. Es überläßt das, anders als andere Behelfe, ganz bewußt einer besonderen Gesetzesinitiative; die Sache ist zur Sprache gekommen, als wir über das Stabilitätsgesetz berieten.
    Der Gesetzentwurf über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung mit einer Belastung der Exporte und einer Entlastung der Importe um 4 Prozent stellt in erster Linie eine Schutzmaßnahme für die deutsche Volkswirtschaft dar. Diese Maßnahme ist eine Konsequenz der im Stabilitätsgesetz niedergelegten Grundsätze. Eine
    Restriktionspolitik, also eine Dämpfung der inneren Nachfrage, würde die Situation nicht verbessern, sondern nur verschlimmern; darauf hat der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Rede mit Nachdruck hingewiesen. Meine Fraktion stimmt der Auffassung der Bundesregierung und der Bundesbank durchaus zu, daß ein solches Instrument zur Zeit ungeeignet ist. Es würde nur die innere Nachfrage zugunsten der Auslandsnachfrage zurückdrängen. Damit würden die Außenhandelsüberschüsse vergrößert, und genau das nicht Gewollte würde eintreten. Außerdem müßte sich unsere Volkswirtschaft alsdann noch stärker auf zusätzliche Exporte orientieren.
    Der Gesetzentwurf ist darüber hinaus eine notwendige Konsequenz der internationalen vertraglichen Bindungen, die die Bundesrepublik eingegangen ist. Eine von ihnen ist das Abkommen von Bretton Woods vom Jahre 1944; ihm trat die Bundesrepublik im Jahre 1952 bei. Dieses Abkommen schreibt unter anderem als Leitsatz für Änderungen der Währungsparitäten vor — ich zitiere —:
    Ein Mitglied soll nicht eine Änderung der Parität seiner Währung vornehmen, es sei denn, um eine grundlegende Störung des Gleichgewichts zu beheben.
    Die folgenden Abschnitte von Bretton Woods legen die Einzelheiten für den Fall fest, daß doch Paritätsänderungen vorgenommen werden, jedoch bleibt festzuhalten, daß der übergeordnete Leitgedanke die Vermeidung — ich wiederhole: die Vermeidung — derartiger Änderungen ist. Dies ist ein ganz bedeutsamer Sachverhalt angesichts der ständigen Forderung nach einer Aufwertung.
    Meine Fraktion kann der Bundesregierung nur bestätigen, daß sie in Erfüllung ihrer internationalen vertraglichen Verpflichtungen handelt, wenn sie alle Möglichkeiten ausschöpft, bevor sie eine Änderung des Wechselkurses ins Auge faßt. Sie handelt hierbei auch in Übereinstimmung mit den in Art. 1 von Bretton Woods niedergelegten Vertragszielen. Dort wird als Aufgabe des Vertrages festgelegt, daß die Stabilität der Währungen zu fördern, geordnete Währungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern aufrechtzuerhalten und Währungsabwertungen aus Wettbewerbsgründen zu verhindern sind. Die Stabilität der Währungen sowie geordnete Währungsbeziehungen und die Ablehnung von diskriminierenden Währungspraktiken sind also die Basis von Bretton Woods. In der Sprache dieses Abkommens umfaßt der Begriff „Stabilität der Währung" nicht nur den inneren, sondern auch den äußeren Geldwert.
    Eine grundlegende Störung des Gleichgewichts ist bisher nicht übereinstimmend vom Internationalen Währungsfonds festgestellt worden, schon gar nicht, soweit die Bundesrepublik betroffen ist. Meine Fraktion ist daher der Meinung, daß die richtige Konsequenz aus dieser Sachlage eine befristete und kurzfristig zu verändernde Lösung ist, wie sie die vorgeschlagene Umsatzsteuervorlage ermöglicht. Sie ist im Augenblick notwendig, um den spekulativen



    Dr. Pohle
    Geldbewegungen, von denen hier bereits gesprochen worden ist, Einhalt zu gebieten. Sie eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, eine Reform des Abkommens von Bretton Woods anzustreben. Wir sind der. Meinung, daß die letzten Ereignisse, aber auch z. B. die in der Mitte des Jahres stattgehabte Goldspekulation mit der dann folgenden Spaltung des Goldpreises wie auch die zahlreichen Stützungsaktionen für das englische Pfund, an denen die Bundesrepublik maßgeblich mitgeholfen hat, hinreichend klargemacht haben, daß hier auf die Grundsätze von Bretton Woods zurückgegriffen werden muß und wie notwendig andererseits eine Reform dieses Abkommens erscheint.
    Meine Damen und Herren, ist die Währungsstabilität eines der wesentlichen Leitziele des Abkommens von Bretton Woods, so liegt an dieser Stelle zugleich der wunde Punkt des Vertrages im Hinblick auf die festen Wechselkurse. Er begründet auch dessen Reformbedürftigkeit. Beide Bedingungen, Währungsstabilität und stabile Wechselkurse, können nur dann optimal und gleichzeitig erfüllt werden, wenn sich die Wirtschaftspolitik sämtlicher Vertragspartner gleichermaßen an diesen Zielen orientiert. Nun, wir alle wissen, daß das nicht der Fall ist. Wir haben Länder, die eine Politik monetärer Disziplin befolgen, und wir haben auf der anderen Seite Staaten, die seit Jahren eine Politik des leichten Geldes, leichter Inflation und großer Haushaltsdefizite auf ihr Panier geschrieben haben. Wirtschaftliche Spannungen und Disparitäten sind deshalb zwangsläufig. Bei den stabilitätsbewußten Ländern zeigen sich diese Spannungen in der ständigen Bedrohung durch die sogenannte importierte Inflation. Wir müssen anstreben, daß nationale Unterschiede nicht das internationale Währungssystem oder einzelne Mitglieder dieses internationalen Währungssystems bedrohen und zu wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen führen, vielmehr daß solche Störungen schon im Frühstadium aufgefangen werden. Wir müssen unseren Beitrag zur Sanierung des Weltwährungssystems leisten. Aber wir dürfen nur solche Maßnahmen beschließen, die unsere Konjunktur nicht gefährden.
    Damit komme ich zu den Alternativen, vor denen wir stehen. Wir haben vier zur Auswahl. Wir können eine multilaterale Lösung anstreben, wir können aufwerten, wir können die Umsatzsteueränderung beschließen, die die Bundesregierung vorgeschlagen hat, und wir können — darüber ist schon gesprochen worden, auch vom Bundeswirtschaftsminister und vom Bundesfinanzminister — als letzte Alternative eben gar nichts tun.
    Zum ersten Punkt, der internationalen Fortbildung multilateraler Lösungen, internationalen Währungsabkommen, habe ich die tragenden Gesichtspunkte bereits erwähnt. Aber dieser Weg wird, wenn überhaupt, nicht sofort zum Ergebnis führen können. Er erfordert Zeit. Es müssen unter den Mitgliedsländern Verbündete für den deutschen Standpunkt gewonnen werden. Dieser Weg kann daher nur in Kombination mit anderen, sofort wirksamen Maßnahmen beschritten werden.
    Soll man sich auf den Versuch beschränken, multilateral lediglich zu einer Neufestsetzung der Währungsparitäten zu gelangen? Das reicht angesichts der konträren wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Mitgliedsländer kaum aus. Es müßte gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen werden, daß zukünftige Störungen durch entsprechende Instrumente so reibungslos wie irgend möglich ausgeglichen werden. Dies kann nur durch eine Reform des Vertragswerks von Bretton Woods geschehen.
    Die CDU/CSU-Fraktion glaubt, daß wir auf diesem Wege fortschreiten müssen. Sie unterstützt die Bundesregierung deshalb in ihrem Bestreben, einen Beitrag zur Weltwährungssanierung zu leisten und sich um diese multilateralen Abkommen zu kümmern, ohne eine D-Mark-Aufwertung — die zweite Alternative — vorzunehmen.
    Wie der Herr Bundeskanzler und die beiden Herren Minister bereits hervorgehoben haben, hätte diese D-Mark-Aufwertung als Dauererscheinung verheerende Auswirkungen z. B. auf die bäuerliche Bevölkerung. Sie würde eine ungewöhnliche Erschwerung unserer Exportwirtschaft bedeuten, die uns ja im wesentlichen auch während der Rezession getragen hat. Unsere Exportquote ist seit 1961 von 15 auf 19 % gestiegen. Große Firmen und auch kleine mit einem Exportanteil von weit über 50 %, gerade auch in den Zonenrandgebieten, wären die Hauptbetroffenen.
    Lassen Sie mich stichwortartig einige Gründe nennen, die hier noch nicht zur Sprache gekommen sind. Die Bundesrepublik hat der internationalen Wirtschaft in den letzten Jahren kaum Liquidität entzogen. Unsere Zahlungsbilanz wirkt ohnedies als Bremse gegenüber dem Überschuß der Handelsbilanz. Die D-Mark ist ein sehr lohnendes Spekulationsobjekt; diesen Anreiz schaffen wir auch nicht durch eine Aufwertung im jetzigen Zeitpunkt weg. Im Gegenteil! Es kommt hinzu, daß der sogenannte Bumerang-Effekt der Kapitalexporte sehr fraglich ist, weil ein Teil der Erlöse ausländischer D-Mark-Anleihen z. B. von den Emittenten in offiziellen Devisenreserven angelegt wird. Die Bundesrepublik braucht auf der anderen Seite Überschüsse in ihrer Leistungsbilanz, und zwar erstens für den Bereich der Wiedergutmachung, zweitens für den Bereich der Entwicklungshilfe, drittens für etwaige Devisenausgleichsabkommen. Meines Erachtens ist der Ausgleich für die Überschüsse auch anders möglich. Ich erinnere an einen Teil des Buketts, das die Bundesregierung hier ausgebreitet hat, z. B. an Anreize für den Kapitalexport durch Investitionen im Ausland.
    Durch eine Aufwertung würde ein neuer Aufwertungsverlust der Bundesbank entstehen. Soweit ich weiß, ist der alte durch den Bund noch nicht völlig abgedeckt. In erster Linie aber würde sich ein ungeheurer Vertrauensverlust im Ausland ergeben. Meine Damen und Herren, fragen Sie die Exporteure, die von den traditionellen Absatzmärkten zurückkommen, z. B. aus Südamerika, aus Südostasien, aus Südafrika. Dort rechnet die Welt damit, daß die D-Mark fest bleibt und nicht durch ein Hin und Her beeinträchtigt wird.



    Dr. Pohle
    Es ist unwahrscheinlich, daß eine Aufwertung das internationale Währungssystem stärken würde. Im Gegenteil, andere Länder würden dann um so weniger geneigt sein, eigene Maßnahmen zu ergreifen. Niemand kann erwarten, daß die Bundesrepublik die Folgen einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung in den anderen Ländern durch Maßnahmen in der Bundesrepublik selber ausgleicht.
    Noch schwerer — dies als letztes zur Aufwertung — wiegt für meine Freunde und mich das Risiko einer derartigen irrevisiblen Maßnahme angesichts der Unklarheit, welche Politik Frankreich und Großbritannien in der Wechselkursfrage einschlagen, einer Unklarheit, die bis heute noch nicht behoben ist, und welche Wirtschaftspolitik obendrein die neue Administration in den Vereinigten Staaten führen wird.
    Auch die Gefahr einer Kumulierung deutscher und französischer Maßnahmen — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat bereits darauf hingewiesen — muß gesehen werden. Eine solche Kumulierung kann für einzelne Wirtschaftszweige sehr gravierend, unter Umständen sogar tödlich wirken. Schließlich betrug der deutsch-französische Warenaustausch im Jahre 1967 18,5 Milliarden DM. Er lag damit innerhalb der EWG an der Spitze. Diese Zahl sollte uns zur Vorsicht mahnen. Ich bin daher der Ansicht, daß wir die Bundesregierung bitten müssen, unverzüglich Konsultationen mit Frankreich durchzuführen. Davon wird im wesentlichen auch die Beratung in den Ausschüssen abhängen, die stattfinden kann, sobald das Ergebnis der französischen Maßnahmen, die wir noch nicht kennen, auf dem Tisch liegt.
    So viel zur zweiten Alternative, der Aufwertung der D-Mark; ich habe sie damit abgelehnt.
    Die dritte Möglichkeit, meine Damen und Herren, stellt die vorgeschlagene Umsatzsteueränderung dar. Sie genießt den Vorzug, jederzeit abänderbar oder sogar aufhebbar zu sein. Sie tastet in ihrer Wirkung die realen Bedingungen ab und läßt wegen ihrer Flexibilität eine schnelle Anpassung zu. Der Vorschlag der Bundesregierung enthält drei Maßnahmen : Importförderung, Exporterschwerung und — in einem Paragraphen — einen Härteausgleich.
    Ich verhehle nicht, daß sich beachtliche Kräfte auch innerhalb meiner Fraktion zu Wort gemeldet haben, die aus vielerlei Gründen sehr starke Bedenken gegenüber der jetzt vorgeschlagenen Manipulation geäußert haben. Wir haben im vorigen Jahr das Mehrwertsteuergesetz verabschiedet, das eine Gleichstellung der indirekten Steuern im grenzüberschreitenden Verkehr mit sich brachte und mit dem komplizierten System von Umsatzausgleichsteuern und Umsatzsteuerrückvergütungen aufräumte. Der international anerkannte Grundsatz des neutralen Grenzausgleichs wird nunmehr zu Lasten der deutschen Industrie wieder verlassen, obwohl gerade dies ein Motiv — wenn auch nicht das alleinige — für den Systemwechsel war.
    Wir haben uns der Einführung einer entsprechenden Ermächtigung im Stabilitätsgesetz seinerzeit verschlossen. Heute, nach Inkrafttreten des Mehrwertsteuergesetzes, manipulieren wir nun erneut mit der Steuer. Nicht zu Unrecht — ich sage das ganz offen — ist deshalb auch bei den sehr ernsten Unterhaltungen in meiner Fraktion — wir haben viele Stunden darüber gesprochen — das Wort von der Denaturierung der Steuer- und Finanzpolitik gefallen. Die steuerliche Grenzregelung wird damit systemwidrig als Mittel der Konjunktur- und Währungspolitik eingesetzt. Auch dadurch wird ein starkes Moment der Unsicherheit in die langfristigen Dispositionen der Außenwirtschaft getragen.
    Wenn wir dennoch der Regierung die Zustimmung nicht versagen, so deshalb, weil wir in unserer Fraktion eine solche Maßnahme unter allen Umständen der Aufwertung vorziehen und weil andererseits die andere Alternative, auf die ich noch zu sprechen komme — nämlich die Dinge einfach auf sich beruhen zu lassen und Gewehr bei Fuß zu stehen —, heute nicht mehr gangbar ist.
    Wenn jemand sagt, daß der Effekt verloren ginge, den beispielsweise eine allgemeine Aufwertung hätte, wenn nicht alle Maßnahmen der Regierungsvorlage durchgeführt werden sollten — ich komme gleich darauf zurück —, dann muß ich sagen, daß eben die jetzt getroffene Maßnahme ein Behelf ist. Sie ist kein Aufwertungsersatz, sondern ein aliud. Sie ist mit anderen Maßnahmen zusammen als Bukett unseres guten Willens dafür bestimmt und geeignet, unter Beweis zu stellen, daß wir zu unserem Teil dazu beitragen wollen, die internationale Währungssituation zu entwirren.
    Wir müssen uns auch über die wirtschaftlichen Folgen klar sein. Deshalb haben die beiden Minister und der Herr Bundeskanzler mit großem Ernst über die wirtschaftlichen Folgen gesprochen, die diese Aktion auf dem Gebiet des Exports und im Bereich der Einfuhr auslösen kann. Die Folgen, die sich daraus ergeben, daß der Export erschwert wird, sind verhältnismäßig leicht zu übersehen.
    Wir müssen uns aber auch über die Folgen der Importerleichterung im klaren sein. Lassen Sie mich dazu kurz folgendes sagen. Bei allen Massengütern, bei allen Erzeugnissen, die von vielen Herstellern im In- und Ausland in gleicher Qualität hergestellt werden — also bei chemischen Zwischenprodukten, bei Walzstahl usw. — gibt es einen europäischen Marktpreis. Diesen Marktpreis bestimmt jeweils der niedrigste Anbieter. Sinkt dieser Marktpreis der ausländischen Wettbewerber nun durch Importverbilligung um 4 %, so werden nicht nur diese eingeführten Waren billiger, sondern sämtliche übrigen Produktionen, die ihren Marktanteil behalten wollen, müssen dieser Preissenkung folgen. Um ein Beispiel zu nennen: Beim Stahl führt die Senkung der Einfuhrpreise — heute werden schon mehr als 30 % des deutschen Marktes durch Einfuhren beliefert; vor wenigen Jahren waren es noch weniger als 20 % — zu einer Erlöseinbuße von etwa 600 Millionen DM. Nimmt man dazu die Einbußen aus der Exportsteuer, so summiert sich dieser Betrag auf 800 Millionen DM.



    Dr. Pohle
    Man muß die Frage aufwerfen, ob es richtig ist, daß — um mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu sprechen — dieses Gesetz nicht „durchlöchert werden soll", oder ob — um mit dem Bundesfinanzminister zu reden — dieses Gesetz „ohne substantielle Einschränkungen" hingenommen werden muß und soll, oder ob nicht die Möglichkeit besteht — so habe ich die Ausführungen der beiden Minister verstanden —, in den Ausschußberatungen Überlegungen anzustellen, aus denen sich eine gewisse flexible Handhabung dieses Gesetzes ergibt. Dazu gehört auch die bereits erörterte Frage .des Ausschlusses der Altverträge. Ganz abgesehen davon, daß man in den Ausschüssen zumindest die rechtsstaatlichen Gründe untersuchen muß, betrifft nun gerade diese Miterfassung der Altverträge eine ganze Reihe von Unternehmen, die in der Rezessionsphase die Beschäftigung der Unternehmen und ihrer Belegschaften durch Exportlieferungen sichergestellt haben. Diese Miterfassung wirft jede vernünftige Kalkulation über den Haufen. Die 4 % bleiben eben bei den Exporteuren hängen.
    Ich wiederhole — ich habe es vorhin schon gesagt —: Dieses Gesetz soll nicht ein voller Ersatz für die Aufwertung sein, sondern es soll die Exporte ad futurum erschweren, und es soll die Importe erleichtern, aber es kann nicht genau denselben Effekt wie eine Aufwertung erzielen. Deshalb muß es unter anderen Gesichtspunkten betrachtet, d. h. flexibel gestaltet werden.
    Meine Damen und Herren, ich habe damit zum Ausdruck gebracht, daß die große Mehrheit meiner Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmt. Wir hoffen und wünschen, daß wir mit der Verwaltung und mit den zuständigen Ministern in den Ausschüssen die strittigen Fragen sehr eingehend erörtern und möglichst klären können.
    Eine vierte Möglichkeit wäre, nichts zu tun. Ich stelle fest, dieser Weg ist nicht gangbar. In Wirklichkeit stellt er eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen dar. Die Folgen dieser Entscheidung würden sein: ein Inflationsimport, der sich binnenwirtschaftlich in Kosten- und Preissteigerungen und in Einfuhrbeschränkungen bei unseren Handelspartnern niederschlagen würde, ein Verlust der Solidarität innerhalb der westlichen Währungsgemeinschaft, gleichzeitig ein Andauern der Spekulation und der spekulativen Aufkäufe. Wir würden uns außerdem der Möglichkeit begeben, daß die Maßnahmen unserer Partner dann in Übereinstimmung mit uns getroffen werden. Der Druck würde so außerordentlich stark auf uns sein, daß wir, glaube ich, mit gutem Gewissen sagen können: Dieser Weg ist nicht gangbar.
    Wir dürfen es uns dabei auch nicht zu leicht machen. Die Bundesrepublik hat in der Zeit von 1966 bis September 1968 einen Ausfuhrüberschuß erzielt, der die Größenordnung von mehr als 36 Milliarden DM erreicht. Das ist ein Tatbestand, den man auch nicht ohne weiteres ignorieren kann. Wir haben also nicht darüber zu entscheiden, ob wir einfach nichts tun, sondern die Entscheidung, vor der wir stehen, lautet: Protektionismus bei den anderen oder Verhinderung dieser Entwicklung. Das ist die Alternative.
    Angesichts dieses Sachverhalts kann die Antwort nur lauten — und das ist der Standpunkt meiner Fraktion —: Wir müssen handeln, und wir werden es auch tun. Es ist daher wichtig, daß die Vorschläge der Bundesregierung ein ganzes Paket umfassen. Neben umsatzsteuerlichen Maßnahmen stehen also die Kredithilfen von 2,4 Milliarden DM allein an Frankreich, die Anwendung des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, die Abwehr heißen Geldes und steuerliche Erleichterungen für Direktinvestitionen im Ausland. Meine Fraktion ist der Meinung, daß es sich hierbei um ein wohlabgewogenes Bündel von Maßnahmen handelt, dem sie ihre Zustimmung erteilen kann.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Wirtschaft der Bundesrepublik ist nun einmal auf den Außenhandel und damit auf eine funktionierende Weltwirtschaft angewiesen. Dies verbietet uns, angesichts der bei unseren Nachbarn bestehenden Probleme tatenlos zu bleiben. Wir gehen dabei von der Voraussetzung aus, daß, wenn wir handeln, auch die anderen handeln müssen. Meine Fraktion unterstützt deshalb die Vorschläge der Bundesregierung. Ich bin der Meinung, daß wir damit erstens den internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik nachkommen, zweitens den Geboten der internationalen Solidarität entsprechen und damit die Voraussetzung für eine entsprechende solidarische Haftung auch und gerade unserer Nachbarn schaffen, drittens der Gefahr einer Desintegration des Welthandels einen Riegel vorschieben, viertens den Weg für nationale Gesundungsmaßnahmen bei den am meisten gefährdeten Ländern erleichtern und fünftens Zeit für eine Reform des Abkommens von Bretton Woods gewinnen.
    Die Bundesrepublik ist im Begriff, als Außenhandelsland, das auf Handelsbilanzüberschüsse angewiesen ist, einen positiven Beitrag zur Gesundung des internationalen Währungssystems zu leisten. Damit erfüllen wir eine uns auferlegte Pflicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Möller.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alex Möller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das kleine Bonn war in der vorigen Woche ein Zentrum weltpolitischen Interesses. Regierungen und Währungspolitiker aus aller Welt blickten zur Hauptstadt am Rhein, teils mit Bangen, teils hoffend, daß die deutsche Bundesregierung eine Lösung der jüngsten internationalen Währungskrise ermöglicht und mithilft, notleidend gewordene Währungen befreundeter Staaten zu sanieren, d. h. der internationalen Währungsspekulation endlich ein Ende zu bereiten.
    Bei den Bonner Beratungen des Zehnerklubs hat sich die Bundesrepublik ihrer Verpflichtung zu währungspolitischer Solidarität nicht entzogen. Die von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen stellen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    internationalen Währungskrise dar. Das Verhandlungsgeschick und das Stehvermögen der deutschen Delegation verdienen volle Anerkennung. Dem Vorsitzenden des Zehnerklubs, Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller, gebührt der Dank für seinen raschen Entschluß, die währungspolitische Vertretung der zehn führenden westlichen Industrieländer so kurzfristig nach Bonn eingeladen zu haben.

    (Beifall bei der SPD.)

    Er überholte damit die internationale Spekulation und die Folgen einer solchen Spekulation.
    Dank schulden wir auch dem Bundesfinanzminister, Herrn Strauß, der erneut bewiesen hat, daß er — zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister — in der Lage ist, in einer für die Bundesrepublik Deutschland entscheidenden Situation eine wohlverstandene Koordination der Interessen befreundeter Länder mit den Möglichkeiten der Leistungskraft der Bundesrepublik zu verbinden.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich füge als meine persönliche Meinung hinzu: nicht nur zu verbinden, sondern für eine als richtig anerkannte Konzeption überzeugend, mit Festigkeit und daher auch erfolgreich einzutreten.
    Die Konferenz selbst erbrachte den Beweis, daß die währungspolitische Kooperation der westlichen Industriestaaten auch bei sehr harten Auseinandersetzungen bei unterschiedlichsten Interessenlagen zu einem Ergebnis für alle Beteiligten führen kann, das nicht negiert, sondern das konstruktive Lösungen anstrebt. Der Zehnerklub bat nicht das Recht, verbindliche Entscheidungen zu treffen; er kann nur Empfehlungen aussprechen und den Versuch unternehmen, einen gemeinsamen Weg aufzuzeigen. Welche Mittel die betreffenden Länder einsetzen, unterliegt ihrer souveränen Bestimmung. Die Bundesrepublik hat zur Beseitigung dieser internationalen währungspolitischen Krise nicht die ihr vielfach und hartnäckig von befreundeten Ländern nahegelegte Aufwertung vorgenommen, sondern statt dessen Maßnahmen gewählt, die der wirtschaftlichen Lage der Bundesrepublik angemessen sind und die in vieler Hinsicht negativen Wirkungen einer Aufwertung vermeiden.
    Im güterwirtschaftlichen Bereich soll das Gesetz über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung für die Umlenkung der Handelsströme auf dem Binnenmarkt durch eine steuerliche Belastung des Exports und eine entsprechende Subventionierung des Imports sorgen. Das ist auch eine Aufgabe unserer neuen Mehrwertsteuer, die durchaus die Anerkennung und Billigung der Brüsseler Kommission findet, und es ist abwegig, zu unterstellen, daß das nicht zu den Aufgaben einer konstruktiven Steuerpolitik gehöre. Die geldwirtschaftliche Normalisierung im internationalen Zahlungsverkehr läßt sich durch die Einführung einer Genehmigungspflicht für Geld- und Kreditgeschäfte von Gebietsfremden auf Grund des Außenwirtschaftsgesetzes erreichen. Darüber hinaus beschloß der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank eine Erhöhung der Mindestreservesätze für einströmendes Auslandsgeld.
    Die Bundesregierung hat schon in der Zeit vor den turbulenten Ereignissen der letzten Woche immer wieder und mit Nachdruck betont, daß sie nicht beabsichtige, den Außenwert der D-Mark zu verändern. Auch auf der diesjährigen Weltwährungskonferenz Ende September legte Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller diese Auffassung mit aller Deutlichkeit dar. Mitte Oktober hat der Bundeswirtschaftsminister vor dem Deutschen Bundestag über die Konferenz des Weltwährungsfonds und die Tagung der Weltbank berichtet. Er konnte auf den Erfolg seiner Anstrengungen verweisen, die anderen Länder davon zu überzeugen, daß die Entwicklung unserer Zahlungsbilanz keineswegs dazu zwinge, die Aufwertung der D-Mark zu fordern. In seiner Begründung hat Professor Schiller damals wörtlich ausgeführt, und ich möchte an diese Ausführungen gern erinnern:
    So wenig ein Defizitland gedrängt werden kann, zum Ausgleich seiner Zahlungsbilanz eigene Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen, so wenig sollte ein Überschußland gezwungen werden, seine mühselig wiedererrungene Stabilität zu opfern, bloß weil sich andere Länder in einem Inflationsprozeß befinden. Ich sage es noch deutlicher: Es ist auf jeden Fall unzumutbar, daß wir Deutschen allein sozusagen an uns selbst jene Fehler korrigieren, die andere Länder im eigenen Hause begangen haben. Jeder hat doch seine Pflichten, und diese Pflichten sind im Gegensatz zum Grundsatz des Weltwährungssystems nicht konvertibel. Deshalb versuchen wir ja auch mit allen Mitteln, unsere eigenen Pflichten, die uns aus unserer wirtschaftlichen Überschußlage erwachsen, zu erfüllen.
    Leider hat die Spekulation auf eine Aufwertung der D-Mark — das zeigte die hektische Entwicklung der jüngst vergangenen Wochen — dennoch nicht abgenommen, sondern zugenommen. Immer neue Gerüchte über eine mögliche Aufwertung der D- Mark führten dazu, daß die Bundesrepublik — wie auch vor der Aufwertung im Jahre 1961 — das Ziel spekulativen „heißen" Geldes aus aller Welt geworden ist. In einem in der Währungsgeschichte bisher einmaligen Ausmaß strömten innerhalb weniger Tage weit über 7 Milliarden DM fluktuierenden ausländischen Geldes in die Bundesrepublik. Dieser Strom wurde von der Absicht gesteuert, aus einer erwarteten Aufwertung gewissermaßen über Nacht einen Spekulationsgewinn zu erzielen, der bei einem Aufwertungssatz von 7,5 v. H. allein für die erwähnten 7 Milliarden DM einen Gewinn von 525 Millionen DM erbracht hätte. Solche Hoffnungen haben sich nicht erfüllt, und das ist gut so. Insbesondere der Franc, der seinerseits als abwertungsverdächtig galt, aber auch das noch kränkliche Pfund gerieten bei diesen nicht von uns verschuldeten Kapitalfluchtbewegungen immer mehr und immer stärker unter einen unerträglichen Druck.
    Angesichts dieser eskalierenden Entwicklung mußte Bundeswirtschaftsminister Professor Schiller auf der überraschend nach Bonn einberufenen Währungskonferenz des Zehnerklubs Mitte vergangener



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    Woche unzweideutig klarstellen, daß die D-Mark entgegen aller Spekulationen und trotz des mittlerweile massiven Drucks anderer Länder nicht im Alleingang aufgewertet wird. Auch Bundeskanzler Kiesinger hat, allerdings mit einer Einschränkung, am 22. November mit aller Entschiedenheit bekundet, daß eine Aufwertung während seiner Amtszeit ausgeschlossen sei.
    Trotz dieser entschiedenen Haltung, die D-Mark nicht aufzuwerten, erklärte sich die Bundesregierung bereit, einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der internationalen Währungskrise und zum Abbau der Zahlungsbilanzdefizite anderer Länder zu leisten. Nunmehr liegt es an diesen Ländern mit defizitären Zahlungsbilanzen, ihren Teil beizutragen, daß die von der Bundesregierung beschlossenen handelspolitischen Maßnahmen die erwarteten Erfolge zeitigen. Ich möchte klar aussprechen, daß die Realisierung unserer Absichten für die deutsche Wirtschaft eine nicht unerhebliche Belastung mit sich bringt. Wir erwarten auch aus diesem Grunde, daß sich die Konjunkturpolitik und die monetären Dispositionen in den währungsschwachen Ländern entschiedener als bisher dem Inflationsprozeß widersetzen. Auf das Wie können wir keinen direkten Einfluß nehmen. Aber ich meine, wir haben doch wohl das Recht, Bedauern auszudrücken, wenn man sich vom Ideal des freien Handels über die Grenzen hinweg entfernt und die unbestrittene Realität des Marktes zu negieren versucht.
    Es sei deutlich gesagt: bisher haben sich die anderen Welthandelsländer an ihre eigenen Fehler kaum erinnert oder erinnern lassen. Selten fand man, insbesondere auf englischer Seite, eine so ehrliche und selbstkritische Haltung, wie sie einer großen Zeitung vom 21. November 1968 entnommen werden konnte.
    Die Zeitung schrieb:
    Dabei ist die einzige Sünde der Deutschen, daß sie nicht über ihre Verhältnisse gelebt haben, die Preise stabil hielten, die Staatsausgaben nicht ins Uferlose ließen und das Sparen förderten.
    Tatsächlich muß man immer wieder daran erinnern, daß die bei uns in der Vergangenheit erreichte Preisstabilität, die zu den Exporterfolgen unserer Wirtschaft wesentlich beigetragen hat und nicht zuletzt durch Lohnverzichte der Arbeitnehmer bezahlt wurde, dem französischen, dem englischen und dem amerikanischen Arbeiter einen Teil seines Lebensstandards mitfinanziert hat.

    (Zuruf von der SPD: So war es!)

    Hierauf wurde mit aller Deutlichkeit und mit Recht von Franz Thoma in der Süddeutschen Zeitung am 21. November 1968 hingewiesen. Würden nämlich unsere Partnerländer, soweit ihr gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht gestört ist, mit ihrer bisherigen Wirtschaftspolitik fortfahren und z. B. einen unverminderten Preisanstieg im Ausland ermöglichen, so wäre der durch die Belastung unseres Exports für diese Länder geschaffene Wettbewerbsvorteil bald wieder vertan.
    Die vorgeschlagene Lösung, die Umsatzsteuer beim grenzüberschreitenden Warenverkehr in den Dienst der Währungspolitik und damit der außenwirtschaftlichen Absicherung zu stellen, hält die sozialdemokratische Bundestagsfraktion für notwendig und richtig. Ich muß allerdings darauf hinweisen, daß der jetzt erforderlich gewordene Gesetzesweg und die damit verbundene zeitliche Verzögerung, wenn nicht noch andere Schwierigkeiten auftreten, hätten vermieden werden können, wenn seinerzeit bei der Beratung des Stabilitätsgesetzes der sozialdemokratische Antrag auf Aufnahme eines umsatzsteuerrechtlichen außenhandelspolitischen Instruments in das Stabilitätsgesetz realisiert worden wäre.

    (Beifall bei der SPD.)

    Grundsätzlich sprachen sich damals zwar sowohl der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages als auch die Bundesregierung nicht gegen eine konjunkturelle Anpassung der Umsatzausgleichsteuer aus, sie lehnten jedoch eine Anpassung nach Gütergruppen ab. Der Antrag meiner Fraktion wurde damals unter Hinweis auf die durch die Einführung der Nettoumsatzsteuer am 1. Januar 1968 veränderte Rechtslage nicht in das Stabilitätsgesetz aufgenommen. Bei den Ausschußberatungen haben die Vertreter der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zwar die Veränderung der Rechtslage anerkannt, die ersatzlose Streichung dieses Instruments aber nicht für richtig erachtet. Bei Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes forderte der Deutsche Bundestag von der Bundesregierung bis Anfang 1968 — ich wiederhole: bis Anfang 1968 — die Überprüfung der Möglichkeiten, die binnenwirtschaftliche Stabilitätspolitik durch steuerliche Maßnahmen gegen außenwirtschaftliche Störungen abzusichern. Ich erinnere auch diejenigen Kollegen daran, die vielleicht in ihrer heutigen Stellungnahme daran nicht mehr erinnert werden möchten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Ich muß feststellen, das Ergebnis dieser Prüfung ist dem Deutschen Bundestag bis heute noch nicht vorgelegt worden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    In der Variierung des steuerlichen Grenzausgleichs sehe ich ein wirksames Mittel, einer internationalen Spekulation auf eine Aufwertung entgegenzutreten. Allein die Möglichkeit, für ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht mit gezielteren und elastischeren Mitteln als einer Aufwertung zu sorgen, macht nämlich das Risiko für spekulative Kapitalbewegungen unkalkulierbar. Das Vorhandensein einer Ermächtigung für die Bundesregierung — das sagen wir nicht zum erstenmal; das haben wir auch schon gesagt, als wir uns in der Opposition befanden —, den steuerlichen Grenzausgleich im Verordnungswege zu verändern, hätte mit Sicherheit verhindert, daß vagabundierendes Geld in einem solchen Ausmaß wie in den vergangenen Tagen nach Deutschland geflossen wäre. Deshalb bedaure ich, daß wir mit dem Absicherungsgesetz nur eine einmalige Maßnahme beschließen, statt eine Ermächtigung für die Bundesregierung generell vorzunehmen und dem Parlament ein nach-



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    trägliches Aufhebungsrecht einzuräumen, wie es von uns seit langem angestrebt worden ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Die Bundesregierung hat mit ihren Beschlüssen ihrem Auftrag nach den §§ 1 und 4 des Stabilitäts-
    und Wachstumsgesetzes entsprochen und Instrumente vorbereitet, die das außenwirtschaftliche Gleichgewicht wahren sollen. Der Leistungsüberschuß im Jahre 1968 wird sich trotz der angestiegenen Importe nicht vermindern, sondern mit 16 Milliarden DM annähernd die Höhe des Vorjahres aufweisen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die deutsche Wirtschaft in der Rezession des Jahres 1967 ihren Absatz wegen der fehlenden Binnennachfrage verstärkt auf dem Auslandsmarkt gesucht hat. Die jüngsten Daten von Oktober 1968 zeigen die bedenkliche Entwicklung des Außenhandels noch deutlicher auf: Die Ausfuhr stieg um 16,9 % oder um 9,6 Milliarden DM und war damit größer als je zuvor in einem Monat. Der Exportüberschuß hat sich von 1,5 Milliarden DM im September auf knapp 1,8 Milliarden DM im Oktober 1968 erhöht. Trotz des rezessionsbedingten Exportdrucks hatte der Außenhandel im Oktober 1967 nur mit einem Überschuß von 1,6 Milliarden DM abgeschlossen. Die Bundesregierung wies zur Begründung des Absicherungsgesetzes auf die unterschiedliche Preisentwicklung in der Bundesrepublik und bei den wichtigen Handelspartnern hin. So betrug der Preisauftrieb in Großbritannien und in Frankreich annähernd 5% gegenüber dem Vorjahresdurchschnitt. Die Bundesregierung hat nicht nur ein berechtigtes Interesse, sondern sie ist nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz sogar dazu verpflichtet, eine Anpassung an das gestiegene Preisniveau dieser Länder zu verhindern.
    Auf diese Vorgänge bin ich deshalb ausführlich eingegangen, weil in der Öffentlichkeit die umsatzsteuerlichen Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung nur als ein Akt der Wirtschaftsgemeinschaft angesehen werden und das vitale eigene Interesse der Bundesrepublik an diesen Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung verkannt wird.
    Die deutschen Bemühungen zur binnenwirtschaftlichen Absicherung und zur Stabilität des internationalen Währungssystems müssen in engem Zusammenhang mit den Bemühungen der übrigen Länder des Zehnerklubs betrachtet werden, in ihrem Bereich für eine Normalisierung der Währungsbeziehungen zu sorgen. Die Bundesregierung hat mit ihrer Bereitschaft, Maßnahmen für den Abbau des deutschen Handelsbilanzüberschusses zu ergreifen, den Grundsatz bestätigt, daß auch die Überschußländer für die internationale Währungsstabilität verantwortlich sind. Selbstverständlich werden die Defizitländer dadurch nicht von ihrer Verpflichtung befreit, alles zu unternehmen, um die Ursachen der Störungen des Währungssystems dort zu beheben, wo sie entstanden sind.
    Lassen Sie mich nun zu dem von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag einige wenige Bemerkungen machen. Wie Sie wissen, soll die seit
    Anfang 1968 eingeführte vollständige Entlastung der Exporte von der inländischen Mehrwertsteuer zeitweilig aufgehoben und so die Ausfuhr mit einer Steuer von 4 v. H. belastet werden. Demgegenüber werden die Importe für einen begrenzten Zeitraum von 16 Monaten nicht mit dem vollen inländischen Mehrwertsteuersatz belastet. Die Variation der Umsatzsteuer betrifft also nur den grenzüberschreitenden Warenverkehr, nicht dagegen den Kapital- und Dienstleistungsverkehr. Die steuerliche Maßnahme bleibt auf 16 Monate beschränkt und kann jederzeit vor Ablauf dieser Frist wieder aufgehoben werden, wenn die gesamtwirtschaftliche Lage das erfordert.
    Ich halte diesen Weg gegenüber einem endgültigen Eingriff, wie ihn eine Aufwertung darstellt, für erheblich besser. Die Bundesregierung behält damit ihre Aktionsfähigkeit auch weiterhin, während eine Aufwertung mit ihrer kaum übersehbaren multiplikativen Wirkung nicht wieder rückgängig gemacht werden kann, es sei denn durch eine nachfolgende Abwertung. Damit wäre aber praktisch allen geschadet und keinem geholfen.
    Von der Verbilligung des Imports und der Belastung des Exports ist eine wesentliche Erhöhung des inländischen Güterangebots und damit eine Dämpfung des Preisauftriebs zu erwarten. Wie wir hören, haben überschlägige Berechnungen ergeben, daß mit einer Reduzierung unserer Handelsbilanzüberschüsse in einer Größenordnung von rund 5 Milliarden DM gerechnet werden kann. Gleichzeitig werden durch den Abbau unserer eigenen Handelsbilanzüberschüsse auch die Handelsbilanzdefizite unserer Partnerländer reduziert. Auch ich gehe davon aus, daß durch das aus der Reduktion der Handelsbilanzüberschüsse fließende vermehrte Güterangebot der bisher ohne außenwirtschaftliche Absicherung für das Jahr 1967 geschätzte Preisanstieg von 2,5 bis 3 v. H. um einen Prozentpunkt vermindert wird. Dabei wäre daran zu erinnern, daß die letzte Schätzung des Interministeriellen Arbeitskreises für die Preisentwicklung des Jahres 1968 von einem Preisanstieg ausgeht, der bei 1,9 v. H. liegt.
    Allerdings, meine Damen und Herren, würde der Erfolg dieser handelspolitischen Maßnahmen, nämlich die binnenwirtschaftliche Preisstabilität gegenüber außenwirtschaftlichen Störungen abzusichern und gleichzeitig einen wirksamen deutschen Beitrag zur Verbesserung der internationalen Währungssituation zu leisten, in dem Umfang gefährdet, als nicht vertretbare Ausnahmeregelungen zugelassen werden.
    Eine Ausnahme gilt allerdings für die Landwirtschaft, der auf Grund — und das ist der einzige, aber entscheidende und für uns nicht wegzudiskutierende Grund — der EWG-Agrarmarktordnung politisch und vertraglich ein bestimmtes Preisniveau garantiert ist. Gerade das Problem der EWG-Agrarmarktordnung war bei den Überlegungen um eine Aufwertung der D-Mark von erheblichem Gewicht; denn eine Aufwertung hätte das Nominaleinkommen der Landwirte je Aufwertungsprozentpunkt um bis zu 250 Millionen DM vermindert. Bei einem Aufwertungssatz von z. B. 7 v. H. wäre ein Einkommensaus-



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    fall für die Landwirtschaft von jährlich bis zu 2 Milliarden DM entstanden. Eine so plötzliche Veränderung des gesamten agrarischen Preisniveaus hätte bei der nun einmal vorhandenen EWG-Agrarmarktordnung außerordentlich schwerwiegende ökonomische, soziale und politische Konsequenzen. Ganz zweifellos wäre ein solcher Einkommensausfall in dieser Größenordnung Anlaß zu entsprechenden Ausgleichsforderungen an die öffentliche Hand geworden. Ich brauche in diesem Hohen Hause nicht weiter zu belegen, welche Folgen sich hieraus für die Finanzdispositionen, insbesondere für die mittelfristige Finanzplanung ergeben hätten.
    Es ist bekannt, daß die Exportabhängigkeit der westdeutschen Wirtschaft seit dem Jahre 1961 weiter gestiegen ist und daß sich die Exportquote, d. h. die Ausfuhr in Prozent des Bruttosozialprodukts, erhöht hat. Gerade diese Überlegungen haben sehr wesentlich zu der entschiedenen Haltung der Bundesregierung gegenüber einer Aufwertung der D-Mark beigetragen und führten konsequenterweise zu den nun vorgeschlagenen umsatzsteuerlichen Maßnahmen. Eine Aufwertung würde aber auch die deutsche Exportwirtschaft — daran muß ich alle die erinnern, die Telegramme und Briefe schicken — zweifellos härter getroffen haben als die jetzige Regelung. Wie der deutschen Presse zu entnehmen ist, werten auch viele Exporteure die Zusatzsteuer als das geringere Übel. Eine Aufwertung hätte eine dauerhafte Verschlechterung unserer Wettbewerbsposition auf dem Weltmarkt hervorgerufen, ganz abgesehen von der doch durch niemanden zu bestreitenden Tatsache, daß der Aufwertungssatz sicherlich höher gewesen wäre als 4 v. H.

    (Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, gerade die Wahl des in jeder Hinsicht richtigen Aufwertungssatzes ist ein schwer lösbares Problem. Der Erfolg einer Aufwertung hängt ganz entscheidend von der absolut richtigen Festsetzung des Korrektursatzes ab. Die Gefahr einer Fehlentscheidung ist nunmehr durch eine im richtigen Zeitpunkt korrigierbare außenhandelspolitische Intervention vermieden worden.
    Wie wir vom Bundesfinanzminister gehört haben, ergibt sich bei der Gegenüberstellung des Ausfalls an Einfuhrumsatzsteuer von 2,8 Milliarden DM und des Mehraufkommens aus der Belastung der Ausfuhr von 4,1 Milliarden DM ein Saldo — nur auf dem Papier stehend — zugunsten des Bundes von 1,3 Milliarden DM. Bei der Bewertung der finanziellen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte ist jedoch zu berücksichtigen, daß eine Verminderung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer erwartet werden muß; denn die Kostenerhöhung im Export wird zu einer Einschränkung der Exportgewinne führen. Die Steuer im Export und die Umleitung der Produktion auf den Binnenmarkt bei der dort zunehmenden Konkurrenz hat eine Reduzierung der Gewinne der exportorientierten Unternehmen zur Folge. Dem steht die Ertragssteigerung bei den Importeuren gegenüber, soweit nicht die Steuersubvention in Form von Preissenkungen — was zu hoffen ist — an die Abnehmer weitergegeben wird. Die genaue Höhe dieser steuerlichen Sekundärwirkung läßt sich noch nicht klar übersehen. Insgesamt betrachtet dürften die umsatzsteuerlichen Mehreinnahmen, die aus den beabsichtigten Maßnahmen zu erwartenden Steuermindereinnahmen, wahrscheinlich, aber nur wahrscheinlich, noch übersteigen. Deswegen warne ich davor, in den Ausschußberatungen mit einem Saldo von mehreren hundert Millionen D-Mark zugunsten des Bundesfinanzministeriums zu rechnen. Ich bin überzeugt davon, ein solcher Saldo wird sich nicht einstellen.
    Das mit dem Aufwertungsgesetz verfolgte Ziel läßt sich nur erreichen, wenn die binnenwirtschaftlichen Hilfen für die in ihrer Wettbewerbsfähigkeit betroffenen Wirtschaftszweige eng begrenzt bleiben.
    Wem wird nun die Erleichterung der Einfuhr nützen? Preisermäßigungen werden erfahrungsgemäß am ehesten dann weitergegeben, wenn die importierte Ware möglichst rasch an den Endabnehmer gelangt. Durch eine Senkung der Steuerbelastung auf Einfuhrprodukte ist eine Preisermäßigung möglich. Es ist empirisch nachweisbar, daß die Nachfrageelastizität nach Fertigerzeugnissen sowohl hinsichtlich des Einkommens als auch bezüglich der Preise relativ hoch zu veranschlagen ist. Bei unseren Bemühungen um eine Reduzierung des Leistungsbilanzüberschusses im Interesse einer Stabilisierung des Preisniveaus und zum Nutzen unserer Partnerländer kommt uns dabei der relativ hohe Anteil von Fertigprodukten an der Gesamteinfuhr mit fast 30 v. H. zugute. Auch Wirtschaftsbereiche, deren Produktion stark von importierten Rohstoffen oder Halbfertigfabrikaten abhängig ist, werden durch die Importförderung in die Lage versetzt, ihre Erzeugnisse am Inlandsmarkt billiger anzubieten. Von dieser Seite ist also ein preisregulierender Einfluß zu erwarten. Andererseits wird bei der Exportwirtschaft durch die Verbilligung der Einfuhren bei hohen Importen die durch Verteuerung des Exports entstandene Belastung gemindert.
    Wertet man die vorgesehenen umsatzsteuerlichen Maßnahmen im Vergleich zu den Folgen einer Aufwertung, so kann man nach alledem sagen, daß lediglich der grenzüberschreitende Warenverkehr, d. h. die Handelsbilanz, betroffen wird, während die Nachteile, die eine Aufwertung für die Kapitalbilanz gehabt hätte, vermieden werden können.
    Aus der Aufwertung hätten sich ganz zwangsläufig negative Konsequenzen insofern ergeben, als sie die Kapitalbilanz kaum übersehbar belasten würde. Hierfür ein, wie ich meine, überzeugendes Beispiel. Die Erträge westdeutscher Unternehmen aus Direktinvestitionen im Ausland wären — umgerechnet in D-Mark — durch die Aufwertung vermindert worden. Das würde wiederum in erheblichem Maße eine Dämpfung der westdeutschen Investitionsbereitschaft im Ausland bewirken. Der Kapitalexport wäre erschwert! Andererseits wären im Ausland die Besitzer deutscher Wertpapiere und Gesellschaften mit internationalen Interessen zu weiteren Engagements in der Bundesrepublik angeregt, weil Zinsen und Gewinne in D-Mark — in ausländischer Währung ausgedrückt — einen höheren Wert repräsentierten.



    Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller
    Die steuerliche Regelung macht keine Neubewertung der in ausländischer Währung bestehenden Forderungen und Verpflichtungen notwendig, so daß Aufwertungsverluste und natürlich auch Aufwertungsgewinne ausgeschlossen sind.
    Das gleiche gilt für die Währungsreserven der Deutschen Bundesbank, für die bei einer Aufwertung ein Abschreibungszwang besteht, der nach dem Bundesbankgesetz aus den Gewinnanteilen des Bundes zu tragen gewesen wäre. Somit ist dem Bund ein erheblicher Einnahmeausfall erspart geblieben. Das ist ein sehr gewichtiges Argument, da wir wissen, daß die Deutsche Bundesbank als Folge der D-Mark-Aufwertung in 1961 jahrelang keine Gewinne mehr an den Bund abführen konnte. Das waren Beträge, die uns in unseren Haushaltsdispositionen außerordentlich gefehlt haben. Diesmal würde es sich um eine Größenordnung von 3 Milliarden DM handeln, die wir vom Bund an die Deutsche Bundesbank abzuführen hätten.
    Im übrigen halte ich es für begrüßenswert, daß durch unsere Konzeption die Vermögenswerte deutscher Staatsbürger im Ausland als Folge einer Aufwertung vor Schaden bewahrt werden konnten.
    Es ist selbstverständlich, daß bei dieser Debatte auch das Problem — Herr Kollege Pohle hat es ebenfalls getan — der „alten Kontrakte" erörtert werden muß. Der Gesetzentwurf stellt nur auf den Zeitpunkt der Ausfuhr von Waren und nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab. Durch einen Berg von Telegrammen und Briefen an alle Abgeordnete — zum Nutzen der Deutschen Bundespost! — ist von seiten der Exportwirtschaft verlangt worden, sämtliche vor dem 23. November 1968 geschlossenen Verträge von der „Exportsteuer" auszunehmen. Ich möchte schon in der ersten Lesung für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion eindeutig erklären, daß wir nicht geneigt sind, die vorgesehenen Maßnahmen in einer Weise zu durchlöchern, daß Abschlüsse mit einer Vertragssumme von etwa 20 bis 25 Milliarden DM nicht einbezogen werden.

    (Beifall bei der SPD. — Widerspruch bei einzelnen Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Eine Sonderregelung in einem derartigen Umfang — das kann doch niemand bestreiten — würde das Angebot der Bundesregierung an den Zehnerklub entwerten und die beabsichtigte Wirkung bei der außenwirtschaftlichen Absicherung unbedingt in Frage stellen.

    (Erneuter Beifall bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, wer hier Klagen darüber vorbringt, daß die steuerliche Belastung der Exportindustrie mit 4 v. H. zu hoch ist, dem muß gesagt werden, daß nur zur Diskussion stand, die D-Mark aufzuwerten — und sicher mit einem höheren Satz als 4 v. H. — oder den gesamten Komplex der zur außenwirtschaftlichen Absicherung in Angriff genommenen Maßnahmen durchzuführen.
    Nur zwischen diesen beiden Möglichkeiten lag die Entscheidung. Es ist einfach falsch, in der Öffentlichkeit darstellen zu wollen, wir hätten nichts tun und auch nichts in Angriff nehmen müssen.
    Wir verkennen nicht, daß es für einzelne Unternehmen mit einem hohen Exportanteil eine Belastung bedeutet, die sie in ernste finanzielle Schwierigkeiten bringen kann. Inwieweit man in Härtefällen Billigkeitsregelungen erwägen muß, sollte in den Ausschußberatungen geklärt werden.
    Lassen Sie mich zum Schluß meiner Ausführungen kommen. In der gegenwärtigen Situation hatte die Bundesregierung die alleinige Last der Verantwortung für die Konjunktur zu tragen, weil das Beispiel der sechziger Jahre sehr ernst und sehr schmerzlich die Ohnmacht der Deutschen Bundesbank zeigte, daß sie mit restriktiven Mitteln Zahlungsbilanzüberschüsse in der Hochkonjunktur nicht vermeiden konnte. Nachdem eine Aufwertung aus den dargelegten Gründen, nicht zuletzt auch wegen der Ungewißheit darüber, welche Maßnahmen ausländische Regierungen zur Bekämpfung ihrer Zahlungsbilanzschwierigkeiten ergreifen werden und welche Marschrichtung die neue Regierung der USA einschlagen wird, nicht opportun war, galt es, den von unserer Seite notwendigen Beitrag für die Geldwertstabilität und die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des internationalen Währungssystems mit fiskalischen Mitteln zu erbringen.
    Die Deutsche Bundesbank wird nunmehr in der Lage sein, an ihrer Politik des billigen Geldes festzuhalten, was im Interesse des Kapitalexports notwendig ist. Der unerwünschte Devisenzustrom in die Bundesrepublik, der die internationale Währungssituation in der letzten Woche so verschärfte, wird, das ist meine Überzeugung, durch die auf der Rechtsgrundlage des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes getroffenen Maßnahmen der Genehmigungspflicht für die Entgegennahme und Verzinsung von Einlagen auf Konten Gebietsfremder in der Bundesrepublik und weiter durch die neue Mindestreserveregelung abgebremst werden, und das ist zweifellos gut und richtig.
    Eine rasche Verabschiedung der beabsichtigten Maßnahmen, und zwar noch in dieser Woche, muß nach Meinung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion erfolgen, weil sonst der leider vorhandene Ankündigungseffekt dieser Aktion einen Teil des erhofften Erfolges wieder zunichte machen könnte.
    Meine Damen und Herren, ich habe die Hoffnung, daß man im befreundeten Ausland früher oder später doch noch zu der Überzeugung gelangen wird, daß unsere Politik keineswegs auf die Lösung interner Schwierigkeiten fixiert war, sondern in erster Linie zu begreifen ist als ein echter deutscher Beitrag der Solidarität mit den uns befreundeten Staaten. Nur eine solche Haltung setzt für unsere Arbeit im Geiste gegenseitiger Partnerschaft die richtigen Maßstäbe.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)