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ID0519700600

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    Deutscher Bundestag 197. Sitzung Bonn, den 26. November 1968 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Busse (Herford) und Steinhoff . . . 10615 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 10615 A Entwurf eines Gesetzes über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung (CDU/CSU, SPD) (Drucksache V/3524) — Erste Beratung —Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 10615 B Dr. Schiller, Bundesminister . . . . 10617 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . . 10622 C Dr. Pohle (CDU/CSU) 10628 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 10632 D Mertes (FDP) 10638 A Dr. Luda (CDU/CSU) . . . . . 10639 C Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . . 10641 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1967 (Mehrwertsteuer) (Abg. Frau Funcke, Dr. Staratzke, Mertes, Genscher u. Gen.) (Drucksache V/3482) — Erste Beratung — . . . . 10642 D Nächste Sitzung 10642 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10643 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10615 197. Sitzung Bonn, den 26. November 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 18.00 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 30. 11. Dr. Aigner * 30. 11. Dr. Apel * . 30. 11. Arendt (Wattenscheid) * 30. 11. Dr. Arndt (Hamburg) 30. 11. Dr. Artzinger * 30. 11. Bading * 30. 11. Behrendt * 30. 11. Bergmann * 30. 11. Borm 26. 11. Buchstaller 30. 11. Dr. Burgbacher * 30. 11. Corterier * 30. 11. Deringer * 30. 11. Dichgans * 30. 11. Dr. Dittrich * 30. 11. Dröscher * 30. 11. Frau Dr. Elsner * 30. 11. Faller * 30. 11. Fellermaier * 30. 11. Dr. Furler * 30. 11. Gerlach * 30. 11. Gscheidle 29. 11. Haase (Kellinghusen) 26.11. Hahn (Bielefeld) * 27. 11. Hauffe 30. 11. Illerhaus * 30. 11. Dr. Jungmann 29. 11. Frau Kleinert 15. 1. 1969 Klinker * 30. 11. Kriedemann * 30. 11. Freiherr von Kühlmann-Stumm 6. 12. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Kulawig * 30. 11. Lange 26. 11. Lautenschlager * 30. 11. Lemmrich 26. 11. Lenz (Brühl) * 30. 11. Dr. Löhr * 30. 11. Lücker (München) * 30. 11. Mauk * 30. 11. Memmel * 30. 11. Metzger * 30. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 11. Müller (Worms) 29. 11. Richarts * 30. 11. Riedel (Frankfurt) * 30. 11. Dr. Schmidt (Offenbach) 26. 11. Dr. Serres 26. 11. Springorum * 30. 11. Dr. Süsterhenn 29. 11. Dr. Starke (Franken) * 30. 11. Steinhoff 31. 12. Frau Wessel 31. 12. Frau Dr. Wex 30. 11. Wienand 31. 12. Wischnewski 30. 11. Dr. Zimmermann 29. 11. Zink 30. 11. b) Urlaubsanträge Adorno 3. 12. Hamacher 31. 12. Dr. Heck 9. 12. Kunze 31. 12. Frau Dr. Maxsein 15. 12. Storm 31.12. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
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    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es spricht für die Objektivität und für das von Rivalitätsvorstellungen freie Denken des Herrn Bundeswirtschaftsministers Schiller, daß er nicht ein eigenes Zitat, sondern Goethe am Ende seiner Ausführungen strapaziert hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte auch gleich sagen, daß die deutsche Exportwirtschaft keinen Grund hat, bei der Analyse dieses Gesetzes etwa an Schillers „Räuber" zu denken.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Nach den Telegrammen, die wir bekommen, ist das aber offenbar der Fall!)

    Denn hier ist ohne Zweifel durch die Entscheidung der Bundesregierung, die der Herr Bundeswirtschaftsminister maßgebend beeinflußt hat, Schlimmeres erspart geblieben. Sonst wäre sie vielleicht wirklich unter die Räuber gefallen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nichts von dem wiederholen, was der Herr Bundeskanzler und was der Herr Bundeswirtschaftsminister über das Thema „Vorgeschichte, Hintergründe, Ergebnisse der Aufwertungsdiskussion" zu dieser Aussprache bereits beigetragen haben. Ich möchte aber sehr nachdrücklich die Auffassung der Bundesregierung unterstreichen, daß sie durch ihr Nein zur Aufwertung und ihr notwendiges Ja zu einer uns auch nicht gerade sehr erfreulichen steuerpolitischen Maßnahme keine endgültige Entscheidung über eine Frage treffen wollte, die in dieser Form jetzt nicht endgültig entschieden werden kann. Damit möchte ich nicht sagen, daß sie demnächst etwa anders entschieden werden könnte, sondern damit möchte ich betonen, daß die Frage der Währungsordnung in absehbarer Zeit — was nicht wenige Wochen oder Monate heißt, sondern was immer einen Zeitraum von einigen Jahren umfaßt — noch einmal gründlich durchdacht und überprüft werden muß. Die Notwendigkeit dieser Überprüfung kann nicht durch regelmäßige, in kürzeren Abständen wiederkehrende Manipulationen an den Paritäten einzelner Währungen umgangen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Diskussion über das Thema der Aufwertung ist im Ausland wie im Inland seit geraumer Zeit mit Höhepunkten und wieder nachlassender Kraft nicht zuletzt auch von der ausländischen Wirtschaftspresse geführt worden. Ich habe bei der steuerpoli-



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    tischen Diskussion in diesem Hohen Hause erst vor kurzer Zeit ausgeführt, warum die Bundesregierung unter Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Argumente zu der Auffassung gekommen ist, daß sie sich aus heutiger Sicht für eine vorausschaubare Zukunft nicht zu einer Aufwertung der D-Mark entschließen kann.
    Ich möchte noch etwas hinzufügen. Wenn man diese Erklärung — die nicht wegen der Person des Sprechers, sondern wegen des Gewichtes der dahinterstehenden politischen Institutionen hätte ernst genommen werden sollen — nicht systematisch ignoriert hätte, wäre der Spekulation schon früher der Boden entzogen worden. Ich habe den sogar durch gewisse Indizien und sonstige Umstände beweisbaren Eindruck, daß es gewisse Interessenten gab, die versucht haben, die Diskussion um die Aufwertung immer wieder und wider alle Erklärungen der Bundesregierung am Leben zu erhalten, in der Annahme, daß zum Schluß doch das eintreten müsse, was nach ihrer Ansicht wunschgemäß eintreten sollte. Man hat geglaubt, man brauche nur lange genug über Aufwertung der D-Mark zu reden, eine dauernde Welle der Spekulation und der Gerüchte zu erzeugen, dann werde sich die Bundesregierung so verhalten, wie man es von ihr erwartet und wie man es von ihr in einem weltweiten Geraune immer wieder behauptet hat.
    Wir sind nicht — wie der Kollege Schiller ausgeführt hat —, die währungs-, wirtschafts- oder finanzpolitischen praeceptores mundi. Aber eine Frage dürfen wir doch stellen, nämlich: haben wir mit unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik das Weltwährungsgefüge in Unordnung gebracht? Auf diese Frage möchte ich ohne jeden furor teutonicus sagen: nein, wir haben das Weltwährungsgefüge nicht in Unordnung gebracht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es gab einen aktuellen Anlaß: das waren die besorgniserregenden Vorgänge mit dem französischen Franc oder, wenn ich an gewisse veröffentlichte Bilder denke, das widerliche Gelaufe mit Koffern voller ausländischer Währung zu deutschen Bankschaltern, um den Gewinn einer erwarteten deutschen Aufwertung einheimsen zu können. Hierzu ja zu sagen, hätte nur bedeutet, den arbeitslosen Gewinn derer, die Zeit haben, durch Unterlassung von Arbeit über Spekulationsmöglichkeiten nachzudenken, noch von Staats wegen zu unterstützen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Natürlich gibt es einerseits die Spätwirkungen der französischen Mai- und Juniunruhen, die uns seinerzeit mit größter Sorge erfüllt haben und deren Auswirkungen uns auch heute noch mit großer Sorge und mit der Bereitschaft erfüllen, von uns aus helfend zur Verfügung zu stehen, wo immer man uns wünscht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das heißt aber nicht, daß man uns mit Aufwertungsvorstellungen unter Druck setzen kann.
    Natürlich gibt es die permanente und latente Problematik der englischen und amerikanischen Währung. Diese Problematik hat aber ganz verschiedene Hintergründe.
    Wir haben in dieser Periode der Diskussion um Währungsprobleme bewiesen — ich sage das ohne jede törichte Angeberei oder bramarbasierende Betonung —, daß wir unsere augenblickliche wirtschaftliche Position nicht dazu mißbrauchen wollen, uns unangemessene Vorteile zu verschaffen, sondern daß wir seit Jahren auch als Kreditgeber unsere Bereitschaft bewiesen haben, zur Ordnung der Währung in anderen Ländern beitragen zu wollen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und zwar haben wir das konkret und aktiv bewiesen, nicht nur durch theoretische Ratschläge und schöne Sprüche.
    Ich glaube, hier auch eines sagen zu dürfen, was ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe. Man kann nicht die deutsche Währung und die für ihre Position verantwortlichen Persönlichkeiten der deutschen Wirtschafts-, Finanz- und damit auch Währungspolitik auf die Anklagebank setzen. Man kann nach der Aufwertung vom Jahre 1961 nicht erwarten, daß durch eine weitere und in wesentlich höheren Prozentsätzen geforderte Aufwertung im Jahre 1968 das grundsätzliche Problem gelöst wird.
    Was ist das grundsätzliche Problem? Man möge es — ich sage es ohne allzu große Selbstbetonung —dem deutschen Finanzminister erlauben, dieses grundsätzliche Problem mit einem Stichwort anzuschneiden. Das Problem ist, ob wir in der freien Welt den Kampf gegen eine epidemische Krankheit aufgegeben haben und vor ihr kapituliert haben oder ob wir bereit sind, diesen Kampf im Rahmen des Möglichen weiterzuführen, nämlich den Kampf gegen die Inflation.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hierüber gibt es viel Literatur, und hier gibt es verschiedene Positionen. Aber im Grundsatz sind wir uns wohl alle einig. Wir wissen, daß Wachstum und Preisstabilität immer in einem gewissen Zielkonflikt zueinander stehen. Darum kann eine Wachstumsrate nur innerhalb gewisser Größenordnungen ohne Gefahr für die Preisstabilität angestrebt und verfolgt werden. Man kann nicht' dem Moloch Wachstum die Preisstabilität opfern. Genauso wenig kann man die Preisstabilität zum Fetisch erheben und damit das Wachstum ignorieren und alle mit dieser Haltung verbundenen Folgen für die eigene weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Kauf nehmen.
    Was wir in diesem Hohen Hause und in der Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Parlament versucht und auch weitgehend erreicht haben, war eine ausgemessene Dosierung der Wachstums- und der Stabilitätspolitik. Das war seit dem Jahre 1966 unsere Zielsetzung; wir haben, durch bittere Lehren der Vergangenheit gewitzigt, versucht, wieder Fuß zu fassen und neuen Tritt zu bekommen.
    Wir haben uns damals — vor zwei Jahren — mit zwei Problemen befassen müssen. Heute müssen wir



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    uns wieder mit zwei Problemen befassen, nur sind es erfreulicherweise andere als damals. Damals ging es erstens um das Problem der langfristigen Konsolidierung der Bundesfinanzen und zweitens um das Problem der raschen, kurzfristigen Wiederbelebung unserer Wirtschaft. Ich sage das nicht, um Vergangenheitsforschung zu betreiben, sondern aus einem wohlüberlegten Grunde, mit dem ich das Nein der Bundesregierung zu einer Aufwertung und das Ja zu steuerlichen Maßnahmen auch noch über das hinaus, was Herr Kollege Schiller gesagt hat, begründen will. Wir haben die Konsolidierung der Finanzen damals durch Maßnahmen herbeigeführt, die in diesem Hause schon öfter Gegenstand kontroverser Debatten waren. Wir haben sie erstens durch gewisse Steuererhöhungen herbeigeführt, Erhöhungen der Verbrauchsteuern für Mineralöl und Tabak, gewisse Erhöhungen der direkten Steuern, Kürzung der Kilometergeldpauschale, Verbot der Kumulierung bei gewissen Sparförderungsarten und im Jahre 1967 dann auch Einführung der Ergänzungsabgabe ab 1. 1. 1968. Ferner haben wir das Problem der Konsolidierung durch Korrekturen in unseren Ausgaben gelöst. Wir alle wissen — wir brauchen uns darüber nicht zu unterhalten —, wie schwierig in einem sozialen Rechtsstaat Korrekturen an einmal beschlossenen Ausgaben sind. Dieses Paket von Maßnahmen hat aber im großen und ganzen immerhin Erhebliches und Entscheidendes zur Konsolidierung beigetragen. Wir wußten aber, daß in dieser Situation Steuererhöhungen und Ausgabenkorrekturen für die kurzfristige Aufgabe der Konjunkturbelebung nicht förderlich waren. Darum die auch schon in der letzten Debatte genannten Maßnahmen: einmal Sonderabschreibungen, wesentlich höhere Entlastung der Altvorräte bei der Umstellung des Umsatzsteuersystems und zwei große Konjunkturprogramme, von denen manche heute schon sagen, sie seien zu hoch gewesen und ,sie würden sich noch zu lange auswirken, also, man habe des Guten zuviel getan. Das ist eine Ansicht, die ich nicht teilen kann, wie ich ausdrücklich sagen muß, weil wir jetzt auf dem Boden der wiedererworbenen Position vielleicht doch geneigt sind, allzu ungerecht über die damaligen Maßnahmen zu denken.
    Ich darf wohl auch im Namen der Bundesregierung sagen, daß die Regierung diesem Hohen Hause dafür dankbar ist, daß eine große Mehrheit dieses Hauses — in der Zielsetzung alle, wie immer, aber in den konkreten Maßnahmen eine große Mehrheit dieses Hauses — die Bemühungen der Bundesregierung um die Lösung der beiden Probleme unterstützt hat, und das mit Maßnahmen, die der einzelne aus diesem Hohen Hause draußen nicht immer als sehr populär an seine Zuhörer verkaufen mußte.
    Wenn wir nun heute wieder an Sie herantreten und von Ihnen die Billigung von Maßnahmen verlangen, oder erbitten, die die Bundesregierung nur entwerfen und vorschlagen kann, die die Bundesregierung aber nicht aus eigener Zuständigkeit durchführen kann, dann aus den Gründen, die Herr Kollege Schiller eingehend dargestellt hat.
    Wenn aber die Bundesregierung sich nicht zur Aufwertung entschlossen hat, dann — neben den schon dargestellten Argumenten und Motiven, die ich genauso hundertprozentig billige und vertreten habe — auch noch aus dem Grund, daß die vor wenigen Wochen von Ihnen gutgeheißene mehrjährige Finanzplanung des Bundes — und darunter der erste Haushalt dieser Finanzplanung, nämlich der Haushalt 1969, der sich in parlamentarischer Beratung befindet — zu einem erheblichen Teile als überholt, nicht mehr aussagefähig oder, etwas deutlicher ausgedrückt, als reif für den Papierkorb hätte bezeichnet werden müssen.
    Ich habe nach den Ausführungen — mehrmaligen Ausführungen — des Kollegen Schiller in dieser Zehnerkonferenz auch diesen Gesichtspunkt angeführt: wenn man eine wirtschaftliche Stagnation und Rezession, d. h. eine wirtschaftliche Krise in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit einer großen parlamentarischen Mehrheit zum Teil mit unpopulären Maßnahmen — Stichwort Steuererhöhungen, Ausgabenkürzung — bewältigt hat, dann wäre es demselben Parlament gegenüber unfair, eine Maßnahme durchzuführen, für die man formell jedenfalls keine parlamentarische Zustimmung braucht, nämlich eine deutsche Aufwertung in der Größenordnung von 5 plus x % vorzunehmen. Die Folgen dieser Aufwertung hätten dann wiederum nur gemeinsam mit diesem Parlament bewältigt werden können.
    Denn — damit komme ich zu dem zweiten Problempaar, vor dem wir heute stehen — heute haben wir einmal die Frage: wie können wir unsere Außenhandelsüberschüsse so abbauen, daß wieder ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht hergestellt ist, und zweitens, wie können wir verhindern, daß im Inneren unseres Landes Überhitzungserscheinungen der Konjunktur eintreten?
    Was wir nach dem Stabilitätsgesetz tun könnten, um Überhitzungserscheinungen, von denen da oder dort geredet wird, zu bekämpfen, das würde dem Abbau der Außenhandelsüberschüsse nicht dienlich sein, sondern das würde im Gegenteil den Abbau der Außenhandelsüberschüsse erschweren. Nach dem Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes steht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Verfügung: Stillegung konjunkturbedingter steuerlicher Mehreinnahmen — dafür haben wir uns positiv ausgesprochen--, also Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage, oder Verminderung der Kreditaufnahme oder vorzeitige Schuldenrückzahlung oder Straffung der Investitionen, was noch nicht beabsichtigt ist, und zwar weil jeder Abbau der Binnenkaufkraft ja nur den Druck auf die Exportmärkte wiederum von neuem verstärken würde im Sinne der Ausführungen, die Herr Kollege Schiller gemacht hat, und dann noch die Frage der Steuererhöhungen, die ja im Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes enthalten sind.
    Diese Maßnahmen können wir zur Dämpfung der Binnenkonjunktur nicht ergreifen, weil wir sonst die andere Krankheit nur verstärken würden, nämlich unsere Exportüberschüsse nicht abbauen, sondern im Gegenteil unsere Wirtschaft wegen nicht ausreichender Nachfrage aus dem Binnenmarkt auf die Nachfrage aus dem Ausland geradezu hinweisen



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    und auf sie zutreiben würden. Darum könnten alle fiskalischen Folgen einer Aufwertung — man mag über die Größenordnung verschiedener Meinung sein; es liegen darüber auch verschiedene Schätzungen vor; das hängt natürlich auch vom Prozentsatz einer Aufwertung ab — nicht durch Steuererhöhungen und nicht durch Ausgabenkürzungen, sondern nur durch eine Mehrverschuldung der Bundesrepublik ausgeglichen werden. Wenn nämlich der Zweck einer Aufwertung ist, Exportüberschüsse abzubauen und damit das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz und eine bessere Parität der Währungen herzustellen, dann darf der Abbau der Exportüberschüsse nicht mit einer Verminderung der Binnenkaufkraft infolge von Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen verbunden werden.
    Hier, meine Damen und Herren, stand auch der Finanzminister als der für diese spezielle Frage im besonderen Zuständige vor einem fast unlösbaren Problem, daß nämlich je nach Größenordnung der von uns gewünschten Aufwertung die Nettokreditaufnahme des Bundes im Jahre 1969 und in noch weiteren Jahren um 3,5 bis unter Umständen 5 Milliarden DM hätte erhöht werden müssen. Warum? Einmal, weil als Folge der Aufwertung erhebliche steuerliche Einbußen naturgemäß zu befürchten sind, die wir auch, soweit die Einkommensteuer betroffen ist, in irgendeiner Form den Ländern ersetzen müssen, zweitens, weil 1 % Aufwertung einen Einnahmeausfall bei der Landwirtschaft von 250 Millionen DM bedeutet, also 250 mal 5 oder mal 7 oder 8 %, ferner, weil die Landwirtschaft nicht der alleinige Leidtragende wäre, weil es auch in der Kohle, im Schiffsbau und in anderen Bereichen die Notwendigkeit von Ausgleichsmaßnahmen gegeben hätte und weil darüber hinaus mit dem Abbau der Auslandsnachfrage eine Verstärkung der Inlandsnachfrage durch weitere konjunkturfördernde Maßnahmen erforderlich gewesen wäre. Die Summe dieser Maßnahmen, für die die Gelehrten verschiedene Größenordnungen nennen, hätte aber für die Bundesrepublik als Minimum 3 oder 3,5 Milliarden DM und als Maximum 5 Milliarden DM betragen, bei höheren Aufwertungssätzen, wie sie da oder dort auch in Rede waren, noch mehr.
    Das Thema „Verschuldung" ist doch in diesem Hause schon öfter angesprochen worden; wir haben in den Jahren der Bekämpfung der Rezession unter dem Stichwort deficit spending bewußt eine höhere Nettoverschuldung des Bundes in Kauf genommen. Ich habe mich hier von dieser Stelle aus mehrmals in Beantwortung von Fragen dazu geäußert, auch schriftlich außerhalb dieses Hauses. Es handelt sich im übrigen um eine Größenordnung, die von der Bundesbank wie vom Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums als absolut erträglich und ungefährlich bezeichnet worden ist.
    Jetzt, in den Jahren der Hochkonjunktur, zumindest einer gutgehenden Konjunktur, hätten wir uns, um die Folgen unseres Erfolges zu überwinden, wieder genauso hoch verschulden müssen wie vorher, als wir die hohe Verschuldung zwecks Wirtschaftsankurbelung bewußt in Kauf genommen haben. Das heißt, wir hätten in den folgenden Jahren auch eine
    Nettoverschuldung von 7 bis 8 Milliarden DM im Jahr statt der von uns vorgesehenen 3,6 bis 4 Milliarden DM in Kauf nehmen müssen. Damit wäre nach unserer Auffassung der Schuldensockel des Bundes in einer Weise angewachsen, daß wir mit den sich daraus ergebenden Problemen der Umschuldung, der Anschlußfinanzierung und der Prolongation nur sehr schwer, vielleicht nicht ohne schwerwiegende wirtschaftliche Folgen, hätten fertigwerden können. Diese Dinge, meine Damen und Herren, hätte dann die Regierung, wenn sie Ihnen die Aufwertung beschert hätte, nicht mehr ohne Ihre Hilfe bewältigen können.
    Wir haben auf dieser Konferenz zum Ausdruck gebracht: Da wir in der Bundesrepublik mit zum Teil sehr unpopulären Maßnahmen in schwierigster Situation, gestützt auf eine starke parlamentarische Mehrheit, die bereit war, das Opfer an Popularitätsverzicht zu bringen, die damaligen Probleme überwunden haben, können wir heute nicht hinter dem Rücken des Parlaments durch einen Aufwertungsbeschluß Konsequenzen schaffen, die dann nur mit schwierigsten politischen Entscheidungen bewältigt werden können, und das in einer Situation, wo man von uns verlangt, daß wir dem Radikalismus links und rechts in unserem Land wirksam, überzeugungskräftig und in den Wahlen sich ausdrückend entgegentreten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die mittelfristige Finanzplanung hätte dann einer Überarbeitung bedurft, mit dem Ergebnis, daß die neue Fassung doch erhebliche Abweichungen von der alten Fassung aufgewiesen hätte.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vorteile der Ihnen jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen gegenüber dem, was von anderer Seite erwogen worden war, sind unverkennbar. Aber eines kann man nicht verlangen: daß wir unsere Außenhandelsüberschüsse abbauen, einen Beitrag zur Normalisierung der Handelsverhältnisse zwischen uns und unseren Partnern leisten, die Binnenkonjunktur erhalten und trotzdem keine Maßnahmen ergreifen, die irgend jemandem auch nur die geringsten Opfer auferlegen würden. Das Ja-Aber, „wir sagen zu allem ja, aber spüren darf es niemand", diese Politik ist schlechterdings unmöglich. Das sage ich auch im Hinblick auf die Fülle von Telegrammen und Briefen, die bei uns allen im Laufe der letzten Tage eingetroffen sind, mit der verständlichen Forderung, regionale Ausnahmen, Branchenausnahmen, allgemeine Ausnahmen, gezielte Ausnahmen zu treffen. Wir können nicht ein Gesetz beschließen, das nur Augenauswischerei ist, ein Gesetz, in dem die Summe aller Ausnahmen zum Schluß mit der Nichtexistenz dieses Gesetzes gleichbedeutend wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben eine Frist vorgesehen. Es ist erwogen worden, auf diese Frist zu verzichten. Das liegt in der Entscheidung dieses Hauses. Es gibt gute Argumente sowohl für die eine wie für die andere Lösung. Aber wir gehen ja einigen Unbekannten entgegen. Herr Kollege Schiller hat mit Recht auf die



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    Frage hingewiesen: Was wird die Handelspolitik und was wird die Finanzpolitik unseres größten Partners im Weltgeschehen, der Vereinigten Staaten von Amerika, unter der neuen Administration sein? Wird es eine border tax geben? Wird es einen Exportbonus geben? Wie hoch werden die Forderungen auf den Devisenausgleich gestellt? Was kommt noch auf uns zu auf einer Reihe von Gebieten, die zur Zeit in politischer Diskussion sind, von der Verteidigung angefangen bis zu anderen Bereichen hinüber? Wir stehen doch vor einer Reihe von Ungewißheiten, und diese Ungewißheiten werden sich erst im Laufe der kommenden Monate, vielleicht erst im Laufe der kommenden Jahre lüften.
    Darum ist diese Maßnahme ein wirksamer Beitrag, nicht eine Geste des guten Willens. Aber sie hat auch den gewaltigen Vorteil, daß sie noch keine endgültigen Entscheidungen setzt, daß sie reversibel ist.
    Wir wissen auch nicht, welche Maßnahmen unsere englischen und französischen Partner ergreifen werden. Ich glaube, daß das, was von englischer und französischer Seite bis jetzt an Maßnahmen sich abzeichnet, nicht nur eine Geste des guten Willens ist, sondern der ernsthafte Versuch, in diesen Ländern die Grundlage für eine gesunde Währung zu schaffen. Wir haben nicht das Recht, uns irgendwie in souveräne Entscheidungen anderer Völker und anderer Regierungen und ihrer Parlamente einzumischen. Wir haben nur einen Wunsch: daß unsere britischen und französischen Freunde mit ihren Maßnahmen das Ziel erreichen.
    Wir haben auch nicht den Wunsch, Frankreich Ratschläge zu erteilen. In keiner Weise! Wir haben einen Wunsch: daß das französische Volk und die für die französische Wirtschaft auch im privaten Bereich verantwortlichen Kräfte der französischen Regierung helfen, die Probleme, in die Frankreich geraten ist, ohne eine Abwertung zu lösen. Was an uns liegt, wird dazu getan werden; siehe die Höhe der Kreditzusage im Rahmen des Gesamtkredits.
    Wir können außerdem feststellen, daß die Berechnungseinheit der EWG-Agrarmarktordnungen von der vorgeschlagenen Maßnahme unberührt ist. Damit entfallen die Ausgleichszahlungen, von denen ich vorhin sagte: Größenordnung der Ertragsausfälle je Prozent Aufwertung 250 Millionen DM. Ich .brauche über die Sachlage nicht zu reden. Das ist in diesem Hause schon oft geschehen. Ich brauche auch über die politische Problematik nicht zu reden. Darauf ist oft genug hingewiesen worden. Aber selbst wenn wir Ausgleichszahlungen zu leisten hätten, müßte ich sagen: bis jetzt hat noch niemand verstanden, einen befriedigenden Schlüssel zu finden, mit dem solche Ausgleichszahlungen geleistet werden könnten. Wir haben die Problematik in einem anderen Fall schon einmal erlebt.
    Die Maßnahmen wollen wir so gestalten, daß trotz binnenwirtschaftlicher Ausgleichsleistungen für einige besonders betroffene Bereiche nach Möglichkeit keine zusätzlichen Belastungen des Bundeshaushalts eintreten. Bei dieser Gelegenheit darf ich betonen, daß selbstverständlich die von uns beabsichtigten steuerpolitischen Maßnahmen keine fiskalischen Hintergründe haben. Ich glaube, ich brauche das in diesem Hause nicht noch eigens zu betonen. Aus fiskalischen, also aus finanzpolitischen Gründen hätte keine Notwendigkeit bestanden, eine solche Maßnahme zu ergreifen, auch wenn sich dabei einige Überschüsse ergeben.

    (Zuruf des Abg. Ertl.)

    Diese Überschüsse hängen nicht zuletzt von der Gestaltung des Gesetzes im einzelnen ab. Aber wenn diese Überschüsse nicht stillgelegt werden sollen, dürfen sie nur zu dem Zweck verwendet werden, die Härten auszugleichen, die durch eine schematische Regelung zwangsläufig entstehen müssen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dafür stehen sie bereit; dafür sollen sie bereit stehen und nicht für Spekulationen, was man an Mehrausgaben durch Mehreinnahmen etwa leisten könnte oder wie man diese oder jene Haushaltslücke im Hinblick auf kommende Ausgabenwünsche schließen könnte. Dafür nicht!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf das auch bei dieser Gelegenheit hier sagen.
    Damit jeder Zweifel ausgeschlossen ist: ich stehe mit meiner ganzen Person und mit dem Amtsbereich des Bundesfinanzministeriums hinter dieser Gesetzesvorlage, die heute Gegenstand der ersten Lesung in diesem Hohen Hause ist. Warum sage ich das? An sich ist es unwichtig; trotzdem hat es eine gewisse Bedeutung. Wir sind uns der Tatsache sehr wohl bewußt, daß mit dieser steuerpolitischen Maßnahme vorübergehend ein Grundsatz aufgegeben wird, den wir bei der Verabschiedung des Mehrwertsteuergesetzes betont haben. Seinerzeit haben wir zwei große Grundsätze herausgestellt: die Wettbewerbsneutralität im Innern und den vollen Grenzausgleich hinüber und herüber. Aus gutem Grund haben wir den zweiten Grundsatz vorübergehend aufgegeben, befristet und mit der Vollmacht an die Regierung, in der Zwischenzeit auch diese Maßnahmen vermindern oder aufheben zu können. Sie wissen, daß bei der Vorbereitung des Stabilitätsgesetzes in den Ausschüssen dieses Hauses die Frage erörtert wurde, ob man auch die Umsatzsteuer in das Instrumentarium der Stabilitäts- und Konjunkturbelebungsmaßnahmen und Wachstumsmaßnahmen einbeziehen soll. Damals war die Mehrheit dieses Hohen Hauses in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzministerium der Auffassung, man solle das einmal erreichte Mehrwertsteuersystem aus dieser ganzen Diskussion ausschalten und es nicht zu einem Routineinstrument der Konjunkturpolitik oder der Währungsausgleichspolitik machen. Die besondere Situation, die Ungeklärtheit der vor uns stehenden Probleme und die Notwendigkeit einer späteren langfristigen Regelung der internationalen Währungsordnung bringen mich dazu, hier vor diesem Hause zu erklären, daß ich diesen Abfall von dem Grundsatz — befristet, widerruflich und mit Ermächtigung an die Regierung, Ausnahmen bzw. in der Zwischenzeit Aufhebungsmaßnahmen zu



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    treffen — für notwendig halte und voll dahinterstehe.
    Ich brauche den vor Ihnen liegenden Gesetzentwurf nicht im einzelnen zu begründen. Er sollte ohne substantielle Einschränkungen angenommen werden. Denn je mehr Einschränkungen oder Ausnahmen gemacht werden, desto mehr müssen wir befürchten, daß die Gespenster der Diskussion der letzten Monate, die wir gebannt zu haben hofften, wieder mit vermehrter Kraft zu uns zurückkehren. Ich weiß, welche schwerwiegenden Probleme damit verbunden sind, aber es lassen sich sehr wohl elastische Formulierungen treffen, mit denen man bei ein bißchen Vertrauen auf die Finanzbehörden Regelungen schafft, durch die im Falle des Gewinnverfalls, der Existenzbedrohung auch Ausnahmen möglich gemacht werden können. Wir wollen mit diesem Gesetz nicht Existenzen vernichten, aber der Öffentlichkeit auch nicht vorgaukeln, daß nicht gewisse Gewinnminderungen in Kauf genommen werden müssen, weil es sonst eben einfach nicht geht.
    Ich darf in dem Fall auch sagen, daß ich die Meinung des Bundesministers der Justiz teile, daß die Einbeziehung der Altkontrakte verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist. Man mag über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, man mag über Treu und Glauben, man mag über alle möglichen zweckmäßigen oder unzweckmäßigen Argumente reden, die sich ja immer anbieten, wenn es um lucrum cessans oder damnum emergens geht; aber ich teile die Auffassung des Bundesjustizministers, daß die verfassungsrechtliche Seite nicht strapaziert werden sollte. Ich habe mich in diesem Hause schon einmal leicht ironisch geäußert, daß da, wo Interessen auf dem Spiele stehen, Verfassungsrecht und konjunkturpolitisch zwingende Notwendigkeiten immer gern als willkommene Helfer in Anspruch genommen werden, auch wenn zum Teil ganz andere Dinge da oder dort dahinterstehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf sagen, daß das Paket unserer Maßnahmen einmal diese steuerliche Belastung des Exports — zeitlich begrenzt und bei Eintreten einer anderen Lage durch die Ermächtigung an die Regierung aufzuheben — umfaßt, zum anderen einen namhaften Beitrag an die gesamte Stützungsaktion, der aus den Währungsreserven der D-Mark für den internationalen Gesamtkredit geleistet wird.
    Ich darf auch sagen, daß wir nicht leichten Herzens den § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes in Anspruch genommen und mit administrativen Maßnahmen den Zustrom unerwünschten Geldes, heißen Geldes, spekulativen Geldes bestimmter Währungen unter Kontrolle gebracht haben.
    Ich darf als Viertes noch nennen unseren guten Willen, in absehbarer Zeit etwas anzubieten, was sich zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium noch in Verhandlung befindet, nämlich eine administrative und steuerliche Erleichterung für deutsche Direktinvestitionen in den Ländern unserer Wirtschafts- und Währungspartner, deren Zahlungsbilanz uns gegenüber durch bestimmte Ereignisse in Schwierigkeiten geraten ist. Auch das ist eine Maßnahme, die der Wiederherstellung normaler Wirtschaftsbeziehungen und der Entzerrung bestimmter Verkrampfungen dient. Ich glaube, ich brauche mehr an Einzelheiten darüber hier vor Ihnen nicht auszubreiten.
    Wenn man aber so oft an die deutsche Verantwortlichkeit erinnert — und wir sind auch im Laufe der letzten Woche oft an die deutsche Verantwortung erinnert worden —, so möchte ich doch sagen, daß wir in der Bundesrepublik Verantwortungen auf uns genommen haben, die sich einmal aus unserer tragischen Vergangenheit und aus unserer gegenwärtigen Situation, aber auch aus unserem Eintreten für die Gesamtnotwendigkeiten der freien Welt ergeben. Ich brauche hier nicht zu erwähnen, daß für uns die Situation in Berlin eine hohe finanzielle Belastung, und zwar sowohl durch unmittelbare Zuschüsse als auch durch Steuerverzichte, bedeutet. Ich brauche nicht im einzelnen darzulegen, daß nur die Bundesrepublik Deutschland Wiedergutmachungszahlungen leistet in einer Gesamtsumme, die weit über alle Schätzungen hinausgeht, Wiedergutmachungszahlungen, von denen ein großer Teil an die im Ausland lebenden Opfer fließt. Das steht gar nicht zur Diskussion; aber andere reden immer von Überwindung der Vergangenheit, wir leisten etwas dafür.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf ferner daran erinnern, daß auch der zum Teil witterungs- und landschaftsbedingte Zustrom von Hunderttausenden und Millionen deutscher Touristen, hauptsächlich in Länder unserer EWG-Partner wie Frankreich und Italien, von uns auch devisenmäßig verkraftet werden muß und auch eine Devisenausgleichsmaßnahme darstellt. Ich darf daran erinnern, daß die wachsende Zahl von Gastarbeitern, die bei uns eine menschenwürdige Existenz bei gerechter Entlohnung gefunden haben, ebenfalls verlangen kann, daß ihre Ersparnisse bei uns ohne weiteres frei konvertiert und in ihre Heimat überwiesen werden können. Ich darf auch ohne Übertreibung darauf hinweisen, daß die Bundesrepublik infolge ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten und im Bewußtsein ihrer außenpolitischen Verpflichtungen bis jetzt immer noch einen Weg gefunden hat, zum Teil unter schwierigsten Maßnahmen den von unseren amerikanischen Freunden als Ausgleich für die Stationierung ihrer Truppen in Europa geforderten Devisenausgleich zu erfüllen.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung will diesen Verpflichtungen auch in der Zukunft in einem vollen fairen Maße nachkommen. Sie muß auch aus diesem Grunde Wert darauf legen, daß eine deutsche Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik getrieben wird, die Überschüsse in einem für die Erfüllung dieser Leistungen notwendigen Ausmaße ermöglicht. Das ist nicht ein unberechtigter Egoismus, sondern das Ausbleiben deutscher Leistungen würde man uns dann sehr wohl in kürzester Zeit als bösen Willen — und das nicht einmal mit Unrecht — anrechnen.
    Ich darf zum Schluß noch eines sagen. Es sind da oder dort Gerüchte aufgetaucht, Meldungen erschienen, wir hätten oder der Bundesfinanzminister —



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    um in der dritten Person von ihm zu sprechen — habe nach der Währungskonferenz erklärt, die Franzosen würden abwerten, weil sie müßten. Das ist eine gezielte Falschmeldung, wie ich hier ausdrücklich sagen darf. Das ist eine gezielte Falschmeldung, mit der man offensichtlich psychologische Reaktionen und gewisse politische Verärgerungskonsequenzen auslösen wollte. Ich habe hier die Frage, die vom Zweiten Deutschen Fernsehen, von der Frau Krause-Brewer, an mich gerichtet worden ist:
    Wenn der Franc abgewertet wird, wovon ja nun immer wieder gesprochen wird, würde das im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung getroffen hat, unsere Wirtschaft nicht etwa doch zu stark belasten?
    Nach dem vom Bundespresseamt verteilten Text lautet die Antwort:
    Ich glaube, daß die von uns angebotenen Maßnahmen, also steuerliche Belastung des Exports, Entlastung des Imports, Verhinderung des Zustroms unerwünschten Spekulationsgeldes, dazu unter Umständen steuerliche Erleichterung deutschen Kapitalexportes, vor allen Dingen für Zwecke der Direktinvestitionen, und die Folgen einer französischen Abwertung, von der wir nicht wissen, ob sie überhaupt von der Regierung beschlossen werden wird, von der wir auch nicht wissen, in welcher Höhe sie eventuell beschlossen wird: das zusammengenommen ist das Opfer, das wir bringen müssen, aber dieses Opfer ist für uns geringer als eine schematische Aufwertung.
    In der anderen Äußerung heißt die Frage:
    Aber daß die französische Regierung sich entscheiden wird,
    — nämlich zur Abwertung —
    ist doch wohl keine Frage mehr, glauben Sie das?
    Antwort:
    Ich möchte der Entscheidung in keiner Weise vorgreifen. Es läßt sich sowohl der eine wie der andere Weg gehen.
    Ich habe das nicht gesagt, um hier irgendeine Apologie zu zelebrieren, sondern um an Hand der ja objektiv vorliegenden Texte nachzuweisen, daß man auch durch Manipulation gewisser Äußerungen versucht hat, Empfindlichkeiten zu wecken .und damit die Begründung für diese oder jene politische Reaktion. Ich darf, so wie der Herr Bundeswirtschaftsminister, feststellen: es ist von unserer Seite mit unseren Maßnahmen, den steuerlichen Maßnahmen, dem Kreditbeitrag, der Absicherung durch die Verordnung gemäß § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, keinerlei Forderung nach einer Gegenleistung verbunden worden, es ist keinerlei Forderung gestellt worden, es ist keinerlei Voraussetzung genannt worden: wir haben in der Konferenz wie nach der Konferenz betont, daß unsere Partner in ihrer Entscheidung völlig frei sind, sich aber darauf verlassen können, daß die Bundesrepublik Deutschland zur Wiederherstellung der internationalen
    Währungsordnung und zur Überwindung der bei anderen Ländern eingetretenen Schwierigkeiten ihren Beitrag leisten wird, ohne im mindesten irgendeinen Einfluß auf die souveränen Entscheidungen anderer Länder auszuüben.
    Wir sind dieser Meinung auch nicht nur aus Gründen der rhetorischen Kosmetik oder des internationalen Protokolls. Denn es ziemt uns, bescheiden zu sein und — sozusagen — das Polykrates-Modell nicht zu vergessen: Es kann über Nacht, morgen oder übermorgen, der Blitz auch in unser Haus einschlagen, und dann erwarten wir, daß sich die anderen mit ihrer Feuerwehr uns genauso zur Verfügung stellen, wie wir es bisher gegenüber anderen gezeigt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es wird so viel törichtes Zeug über Verlagerung der politischen Schwerpunkte in Europa, so viel törichtes Zeug über „die Deutschen wieder Nummer eins" geschrieben. Ich weiß nicht, ob diese hinterhältigen Lobpreisungen nicht eigentlich einen ganz anderen Zweck verfolgen, nämlich alte Ressentiments und Empfindlichkeiten zu wecken. Wir halten gar nichts von diesem Gerede. Wir wollen weder Nummer eins noch Nummer X sein. Wir wollen unsere Pflicht er- füllen, damit die freie Welt wieder in Ordnung kommt, damit der Prozeß des europäischen Zusammenwachsens nicht durch diese Probleme von neuem erschwert wird, und — wir wissen, was wir der Welt schuldig sind — wir hoffen, daß die Welt auch bereit ist, uns zu helfen, wenn wir einmal, was Gott verhüten möge, in diese Lage kommen sollten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pohle.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Pohle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir uns auch weder unter Schillers „Räubern" fühlen noch mit der Regierung glauben, daß sie uns hier den „Ring des Polykrates" überreicht hat, so glaube ich doch sagen zu können, daß die Bundestagsfraktion der CDU/CSU der Meinung ist, daß mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine für die zukünftige Entwicklung unseres Landes recht bedeutsame Frage zur Diskussion gestellt wird. Sie befindet sich insoweit in Übereinstimmung mit der seriösen und sachkundigen Wirtschaftspresse, die die Dinge auch so sieht, daß sie von ungewöhnlicher Bedeutung sind.
    Meine Damen und Herren, das Problem betrifft nicht nur die Bundesrepublik Deutschland, sondern die gesamte freie Welt. Das Problem ist politisch und ökonomisch gleichermaßen schwerwiegend. Wir stehen, obwohl die Vorlage den Anschein eines nur steuertechnischen Gesetzes erweckt, dennoch an einer Weggabelung. Die Vorlage erfordert von uns ebenso wie von unseren westlichen Partnern die Grundsatzentscheidung, ob der Weg in -eine ständig wachsende und sich festigende marktwirtschaftliche Ordnung im Weltmaßstab fortgesetzt wird oder der Anfang zu einem bequem erscheinenden, aber später in einem Irrgarten endenden Weg eines sich



    Dr. Pohle
    international. ausbreitenden Protektionismus und Dirigismus gemacht werden soll.
    Die Wirtschaft der Bundesrepublik, meine Damen und Herren, müßte schwersten Schaden erleiden, wenn etwa der Welthandel in die chaotischen Verhältnisse der 20er Jahre zurückfiele mit einem System von Nationalstaaten, die mit allen Mitteln gegeneinander kämpfen; eine der Folgen dieses Weges wäre eine allmähliche Abkapselung der einzelnen Volkswirtschaften gegeneinander. Das, glaube ich, ist hier das Grundproblem.
    Eingebettet in dieses Problem ergeht zugleich die Frage an alle Länder der westlichen Währungsgemeinschaft: Wie haltet ihr es mit der wirtschaftlichen und monetären Disziplin und mit der Stabilität? Ein weltweiter Austausch von Waren, Leistungen und Kapital kann bekanntlich nur dann reibungslos funktionieren, wenn die Währungen — also das Geld, in dem sich diese Vorgänge ausdrücken — in Ordnung sind und wenn ihr Tauschverhältnis der wirtschaftlichen Realität entspricht. Ist das nicht der Fall, sind Störungen der Weltwirtschaft und der einzelnen nationalen Wirtschaften unausweichlich. Internationale Störungen greifen auf Grund des Mechanismus des internationalen Währungssystems unweigerlich auf andere Volkswirtschaften über.
    Meine Damen und Herren, kein anderer als Lenin hat die Bedeutung der Geldwirtschaft für unsere Wirtschaftsordnung erkannt. Von ihm stammt der Gedanke: Wer den Kapitalismus zerstören will, der zerstöre sein Geld!
    Die Funktionsfähigkeit der modernen Wirtschaft hängt nun einmal vom geordneten Geldwesen ab. Die erbittertsten Gegner unseres Systems — z. B. Lenin — sind sich der Verwundbarkeit dieses komplizierten Ordnungsmechanismus sehr wohl voll bewußt.
    Das Problem der außenwirtschaftlichen Absicherung, meine Damen und Herren, ist im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums angesprochen, und die Herren Minister und der Herr Bundeskanzler haben dieses Gesetz bereits erwähnt. Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht ist eines der vier Leitziele dieses Gesetzes. Bei außenwirtschaftlichen Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts muß die Bundesregierung alle Möglichkeiten der internationalen Koordination nutzen. Reicht dies nicht aus, sollen die zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel eingesetzt werden. Welche konkreten Maßnahmen im Einzelfall zu treffen sind, sieht das Stabilitätsgesetz bekanntlich nicht vor. Es überläßt das, anders als andere Behelfe, ganz bewußt einer besonderen Gesetzesinitiative; die Sache ist zur Sprache gekommen, als wir über das Stabilitätsgesetz berieten.
    Der Gesetzentwurf über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung mit einer Belastung der Exporte und einer Entlastung der Importe um 4 Prozent stellt in erster Linie eine Schutzmaßnahme für die deutsche Volkswirtschaft dar. Diese Maßnahme ist eine Konsequenz der im Stabilitätsgesetz niedergelegten Grundsätze. Eine
    Restriktionspolitik, also eine Dämpfung der inneren Nachfrage, würde die Situation nicht verbessern, sondern nur verschlimmern; darauf hat der Herr Bundeswirtschaftsminister in seiner Rede mit Nachdruck hingewiesen. Meine Fraktion stimmt der Auffassung der Bundesregierung und der Bundesbank durchaus zu, daß ein solches Instrument zur Zeit ungeeignet ist. Es würde nur die innere Nachfrage zugunsten der Auslandsnachfrage zurückdrängen. Damit würden die Außenhandelsüberschüsse vergrößert, und genau das nicht Gewollte würde eintreten. Außerdem müßte sich unsere Volkswirtschaft alsdann noch stärker auf zusätzliche Exporte orientieren.
    Der Gesetzentwurf ist darüber hinaus eine notwendige Konsequenz der internationalen vertraglichen Bindungen, die die Bundesrepublik eingegangen ist. Eine von ihnen ist das Abkommen von Bretton Woods vom Jahre 1944; ihm trat die Bundesrepublik im Jahre 1952 bei. Dieses Abkommen schreibt unter anderem als Leitsatz für Änderungen der Währungsparitäten vor — ich zitiere —:
    Ein Mitglied soll nicht eine Änderung der Parität seiner Währung vornehmen, es sei denn, um eine grundlegende Störung des Gleichgewichts zu beheben.
    Die folgenden Abschnitte von Bretton Woods legen die Einzelheiten für den Fall fest, daß doch Paritätsänderungen vorgenommen werden, jedoch bleibt festzuhalten, daß der übergeordnete Leitgedanke die Vermeidung — ich wiederhole: die Vermeidung — derartiger Änderungen ist. Dies ist ein ganz bedeutsamer Sachverhalt angesichts der ständigen Forderung nach einer Aufwertung.
    Meine Fraktion kann der Bundesregierung nur bestätigen, daß sie in Erfüllung ihrer internationalen vertraglichen Verpflichtungen handelt, wenn sie alle Möglichkeiten ausschöpft, bevor sie eine Änderung des Wechselkurses ins Auge faßt. Sie handelt hierbei auch in Übereinstimmung mit den in Art. 1 von Bretton Woods niedergelegten Vertragszielen. Dort wird als Aufgabe des Vertrages festgelegt, daß die Stabilität der Währungen zu fördern, geordnete Währungsbeziehungen zwischen den Mitgliedern aufrechtzuerhalten und Währungsabwertungen aus Wettbewerbsgründen zu verhindern sind. Die Stabilität der Währungen sowie geordnete Währungsbeziehungen und die Ablehnung von diskriminierenden Währungspraktiken sind also die Basis von Bretton Woods. In der Sprache dieses Abkommens umfaßt der Begriff „Stabilität der Währung" nicht nur den inneren, sondern auch den äußeren Geldwert.
    Eine grundlegende Störung des Gleichgewichts ist bisher nicht übereinstimmend vom Internationalen Währungsfonds festgestellt worden, schon gar nicht, soweit die Bundesrepublik betroffen ist. Meine Fraktion ist daher der Meinung, daß die richtige Konsequenz aus dieser Sachlage eine befristete und kurzfristig zu verändernde Lösung ist, wie sie die vorgeschlagene Umsatzsteuervorlage ermöglicht. Sie ist im Augenblick notwendig, um den spekulativen



    Dr. Pohle
    Geldbewegungen, von denen hier bereits gesprochen worden ist, Einhalt zu gebieten. Sie eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, eine Reform des Abkommens von Bretton Woods anzustreben. Wir sind der. Meinung, daß die letzten Ereignisse, aber auch z. B. die in der Mitte des Jahres stattgehabte Goldspekulation mit der dann folgenden Spaltung des Goldpreises wie auch die zahlreichen Stützungsaktionen für das englische Pfund, an denen die Bundesrepublik maßgeblich mitgeholfen hat, hinreichend klargemacht haben, daß hier auf die Grundsätze von Bretton Woods zurückgegriffen werden muß und wie notwendig andererseits eine Reform dieses Abkommens erscheint.
    Meine Damen und Herren, ist die Währungsstabilität eines der wesentlichen Leitziele des Abkommens von Bretton Woods, so liegt an dieser Stelle zugleich der wunde Punkt des Vertrages im Hinblick auf die festen Wechselkurse. Er begründet auch dessen Reformbedürftigkeit. Beide Bedingungen, Währungsstabilität und stabile Wechselkurse, können nur dann optimal und gleichzeitig erfüllt werden, wenn sich die Wirtschaftspolitik sämtlicher Vertragspartner gleichermaßen an diesen Zielen orientiert. Nun, wir alle wissen, daß das nicht der Fall ist. Wir haben Länder, die eine Politik monetärer Disziplin befolgen, und wir haben auf der anderen Seite Staaten, die seit Jahren eine Politik des leichten Geldes, leichter Inflation und großer Haushaltsdefizite auf ihr Panier geschrieben haben. Wirtschaftliche Spannungen und Disparitäten sind deshalb zwangsläufig. Bei den stabilitätsbewußten Ländern zeigen sich diese Spannungen in der ständigen Bedrohung durch die sogenannte importierte Inflation. Wir müssen anstreben, daß nationale Unterschiede nicht das internationale Währungssystem oder einzelne Mitglieder dieses internationalen Währungssystems bedrohen und zu wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen führen, vielmehr daß solche Störungen schon im Frühstadium aufgefangen werden. Wir müssen unseren Beitrag zur Sanierung des Weltwährungssystems leisten. Aber wir dürfen nur solche Maßnahmen beschließen, die unsere Konjunktur nicht gefährden.
    Damit komme ich zu den Alternativen, vor denen wir stehen. Wir haben vier zur Auswahl. Wir können eine multilaterale Lösung anstreben, wir können aufwerten, wir können die Umsatzsteueränderung beschließen, die die Bundesregierung vorgeschlagen hat, und wir können — darüber ist schon gesprochen worden, auch vom Bundeswirtschaftsminister und vom Bundesfinanzminister — als letzte Alternative eben gar nichts tun.
    Zum ersten Punkt, der internationalen Fortbildung multilateraler Lösungen, internationalen Währungsabkommen, habe ich die tragenden Gesichtspunkte bereits erwähnt. Aber dieser Weg wird, wenn überhaupt, nicht sofort zum Ergebnis führen können. Er erfordert Zeit. Es müssen unter den Mitgliedsländern Verbündete für den deutschen Standpunkt gewonnen werden. Dieser Weg kann daher nur in Kombination mit anderen, sofort wirksamen Maßnahmen beschritten werden.
    Soll man sich auf den Versuch beschränken, multilateral lediglich zu einer Neufestsetzung der Währungsparitäten zu gelangen? Das reicht angesichts der konträren wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Mitgliedsländer kaum aus. Es müßte gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen werden, daß zukünftige Störungen durch entsprechende Instrumente so reibungslos wie irgend möglich ausgeglichen werden. Dies kann nur durch eine Reform des Vertragswerks von Bretton Woods geschehen.
    Die CDU/CSU-Fraktion glaubt, daß wir auf diesem Wege fortschreiten müssen. Sie unterstützt die Bundesregierung deshalb in ihrem Bestreben, einen Beitrag zur Weltwährungssanierung zu leisten und sich um diese multilateralen Abkommen zu kümmern, ohne eine D-Mark-Aufwertung — die zweite Alternative — vorzunehmen.
    Wie der Herr Bundeskanzler und die beiden Herren Minister bereits hervorgehoben haben, hätte diese D-Mark-Aufwertung als Dauererscheinung verheerende Auswirkungen z. B. auf die bäuerliche Bevölkerung. Sie würde eine ungewöhnliche Erschwerung unserer Exportwirtschaft bedeuten, die uns ja im wesentlichen auch während der Rezession getragen hat. Unsere Exportquote ist seit 1961 von 15 auf 19 % gestiegen. Große Firmen und auch kleine mit einem Exportanteil von weit über 50 %, gerade auch in den Zonenrandgebieten, wären die Hauptbetroffenen.
    Lassen Sie mich stichwortartig einige Gründe nennen, die hier noch nicht zur Sprache gekommen sind. Die Bundesrepublik hat der internationalen Wirtschaft in den letzten Jahren kaum Liquidität entzogen. Unsere Zahlungsbilanz wirkt ohnedies als Bremse gegenüber dem Überschuß der Handelsbilanz. Die D-Mark ist ein sehr lohnendes Spekulationsobjekt; diesen Anreiz schaffen wir auch nicht durch eine Aufwertung im jetzigen Zeitpunkt weg. Im Gegenteil! Es kommt hinzu, daß der sogenannte Bumerang-Effekt der Kapitalexporte sehr fraglich ist, weil ein Teil der Erlöse ausländischer D-Mark-Anleihen z. B. von den Emittenten in offiziellen Devisenreserven angelegt wird. Die Bundesrepublik braucht auf der anderen Seite Überschüsse in ihrer Leistungsbilanz, und zwar erstens für den Bereich der Wiedergutmachung, zweitens für den Bereich der Entwicklungshilfe, drittens für etwaige Devisenausgleichsabkommen. Meines Erachtens ist der Ausgleich für die Überschüsse auch anders möglich. Ich erinnere an einen Teil des Buketts, das die Bundesregierung hier ausgebreitet hat, z. B. an Anreize für den Kapitalexport durch Investitionen im Ausland.
    Durch eine Aufwertung würde ein neuer Aufwertungsverlust der Bundesbank entstehen. Soweit ich weiß, ist der alte durch den Bund noch nicht völlig abgedeckt. In erster Linie aber würde sich ein ungeheurer Vertrauensverlust im Ausland ergeben. Meine Damen und Herren, fragen Sie die Exporteure, die von den traditionellen Absatzmärkten zurückkommen, z. B. aus Südamerika, aus Südostasien, aus Südafrika. Dort rechnet die Welt damit, daß die D-Mark fest bleibt und nicht durch ein Hin und Her beeinträchtigt wird.



    Dr. Pohle
    Es ist unwahrscheinlich, daß eine Aufwertung das internationale Währungssystem stärken würde. Im Gegenteil, andere Länder würden dann um so weniger geneigt sein, eigene Maßnahmen zu ergreifen. Niemand kann erwarten, daß die Bundesrepublik die Folgen einer ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung in den anderen Ländern durch Maßnahmen in der Bundesrepublik selber ausgleicht.
    Noch schwerer — dies als letztes zur Aufwertung — wiegt für meine Freunde und mich das Risiko einer derartigen irrevisiblen Maßnahme angesichts der Unklarheit, welche Politik Frankreich und Großbritannien in der Wechselkursfrage einschlagen, einer Unklarheit, die bis heute noch nicht behoben ist, und welche Wirtschaftspolitik obendrein die neue Administration in den Vereinigten Staaten führen wird.
    Auch die Gefahr einer Kumulierung deutscher und französischer Maßnahmen — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat bereits darauf hingewiesen — muß gesehen werden. Eine solche Kumulierung kann für einzelne Wirtschaftszweige sehr gravierend, unter Umständen sogar tödlich wirken. Schließlich betrug der deutsch-französische Warenaustausch im Jahre 1967 18,5 Milliarden DM. Er lag damit innerhalb der EWG an der Spitze. Diese Zahl sollte uns zur Vorsicht mahnen. Ich bin daher der Ansicht, daß wir die Bundesregierung bitten müssen, unverzüglich Konsultationen mit Frankreich durchzuführen. Davon wird im wesentlichen auch die Beratung in den Ausschüssen abhängen, die stattfinden kann, sobald das Ergebnis der französischen Maßnahmen, die wir noch nicht kennen, auf dem Tisch liegt.
    So viel zur zweiten Alternative, der Aufwertung der D-Mark; ich habe sie damit abgelehnt.
    Die dritte Möglichkeit, meine Damen und Herren, stellt die vorgeschlagene Umsatzsteueränderung dar. Sie genießt den Vorzug, jederzeit abänderbar oder sogar aufhebbar zu sein. Sie tastet in ihrer Wirkung die realen Bedingungen ab und läßt wegen ihrer Flexibilität eine schnelle Anpassung zu. Der Vorschlag der Bundesregierung enthält drei Maßnahmen : Importförderung, Exporterschwerung und — in einem Paragraphen — einen Härteausgleich.
    Ich verhehle nicht, daß sich beachtliche Kräfte auch innerhalb meiner Fraktion zu Wort gemeldet haben, die aus vielerlei Gründen sehr starke Bedenken gegenüber der jetzt vorgeschlagenen Manipulation geäußert haben. Wir haben im vorigen Jahr das Mehrwertsteuergesetz verabschiedet, das eine Gleichstellung der indirekten Steuern im grenzüberschreitenden Verkehr mit sich brachte und mit dem komplizierten System von Umsatzausgleichsteuern und Umsatzsteuerrückvergütungen aufräumte. Der international anerkannte Grundsatz des neutralen Grenzausgleichs wird nunmehr zu Lasten der deutschen Industrie wieder verlassen, obwohl gerade dies ein Motiv — wenn auch nicht das alleinige — für den Systemwechsel war.
    Wir haben uns der Einführung einer entsprechenden Ermächtigung im Stabilitätsgesetz seinerzeit verschlossen. Heute, nach Inkrafttreten des Mehrwertsteuergesetzes, manipulieren wir nun erneut mit der Steuer. Nicht zu Unrecht — ich sage das ganz offen — ist deshalb auch bei den sehr ernsten Unterhaltungen in meiner Fraktion — wir haben viele Stunden darüber gesprochen — das Wort von der Denaturierung der Steuer- und Finanzpolitik gefallen. Die steuerliche Grenzregelung wird damit systemwidrig als Mittel der Konjunktur- und Währungspolitik eingesetzt. Auch dadurch wird ein starkes Moment der Unsicherheit in die langfristigen Dispositionen der Außenwirtschaft getragen.
    Wenn wir dennoch der Regierung die Zustimmung nicht versagen, so deshalb, weil wir in unserer Fraktion eine solche Maßnahme unter allen Umständen der Aufwertung vorziehen und weil andererseits die andere Alternative, auf die ich noch zu sprechen komme — nämlich die Dinge einfach auf sich beruhen zu lassen und Gewehr bei Fuß zu stehen —, heute nicht mehr gangbar ist.
    Wenn jemand sagt, daß der Effekt verloren ginge, den beispielsweise eine allgemeine Aufwertung hätte, wenn nicht alle Maßnahmen der Regierungsvorlage durchgeführt werden sollten — ich komme gleich darauf zurück —, dann muß ich sagen, daß eben die jetzt getroffene Maßnahme ein Behelf ist. Sie ist kein Aufwertungsersatz, sondern ein aliud. Sie ist mit anderen Maßnahmen zusammen als Bukett unseres guten Willens dafür bestimmt und geeignet, unter Beweis zu stellen, daß wir zu unserem Teil dazu beitragen wollen, die internationale Währungssituation zu entwirren.
    Wir müssen uns auch über die wirtschaftlichen Folgen klar sein. Deshalb haben die beiden Minister und der Herr Bundeskanzler mit großem Ernst über die wirtschaftlichen Folgen gesprochen, die diese Aktion auf dem Gebiet des Exports und im Bereich der Einfuhr auslösen kann. Die Folgen, die sich daraus ergeben, daß der Export erschwert wird, sind verhältnismäßig leicht zu übersehen.
    Wir müssen uns aber auch über die Folgen der Importerleichterung im klaren sein. Lassen Sie mich dazu kurz folgendes sagen. Bei allen Massengütern, bei allen Erzeugnissen, die von vielen Herstellern im In- und Ausland in gleicher Qualität hergestellt werden — also bei chemischen Zwischenprodukten, bei Walzstahl usw. — gibt es einen europäischen Marktpreis. Diesen Marktpreis bestimmt jeweils der niedrigste Anbieter. Sinkt dieser Marktpreis der ausländischen Wettbewerber nun durch Importverbilligung um 4 %, so werden nicht nur diese eingeführten Waren billiger, sondern sämtliche übrigen Produktionen, die ihren Marktanteil behalten wollen, müssen dieser Preissenkung folgen. Um ein Beispiel zu nennen: Beim Stahl führt die Senkung der Einfuhrpreise — heute werden schon mehr als 30 % des deutschen Marktes durch Einfuhren beliefert; vor wenigen Jahren waren es noch weniger als 20 % — zu einer Erlöseinbuße von etwa 600 Millionen DM. Nimmt man dazu die Einbußen aus der Exportsteuer, so summiert sich dieser Betrag auf 800 Millionen DM.



    Dr. Pohle
    Man muß die Frage aufwerfen, ob es richtig ist, daß — um mit dem Herrn Bundeswirtschaftsminister zu sprechen — dieses Gesetz nicht „durchlöchert werden soll", oder ob — um mit dem Bundesfinanzminister zu reden — dieses Gesetz „ohne substantielle Einschränkungen" hingenommen werden muß und soll, oder ob nicht die Möglichkeit besteht — so habe ich die Ausführungen der beiden Minister verstanden —, in den Ausschußberatungen Überlegungen anzustellen, aus denen sich eine gewisse flexible Handhabung dieses Gesetzes ergibt. Dazu gehört auch die bereits erörterte Frage .des Ausschlusses der Altverträge. Ganz abgesehen davon, daß man in den Ausschüssen zumindest die rechtsstaatlichen Gründe untersuchen muß, betrifft nun gerade diese Miterfassung der Altverträge eine ganze Reihe von Unternehmen, die in der Rezessionsphase die Beschäftigung der Unternehmen und ihrer Belegschaften durch Exportlieferungen sichergestellt haben. Diese Miterfassung wirft jede vernünftige Kalkulation über den Haufen. Die 4 % bleiben eben bei den Exporteuren hängen.
    Ich wiederhole — ich habe es vorhin schon gesagt —: Dieses Gesetz soll nicht ein voller Ersatz für die Aufwertung sein, sondern es soll die Exporte ad futurum erschweren, und es soll die Importe erleichtern, aber es kann nicht genau denselben Effekt wie eine Aufwertung erzielen. Deshalb muß es unter anderen Gesichtspunkten betrachtet, d. h. flexibel gestaltet werden.
    Meine Damen und Herren, ich habe damit zum Ausdruck gebracht, daß die große Mehrheit meiner Fraktion diesem Gesetzentwurf zustimmt. Wir hoffen und wünschen, daß wir mit der Verwaltung und mit den zuständigen Ministern in den Ausschüssen die strittigen Fragen sehr eingehend erörtern und möglichst klären können.
    Eine vierte Möglichkeit wäre, nichts zu tun. Ich stelle fest, dieser Weg ist nicht gangbar. In Wirklichkeit stellt er eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen dar. Die Folgen dieser Entscheidung würden sein: ein Inflationsimport, der sich binnenwirtschaftlich in Kosten- und Preissteigerungen und in Einfuhrbeschränkungen bei unseren Handelspartnern niederschlagen würde, ein Verlust der Solidarität innerhalb der westlichen Währungsgemeinschaft, gleichzeitig ein Andauern der Spekulation und der spekulativen Aufkäufe. Wir würden uns außerdem der Möglichkeit begeben, daß die Maßnahmen unserer Partner dann in Übereinstimmung mit uns getroffen werden. Der Druck würde so außerordentlich stark auf uns sein, daß wir, glaube ich, mit gutem Gewissen sagen können: Dieser Weg ist nicht gangbar.
    Wir dürfen es uns dabei auch nicht zu leicht machen. Die Bundesrepublik hat in der Zeit von 1966 bis September 1968 einen Ausfuhrüberschuß erzielt, der die Größenordnung von mehr als 36 Milliarden DM erreicht. Das ist ein Tatbestand, den man auch nicht ohne weiteres ignorieren kann. Wir haben also nicht darüber zu entscheiden, ob wir einfach nichts tun, sondern die Entscheidung, vor der wir stehen, lautet: Protektionismus bei den anderen oder Verhinderung dieser Entwicklung. Das ist die Alternative.
    Angesichts dieses Sachverhalts kann die Antwort nur lauten — und das ist der Standpunkt meiner Fraktion —: Wir müssen handeln, und wir werden es auch tun. Es ist daher wichtig, daß die Vorschläge der Bundesregierung ein ganzes Paket umfassen. Neben umsatzsteuerlichen Maßnahmen stehen also die Kredithilfen von 2,4 Milliarden DM allein an Frankreich, die Anwendung des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, die Abwehr heißen Geldes und steuerliche Erleichterungen für Direktinvestitionen im Ausland. Meine Fraktion ist der Meinung, daß es sich hierbei um ein wohlabgewogenes Bündel von Maßnahmen handelt, dem sie ihre Zustimmung erteilen kann.
    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Die Wirtschaft der Bundesrepublik ist nun einmal auf den Außenhandel und damit auf eine funktionierende Weltwirtschaft angewiesen. Dies verbietet uns, angesichts der bei unseren Nachbarn bestehenden Probleme tatenlos zu bleiben. Wir gehen dabei von der Voraussetzung aus, daß, wenn wir handeln, auch die anderen handeln müssen. Meine Fraktion unterstützt deshalb die Vorschläge der Bundesregierung. Ich bin der Meinung, daß wir damit erstens den internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik nachkommen, zweitens den Geboten der internationalen Solidarität entsprechen und damit die Voraussetzung für eine entsprechende solidarische Haftung auch und gerade unserer Nachbarn schaffen, drittens der Gefahr einer Desintegration des Welthandels einen Riegel vorschieben, viertens den Weg für nationale Gesundungsmaßnahmen bei den am meisten gefährdeten Ländern erleichtern und fünftens Zeit für eine Reform des Abkommens von Bretton Woods gewinnen.
    Die Bundesrepublik ist im Begriff, als Außenhandelsland, das auf Handelsbilanzüberschüsse angewiesen ist, einen positiven Beitrag zur Gesundung des internationalen Währungssystems zu leisten. Damit erfüllen wir eine uns auferlegte Pflicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)