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ID0519700200

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    Deutscher Bundestag 197. Sitzung Bonn, den 26. November 1968 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Busse (Herford) und Steinhoff . . . 10615 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 10615 A Entwurf eines Gesetzes über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung (CDU/CSU, SPD) (Drucksache V/3524) — Erste Beratung —Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 10615 B Dr. Schiller, Bundesminister . . . . 10617 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . . 10622 C Dr. Pohle (CDU/CSU) 10628 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 10632 D Mertes (FDP) 10638 A Dr. Luda (CDU/CSU) . . . . . 10639 C Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . . 10641 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1967 (Mehrwertsteuer) (Abg. Frau Funcke, Dr. Staratzke, Mertes, Genscher u. Gen.) (Drucksache V/3482) — Erste Beratung — . . . . 10642 D Nächste Sitzung 10642 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10643 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10615 197. Sitzung Bonn, den 26. November 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 18.00 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 30. 11. Dr. Aigner * 30. 11. Dr. Apel * . 30. 11. Arendt (Wattenscheid) * 30. 11. Dr. Arndt (Hamburg) 30. 11. Dr. Artzinger * 30. 11. Bading * 30. 11. Behrendt * 30. 11. Bergmann * 30. 11. Borm 26. 11. Buchstaller 30. 11. Dr. Burgbacher * 30. 11. Corterier * 30. 11. Deringer * 30. 11. Dichgans * 30. 11. Dr. Dittrich * 30. 11. Dröscher * 30. 11. Frau Dr. Elsner * 30. 11. Faller * 30. 11. Fellermaier * 30. 11. Dr. Furler * 30. 11. Gerlach * 30. 11. Gscheidle 29. 11. Haase (Kellinghusen) 26.11. Hahn (Bielefeld) * 27. 11. Hauffe 30. 11. Illerhaus * 30. 11. Dr. Jungmann 29. 11. Frau Kleinert 15. 1. 1969 Klinker * 30. 11. Kriedemann * 30. 11. Freiherr von Kühlmann-Stumm 6. 12. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Kulawig * 30. 11. Lange 26. 11. Lautenschlager * 30. 11. Lemmrich 26. 11. Lenz (Brühl) * 30. 11. Dr. Löhr * 30. 11. Lücker (München) * 30. 11. Mauk * 30. 11. Memmel * 30. 11. Metzger * 30. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 11. Müller (Worms) 29. 11. Richarts * 30. 11. Riedel (Frankfurt) * 30. 11. Dr. Schmidt (Offenbach) 26. 11. Dr. Serres 26. 11. Springorum * 30. 11. Dr. Süsterhenn 29. 11. Dr. Starke (Franken) * 30. 11. Steinhoff 31. 12. Frau Wessel 31. 12. Frau Dr. Wex 30. 11. Wienand 31. 12. Wischnewski 30. 11. Dr. Zimmermann 29. 11. Zink 30. 11. b) Urlaubsanträge Adorno 3. 12. Hamacher 31. 12. Dr. Heck 9. 12. Kunze 31. 12. Frau Dr. Maxsein 15. 12. Storm 31.12. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD haben der Bitte der Regierung entsprechend — ich vermerke dies mit Dank — den Ihnen vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung eingebracht.
    Die Bundesregierung hat am Dienstag vergangener Woche beschlossen, unverzüglich die in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen einzuleiten, weil durch umfangreiche und beständig anschwellende Spekulationen eine gefährliche, sich überstürzende Entwicklung vorangetrieben wurde, die drohte, das internationale Währungssystem zu sprengen und schwerste wirtschaftliche und politische Schäden herbeizuführen. Diese spekulativen Kapitalbewegungen wurden vor allem durch die Erwartungen einer Aufwertung der D-Mark und einer Abwertung des französischen Franc ausgelöst. Diese Bewegungen auf den Geldmärkten erzeugten eine Flut von Devisenzuflüssen bei der Deutschen Bundesbank, die in der ersten Novemberwoche 750 Millionen Dollar, in der zweiten 1200 Millionen Dollar erreichte. Allein an einem einzigen Tage, am 15. November, betrug der Devisenzufluß 850 Millionen Dollar. Ein derartiger Vorgang war bis dahin noch nie und nirgends vorgekommen. Diese gefährliche Entwicklung vollzog sich vorwiegend zu Lasten der französischen Devisenbestände.
    Die Bundesregierung hatte sich mit der Situation, die durch die starke Stellung der D-Mark, die relative Schwäche anderer Währungen, durch unseren hohen Exportüberschuß und den Preisauftrieb bei wichtigen Handelspartnern entstanden war, seit geraumer Zeit befaßt. Es wurde deutlich, daß die Fortdauer dieser Situation korrigierende Eingriffe notwendig machen könnte. Dabei ging die Bundesregierung in Übereinstimmung mit der Bundesbank davon aus, daß diese Überprüfung im Januar des kommenden Jahres unter Berücksichtigung der dann bestehenden Lage stattfinden sollte.
    Durch die außerordentliche Spekulationswelle aber sah sich die Bundesregierung gezwungen, sofort zu handeln, um weiteren ruinösen spekulativen Kapitalbewegungen ein Ende zu setzen. Sie sah sich, wenn sie dieses Ziel erreichen wollte, vor die Wahl gestellt, entweder die D-Mark aufzuwerten oder steuerliche Maßnahmen zu ergreifen, die eine Dämpfung des Exports und eine Förderung des Imports bewirken. Damit sollte zugleich ein bedeutender Beitrag zur Wiederherstellung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts, zur Stabilisierung des internationalen Währungssystems und zur Wahrung der



    Bundeskanzler Kiesinger
    Stabilität unserer heimischen Preise geleistet werden.
    Meine Damen und Herren, die Gründe dafür, daß die Bundesregierung die Ihnen vorliegenden Maßnahmen und nicht eine Aufwertung der D-Mark beschloß, die im Ausland vielfach von uns erwartet wurde, werden Ihnen der Herr Bundeswirtschaftsminister und der Herr Bundesfinanzminister nachher im einzelnen darlegen. Der Hauptvorteil der von uns gewählten Lösung besteht darin, daß im Gegensatz zu einer Aufwertung das jetzt in Aussicht genommene Instrumentarium flexibel und gegenüber nicht voraussehbaren, aber möglichen Maßnahmen anderer Länder und möglichen einschneidenden Änderungen der Weltwirtschaftslage anpassungsfähig ist. Eine Aufwertung hätte außerdem zu schwersten Belastungen des Haushalts geführt, insbesondere in dem Bereich der Landwirtschaft.

    (Abg. Dr. Barzel: Hört! Hört!)

    Sie hätte uns zu weiteren erheblichen Kreditaufnahmen gezwungen und uns damit zu einer einschneidenden Veränderung der mittelfristigen Finanzplanung genötigt.
    In der dreitägigen Konferenz der Minister und Zentralbankgouverneure der Zehnergruppe fanden Beratungen über die vorgeschlagenen deutschen Maßnahmen statt. Sie wurden von dieser Konferenz als ein bedeutender Beitrag zur Stabilität des Währungssystems und zum Anpassungsprozeß gewertet. In Würdigung dieser Maßnahmen erklärte die Konferenz sich mit dem Beschluß der Bundesregierung einig, die Parität der D-Mark unverändert zu halten. Die Teilnehmer der Konferenz stimmten darin überein, daß die internationale Währungsstabilität in die gemeinsame Verantwortung aller Länder der internationalen wirtschaftlichen Gemeinschaft fällt. Sowohl die Defizitländer als die Überschußländer erklärten ihre Bereitschaft, durch eine geeignete konzertierte Wirtschaftspolitik einen wirksamen Beitrag zur Stabilität des internationalen Währungssystems zu leisten, und sie verständigten sich außerdem über Maßnahmen zur Bekämpfung spekulativer Kapitalbewegungen.
    Es wurde ferner, wie Sie wissen, eine Kredithilfe der Zentralbanken zugunsten Frankreichs in Höhe von 2 Milliarden Dollar beschlossen, wobei als Beitrag der Deutschen Bundesbank — anläßlich einer Bemerkung, die in den vergangenen Tagen im Zusammenhang mit den fehlenden 30 Millionen DM auf dem Gebiete der Weihnachtszuwendungen gefallen ist, vermerke ich: der Deutschen Bundesbank, nicht des deutschen Haushalts — 600 Millionen Dollar vorgesehen wurden. Frankreich konnte auf dieser Konferenz noch keine endgültige Aussage über seine eigenen Absichten machen. Inzwischen hat Präsident de Gaulle gewisse Maßnahmen angekündigt, die aber erst im Laufe des heutigen Nachmittags im einzelnen bekanntgeworden sind. Mir wurden die Nachrichten darüber soeben, als ich mich auf den Weg in den Bundestag machte, vorgelegt. Ich kann daher leider in diesem Augenblick noch keine Stellung zu ihnen nehmen. Vielleicht können es die beiden Herren Fachminister schon tun, die noch etwas Zeit hatten, diese Dinge nachzulesen.
    Die beiden zuständigen Herren Fachminister werden Sie über den Verlauf der Zehner-Konferenz noch im einzelnen unterrichten. Ich selbst, meine Damen und Herren, möchte mich in diesem Zusammenhang auf einige allgemeine politische Bemerkungen beschränken.
    Wer in den vergangenen Tagen die deutsche und die internationale Presse verfolgt hat, konnte sich eines Gefühls der Sorge nicht erwehren. Ich will mich nicht mit jenen ausländischen Stimmen auseinandersetzen, die uns eine egoistische oder gar arrogante Haltung vorwarfen. Wir haben, meine Damen und Herren, unsere Entscheidung in gewissenhafter Abwägung der Wahrung ' unserer eigenen Interessen wie unserer Mitverantwortung für die internationale Solidarität getroffen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Niemand darf und kann übersehen, daß wir damit
    unserer Wirtschaft ganz erhebliche Opfer zumuten.
    Daß wir ein wirtschaftlich gesundes Land sind, verdanken wir nicht Handlungen — sei es im privaten Geschäftsbereich, sei es in der Politik —, die irgend jemandem einen berechtigten Anlaß zur Kritik geben könnten. Unser Volk hat eine große Arbeitsleistung vollbracht. Seit Jahr und Tag treiben wir eine vernünftige Wirtschaftspolitik. Wir haben in unserem Land ein großes Maß an sozialer Gerechtigkeit verwirklicht und sind daher von schweren sozialen Erschütterungen verschont geblieben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich glaube sagen zu dürfen, daß dieses Land seit Jahren von dem, was man seine wirtschaftliche Stärke nennt, einen vernünftigen und verantwortungsvollen Gebrauch gemacht hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir tun das auch mit den neuen von uns vorgeschlagenen Maßnahmen. Das ist auch von der Zehner-Konferenz ausdrücklich anerkannt worden. Wir sind uns der im Kommunique der ZehnerGruppe ausgesprochenen gemeinsamen Verantwortung aller durchaus bewußt und sind bereit, zu allem beizutragen, was ein gesichertes und gerechtes internationales Währungssystem auszugestalten vermag. Das wirtschaftliche Schicksal unserer Nachbarn und Partner darf uns nicht gleichgültig sein und ist uns nicht gleichgültig, weil unser aller Wohl und Wehe von einer gesunden allgemeinen Entwicklung abhängt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Lassen Sie mich noch eines hinzufügen. Es gab in den publizistischen Äußerungen der vergangenen Tage im Ausland Stimmen, die im Blick auf die Ereignisse der letzten Woche von einer angeblichen Machtverlagerung .innerhalb Europas nach Bonn sprachen. Ich will nicht untersuchen, welche Motive derartigen kuriosen Feststellungen zugrunde lagen. Ich möchte aber meine eigenen Landsleute dringend davor warnen, auf solche Parolen hereinzufallen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundeskanzler Kiesinger
    Nichts stünde uns schlechter an als eine solche Überheblichkeit, die im übrigen die wirkliche Lage in Europa gar nicht begriffe.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Gerade wir, meine Damen und Herren, denken eben nicht mehr in den Kategorien des sogenannten europäischen Mächtekonzertes, der europäischen nationalstaatlichen Rivalität oder gar veralteter hegemonialer Vorstellungen. Wir bleiben dabei, daß wir das alles ein für allemal für überwunden halten und daß das Schicksal aller europäischen Völker mit der Frage verknüpft ist, ob es gelingt, im gegenseitigen Vertrauen eine Einigung Europas herbeizuführen, in der die Interessen jedes Landes und jedes Volkes sicher geborgen sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In diesem Geiste, meine Damen und Herren, lassen Sde uns bitte dieses vorliegende Gesetz beraten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Karl Schiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den schwierigen und langwierigen Verhandlungen, die die Bundesregierung in den letzten Wochen mit der Bundesbank und dem Sachverständigenrat hatte und die schließlich in die Konferenz der Zehn einmündeten, sagte ein Mitglied des Sachverständigenrates — ich zitiere aus dem Gedächtnis —, das heutige Weltwährungssystem mit seinen festen Wechselkursen und unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der einzelnen Regierungen verführe die Politiker mit Sicherheit zur Heuchelei und Unwahrheit. Der Sachverständige meinte damit folgendes: Wenn jedes Land in seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik ganz unterschiedliche Ziele verfolgt — die einen lassen z. B. eine fünfprozentige Preissteigerung pro Jahr zu und fühlen sich dabei ganz wohl, während andere Preisstabilität anstreben und halten wollen; einige streben die Vollbeschäftigung in ihrem Lande an, während andere ihren Zahlungsbilanzausgleich mit Arbeitslosigkeit herbeiführen; drittens erreichen einige ein reales Wachstum ihres Volkseinkommens von 6 %, während andere seit Jahren nahe der Null-Linie operieren —, dann führt ein solches Auseinanderklaffen der wirtschaftspolitischen Ziele der verschiedenen Länder, so sagte er, zu periodischen Spannungen. Dann gäbe es hin und wieder hektische Spekulationen. Dann gäbe es hin und wieder auch abrupte und exzessive Anpassungen der Paritäten und schließlich sogar die Gefahr von Explosionen im Währungssystem. Er fuhr fort: Im allgemeinen wollen die Menschen diese Gefahren nicht sehen, sie wollen das Problem umgehen und die Notwendigkeit der außenwirtschaftlichen Absicherung der Stabilität eines Landes gegenüber anderen nicht anerkennen. Die Folgen seien dann erst einmal Dementis oder schließlich die Zuflucht zu dirigistischen Maßnahmen, die gegen den Markt wirkten. Das Ganze sei dann ein trauriges Kapitel aus dem Buch über den Kampf gegen die Realitäten des Marktes, der übrigens von der Politik regelmäßig verloren wird, wie Jürgen Eick es vor wenigen Tagen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dargestellt hat.
    Meine Damen und Herren, demgegenüber haben wir in der Bundesrepublik uns durch § 4 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gerade bei der außenwirtschaftlichen Absicherung zur Wahrheit und zum Handeln ohne Heuchelei verpflichtet. Nach diesem § 4 sind zuerst alle Möglichkeiten der internationalen Koordination auszuschöpfen. Das ist, weiß Gott, vorige Woche anläßlich der Tagung der Gruppe der Zehn hier in Bonn — und schon vorher von der Bundesregierung in vielen internationalen Konferenzen — geschehen.
    Der § 4 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sagt weiter in Satz 2: Die Bundesregierung setzt dann die ihr zur Wahrung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel ein. Im Sinne dieses Paragraphen und dieses Gebotes zur Wahrheit und zum Handeln haben wir in der Bundesregierung schon vor Wochen angefangen, Vorbereitungen zu treffen, um unsere Preisstabilität gegen die Gefährdung von außen abzuschirmen. Daß solche Gefahren von außen drohen, können wir jeden Tag an der internationalen Statistik ablesen. In Frankreich, in den USA und in England steigen in diesem Jahr die Preise um durchschnittlich 5 %, wenn nicht um mehr. Wir verzeichnen in den ersten zehn Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg unserer Lebenshaltungskosten von 1,2 %.
    Dabei ist erst einmal eines festzustellen: in dieser Situation — und seit heute noch viel weniger — bedarf es keiner binnenwirtschaftlichen Restriktionen. Das wäre ein untaugliches Mittel zum falschen Zeitpunkt am falschen Objekt. Eine binnenwirtschaftliche Bremsaktion wäre völlig verfehlt, denn es besteht keine inländische Übernachfrage.
    Überhitzungserscheinungen kommen aus dieser Wirtschaft der Bundesrepublik nicht. Zu diesem Ergebnis kam auch der Konjunkturrat für die öffentliche Hand, der in der letzten Woche tagte. Eine binnenwirtschaftliche Bremsaktion hätte uns nur ins Schleudern und auf die falsche Bahn gebracht. Unsere Unternehmer wären noch mehr auf die Auslandsmärkte abgedrängt worden. Dabei muß es doch gerade umgekehrt unser Ziel sein, einen Teil des für das Ausland produzierten Güterangebots auf den heimischen Markt umzulenken.
    Die Preisstabilität in diesem Lande ist nicht durch unsere beiden Konjunkturprogramme des vorigen Jahres und den nachfolgenden Aufschwung und insbesondere auch nicht durch die Tarifpolitik der deutschen Gewerkschaften bedroht. Diese Tarifpolitik der deutschen Gewerkschaften ist maßvoll. Die Überschußposition unseres Landes ist in erster Linie eine Folge der inflatorischen Bewegungen in anderen Ländern.
    Aber wir sollten auch nicht vergessen, daß wir früher einmal zum Entstehen auch von internationalen Ungleichgewichten beigetragen haben. Denn der Kern unserer Überschußposition wurde im Jahre



    Bundesminister Schiller
    1966/67 geschaffen, in der Zeit, in der es uns noch nicht gelungen war, die eigene Rezession abzustoppen und damit die Unternehmer davor zu bewahren, zu sehr auf die Auslandsmärkte abgedrängt zu werden. Es besteht also auch von dieser Seite her gar kein Anlaß, daß wir uns aufs hohe Roß setzen.
    Aus guten und wohlüberlegten Gründen haben wir in der Bundesregierung die umsatzsteuerlichen Maßnahmen und nicht die Aufwertung der D-Mark als Mittel der außenwirtschaftlichen Absicherung gewählt. Erstens: Eine isolierte und, wie von manchen Ländern verlangt, massive Aufwertung der D-Mark hätte die deutsche Wirtschaft insgesamt viel schwerer getroffen. Zweitens: Sie wäre eine praktisch unwiderrufliche Maßnahme gewesen. Es wäre der falsche Weg gewesen. In einer Zeit, in der die vor uns liegende weltwirtschaftliche Entwicklung voller Unsicherheiten steckt, in der niemand voraussehen kann, wie die Wirtschaftspolitik der neuen amerikanischen Administration sein wird, wie die Entwicklung in Großbritannien weitergeht und wie schnell und mit welchen Methoden Frankreich die Folgen der Mai/Juni-Krise überwindet, wäre eine endgültige einseitige Maßnahme auf unserer Seite ein Fehler gewesen. Die Bundesregierung handelt nicht wie ein Bergsteiger, der sich bei unsicherem Wetter anschickt, eine gefährliche Steilwand ohne Rückweg zu durchklettern.
    Ich will ruhig hinzufügen, daß der von uns gewählte steuerpolitische Weg vom Standpunkt der reinen Lehre der Ordnungspolitik Freiburger Observanz vielleicht nicht so schön ist wie die allgemeine Anpassung der Währungsparitäten. Aber unser Vorschlag ist auf jeden Fall befristet, er vermeidet abrupte Übergänge und er läßt uns den Rückweg offen.
    Meine Damen und Herren, man stelle sich nur vor, wir wären zu der Lösung gedrängt worden, wie einige Länder es verlangt haben, nämlich zu einer isolierten, einseitigen Aufwertung der D-Mark von 71/2 %, und wir hätten anschließend festgestellt, daß andere Länder bei Null geblieben wären und dazu noch handelspolitische und andere Schutzmaßnahmen ergriffen hätten. Dann wäre die Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf Dauer zementiert. Das wollen wir vermeiden.
    In diese Überlegungen der Bundesregierung hinein kam der Wunsch von drei Ländern, die Gruppe der Zehn nach Bonn einzuberufen. Die Spekulation, insbesondere gegen den Franc und auf die D-Mark war über die Ufer getreten. Bei den Staatsmännern, die uns aufforderten, hatte sich die Furcht verbreitet, daß durch eine isolierte und massive Abwertung einer bestimmten Währung eine unkontrollierte Kettenreaktion ausgelöst würde, d. h. eine ganze Serie von Abwertungen anderer Länder. Daran konnte niemand, auch niemand in Deutschland, irgendein Interesse haben. Aufgabe jener Konferenz und der Wunsch jener Politiker, der mir als dem Vorsitzenden vorgelegt wurde, war es also, einen solchen unkontrollierten Prozeß zu verhindern oder den Prozeß der Währungsmisere anderer Länder, der sich ausbreiten würde, zumindest unter Kontrolle zu bringen. Meine Damen und Herren, das ist mit der Zehner-Konferenz gelungen.
    Aber wir sollten uns umgekehrt — und der Herr Bundeskanzler hat das soeben angedeutet — auch über unsere eigene Position keine Illusion machen. Zu Beginn der Zehner-Konferenz forderten sieben Länder — wenn ich das Gastland Schweiz hinzuzähle, sind es elf — von elf also sieben eine einseitige Aufwertung der D-Mark, wobei ich in diesem Falle — weil ich die Schweiz erwähnt habe — hinzufügen darf, daß sie zu den Ländern gehört hat, die die Parität der D-Mark verteidigt hat und unsere Maßnahmen, die wir dort vorschlagen konnten, unterstützt hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir waren also nur vier. Aber, was ich mit besonderer Freude auch noch feststelle: die Brüsseler Kommission plädierte für eine unveränderte D-MarkParität. Brüssel hat uns hier in Bonn durch die Sprecher der Kommission, durch den Vizepräsidenten und durch den anwesenden Kommissar entscheidend geholfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Unser eigener klarer, harter Widerstand gegen die Aufforderung von anderen war nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch begründet:
    Erstens: Bei aller Hochachtung vor der Stärke der deutschen Volkswirtschaft und der deutschen Währung, einer Hochachtung, die sich ja nun auch im Ausland ausbreitet, erscheint es mir völlig unmöglich, ja eine ganz und gar illusorische Erwartung, allein durch eine Aufwertung der D-Mark 'die Zahlungsbilanzmiseren aller anderen Länder sozusagen von einem Punkte her zu kurieren.
    Zweitens: Es erscheint uns politisch unzumutbar, daß wir die unbestreitbaren Fehler anderer im eigenen Hause allein durch eine isolierte D-Mark-Aufwertung stellvertretend für Maßnahmen für andere sozusagen an uns selbst korrigieren.
    Drittens: Durch eine Aufwertung — ich nehme etwa die Zahl, die so oft genannt wurde, von 71/2 % — der D-Mark hätten wir unseren Handelsbilanzüberschuß in einem Jahr um fast 10 Milliarden DM reduziert. Wir hätten dann unsere internationalen Verpflichtungen, wie Entwicklungshilfe, Wiedergutmachung, Devisenausgleich, Zahlungen an internationale Organisationen, nicht mehr erfüllen können. Rechnen wir noch die notwendigen Abdekkungen unseres Fehlbetrages bei Dienstleistungen hinzu, so stehen den Überschüssen in der Zahlungsbilanz rund 8 Milliarden DM Verpflichtungen jetzt laufend gegenüber.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Viertens: Durch eine solche Maßnahme, wie sie zur Debatte stand — freundschaftlich, offen und hart —, hätten wir also nicht etwa Stabilität in andere Länder hinein exportiert, — meine Damen und Herren, durch eine solche massive einseitige Maßnahme hätten wir unser eigenes Wirtschaftswachsturn amputiert und damit in unser Land, die Bundesrepublik, eine Rezession importiert.



    Bundesminister Schiller
    Das waren die Gründe für unser klares und deutliches politisches und ökonomisches Nein.
    Aber wir konnten nicht bei dem schieren Nein bleiben. Wir mußten im Sinne einer multilateralen Aktion, wie alle es mit Recht wünschten, einen Beitrag einbringen, und wir waren dazu in der Lage; denn wir hatten in den Wochen vorher ein wenig unsere Schularbeiten — der Herr Bundeskanzler hat es angedeutet — gemacht.
    Wir konnten einbringen
    1. die zur Entscheidung hier in diesem Hause nun vorliegenden steuerlichen Maßnahmen der Einfuhrverbilligung um 4 % und der Exportbelastung um denselben Satz.
    2. die Beteiligung der Bundesbank — und damit der Bundesrepublik, natürlich in „Bürgschaft", nicht im Finanziellen auszahlen — mit 600 Millionen Dollar an dem Stützungskredit von insgesamt 2 Milliarden Dollar zugunsten Frankreichs, hier in Bonn beschlossen;
    3. die Verordnung zu § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes — sie ist am Montag früh in Kraft getreten —, mit der das Einfließen spekulativer Gelder aus dem Ausland abgewehrt wird;
    4. den am letzten Donnerstag in voller Übereinstimmung mit unserem Kampf hier in Bonn erfolgten Beschluß des Zentralbankrates, die Mindestreserven für ausländische Einlagen bei deutschen Geschäftsbanken auf 100 % zu erhöhen.
    Das war das deutsche Paket mit seinen vier Elementen.
    Nun zur Konferenz selbst. Die positiven Wirkungen der Konferenz und des Kommuniqués darüber, in dem der deutsche Beitrag mit den Beiträgen anderer ein wesentlicher Bestandteil ist, sind schon heute feststellbar. Die Spekulation hat einen schweren Schlag erhalten. Die Spekulanten haben sich an dem heißen Geld, das sie auf den internationalen Märkten hin und her geschoben haben, selber die Finger verbrannt. Wir haben allein im November dieses Jahres 8 Milliarden DM an Zuflüssen solchen heißen Geldes registrieren müssen. Alle diese Spekulanten, die jene Gelder hier hineingebracht haben, haben mindestens auf eine 5 %ige Aufwertung der D-Mark spekuliert. Das sind 400 Millionen DM entgangene Gewinne und 100 Millionen DM Zinsverluste.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Die Spekulation auf die Aufwertung der D-Mark um mindestens 5 % zu diesem letzten Montag hat eine halbe Milliarde DM verspielt. Ich kann nur sagen: Strafe muß sein.

    (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Ein Zweites. Die Spekulation hat den Rückzug angetreten. Seit Montag früh — also in diesen zwei Tagen — sind unter dem Eindruck der Bonner Beschlüsse in der Zehnergruppe, im Kreise der Sechs und im Kreis der Bundesregierung wieder 510
    Millionen Dollar, d. h. über 2 Milliarden DM an Spekulationsgeldern reumütig aus der Bundesrepublik abgeflossen. Auch das ist ein Erfolg.
    Diesen Erfolg müssen wir bewahren und ausbauen. Mit unserer klaren Haltung zur einseitigen Aufwertung und mit dem deutschen Paket mit seinen vier Elementen konnten wir schließlich unseren Standpunkt auf der Konferenz durchsetzen. In dem Kommuniqué heißt es wörtlich — der Herr Bundeskanzler selber hat schon darauf hingewiesen —:
    Nach eingehender Beratung der deutschen Maßnahmen stimmten die . Minister und Gouverneure überein, daß diese deutschen Maßnahmen einen bedeutenden Beitrag zur Stabilität des Währungssystems und zum Anpassungsprozeß darstellen.
    Das Kommuniqué fährt fort:
    Im Lichte dieser Maßnahmen der Bundesrepublik indossieren sie
    — d. h. unterstützen sie — alle
    — die Elf —
    den Beschluß der Bundesregierung, die Parität der D-Mark nicht zu verändern.
    Soweit dieser Punkt aus dem Kommuniqué.
    Ich glaube, wenn wir die Ausgangssituation, die Debatte zu Beginn der dreitätigen Konferenz — 7 : 4 — vergleichen mit dem Resultat am Ende dieser Konferenz, dann können wir sagen: wir sind gut davongekommen.
    Meine Damen und Herren! Es war nicht' das Ziel dieser Konferenz — ich möchte das ganz klar aussprechen —, andere Länder zur Abwertung zu drängen. Im Gegenteil, man wollte ja einen unkontrollierten Prozeß des Zusammenbruchs von Währungen verhindern. Ich stelle noch einmal fest: Insbesondere hat kein Land in der Gruppe der Zehn eine Abwertung des französischen Franc gefordert. Eine massive Abwertung des Franc hätte im übrigen nicht nur Frankreich belastet. Am Ende der Konferenz verließ uns unser französischer Kollege mit der Darstellung, seine Regierung — die Frage der Parität sei eine nationale Entscheidung — könne entscheiden in dem Spielraum zwischen null und elf, es könne auch eine dazwischen liegende schwächere Lösung geben. Es stand also am Ende der Konferenz auch die Nichtabwertung des Franc durchaus im Raum.
    Frankreich und auch Großbritannien haben die deutsche Offerte und die Offerte der anderen Länder, was die Kredite betrifft, durch eigene Maßnahmen ergänzt. Wir müssen nur hoffen, daß diese beiden Länder mit ihren internen Schritten zum Gleichgewicht zurückfinden. Meine Damen und Herren, wir sollten uns heute in dieser Lage nicht zum Zensor der Welt in ökonomischen Angelegenheiten aufspielen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundesminister Schiller
    Trotzdem darf ich eine Sorge äußern. Es bleibt bei diesen ergänzenden Maßnahmen in Frankreich und in Großbritannien die Sorge bei uns bestehen, daß wir vielleicht in jenen beiden Ländern in eine Welt des Dirigismus und des _Protektionismus abgleiten. Diese Sorge muß ich pflichtgemäß äußern.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir werden uns gegen eine Ausbreitung solcher Dirigismen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wehren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Um nirgendwo ein Mißverständnis aufkommen zu lassen, sage ich:
    Erstens: Unsere steuerlichen Maßnahmen, die hier durch die Initiativanträge der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD auf dem Tisch des Hauses liegen, können nicht als ein Beispiel, als eine Entschuldigung oder als eine Rechtfertigung für protektionistische und dirigistische Maßnahmen bei anderen Ländern dienen. Unsere Schritte sind ja Schritte in umgekehrter Richtung; denn wir fördern die Einfuhr nach Deutschland. Wir sind also mit unseren Maßnahmen nicht auf dem protektionistischen Wege, und wir sorgen dafür, daß das Angebot an potentiellen Exportgütern deutscher Produktion auf dem Binnenmarkt vergrößert wird. Wir können sagen: Wenn der Deutsche Bundestag in der dritten Lesung dieses Gesetz annimmt, verbilligt er für den deutschen Verbraucher die Importe und lenkt Exporte auf den deutschen Binnenmarkt, d. h. der deutsche Gesetzgeber sorgt für eine Anreicherung des Güterangebots und für eine erhöhte Preisstabilität hier auf dem Binnenmarkt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zum zweiten: Wie Sie wissen, ist im Gesetzentwurf eine Ermächtigung der Bundesregierung eingebaut, die Sätze der Belastung für die Ausfuhr und für die Erleichterung der Einfuhr für den Fall zu reduzieren, daß in anderen Ländern drastische oder exzessive Maßnahmen etwa protektionistischer Art ergriffen werden. Das bedeutet sehr viel. Es bedeutet zum ersten, wenn Sie uns diese Ermächtigung geben, die Sätze der Exportbelastung zu reduzieren und ebenfalls die der Einfuhrverbilligung zu reduzieren, daß Deutschland gleichsam einen Hebel zur Liberalisierung des Welthandels in der Hand hat. Zweitens gewinnen wir mit dieser steuerlichen Maßnahme Zeit, um weitere echte Fortschritte in der schrittweisen Reform unseres Weltwährungssystems zu erarbeiten. Ich bin fest davon überzeugt: wenn der Pulverdampf der Krisen sich verzogen hat, wird die Konstellation des Jahres 1969 oder 1970 für eine allgemeinere Form und Weiterentwicklung unseres Weltwährungssystems günstiger sein. Z. B. stehen dann die neuen Sonderziehungsrechte im Internationalen Währungsfonds zur Aktivierung zur Verfügung. Das Ratifikationsgesetz liegt dem Hohen Hause vor. Wenn es dann um die Mobilisierung der Sonderziehungsrechte geht — und das wird möglicherweise im Laufe des Jahres 1969 der Fall sein; ich glaube, das ist auch eine Bemerkung, die außenpolitisch angebracht ist —, wird sich entscheiden, welches Land dann wirklich mit wem kooperiert. Wir haben an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika und an der Seite der überwältigenden Mehrheit der Gruppe der Zehn die Sonderziehungsrechte auf den internationalen Währungskonferenzen 1967/68 durchgebracht. Die zufällige Konstellation, die in den ersten anderthalb Tagen auf der Bonner Konferenz vorherrschte, von Ländern, die zu dritt oder zu viert oder zu sieben auf eine isolierte Aufwertung der D-Mark hingewirkt haben, löst sich unter jenem Aspekt der Sonderziehungsrechte wohl auf, denn die Sonderziehungsrechte sind für das Hauptwährungsland, die USA, das Thema Nr. 1 der Währungspolitik im Jahre 1969/70. Hier ist dann eine Chance gegeben, gemeinsame Ziele zu formulieren und eine Allianz von Stabilität und Wachstum zu bilden, die alle einschließt. Wir glauben, daß unsere französischen Freunde auch ihrerseits dabei sind — schon aus ihrer Lage heraus —, ihre Position zu den Sonderziehungsrechten, die bisher negativ war, langsam zu korrigieren.
    Aber außer dem, was im großen multilateralen Kreise der Zehn fällig ist, kommt es vor allen Dingen auch auf Europa selbst an.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Trotz allen Schlägen, die wir in Europa in diesem Jahr erlitten haben, muß das Jahr 1969 auch währungspolitisch ein Jahr der verstärkten Kooperation innerhalb der Gemeinschaft der Sechs sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir können uns große Operationen etwa mit Bandbreitenerweiterung und ähnlichen Dingen innerhalb der Gemeinschaft der Sechs schon gar nicht mehr leisten, weil wir durch die branchenmäßige Integration auf lebenswichtigen Sektoren so aneinander gebunden sind, daß die Integration auf dem Gebiete der Währung eigentlich überfällig ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Überfällig!)

    Aber in diesem Augenblick, heute und hier, können wir nicht auf internationale Reformen in großem Kreise oder auf Reformen im Rahmen der Sechs von morgen oder übermorgen warten. Wir müssen hier und heute, in diesen Tagen handeln.
    Gar nichts zu tun, das wäre noch eine Variante. Aber, nein zu sagen auf das Ansinnen der anderen und gar nichts zu tun, das hätte bedeutet, daß wir die Schicksalssymphonie der vollen Anpassungsinflation intoniert hätten. Wenn wir jetzt nicht die Initiative zur außenwirtschaftlichen Absicherung ergriffen hätten, dann hätte der Druck — und das wäre die andere Möglichkeit gewesen — zur Steigerung unserer Preise im Inland durch das Überschwappen der Preissteigerungen von außen auf unser Land zugenommen, und dann hätte eben die Anpassungsinflation ihren Lauf nehmen können.
    Ich darf hinzufügen: Es gibt manchmal auch solche Töne in unserem Lande. Unsere nationale Symphonie ist ja in diesen Tagen sehr polyphon geworden.

    (Heiterkeit.)




    Bundesminister Schiller
    Dabei kann ich, was diese Töne betrifft, nur folgendes antworten. Man kann in dieser Welt nicht alles zugleich haben, etwa — auf deutscher Seite in gewissen Branchen — straffe Einfuhrkontingente für bedrängte Industrien, Ausnahmeregelungen in Hülle und Fülle bei noch notwendigen Einfuhrliberalisierungen, gleich hohe und sogar weiter wachsende Exportüberschüsse der deutschen Wirtschaft und dann noch gleichzeitig Preisstabilität in diesem Lande und womöglich noch ganz niedrige Lohnkosten. Meine Damen und Herren, ein solches Wunder kann in Deutschland nicht stattfinden, ein solches Wunder gibt es nicht.

    (Heiterkeit.)

    Wir mußten die Initiative ergreifen, und zwar im doppelten eigenen Interesse:
    1. Es gilt, wie ich sagte, unsere Stabilitätspolitik nach außen abzuschirmen.
    2. Wir als das derzeitige Überschußland in der Welt hatten am allerwenigsten ein Interesse, Zerfallsprozesse in der ganzen Welt stattfinden zu lassen. Wir mußten also einen Beitrag leisten.
    Deshalb ist es barer Unsinn, wenn draußen irgendwo in unserem Lande gesagt wurde, unsere Beiträge, die in diesen Tagen geleistet worden sind bzw. die in diesem Hause zur Verhandlung anstehen, seien als eine deutsche Vorleistung zu betrachten. Meine Damen und Herren, das ist keine deutsche Vorleistung, sondern das ist ein Angebot auch in unserem eigenen Interesse. Wir mußten und müssen aus eigener Vernunft handeln.
    Ich zitiere für viele andere deutsche Wirtschafts-und Handelsjournalisten, die uns in diesen Tagen mit ihrer Kritik und mit ihrem Rat unterstützt haben, Walter Slotosch, der in der Süddeutschen Zeitung von gestern schrieb: „Emotionale und Trotzreaktionen sind in Währungsfragen ein schlechter Berater."

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Konsequenzen in dieser kühlen Betrachtung ohne Trotzreaktionen und ohne Emotionen sind nach meiner Ansicht folgende. Ich plädiere im Namen der Bundesregierung dringend dafür: dieses Gesetz muß ohne ins Gewicht fallende Abstriche verabschiedet werden.

    (Zustimmung bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Das sind wir der Glaubwürdigkeit unserer Politik nach innen — im Sinne der Preisstabilität — und nach außen einfach schuldig. Unser Angebot an die deutsche Wirtschaft mit diesem Gesetzentwurf ist klar: Ruhe an der Währungsfront durch ein eindeutiges, nicht durchlöchertes Gesetz zur außenwirtschaftlichen Absicherung, kombiniert mit einer weiteren Stärkung der Binnennachfrage. Und weiter —darüber wird mein Kollege Strauß sehr viel sachverständiger reden können — werden hoffentlich auch Mittel aus dieser steuerpolitischen Operation zur Verfügung stehen, um binnenwirtschaftliche Übergangshilfen für besonders betroffene Wirtschaftszweige zu leisten. Aber ein durchlöchertes Gesetz würde neue Unruhe für das internationale
    Währungssystem mit allen bekannten Folgerungen nach sich ziehen.
    Meine Damen und Herren, wir haben die spekulativen Wesen vom Hühnerhof verscheucht,

    (Heiterkeit)

    aber wir müssen ihnen auch den Futtertrog auf Dauer entziehen. Sollten hier bei der Gesetzgebung Zweifel über die Durchschlagskraft dieses Gesetzes durch Durchlöcherung aufkommen, dann würden wir eines Tages wieder von jenen Wesen besucht werden, dann würden wir eines Tages erneut mit Liquidität überschwemmt. Und manch einer in diesem Hause ist sich vielleicht noch nicht darüber im klaren — deshalb spreche ich es aus —,

    (Abg. Dr. Barzel: Immer noch nicht?)

    daß uns dann, in einem solchen Falle, von noch viel mehr Ländern die große und schwere Lösung, nämlich die einseitige Aufwertung der D-Mark, zugemutet werden würde. Das steht zur Wahl, meine Damen und Herren. Aber wir sollten diese Alternative ausschließen, und zwar aus den vorhin genannten Gründen.
    Die außenwirtschaftliche Absicherung — auch mit diesen steuerlichen Mitteln — ist natürlich für die deutsche Wirtschaft eine schwere Last. Dabei sieht sich diese Last, je nach der Position des Betrachters, verschieden an. Für die Befürworter einer Aufwertung der D-Mark, für die Befürworter gar einer isolierten Aufwertung der D-Mark ist diese steuerliche Maßnahme nur die zweitbeste Lösung. Für die Gegner einer solchen isolierten D-Mark-Aufwertung ist diese Maßnahme immer noch das geringere Ubel. Ich glaube, ich spreche die Gefühle von fast allen von uns aus, wenn ich sage: Es ist das geringere Übel.
    Es ist für uns alle ein ermutigendes Zeichen, daß dieses Urteil — „sicherlich eine Last, aber das geringere Übel" — fast wörtlich sowohl von dem Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Industrie wie von dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes abgegeben wurde. Wir sollten danken für dieses ausgewogene Urteil.

    (Beifall.)

    Das ist ein ermutigendes Zeichen der Solidarität, zumal da sonst aus dem Kreis von Einzelverbänden so oft andere Äußerungen zu hören sind.
    Meine Damen und Herren, auf jeden Fall sind wir auch in der Richtung, die wir mit dieser zeitlich befristeten und reversiblen Maßnahme einschlagen, auf dem richtigen Weg. Das wurde uns auch in vielen Gesprächen mit der Deutschen Bundesbank bestätigt. Ich sehe dabei von der Wahl der Instrumente ganz ab. Ich kann Ihnen sagen, daß uns ein Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank zugesichert hat, bei rechtzeitigen und ausreichenden Maßnahmen der außenwirtschaftlichen Absicherung und entsprechenden binnenwirtschaftlichen Maßnahmen sei es durchaus möglich, im Jahre 1969 eine vernünftige, positive, adäquate Lohnbewegung



    Bundesminister Schiller
    im Schutz der außenwirtschaftlichen Absicherung zu erreichen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Anpassungsprozeß!)

    — Nein, das war gerade nicht gemeint.
    Wir werden unseren Aufschwung hinter dem Schutz dieser Maßnahmen stetig fortsetzen, wenn sie gesetzgeberisch ermöglicht werden.
    Ich halte es dabei allerdings für völlig unangebracht, daß wir mit diesem unserem Beitrag und mit unseren Anstrengungen etwa mit der Mentalität eines reichen Onkels in der Welt auftreten. Es ziemt uns nicht, den ökonomischen Lehrmeister der Welt zu spielen. Sicherlich können wir den Schwierigkeiten mancher Länder im Bewußtsein der eigenen Stärke gegenüberstehen. Aber das allein genügt eben nicht. Wir können auch nicht einfach Moral nach draußen predigen. Wir müssen anderen und damit zugleich uns helfen.
    Meine Damen und Herren, Sie müssen sich über die Alternativen klarwerden. Volle Anpassungsinflation wäre ein eklatanter Verstoß gegen den § 4 des Stabilitätsgesetzes. Eine isolierte und von manchen Ländern massiv gewünschte D-Mark-Aufwertung würde leicht das Abwürgen unseres Aufschwungs bedeuten. So schlagen wir heute etwas vor, was gegenüber den beiden anderen Dingen, die zur Wahl stehen, als Weg des Maßes und der Mitte gesehen werden muß. Anderes gibt es nicht im internationalen Sortiment für uns. Das ist die unserer Situation angemessene Haltung.
    Die Sitzung des Zehnerklubs endete mit einer multilateralen Aktion, um anderen Ländern, besonders einem Land, in den dortigen Wirren zu helfen. Wir haben durch unsere Teilnahme damit Schlimmeres verhindert, was auch bei dritten, vierten, fünften Ländern außerhalb der Bundesrepublik hätte eintreten können.
    Ich bitte das Hohe Hans um seine volle Unterstützung für unsere Maßnahmen. Ich kenne die Schwierigkeiten, die kommen. Trotzdem sollten wir allesamt dieses ganz klare Konzept in dieser Woche konsequent durchhalten.
    Ich möchte abschließen, indem ich ein paar Sätze aus „Hermann und Dorothea" zitiere:

    (Heiterkeit)

    Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist,
    Der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter;
    Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.
    Nicht dem Deutschen geziemt es, — so steht es dart! —
    die fürchterliche Bewegung
    Fortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin.
    Soweit „Hermann und Dorothea" von einem bekannten deutschen Poeten.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)