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ID0519700400

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    Deutscher Bundestag 197. Sitzung Bonn, den 26. November 1968 Inhalt: Glückwünsche zu den Geburtstagen der Abg. Busse (Herford) und Steinhoff . . . 10615 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . 10615 A Entwurf eines Gesetzes über umsatzsteuerliche Maßnahmen zur außenwirtschaftlichen Absicherung (CDU/CSU, SPD) (Drucksache V/3524) — Erste Beratung —Dr. h. c. Kiesinger, Bundeskanzler . 10615 B Dr. Schiller, Bundesminister . . . . 10617 A Dr. h. c. Strauß, Bundesminister . . 10622 C Dr. Pohle (CDU/CSU) 10628 D Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller (SPD) 10632 D Mertes (FDP) 10638 A Dr. Luda (CDU/CSU) . . . . . 10639 C Dr. Schwörer (CDU/CSU) . . . . 10641 C Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1967 (Mehrwertsteuer) (Abg. Frau Funcke, Dr. Staratzke, Mertes, Genscher u. Gen.) (Drucksache V/3482) — Erste Beratung — . . . . 10642 D Nächste Sitzung 10642 D Anlage Liste der beurlaubten Abgeordneten . . 10643 Deutscher Bundestag — 5. Wahlperiode — 197. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. November 1968 10615 197. Sitzung Bonn, den 26. November 1968 Stenographischer Bericht Beginn: 18.00 Uhr
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    Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordneter) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Dr. Achenbach * 30. 11. Dr. Aigner * 30. 11. Dr. Apel * . 30. 11. Arendt (Wattenscheid) * 30. 11. Dr. Arndt (Hamburg) 30. 11. Dr. Artzinger * 30. 11. Bading * 30. 11. Behrendt * 30. 11. Bergmann * 30. 11. Borm 26. 11. Buchstaller 30. 11. Dr. Burgbacher * 30. 11. Corterier * 30. 11. Deringer * 30. 11. Dichgans * 30. 11. Dr. Dittrich * 30. 11. Dröscher * 30. 11. Frau Dr. Elsner * 30. 11. Faller * 30. 11. Fellermaier * 30. 11. Dr. Furler * 30. 11. Gerlach * 30. 11. Gscheidle 29. 11. Haase (Kellinghusen) 26.11. Hahn (Bielefeld) * 27. 11. Hauffe 30. 11. Illerhaus * 30. 11. Dr. Jungmann 29. 11. Frau Kleinert 15. 1. 1969 Klinker * 30. 11. Kriedemann * 30. 11. Freiherr von Kühlmann-Stumm 6. 12. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich Kulawig * 30. 11. Lange 26. 11. Lautenschlager * 30. 11. Lemmrich 26. 11. Lenz (Brühl) * 30. 11. Dr. Löhr * 30. 11. Lücker (München) * 30. 11. Mauk * 30. 11. Memmel * 30. 11. Metzger * 30. 11. Müller (Aachen-Land) * 30. 11. Müller (Worms) 29. 11. Richarts * 30. 11. Riedel (Frankfurt) * 30. 11. Dr. Schmidt (Offenbach) 26. 11. Dr. Serres 26. 11. Springorum * 30. 11. Dr. Süsterhenn 29. 11. Dr. Starke (Franken) * 30. 11. Steinhoff 31. 12. Frau Wessel 31. 12. Frau Dr. Wex 30. 11. Wienand 31. 12. Wischnewski 30. 11. Dr. Zimmermann 29. 11. Zink 30. 11. b) Urlaubsanträge Adorno 3. 12. Hamacher 31. 12. Dr. Heck 9. 12. Kunze 31. 12. Frau Dr. Maxsein 15. 12. Storm 31.12. * Für die Teilnahme an einer Tagung des Europäischen Parlaments
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    Rede von Dr. Karl Schiller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den schwierigen und langwierigen Verhandlungen, die die Bundesregierung in den letzten Wochen mit der Bundesbank und dem Sachverständigenrat hatte und die schließlich in die Konferenz der Zehn einmündeten, sagte ein Mitglied des Sachverständigenrates — ich zitiere aus dem Gedächtnis —, das heutige Weltwährungssystem mit seinen festen Wechselkursen und unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der einzelnen Regierungen verführe die Politiker mit Sicherheit zur Heuchelei und Unwahrheit. Der Sachverständige meinte damit folgendes: Wenn jedes Land in seiner Wirtschafts- und Finanzpolitik ganz unterschiedliche Ziele verfolgt — die einen lassen z. B. eine fünfprozentige Preissteigerung pro Jahr zu und fühlen sich dabei ganz wohl, während andere Preisstabilität anstreben und halten wollen; einige streben die Vollbeschäftigung in ihrem Lande an, während andere ihren Zahlungsbilanzausgleich mit Arbeitslosigkeit herbeiführen; drittens erreichen einige ein reales Wachstum ihres Volkseinkommens von 6 %, während andere seit Jahren nahe der Null-Linie operieren —, dann führt ein solches Auseinanderklaffen der wirtschaftspolitischen Ziele der verschiedenen Länder, so sagte er, zu periodischen Spannungen. Dann gäbe es hin und wieder hektische Spekulationen. Dann gäbe es hin und wieder auch abrupte und exzessive Anpassungen der Paritäten und schließlich sogar die Gefahr von Explosionen im Währungssystem. Er fuhr fort: Im allgemeinen wollen die Menschen diese Gefahren nicht sehen, sie wollen das Problem umgehen und die Notwendigkeit der außenwirtschaftlichen Absicherung der Stabilität eines Landes gegenüber anderen nicht anerkennen. Die Folgen seien dann erst einmal Dementis oder schließlich die Zuflucht zu dirigistischen Maßnahmen, die gegen den Markt wirkten. Das Ganze sei dann ein trauriges Kapitel aus dem Buch über den Kampf gegen die Realitäten des Marktes, der übrigens von der Politik regelmäßig verloren wird, wie Jürgen Eick es vor wenigen Tagen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dargestellt hat.
    Meine Damen und Herren, demgegenüber haben wir in der Bundesrepublik uns durch § 4 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes gerade bei der außenwirtschaftlichen Absicherung zur Wahrheit und zum Handeln ohne Heuchelei verpflichtet. Nach diesem § 4 sind zuerst alle Möglichkeiten der internationalen Koordination auszuschöpfen. Das ist, weiß Gott, vorige Woche anläßlich der Tagung der Gruppe der Zehn hier in Bonn — und schon vorher von der Bundesregierung in vielen internationalen Konferenzen — geschehen.
    Der § 4 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes sagt weiter in Satz 2: Die Bundesregierung setzt dann die ihr zur Wahrung des außenwirtschaftlichen Gleichgewichts zur Verfügung stehenden wirtschaftspolitischen Mittel ein. Im Sinne dieses Paragraphen und dieses Gebotes zur Wahrheit und zum Handeln haben wir in der Bundesregierung schon vor Wochen angefangen, Vorbereitungen zu treffen, um unsere Preisstabilität gegen die Gefährdung von außen abzuschirmen. Daß solche Gefahren von außen drohen, können wir jeden Tag an der internationalen Statistik ablesen. In Frankreich, in den USA und in England steigen in diesem Jahr die Preise um durchschnittlich 5 %, wenn nicht um mehr. Wir verzeichnen in den ersten zehn Monaten dieses Jahres gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg unserer Lebenshaltungskosten von 1,2 %.
    Dabei ist erst einmal eines festzustellen: in dieser Situation — und seit heute noch viel weniger — bedarf es keiner binnenwirtschaftlichen Restriktionen. Das wäre ein untaugliches Mittel zum falschen Zeitpunkt am falschen Objekt. Eine binnenwirtschaftliche Bremsaktion wäre völlig verfehlt, denn es besteht keine inländische Übernachfrage.
    Überhitzungserscheinungen kommen aus dieser Wirtschaft der Bundesrepublik nicht. Zu diesem Ergebnis kam auch der Konjunkturrat für die öffentliche Hand, der in der letzten Woche tagte. Eine binnenwirtschaftliche Bremsaktion hätte uns nur ins Schleudern und auf die falsche Bahn gebracht. Unsere Unternehmer wären noch mehr auf die Auslandsmärkte abgedrängt worden. Dabei muß es doch gerade umgekehrt unser Ziel sein, einen Teil des für das Ausland produzierten Güterangebots auf den heimischen Markt umzulenken.
    Die Preisstabilität in diesem Lande ist nicht durch unsere beiden Konjunkturprogramme des vorigen Jahres und den nachfolgenden Aufschwung und insbesondere auch nicht durch die Tarifpolitik der deutschen Gewerkschaften bedroht. Diese Tarifpolitik der deutschen Gewerkschaften ist maßvoll. Die Überschußposition unseres Landes ist in erster Linie eine Folge der inflatorischen Bewegungen in anderen Ländern.
    Aber wir sollten auch nicht vergessen, daß wir früher einmal zum Entstehen auch von internationalen Ungleichgewichten beigetragen haben. Denn der Kern unserer Überschußposition wurde im Jahre



    Bundesminister Schiller
    1966/67 geschaffen, in der Zeit, in der es uns noch nicht gelungen war, die eigene Rezession abzustoppen und damit die Unternehmer davor zu bewahren, zu sehr auf die Auslandsmärkte abgedrängt zu werden. Es besteht also auch von dieser Seite her gar kein Anlaß, daß wir uns aufs hohe Roß setzen.
    Aus guten und wohlüberlegten Gründen haben wir in der Bundesregierung die umsatzsteuerlichen Maßnahmen und nicht die Aufwertung der D-Mark als Mittel der außenwirtschaftlichen Absicherung gewählt. Erstens: Eine isolierte und, wie von manchen Ländern verlangt, massive Aufwertung der D-Mark hätte die deutsche Wirtschaft insgesamt viel schwerer getroffen. Zweitens: Sie wäre eine praktisch unwiderrufliche Maßnahme gewesen. Es wäre der falsche Weg gewesen. In einer Zeit, in der die vor uns liegende weltwirtschaftliche Entwicklung voller Unsicherheiten steckt, in der niemand voraussehen kann, wie die Wirtschaftspolitik der neuen amerikanischen Administration sein wird, wie die Entwicklung in Großbritannien weitergeht und wie schnell und mit welchen Methoden Frankreich die Folgen der Mai/Juni-Krise überwindet, wäre eine endgültige einseitige Maßnahme auf unserer Seite ein Fehler gewesen. Die Bundesregierung handelt nicht wie ein Bergsteiger, der sich bei unsicherem Wetter anschickt, eine gefährliche Steilwand ohne Rückweg zu durchklettern.
    Ich will ruhig hinzufügen, daß der von uns gewählte steuerpolitische Weg vom Standpunkt der reinen Lehre der Ordnungspolitik Freiburger Observanz vielleicht nicht so schön ist wie die allgemeine Anpassung der Währungsparitäten. Aber unser Vorschlag ist auf jeden Fall befristet, er vermeidet abrupte Übergänge und er läßt uns den Rückweg offen.
    Meine Damen und Herren, man stelle sich nur vor, wir wären zu der Lösung gedrängt worden, wie einige Länder es verlangt haben, nämlich zu einer isolierten, einseitigen Aufwertung der D-Mark von 71/2 %, und wir hätten anschließend festgestellt, daß andere Länder bei Null geblieben wären und dazu noch handelspolitische und andere Schutzmaßnahmen ergriffen hätten. Dann wäre die Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf Dauer zementiert. Das wollen wir vermeiden.
    In diese Überlegungen der Bundesregierung hinein kam der Wunsch von drei Ländern, die Gruppe der Zehn nach Bonn einzuberufen. Die Spekulation, insbesondere gegen den Franc und auf die D-Mark war über die Ufer getreten. Bei den Staatsmännern, die uns aufforderten, hatte sich die Furcht verbreitet, daß durch eine isolierte und massive Abwertung einer bestimmten Währung eine unkontrollierte Kettenreaktion ausgelöst würde, d. h. eine ganze Serie von Abwertungen anderer Länder. Daran konnte niemand, auch niemand in Deutschland, irgendein Interesse haben. Aufgabe jener Konferenz und der Wunsch jener Politiker, der mir als dem Vorsitzenden vorgelegt wurde, war es also, einen solchen unkontrollierten Prozeß zu verhindern oder den Prozeß der Währungsmisere anderer Länder, der sich ausbreiten würde, zumindest unter Kontrolle zu bringen. Meine Damen und Herren, das ist mit der Zehner-Konferenz gelungen.
    Aber wir sollten uns umgekehrt — und der Herr Bundeskanzler hat das soeben angedeutet — auch über unsere eigene Position keine Illusion machen. Zu Beginn der Zehner-Konferenz forderten sieben Länder — wenn ich das Gastland Schweiz hinzuzähle, sind es elf — von elf also sieben eine einseitige Aufwertung der D-Mark, wobei ich in diesem Falle — weil ich die Schweiz erwähnt habe — hinzufügen darf, daß sie zu den Ländern gehört hat, die die Parität der D-Mark verteidigt hat und unsere Maßnahmen, die wir dort vorschlagen konnten, unterstützt hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir waren also nur vier. Aber, was ich mit besonderer Freude auch noch feststelle: die Brüsseler Kommission plädierte für eine unveränderte D-MarkParität. Brüssel hat uns hier in Bonn durch die Sprecher der Kommission, durch den Vizepräsidenten und durch den anwesenden Kommissar entscheidend geholfen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Unser eigener klarer, harter Widerstand gegen die Aufforderung von anderen war nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch begründet:
    Erstens: Bei aller Hochachtung vor der Stärke der deutschen Volkswirtschaft und der deutschen Währung, einer Hochachtung, die sich ja nun auch im Ausland ausbreitet, erscheint es mir völlig unmöglich, ja eine ganz und gar illusorische Erwartung, allein durch eine Aufwertung der D-Mark 'die Zahlungsbilanzmiseren aller anderen Länder sozusagen von einem Punkte her zu kurieren.
    Zweitens: Es erscheint uns politisch unzumutbar, daß wir die unbestreitbaren Fehler anderer im eigenen Hause allein durch eine isolierte D-Mark-Aufwertung stellvertretend für Maßnahmen für andere sozusagen an uns selbst korrigieren.
    Drittens: Durch eine Aufwertung — ich nehme etwa die Zahl, die so oft genannt wurde, von 71/2 % — der D-Mark hätten wir unseren Handelsbilanzüberschuß in einem Jahr um fast 10 Milliarden DM reduziert. Wir hätten dann unsere internationalen Verpflichtungen, wie Entwicklungshilfe, Wiedergutmachung, Devisenausgleich, Zahlungen an internationale Organisationen, nicht mehr erfüllen können. Rechnen wir noch die notwendigen Abdekkungen unseres Fehlbetrages bei Dienstleistungen hinzu, so stehen den Überschüssen in der Zahlungsbilanz rund 8 Milliarden DM Verpflichtungen jetzt laufend gegenüber.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

    Viertens: Durch eine solche Maßnahme, wie sie zur Debatte stand — freundschaftlich, offen und hart —, hätten wir also nicht etwa Stabilität in andere Länder hinein exportiert, — meine Damen und Herren, durch eine solche massive einseitige Maßnahme hätten wir unser eigenes Wirtschaftswachsturn amputiert und damit in unser Land, die Bundesrepublik, eine Rezession importiert.



    Bundesminister Schiller
    Das waren die Gründe für unser klares und deutliches politisches und ökonomisches Nein.
    Aber wir konnten nicht bei dem schieren Nein bleiben. Wir mußten im Sinne einer multilateralen Aktion, wie alle es mit Recht wünschten, einen Beitrag einbringen, und wir waren dazu in der Lage; denn wir hatten in den Wochen vorher ein wenig unsere Schularbeiten — der Herr Bundeskanzler hat es angedeutet — gemacht.
    Wir konnten einbringen
    1. die zur Entscheidung hier in diesem Hause nun vorliegenden steuerlichen Maßnahmen der Einfuhrverbilligung um 4 % und der Exportbelastung um denselben Satz.
    2. die Beteiligung der Bundesbank — und damit der Bundesrepublik, natürlich in „Bürgschaft", nicht im Finanziellen auszahlen — mit 600 Millionen Dollar an dem Stützungskredit von insgesamt 2 Milliarden Dollar zugunsten Frankreichs, hier in Bonn beschlossen;
    3. die Verordnung zu § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes — sie ist am Montag früh in Kraft getreten —, mit der das Einfließen spekulativer Gelder aus dem Ausland abgewehrt wird;
    4. den am letzten Donnerstag in voller Übereinstimmung mit unserem Kampf hier in Bonn erfolgten Beschluß des Zentralbankrates, die Mindestreserven für ausländische Einlagen bei deutschen Geschäftsbanken auf 100 % zu erhöhen.
    Das war das deutsche Paket mit seinen vier Elementen.
    Nun zur Konferenz selbst. Die positiven Wirkungen der Konferenz und des Kommuniqués darüber, in dem der deutsche Beitrag mit den Beiträgen anderer ein wesentlicher Bestandteil ist, sind schon heute feststellbar. Die Spekulation hat einen schweren Schlag erhalten. Die Spekulanten haben sich an dem heißen Geld, das sie auf den internationalen Märkten hin und her geschoben haben, selber die Finger verbrannt. Wir haben allein im November dieses Jahres 8 Milliarden DM an Zuflüssen solchen heißen Geldes registrieren müssen. Alle diese Spekulanten, die jene Gelder hier hineingebracht haben, haben mindestens auf eine 5 %ige Aufwertung der D-Mark spekuliert. Das sind 400 Millionen DM entgangene Gewinne und 100 Millionen DM Zinsverluste.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Die Spekulation auf die Aufwertung der D-Mark um mindestens 5 % zu diesem letzten Montag hat eine halbe Milliarde DM verspielt. Ich kann nur sagen: Strafe muß sein.

    (Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.)

    Ein Zweites. Die Spekulation hat den Rückzug angetreten. Seit Montag früh — also in diesen zwei Tagen — sind unter dem Eindruck der Bonner Beschlüsse in der Zehnergruppe, im Kreise der Sechs und im Kreis der Bundesregierung wieder 510
    Millionen Dollar, d. h. über 2 Milliarden DM an Spekulationsgeldern reumütig aus der Bundesrepublik abgeflossen. Auch das ist ein Erfolg.
    Diesen Erfolg müssen wir bewahren und ausbauen. Mit unserer klaren Haltung zur einseitigen Aufwertung und mit dem deutschen Paket mit seinen vier Elementen konnten wir schließlich unseren Standpunkt auf der Konferenz durchsetzen. In dem Kommuniqué heißt es wörtlich — der Herr Bundeskanzler selber hat schon darauf hingewiesen —:
    Nach eingehender Beratung der deutschen Maßnahmen stimmten die . Minister und Gouverneure überein, daß diese deutschen Maßnahmen einen bedeutenden Beitrag zur Stabilität des Währungssystems und zum Anpassungsprozeß darstellen.
    Das Kommuniqué fährt fort:
    Im Lichte dieser Maßnahmen der Bundesrepublik indossieren sie
    — d. h. unterstützen sie — alle
    — die Elf —
    den Beschluß der Bundesregierung, die Parität der D-Mark nicht zu verändern.
    Soweit dieser Punkt aus dem Kommuniqué.
    Ich glaube, wenn wir die Ausgangssituation, die Debatte zu Beginn der dreitätigen Konferenz — 7 : 4 — vergleichen mit dem Resultat am Ende dieser Konferenz, dann können wir sagen: wir sind gut davongekommen.
    Meine Damen und Herren! Es war nicht' das Ziel dieser Konferenz — ich möchte das ganz klar aussprechen —, andere Länder zur Abwertung zu drängen. Im Gegenteil, man wollte ja einen unkontrollierten Prozeß des Zusammenbruchs von Währungen verhindern. Ich stelle noch einmal fest: Insbesondere hat kein Land in der Gruppe der Zehn eine Abwertung des französischen Franc gefordert. Eine massive Abwertung des Franc hätte im übrigen nicht nur Frankreich belastet. Am Ende der Konferenz verließ uns unser französischer Kollege mit der Darstellung, seine Regierung — die Frage der Parität sei eine nationale Entscheidung — könne entscheiden in dem Spielraum zwischen null und elf, es könne auch eine dazwischen liegende schwächere Lösung geben. Es stand also am Ende der Konferenz auch die Nichtabwertung des Franc durchaus im Raum.
    Frankreich und auch Großbritannien haben die deutsche Offerte und die Offerte der anderen Länder, was die Kredite betrifft, durch eigene Maßnahmen ergänzt. Wir müssen nur hoffen, daß diese beiden Länder mit ihren internen Schritten zum Gleichgewicht zurückfinden. Meine Damen und Herren, wir sollten uns heute in dieser Lage nicht zum Zensor der Welt in ökonomischen Angelegenheiten aufspielen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




    Bundesminister Schiller
    Trotzdem darf ich eine Sorge äußern. Es bleibt bei diesen ergänzenden Maßnahmen in Frankreich und in Großbritannien die Sorge bei uns bestehen, daß wir vielleicht in jenen beiden Ländern in eine Welt des Dirigismus und des _Protektionismus abgleiten. Diese Sorge muß ich pflichtgemäß äußern.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Wir werden uns gegen eine Ausbreitung solcher Dirigismen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln wehren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Um nirgendwo ein Mißverständnis aufkommen zu lassen, sage ich:
    Erstens: Unsere steuerlichen Maßnahmen, die hier durch die Initiativanträge der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD auf dem Tisch des Hauses liegen, können nicht als ein Beispiel, als eine Entschuldigung oder als eine Rechtfertigung für protektionistische und dirigistische Maßnahmen bei anderen Ländern dienen. Unsere Schritte sind ja Schritte in umgekehrter Richtung; denn wir fördern die Einfuhr nach Deutschland. Wir sind also mit unseren Maßnahmen nicht auf dem protektionistischen Wege, und wir sorgen dafür, daß das Angebot an potentiellen Exportgütern deutscher Produktion auf dem Binnenmarkt vergrößert wird. Wir können sagen: Wenn der Deutsche Bundestag in der dritten Lesung dieses Gesetz annimmt, verbilligt er für den deutschen Verbraucher die Importe und lenkt Exporte auf den deutschen Binnenmarkt, d. h. der deutsche Gesetzgeber sorgt für eine Anreicherung des Güterangebots und für eine erhöhte Preisstabilität hier auf dem Binnenmarkt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Zum zweiten: Wie Sie wissen, ist im Gesetzentwurf eine Ermächtigung der Bundesregierung eingebaut, die Sätze der Belastung für die Ausfuhr und für die Erleichterung der Einfuhr für den Fall zu reduzieren, daß in anderen Ländern drastische oder exzessive Maßnahmen etwa protektionistischer Art ergriffen werden. Das bedeutet sehr viel. Es bedeutet zum ersten, wenn Sie uns diese Ermächtigung geben, die Sätze der Exportbelastung zu reduzieren und ebenfalls die der Einfuhrverbilligung zu reduzieren, daß Deutschland gleichsam einen Hebel zur Liberalisierung des Welthandels in der Hand hat. Zweitens gewinnen wir mit dieser steuerlichen Maßnahme Zeit, um weitere echte Fortschritte in der schrittweisen Reform unseres Weltwährungssystems zu erarbeiten. Ich bin fest davon überzeugt: wenn der Pulverdampf der Krisen sich verzogen hat, wird die Konstellation des Jahres 1969 oder 1970 für eine allgemeinere Form und Weiterentwicklung unseres Weltwährungssystems günstiger sein. Z. B. stehen dann die neuen Sonderziehungsrechte im Internationalen Währungsfonds zur Aktivierung zur Verfügung. Das Ratifikationsgesetz liegt dem Hohen Hause vor. Wenn es dann um die Mobilisierung der Sonderziehungsrechte geht — und das wird möglicherweise im Laufe des Jahres 1969 der Fall sein; ich glaube, das ist auch eine Bemerkung, die außenpolitisch angebracht ist —, wird sich entscheiden, welches Land dann wirklich mit wem kooperiert. Wir haben an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika und an der Seite der überwältigenden Mehrheit der Gruppe der Zehn die Sonderziehungsrechte auf den internationalen Währungskonferenzen 1967/68 durchgebracht. Die zufällige Konstellation, die in den ersten anderthalb Tagen auf der Bonner Konferenz vorherrschte, von Ländern, die zu dritt oder zu viert oder zu sieben auf eine isolierte Aufwertung der D-Mark hingewirkt haben, löst sich unter jenem Aspekt der Sonderziehungsrechte wohl auf, denn die Sonderziehungsrechte sind für das Hauptwährungsland, die USA, das Thema Nr. 1 der Währungspolitik im Jahre 1969/70. Hier ist dann eine Chance gegeben, gemeinsame Ziele zu formulieren und eine Allianz von Stabilität und Wachstum zu bilden, die alle einschließt. Wir glauben, daß unsere französischen Freunde auch ihrerseits dabei sind — schon aus ihrer Lage heraus —, ihre Position zu den Sonderziehungsrechten, die bisher negativ war, langsam zu korrigieren.
    Aber außer dem, was im großen multilateralen Kreise der Zehn fällig ist, kommt es vor allen Dingen auch auf Europa selbst an.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

    Trotz allen Schlägen, die wir in Europa in diesem Jahr erlitten haben, muß das Jahr 1969 auch währungspolitisch ein Jahr der verstärkten Kooperation innerhalb der Gemeinschaft der Sechs sein.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir können uns große Operationen etwa mit Bandbreitenerweiterung und ähnlichen Dingen innerhalb der Gemeinschaft der Sechs schon gar nicht mehr leisten, weil wir durch die branchenmäßige Integration auf lebenswichtigen Sektoren so aneinander gebunden sind, daß die Integration auf dem Gebiete der Währung eigentlich überfällig ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Überfällig!)

    Aber in diesem Augenblick, heute und hier, können wir nicht auf internationale Reformen in großem Kreise oder auf Reformen im Rahmen der Sechs von morgen oder übermorgen warten. Wir müssen hier und heute, in diesen Tagen handeln.
    Gar nichts zu tun, das wäre noch eine Variante. Aber, nein zu sagen auf das Ansinnen der anderen und gar nichts zu tun, das hätte bedeutet, daß wir die Schicksalssymphonie der vollen Anpassungsinflation intoniert hätten. Wenn wir jetzt nicht die Initiative zur außenwirtschaftlichen Absicherung ergriffen hätten, dann hätte der Druck — und das wäre die andere Möglichkeit gewesen — zur Steigerung unserer Preise im Inland durch das Überschwappen der Preissteigerungen von außen auf unser Land zugenommen, und dann hätte eben die Anpassungsinflation ihren Lauf nehmen können.
    Ich darf hinzufügen: Es gibt manchmal auch solche Töne in unserem Lande. Unsere nationale Symphonie ist ja in diesen Tagen sehr polyphon geworden.

    (Heiterkeit.)




    Bundesminister Schiller
    Dabei kann ich, was diese Töne betrifft, nur folgendes antworten. Man kann in dieser Welt nicht alles zugleich haben, etwa — auf deutscher Seite in gewissen Branchen — straffe Einfuhrkontingente für bedrängte Industrien, Ausnahmeregelungen in Hülle und Fülle bei noch notwendigen Einfuhrliberalisierungen, gleich hohe und sogar weiter wachsende Exportüberschüsse der deutschen Wirtschaft und dann noch gleichzeitig Preisstabilität in diesem Lande und womöglich noch ganz niedrige Lohnkosten. Meine Damen und Herren, ein solches Wunder kann in Deutschland nicht stattfinden, ein solches Wunder gibt es nicht.

    (Heiterkeit.)

    Wir mußten die Initiative ergreifen, und zwar im doppelten eigenen Interesse:
    1. Es gilt, wie ich sagte, unsere Stabilitätspolitik nach außen abzuschirmen.
    2. Wir als das derzeitige Überschußland in der Welt hatten am allerwenigsten ein Interesse, Zerfallsprozesse in der ganzen Welt stattfinden zu lassen. Wir mußten also einen Beitrag leisten.
    Deshalb ist es barer Unsinn, wenn draußen irgendwo in unserem Lande gesagt wurde, unsere Beiträge, die in diesen Tagen geleistet worden sind bzw. die in diesem Hause zur Verhandlung anstehen, seien als eine deutsche Vorleistung zu betrachten. Meine Damen und Herren, das ist keine deutsche Vorleistung, sondern das ist ein Angebot auch in unserem eigenen Interesse. Wir mußten und müssen aus eigener Vernunft handeln.
    Ich zitiere für viele andere deutsche Wirtschafts-und Handelsjournalisten, die uns in diesen Tagen mit ihrer Kritik und mit ihrem Rat unterstützt haben, Walter Slotosch, der in der Süddeutschen Zeitung von gestern schrieb: „Emotionale und Trotzreaktionen sind in Währungsfragen ein schlechter Berater."

    (Beifall bei der SPD.)

    Die Konsequenzen in dieser kühlen Betrachtung ohne Trotzreaktionen und ohne Emotionen sind nach meiner Ansicht folgende. Ich plädiere im Namen der Bundesregierung dringend dafür: dieses Gesetz muß ohne ins Gewicht fallende Abstriche verabschiedet werden.

    (Zustimmung bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU.)

    Das sind wir der Glaubwürdigkeit unserer Politik nach innen — im Sinne der Preisstabilität — und nach außen einfach schuldig. Unser Angebot an die deutsche Wirtschaft mit diesem Gesetzentwurf ist klar: Ruhe an der Währungsfront durch ein eindeutiges, nicht durchlöchertes Gesetz zur außenwirtschaftlichen Absicherung, kombiniert mit einer weiteren Stärkung der Binnennachfrage. Und weiter —darüber wird mein Kollege Strauß sehr viel sachverständiger reden können — werden hoffentlich auch Mittel aus dieser steuerpolitischen Operation zur Verfügung stehen, um binnenwirtschaftliche Übergangshilfen für besonders betroffene Wirtschaftszweige zu leisten. Aber ein durchlöchertes Gesetz würde neue Unruhe für das internationale
    Währungssystem mit allen bekannten Folgerungen nach sich ziehen.
    Meine Damen und Herren, wir haben die spekulativen Wesen vom Hühnerhof verscheucht,

    (Heiterkeit)

    aber wir müssen ihnen auch den Futtertrog auf Dauer entziehen. Sollten hier bei der Gesetzgebung Zweifel über die Durchschlagskraft dieses Gesetzes durch Durchlöcherung aufkommen, dann würden wir eines Tages wieder von jenen Wesen besucht werden, dann würden wir eines Tages erneut mit Liquidität überschwemmt. Und manch einer in diesem Hause ist sich vielleicht noch nicht darüber im klaren — deshalb spreche ich es aus —,

    (Abg. Dr. Barzel: Immer noch nicht?)

    daß uns dann, in einem solchen Falle, von noch viel mehr Ländern die große und schwere Lösung, nämlich die einseitige Aufwertung der D-Mark, zugemutet werden würde. Das steht zur Wahl, meine Damen und Herren. Aber wir sollten diese Alternative ausschließen, und zwar aus den vorhin genannten Gründen.
    Die außenwirtschaftliche Absicherung — auch mit diesen steuerlichen Mitteln — ist natürlich für die deutsche Wirtschaft eine schwere Last. Dabei sieht sich diese Last, je nach der Position des Betrachters, verschieden an. Für die Befürworter einer Aufwertung der D-Mark, für die Befürworter gar einer isolierten Aufwertung der D-Mark ist diese steuerliche Maßnahme nur die zweitbeste Lösung. Für die Gegner einer solchen isolierten D-Mark-Aufwertung ist diese Maßnahme immer noch das geringere Ubel. Ich glaube, ich spreche die Gefühle von fast allen von uns aus, wenn ich sage: Es ist das geringere Übel.
    Es ist für uns alle ein ermutigendes Zeichen, daß dieses Urteil — „sicherlich eine Last, aber das geringere Übel" — fast wörtlich sowohl von dem Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Industrie wie von dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes abgegeben wurde. Wir sollten danken für dieses ausgewogene Urteil.

    (Beifall.)

    Das ist ein ermutigendes Zeichen der Solidarität, zumal da sonst aus dem Kreis von Einzelverbänden so oft andere Äußerungen zu hören sind.
    Meine Damen und Herren, auf jeden Fall sind wir auch in der Richtung, die wir mit dieser zeitlich befristeten und reversiblen Maßnahme einschlagen, auf dem richtigen Weg. Das wurde uns auch in vielen Gesprächen mit der Deutschen Bundesbank bestätigt. Ich sehe dabei von der Wahl der Instrumente ganz ab. Ich kann Ihnen sagen, daß uns ein Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank zugesichert hat, bei rechtzeitigen und ausreichenden Maßnahmen der außenwirtschaftlichen Absicherung und entsprechenden binnenwirtschaftlichen Maßnahmen sei es durchaus möglich, im Jahre 1969 eine vernünftige, positive, adäquate Lohnbewegung



    Bundesminister Schiller
    im Schutz der außenwirtschaftlichen Absicherung zu erreichen.

    (Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Anpassungsprozeß!)

    — Nein, das war gerade nicht gemeint.
    Wir werden unseren Aufschwung hinter dem Schutz dieser Maßnahmen stetig fortsetzen, wenn sie gesetzgeberisch ermöglicht werden.
    Ich halte es dabei allerdings für völlig unangebracht, daß wir mit diesem unserem Beitrag und mit unseren Anstrengungen etwa mit der Mentalität eines reichen Onkels in der Welt auftreten. Es ziemt uns nicht, den ökonomischen Lehrmeister der Welt zu spielen. Sicherlich können wir den Schwierigkeiten mancher Länder im Bewußtsein der eigenen Stärke gegenüberstehen. Aber das allein genügt eben nicht. Wir können auch nicht einfach Moral nach draußen predigen. Wir müssen anderen und damit zugleich uns helfen.
    Meine Damen und Herren, Sie müssen sich über die Alternativen klarwerden. Volle Anpassungsinflation wäre ein eklatanter Verstoß gegen den § 4 des Stabilitätsgesetzes. Eine isolierte und von manchen Ländern massiv gewünschte D-Mark-Aufwertung würde leicht das Abwürgen unseres Aufschwungs bedeuten. So schlagen wir heute etwas vor, was gegenüber den beiden anderen Dingen, die zur Wahl stehen, als Weg des Maßes und der Mitte gesehen werden muß. Anderes gibt es nicht im internationalen Sortiment für uns. Das ist die unserer Situation angemessene Haltung.
    Die Sitzung des Zehnerklubs endete mit einer multilateralen Aktion, um anderen Ländern, besonders einem Land, in den dortigen Wirren zu helfen. Wir haben durch unsere Teilnahme damit Schlimmeres verhindert, was auch bei dritten, vierten, fünften Ländern außerhalb der Bundesrepublik hätte eintreten können.
    Ich bitte das Hohe Hans um seine volle Unterstützung für unsere Maßnahmen. Ich kenne die Schwierigkeiten, die kommen. Trotzdem sollten wir allesamt dieses ganz klare Konzept in dieser Woche konsequent durchhalten.
    Ich möchte abschließen, indem ich ein paar Sätze aus „Hermann und Dorothea" zitiere:

    (Heiterkeit)

    Denn der Mensch, der zur schwankenden Zeit auch schwankend gesinnt ist,
    Der vermehret das Übel und breitet es weiter und weiter;
    Aber wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich.
    Nicht dem Deutschen geziemt es, — so steht es dart! —
    die fürchterliche Bewegung
    Fortzuleiten und auch zu wanken hierhin und dorthin.
    Soweit „Hermann und Dorothea" von einem bekannten deutschen Poeten.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Erwin Schoettle
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es spricht für die Objektivität und für das von Rivalitätsvorstellungen freie Denken des Herrn Bundeswirtschaftsministers Schiller, daß er nicht ein eigenes Zitat, sondern Goethe am Ende seiner Ausführungen strapaziert hat.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte auch gleich sagen, daß die deutsche Exportwirtschaft keinen Grund hat, bei der Analyse dieses Gesetzes etwa an Schillers „Räuber" zu denken.

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmidt [Wuppertal] : Nach den Telegrammen, die wir bekommen, ist das aber offenbar der Fall!)

    Denn hier ist ohne Zweifel durch die Entscheidung der Bundesregierung, die der Herr Bundeswirtschaftsminister maßgebend beeinflußt hat, Schlimmeres erspart geblieben. Sonst wäre sie vielleicht wirklich unter die Räuber gefallen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte nichts von dem wiederholen, was der Herr Bundeskanzler und was der Herr Bundeswirtschaftsminister über das Thema „Vorgeschichte, Hintergründe, Ergebnisse der Aufwertungsdiskussion" zu dieser Aussprache bereits beigetragen haben. Ich möchte aber sehr nachdrücklich die Auffassung der Bundesregierung unterstreichen, daß sie durch ihr Nein zur Aufwertung und ihr notwendiges Ja zu einer uns auch nicht gerade sehr erfreulichen steuerpolitischen Maßnahme keine endgültige Entscheidung über eine Frage treffen wollte, die in dieser Form jetzt nicht endgültig entschieden werden kann. Damit möchte ich nicht sagen, daß sie demnächst etwa anders entschieden werden könnte, sondern damit möchte ich betonen, daß die Frage der Währungsordnung in absehbarer Zeit — was nicht wenige Wochen oder Monate heißt, sondern was immer einen Zeitraum von einigen Jahren umfaßt — noch einmal gründlich durchdacht und überprüft werden muß. Die Notwendigkeit dieser Überprüfung kann nicht durch regelmäßige, in kürzeren Abständen wiederkehrende Manipulationen an den Paritäten einzelner Währungen umgangen werden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Diskussion über das Thema der Aufwertung ist im Ausland wie im Inland seit geraumer Zeit mit Höhepunkten und wieder nachlassender Kraft nicht zuletzt auch von der ausländischen Wirtschaftspresse geführt worden. Ich habe bei der steuerpoli-



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    tischen Diskussion in diesem Hohen Hause erst vor kurzer Zeit ausgeführt, warum die Bundesregierung unter Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Argumente zu der Auffassung gekommen ist, daß sie sich aus heutiger Sicht für eine vorausschaubare Zukunft nicht zu einer Aufwertung der D-Mark entschließen kann.
    Ich möchte noch etwas hinzufügen. Wenn man diese Erklärung — die nicht wegen der Person des Sprechers, sondern wegen des Gewichtes der dahinterstehenden politischen Institutionen hätte ernst genommen werden sollen — nicht systematisch ignoriert hätte, wäre der Spekulation schon früher der Boden entzogen worden. Ich habe den sogar durch gewisse Indizien und sonstige Umstände beweisbaren Eindruck, daß es gewisse Interessenten gab, die versucht haben, die Diskussion um die Aufwertung immer wieder und wider alle Erklärungen der Bundesregierung am Leben zu erhalten, in der Annahme, daß zum Schluß doch das eintreten müsse, was nach ihrer Ansicht wunschgemäß eintreten sollte. Man hat geglaubt, man brauche nur lange genug über Aufwertung der D-Mark zu reden, eine dauernde Welle der Spekulation und der Gerüchte zu erzeugen, dann werde sich die Bundesregierung so verhalten, wie man es von ihr erwartet und wie man es von ihr in einem weltweiten Geraune immer wieder behauptet hat.
    Wir sind nicht — wie der Kollege Schiller ausgeführt hat —, die währungs-, wirtschafts- oder finanzpolitischen praeceptores mundi. Aber eine Frage dürfen wir doch stellen, nämlich: haben wir mit unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik das Weltwährungsgefüge in Unordnung gebracht? Auf diese Frage möchte ich ohne jeden furor teutonicus sagen: nein, wir haben das Weltwährungsgefüge nicht in Unordnung gebracht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es gab einen aktuellen Anlaß: das waren die besorgniserregenden Vorgänge mit dem französischen Franc oder, wenn ich an gewisse veröffentlichte Bilder denke, das widerliche Gelaufe mit Koffern voller ausländischer Währung zu deutschen Bankschaltern, um den Gewinn einer erwarteten deutschen Aufwertung einheimsen zu können. Hierzu ja zu sagen, hätte nur bedeutet, den arbeitslosen Gewinn derer, die Zeit haben, durch Unterlassung von Arbeit über Spekulationsmöglichkeiten nachzudenken, noch von Staats wegen zu unterstützen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Natürlich gibt es einerseits die Spätwirkungen der französischen Mai- und Juniunruhen, die uns seinerzeit mit größter Sorge erfüllt haben und deren Auswirkungen uns auch heute noch mit großer Sorge und mit der Bereitschaft erfüllen, von uns aus helfend zur Verfügung zu stehen, wo immer man uns wünscht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das heißt aber nicht, daß man uns mit Aufwertungsvorstellungen unter Druck setzen kann.
    Natürlich gibt es die permanente und latente Problematik der englischen und amerikanischen Währung. Diese Problematik hat aber ganz verschiedene Hintergründe.
    Wir haben in dieser Periode der Diskussion um Währungsprobleme bewiesen — ich sage das ohne jede törichte Angeberei oder bramarbasierende Betonung —, daß wir unsere augenblickliche wirtschaftliche Position nicht dazu mißbrauchen wollen, uns unangemessene Vorteile zu verschaffen, sondern daß wir seit Jahren auch als Kreditgeber unsere Bereitschaft bewiesen haben, zur Ordnung der Währung in anderen Ländern beitragen zu wollen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und zwar haben wir das konkret und aktiv bewiesen, nicht nur durch theoretische Ratschläge und schöne Sprüche.
    Ich glaube, hier auch eines sagen zu dürfen, was ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe. Man kann nicht die deutsche Währung und die für ihre Position verantwortlichen Persönlichkeiten der deutschen Wirtschafts-, Finanz- und damit auch Währungspolitik auf die Anklagebank setzen. Man kann nach der Aufwertung vom Jahre 1961 nicht erwarten, daß durch eine weitere und in wesentlich höheren Prozentsätzen geforderte Aufwertung im Jahre 1968 das grundsätzliche Problem gelöst wird.
    Was ist das grundsätzliche Problem? Man möge es — ich sage es ohne allzu große Selbstbetonung —dem deutschen Finanzminister erlauben, dieses grundsätzliche Problem mit einem Stichwort anzuschneiden. Das Problem ist, ob wir in der freien Welt den Kampf gegen eine epidemische Krankheit aufgegeben haben und vor ihr kapituliert haben oder ob wir bereit sind, diesen Kampf im Rahmen des Möglichen weiterzuführen, nämlich den Kampf gegen die Inflation.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Hierüber gibt es viel Literatur, und hier gibt es verschiedene Positionen. Aber im Grundsatz sind wir uns wohl alle einig. Wir wissen, daß Wachstum und Preisstabilität immer in einem gewissen Zielkonflikt zueinander stehen. Darum kann eine Wachstumsrate nur innerhalb gewisser Größenordnungen ohne Gefahr für die Preisstabilität angestrebt und verfolgt werden. Man kann nicht' dem Moloch Wachstum die Preisstabilität opfern. Genauso wenig kann man die Preisstabilität zum Fetisch erheben und damit das Wachstum ignorieren und alle mit dieser Haltung verbundenen Folgen für die eigene weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Kauf nehmen.
    Was wir in diesem Hohen Hause und in der Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Parlament versucht und auch weitgehend erreicht haben, war eine ausgemessene Dosierung der Wachstums- und der Stabilitätspolitik. Das war seit dem Jahre 1966 unsere Zielsetzung; wir haben, durch bittere Lehren der Vergangenheit gewitzigt, versucht, wieder Fuß zu fassen und neuen Tritt zu bekommen.
    Wir haben uns damals — vor zwei Jahren — mit zwei Problemen befassen müssen. Heute müssen wir



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    uns wieder mit zwei Problemen befassen, nur sind es erfreulicherweise andere als damals. Damals ging es erstens um das Problem der langfristigen Konsolidierung der Bundesfinanzen und zweitens um das Problem der raschen, kurzfristigen Wiederbelebung unserer Wirtschaft. Ich sage das nicht, um Vergangenheitsforschung zu betreiben, sondern aus einem wohlüberlegten Grunde, mit dem ich das Nein der Bundesregierung zu einer Aufwertung und das Ja zu steuerlichen Maßnahmen auch noch über das hinaus, was Herr Kollege Schiller gesagt hat, begründen will. Wir haben die Konsolidierung der Finanzen damals durch Maßnahmen herbeigeführt, die in diesem Hause schon öfter Gegenstand kontroverser Debatten waren. Wir haben sie erstens durch gewisse Steuererhöhungen herbeigeführt, Erhöhungen der Verbrauchsteuern für Mineralöl und Tabak, gewisse Erhöhungen der direkten Steuern, Kürzung der Kilometergeldpauschale, Verbot der Kumulierung bei gewissen Sparförderungsarten und im Jahre 1967 dann auch Einführung der Ergänzungsabgabe ab 1. 1. 1968. Ferner haben wir das Problem der Konsolidierung durch Korrekturen in unseren Ausgaben gelöst. Wir alle wissen — wir brauchen uns darüber nicht zu unterhalten —, wie schwierig in einem sozialen Rechtsstaat Korrekturen an einmal beschlossenen Ausgaben sind. Dieses Paket von Maßnahmen hat aber im großen und ganzen immerhin Erhebliches und Entscheidendes zur Konsolidierung beigetragen. Wir wußten aber, daß in dieser Situation Steuererhöhungen und Ausgabenkorrekturen für die kurzfristige Aufgabe der Konjunkturbelebung nicht förderlich waren. Darum die auch schon in der letzten Debatte genannten Maßnahmen: einmal Sonderabschreibungen, wesentlich höhere Entlastung der Altvorräte bei der Umstellung des Umsatzsteuersystems und zwei große Konjunkturprogramme, von denen manche heute schon sagen, sie seien zu hoch gewesen und ,sie würden sich noch zu lange auswirken, also, man habe des Guten zuviel getan. Das ist eine Ansicht, die ich nicht teilen kann, wie ich ausdrücklich sagen muß, weil wir jetzt auf dem Boden der wiedererworbenen Position vielleicht doch geneigt sind, allzu ungerecht über die damaligen Maßnahmen zu denken.
    Ich darf wohl auch im Namen der Bundesregierung sagen, daß die Regierung diesem Hohen Hause dafür dankbar ist, daß eine große Mehrheit dieses Hauses — in der Zielsetzung alle, wie immer, aber in den konkreten Maßnahmen eine große Mehrheit dieses Hauses — die Bemühungen der Bundesregierung um die Lösung der beiden Probleme unterstützt hat, und das mit Maßnahmen, die der einzelne aus diesem Hohen Hause draußen nicht immer als sehr populär an seine Zuhörer verkaufen mußte.
    Wenn wir nun heute wieder an Sie herantreten und von Ihnen die Billigung von Maßnahmen verlangen, oder erbitten, die die Bundesregierung nur entwerfen und vorschlagen kann, die die Bundesregierung aber nicht aus eigener Zuständigkeit durchführen kann, dann aus den Gründen, die Herr Kollege Schiller eingehend dargestellt hat.
    Wenn aber die Bundesregierung sich nicht zur Aufwertung entschlossen hat, dann — neben den schon dargestellten Argumenten und Motiven, die ich genauso hundertprozentig billige und vertreten habe — auch noch aus dem Grund, daß die vor wenigen Wochen von Ihnen gutgeheißene mehrjährige Finanzplanung des Bundes — und darunter der erste Haushalt dieser Finanzplanung, nämlich der Haushalt 1969, der sich in parlamentarischer Beratung befindet — zu einem erheblichen Teile als überholt, nicht mehr aussagefähig oder, etwas deutlicher ausgedrückt, als reif für den Papierkorb hätte bezeichnet werden müssen.
    Ich habe nach den Ausführungen — mehrmaligen Ausführungen — des Kollegen Schiller in dieser Zehnerkonferenz auch diesen Gesichtspunkt angeführt: wenn man eine wirtschaftliche Stagnation und Rezession, d. h. eine wirtschaftliche Krise in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit einer großen parlamentarischen Mehrheit zum Teil mit unpopulären Maßnahmen — Stichwort Steuererhöhungen, Ausgabenkürzung — bewältigt hat, dann wäre es demselben Parlament gegenüber unfair, eine Maßnahme durchzuführen, für die man formell jedenfalls keine parlamentarische Zustimmung braucht, nämlich eine deutsche Aufwertung in der Größenordnung von 5 plus x % vorzunehmen. Die Folgen dieser Aufwertung hätten dann wiederum nur gemeinsam mit diesem Parlament bewältigt werden können.
    Denn — damit komme ich zu dem zweiten Problempaar, vor dem wir heute stehen — heute haben wir einmal die Frage: wie können wir unsere Außenhandelsüberschüsse so abbauen, daß wieder ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht hergestellt ist, und zweitens, wie können wir verhindern, daß im Inneren unseres Landes Überhitzungserscheinungen der Konjunktur eintreten?
    Was wir nach dem Stabilitätsgesetz tun könnten, um Überhitzungserscheinungen, von denen da oder dort geredet wird, zu bekämpfen, das würde dem Abbau der Außenhandelsüberschüsse nicht dienlich sein, sondern das würde im Gegenteil den Abbau der Außenhandelsüberschüsse erschweren. Nach dem Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes steht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Verfügung: Stillegung konjunkturbedingter steuerlicher Mehreinnahmen — dafür haben wir uns positiv ausgesprochen--, also Bildung einer Konjunkturausgleichsrücklage, oder Verminderung der Kreditaufnahme oder vorzeitige Schuldenrückzahlung oder Straffung der Investitionen, was noch nicht beabsichtigt ist, und zwar weil jeder Abbau der Binnenkaufkraft ja nur den Druck auf die Exportmärkte wiederum von neuem verstärken würde im Sinne der Ausführungen, die Herr Kollege Schiller gemacht hat, und dann noch die Frage der Steuererhöhungen, die ja im Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes enthalten sind.
    Diese Maßnahmen können wir zur Dämpfung der Binnenkonjunktur nicht ergreifen, weil wir sonst die andere Krankheit nur verstärken würden, nämlich unsere Exportüberschüsse nicht abbauen, sondern im Gegenteil unsere Wirtschaft wegen nicht ausreichender Nachfrage aus dem Binnenmarkt auf die Nachfrage aus dem Ausland geradezu hinweisen



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    und auf sie zutreiben würden. Darum könnten alle fiskalischen Folgen einer Aufwertung — man mag über die Größenordnung verschiedener Meinung sein; es liegen darüber auch verschiedene Schätzungen vor; das hängt natürlich auch vom Prozentsatz einer Aufwertung ab — nicht durch Steuererhöhungen und nicht durch Ausgabenkürzungen, sondern nur durch eine Mehrverschuldung der Bundesrepublik ausgeglichen werden. Wenn nämlich der Zweck einer Aufwertung ist, Exportüberschüsse abzubauen und damit das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz und eine bessere Parität der Währungen herzustellen, dann darf der Abbau der Exportüberschüsse nicht mit einer Verminderung der Binnenkaufkraft infolge von Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen verbunden werden.
    Hier, meine Damen und Herren, stand auch der Finanzminister als der für diese spezielle Frage im besonderen Zuständige vor einem fast unlösbaren Problem, daß nämlich je nach Größenordnung der von uns gewünschten Aufwertung die Nettokreditaufnahme des Bundes im Jahre 1969 und in noch weiteren Jahren um 3,5 bis unter Umständen 5 Milliarden DM hätte erhöht werden müssen. Warum? Einmal, weil als Folge der Aufwertung erhebliche steuerliche Einbußen naturgemäß zu befürchten sind, die wir auch, soweit die Einkommensteuer betroffen ist, in irgendeiner Form den Ländern ersetzen müssen, zweitens, weil 1 % Aufwertung einen Einnahmeausfall bei der Landwirtschaft von 250 Millionen DM bedeutet, also 250 mal 5 oder mal 7 oder 8 %, ferner, weil die Landwirtschaft nicht der alleinige Leidtragende wäre, weil es auch in der Kohle, im Schiffsbau und in anderen Bereichen die Notwendigkeit von Ausgleichsmaßnahmen gegeben hätte und weil darüber hinaus mit dem Abbau der Auslandsnachfrage eine Verstärkung der Inlandsnachfrage durch weitere konjunkturfördernde Maßnahmen erforderlich gewesen wäre. Die Summe dieser Maßnahmen, für die die Gelehrten verschiedene Größenordnungen nennen, hätte aber für die Bundesrepublik als Minimum 3 oder 3,5 Milliarden DM und als Maximum 5 Milliarden DM betragen, bei höheren Aufwertungssätzen, wie sie da oder dort auch in Rede waren, noch mehr.
    Das Thema „Verschuldung" ist doch in diesem Hause schon öfter angesprochen worden; wir haben in den Jahren der Bekämpfung der Rezession unter dem Stichwort deficit spending bewußt eine höhere Nettoverschuldung des Bundes in Kauf genommen. Ich habe mich hier von dieser Stelle aus mehrmals in Beantwortung von Fragen dazu geäußert, auch schriftlich außerhalb dieses Hauses. Es handelt sich im übrigen um eine Größenordnung, die von der Bundesbank wie vom Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsministeriums als absolut erträglich und ungefährlich bezeichnet worden ist.
    Jetzt, in den Jahren der Hochkonjunktur, zumindest einer gutgehenden Konjunktur, hätten wir uns, um die Folgen unseres Erfolges zu überwinden, wieder genauso hoch verschulden müssen wie vorher, als wir die hohe Verschuldung zwecks Wirtschaftsankurbelung bewußt in Kauf genommen haben. Das heißt, wir hätten in den folgenden Jahren auch eine
    Nettoverschuldung von 7 bis 8 Milliarden DM im Jahr statt der von uns vorgesehenen 3,6 bis 4 Milliarden DM in Kauf nehmen müssen. Damit wäre nach unserer Auffassung der Schuldensockel des Bundes in einer Weise angewachsen, daß wir mit den sich daraus ergebenden Problemen der Umschuldung, der Anschlußfinanzierung und der Prolongation nur sehr schwer, vielleicht nicht ohne schwerwiegende wirtschaftliche Folgen, hätten fertigwerden können. Diese Dinge, meine Damen und Herren, hätte dann die Regierung, wenn sie Ihnen die Aufwertung beschert hätte, nicht mehr ohne Ihre Hilfe bewältigen können.
    Wir haben auf dieser Konferenz zum Ausdruck gebracht: Da wir in der Bundesrepublik mit zum Teil sehr unpopulären Maßnahmen in schwierigster Situation, gestützt auf eine starke parlamentarische Mehrheit, die bereit war, das Opfer an Popularitätsverzicht zu bringen, die damaligen Probleme überwunden haben, können wir heute nicht hinter dem Rücken des Parlaments durch einen Aufwertungsbeschluß Konsequenzen schaffen, die dann nur mit schwierigsten politischen Entscheidungen bewältigt werden können, und das in einer Situation, wo man von uns verlangt, daß wir dem Radikalismus links und rechts in unserem Land wirksam, überzeugungskräftig und in den Wahlen sich ausdrückend entgegentreten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die mittelfristige Finanzplanung hätte dann einer Überarbeitung bedurft, mit dem Ergebnis, daß die neue Fassung doch erhebliche Abweichungen von der alten Fassung aufgewiesen hätte.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Vorteile der Ihnen jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen gegenüber dem, was von anderer Seite erwogen worden war, sind unverkennbar. Aber eines kann man nicht verlangen: daß wir unsere Außenhandelsüberschüsse abbauen, einen Beitrag zur Normalisierung der Handelsverhältnisse zwischen uns und unseren Partnern leisten, die Binnenkonjunktur erhalten und trotzdem keine Maßnahmen ergreifen, die irgend jemandem auch nur die geringsten Opfer auferlegen würden. Das Ja-Aber, „wir sagen zu allem ja, aber spüren darf es niemand", diese Politik ist schlechterdings unmöglich. Das sage ich auch im Hinblick auf die Fülle von Telegrammen und Briefen, die bei uns allen im Laufe der letzten Tage eingetroffen sind, mit der verständlichen Forderung, regionale Ausnahmen, Branchenausnahmen, allgemeine Ausnahmen, gezielte Ausnahmen zu treffen. Wir können nicht ein Gesetz beschließen, das nur Augenauswischerei ist, ein Gesetz, in dem die Summe aller Ausnahmen zum Schluß mit der Nichtexistenz dieses Gesetzes gleichbedeutend wäre.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben eine Frist vorgesehen. Es ist erwogen worden, auf diese Frist zu verzichten. Das liegt in der Entscheidung dieses Hauses. Es gibt gute Argumente sowohl für die eine wie für die andere Lösung. Aber wir gehen ja einigen Unbekannten entgegen. Herr Kollege Schiller hat mit Recht auf die



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    Frage hingewiesen: Was wird die Handelspolitik und was wird die Finanzpolitik unseres größten Partners im Weltgeschehen, der Vereinigten Staaten von Amerika, unter der neuen Administration sein? Wird es eine border tax geben? Wird es einen Exportbonus geben? Wie hoch werden die Forderungen auf den Devisenausgleich gestellt? Was kommt noch auf uns zu auf einer Reihe von Gebieten, die zur Zeit in politischer Diskussion sind, von der Verteidigung angefangen bis zu anderen Bereichen hinüber? Wir stehen doch vor einer Reihe von Ungewißheiten, und diese Ungewißheiten werden sich erst im Laufe der kommenden Monate, vielleicht erst im Laufe der kommenden Jahre lüften.
    Darum ist diese Maßnahme ein wirksamer Beitrag, nicht eine Geste des guten Willens. Aber sie hat auch den gewaltigen Vorteil, daß sie noch keine endgültigen Entscheidungen setzt, daß sie reversibel ist.
    Wir wissen auch nicht, welche Maßnahmen unsere englischen und französischen Partner ergreifen werden. Ich glaube, daß das, was von englischer und französischer Seite bis jetzt an Maßnahmen sich abzeichnet, nicht nur eine Geste des guten Willens ist, sondern der ernsthafte Versuch, in diesen Ländern die Grundlage für eine gesunde Währung zu schaffen. Wir haben nicht das Recht, uns irgendwie in souveräne Entscheidungen anderer Völker und anderer Regierungen und ihrer Parlamente einzumischen. Wir haben nur einen Wunsch: daß unsere britischen und französischen Freunde mit ihren Maßnahmen das Ziel erreichen.
    Wir haben auch nicht den Wunsch, Frankreich Ratschläge zu erteilen. In keiner Weise! Wir haben einen Wunsch: daß das französische Volk und die für die französische Wirtschaft auch im privaten Bereich verantwortlichen Kräfte der französischen Regierung helfen, die Probleme, in die Frankreich geraten ist, ohne eine Abwertung zu lösen. Was an uns liegt, wird dazu getan werden; siehe die Höhe der Kreditzusage im Rahmen des Gesamtkredits.
    Wir können außerdem feststellen, daß die Berechnungseinheit der EWG-Agrarmarktordnungen von der vorgeschlagenen Maßnahme unberührt ist. Damit entfallen die Ausgleichszahlungen, von denen ich vorhin sagte: Größenordnung der Ertragsausfälle je Prozent Aufwertung 250 Millionen DM. Ich .brauche über die Sachlage nicht zu reden. Das ist in diesem Hause schon oft geschehen. Ich brauche auch über die politische Problematik nicht zu reden. Darauf ist oft genug hingewiesen worden. Aber selbst wenn wir Ausgleichszahlungen zu leisten hätten, müßte ich sagen: bis jetzt hat noch niemand verstanden, einen befriedigenden Schlüssel zu finden, mit dem solche Ausgleichszahlungen geleistet werden könnten. Wir haben die Problematik in einem anderen Fall schon einmal erlebt.
    Die Maßnahmen wollen wir so gestalten, daß trotz binnenwirtschaftlicher Ausgleichsleistungen für einige besonders betroffene Bereiche nach Möglichkeit keine zusätzlichen Belastungen des Bundeshaushalts eintreten. Bei dieser Gelegenheit darf ich betonen, daß selbstverständlich die von uns beabsichtigten steuerpolitischen Maßnahmen keine fiskalischen Hintergründe haben. Ich glaube, ich brauche das in diesem Hause nicht noch eigens zu betonen. Aus fiskalischen, also aus finanzpolitischen Gründen hätte keine Notwendigkeit bestanden, eine solche Maßnahme zu ergreifen, auch wenn sich dabei einige Überschüsse ergeben.

    (Zuruf des Abg. Ertl.)

    Diese Überschüsse hängen nicht zuletzt von der Gestaltung des Gesetzes im einzelnen ab. Aber wenn diese Überschüsse nicht stillgelegt werden sollen, dürfen sie nur zu dem Zweck verwendet werden, die Härten auszugleichen, die durch eine schematische Regelung zwangsläufig entstehen müssen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Dafür stehen sie bereit; dafür sollen sie bereit stehen und nicht für Spekulationen, was man an Mehrausgaben durch Mehreinnahmen etwa leisten könnte oder wie man diese oder jene Haushaltslücke im Hinblick auf kommende Ausgabenwünsche schließen könnte. Dafür nicht!

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf das auch bei dieser Gelegenheit hier sagen.
    Damit jeder Zweifel ausgeschlossen ist: ich stehe mit meiner ganzen Person und mit dem Amtsbereich des Bundesfinanzministeriums hinter dieser Gesetzesvorlage, die heute Gegenstand der ersten Lesung in diesem Hohen Hause ist. Warum sage ich das? An sich ist es unwichtig; trotzdem hat es eine gewisse Bedeutung. Wir sind uns der Tatsache sehr wohl bewußt, daß mit dieser steuerpolitischen Maßnahme vorübergehend ein Grundsatz aufgegeben wird, den wir bei der Verabschiedung des Mehrwertsteuergesetzes betont haben. Seinerzeit haben wir zwei große Grundsätze herausgestellt: die Wettbewerbsneutralität im Innern und den vollen Grenzausgleich hinüber und herüber. Aus gutem Grund haben wir den zweiten Grundsatz vorübergehend aufgegeben, befristet und mit der Vollmacht an die Regierung, in der Zwischenzeit auch diese Maßnahmen vermindern oder aufheben zu können. Sie wissen, daß bei der Vorbereitung des Stabilitätsgesetzes in den Ausschüssen dieses Hauses die Frage erörtert wurde, ob man auch die Umsatzsteuer in das Instrumentarium der Stabilitäts- und Konjunkturbelebungsmaßnahmen und Wachstumsmaßnahmen einbeziehen soll. Damals war die Mehrheit dieses Hohen Hauses in Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzministerium der Auffassung, man solle das einmal erreichte Mehrwertsteuersystem aus dieser ganzen Diskussion ausschalten und es nicht zu einem Routineinstrument der Konjunkturpolitik oder der Währungsausgleichspolitik machen. Die besondere Situation, die Ungeklärtheit der vor uns stehenden Probleme und die Notwendigkeit einer späteren langfristigen Regelung der internationalen Währungsordnung bringen mich dazu, hier vor diesem Hause zu erklären, daß ich diesen Abfall von dem Grundsatz — befristet, widerruflich und mit Ermächtigung an die Regierung, Ausnahmen bzw. in der Zwischenzeit Aufhebungsmaßnahmen zu



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    treffen — für notwendig halte und voll dahinterstehe.
    Ich brauche den vor Ihnen liegenden Gesetzentwurf nicht im einzelnen zu begründen. Er sollte ohne substantielle Einschränkungen angenommen werden. Denn je mehr Einschränkungen oder Ausnahmen gemacht werden, desto mehr müssen wir befürchten, daß die Gespenster der Diskussion der letzten Monate, die wir gebannt zu haben hofften, wieder mit vermehrter Kraft zu uns zurückkehren. Ich weiß, welche schwerwiegenden Probleme damit verbunden sind, aber es lassen sich sehr wohl elastische Formulierungen treffen, mit denen man bei ein bißchen Vertrauen auf die Finanzbehörden Regelungen schafft, durch die im Falle des Gewinnverfalls, der Existenzbedrohung auch Ausnahmen möglich gemacht werden können. Wir wollen mit diesem Gesetz nicht Existenzen vernichten, aber der Öffentlichkeit auch nicht vorgaukeln, daß nicht gewisse Gewinnminderungen in Kauf genommen werden müssen, weil es sonst eben einfach nicht geht.
    Ich darf in dem Fall auch sagen, daß ich die Meinung des Bundesministers der Justiz teile, daß die Einbeziehung der Altkontrakte verfassungsrechtlich nicht bedenklich ist. Man mag über die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit, man mag über Treu und Glauben, man mag über alle möglichen zweckmäßigen oder unzweckmäßigen Argumente reden, die sich ja immer anbieten, wenn es um lucrum cessans oder damnum emergens geht; aber ich teile die Auffassung des Bundesjustizministers, daß die verfassungsrechtliche Seite nicht strapaziert werden sollte. Ich habe mich in diesem Hause schon einmal leicht ironisch geäußert, daß da, wo Interessen auf dem Spiele stehen, Verfassungsrecht und konjunkturpolitisch zwingende Notwendigkeiten immer gern als willkommene Helfer in Anspruch genommen werden, auch wenn zum Teil ganz andere Dinge da oder dort dahinterstehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf sagen, daß das Paket unserer Maßnahmen einmal diese steuerliche Belastung des Exports — zeitlich begrenzt und bei Eintreten einer anderen Lage durch die Ermächtigung an die Regierung aufzuheben — umfaßt, zum anderen einen namhaften Beitrag an die gesamte Stützungsaktion, der aus den Währungsreserven der D-Mark für den internationalen Gesamtkredit geleistet wird.
    Ich darf auch sagen, daß wir nicht leichten Herzens den § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes in Anspruch genommen und mit administrativen Maßnahmen den Zustrom unerwünschten Geldes, heißen Geldes, spekulativen Geldes bestimmter Währungen unter Kontrolle gebracht haben.
    Ich darf als Viertes noch nennen unseren guten Willen, in absehbarer Zeit etwas anzubieten, was sich zwischen Wirtschafts- und Finanzministerium noch in Verhandlung befindet, nämlich eine administrative und steuerliche Erleichterung für deutsche Direktinvestitionen in den Ländern unserer Wirtschafts- und Währungspartner, deren Zahlungsbilanz uns gegenüber durch bestimmte Ereignisse in Schwierigkeiten geraten ist. Auch das ist eine Maßnahme, die der Wiederherstellung normaler Wirtschaftsbeziehungen und der Entzerrung bestimmter Verkrampfungen dient. Ich glaube, ich brauche mehr an Einzelheiten darüber hier vor Ihnen nicht auszubreiten.
    Wenn man aber so oft an die deutsche Verantwortlichkeit erinnert — und wir sind auch im Laufe der letzten Woche oft an die deutsche Verantwortung erinnert worden —, so möchte ich doch sagen, daß wir in der Bundesrepublik Verantwortungen auf uns genommen haben, die sich einmal aus unserer tragischen Vergangenheit und aus unserer gegenwärtigen Situation, aber auch aus unserem Eintreten für die Gesamtnotwendigkeiten der freien Welt ergeben. Ich brauche hier nicht zu erwähnen, daß für uns die Situation in Berlin eine hohe finanzielle Belastung, und zwar sowohl durch unmittelbare Zuschüsse als auch durch Steuerverzichte, bedeutet. Ich brauche nicht im einzelnen darzulegen, daß nur die Bundesrepublik Deutschland Wiedergutmachungszahlungen leistet in einer Gesamtsumme, die weit über alle Schätzungen hinausgeht, Wiedergutmachungszahlungen, von denen ein großer Teil an die im Ausland lebenden Opfer fließt. Das steht gar nicht zur Diskussion; aber andere reden immer von Überwindung der Vergangenheit, wir leisten etwas dafür.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf ferner daran erinnern, daß auch der zum Teil witterungs- und landschaftsbedingte Zustrom von Hunderttausenden und Millionen deutscher Touristen, hauptsächlich in Länder unserer EWG-Partner wie Frankreich und Italien, von uns auch devisenmäßig verkraftet werden muß und auch eine Devisenausgleichsmaßnahme darstellt. Ich darf daran erinnern, daß die wachsende Zahl von Gastarbeitern, die bei uns eine menschenwürdige Existenz bei gerechter Entlohnung gefunden haben, ebenfalls verlangen kann, daß ihre Ersparnisse bei uns ohne weiteres frei konvertiert und in ihre Heimat überwiesen werden können. Ich darf auch ohne Übertreibung darauf hinweisen, daß die Bundesrepublik infolge ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten und im Bewußtsein ihrer außenpolitischen Verpflichtungen bis jetzt immer noch einen Weg gefunden hat, zum Teil unter schwierigsten Maßnahmen den von unseren amerikanischen Freunden als Ausgleich für die Stationierung ihrer Truppen in Europa geforderten Devisenausgleich zu erfüllen.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung will diesen Verpflichtungen auch in der Zukunft in einem vollen fairen Maße nachkommen. Sie muß auch aus diesem Grunde Wert darauf legen, daß eine deutsche Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitik getrieben wird, die Überschüsse in einem für die Erfüllung dieser Leistungen notwendigen Ausmaße ermöglicht. Das ist nicht ein unberechtigter Egoismus, sondern das Ausbleiben deutscher Leistungen würde man uns dann sehr wohl in kürzester Zeit als bösen Willen — und das nicht einmal mit Unrecht — anrechnen.
    Ich darf zum Schluß noch eines sagen. Es sind da oder dort Gerüchte aufgetaucht, Meldungen erschienen, wir hätten oder der Bundesfinanzminister —



    Bundesminister Dr. h. c. Strauß
    um in der dritten Person von ihm zu sprechen — habe nach der Währungskonferenz erklärt, die Franzosen würden abwerten, weil sie müßten. Das ist eine gezielte Falschmeldung, wie ich hier ausdrücklich sagen darf. Das ist eine gezielte Falschmeldung, mit der man offensichtlich psychologische Reaktionen und gewisse politische Verärgerungskonsequenzen auslösen wollte. Ich habe hier die Frage, die vom Zweiten Deutschen Fernsehen, von der Frau Krause-Brewer, an mich gerichtet worden ist:
    Wenn der Franc abgewertet wird, wovon ja nun immer wieder gesprochen wird, würde das im Zusammenhang mit den Maßnahmen, die die Bundesregierung getroffen hat, unsere Wirtschaft nicht etwa doch zu stark belasten?
    Nach dem vom Bundespresseamt verteilten Text lautet die Antwort:
    Ich glaube, daß die von uns angebotenen Maßnahmen, also steuerliche Belastung des Exports, Entlastung des Imports, Verhinderung des Zustroms unerwünschten Spekulationsgeldes, dazu unter Umständen steuerliche Erleichterung deutschen Kapitalexportes, vor allen Dingen für Zwecke der Direktinvestitionen, und die Folgen einer französischen Abwertung, von der wir nicht wissen, ob sie überhaupt von der Regierung beschlossen werden wird, von der wir auch nicht wissen, in welcher Höhe sie eventuell beschlossen wird: das zusammengenommen ist das Opfer, das wir bringen müssen, aber dieses Opfer ist für uns geringer als eine schematische Aufwertung.
    In der anderen Äußerung heißt die Frage:
    Aber daß die französische Regierung sich entscheiden wird,
    — nämlich zur Abwertung —
    ist doch wohl keine Frage mehr, glauben Sie das?
    Antwort:
    Ich möchte der Entscheidung in keiner Weise vorgreifen. Es läßt sich sowohl der eine wie der andere Weg gehen.
    Ich habe das nicht gesagt, um hier irgendeine Apologie zu zelebrieren, sondern um an Hand der ja objektiv vorliegenden Texte nachzuweisen, daß man auch durch Manipulation gewisser Äußerungen versucht hat, Empfindlichkeiten zu wecken .und damit die Begründung für diese oder jene politische Reaktion. Ich darf, so wie der Herr Bundeswirtschaftsminister, feststellen: es ist von unserer Seite mit unseren Maßnahmen, den steuerlichen Maßnahmen, dem Kreditbeitrag, der Absicherung durch die Verordnung gemäß § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes, keinerlei Forderung nach einer Gegenleistung verbunden worden, es ist keinerlei Forderung gestellt worden, es ist keinerlei Voraussetzung genannt worden: wir haben in der Konferenz wie nach der Konferenz betont, daß unsere Partner in ihrer Entscheidung völlig frei sind, sich aber darauf verlassen können, daß die Bundesrepublik Deutschland zur Wiederherstellung der internationalen
    Währungsordnung und zur Überwindung der bei anderen Ländern eingetretenen Schwierigkeiten ihren Beitrag leisten wird, ohne im mindesten irgendeinen Einfluß auf die souveränen Entscheidungen anderer Länder auszuüben.
    Wir sind dieser Meinung auch nicht nur aus Gründen der rhetorischen Kosmetik oder des internationalen Protokolls. Denn es ziemt uns, bescheiden zu sein und — sozusagen — das Polykrates-Modell nicht zu vergessen: Es kann über Nacht, morgen oder übermorgen, der Blitz auch in unser Haus einschlagen, und dann erwarten wir, daß sich die anderen mit ihrer Feuerwehr uns genauso zur Verfügung stellen, wie wir es bisher gegenüber anderen gezeigt haben.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es wird so viel törichtes Zeug über Verlagerung der politischen Schwerpunkte in Europa, so viel törichtes Zeug über „die Deutschen wieder Nummer eins" geschrieben. Ich weiß nicht, ob diese hinterhältigen Lobpreisungen nicht eigentlich einen ganz anderen Zweck verfolgen, nämlich alte Ressentiments und Empfindlichkeiten zu wecken. Wir halten gar nichts von diesem Gerede. Wir wollen weder Nummer eins noch Nummer X sein. Wir wollen unsere Pflicht er- füllen, damit die freie Welt wieder in Ordnung kommt, damit der Prozeß des europäischen Zusammenwachsens nicht durch diese Probleme von neuem erschwert wird, und — wir wissen, was wir der Welt schuldig sind — wir hoffen, daß die Welt auch bereit ist, uns zu helfen, wenn wir einmal, was Gott verhüten möge, in diese Lage kommen sollten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)