Protokoll:
4049

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 4

  • date_rangeSitzungsnummer: 49

  • date_rangeDatum: 16. November 1962

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:31 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:08 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 49. Sitzung Bonn, den 16. November 1962 Inhalt: Nachwahl eines Mitglieds des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt 2167 A Fragestunde (Drucksache IV/7(28) Frage des Abg. Riedel (Frankfurt): Rabattstaffeln bei preisgebundenen Markenwaren Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 2167 B Dr. Luda (CDU/CSU) 2167 D Frage des Abg. Gewandt: Unterrichtung der Seeleute in Fragen der Schiffssicherheit 2167 D Fragen des Abg. Lemmrich: Grunderwerb für den Straßenbau und Planungsarbeiten 2168 A Frage des Abg. Peiter: Bundesstraße 54 in der Stadt Diez Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 2168 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Drucksache IV/542) Wischnewski (SPD) . . . . . . . 2168 B Scheel, Bundesminister . 2176 B, 2200 D Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 2185 B Kahn-Ackermann (FDP) . . . . . 2191 D Gewandt (CDU/CSU) . . . . . . 2193 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 2195 A Margulies (FDP) . . . . . . . . 2195 D Dr. Hellige (FDP) . . . . . . . 2198 A Freiherr von Mühlen (FDP) . . . . 2199 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2204 D Anlagen 2205 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2167 49. Sitzung Bonn, den 16. November 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.31 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 30. 11. Arendt (Wattenscheid) 16. 11. Dr. Arndt (Berlin) 16. 11. Dr. Atzenroth 16. 11. Auge 19. 11. Bauknecht 16. 11. Benda 16. 11. Biermann 16. 11. Dr. Birrenbach 17. 11. Fürst von Bismarck 17. 11. Blachstein 16. 11. Dr. von Brentano 17. 11. Dr. Burgbacher 17. 11. Dr. Dichgans 16. 11. Dr. Dittrich 16. 11. Dr. Dollinger 16. 11. Dopatka 16. 11. Dr. Dörinkel 16. 11. Dorn 16. 11. Drachsler 16. 11. Ehnes 16. 11. Frau Dr. Elsner 16. 11. Ertl 16. 11. Etzel 16. 11. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 16. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Funk (Neuses am Sand) 16. 11. Gaßmann 16. 11. Freiherr zu Guttenberg 17. 11. Haage (München) 30. 11. Haase (Kellinghusen) 16. 11. Hammersen 16. 11. Dr. Harm 1. 12. Dr. Heck 16. 11. Herold 17. 11. Dr. Hesberg 16. 11. Hirsch 16. 11. Hoogen 16. 11. Hörmann (Freiburg) 16. 11. Jacobs 18. 11. Dr. Jaeger 17. 11. Katzer 16. 11. Frau Kipp-Kaule 16. 11. Dr. Klein (Berlin) 16. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 17. 11. Dr. Kreyssig 16. 11. Kohlberger 16. 11. Kriedemann 16. 11. Kubitza 16. 11. Kühn (Bonn) 31. 12. Kühn (Hildesheim) 16. 11. Kuntscher 30. 11. Kurlbaum 16. 11. Leber 16. 11. Leukert 16. 11. Mattick 16. 11. Mauk 16. 11. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Merten 17. 11, Mertes 16. 11. Michels 16. 11. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 11. Dr. Morgenstern 16. 11. Müller (Nordenham) 16. 11. Murr 16. 11. Paul 17. 11. Pöhler 17. 11. Frau Dr. Probst 16. 11. Rademacher 15. 12. Ramms 16. 11. Rasner 16. 11. Ravens 16. 11. Richarts 16. 11. Riedel (Frankfurt) 16. 11. Schlick 16. 11. Dr. Schmid (Frankfurt) 17. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 11. Schoettle 16. 11. Schröder (Osterode) 16. 11. Schulhoff 16. 11. Schultz 16. 11. Schwabe 16. 11. Seuffert 16. 11. Dr. Seume 16. 11. Spitzmüller 16. 11. Stauch 16. 11. Stein 16. 11. Dr. Stoltenberg 16. 11. Storm 16. 11. Strohmayr 16. 11, Sühler 16. 11. Tobaben 16. 11. Frau Vietje 16. 11. Wacher 16. 11. Dr. Wahl 16. 11. Wienand 17. 11. Dr. Wilhelmi 16. 11. Wullenhaupt 16. 11. Dr. Zimmer 16. 11. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Jungmann (Fragestunde der 47. Sitzung vom 9. November 1962, Drucksache IV/698, Frage III/1): Besteht die Möglichkeit, den nicht kriegsbeschädigten Körperbehinderten mit einer Erwerbsminderung um mindestens 80 % auf Grund des Sozialhilfegesetzes die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse zu eröffnen? Die bestimmten Gruppen von Schwerkriegsbeschädigten eingeräumte Vergünstigung, mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse die 1. Wagenklasse zu benutzen, beruht auf einer Tarifbestimmung der 2206 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 Deutschen Bundesbahn. Eine gesetzliche Grundlage für diese Vergünstigung gibt es nicht. Nach dem Bundessozialhilfegesetz ist es zwar möglich, im Einzelfall im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder in anderen Fällen, z. B. zur Aufnahme in einer Anstalt oder einem Heim oder zum Antritt einer Kur, auch notwendige Fahrkosten, u. U. sogar für die 1. Wagenklasse, zu übernehmen. Hingegen bietet das Bundessozialhilfegesetz keine Möglichkeit, etwa Körperbehinderten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 80 v. H. ganz allgemein die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse zu eröffnen. Eine solche Bestimmung im Bundessozialhilfegesetz würde auch seinen Rahmen sprengen, da es auf dem Grundsatz beruht, daß Hilfe nur bei einer Notlage im Einzelfall gewährt wird.
Gesamtes Protokol
Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0404900000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich bekannt, daß nach einer interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesordnung ergänzt wird um die
Nachwahl eines vom Bundestag zu entsendenden Mitglieds des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt.
Als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Dr. Brecht benennt die Fraktion der SPD Herrn Hans Stephan, Bonn. Das Haus ist mit diesem Vorschlag einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Damit ist Herr Stephan als stellvertretendes Mitglied des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt gewählt.
Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 12. November 1962 gemäß § 3 des Bundeswahlgesetzes vom 7. Mai 1956 den Bericht der Wahlkreiskommission übersandt. Der Bericht wird als Drucksache IV/741 verteilt.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Bei der Fragestunde kann ja niemand die Beschlußfähigkeit des Hauses anzweifeln. Ich fühle mich aber insofern getröstet, als wenigstens Deutschlands Jugend hier lebhaften Anteil nimmt.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde (Drucksache IV/728).
Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, Frage des Herrn Abgeordneten Riedel (Frankfurt) — die Frage wird von Herrn Abgeordneten Dr. Luda übernommen —:
Welche Erfahrungen hat die Bundesregierung hinsichtlich der Einhaltung der bei preisgebundenen Markenwaren dem Kartellamt gemeldeten Rabattstaffeln gesammelt?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministerium für Wirtschaft.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0404900100
Nach § 16 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen müssen preisbindende Unternehmen bei der Anmeldung ihrer
Preisbindungen vollständige Angaben über alle vom Hersteller oder Händler den nachfolgenden Stufen berechneten Abgabepreise sowie über die Handelsspannen machen. Sind diese Angaben unrichtig oder unvollständig, so gilt die Anmeldung als nicht bewirkt, und die Preisbindung ist damit unwirksam. Spätere Änderungen der gemeldeten Tatsachen sind dem Bundeskartellamt ebenfalls unverzüglich zu melden.
Nach den bisherigen Erfahrungen wirken sich die erwähnten Vorschriften dahin aus, daß die gemeldeten Rabattstaffeln in aller Regel eingehalten werden. Nur in einigen Fällen haben preisbindende Hersteller die von ihnen als Jahresrückvergütungen gewährten zusätzlichen Umsatzvergütungen oder Naturalrabatte nicht gemeldet, weil sie diese nicht für meldebedürftig hielten. Die Anmeldung wurde aber in diesen Fällen nachträglich bewirkt. In wenigen Sonderfällen wurden Abweichungen von den gemeldeten Rabattstaffeln bei Zusammenbrüchen ganzer Preisbindungssysteme oder beim Ausverkauf von Waren auslaufender Typen festgestellt. Im übrigen bestehen keine Anzeichen dafür, daß beim kontinuierlichen Absatz von preisgebundenen Markenwaren andere als die gemeldeten Rabatte gewährt werden. Dies gilt auch für den Absatz an Großbezieher.

Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0404900200
Eine Zusatzfrage!

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0404900300
Eine Zusatzfrage.

Dr. Manfred Luda (CDU):
Rede ID: ID0404900400
Herr Staatssekretär, in welcher Weise sind die gemeldeten Rabattstaffeln der Öffentlichkeit zugänglich?

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0404900500
Sie sind nur den Behörden, nicht der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich; also das Kartellamt kennt sie.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0404900600
Keine weitere Zusatzfrage?

(Abg. Dr. Luda: Nein!)

Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr! Ich rufe auf die Frage II/1 — des Herrn Abgeordneten Gewandt —:
Ist der Bund durch seinen Beitritt zum Internationalen Schiffssicherheitsvertrag verpflichtet, die Unterrichtung der Seeleute in allen Fragen der Schiffssicherheit sicherzustellen?



Präsident D. Dr. Gerstenmaier
Ist der Herr Abgeordnete Gewandt im Hause? — Er ist nicht im Hause. Seine Frage wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe auf die Fragen II/2 und 3 — des Herrn Abgeordneten Lemmrich —:
Reichen die gesetzlichen Grundlagen des Bundes und der Länder aus, um den für den Straßenbau erforderlichen Grunderwerb rechtzeitig durchführen zu können?
Sind die Straßenbaubehörden des Bundes und der Länder in der Lage, die auf Grund des 2. Vierjahresplanes für den Ausbau der Bundesfernstraßen erforderlichen Planungsarbeiten rechtzeitig durchzuführen?
Ist Herr Abgeordneter Lemmrich im Hause? — Er ist nicht im Haus. Dann sollte man sich doch nicht die Mühe machen, Fragen zu stellen. Die Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe auf die Frage II/4 — des Herrn Abgeordneten Peiter —:
Warum wurde die im Zuge der Bundesstraße 54 (Strecke Wiesbaden—Limburg) vorhandene scharfe Kurve an der Abknickung in der Stadt Diez (Rudolf-Dietz-Straße-Limburger Straße) bisher noch nicht ausgebaut, obwohl das erforderliche Hausgrundstück schon vor Jahren erworben und das Gebäude abgerissen wurde?
Ist Herr Abgeordneter Peiter im Hause? — Er ist im Hause.
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für Verkehr.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0404900700
Der Ausbau der Kurve an der Einmündung der Landstraße 1. Ordnung 14 in die Bundesstraße 54 in Diez hat sich verzögert, weil die Stadt Diez nicht bereit war, den auf sie entfallenden Anteil an den Kosten für den Umbau dieser Einmüdung zu übernehmen. Es ist beabsichtigt, die genannte Landstraße 1. Ordnung zum 1. Januar 1963 in die Baulast des Bundes zu übernehmen. Der Ausbau wird daher im März und April 1963 vorgenommen werden können.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0404900800
Keine Zusatzfrage. Damit ist die Fragestunde erledigt.
Ich komme zu dem Tagesordnungspunkt 15 und rufe auf:
Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Drucksache IV/542).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Herr Abgeordneter Wischnewski!

Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0404900900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf die Große Anfrage meiner Fraktion zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung begründen. Wir können wohl feststellen, daß wir die Debatte in bezug auf diese Sachfrage unter außerordentlich günstigen Bedingungen führen können; denn wir brauchen in diesem Hohen Hause über die Notwendigkeit und die Motive deutscher Entwicklungshilfe und deutscher Entwicklungspolitik nicht mehr zu sprechen. Das Hohe Haus ist sich in dieser Frage wohl im wesentlichen einig. Wir wissen, daß wir unseren Beitrag, und zwar einen entscheidenden Beitrag, zu leisten haben für vielleicht — neben der Erhaltung des Weltfriedens — die größte Aufgabe der zweiten
Hälfte dieses Jahrhunderts. Für die Lösung dieser Aufgaben, die uns gestellt sind, haben wir Opferbereitschaft zu zeigen; Energie, Geduld und eine Vielzahl von Ideen sind notwendig.
Wir können wohl auch gemeinsam feststellen, daß wir uns darüber freuen, daß wir über die Entwicklungsromantik der ersten Zeit hinaus sind und daß wir heute die Möglichkeit haben, die uns gestellte Aufgabe sehr realistisch zu betrachten. Zur Lösung dieser Aufgabe gehören eine Vielzahl von Erfahrungen. Wir haben noch nicht allzuviel Erfahrungen sammeln können, aber wir haben erfreulicherweise von den Erfahrungen der anderen lernen können. Ich möchte vorweg ein ganz deutliches Wort sagen. Ich glaube — ich darf im Namen meiner Freunde sprechen —, daß sich die Leistungen der deutschen Entwicklungspolitik, der deutschen Entwicklungshilfe in der Welt durchaus sehen lassen können. Ich meine, das gilt in ganz besonders starkem Maße für die Leistungen der technischen Hilfe im Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik. Der eine oder andere hat in der Vergangenheit die Möglichkeit gehabt, einige deutsche Projekte in den Entwicklungsländern zu sehen. Wir sind im allgemeinen wohl mit den Leistungen zufrieden. Natürlich sind Fehler gemacht worden, das ist eine Selbstverständlichkeit. Das ist auch verständlich, wenn man daran denkt, daß wir eine völlig neue Aufgabe gemeinsam haben übernehmen müssen und daß wir erst einiges haben lernen müssen.
Neben den speziellen Aufgaben der Entwicklungspolitik scheinen mir aber im Augenblick drei Aufgaben im Vordergrund zu stehen.
Erstens haben wir eine Aufgabe gegenüber den Entwicklungsländern selbst. Wir haben den Menschen und den politisch Verantwortlichen in den Entwicklungsländern klarzumachen, daß wir das, was wir tun, gerne tun, daß wir es aus innerer Überzeugung tun, daß wir es ohne jeglichen politischen Druck tun

(Zustimmung bei der SPD)

und daß die Entwicklungspolitik für uns kein Instrument des Kalten Krieges ist.
Zweitens. Wir haben in dieser Hinsicht aber auch unseren Verbündeten ein Wort zu sagen, nämlich daß wir bereit sind, das zu leisten, was der deutschen Volkswirtschaft möglich ist. Wir müssen allerdings um Verständnis dafür bitten, daß uns unsere besondere Situation auch eine Reihe von besonderen Aufgaben stellt.
Drittens haben wir uns an die Bevölkerung in der Bundesrepublik zu wenden. Wir müssen den Menschen in der Bundesrepublik klarmachen, daß die Entwicklungshilfe, daß die Entwicklungspolitik eine zwingende Notwendigkeit, letzten Endes Hilfe zur Selbsthilfe ist, d. h. auf weite Sicht auch Hilfe für die Bundesrepublik selbst. Unsere Hilfe hat um so größeren politischen Wert, je mehr wir mit Überzeugung hinter dieser Aufgabe stehen. Wir dürfen sie um Gottes willen nicht als ein notwendiges politisches Übel betrachten.
Gestatten Sie mir, hier ganz klar und eindeutig festzustellen, daß wir über die öffentliche Meinung



Wischnewski
in .der Bundesrepublik zur Entwicklungspolitik außerordentlich besorgt sind. Die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik war zu Beginn dieser Aufgabe durchaus positiv. Wir haben den Eindruck, als hätten wir heute in dieser Frage einen Tiefpunkt erreicht. Wir können nur hoffen und wünschen, daß wir eine ähnliche Entwicklung durchzumachen haben, wie sie sich in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ergeben hat. Dort war die öffentliche Meinung zu Beginn sehr positiv, erreichte dann einen Tiefpunkt, etwa zu der Zeit, als das Buch „Der häßliche Amerikaner" geschrieben wurde, und heute hat die überwältigende Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung eine sehr positive und sehr realistische Einstellung zu der hier gestellten Aufgab e.
Wenn wir einmal untersuchen, worauf die negative öffentliche Meinung in der Bundesrepublik zurückzuführen ist, dann müssen wir feststellen, daß ein Großteil der Schuld daran auch die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung übernehmen muß. Ich möchte gleich im einzelnen sagen, warum. Man kann bei dieser Aufgabe nicht immer nur über Milliarden sprechen, so daß die Menschen in der Bundesrepublik den Eindruck haben, hier handle es sich ausschließlich um irgendwelche Geldgeschäfte, hier gehe es nur um die' Aufgabe, Geld zu verschenken. Die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung war im wesentlichen leider davon getragen, in der Öffentlichkeit immer wieder Milliardenbeträge zu nennen.
Ich erinnere mich daran, daß z. B. im Bulletin der Bundesregierung vor nicht allzulanger Zeit davon gesprochen wurde, daß wir mehr als 18 Milliarden DM an Entwicklungshilfe geleistet hätten. Nun, es ist doch selbstverständlich, daß diese Zahl 18 Mil-harden die Menschen im Bayerischen Wald und in der Eifel schockieren muß, die wisssen, daß eine Vielzahl von Aufgaben auch in ihren Gebieten noch nicht gelöst worden sind. Dabei wissen wir, daß in den 18 Milliarden DM auch die privaten Leistungen enthalten sind, die mit öffentlichen Mitteln nichts zu tun haben, gegen die wir nicht das geringste haben, von denen wir aber auch wissen, daß ein erheblicher Prozentsatz mit Entwicklungshilfe gar nichts zu tun hat, sondern daß es sich um durchaus gute und positive Geschäfte handelt. Ich glaube, es ist eine zwingende Notwendigkeit gegeben, das eine vom anderen sehr genau zu trennen.
Wir haben im vergangenen Jahr der Bundesregierung finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, damit sie sich darum bemüht, die Leistungen der deutschen Entwicklungspolitik im Innern und nach außen gebührend und positiv darzustellen. Wenn man allerdings glaubt, daß man das erreichen kann, indem man der „Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise" einige hunderttausend Mark zur Verfügung stellt und indem man die Mobil-Werbung bemüht, so ist das ein Irrtum; auf diese Art und Weise wird kein positives Ergebnis zu erreichen sein. Wir haben ein bißchen den Eindruck, daß man auf diese Weise der AdK Entwicklungshilfe zukommen lassen will und daß man der Mobil-Werbung, die normalerweise die Wahlkämpfe der CDU durchführt, in der
Zeit, wo keine Wahlkämpfe stattfinden, auch ein Entwicklungshilfe leisten will.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Überbrückungshilfe!)

— Oder Überbrückungshilfe.
Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen, daß wir mit diesen Dingen keineswegs einverstanden sind. Ich will nicht weiter darauf eingehen, weil ich glaube, daß das gestrige Gespräch im Ausschuß die Möglichkeit eröffnet, für das nächste Jahr eine bessere Ausgangsbasis zu finden. Jedenfalls sind wir nicht bereit, auf der bisherigen Basis mitzutun. Wir sind bereit, im Rahmen der notwendigen Öffentlichkeitsarbeit nach innen und nach außen unseren Beitrag zu leisten. Ob die Entwicklungspolitik im Augenblick populär oder unpopulär ist, spielt dabei für uns keine Rolle. Wir wissen, daß sie eine zwingende Notwendigkeit ist, und wir Sozialdemokraten sind auch bereit, die uns zukommenden Aufgaben zu übernehmen, allerdings nicht auf der Basis AdK oder Mobil-Werbung. — Dieses kritische Wort war notwendig.
Lassen Sie mich aber auch gleich ein positives Wort hinzufügen. Wir waren im vergangenen Jahr besorgt über die Zusagen, die zum großen Teil ohne Wissen des Parlaments gegeben worden und weit über die Haushaltsansätze hinausgegangen sind. Wir haben uns dann im vergangenen Jahr gemeinsam darum bemüht, daß das Parlament hier den notwendigen Einfluß erhielt. Ich kann erfreulicherweise feststellen, daß das neue Ministerium seinen Informationsverpflichtungen gegenüber dem Parlament in hervorragender Weise nachgekommen ist. Wir sind umfangreich und rechtzeitig informiert worden. Das hat wesentlich dazu beigetragen, auch im Ausschuß eine gute Basis für die gemeinsame Erledigung einer Vielzahl von Aufgaben zu finden. Ich möchte mich dafür namens meiner Freunde ausdrücklich bedanken. Man könnte vielleicht sagen, das sei selbstverständlich, aber ich habe nicht den Eindruck, daß es in allen Häusern so selbstverständlich ist.
Nun zu den Fragen, die uns hier bewegen! Wir haben ein neues Ministerium, ein neues Haus, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Meine politischen Freunde haben die Schaffung dieses neuen Ministeriums begrüßt. Wir haben damals ausdrücklich erklärt, wir betrachteten dieses Ministerium keineswegs als Koalitionsministerium, sondern als zwingende Notwendigkeit. Herr Minister, das Haus besteht jetzt ein Jahr. Wir haben uns darum bemüht, Ihnen eine Schonzeit von einem Jahr zu gewähren, damit man sich in dem neuen Haus vernünftig etablieren konnte. Das Jahr ist um. Wir müssen nun feststellen, was innerhalb dieses Jahres sich verändert hat, und wir müssen uns über die gegebene Situation unterhalten. Ich wollte eigentlich sagen: ein Jahr ist um, das bedeutet 25 % Ihrer Amtstätigkeit. Aber ich bin in den letzten Tagen etwas skeptisch geworden.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Nun zu den einzelnen Fragen. Frage 1 lautet:
Welche Fortschritte hat die Koordinierung der
Entwicklungshilfe im Bereich der Bundesmini-



Wischnewski
sterien bisher gebracht, und welche Vereinfachungen des Verfahrens bei der Bearbeitung von Anträgen und Vorgängen der Entwicklungshilfe wurden durch die Neueinrichtung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit im Vergleich zur bisherigen Kompetenzverteilung erreicht?
Bei dieser Frage sind wir davon ausgegangen, daß die Errichtung eines neuen Ministeriums selbstverständlich zu einer Erleichterung der Arbeit führen muß, daß die Koordinierung leichter und besser geschehen muß. Wir können zwar feststellen, daß die Mittel für die Entwicklungspolitik nun in einem Haushalt zusammengefaßt sind, im Haushaltsplan 23, daß aber die Kompetenzen für die einzelnen Aufgaben im wesentlichen bei den bisherigen Ministerien verblieben sind. Damit kein falscher Eindruck entsteht: natürlich wissen auch wir, daß das neue Ministerium nicht alle Aufgaben übernehmen kann, sondern daß ein entscheidender Teil der Aufgaben beim Auswärtigen Amt und auch bei anderen Häusern verbleiben muß. Aber wir haben den Eindruck, daß die Kompetenzen innerhalb dieses einen Jahres bei weitem noch nicht geklärt werden konnten.
Wir haben nach wie vor eine Entwicklungsabteilung im Auswärtigen Amt. Wir haben nach wie vor eine ähnlich gelagerte Abteilung im Wirtschaftsministerium. Wir haben Referate in den anderen Ministerien. So entsteht der Eindruck, daß auf einen verhältnismäßig breiten Plafond — mit verhältnismäßig vielen Planstellen in den einzelnen Ministerien — ein verhältnismäßig enger Flaschenhals gesetzt worden ist, durch den nun alle Aufgaben, die auf dem breiten Plafond gelöst werden sollen, hindurchgeführt werden müssen. Daß das zu Schwierigkeiten führen muß, dürfte eine Selbstverständlichkeit sein.
Wir müssen auch feststellen, daß ganz offensichtlich die anderen Ministerien bisher nicht bereit waren, in dem notwendigen Umfang Planstellen aus ihren Häusern an das neue Haus abzugeben, auch dort nicht, wo eine Notwendigkeit zwingend gegeben war. So, meinen wir, ist die Kompetenzfrage bei weitem noch nicht geklärt. Wir müssen von der Bundesregierung erwarten, daß sie darum bemüht ist, das auf schnellstem Wege zu tun.
Lassen Sie mich dafür ein paar praktische Beispiele bringen. Das ,,Bulletin" veröffentlichte neulich eine Information zur Entwicklungspolitik. Da ich mir über den Inhalt nicht völlig im klaren war, wandte ich mich an das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Aber im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit war niemand über diese Frage orientiert. Denn diese spezielle Information zur Entwicklungspolitik kam aus einem völlig anderen Hause, ohne daß das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit überhaupt nur unterrichtet war. Eine Aussprache hat dann hinterher gezeigt, daß man in dieser speziellen Frage im zuständigen Ministerium auch noch anderer Auffassung war. So etwas darf nach unserer Auffassung nicht vorkommen.
Wenn wir von Koordinierung sprechen, müssen wir auch feststellen, daß bis zur Stunde hinsichtlich
einer sehr entscheidenden Aufgabe noch keine Zentralstelle besteht, ich meine hier: keine Zentralstelle für den personellen Einsatz in Entwicklungsländern. Jemand, der heute bereit ist, in einem Entwicklungsland tätig zu werden, weiß überhaupt nicht, an wen er sich zu wenden hat. Eine Vielzahl von Ministerien und Institutionen, amtlichen und halbamtlichen, sind zuständig. Derjenige, der zu einer solchen Tätigkeit bereit ist, kann sich wenden an das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, an das Bundeswirtschaftsministerium, an das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft, an das Auswärtige Amt, an die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung in Frankfurt, an den Deutschen Akademischen Austauschdienst, an die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer, an die Karl-Duisberg-Gesellschaft und an die GAWI. Dabei spreche ich nur von den öffentlichen oder denjenigen Einrichtungen, die zu einem entscheidenden Teil aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Das macht nicht nur demjenigen Schwierigkeiten, der bereit ist, sich zu engagieren, sondern das macht auch unseren Botschaften draußen in den Entwicklungsländern Schwierigkeiten, die zu einem großen Teil nicht einmal wissen, wer für welche Frage zuständig ist. Hier ergibt sich die Notwendigkeit, eine Zentralstelle zu schaffen, an die sich alle wenden können und von der alle an die richtige Stelle weitergeleitet werden und zumindest eine vernünftige Antwort erhalten.
In diesem Zusammenhang möchte ich etwas sagen, was die Arbeit in Ihrem Haus betrifft, Herr Minister. Erfreulicherweise wenden sich viele junge Menschen an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und erklären ihre Bereitschaft, in einem Entwicklungsland für die Bundesrepublik tätig zu sein. Sie können leider nicht damit rechnen, daß sie überhaupt eine Antwort erhalten. Das Ministerium ist nicht in der Lage, die Briefe zu beantworten. Es scheint mir eine schlechte Sache zu sein, wenn wir viele junge Menschen haben, die ihre Bereitschaft erklären, solche Aufgaben zu übernehmen, und wenn nicht einmal die Möglichkeit gegeben ist, ihnen eine Antwort zu erteilen.
Lassen Sie mich ein letztes Beispiel bringen. Eine private Organisation der Entwicklungshilfe wandte sich vor einigen Wochen an Ihr Haus. Diese private Organisation errichtet mit eigenen Mitteln, ohne einen Pfennig öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen, eine Druckerei in einem afrikanischen Land, nicht, um damit Geschäfte zu machen, sondern um sie zu verschenken; sie war nun der Auffassung — und sie scheint mir gerechtfertigt zu sein —, nachdem sie erhebliche eigene Anstrengungen gemacht und keinen Pfennig öffentliche Mittel in Anspruch genommen hat, müßte es möglich sein, für sechs Monate einen Druckereimeister aus Ihrem Haushalt bezahlen zu lassen. Es wurde ein Antrag gestellt, und nach viereinhalb Wochen fragte der Antragsteller nach, wie das denn mit dem Antrag sei. Ihr zuständiger Referent, Herr Minister, erklärte, daß er ein Einmannbetrieb sei und daß er leider bis zum heutigen Tage noch nicht dazu gekommen sei, den Brief überhaupt nur zu lesen — nach viereinhalb Wochen! —, und daß er auch nicht in der Lage



Wischnewski
sei, zu sagen, wann die Angelegenheit beantwortet werden könne. Mir liegt darüber eine entsprechende Aktennotiz vor. Ich möchte damit ganz klar sagen: wir müssen denjenigen, die der Sache guten Willen entgegenbringen, die selber Opfer bringen, die selber erhebliche Mittel aufbringen, entgegenkommen und ihnen helfen, hier ihre Probleme zu lösen.
So, glauben wir, daß wir in der Frage der Organisation, der Aufgabenverteilung und der Kompetenzverteilung noch eine Reihe von wesentlichen Aufgaben zu erledigen haben. Ich will nicht bestreiten, daß das eine oder andere in der Zwischenzeit hat geregelt werden können.
Lassen Sie mich nun zur zweiten Frage kommen: Ist die Bundesregierung bereit, bei neuen Zusagen an Entwicklungsländer darauf zu achten, daß die rechtzeitige Erfüllung früherer Zusagen gewährleistet bleibt?
Das ist für uns eine ganz entscheidende, und zwar politische Frage. Die Bundesrepublik hat zumindest im Rahmen der Kapitalhilfe bis zum Ende dieses Jahres finanzielle Zusagen in Höhe von etwa 7 Milliarden DM gemacht. Dabei haben wir den Eindruck, daß insbesondere die ersten Zusagen zum Teil in einer etwas leichtfertigen Art und Weise gegeben worden sind. Ich will gerne zugeben, daß besonders in der letzten Zeit wohl bessere Überlegungen angestellt worden sind. 7 Milliarden, das ist ein ganz erhebliches Paket. Wir müssen in unserer Politik daran interessiert sein, diese Zusagen nicht allzu lange vor uns herzuschieben. Wir sollten bei Zusagen lieber etwas zurückhaltender sein und sollten uns mehr dafür einsetzen, daß das, was zugesagt ist, so schnell und so präzise wie nur irgend möglich erledigt werden kann.
Lassen Sie mich dazu folgendes sagen. Wenn man Zusagen macht und wenn es Jahre dauert, bis diese Zusagen erfüllt werden, kann man nur politischen Ärger erhalten. Wir wollen mit unserer Hilfe, mit unseren Anstrengungen Freunde in der Welt gewinnen, und wir müssen deshalb auch die technischen Dinge so gestalten, daß es zu keinem Ärger
kommen kann.
Die Botschafterkonferenz in Uganda, die Afrikakonferenz der deutschen Botschafter, hat zu dieser Frage Stellung genommen, und sie sagt im Grunde genommen das gleiche wie wir. Ich darf wörtlich aus dem Bulletin der Bundesregierung vom 6. November 1962 zitieren:
Besondere Aufmerksamkeit wurde auf der Konferenz der deutschen Entwicklungspolitik gewidmet. Es wurden insbesondere Möglichkeiten
besprochen, die Durchführung beschlossener
Entwicklungsprogramme zu beschleunigen.
Das ist also gar keine böswillige Behauptung der Opposition, sondern eine Feststellung auch der Regierung. Allerdings möchte ich sagen: es ist eine Feststellung, die wir nun mindestens schon zwei Jahre kennen, und wir müssen bemüht sein, mit diesem Problem fertig zu werden.
Ich habe die Gelegenheit gehabt, mich in den letzten Jahren in den Entwicklungsländern ein wenig umzuschauen. Ich darf Ihnen sagen: manche Botschafter sind sehr traurig, daß ihre wesentliche Aufgabe eigentlich darin besteht, von Woche zu Woche die Regierung des Landes, in dem sie tätig sind, aufzusuchen, um dort zu erklären und um Verständnis dafür zu bitten, daß die Realisierung der von uns eingegangenen Verpflichtungen derartig lange dauert. Dabei besteht Klarheit darüber, daß natürlich unsere Instanzen nicht alle Schuld haben. In vielen Fällen liegt es auch daran, daß uns für bestimmte Projekte aus den Entwicklungsländern mangelhafte Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Es ist also notwendig, hier eine genaue und deutliche Trennung vorzunehmen.
Da wir über die Zusagen sprechen, lassen Sie mich auch zur Schwerpunktbildung ein Wort sagen. Als die Bundesrepublik mit diesen Zusagen begann, wurde gesagt, ein Schwerpunktprogramm sei überhaupt nicht möglich. Man könne eigentlich nur von einer „Feuerwehr" sprechen, die dort eingesetzt wird, wo es am notwendigsten ist.

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0404901000
Einen Augenblick, Heir Kollege. — Meine Damen und Herren, ich bin leider gezwungen, den Ältenstenrat sogleich zu einer Sitzung zusammenzubitten. — Bitte, fahren Sie fort.

(V o r sitz: Vizepräsident Dr. Dehler.)


Hans-Jürgen Wischnewski (SPD):
Rede ID: ID0404901100
Es wurde zuerst von einer „Feuerwehr" gesprochen, die nun ganz plötzlich da eingesetzt werden muß, wo sich eine Notwendigkeit ergibt. Wir haben diese Vorstellung niemals für richtig gehalten. In der Zwischenzeit hat der Minister einen neuen Begriff entwickelt, der mir sehr viel angenehmer zu sein scheint. Er spicht von „wandernden Schwerpunkten". Ich glaube, das ist eine ernsthafte Überlegung, die man akzeptieren kann.
Ein Drittes kommt hinzu. Der Herr Außenminister hat davon gesprochen, daß man den Freunden zuerst helfen müsse. Wir können uns zu diesem Grundsatz bekennen und glauben, daß der Grundsatz wandernder Schwerpunkte mit dem Prinzip, den Freunden zuerst zu helfen, durchaus verbunden werden kann.
Lassen Sie mich aber einen neuen Gesichtspunkt hinzusetzen, den man auch mit dem bisherigen verbinden kann. Wir sollten davon ausgehen, daß wir Schwerpunkte dorthin setzen, wo die Entwicklungsländer selbst bereit sind, besondere Anstrengungen zu machen. Derjenige, der selbst die größten Anstrengungen macht, soll dafür eine besondere Anerkennung erhalten. Die übrigen sollen sehen, daß man demjenigen am ehesten zu helfen bereit ist, der sich besonders bemüht. Man muß ganz offen sagen: Die Bereitschaft der Entwicklungsländer, selbst mizuwirken, ist natürlich sehr unterschiedlich. Lassen Sie mich bei dieser Frage bitte auf ein aktuelles Problem eingehen. Ich will es nicht namentlich ansprechen, aber mir kommt es darauf an,



Wischnewski
die Problematik aufzuzeigen. Wenn wir eine Zusage gemacht haben und sich aus irgendwelchen Gründen, die mit uns nicht das geringste zu tun haben, Schwierigkeiten ergeben, für die wir in keiner Weise verantwortlich sind, und wenn man die Bundesrepublik jetzt dadurch nahezu erpressen will, daß man sagt: Entweder ihr seid bereit, sofort zu zahlen, oder wir werden uns an den Osten wenden und werden uns dort das Geld geben lassen, dann möchte ich sagen, daß man bereit sein sollte, das hinzunehmen. Dann sollen sie hingehen. Wir haben aber jedenfalls keinen Anlaß angesichts des guten Willens, den wir aufbringen, und angesichts der Leistungen, die wir zu erbringen bereit sind, uns erpressen zu lassen, insbesondere dann, wenn hier von uns verlangt wird, daß wir dem Steuerzahler einen Mehrbetrag von etwa 300 Millionen DM zumuten, nur um einem nationalen Prestige entgegenzukommen. Staudämme lassen sich an verschiedenen Standorten zu sehr unterschiedlichen Preisen bauen. Wenn dabei, da der deutsche Steuerzahler 300 Millionen DM mehr an billigem Kredit gewähren soll, nur eine nationale Frage eine Rolle spielt, muß ich in diesem Falle um Verständnis dafür bitten, daß wir auch auf unseren Steuerzahler Rücksicht zu nehmen haben.
Zu Frage 3:
Berechtigen die bisherigen Erfahrungen der Kapitalhilfe, an den Prinzipien der Rahmenzusagen und der Lieferunggebundenheit festzuhalten?
Kapitalhilfe der Bundesrepublik wurde bisher nach dem Prinzip der Rahmenzusage gewährt. Das heißt, wir sind mit einem Entwicklungsland in Verhandlungen eingetreten, und die Bundesregierung hat eine Rahmenzusage gemacht, z. B. in Höhe von etwa 50 Millionen DM; es war dann die Aufgabe dieses Entwicklungslandes, den Rahmen mit Projekten auszufüllen. Diese Projekte wurden geprüft, und dann wurde festgestellt, welche Projekte in den Rahmen dieser Rahmenzusagen übernommen werden konnten. Dann wurden Kreditverträge zu unterschiedlichen Zinssätzen abgeschlossen, zum Teil bei einer Rahmenzusage — was vernünftig und wirtschaftlich gerechtfertigt ist —, und erst dann konnte mit der Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen begonnen werden.
Lassen Sie mich ganz klar und eindeutig folgendes sagen. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß sich das Prinzip der Rahmenzusagen in keiner Weise bewährt hat und daß wir so schnell wie möglich darum bemüht sein müssen, von diesem Prinzip der Rahmenzusagen herunterzukommen.

(Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen]: Ausnahmen bestätigen die Regel!)

- Ich .werde gleich etwas dazu sagen, Herr Dr. Fritz.
Welche Schwierigkeiten sind entstanden? Zuerst einmal politische Schwierigkeiten. Warum? Wir haben dem Lande X eine Rahmenzusage von, sagen wir, 30 Millionen DM gewährt. Dieses Land hat vielleicht 10 Millionen Einwohner. Dann muß man
damit rechnen, daß ein anderes Land kommt, das 20 Millionen Einwohner hat und sich von vornherein auf den Standpunkt stellt: Da wir die doppelte Einwohnerzahl haben, haben wir einen Rechtsanspruch darauf — so ist gesagt worden —, die doppelte Rahmenzusage zu erhalten. Daß das ein völlig unmöglicher Zustand ist, darüber sollte es für uns gar keinen Streit geben.
Es gibt ein Zweites, was Schwierigkeiten bereitet. Eine Rahmenzusage ist oft an Länder gegeben worden, in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine Entwicklungsprojekte oder nur mangelhafte Entwicklungsprojekte, die für eine deutsche Hilfe ungeeignet waren, vorhanden waren. Was bedeutete das? Daß man krampfhaft nach Entwicklungsprojekten gesucht hat und daß darüber hinaus vielfach von anderer Seite Leute aus völlig anderen Interessen Entwicklungsprojekte untergeschoben haben.
Das System 'der Rahmenzusage, das wir auf Grund der 'bisherigen Erfahrungen nicht für gut halten, hat aber. auch hier und da Anlaß dazu gegeben, daß man irgendwelche Budgethilfelforderungen an uns gestellt hat, die wir natürlich ebenfalls im Rahmen der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik nicht für tragbar halten. Wir wollen also von den Rahmenzusagen herunter. Wir wollen, daß bei allen Verhandlungen Idas Projekt, um das es geht, von Anfang an im Vordergrund steht, daß man bei Beginn der Verhandlungen von vornherein über ein Projekt spricht, nicht über irgendwelche Rahmen. Dann entfallen die politischen Schwierigkeiten, die sich ergeben könnten, unid dann erübrigt sich auch das teilweise krampfhafte Suchen nach irgendwelchen Projekten. Dabei bin ich mir darüber im klaren, daß es durchaus Ausnahmen geben kann, in denen eine Rahmenzusage nach wie vor ihre Berechtigung hat. Vom Prinzip her kann ich die Rahmenzusagen für die Zukunft nicht mehr akzeptieren. Ich glaube, die bisherigen Erfahrungen erlauben uns das nicht.
Nun zum zweiten Problem, das bier angesprochen wird, 'der Lieferungebundenheit. Die Bundesrepublik vergibt bis heute ihre Kredite im Rahmen der Kapitalhilfe unter der Überschrift „lieferungebunden„. Das bedeutet praktisch, daß wir zwar einen Kredit zur Verfügung stellen, für ein bestimmtes Projekt das Geld .geben, aber mit der Überschrift „lieferungebunden" zum Ausdruck bringen, daß es demjenigen, der unser Geld in Anspruch nimmt, völlig überlassen bleibt, wo er den Auftrag für dieses Entwicklungsprojekt ausführen läßt.
Nun, diese Freiheit, die Lieferungebundenheit, könnte natürlich der ideale Zustand sein, wenn man sich auch in der übrigen Welt daran hielte. Wir müssen bedauerlicherweise feststellen — unid wir haben uns ganz genau informiert —, daß die Bundesrepublik zur Zeit — ich spreche natürlich nur von den uns befreundeten Ländern — als einziges Land von Lieferungebundenheit spricht und daß alle anderen Kredite, auch der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs, ganz streng liefergebunden sind, d. h. daß man einen Kredit nur in Anspruch nehmen kann, wenn man sich gleichzeitig bereit erklärt, den Auftrag einer bestimmten Firma zu geben.



Wischnewski
Ich bin nicht der Auffassung, daß wir Anlaß haben, von einem Extrem ins andere zu fallen und nun zu sagen: Auch unsere Kredite sind nur liefergebunden. Wir wollen nur, daß das Wort „Lieferungebundenheit" verschwindet. Wir wollen, daß man in der Regel bemüht ist, die Liefergebundenheit zu erreichen. Wir wissen, daß wir auch an die Interessen der deutschen Wirtschaft in dieser Frage zu 'denken haben. Aber es geht nicht nur um die Interessen der deutschen Wirtschaft. Vielmehr ist das für uns auch einfach eine politische Frage. Die Bundesrepublik kann nicht nur die unangenehme Aufgabe übernehmen, die sehr schwierigen und sehr unpopulären Kreditverhandlungen zu führen — das ist nämlich sehr unerfreulich und kann in den weitaus meisten Fällen gar nicht dazu führen, daß man neue Freunde findet —; wir müssen aus politischen Gründen auch mit unserer Arbeitsleistung, mit der Erstellung unserer Projekte im Entwicklungsland präsent sein.
Wenn wir dieser Frage besondere Bedeutung beimessen, dann auch einfach deshalb, weil wir den Eindruck haben, daß insbesondere bei den durchaus hohen multilateralen Leistungen der Bundesrepublik an internationale Einrichtungen der Entwicklungspolitik die deutsche Wirtschaft bei weitem nicht in dem notwendigen Maße berücksichtigt wird. Lassen Sie mich gleich ein konkretes Beispiel bringen.
Der Entwicklungsfonds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betrug für die vergangenen fünf Jahre 580 Millionen Dollar. Das ist ein ganz erheblicher Betrag. Von diesen 580 Millionen Dollar hat die Bundesrepublik entsprechend den Verträgen 34,5 % aufbringen müssen. Keine 4 % der Aufträge im Rahmen des europäischen Entwicklungsfonds für die assoziierten Länder sind an deutsche Firmen gegangen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das scheint uns ein untragbarer Zustand zu sein. Niemand von uns verlangt — wir sind ja keine Krämer —: „Wir haben 34,5 % bezahlt, nun wollen wir also auch 34,5 % der Aufträge." Kein Mensch denkt an eine solche Regelung. Aber keine 4 % — das scheint uns ein völlig unmöglicher Zustand zu sein, und wir dürfen die Bundesregierung herzlich darum bitten, sich dieser Frage einmal anzunehmen. Ich hatte mir erlaubt, in diesem Jahre schon einmal hier ich Hause danach zu fragen. Ich muß sagen, die Antwort der Bundesregierung, des Bundeswirtschaftsministeriums damals, war überaus unbefriedigend. Es wurde gesagt, es hänge damit zusammen, daß die Unterlagen nur in französischer Sprache vorlägen. Das kann doch keine Entschuldigung sein! Im Europäischen Parlament wird so viel übersetzt; da werden also wohl auch noch diese Unterlagen zu übersetzen sein.
Ich darf also herzlich bitten, dieser Frage nachzugehen. Dabei sage ich noch einmal: wir sind keine kleinlichen Krämer; aber 4 % — das ist eine absolute Unterberücksichtigung der deutschen Wirtschaft, das ist eine Situation, mit der wir nicht einverstanden sein können.
Bei der Weltbank mag die Situation ein wenig besser sein; aber befriedigend ist sie in diesem Zusammenhang auch nicht.
Wenn ich die Bundesregierung darum gebeten habe, sich dieser Frage anzunehmen, dann habe ich selbstverständlich auch die Bitte an die Wirtschaft zu richten, sich in dem notwendigen Maße zu engagieren. Vielleicht hatte die unbefriedigende Situation in dem einen oder anderen Falle auch darin ihren Grund, daß bisher die Bereitschaft, sich zu engagieren, nicht in dem notwendigen Maße vorhanden war.
Ich komme zur Frage 4:
Welche konkreten Vorstellungen hat die Bundesregierung von der Aufbringung der Mittel für bereits zugesagte und noch weitere deutsche Leistungen der Entwicklungshilfe?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das scheint mir eine wesentliche Frage zu sein. Wir haben zu überlegen, wie das auf vernünftige Art und Weise finanziert werden kann. Dabei darf ich von folgender Voraussetzung ausgehen. Die Bundesregierung hat der Development Assistance Group und der OECD zugesagt, etwa — ich drücke mich sehr vorsichtig aus: etwa — 1 % des Bruttosozialprodukts für Entwicklungspolitik auszugeben. Wenn wir uns die Situation des Jahres 1963 anschauen, so besteht wohl Klarheit darüber, daß wir dieses 1 % in erheblichem Umfang nicht erreichen werden und daß dennoch schon sehr große Schwierigkeiten vorhanden sind, den Verpflichtungen nachzukommen, obwohl ich das Jahr 1963 noch als ein außerordentlich günstiges Jahr bezeichnen möchte.
Von den einmaligen Einnahmen — Industrieanleihe, Volkswagenwerk und Länderkredit — stehen uns noch 800 Millionen DM zur Verfügung. 6701 Millionen DM kommen in diesem Jahr im Haushalt hinzu. Dennoch wird die Bundesregierung gezwungen sein, den privaten Kapitalmarkt schon 1963 in Anspruch zu nehmen, um den Verpflichtungen nachkommen zu können, obwohl auch für das Jahr 1963 nicht ein einziger Pfennig für den europäischen Entwicklungsfonds eingesetzt wurde und wohl auch nicht eingesetzt zu werden brauchte. Ich bin gern bereit, die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage zu billigen, da von dem Entwicklungsfonds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 580 Millionen Dollar bisher nur 90 Millionen Dollar ausgegeben werden konnten.
Im Jahr 1964 wird die Situation bereits wesentlich schlechter aussehen. Dann sind die Reste aus der Industrieanleihe, dem Volkswagenwerk und dem Länderkredit verbraucht. Dann haben wir mit Sicherheit neue EWG-Leistungen in den europäischen Entwicklungsfonds zu erbringen, und dann kommen wir in eine übergroße Schwierigkeit, wobei ich sagen möchte, daß der von der Bundesregierung aufgestellte Grundsatz, daß Zusagen im großen und ganzen innerhalb von fünf Jahren realisiert werden, für mich nicht gelten kann, weil es eine Vielzahl von Beweisen dafür gibt, daß man das zwar auf fünf Jahre ausdehnen kann, daß aber viele Dinge wesentlich schneller realisiert werden müssen. In diesen Fragen können wir im Rahmen der Finanzpolitik nicht von einem Jahr ins andere stolpern und von Zufälligkeiten abhängig sein, sondern wir müssen überlegen, wie wir diesem Problem auf lange Sicht gerecht werden können.



Wischnewski
Des öfteren haben wir darauf hingewiesen, daß es eine reale Möglichkeit geben muß, den privaten Kapitalmarkt .für Projekte in Entwicklungsländern anzusprechen, daß die Aufgabe der Bundesregierung darin bestehen müßte, die Kredite abzusichern, für die notwendige Sicherheit zu sorgen, und daß darüber hinaus aus öffentlichen Mitteln für die entsprechende Zinsverbilligung Sorge zu tragen wäre, damit diese Kredite zu vernünftigen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden könnten. Wir sollten uns dieser ernsten Frage in sehr starkem Maße annehmen.
In diesem Zusammenhang darf ich mir eine Bemerkung erlauben. Herr Minister, Sie haben gerade in den letzten Monaten immer wieder von der notwendigen privaten Initiative gesprochen. Dabei besteht Klarheit darüber, daß noch eine Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um diese private Initiative zu entwickeln. Wir hoffen, daß wir recht bald einige konkrete Vorlagen in dieser Hinsicht erhalten werden. Allerdings werden wir uns dann auch erlauben, sehr deutlich darauf hinzuweisen, welche Unterschiede nach unserer Auffassung zwischen zwingend notwendiger Hilfe auch im Rahmen privatwirtschaftlicher Initiativen und guten Geschäften bestehen. Wir hoffen, daß wir einen Weg finden, das eine von dem anderen sehr gut trennen zu können.
Ich muß feststellen, daß die privaten Investitionen im Jahre 1961 in den Entwicklungsländern zurückgegangen sind und daß wir auch im Jahre 1962 wahrscheinlich mit einer ähnlichen Entwicklung werden rechnen müssen. Ich möchte das auch im Zusammenhang mit den Kapitalschutzverträgen sagen, die wir abschließen. Wir glauben, daß diese Kapitalschutzverträge eine gute Sache sind, wenn auch jeder weiß, daß sie keine endgültige Sicherheit bieten können. Aber sie können auch etwas Gefährliches an sich haben. Sie können nämlich in den Entwicklungsländern, die diese Kapitalschutzverträge abschließen, insofern falsche Hoffnungen erwecken, als dort angenommen wird, daß von dem Tage an, wo man einen solchen Kapitalschutzvertrag abgeschlossen hat, in weit stärkerem Maße private Investitionen erfolgen werden. Wir müssen dann, wenn wir solche Kapitalschutzverträge abgeschlossen haben, auch darum bemüht sein, daß diejenigen, die diese Verträge abgeschlossen haben, etwas Positives davon spüren. Geschieht das nicht innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit, wird das sehr bald zu bitterer Enttäuschung führen.
Frage 5:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Importe aus Entwicklungsländern wesentlich zu fördern?
Ich darf mich nun sehr kurz fassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist sicher eine der entscheidendsten Fragen überhaupt. Wir wollen doch nicht auf ewige Zeiten Entwicklungshilfe zahlen, sondern wir wollen von Anfang an die Weichen so stellen, daß unser Ziel dahin geht, die augenblickliche Entwicklungshilfe, die augenblickliche Entwicklungspolitik durch völlig normale Handelsbeziehungen abzulösen. Das bedeutet, daß man von Anfang an darum bemüht sein muß, den Entwicklungsländern so viel abzunehmen, wie überhaupt nur möglich erscheint.
Wenn wir die Situation im Weltmaßstab überblicken, sieht das überaus unfreundlich aus. Durch die Abnahme von Exportpreisen für Rohstoffe und Agrarprodukte in Entwicklungsländern von 1958 bis 1961 ist ein Mindererlös von 5,4 Milliarden Dollar für die Entwicklungsländer eingetreten. Hinzu kommt, daß durch den laufenden Anstieg von Industriepreisen bei der Einfuhr von Industriegütern in Entwicklungsländer Mehraufwendungen von 10,8 Milliarden Dollar notwendig waren. Das bedeutet, daß innerhalb dieser Zeit für die Entwicklungsländer eine Verschlechterung von insgesamt etwa 16 Milliarden DM eingetreten ist. Das ist die Weltsituation.
Aber auch wir in der Bundesrepublik haben unsere eigenen Feststellungen für uns hier zu treffen. Wir liegen natürlich damit im Welttrend, und wir haben auch keine Möglichkeit, eine Sonderrolle zu spielen. Hier handelt es sich natürlich um internationale Probleme. Aber wir haben zu überlegen, ob wir für uns das Notwendige in bezug auf die Lösung dieser Aufgabe getan haben. Die Importe aus einzelnen Entwicklungsländern in die Bundesrepublik sind innerhalb der letzten Zeit zum Teil um mehr zurückgegangen, als wir an Entwicklungshilfe überhaupt zur Verfügung stellen. Das hat insbesondere in den letzten Monaten dazu geführt, daß einige Entwicklungsländer überlegen, ob sie die Einfuhren deutscher Waren in ihre Länder überhaupt sperren müssen, nicht weil sie gegen unsere Waren sind — ganz im Gegenteil: sie sind daran interessiert —, sondern weil sie keine Möglichkeit mehr sehen, sie zu bezahlen. Deshalb müssen wir, glaube ich, dieser Frage ganz besondere Bedeutung beimessen.
Ich habe keine Lust, hier heute Ausführungen über die leidige Frage der Kaffee- und Teesteuer zu machen. Wir haben leider zu oft in dieser Frage, die wir im ' Interesse der deutschen Verbraucher, aber auch im Interesse einer vernünftigen Entwicklungspolitik aufgeworfen hatten, in diesem Hause nicht das notwendige Verständnis gefunden. Ich darf mir das deshalb heute ersparen. Ich darf aber die Bundesregierung auffordern, alles zu tun, was möglich ist, um des Problems der Importe aus Entwicklungsländern generell Herr zu werden.
In Frage 6 fragen wir die Bundesregierung:
Welches Verhältnis zwischen Kapitalhilfe einerseits und Bildungs- und Sozialhilfe andererseits in den Planungen für die Entwicklungshilfe wird von der Bundesregierung angestrebt?
Wir erwarten nicht, daß man uns hier einen Prozentsatz nennt. Wir möchten nur darauf hinweisen, daß die Bildungs- und Sozialhilfe ein entscheidender Faktor ist und daß mit Geld und großen Industrieprojekten allein nichts getan ist, sondern daß praktisch jede geldliche Hilfe und jedes Industrieprojekt in hervorragender Weise von Maßnahmen der Bil-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2175
Wischnewski
dungs- und Sozialhilfe begleitet sein muß. Wir glauben, daß der Plan, der im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit entstanden ist, realistisch ist. Wir haben ein warnendes Beispiel: Rourkela, wo zuerst vergessen worden ist, einem großen Industrieprojekt die notwendigen Begleitmaßnahmen hinzuzufügen. Wir wissen, welche Schwierigkeiten entstanden sind. Wir hoffen, daß wir daraus gelernt haben und dementsprechend bereit sind, neben der Kapitalhilfe der Bildungs- und Sozialhilfe ein entsprechendes Gewicht zu gewähren.
Nun zur Frage 7:
Wie ist für eine Koordinierung der Bildungs- und Sozialhilfe des Bundes mit den Vorhaben der Länder gesorgt?
Ein entscheidender Teil insbesondere der Bildungshilfe ist Aufgabe der deutschen Länder. Ich darf feststellen, daß erfreulicherweise, insbesondere, Herr Minister, durch die Initiative Ihres Hauses, 'in der Frage der Koordinierung eine Reihe von Fortschritten erzielt worden sind. Ich glaube, das Beispiel des Vertrages zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung von Baden-Württemberg über das Gewerbezentrum in Tunesien — Sie machen ein ganz enttäuschtes Gesicht, Herr Dr. Fritz; ich spreche nicht 'immer von Hessen, sondern auch einmal von Baden-Württemberg — zeigt: diese Art, das Problem zu regeln, ist eine außerordentlich gute Sache. Vielleicht kann man so zu ähnlichen Ergebnissen auch mit anderen Ländern kommen.
Durch die Schaffung des Bund-Länder-Ausschusses beim Ministerium konnten viele Probleme gelöst werden. Nach wie vor scheint mir aber das Verhältnis des Bund-Länder-Ausschusses zur Kultusministerkonferenz ungeklärt zu sein. Hier kommen — das ist unbestritten — immer noch in erheblichem Umfang Überschneidungen vor. Es wäre sehr gut, wenn man hier im Interesse einer eindeutigen Klärung der Kompetenzen zu einer noch besseren Koordinierung kommen könnte.
Dabei darf ich daran erinnern, daß sich auch die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer in bezug auf die Zusammenarbeit mit den Ländern erhebliche Verdienste erworben hat. Wir sollten daran denken, daß die 'deutschen Länder, wenn auch sehr unterschiedlich, darum bemüht sind, unserer Politik insgesamt zu helfen, daß in den Haushaltsplänen der Länder inzwischen schon ganz erhebliche Beträge aufgebracht werden und daß es auch sehr positive Leistungen von seiten der Länder gibt, für die auch wir als Parlament 'den Ländern unseren Dank sagen sollten.
Es gibt noch eine Reihe von Überschneidungen. In diesem Zusammenhang scheint mir völlig unmöglich zu sein, daß die Vergabe von Stipendien in den einzelnen Ländern teilweise unterschiedlich erfolgt, daß sie auch im Verhältnis zu privaten Stiftungen unterschiedlich erfolgt, so daß sich bei den Bedingungen Schwierigkeiten ergeben. Hier muß man darum bemüht sein, zu einer besseren Koordinierung zu kommen. Niemand, der ein Stipendium von der einen oder anderen Seite hat, wird verstehen
können, warum der eine 100 DM mehr und der andere 100 DM weniger bekommt. Das hat in der Vergangenheit zu großem Arger geführt. Ich darf das Ministerium darum bitten, alles zu unternehmen, um hier zu einer vernünftigen Regelung zu kommen.
In der Frage 8 fragen wir:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in die Wege geleitet, um dem Auftrag des Bundestages zu entsprechen, der am 14. Juni 1961 einstimmig einen Antrag der Fraktion der SPD angenommen hat, die Fragen der sozialen Sicherung aller für die Entwicklungshilfe im Ausland tätigen Personengruppen gesetzlich zu regeln?
In dieser Frage sind wir sehr enttäuscht. Wir haben seit dem 14. Juni 1961, d. h. seit mehr als einem Jahr, hierüber nichts gehört. Das bringt uns in Schwierigkeiten. Eine Reihe von hochqualifizierten Kräften, die bereit wären, Aufgaben in Entwicklungsländern zu übernehmen, sind dazu nicht bereit, solange bestimmte Voraussetzungen, deren Erfüllung auch wir im Hause alle einstimmig für zwingend notwendig gehalten haben, geregelt worden sind. Das können wir uns nicht leisten. Wir verfügen sowieso nicht in dem notwendigen Umfang über Menschen, die bereit sind, in Entwicklungsländern wesentliche Aufgaben zu übernehmen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit einmal in aller Deutlichkeit sagen, daß es bei den bisherigen GAWI-Verträgen eine Reihe von Unzumutbarkeiten gibt. Es ist niemandem zuzumuten, daß er einen Dreijahresvertrag in die Hand gedrückt bekommt, in ein Entwicklungsland hinausgeschickt wird, und man läßt ihn dann einen Tag vor Ablauf dieses Vertrages noch nicht wissen, ob man bereit ist, diesen Vertrag zu verlängern oder nicht.
Es scheint mir auch völlig unmöglich zu sein, daß man einem Mann, der harte Arbeit als Tierarzt in den Tropen leisten muß, in diesen GAWI-Vertrag einen Jahresurlaub von 18 Tagen hineinschreibt, während der Diplomat, der in der Botschaft 100 m nebenan sitzt, einen Urlaubsanspruch von nahezu 21/2 Monaten hat. Ich will dabei übrigens nichts gegen die 21/2 Monate sagen, die ich unter tropischen Verhältnissen für gerechtfertigt halte. Aber für den Tierarzt, der umherfahren muß, scheint mir das andere doch ein völlig unmöglicher Zustand zu sein. — Wir möchten also, daß wir in dieser Frage vorankommen. Wir haben doch den zuständigen Instanzen für die Klärung dieser Angelegenheit 11/4 Jahr Zeit gelassen.
Die letzte Frage lautet:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um diejenigen Personen, die sich um eine dauernde oder vorübergehende Verwendung bei deutschen Entwicklungshilfevorhaben bewerben, ihren Aufgaben entsprechend auszubilden?
Hervorragend qualifizierte Fachleute allein genügen nicht. Wir haben eine Vielzahl von Fachleuten in der Bundesrepublik. Dazu gehört das besondere Verständnis für die Entwicklungsländer.



Wischnewski
Dazu gehört eine spezielle Ausbildung, das Vertrautmachen mit dieser ganz besonderen Aufgabe. Dazu gehört das Erlernen von Sprachen. Ich muß ehrlich sagen, wir reden seit längerer Zeit über die Notwendigkeit, in größerem Umfang zu irgendwelchen Initiativen zu kommen. Aber es gibt nur ganz kleine Ansatzpunkte, vielleicht im wesentlichen bei der Deutschen Stiftung und hier und da auch bei den Kirchen. Der derzeitige Zustand in der Frage der Vorbereitung von deutschen Kräften, die in Entwicklungsländern arbeiten, scheint mir noch völlig unzureichend zu sein. Wir hoffen, daß uns die Bundesregierung heute sagen kann, daß man schon in sehr kurzer Zeit andere Maßnahmen ergreifen wird, um den hier gestellten Aufgaben gerecht zu werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe damit die neun Fragen begründet. Ich darf noch einmal sagen: Wir haben eine erfreuliche Ausgangslage für diese Debatte. Eigentlich haben schon die letzten Jahre gezeigt, daß wir uns alle in diesem Hause darüber im klaren sind, daß wir einen entscheidenden Beitrag zu leisten haben. Nun kommt es darauf an, daß wir uns gemeinsam anstrengen, ,den besten Weg zu finden, den Entwicklungsländern zu helfen und der Bundesrepublik Freunde in der Welt zu schaffen. Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

(Beifall auf allen Seiten des Hauses.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404901200
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0404901300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wischnewski hat in seiner Begründung eine Fülle von zusätzlichen Argumenten vorgebracht und zusätzlichen Fragen gestellt, die in der schriftlichen Großen Anfrage noch nicht enthalten waren. Ich darf mir, um meine formulierte Antwort der Regierung nicht zu belasten, erlauben, darauf im Anschluß an die Debatte im einzelnen einzugehen. Jetzt darf ich Ihnen, meine Damen und Herren, die Antwort der Bundesregierung vortragen.
Die Bundesregierung hatte am 5. Mai des vergangenen Jahres die Ehre, dem Bundestag ihre Auffassung zu den Problemen der Entwicklungshilfe darzulegen. Die Ihnen damals vorgetragenen Grundzüge einer Entwicklungspolitik wurden in der Zwischenzeit auf Grund der gewonnenen Erfahrungen kontinuierlich weiterentwickelt. Zugleich weiteten sich die Anforderungen an die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik so schnell aus, daß die Begrenztheit der hierfür vorhandenen Mittel Probleme entstehen ließ, die der verstärkten Abstimmung aller beteiligten Bundesministerien bedurften. Inzwischen bedingten sowohl die veränderte Haushaltslage als auch die Übernahme der Bearbeitung einer Reihe von Fragen der Entwicklungshilfe durch ein besonderes Bundesministerium ein erneutes Durchdenken der Entwicklungspolitik.
Die Problematik der Entwicklungshilfe ist bekanntlich vielfältig und schwierig. Es wird nicht
leicht sein, die var uns liegenden Aufgaben bald zur allgemeinen Zufriedenheit zu lösen. Die Ausnutzung aller Erfahrungen, wo sie nur bestehen, ist besonders nötig. Es ist deshalb ein aufrichtig empfundenes Bedürfnis der Bundesregierung, in entwicklungspolitischen Fragen aufs engste mit dem Parlament zusammenzuarbeiten. Die Bundesregierung hat wiederholt dem Bundestagsausschuß für Entwicklungshilfe über wesentliche Probleme der Entwicklungspolitik berichtet. Die Große Anfrage gibt nun der Bundesregierung eine willkommene Gelegenheit, dem gesamten Hohen Hause ihre Auffassung zu den jetzt aufgeworfenen speziellen entwicklungspolitischen Fragen darzulegen. Diese Fragen betreffen vielleicht nicht eigentlich die im Vorjahr behandelte Gesamtrichtung der Entwicklungspolitik, sondern mehr einzelne wichtige Detailfragen. Die Antworten auf diese Fragen spiegeln auch die Gesamtrichtung der Politik und ihre Anpassung an neuere Erkenntnisse wider, so daß sie in die anschließende Diskussion einbezogen werden können.
Zu den Fragen der Großen Anfrage trage ich namens der Bundesregierung im einzelnen folgendes vor.
Zu Ziffer 1:
Die Frage betrifft die Fortschritte, die durch die Neueinrichtung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit einmal in der Koordinierung unter den Ressorts und zum anderen in der Vereinfachung des Verfahrens erreicht wurden.
Ein weiterer Schritt zur Koordinierung der Entwicklungshilfe im Bereich der Bundesministerien wurde dadurch getan, daß im Bundeshaushaltsplan 1962 eine Reihe von bisher zerstreut ausgebrachten Titeln in einem selbständigen Einzelplan zusammengefaßt wurden. Eine Zusammenfassung der Titel, aus denen entwicklungspolitische Maßnahmen finanziert werden, ist notwendig. Sie ermöglicht eine einheitliche haushaltsmäßige Bewirtschaftung der Mittel, stellt insoweit die Verantwortlichkeit klar und läßt gegenüber den anderen Geberländern, den internationalen Organisationen, gegenüber den einzelnen Entwicklungsländern und der deutschen Öffentlichkeit die Anstrengungen der Bundesrepublik eindrucksvoller als bisher erkennen. Das zweite ist, daß eine solche Zusammenfassung der Mittel ein wirkliches und geschlossenes Programm der Entwicklungshilfe erleichtert.
Neben dieser inhaltlichen Koordinierung der Entwicklungspolitik wird auch in allen Einzelfragen eine bessere Zusammenarbeit unter den beteiligten Ressorts angestrebt. Hier fällt dem Interministeriellen Ausschuß für Entwicklungspolitik die Hauptaufgabe zu.
In Fortsetzung der bisherigen Bemühungen wird gegenwärtig für alle Bereiche der deutschen Entwicklungspolitik an Grundsätzen gearbeitet, die baldmöglichst eine einheitliche Richtung aller Maßnahmen unter einer Gesamtkonzeption ermöglichen sollen. Die bisherigen Erkenntnisse deutscher Fachleute, Organisationen und Wissenschaftler wie auch die langjährigen Erfahrungen unserer Verbündeten



Bundesminister Scheel
sowie der internationalen Organisationen werden hierbei berücksichtigt.
Ferner wird an einer Programmgestaltung der deutschen Hilfe, ihrer zeitlichen Abwicklung sowie an einer langfristigen Planung deutscher Hilfsmaßnahmen gearbeitet. Es wird dafür Sorge getragen, daß über den Interministeriellen Ausschuß für Entwicklungspolitik sowie über die Arbeitsausschüsse diese Gesamtkonzeption sich auf jedes einzelne Vorhaben auswirkt, selbst wenn dieses sich in finanziell bescheidenem Rahmen hält.
Weitere Aufgaben, die zu einer besseren Koordinierung auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik und zur größeren Wirksamkeit aller Hilfen beitragen, sind schon in Angriff genommen worden. Hier sind besonders folgende hervorzuheben:
1. Eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern sowie unter den zahlreichen Organisationen und Verbänden. Sie ermöglicht oft praktische Lösungen auch schwieriger Tatbestände. Die Bewältigung der vor uns liegenden Aufgaben ist nur möglich durch ein Zusammenwirken aller Kräfte des deutschen Volkes.
2. Die Bundesregierung ist nicht nur seit langem bemüht, der privaten Initiative in den Entwicklungsländern jede nur mögliche Förderung angedeihen zu lassen, sondern hat darüber hinaus wiederholt, letztmalig im Rahmen des Deutschlandexamens bei der DAC, betont, daß Leistungen der privaten Wirtschaft bei der Entwicklungshilfe den Vorzug verdienen. Zur Erreichung dieses Zieles hat sie nicht nur die bereits bestehenden Maßnahmen, u. a. die Garantien für Kapitalanlagen, verbessert und erweitert, sondern ist bestrebt, weitere Anreize zu schaffen. So wird zur Zeit geprüft, ob weitere steuerliche Maßnahmen und Finanzierungserleichterungen den Kapitalexport in die Entwicklungsländer wirksam fördern zu können. Zur Erarbeitung konkreter Vorschläge, die auch die Wünsche der deutschen Wirtschaft berücksichtigen sollen, haben die beteiligten Bundesministerien Arbeitsgruppen gebildet.
In diesem Zusammenhang ist auch die kürzlich gegründete Deutsche Entwicklungsgesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit hervorzuheben. Sie soll in erster Linie kleinere und mittlere Betriebe in den Entwicklungsländern fördern und damit dort die Bildung einer gesunden Mittelschicht begünstigen.
Weiterhin können aus dem ERP-Sondervermögen zinsgünstige Kredite für den Auf- und Ausbau von Unternehmen, für den Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen sowie für den Erwerb von Unternehmen in Entwicklungsländern gewährt werden. Bisher wurden über 68 Millionen DM für derartige Investitionen in Entwicklungsländern aus dem ERP-Sondervermögen bereitgestellt.
3. Zu den neuen Aufgaben gehört auch das Programm der Sozial- und Bildungshilfe, das vom Bundestag vor den Parlamentsferien bereits gebilligt worden ist. Es erstreckt sich bekanntlich auf die so notwendige Ergänzung der finanziellen Hilfen durch
eine stärkere Hervorhebung des menschlichen Faktors in der Entwicklungspolitik. Auch wird dadurch die schon heute erfreuliche Mitarbeit der freien Organisationen und Verbände der Bundesrepublik in der Entwicklungshilfe erheblich ausgeweitet werden können. Auf nähere Einzelheiten werde ich später noch eingehen.
4. Die Öffentlichkeitsarbeit in den Entwicklungsländern und in der Bundesrepublik.
Angesichts der finanziellen Opfer, die das deutsche Volk für die Entwicklungshilfe bringt, und wegen der internationalen ,Bedeutung der Entwicklungspolitik ist eine umfassende Aufklärung heute nötiger denn je. Ich stimme hier mit dem Herrn Kollegen Wischnewski in vollem Umfange überein. Der Schwerpunkt des Aufklärungsprogramms liegt in der Auswertung aller Erfahrungen und in der konkreten Darstellung der Gegebenheiten und der Motive unseres Handelns. Diese Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur in der Bundesrepublik notwendig, sondern ebenso bei unseren Verbündeten und gegenüber den Völkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Auf die spezifischen Fragen werde ich in meinem Diskussionsbeitrag nachher noch eingehen.
5. Besonders dringend ist die Beobachtung der Auswirkungen der deutschen Entwicklungshilfe sowie eine verbesserte Kontrolle der zweckmäßigen Verwendung der bereitgestellten Mittel, um die Förderungsmaßnahmen ständig zu verbessern, um Fehler zu vermeiden und um unser gesamtes Hilfsprogramm immer wieder den sich wandelnden Bedingungen in den Entwicklungsländern anzupassen.
6. Nicht weniger bedeutsam ist die Förderung und Koordinierung der Forschung über Probleme der Entwicklungsländer und Methoden der Entwicklungshilfe, besonders auch mit dem Ziel, die internationalen Erfahrungen für die praktische deutsche Entwicklungspolitik zunutze zu machen. Dies ist vor allem deshalb notwendig, weil andere Geberländer die verschiedenen Hilfsformen mitunter schon viel länger als wir anwenden und somit oft auch größere Erfahrungen besitzen.
7. Im Rahmen der derzeitigen Kompetenzverteilung zwischen den Ressorts wird auch an einer Vereinfachung des Verfahrens gearbeitet. Auf Einzelgebieten sind schon Fortschritte erzielt worden. Wir nennen hier die Ausarbeitung einheitlicher Bedingungen für deutsche Experten bei der Technischen Hilfe und die Ausarbeitung von Musterabkommen bei der Kapitalhilfe. Man muß bei allen diesen Fragen bedenken, daß die Entwicklungshilfe bei uns noch eine organisatorisch verhältnismäßig junge Aufgabe ist. Eine allen Bedürfnissen Rechnung tragende Organisationsform und ein entsprechendes Verfahren werden sich auch in der Bundesrepublik entwickeln.
Alles zusammengenommen beantworte ich die Frage 1 der Großen Anfrage wie folgt: Die Koordinierung der Entwicklungshilfe im Bereich der Bundesministerien hat Fortschritte gemacht. Diese Fortschritte beziehen sich auf alle Gebiete der Entwicklungshilfe, vornehmlich aber auf die eben genannten Bereiche. Dem neu errichteten Bundesministe-



Bundesminister Scheel
rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist dabei eine wesentliche Rolle zuteil geworden. Es hat den Vorsitz im Interministeriellen Ausschuß für Entwicklungspolitik, der das wesentliche Koordinierungsinstrument unterhalb des Kabinettsausschusses für Wirtschaft und des Bundeskabinetts darstellt.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist in Zusammenarbeit mit den übrigen Ressorts bemüht, für eine Systematik unserer Hilfsmaßnahmen und deren innere Übereinstimmung zu sorgen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit arbeitet mit den Ressorts an der entwicklungspolitischen Ausrichtung aller Einzelmaßnahmen und betreut wichtige Spezialbereiche wie die Entwicklungsgesellschaft, die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer sowie die Organisationen. Es bearbeitet ferner Fragen der personellen Hilfe und der Hilfen für die Sozialstruktur der Entwicklungsländer sowie die damit zusammenhängenden Programme.
Zu Ziffer 2 der Großen Anfrage.
Diese Ziffer bezieht sich auf die neuen Zusagen an Entwicklungsländer und die rechtzeitige Erfüllung früherer Zusagen. Die Antwort zu diesem Punkt kann verhältnismäßig kurz sein, zumal dieses Problem auch die Ziffern 3 und 4 der Großen Anfrage berührt und dort nochmals behandelt wird.
Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß die Bundesregierung auf dem Standpunkt der Vertragstreue steht. Bei neuen Zusagen an Entwicklungsländer wird also bereits aus diesem Grunde auch darauf geachtet, daß frühere Zusagen rechtzeitig erfüllt werden können.
Andererseits ist aber auch folgendes zu bemerken. Hilfen der Bundesrepublik werden in der Regel nur gegeben, wenn das Empfängerland seinerseits eine Partnerschaftsleistung erbringt. Die rechtzeitige Erfüllung von Zusagen ist daher nicht nur von einer entsprechenden Bereitschaft der Bundesregierung abhängig. Hierzu ist vielmehr in nicht geringerem Maße auch eine ausreichende Mitwirkung der Regierungen und der sonst beteiligten Stellen der betreffenden Entwicklungsländer notwendig. Die Möglichkeit der Bundesregierung, auf die Entwicklungsländer einzuwirken, ist in dieser Hinsicht aber begrenzt.
Bei allen Hilfen werden selbstverständlich neue Zusagen nicht erteilt und damit neue Vorhaben nicht in Angriff genommen, wenn nicht die Gewähr besteht, daß die bisherigen Zusagen sachlich, personell und finanziell vereinbarungsgemäß abgewickelt werden können.
Zu Ziffer 3 der Großen Anfrage.
Die Antragsteller haben in Ziffer 3 die Frage aufgeworfen, ob die bisherigen Erfahrungen mit der Kapitalhilfe berechtigen, an den Prinzipien der Rahmenzusagen und der Lieferungebundenheit festzuhalten. Zu beiden Punkten, die gerade in der jüngsten Zeit in starkem Maße zur Erörterung stehen, ist folgendes zu sagen.
Die bisherigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kapitalhilfe legen es tatsächlich nahe, die Frage der Rahmenzusagen neu zu überdenken. An sich erscheint es selbstverständlich, erst dann eine finanzielle Zusage zu geben, wenn bereits ein Projekt vorliegt, für welches die erbetene Kapitalhilfe verwendet werden soll. Noch besser wäre es, wenn das betreffende Vorhaben bereits geprüft und für gut befunden worden wäre.
In der Vergangenheit hat die Bundesregierung überwiegend Rahmenzusagen erteilt. Dies hat sich aus politischen Gründen nicht vermeiden lassen, zumal auf diese Weise auch die Bereitschaft zur Leistung eines angemessenen Beitrages zum Ausdruck kam.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei Rahmenzusagen wesentliche Nachteile auftreten. Bei der Ausfüllung derartiger Zusagen entstanden vielfach Verzögerungen, z. B. weil die Entwicklungsländer geeignete Projekte nicht rechtzeitig vorlegen konnten. Die erwähnten Verzögerungen führten oft zu Mißdeutungen und Verstimmungen bei den Entwicklungsländern und zu Vorwürfen in der deutschen Öffentlichkeit. Außerdem ist es bei Rahmenzusagen oft nicht möglich, eine gezielte und in sich geschlossene Entwicklungspolitik für das betreffende Land zu betreiben.
Es ist aber das Ziel der Bundesregierung, eine größere Wirksamkeit der deutschen Kapitalhilfe, zugleich auch eine Abstimmung der Maßnahmen der Kapitalhilfe mit den Maßnahmen der Technischen Hilfe zu erreichen und somit einer Zersplitterung der Gesamthilfe für jedes einzelne Land vorzubeugen. Deshalb strebt die Bundesregierung an, zusammen mit der finanziellen Zusage eine Gruppierung von konkreten Projekten zu erreichen, auf die sich die Hilfsmaßnahmen innerhalb des Rahmens der Zusage konzentrieren sollen. Dazu ,ist eine Vorplanung erforderlich. Für ihre Durchführung werden zur Zeit die Voraussetzungen ,geschaffen. Durch eine solche Konkretisierung der Finanzverhandlungen auf: Projektgruppen, die bereits das Ergebnis einer Vorplanung sind und in die Entwicklungsplanung des betreffenden Landes passen müssen, kann übrigens eine Reihe von umständlichen und zeitraubenden Verhandlungen umgangen und Geld gespart werden. Aus politischen Gründen werden künftig Rahmenzusagen allerdings nicht vollständig zu umgehen sein. Wie auf allen Gebieten der Entwicklungshilfe muß auch hier flexibel nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles vorgegangen werden.
Der zweite Teil der Frage der Ziffer 3 betrifft das für: unsere Wirtschaft bedeutsame Problem der Lieferungebundenheit unserer Kapitalhilfe. Zur Frage der Lieferungebundenheit hat die Bundesregierung erklärt und sie darf dies wiederholen—, daß eine internationale Vereinbarung über die Nichtbindung der Mittel das Ideal sein würde. Solange eine solche Vereinbarung nicht besteht, müssen wir natürlich bei unserem Verhalten auch das Verhalten anderer Länder in Betracht ziehen und in der bisherigen Lieferungebundenheit kein Dogma sehen. Ein Geberland kann aus triftigen Gründen, z. B. bei dauernder Anspannung der Zahlungsbilanz,
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 49, Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2179
Bundesminister Scheel
gezwungen sein, seine Kapitalhilfe ganz oder überwiegend in gebundener Form zu geben, um weiterhin überhaupt eine angemessene Kapitalhilfe leisten zu können. Auch die Bundesregierung muß bei ihren Überlegungen in dieser Frage die Lage der deutschen Wirtschaft berücksichtigen.
Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, daß die maßgeblichen Geberländer möglichst dem Grundsatz der Lieferungebundenheit folgen. Sollte dies jedoch nicht ,gelingen, so müssen wir in der Zukunft diesen Grundsatz wohl flexibler handhaben und werden unsere Haltung stärker als bisher unserer jeweiligen wirtschaftlichen und konjunkturellen Lage anpassen müssen.
Zu Ziffer 4 der großen Anfrage:
Nach Ziffer 4 der Großen Anfrage wollen die Antragsteller erfahren, welche konkreten Vorstellungen die Bundesregierung von der Aufbringung der Mittel für bereits zugesagte und noch weitere deutsche Leistungen der Entwicklungshilfe hat.
Auch diese Frage betrifft ein schwieriges Problem. Die bisherigen Zusagen sind insgesamt außerordentlich hoch. Ihre Finanzierung liegt zum weitaus größten Teil noch als zu lösende Aufgabe vor uns. Die Höhe der künftig tatsächlich erforderlichen Ausgaben hängt vor allem davon ab, welchen Ausführungsstand ,die Projekte erreichen, die auf Grund der Zusagen der Bundesregierung finanziert werden müssen.
Die Bundesrepublik hat für Zwecke der Entwicklungshilfe bislang, d. h. von 1950 bis zum 30. Juni 1962, auf dem öffentlichen und privaten Sektor zusammen Leistungen in Höhe von 19,219 Milliarden DM erbracht. Von diesen 19,219 Milliarden DM entfallen 10,775 Milliarden DM auf den öffentlichen Bereich und 8,444 Miliarden DM auf den privaten Bereich. Diese Gesamtzahlen werden sicherlich in der Diskussion noch aufgeschlüsselt werden.
Am Ende des Rechnungsjahres 1962 werden die auf dem Gesamtgebiet der Entwicklungshilfe noch zu erfüllenden Zusagen voraussichtlich 6,2 Milliarden DM betragen, davon rund 0,5 Milliarden DM auf die Technische Hilfe im weitesten Sinne, 1,2 Milliarden DM auf die verschiedenen Beiträge und Leistungen für multilaterale Hilfsorganisationen und rund 4,5 Milliarden DM auf die Kapitalhilfe.
Da die im Rahmen der Technischen Hilfe durchgeführten Lieferungen und Leistungen vornehmlich geschenkweise gegeben werden, müssen diese Hilfen aus den Mitteln des Bundeshaushalts finanziert werden. Im Bundeshaushaltsplan 1962 sind für diese Zwecke 190 Millionen DM veranschlagt. Die Bindungsermächtigung für 1962, also die Grundlage für die Eingehung neuer Verpflichtungen auf diesem Gebiet, beläuft sich auf 233 Millionen DM. Im Rechnungsjahr 1963 sind als Baransatz 224 Millionen DM vorgesehen. Die für 1963 in Aussicht genommene Bindungsermächtigung beträgt 233 Millionen DM.
Bei den Zusagen im multilateralen Bereich handelt es sich in erster Linie um Beiträge an die Weltbank, an die IDA und zum Entwicklungsfonds der EWG. Auch diese Leistungen müssen ihrer Natur
nach vom Bundeshaushalt aufgebracht werden. Im Rechnungsjahr 1962 sind dafür rund 380 Millionen DM veranschlagt und im Rechnungsjahr 1963 nur 72 Millionen DM vorgesehen. Das beruht darauf, daß für das Rechnungsjahr 1963 ein Ansatz für den Entwicklungsfonds der EWG nicht erforderlich erscheint, da aus den für die ersten fünf Jahre der Assoziierung bereitgestellten Beträgen noch genügend Barmittel für die erforderlichen Ausgaben zur Verfügung stehen.
Bei der Finanzierung der Kapitalhilfe ist der Leitsatz der Bundesregierung, den Bundeshaushalt nur insoweit in Anspruch zu nehmen, als andere Finanzierungsquellen wegen der Höhe des Betrages oder wegen der Art des Vorhabens hierfür nicht zur Verfügung stehen. Es wird versucht, die Finanzierungsmittel für diese Zwecke in höchstmöglichem Umfang am Kapitalmarkt zu beschaffen. Bei diesen Finanzierungen fällt der zur Entwicklungsbank des Bundes ausgestalteten Kreditanstalt für Wiederaufbau eine bedeutende Aufgabe zu.
Daneben soll das ERP-Sondervermögen künftig mindestens wie im bisherigen Umfang zur Finanzierung der Kapitalhilfe beitragen. Im laufenden Rechnungsjahr beträgt der Beitrag des ERP-Sondervermögens für die Finanzierung von Kapitalhilfevorhaben 65 Millionen DM.
Im Bundeshaushaltsplan 1962 sind für die Finanzierung von Kapitalhilfevorhaben 100 Millionen DM veranschlagt. Der niedrige Ansatz ist dadurch bedingt, daß aus den im Jahre 1961 erschlossenen einmaligen Quellen, nämlich der Entwicklungsanleihe der deutschen Wirtschaft von 1,2 Milliarden DM, Darlehen der VW-Stiftung von 500 Millionen DM sowie Darlehen der Länder von 500 Millionen DM, noch entsprechende Beträge zur Verfügung stehen. Diese Mittel werden bis auf einen Betrag von rund 700 Millionen DM am Ende des Rechnungsjahres 1962 für die vorgesehenen Zwecke aufgebraucht sein. Im Entwurf des Haushaltsplans 1963 ist daher für diese Zwecke ein Betrag von 670 Millionen DM vorgesehen.
Über die Aufbringung der notwendigen Finanzierungsbeträge im Jahre 1964 und in den folgenden Jahren können aus naheliegenden Gründen zahlenmäßig genaue Angaben heute noch nicht gemacht werden, zumal die Entwicklung des Bundeshaushalts und die Ergiebigkeit des Kapitalmarktes jetzt noch nicht übersehen werden können. Die Bundesregierung wird aber selbstverständlich die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Sie wird ihre Anstrengungen, den Entwicklungsländern wirksame Hilfe zu leisten, fortsetzen.
Bei der Bemessung der künftigen Leistungen des Bundeshaushalts für die Entwicklungshilfe wird selbstverständlich das Gewicht aller Staatsaufgaben und Staatsausgaben zu berücksichtigen sein, für deren Deckung der Bundeshaushalt zu sorgen hat. Die Rangordnung, nach der bei den ständig gewachsenen Anforderungen auf allen Gebieten die verschiedenen Staatsaufgaben in die finanziellen Möglichkeiten einzupassen sind, werden alljährlich die gesetzgebenden Körperschaften zu beschließen haben.



Bundesminister Scheel Zu Ziffer 5:
Die Frage unter Ziffer 5 betrifft die Förderung der Importe aus Entwicklungsländern. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß ihre Bemühungen bei der finanziellen und technischen Entwicklungshilfe auf die Dauer keinen rechten Erfolg haben können, wenn die Entwicklungsländer keine Absatzmärkte für ihre Ausfuhrprodukte zu angemessenen Preisen finden. Die Entwicklungsländer müssen in die Lage versetzt werden, wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen. Vor allem kommt es darauf an, daß die Entwicklungsländer durch eine Förderung ihrer Ausfuhren in den Stand gesetzt werden, die zu ihrer wirtschaftlichen Entwicklung notwendigen Mittel auf die Dauer selbst aufzubringen. Zu den sozusagen klassischen Formen der Kapitalhilfe, der Technischen Hilfe usw. müssen deshalb auch Hilfen zur Steigerung des Handels der Entwicklungsländer treten. Der Förderung der Einfuhren kommt dabei eine große Bedeutung zu.
Die Möglichkeiten der Bundesrepublik zu einer über das allgemeine wirtschaftliche Wachstum hinausgehenden Importsteigerung sind nun aber begrenzt. Der Abbau mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen ist nur noch in geringem Umfang möglich. Die Bundesrepublik hat auf diesem Gebiet bereits von den rund 6600 Positionen der Einfuhrliste ca. 6200 Positionen voll liberalisiert. Der größte Teil der noch bestehenden rund 400 Einzelbeschränkungen betrifft solche Ernährungsgüter, die für die Ausfuhr der Entwicklungsländer unerheblich sind. Auf dem gewerblichen Sektor sind gegenwärtig noch 150 Positionen Einfuhrbeschränkungen unterworfen, doch ist bereits jetzt die endgültige Liberalisierung von 43 dieser Positionen fest zugesagt, so daß lediglich 107 gewerbliche Erzeugnisse unbefristet kontingentiert bleiben. Ein Teil dieser Waren ist für die Entwicklungsländer ebenfalls ohne Bedeutung; es bestehen indessen bei einer Reihe kontingentierter Textilien Lieferinteressen der Entwicklungsländer. Auf diesem Gebiet ist das Problem der Marktstörungen infolge von Niedrigpreiseinfuhren inzwischen allgemein anerkannt. Bei den Baumwolltextilien hat diese Erkenntnis zu den internationalen Abkommen von Genf geführt, wonach die zur Zeit bestehenden Einfuhrmöglichkeiten innerhalb der nächsten 5 Jahre schrittweise erhöht werden sollen. Die Bundesregierung ist auch künftig bereit, in Anbetracht ihrer Verantwortung als einer der wichtigsten Wirtschaftspartner der freien Welt an der endgültigen Beseitigung der Einfuhrbeschränkungen gegenüber den Entwicklungsländern mitzuwirken. Die völlige Liberalisierung erfordert jedoch eine Zusammenarbeit aller Einfuhrländer.
Wie schon in der Vergangenheit, wird die Bundesregierung auch in der Zukunft auf eine möglichst liberale Zollpolitik im Rahmen der EWG hinwirken. Die Auswirkungen einer solchen Zollpolitik sollten jedoch nicht überschätzt werden, da die EWG-Zölle auf Rohstoffe und tropische Erzeugnisse nicht hoch sind.
Gemeinsam mit den übrigen Mitgliedsländern der EWG bleibt die Bundesregierung bemüht, den Außenzolltarif der Gemeinschaft an die besonderen
Interessen aller Entwicklungsländer anzupassen. So hat die EWG im Rahmen der soeben abgeschlossenen GATT-Zollverhandlungen bei einer Reihe von Erzeugnissen, die für den Handel mit Entwicklungsländern von Bedeutung sind, Zollsenkungen bis zu 20 % vorgenommen. Die Verhandlungen über die Neuregelung der Assoziationsverträge mit den afrikanischen Staaten und Madagaskar sehen darüber hinaus für ,die Produkte dieser Länder Zollfreiheit vor. Als Folge dieser Verhandlungen werden voraussichtlich auch die bereits durchgeführten allgemeinen Zollsenkungen gegenüber den nicht-assoziierten Staaten für einzelne Produkte erheblich ausgedehnt werden. In ihrer Gesamtheit dürften diese Maßnahmen dazu beitragen, den Entwicklungsländern größere Ausfuhrchancen zu geben.
Die Frage einer Senkung der Verbrauchssteuern für Kaffee und Tee ist in den vergangenen Jahren im Bundestag und in seinen Ausschüssen wiederholt eingehend beraten worden. Die sorgfältige Nachprüfung aller Argumente hat ergeben, daß auch eine drastische Senkung oder gar eine Aufhebung dieser Steuern nur zu einem relativ geringen Nutzeffekt für die Kaffee und Tee erzeugenden Länder führen kann. Auf gar keinen Fall würde eine derartige Maßnahme das eigentliche Überschußproblem, das den Weltkaffeemarkt in der derzeitigen Situation kennzeichnet, wahrnehmbar beeinflussen können. Ein Wegfall der Kaffeesteuer würde wahrscheinlich keine wesentlich ins Gewicht fallende Absatzsteigerung bewirken. Der unmittelbare Nutzeffekt würde für die Entwicklungsländer gering sein. Dagegen würde er für die Bundesrepublik einen Steuerausfall von mehr als 800 Millionen DM im Jahre 1962 zur Folge haben und damit bei der jetzigen Haushaltslage das finanzielle Hilfspotential der Bundesrepublik zum Nachteil der Entwicklungsländer wesentlich verringern. Die Erhebung der Kaffee- und Teesteuer stellt demnach gegenüber den Entwicklungsländern mehr ein psychologisches Problem dar, das von der Bundesregierung nicht vernachlässigt werden wird. Ich darf dabei auf die Regierungserklärung vom Herbst vorigen Jahres hinweisen.
Eine Ordnung der Rohstoffmärkte — dies sei hier nochmals betont — kann nur durch internationale Regelungen erreicht werden. Zu dieser Lösung müssen vor allem auch die Entwicklungsländer selbst beitragen, beispielsweise durch Produktionsanpassung. Die Bundesrepublik arbeitet seit langem bei der internationalen Regelung der Rohstoffprobleme mit.
Entscheidend für den langfristig angestrebten Ausgleich des internationalen Güter- und Dienstleistungsverkehrs sind Maßnahmen zur Erweiterung der Exportfähigkeit der Entwicklungsländer. Dieser wichtige Bereich soll in Zukunft stärker als bisher durch entsprechende Steuerung der Kapitalhilfe, der Technischen Hilfe und der Bildungshilfe unterstützt werden. Bei der Technischen Hilfe wird insbesondere an die verstärkte Entsendung solcher Sachverständiger gedacht, die die Entwicklungsländer bei der Auflockerung einseitiger Wirtschaftsstrukturen und bei der Verbesserung ihrer Absatz- und Marktbedingungen beraten. Die notwendige Umstrukturie-



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rung der Entwicklungsländer wird auf die Dauer zu einer neuen Art der internationalen Arbeitsteilung zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern nunmehr auch auf industriellem Gebiet führen müssen. Dieser Prozeß wird allerdings Anpassungsmaßnahmen der deutschen Wirtschaft erforderlich machen.
Die Bestrebungen zur Förderung des Handels der Entwicklungsländer dürfen nicht auf Maßnahmen zur Förderung ihrer Ausfuhren in die Industrieländer beschränkt bleiben. Vielmehr sollte auch der heute noch unbedeutende Warenaustausch unter den Entwicklungsländern selbst gefördert werden. Eine engere Handelsverflechtung zwischen den Entwicklungsländern ist wesentlich. Der bisherige Fortschritt, insbesondere der Industrialisierungsprozesse, zeigt deutlich, daß in den meisten Entwicklungsländern ohne eine engere wirtschaftliche Integration mit den Nachbarn keine vielfältige Wirtschaftsstruktur aufgebaut und damit auch keine Verbreiterung des Exportangebotes zu vertretbaren Preisen und Qualitäten erreicht werden kann.
Zu Ziffer 6:
In Ziffer 6 wird die Frage aufgeworfen, welches Verhältnis zwischen Kapitalhilfe einerseits und Bildungs- und Sozialhilfe andererseits in den Planungen der Entwicklungspolitik von der Bundesregierung angestrebt wird. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß der wirtschaftliche Entwicklungsprozeß soziale Veränderungen mit sich bringt, die zu ernsten Spannungen führen können, wenn diese Veränderungen nicht vorausschauend erkannt und Hilfen für eine geordnete Entwicklung geboten werden. Diese Hilfen betreffen z. B. den systematischen Aufbau bzw. Ausbau öffentlicher und freier sozialer Dienste und die soziale Betreuung der Bevölkerung, die von den Maßnahmen der wirtschaftlichen Entwicklungshilfe unmittelbar oder mittelbar berührt wird.
Zu dieser diffizilen Frage möchte ich vorausschicken, daß sich nach Auffassung der Bundesregierung ein starres Verhältnis zwischen den einzelnen Hilfsformen von vornherein weder allgemein noch in der Anlage bestimmen läßt.
Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Hilfsformen ist vor allem abhängig von den praktischen Notwendigkeiten der verschiedenen Entwicklungsländer. Deshalb wird ein abgewogenes Verhältnis zwischen diesen Hilfsformen innerhalb der Hilfe für jedes einzelne Entwicklungsland angestrebt. Hier sind in erster Linie der allgemeine Entwicklungsstand und die Wirtschafts- und Sozialstruktur des betreffenden Landes und seine Devisen- und Haushaltslage zu berücksichtigen. Die Haushaltslage hat besonders wegen der Folgekosten bei Infrastrukturprojekten und Ausbildungsvorhaben erhebliches Gewicht. Zu berücksichtigen ist ferner die Höhe des verfügbaren privaten Kapitals.
Das Verhältnis zwischen Entwicklungskrediten und anderen Hilfen wird deshalb von Land zu Land verschieden sein müssen. Damit wird gleichzeitig die grundsätzliche Frage berührt, unter welcher entwicklungspolitischen Konzeption unsere bilaterale Hilfe geleistet werden soll. Eine Hilfe ist wegen der
nur begrenzt verfügbaren Mittel relativ wirkungslos, wenn die verschiedenen deutschen Hilfsprojekte in dem betreffenden Land auf die verschiedensten Landesteile und Entwicklungsbereiche verstreut sind. Deshalb strebt die Bundesregierung bei ihrer Entwicklungspolitik in Einzelfällen eine Schwerpunktbildung an. Auf diese Weise sollen wirkungsvolle Projektgruppen mit Ausstrahlungskraft entstehen.
Die Bundesregierung verkennt nicht, daß die Frage des Verhältnisses zwischen einzelnen Hilfsformen bei einzelnen Projekten, insbesondere bei industriellen Großprojekten, von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit der Hilfe sein kann. In solchen Fällen sollte ein angemessener Prozentsatz der Gesamtsumme beispielsweise für Maßnahmen der Sozialarbeit vorgesehen werden.
Zu Ziffer 7:
Unter der Ziffer 7 wird die Frage gestellt, wie für eine Koordinierung der Bildungs- und Sozialhilfe des Bundes mit den Vorhaben der Länder gesorgt ist. Diese Aufgabe ist zweifellos wichtig. Hier geht es letzten Endes darum — wie im Entwicklungshilfebeitrag der Bundesrepublik überhaupt —, die Vielfalt der zur Mitwirkung bereiten und notwendigen Kräfte einerseits wirksam werden zu lassen und andererseits so nützlich wie möglich zusammenzufassen. Die Bundesregierung bejaht demgemäß eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen, in erster Linie im Bereich der Bildungs- und Ausbildungshilfe, um so einen Beitrag zur Verbesserung der Sozialstruktur der Entwicklungsländer zu leisten.
Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich zu dieser Frage der Koordinierung und Zusammenarbeit mehrfach geäußert. So erklärten sie in einer Entschließung vom 4. Mai 1962, daß die Entwicklungspolitik Aufgabe des Bundes ist, die Länder aber bereit sind, „im Rahmen der Entwicklungspolitik des Bundes und nach Abstimmung mit dem Bund Technische Hilfe, besonders Bildungs- und Ausbildungshilfe zu leisten". Damit besteht im Grundsätzlichen bereits ein erfreuliches Einvernehmen über die Notwendigkeit und den Rahmen der Zusammenarbeit und Koordinierung.
Eine Bestandsaufnahme über die Leistungen und die Mitwirkungsbereitschaft der Länder und Gemeinden, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgenommen hat, schuf einen ersten Überblick über die Vielfalt der Initiativen und die speziellen Koordinierungsaufgaben. Immerhin weisen die Länderhaushalte im Rechnungsjahr 1962 über 20 Millionen DM für Beiträge vornehmlich der Bildungs- und Ausbildungshilfe aus, was — wie sich ergeben hat — gegenüber 1961 eine fühlbare Steigerung bedeutet. Länder und Gemeinden haben auch zahlreiche Fachleute verschiedener Berufe — z. B. Gewerbelehrer, Forstbeamte oder Dozenten der Universitäten und Hochschulen — für Aufgaben der Entwicklungshilfe schon seit Jahren freigegeben oder zur Verfügung gestellt.
Der Schwerpunkt der Beiträge der Länder und Gemeinden liegt notwendigerweise im Inland und hier wiederum im Bereich der beruflichen Aus- und Fortbildung. Dazu einige Hinweise: Mehr als 400



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Praktikanten aus Entwicklungsländern weilen gegenwärtig auf Kosten der Länder in ,der Bundesrepublik. Viele Studenten erfahren Förderung und Betreuung. Einige Länder beabsichtigen, Ausbildungsmaßnahmen in Entwicklungsländern finanziell und personell zu tragen. So z. B. hat das Land Baden-Württemberg ein Gewerbeförderungszentrum in Tunesien errichtet. Für solche Fälle sind Vereinbarungen zwischen dem Bund und dem jeweiligen Land ausgearbeitet bzw. vorgesehen, die eine Einheit der Entwicklungspolitik in Planung und Ausführung der jeweiligen Projekte sicherstellen.
Um diese Beiträge zusammenzufügen, gemeinsame Richtlinien zu erarbeiten und den Erfahrungsaustausch zu pflegen, hat ein Länderausschuß Entwicklungshilfe seine Tätigkeit bereits aufgenommen. Die Unterrichtung der Landesregierungen über grundsätzliche Fragen der Entwicklungspolitik des Bundes erfolgt im Rahmen der „Entwicklungshilfekommission der Ministerpräsidentenkonferenz". Auch sind die Länder im Kuratorium der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer vertreten. Bei der Errichtung und Unterhaltung von Zentralstellen für die gewerbliche, die landwirtschaftliche und die Verwaltung betreffende Berufsausbildung, von denen noch an anderer Stelle die Rede sein wird, und bei der Schaffung dazugehöriger Regionalstellen wirken die Länder zum Teil unter Übernahme beträchtlicher Belastungen mit.
Selbstverständlich stehen noch manche Probleme der Koordinierung und der Aufgabenverteilung vor uns. Zusammenarbeit bedarf dauernder Bereitschaft und Bemühungen aller Beteiligten. Aber die bisher überwiegend positiven Erfahrungen berechtigen zu der Hoffnung, daß in der Zukunft Bund, Länder und Gemeinden bei den großen Aufgaben der Entwicklungspolitik gut zusammenwirken.
Zu Ziffer 8:
Unter Ziffer 8 der Großen Anfrage der SPD-Fraktion wird die wichtige Frage der sozialen Sicherung von Personen behandelt, die für die Entwicklungshilfe im Ausland tätig sind. Nach Auffassung der Bundesregierung bedarf dieser Personenkreis, soweit er im Rahmen anerkannter Maßnahmen der deutschen Entwicklungshilfe tätig ist, eines sozialen Schutzes. Ein solcher Schutz kann für die Tätigkeit draußen wie auch bei der Rückkehr aus dem Entwicklungsland notwendig werden.
Die Unterschiede in den Zwecken, in der Dauer und in den Funktionen wie auch die Unterschiede in den Vertragsverhältnissen lassen allerdings eine schematische Regelung nicht zu. Die Frage des sozialen Schutzes muß daher für die verschiedenen Personengruppen jeweils gesondert entschieden werden. Dabei wird die Gesamtheit der Bedingungen zu berücksichtigen sein, unter denen eine Entwicklungstätigkeit ausgeübt wird, besonders die dabei in gesundheitlicher und beruflicher Hinsicht übernommenen Risiken. Gewisse Risiken werden allerdings immer bleiben, sie müssen von den in der Entwicklungshilfe tätigen Personen getragen werden. Andererseits soll nach Auffassung der Bundesregierung eine ausreichende soziale Sicherung dazu beitragen, eine genügende Zahl fähiger Facharbeiter zu gewinnen.
Im einzelnen kann man zu den verschiedenen Personengruppen folgendes sagen:
a) Personen, die im Rahmen der Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung in Entwicklungsländern längerfristig tätig sind, werden von der Deutschen Wirtschaftsförderungs- und Treuhandgesellschaft unter Vertrag genommen. Die vertraglichen Leistungen dieser Gesellschaft sind, was die Höhe der Vergütungen und den sozialen Schutz angeht, im allgemeinen ausreichend und angemessen. Verbesserungen, die dazu beitragen sollen, die Zahl der in der Entwicklungshilfe tätigen Kräfte zu erhöhen, werden gegenwärtig überprüft.
b) Für Personen, die im Rahmen internationaler Organisationen der UNO tätig werden, gilt die von dem UNO-Generalsekretär erlassene Personalordnung.
c) Personen, die als „freie Fachkräfte" eine förderungswürdige Tätigkeit in der Entwicklungshilfe ausüben, sind auf Grund privatrechtlicher Dienstverträge im Entwicklungsland tätig. Vertragspartner dieser freien Fachkräfte können sein die Regierung, ein Unternehmen oder eine Organisation des Entwicklungslandes oder aber auch Unternehmen und Organisationen in der Bundesrepublik.
Für diesen Personenkreis ist eine Regelung in Vorbereitung. Bei dem sozialen Schutz dieser Gruppen ist grundsätzlich davon auszugehen, daß zunächst die freien Frachkräfte für eine Sicherung selbst zu sorgen haben. In besonders gelagerten Fällen werden jedoch Hilfen notwendig sein, um eine ausreichende Sicherung bei Unfall, Krankheit, Invalidität sowie im Todesfall zu gewährleisten und um erforderlichenfalls die Wiedereingliederung nach Beendigung der Tätigkeit 'im 'Entwicklungsland zu ermöglichen oder zu erleichtern. Der Umfang einer eventuellen Hilfe wird von den Bedürfnissen im einzelnen Fall abhängen, dabei ist auch die Höhe der für die Tätigkeit im Entwicklungsland bezogenen Vergütung zu berücksichtigen.
Die große Gruppe der freien Fachkräfte, die für deutsche kommerzielle Unternehmen in Entwicklungsländern tätig ist, dürfte im allgemeinen eine ausreichende Sicherheit erhalten.
Zu Ziffer 9:
Die neunte und letzte Frage weist wiederum auf ein Kernproblem der Entwicklungspolitik hin, nämlich auf die Frage der Ausbildung der für Entwicklungshilfe-Vorhaben im Ausland tätigen Personen. Die Bundesregierung hat von vornherein einen wesentlichen Teil ihrer Anstrengungen auf Vorhaben zur Verminderung des Fachkräftemangels in den Entwicklungsländern konzentriert und wie auf keinem anderen Gebiet hierbei die Unterstützung der Wirtschaft, der Verbände, der Bildungseinrichtungen und der übrigen Öffentlichkeit, eingeschlossen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, gefunden.
Bis aber die nun schon zahlreichen von uns in den Entwicklungsländern errichteten Ausbildungsstätten, die vielen Stipendien und die seit Jahren erfolgreichen Praktikantenprarogmme eine fühlbare Auswirkung zeigen, werden in jetzt schnell anstei-
Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode .— 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2183
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gender Zahl sorgfältig vorbereitete deutsche Berater, Sachverständige, Lehrkräfte und sonstiges Fachpersonal in die Entwicklungsländer entsandt werden müssen. Mit diesen Investitionen in Menschen und durch Menschen wird das Selbsthilfepotential unserer Partner auf die nachhaltigste Weise gefördert, gleichzeitig aber auch — die Hoffnung sei in aller Offenheit zugegeben — unserem eigenen Bildungswesen ein vielleicht folgenreicher Impuls gegeben. Gut vorbereitete, qualifizierte Fachkräfte sichern zudem die sparsame und wirksame Verwendung der begrenzten Mittel. Personelle Hilfe stärkt, sichert und multipliziert die Wirkung der Kapitalhilfe.
Jede Tätigkeit in Entwicklungsländern erfordert neben der selbstverständlichen Fachausbildung zusätzliche berufliche, pädagogische, sprachliche, länder- und kulturkundliche und sogar entwicklungsmethodische Kenntnisse und Fertigkeiten. Bei der Vorbereitung deutscher Fachkräfte sind wohl auch zusätzliche zeitgeschichtliche und staatsbürgerliche Informationen zu vermitteln. Daß außerdem die Anforderungen einer Tätigkeit in Entwicklungsländern die ganz persönliche geistige Orientierung des Einzelnen auf die Probe stellen, darf dabei nicht vergessen werden.
All dieses macht ein System genau angepaßter, den persönlichen Entscheidungen genügend Raum gewährender Ausbildungsgänge und -einrichtungen notwendig. Ein Teil davon wird zur Zeit systematisch von der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, den Gemeinden und anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen auf- und ausgebaut. Die Bundesregierung legt aber Wert darauf, daß auch die Privatwirtschaft ihre in einzelnen Fällen schon traditionsreichen Ansätze zur Ausbildung ihrer Fachkräfte für eine Übersee-Tätigkeit und auch zur Ausbildung der Fachkräfte der Entwicklungsländer für eine Tätigkeit in deutschen Entwicklungsvorhaben weiterentwickelt und dem Bedarf anpaßt.
An dieser Stelle ergibt sich die Gelegenheit, auf die Umformung der gelegentlich in der Öffentlichkeit vertretenen Ansichten über die Ausbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer hinzuweisen. Die Auswertung der bisherigen Erfahrungen zeigt, daß eine zunehmende Verlagerung der Ausbildung in die Entwicklungsländer selbst einen größeren Erfolg verspricht. Das gilt vor allem für die Grundausbildung, die in der eigenen gewohnten Umgebung und in dem Milieu der späteren Tätigkeit erst zu einer gewissen beruflichen und menschlichen Bewährung führen soll. Bei Studenten zielt diese Erkenntnis auf die ersten Semester und die sprachliche Vorbereitung. Die beträchtlichen inneren und äußeren Belastungen einer Ausbildung unter den ungewohnten Lebensbedingungen in einem Industrieland sollten mehr und mehr nur jenen zugemutet werden, die auf einer beruflichen Grundlage eine qualifizierte Weiterbildung benötigen, soweit diese nur in einem Industrieland möglich ist. Daneben kann auch die Ausbildung in einem dritten Land, etwa einem Entwicklungsland, das Beispiele erfolgreich fortgeschrittener Vorhaben vorweisen kann, nützlich sein.
Auch die Vorbereitung deutscher Fachkräfte, auf die sich Punkt 9 der Anfrage wohl in der Hauptsache bezieht, muß die zusätzlichen Erfahrungs- und Demonstrationsmöglichkeiten nutzen, die zum Teil nur in befreundeten Industrieländern mit langer Übersee-Erfahrung, bei internationalen Organisationen oder ebenfalls in fortgeschrittenen Entwicklungsländern vorhanden sind.
Die Bundesregierung kann sich sowohl bei der Reform der Ausländerausbildung wie auch beim Ausbau .der Vorbereitungsmöglichkeiten für deutsche Fachkräfte auf die wertvollen Erfahrungen der Kirchen und die Ergebnisse zahlreicher privater Initiativen stützen. Auch an einigen Hoch- und Fachschulen wird inzwischen in aller Stille ein noch bescheidener, aber hochwillkommener „Vorrat" an Fachkräften für Entwicklungsvorhaben herangebildet.
Das im Frühsommer in dem Ausschuß für Entwicklungshilfe des Deutschen Bundestages einstimmig begrüßte „Sozial-, Ausbildungs- und Bildungsprogramm für Entwicklungsländer" weist auf zahlreiche Initiativen der Bundesregierung hin, von denen hier nur einige nochmals erwähnt werden sollen.
Die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer hat bisher durch eine Anzahl von Seminaren und Kursen zur Vorbereitung deutscher Fachkräfte beigetragen. Die Stiftung sucht mit drei „Zentralstellen" neue Wege zur Vorbereitung deutscher Fachkräfte für Aufgaben der Entwicklungspolitik zu gehen. Diese Vorbereitung wird eng gekoppelt mit der Ausbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer, vor allem von Lehrkräften, die späterhin die Aufgaben der deutschen Fachleute übernehmen sollen. Die Zentralstellen werden mit den bereits bestehenden Ausbildungsstätten der Länder eng zusammenarbeiten und deren Tätigkeit koordinieren.
Die Zentralstelle für gewerbliche Berufsförderung beginnt in Mannheim Anfang Dezember zunächst mit der Ausbildung der erwähnten einheimischen Fachkräfte, die für die Übernahme der Aufgaben der deutschen Lehrer an Gewerbeschulen in Entwicklungsländern vorgesehen sind. Von den Aufgaben der Zentralstelle für Landwirtschaft soll zunächst die Vorbereitung von Agrartechnikern in der Lehranstalt für tropische Landwirtschaft in Witzenhausen unter Benutzung der dort vorliegenden Erfahrungen beginnen. Darüber hinaus hat das Institut für ausländische Landwirtschaft der Technischen Universität Berlin im Einvernehmen mit der Zentralstelle für Landwirtschaft die zusätzliche Ausbildung von Diplom-Landwirten für eine Tätigkeit in den Entwicklungsländern übernommen.
Die Frage der Übertragbarkeit bei uns bewährter Institutionen und Muster auf die Entwicklungsländer stellt sich besonders kritisch bei der Entwicklung einer leistungsfähigen Verwaltung. Nach eingehender Prüfung hat es sich als notwendig erwiesen, Personen, die in der Verwaltungshilfe eingesetzt werden, im Rahmen einer engeren und auf längere Dauer berechneten Zusammenarbeit mit der Verwaltung des Entwicklungslandes erst dann zu entsenden, wenn sie zuvor mit dem Rechts- und



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Verwaltungssystem des Entwicklungslandes, seinen ethnologischen und soziologischen Gegebenheiten vertraut gemacht sind und wenn zugleich auch nach Möglichkeit eine sprachliche Vorbereitung stattgefunden hat. Mit den Vorarbeiten bei der Verwaltungsausbildung ist versuchsweise die Zentralstelle für öffentliche Verwaltung in Berlin befaßt.
Das Sozial-, Ausbildungs- und Bildungsprogramm greift auch auf anderen Fachgebieten zahlreiche erfolgversprechende Initiativen auf, um Hinweise für eine systematische Fortentwicklung zu geben.
Auf akademischem Gebiet ist in Anbetracht der nicht ganz einfachen Erfahrungen mit jetzt zwischen 10 000 und 14 000 Studenten aus Entwicklungsländern an deutschen Universitäten und Hochschulen nicht nur eine Verstärkung der Betreuung vorgesehen, sondern auch die Förderung neuer Lehr- und Studienmöglichkeiten. Dabei sollten insbesondere entwicklungsmethodische Fragen und die Anwendung des hier erworbenen Wissens unter den besonderen Bedingungen der Entwicklungsländer behandelt werden. Damit wird gleichzeitig dem regen Interesse deutscher Studenten an Fragen der Entwicklungsproblematik entgegengekommen, zumal zahlreiche Studenten bereit sind, ihr Studium jetzt schon auf eine künftige vorübergehende oder dauernde Tätigkeit in Entwicklungsländern einzurichten.
Mit Vorbereitungs- und Ausbildungslehrgängen außerhalb akademischer Einrichtungen wurden für verschiedene Berufszweige, aus denen Fachkräfte besonders dringend angefordert wurden, schon Erfahrungen gesammelt. So wurden z. B. BergbauIngenieure in einem längeren Kurs vorbereitet. Erfreulicherweise kann festgestellt werden, daß der Großteil dieser Kräfte schon sehr bald eine Einsatzmöglichkeit in deutschen Entwicklungsvorhaben fand. Abgesehen von den laufenden Programmen für Fachkräfte der Industrie und für Genossenschaftsberater haben die in dem „Sozial-, Ausbildungs- und Bildungsprogramm" vorgesehenen Maßnahmen für den Sozialbereich zu einem intensiven Meinungsaustausch mit den zuständigen Organisationen geführt. Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege haben schon längere Erfahrungen mit dem System der gleichzeitigen Schulung von eigenen Kräften für die Sozialarbeit in Entwicklungsländern wie auch von Sozialarbeitern der Entwicklungsländer. Für Vorhaben, die den verstärkt angemeldeten Bedarf an Sachverständigen der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung und der Dorf- und Gemeindeentwicklung zu decken in der Lage sind, ist eine Gemeinschaftsstelle der Verbände und Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung geplant. Für Fachkräfte des Films, des Rundfunks und der Presse und -nicht zuletzt des Buchwesens werden Ausbildungslehrgänge vorbereitet. Nachwuchskräfte, die sich für eine längere Tätigkeit in Entwicklungsländern verpflichten wollen, sollen Stipendien erhalten, die ihnen eine z. T. mehrjährige Studien- und Volontärzeit im In- und Ausland ermöglichen. Vielleicht wird aus diesen Ansätzen ein neuer 'Berufstyp für Entwicklungskräfte entstehen.
Unter der Bezeichnung „Entwicklungsdienst: Lernen und Helfen in Übersee" ist eine Aktion in Vorbereitung, die jungen deutschen Fachkräften Gelegenheit geben soll, für eine Zeitlang in Entwicklungsländern unter Verzicht auf Vorgesetztenstellung durch das Beispiel persönlicher und fachlicher Tüchtigkeit und bescheidener Lebensführung einen Beitrag zur Entwicklungshilfe zu leisten und dabei gleichzeitig wertvolle Erfahrungen zu gewinnen. Den 'deutschen Verhältnissen entsprechend ist eine Einrichtung vorgesehen, -die eine enge Zusammenarbeit der deutschen Jugend- und Studentenverbände und erfahrener privater Organisationen der Entwicklungshilfe ermöglicht. Ein Büro für diese Aktion, deren endgültige Bezeichnung noch gefunden werden muß, wird demnächst in Bonn . eingerichtet werden, um die zahlreichen Anfragen aus weiten Kreisen der deutschen Jugend bald beantworten zu können

(Abg. Wischnewski: Überhaupt, Herr Minister!)

und die ersten Vorhaben in 'Entwicklungsländern, und zwar vorerst im Zusammenhang mit dem Ausbau einiger deutscher Ausbildungsstätten, zu verwirklichen.
Die Teilnehmer an diesem Programm werden sich einer gründlichen Vorbereitung unterziehen müssen. Außer Länder- und Kulturkunde, Entwicklungsmethodik, Zeitgeschichte ,und staatsbürgerlicher Information und selbstverständlich einer intensiven Sprachenschulung wind die Vorbereitung ein Training vermitteln, das dem Teilnehmer ein Gefühl für seine Leistungsfähigkeit, aber auch für die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit geben soll. Auf die Fähigkeit zum Improvisieren und die Anwendung handwerklicher 'Grundkenntnisse unter erschwerten Bedingungen wird besonderer Wert gelegt.
Auf Einladung des amerikanischen Friedenskorps werten zur Zeit zwei Beobachter für die Bundesregierung die dort gemachten Erfahrungen aus.
Die Bundesregierung glaubt, daß mit diesen Programmen ein guter Ansatz für eine systematische Weiterentwicklung der bisher im großen und ganzen erfolgreichen Ausbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer und der Vorbereitung deutscher Fachkräfte gemacht worden ist.
Zum Schluß erklärt die Bundesregierung, daß die in dieser Antwort auf die Große Anfrage aufgezeigten Maßnahmen und Lösungsmöglichkeiten nur Teilbereiche der Entwicklungspolitik betreffen. Sie sollten deshalb auch nur als Einzelprobleme des Gesamtkomplexes Entwicklungspolitik verstanden werden. Einzelne Bereiche der Hilfe mögen besonders wichtig erscheinen. Jedoch müssen sie alle im Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik gewissermaßen harmonisiert und den finanziellen und personellen Möglichkeiten der Bundesrepublik angepaßt werden.
Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Entwicklungshilfe nicht nur im Interesse der Entwicklungsländer liegt, sondern auch im wohlverstandenen Selbstinteresse des deutschen Volkes. Dies gilt 'sowohl für die Sicherheit der Bundesrepu-



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blik als auch für die Gewährleistung eines weiteren Wachstums der deutschen Wirtschaft, das weitgehend von außenwirtschaftlichen Bedingungen mitbestimmt wird. Die Beschaffung der für die Entwicklungshilfe notwendigen Finanzmittel wird jedoch in den nächsten Jahren schwierig sein. Um so notwendiger ist deshalb auch die Straffung unseres entwicklungspolitischen Potentials und dessen sorgfältig abgewogener Einsatz.
Die Bundesregierung benutzt diese Gelegenheit, um den Bundesländern und Gemeinden, den Kirchen, den Organisationen und der Wirtschaft für ihre Tätigkeit in den Entwicklungsländern zu danken und sie zugleich zu vermehrten Leistungen aufzurufen. Die vor uns liegende Aufgabe, der Spaltung der Welt in Elend und Wohlstand entgegenzuwirken, wird nur durch die gemeinsame Anstrengung aller der Entwicklungspolitik aufgeschlossenen Kräfte des deutschen Volkes gelöst werden können.

(Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404901400
Die Große Anfrage der Fraktion der SPD ist beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Wird die Beratung der Antwort verlangt? Es ist notwendig, daß 30 anwesende Abgeordnete dieses Verlangen stellen. Ich bitte, Zeichen zu geben. — Ich glaube, es sind ungefähr 32.

(Heiterkeit.)

Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Fritz.

Dr. Gerhard Fritz (CDU):
Rede ID: ID0404901500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten 32 Abgeordneten! Man kann annehmen, daß die Zahl, die der Herr Präsident genannt hat, stimmt, daß er das Haus während der Rede des Herrn Ministers durchaus aufmerksam beobachtet hat.
Die Große Anfrage der SPD zeigt, daß alle Fraktionen des Bundestages — das hat Herr Kollege Wischnewski betont — in der Auffassung, daß wir Entwicklungshilfe zu leisten haben, eigentlich nicht auseinandergehen, sondern daß wir alle gemeinsam das Problem der Entwicklungshilfe sehen und uns gemeinsam verpflichtet fühlen — auch gegenüber der freien Welt —, unseren Beitrag zu erbringen. Die Kritik, die wir im Hause zu üben hätten, würde sich also nicht an der Frage entzünden, ob wir etwas zu leisten haben, sondern sie würde sich nur daran entzünden, wie wir es leisten sollen.
Die Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion enthält nicht mehr eine erste Frage nach der Konzeption einer deutschen Entwicklungspolitik. Offensichtlich sind wir so weit gekommen, daß sich sagen läßt: das Problem löst sich in viele Teilprobleme auf, die teilweise technischer Natur sind und die wir eigentlich in einer relativ friedlichen Diskussion miteinander behandeln können. Angesichts des Ablaufs der letzten Debatte über dieses Thema ist es vielleicht auch besser, daß wir heute nicht mehr allgemein über Grundsätze der Entwicklungshilfe
sprechen, sondern uns konkret über die Gestaltung von Einzelmaßnahmen auseinandersetzen, soweit überhaupt noch von einer Auseinandersetzung da und dort die Rede ist.
Ich muß offen gestehen: als ich Ihre Begründung hörte, Herr Kollege Wischnewski, habe ich gleich die Hälfte aus meinem Konzept herauswerfen können, weil sich vieles genau mit dem deckte, was ich hier vorzutragen habe.

(Abg. Kalbitzer: Sie sollten nicht den Tag vor dem Abend loben! Sie wissen nicht, was noch kommt!)

— Herr Kollege Gewandt wird noch zur Verfügung stehen, falls Sie, Herr Kollege Kalbitzer, eine andere Meinung vertreten sollten.

(Abg. Wischnewski: Haben Sie AdK auch herausgeworfen?)

— Ich komme noch auf das Thema AdK zu sprechen. Es steht zwar nicht auf der Tagesordnung, aber da Sie es angeschnitten haben, darf ich mir einen Satz dazu erlauben. Aber zunächst darf ich noch bei einem friedlichen Thema bleiben.
Sie sprachen davon, daß wir Entwicklungshilfe ohne jeglichen politischen Druck geben wollen. Dieser Grundsatz wird auch von uns begrüßt. Man kann jedes Wort unterstreichen, das Sie hier gesagt haben. Aber eines darf ich doch besonders herausstellen: Entwicklungshilfe ohne jeden politischen Druck leisten bedeutet für uns nicht, daß wir Ländern Entwicklungshilfe geben wollen, die gegen unsere politischen Interessen in der Welt handeln.

(Beifall in der Mitte.)

Eine politische Abstinenz in der Entwicklungspolitik können wir auch unseren Staatsbürgern und unseren Steuerzahlern gegenüber nicht vertreten.

(Zuruf von der SPD.)

— Sie haben nicht Entgegenstehendes gesagt. Ich wollte das lediglich zur Klarstellung und Ergänzung sagen.
Sie haben weiterhin erklärt, daß Entwicklungshilfe keine Maßnahme des Kalten Krieges sei. Auch das unterstreichen wir. Aber ich darf dazu noch erklärend sagen, daß die Entwicklungshilfe zur Maßnahme des Kalten Krieges im Grunde genommen nur durch die Art und Weise geworden ist, wie der Ostblock Entwicklungshilfe leistet. Wir sehen es doch ganz deutlich an den multilateralen Leistungen, also an jenen Leistungen, die anonym gegeben werden müssen. Die Beitragsleistung des Westens und damit auch der Bundesrepublik Deutschland ist auf diesem Gebiet recht hoch. Der Osten hingegen gibt als Beiträge an die Sonderorganisationen der UNO nicht mehr als 2 oder 3 %.
Herr Kollege Wischnewski hat ferner seiner Sorge über die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik zum Thema Entwicklungspolitik, Entwicklungshilfe Ausdruck gegeben. Diese Sorge teilen wir durchaus. Wir wollen nicht über die Gründe diskutieren. Die Gründe liegen jedenfalls nicht in unserer gemeinsamen Politik, auch nicht in der Politik der Bundesregierung, sondern die Erscheinungen, die uns Sorge



Dr. Fritz (Ludwigshafen)

bereiten, erwachsen aus ganz anderen Motiven. Deswegen müssen wir versuchen, durch eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit das Meinungsbild in der Bevölkerung zu bessern. Die Öffentlichkeitsarbeit müßte verbessert werden, manches in der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung müßte geändert und vervollkommnet werden. Aber wir wissen genau, daß hier von einer Schuld der Regierung nicht gesprochen werden kann. Auf unsere Regierung kamen diese Aufgaben völlig neu zu. Unsere Regierung mußte zunächst einmal Möglichkeiten überhaupt schaffen und Methoden finden, um dieses Thema der Bevölkerung nahezubringen.
Diese Frage steht, wie gesagt, leider nicht in der Anfrage; trotzdem darf ich, wenn Sie es gestatten, noch einige spezielle Anmerkungen machen. Meiner Ansicht nach hat die Regierung, das sage ich ganz offen, richtig gehandelt in einer Situation, in der die Entwicklungshilfe in der Bevölkerung nicht nur Freunde hat. Sie mußte versuchen, in dieser Situation möglichst schnell eine Aufklärung zu geben. Und da war eben die AdK unter vielen Organisationen eine Organisation mit einem sofort verfügbaren Rednerdienst. Andere Organisationen werden ja ebenfalls an diesem Programm der Öffentlichkeitsarbeit im Innern unseres Landes beteiligt werden. Im übrigen arbeiten in der AdK sehr viele Persönlichkeiten aus dem parteineutralen Rahmen mit. Ich glaube richtig unterrichtet zu sein, wenn ich sage, daß auch Mitglieder Ihrer Partei dort als Redner tätig sind.
Im übrigen ist die Diskussion im Grunde genommen schon abgeschlossen, weil in der zweiten Tranche im Haushalt für diese Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen ist, daß beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Internationaler Kulturaustausch und andere Kreise berücksichtigt werden, um den Charakter der Überparteilichkeit der Entwicklungshilfe — wie die Regierung in einem Papier erklärte — zu dokumentieren. Dies soll also in der zweiten Tranche geschehen. Einige dieser Organisationen haben bereits Tagungen, Seminare und ähnliches veranstaltet, noch für dieses Jahr geplant und diese zunächst vorschußweise vorfinanziert in Erwartung der Erstattung ihrer Kosten aus der zweiten Tranche des Tit. 332. Darüber hinaus ist geplant, die Bundeszentrale für Heimatdienst mit zu beteiligen mit etwa 50 Organisationen. Sie kennen die Erklärung, die uns gestern im Ausschuß gegeben worden ist. Vielleicht darf ich freundschaftlich noch daran erinnern, daß die Friedrich-Ebert-Stiftung, deren Arbeit ich sehr schätze, mit Regierungsmitteln immer wieder sehr großzügig gestützt wird, nicht nur in dieser Arbeit, sondern auch in einer anderen sehr wertvollen Arbeit auf dem Gebiet des sogenannten vorpolitischen Raumes.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

— Nun, wir begrüßen das, wir sind ja da großzügig.
Sie haben auch die Mobil-Werbung erwähnt. Ich finde, die Mobil-Werbung hat sich unabhängig von allen anderen Aufgaben, die ihr natürlich wie jedem Werbebüro gestellt werden, im Ausland ausgezeichnet bewährt. Sie hat dort eine hervorragende Arbeit geleistet, die sogar von Ihrer Seite große Anerkennung gefunden hat. Beispielsweise hat unser ehemaliger Kollege Kühn in Westafrika die Arbeit der Kinomobile besichtigt und sich sehr lobend über den Einsatz der Techniker geäußert. Diese kamen von der Mobil-Werbung. Er äußerte sich jedoch kritisch über den Einsatz der Filme. Diese kamen vom Bundespresseamt. Dies tut mir leid. Ähnliche Kritik haben wir aber schon im Ausschuß in ähnlicher Weise geübt. Der Kollege Kühn sagte damals, daß er der Arbeit des Filmeinsatzes im Ausland eine besondere Bedeutung zumißt und daß diese Arbeit gefördert und unterstützt werden sollte. Ich glaube, wir begrüßen das gemeinsam; diesen Satz können Sie sicherlich auch unterschreiben.
Sie kritisieren, daß die Mobil-Werbung im Inland eingesetzt worden ist. Nun, ich möchte fragen: warum? Ich habe versucht, zu erfahren, was da getan worden ist, und mußte feststellen, daß die Mobil-Werbung einige Filme laufen läßt, und zwar einen vom Bundespresseamt hergestellten Farbfilm „Die große Chance", der auch bei Ihnen, glaube ich, eine gute Beurteilung gefunden hat. Es ist nicht der Film, den Sie, Herr Kollege Wischnewski, im Ausschuß gestern kritisiert haben. Es handelt sich weiterhin um den neuesten „Deutschland-Spiegel" und einen Sportfilm „Start und Ziel". Ich glaube, in einem solchen Filmeinsatz kann man nicht ein besonders politisches Engagement sehen.
Im übrigen sind wir uns wahrscheinlich hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit darüber einig, daß wir — wie wir im Entwicklungsausschuß beschlossen haben — einen Wirtschaftsplan aufstellen wollen, getrennt nach Ausland und nach Inland. Wir sind uns auch 'darüber einig, daß es für die Arbeit innerhalb der Regierung zweckmäßig wäre, wenn der Referentenausschuß für Öffentlichkeitsarbeit noch straffer organisiert würde und wenn er eine Konzeption für die Öffentlichkeitsarbeit im In- und Ausland vorlegte. Es wäre auch gut — wir haben das schon vorgeschlagen —, wenn für diese Arbeit ein, ich möchte fast sagen, neutrales Sachverständigengutachten eingeholt würde, in dem einmal dargestellt wird, welche Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe im In- und Ausland gegeben werden und welche Wirkungen diese Öffentlichkeitsarbeit hat. Dieses Gutachten könnte auch als Grundlage für unsere weitere Arbeit dienen.
Ich darf dann vielleicht, Herr Minister, wenn Sie gestatten, an einen Vorschlag zu erinnern, den ich nun schon das zweite Mal wiederholen muß. Die Bundesregierung sollte sich bemühen, einen möglichst detaillierten Jahresbericht über die Entwicklungshilfe zu erstellen. In diesem Bericht sollte man von Globalzahlen wegkommen und die Entwicklungshilfe für unsere Steuerzahler anschaulich darstellen. Ich darf Sie an Ihren Kollegen im Schatzministerium erinnern. Die Kritik an unserem Bundeserwerbsvermögen war groß, solange nur mangelhafte Berichte im Anhang des Bundeshaushalts veröffentlicht wurden. In dem Augenblick, als der leider so früh verstorbene Minister Lindrath daran gegangen ist, einen ausgedehnten Bericht über die bundeseigenen Unternehmen zu veröffentlichen, ist die Kritik weitgehend verstummt. Ich nehme an, daß



Dr. Fritz '(Ludwigshafen)

das auf .dem Gebiet der Entwicklungshilfe ähnlich sein wird. In der Öffentlichkeit wird man immer wieder auch darauf angesprochen.
Ich bin durchaus der Meinung, daß wir in der Öffentlichkeits eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen haben. In der Bevölkerung - sowohl bei den Anhängern der SPD und der FDP als auch bei unseren Anhängern — besteht nicht immer — ich möchte das offen sagen eindeutig die Meinung, daß wir die Entwicklungsleistungen geben sollten. Man 'fragt uns, warum wir sie geben. Hier haben wir gemeinsam Aufklärungsarbeit zu leisten. Hier muß unsere Verantwortung sichtbar werden.
Herr Kollege Kalbitzer, gestatten Sie, daß ich nun Ihnen etwas sage. Ich schätze Sie persönlich, Ihre sachliche Arbeit und unsere Zusammenarbeit sehr. Aber Aufklärungsarbeit in diesem Sinne kann man meiner Ansicht nach nicht so treiben, wie das in einem Aufsatz des „Vorwärts" geschehen ist, den Sie im Oktober veröffentlicht haben und woraus ich vielleicht einen Satz, Herr Präsident, .kurz vorlesen darf. Sie sagen dort:
Der Bundeshaushalt 1963 sieht, soweit bekannt ist, eine Erhöhung des Wehretats um etwa 3 Milliarden DM, aber eine Verringerung der Entwicklungshilfe um etwa 1/2 Milliarde DM vor; diese einseitige 'Betonung der Rüstung wird in der Welt als, mangelnder Weitblick und Vernachlässigung der Partnerschaft bewertet.
Ich bitte zu entschuldigen, aber dieser Satz stammt aus dem Jahre 1958; inzwischen, gehen die Uhren etwas anders. Man sollte heute auf solche Sätze verzichten. Ichglaube, daß nach Ihrer heutigen Diktion diese Schreibweise nicht unbedingt notwendig ist.
Aber davon einmal abgesehen! Herr Kollege Wischnewski hat eigentlich nur drei Forderungen gestellt. Diese Forderungen stellen im Grunde genommen auch wir und die Regierung: Die Entwicklungshilfe soll schneller erfolgen, sie soll besser gegeben werden, und sie soll wirksamer 'gestaltet werden.

(das ichsehr begrüße, daß die Bundesregierung sich doch bemüht habe, den Ausschuß für Entwicklungshilfe in der Vergangenheit auch über Detailfragen sehr genau und freigiebig 'zu unterrichten. Hier muß ich allerdings — das gestatten Sie mir — eine kleine Kritik an unserem Ausschuß üben. Daß wir nicht unterrichtet 'worden sind, lag teilweise nicht an der Regierung, sondern daran, 'daß wir infolge mangelnder Sitzungsmöglichkeiten des Ausschusses keine Zeit hatten, runs unterrichten zu lassen. Auch darauf sollte man hinweisen. Manches wäre uns gesagt worden, wenn 'wir 'die Gelegenheit wahrgenommen hätten. Man muß in diesem Zusammenhang, wenn man dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit lobende Worte 'spendet, darauf hinweisen, daß in 'der gesamten Regierung und darüber hinaus seit Jahren wenigstens 400 Beamte, Angestellte usw. im Rahmen der Entwicklungshilfe tätig sind und auf diesem Gebiet eine recht gute und sorgfältige Arbeit (leisten. Diese Zahl muß man deswegen nennen, weil die Amerikaner offensichtlich über ganz andere Möglichkeiten verfügen. Bei Iden Amerikanern wirken heute rund 17 000 Menschen im amtlichen Auftrage im Inland und im Ausland im Rahmen der Entwicklungshilfe, davon allein, glaube ich, 5000 in der amerikanischen Verwaltung in Washington und New York. Tch darf nun noch einige Bemerkungen zu den Einzelheiten machen. Auch wir sind der Meinung, daß sich das BMZ bisher in seiner Aufgabe bewährt hat und daß das interministerielle Zusammenspiel sehr gut ist. Anders kann man es nicht bezeichnen. Daß sich dort, wo sich verschiedene Zuständigkeiten ergeben — doch, Herr Kollege Wischnewski, das kann man sagen —, natürlich auch Reibungspunkte ergeben, ist ganz klar. Das ist in jeder Verwaltung zu finden. Eines darf ich mit Sicherheit sagen: am Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit wird sich eine Koalitionsfrage nicht irgendwie entzünden, Herr Minister. (Abg. Wischnewski: Das ist eine ausgesprochene Personenfrage; das hat mit der Sache nichts zu tun; das ist keine Sachfrage!)


(Zuruf des Abg. Wischnewski)

— Man kann es als Sachfrage, man kann es als Personenfrage sehen; wie Sie wollen. Aber das ändert ja nichts an der Feststellung.
Natürlich gibt es manchmal Vorschläge und Überlegungen, wie man die Zusammenarbeit verbessern kann, was man tun kann, um einen schnelleren Ablauf der Entwicklungshilfe zu erreichen. Vorhin wurde von Ihnen der Vorschlag erwogen, eine Zentralstelle für den Ablauf der Hilfe zu schaffen. Wir hatten früher schon einmal so etwas wie ein Bundesamt für technische Hilfe gefordert. Bei einem solchen Aufbau muß natürlich daran gedacht werden, daß die Zuständigkeit der Länder hier vielleicht in der einen oder in der anderen Frage berührt wird und daß wir diese Schwierigkeit überwinden müssen.
Ich darf vielleicht noch einige andere Detailfragen kurz ansprechen. Sie erwähnten vorhin die Botschafterkonferenz, die in Ostafrika durchgeführt worden ist. Eine ausgezeichnete Sache, daß die Botschafter zusammengerufen werden — wie das schon bei der letzten Bundesregierung der Fall war —, um auch über Fragen der Entwicklungshilfe unterrichtet zu werden, um auch von ihrer Seite wieder sagen zu können, welche Mängel sie festzustellen haben. Ich würde es begrüßen, wenn man solche Konferenzen vielleicht etwas ausweiten könnte, wenn beispielsweise auch andere Ressorts bei solchen Konferenzen die Gelegenheit hätten, unmittelbar den Rat der Botschafter einzuholen und umgekehrt den Botschaftern wieder unmittelbar mit Auskünften zur Verfügung zu stehen.
Auch in der Frage der Planung und Durchführung, in der Frage der Organisation nachgeordneter Behörden wäre vielleicht das eine oder das andere noch besser zu koordinieren. Allerdings glaube ich kaum, daß im wesentlichen eine stärkere Konzen-



Dr. Fritz (Ludwigshafen)

trierung möglich ist. Natürlich würden auch wir es gern sehen, wenn man nun — gewissermaßen wie einen Schnitt durch einen gordischen Knoten — alle Kompetenzen in einem Ministerium zusammenlegen könnte. Auf der anderen Seite wissen wir aber genau, daß Zuständigkeiten, die im Wirtschaftsministerium gegeben sind, die im Auswärtigen Amt gegeben sind, im Verkehrsministerium, selbst im Gesundheitsministerium und in anderen Ministerien, nicht ohne weiteres verlagert werden können, weil diese Zuständigkeiten nicht auf einem Kompetenzstreit beruhen, sondern auf einer sachlichen Notwendigkeit. Das Fachwissen läßt sich nicht ausschalten, sonst müssen wir die Stellen doppelt schaffen und müssen ein Mammutministerium einrichten, obwohl wir innerhalb der Regierung auch in anderen Ministerien wieder Fachleute finden.
In der gestrigen Beratung hat mir beispielsweise ein Satz nicht gefallen. Das möchte ich auch ganz offen sagen. Im außerordentlichen Haushalt — Einzelplan 23 Kap. 02 Tit. 570 —, hat der Herr Bundesfinanzminister erklärt:
Über die Inanspruchnahme der zweiten Hälfte der Bindungsermächtigung beschließt auf Vorschlag des Bundesministers der Finanzen das Bundeskabinett.
Wir haben uns gestern darüber unterhalten. Ich sehe eigentlich nicht ein, warum man eine solche Erschwerung schafft, zumal doch der Bundesfinanzminister die Möglichkeit hat, in jedem Referentenausschuß oder Unterausschuß etwas zu Hilfsleistungen zu sagen und sogar zu erklären: Das können wir aus finanzpolitischen Gründen nicht durchführen. — Da braucht man nicht noch eine weitere Bremse einzubauen und damit lediglich den Bremsweg eines notwendigen Ablaufs zu verkürzen.
Das neue Ministerium hat, wie gesagt, auch gezeigt, daß es möglich ist, mit den Ländern gut zusammenzuarbeiten. Es war gut, ihnen diese Arbeit zu übertragen. Die Länder haben ja in Fragen der Entwicklungshilfe — zumindest im Hinblick auf die Leistung des versprochenen Beitrags — den höchsten Erwartungen entsprochen; sie hatten im vergangenen Jahr versprochen, eine Leistung von 500 Millionen DM zu erbringen. Es ist erfreulich, wenn man heute aus der Liste der Zahlungen feststellt, daß diese Leistungen bis auf rund 4 Millionen DM, die nicht zu Buche schlagen, erbracht worden sind. Das zeugt davon, daß auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund offensichtlich gut gestaltet worden ist.
Einigermaßen zufriedenstellend läuft auch die Beurlaubung von Lehrern, die in den Diensten der Länder stehen; sie erfolgt nur zu kurzfristig. Man sollte hier zu längerfristigen Abmachungen kommen. Im übrigen haben ja auch die Länder einen gewissen Vorteil. Wenn Lehrer von Berufsschulen oder anderen Schulen ins Ausland kommen, dort lange tätig sind und dann zurückkehren, beleben sie wesentlich den Unterricht im Heimatland. Ähnliches gilt für 'die Universitäten. Hier ist natürlich die soziale Frage zu stellen, auf die Sie, Herr
Minister, in Ihrer Regierungsantwort ausführlich eingegangen sind. Die Frage der Bildung von Leerstellen an den Universitäten in den Ländern ist teilweise noch unbefriedigend gelöst trotz Ihres Antrags, trotz unseres Antrags. Diese Frage zu klären, liegt natürlich nicht in unserer Zuständigkeit. Der Bund hat 'dort, wo es sich um seinen Bereich handelt, vorbildliche Lösungen gefunden.
Zu den Aufgaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit gehören auch, wie zu lesen ist, Kontrollen oder Beobachtungen. Das ist ein Gebiet, das uns alle bisher wenig befriedigt, weil wir ja auch unserem Steuerzahler gegenüber für das verantwortlich sind, was wir draußen, was andere Länder mit unseren Geldern durchführen. Es sind hier verschiedene Fragen zu stellen: Wer beobachtet, was wird beobachtet, wie wird beobachtet?
Bei 'den Beobachtungen oder Kontrollen sind nicht nur Mängel herauszustellen; wir müssen auch andere Dinge sehen, beispielsweise, was die Praktikanten draußen machen, die bei uns ausgebildet worden sind, ob sie inzwischen schon Hotelportiers oder Taxifahrer in den großen Städten geworden sind, was mit den Studenten geschieht, die in Deutschland studiert haben, zumal das Urteil über ausländische Studenten, 'die heute in Deutschland studieren, nicht immer gut ist, teilweise aus Gründen, die bei unseren Universitäten liegen, weil man offensichtlich zu leichte Aufnahmebedingungen hat und weil man bei den Examina vielleicht nicht nur ein Auge, sondern manchmal zwei Augen zudrückt.
Das alles wäre zu beobachten. Wir sollten aber auch eine gewisse Sorge um unsere Mitarbeiter im Ausland walten lassen, die nun 'doch manchmal recht allein draußen in der Welt stehen und Aufgaben für uns erfüllen. Wir sollten darauf achten, daß Dinge beobachtet werden, die im Zusammenhang mit der Bildung der Entwicklungsgesellschaft stehen, die im Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsarbeit stehen. Wir 'sollten sehen, was die anderen draußen machen. Wir sollten ruhig einmal fragen, wenn wir nach draußen kommen, wie unsere Zeitschrift „Germany" mit ihren fünf Ausgaben wirkt, ob sie ankommt, auf welchen Kreis sie trifft usw. Auch die Arbeit der freien Organisationen hätte uns im Rahmen dieser Beobachtungen durchaus zu beschäftigen. Das wäre im übrigen teilweise auch eine Aufgabe des Bundestages. Verschiedene Damen und Herren von uns machen ja Reisen. Es wäre ganz gut, wenn man bei diesen Reisen gewissermaßen ein Verzeichnis von Dingen mitnähme, die wir draußen eingerichtet haben, und sich die Zeit nähme und die Mühe gäbe — viele haben es ja auch schon getan —, 'das eine oder andere Projekt auf die Wirkung im Ausland zu überprüfen. Ich will nur ein Beispiel nennen. Einem Staat hatten 'wir letzthin Zuchtvieh geliefert. Also auch solche Leistungen vollbringt die Bundesrepublik Deutschland. Es ist schwer festzustellen, was damit geworden ist, ob sich die Herden tatsächlich, wie es der Sinn der Entwicklungshilfe ist, vermehrt haben oder ob — ich weiß es nicht — schon Salami daraus geworden ist, oder ob — in vielen Kreuzungen — Mulis oder etwas Ähnliches daraus entstanden sind. Das sind Hilfsleistungen, die abgeschlossen



Dr. Fritz (Ludwigshafen)

sind, aber dich irgendwie beobachtet werden müssen. Denn .sie haben uns einmal, in einem Ansatz eines Haushaltes vermehrt, Mittel gekostet. Es wäre ganz gut, wenn sich die Abgeordneten auch solchen kleinen Arbeiten, Kärrnerarbeiten, möchte ich fast sagen, unterzögen.
Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat aber auch die Aufgabe, die Beziehungen mit internationalen Organisationen zu pflegen. Wenn wir den Haushalt betrachten, können wir feststellen, daß wir für internationale Organisationen, die teilweise oder ganz in der Entwicklungshilfe wirken, in diesem Jahr rund 31 Millionen DM als Beitrag leisten. Ich glaube, es kommen noch andere Mittel hinzu, die hier nicht aufgeführt sind. Insgesamt haben wir an multilaterale Organisationen in zwei Jahren, 1961 und 1962, etwa 750 oder 800 Millionen DM gegeben. Dazu kommt noch der Kredit, den die Bundesbank an die Weltbank gegeben hat. Aber ich meine jetzt nur den relativ kleinen Betrag von 30 Millionen DM für unmittelbare Beitragsleistungen an multilaterale Organisationen. Wir müssen sagen, unser Beitragsaufkommen steht offensichtlich nicht in einem auch nur annähernd befriedigenden Verhältnis zum personellen deutschen Einsatz. Wir haben zu wenig deutsche Mitarbeiter in internationalen Gremien der Entwicklungshilfe.
Auch in anderer Hinsicht sind wir — das muß ebenfalls ganz offen gesagt werden — über die Arbeit mancher internationaler Institutionen viel zu wenig unterrichtet. Es zeigt sich doch, daß bei solchen Organisationen oder Institutionen, wo eine parlamentarische Gegenkontrolle in der Wirkung eines gewählten Parlaments fehlt, manchmal über den Erfolg und über die Wirksamkeit der Arbeit nichts gesagt werden kann. Wir sollten Mittel und Möglichkeiten schaffen, ein stärkeres Interesse gerade für diese Arbeit zu wecken, und es auch zeigen. Wir sollten nach Wegen suchen, auf denen es möglich ist, mehr Mitarbeiter für diese Organisationen zu finden, auch wenn wir wissen, daß es im Zeitalter der Vollbeschäftigung recht schwierig ist, geeignete Mitarbeiter in größerer Zahl zu finden, zumal dort Kenntnisse in Femdsprachen verlangt werden.
Es sind natürlich noch einige Kleinigkeiten zu nennen. Im Weltbankbericht war kürzlich vom Roseires-Damm zu lesen, an denk wir uns mit rund 93 Millionen DM beteiligen. Im Bericht waren die IDA und die Weltbank aufgeführt; von unseren Millionen wurde überhaupt kein Wort gesagt. Ich glaube, Herr Minister, Sie haben in Washington darauf hingewiesen, und auch der Herr Vizepräsident der Weltbank, der vorhin noch hier saß, hat diese Frage angeschnitten.
Sie haben die Frage nach der Erfüllung der Zusagen angeschnitten. Da deckt sich unsere Meinung im wesentlichen mit der Ihrigen. Ich kann das Thema hier, übergehen.
Darüber, daß wir so viele Rahmenzusagen hatten, sind auch wir nicht glücklich. Es war aber nötig, sie zu geben. Inzwischen kennen wir die Länder besser,
wir haben bessere Organisationen, und das Jahr 1961 ist vorbei. Wir kommen, hoffe ich, von den Rahmenzusagen im wesentlichen herunter.
Es ist notwendig, gleichgültig ob wir eine Rahmenzusage geben oder uns in anderer Weise verpflichten, die Vorplanungen hier, die Vorbesprechungen dort und den Abschluß der Verträge wieder hier durchzuführen. Auch das sollte ein Prinzip sein, und es sollte möglich sein, danach zu arbeiten. Im übrigen wurden solche und ähnliche Arbeiten schon durchgeführt. Ich glaube, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat für Laos vor den Verhandlungen eine Planung aufgestellt, die durchaus als ein Musterfall künftiger Planungen gelten kann.
Wir müssen dann aber auch zu detaillierten Jahresplänen für die Kapitalhilfe entsprechend den verfügbaren Mitteln kommen. Wir dürfen nicht Initiativen von außen an uns herankommen lassen. Initiativen von außen werden in der Regel teuerer, als wenn wir uns vorher überlegen, was wir draußen leisten können. Sie sind aus vielen Gründen auch problematischer. Wir müssen aber auch langfristig planen. Dabei müssen wir unsere Kollegen vom Haushaltsausschuß bitten, einmal zu überlegen, wie es möglich wäre, eine langfristige Finanzplanung für die Entwicklungshilfe durchzuführen, die uns Kosten spart. Je kurzfristiger wir in der Entwicklungshilfe planen, desto teurer wird die ganze Geschichte.
Die Entwicklungshilfe hat selbstverständlich auch wirtschaftliche Aspekte, die unsere eigene Wirtschaft berühren und die Wirtschaft draußen berühren. Sie haben einen Aspekt bei der Frage der Liefergebundenheit oder -ungebundenheit unserer Kredite hervorgehoben. Sie haben mit Recht gesagt: Es war damals richtig; es war politisch wirksam; den Entwicklungsländern war es sehr angenehm, nicht weil sie Denkmäler und ähnliches damit finanzieren konnten, sondern weil sie nun Mittel zur Verfügung hatten, die sie in ihren eigenen Planungen günstig einsetzen konnten.
Aber uns hat das natürlich etwas Schwierigkeiten gebracht, obwohl von damals her gesehen auch dieser Ansatzpunkt im Hinblick auf die Konjunktur wahrscheinlich als gut zu beurteilen war. Heute sollten wir jedoch — da stimme ich mit Ihnen völlig überein —, ohne ein gegenteiliges Prinzip zu proklamieren, in den Einzelabkommen möglichst eine Lieferbindung an deutsche Erzeugnisse anstreben. Sie wissen ja, wie die Situation unserer Wirtschaft draußen ist; sie kann nicht allzu günstig beurteilt werden. Herr Kollege Mommer, glaube ich, hat kürzlich einmal davon gesprochen, das „Made in Germany" habe nicht mehr die Wirkung wie früher. Wahrscheinlich kann man es in dieser Form nicht sagen; es kamen ja auch einige Erläuterungen und Entgegnungen dazu. Aber man kann sicherlich sagen, daß unsere Erzeugnisse wegen ihrer Preise im Ausland, vor allem auch in den Entwicklungsländern, eiher stärkeren Konkurrenz ausgesetzt sind, daß unsere Lieferfristen zu lang sind gegenüber denen unserer Konkurrenten, vor allem auch unserer amerikanischen und europäischen Konkurrenten,



Dr. Fritz (Ludwigshafen)

und daß natürlich infolge der Vollbeschäftigung auch der Service da und dort zu wünschen übrig läßt; und selbst wenn die Qualität der Erzeugnisse einigermaßen gut ist, wird Qualität allein die genannten drei anderen Mängel nicht aufheben können. Es ist nichts schwieriger — \\das weiß jeder, der sich mit diesen Fragen beschäftigt —, als verlorene Märkte zurückzugewinnen, vor allem verlorene Märkte im langfristigen Exportgeschäft. Das sollten wir in der Entwicklungshilfe bedenken; das ist ein legitimes Interesse, das wir draußen auch vertreten können.
Sie sprachen dann von der Förderung des Exports der Erzeugnisse der Entwicklungsländer. Ich bin froh, daß Sie von der Kaffee-Diskussion abgesehen haben; ich darf mich deshalb darauf beschränken, lediglich auf den GATT-Bericht hinzuweisen, in dem eine Vorausberechnung gemacht wird hinsichtlich der Lücke, die zwischen den Preisen der Erzeugnisse der Entwicklungsländer und den Preisen der Industriegüter klafft, die jetzt 3,5 Milliarden Dollar sein soll und bis zum Jahre 1975 auf rund 18,5 Milliarden Dollar wachsen wird. Diese vom GATT-Bericht herausgestellte Tatsache ist durchaus zu akzeptieren.
Der GATT-Bericht sagt aber dann, dieses Defizit müsse durch Geschenke und Kredite der entwickelten Länder gedeckt werden, oder diese Länder sollten bessere Handelsmöglichkeiten einräumen. Gegen diese Feststellung muß ich mich doch etwas wehren. Die westlichen Länder wollen gewaltige Entwicklungshilfeleistungen geben. Diese Leistung kann aber nicht willkürlich als einseitige Verpflichtung an fragwürdige Zahlen über ein vorausberechnetes Außenhandelsdefizit gewissermaßen in eine internationale Rentenautomatik gebunden werden. Ich glaube, hier muß man doch auch beachten — und auch der GATT-Bericht sollte es beachten —, daß erhebliche Anstrengungen, diese Situation zu verbessern, von seiten der Entwicklungsländer ebenfalls notwendig sind, genauso wie von seiten der Industrieländer.
Es ergeben sich aber nicht nur Strukturänderungen durch die Entwicklungshilfe in den Entwicklungsländern; Strukturänderungen sind ja auch bei uns sichtbar. Wir sehen heute nicht nur auf den deutschen Märkten die Konkurrenz, sagen wir einmal, japanischer Waren — um ein Niedrigpreisland zu nennen —; wir können heute schon feststellen, daß die Preise japanischer Nähmaschinen in afrikanischen Ländern durch die indischer Erzeugnisse unterboten werden. Das bedeutet doch eine völlige Verschiebung in der Weltmarktsituation in den kommenden Jahren; das bedeutet aber auch, daß wir in der Bundesrepublik nicht nur Strukturpolitik nach draußen betreiben und forcieren müssen, sondern in Ergänzung dazu auch eine langfristige Strukturpolitik innerhalb Deutschlands durchführen müssen. Da sind natürlich Überlegungen nötig, und ich glaube, es sind im Bundeswirtschaftsministerium auch schon Überlegungen angestellt worden; Überlegungen, daß wir uns vielleicht allzu kurzfristig und zu partiell mit den Fragen der Landwirtschaft, der Textilwirtschaft, des Bergbaues, der Werften usw. beschäftigen und daß wir von
kurzfristigen Pendelschlägen, von einer kurzfristigen Konjunkturbeobachtung wegkommen und zu einer langfristigen Beobachtung unserer Entwicklung, zu einer langfristigen Strukturpolitik gelangen müssen, die ein gewisses Pendant darstellt zur Strukturpolitik, wie sie im Ausland betrieben wird. Auch diese Frage hängt unmittelbar mit der Entwicklungspolitik und mit der weltwirtschaftlichen Situation zusammen und ist davon nicht zu lösen.
Noch einige Worte zu den Tendenzen unserer Entwicklungspolitik. Man kann mit Sicherheit sagen: Wir werden die Technische Hilfe künftig wesentlich erhöhen. Aber jedermann weiß, daß uns die Erhöhung der Technischen Hilfe und der Bildungs- und Sozialhilfe, wie sie im Programm der Bundesregierung formuliert worden ist, auch gewisse Schwierigkeiten bereitet. Wir haben nicht nur finanzielle Grenzen, die wir sehen müssen, wir haben auch sachliche Grenzen, wir haben auch personelle Grenzen. Wir können draußen nicht so viel Schulen bauen, wie wir es für richtig halten, sondern wir können nur so viel Schulen bauen, wie wir z. B. Lehrer zur Verfügung stellen können.
Auf der anderen Seite — auch das ist schon gesagt worden — wird die Kapitalhilfe relativ stark zurückgehen, teilweise aus fiskalischen Gründen. Im Rahmen eines Sparhaushalts kann man 'nicht die gleichen Mittel zur Verfügung stellen. Das muß auch dem Ausland verständlich sein. Aber auch aus anderen Gründen wird sie zurückgehen. Wir haben so etwas wie ein Kreditjahr der Besinnung vor uns, in dem es vor allem darum geht, gegebene Verpflichtungen zu erfüllen, wobei wir uns natürlich bei Projektrealisierungen wie die Weltbank auf einen Zeitraum von fünf, sechs Jahren einrichten müssen. Wir müssen uns darauf einrichten, daß es nicht schneller geht zwischen Zusage und Abwicklung, also Realisierung der Zusage.
Wir sollten dann gleichzeitig darauf dringen, daß die Privatinitiative 'gewissermaßen als Pendant zur Kapitalhilfe eine Förderung erfährt. Ich muß ganz offen sagen: hier geht es vor allem um das Engagement tier deutschen Unternehmen in den Entwicklungsländern, und hier ist eigentlich die Regierung angesprochen, hier ist das Parlament angesprochen, hier sollten wir doch eine wesentlich 'bessere Förderung als in vergangenen Jahren durchsetzen. Das Steueränderungsgesetz 1962 und vor allem die einengenden Richtkien des Finanzministeriums dazu sind doch keine echten 'Förderungen der Direktinvestition unserer Unternehmer im Ausland.
Aber in der Bundesregierung hat sich eine Arbeitsgruppe gebildet, die im Augenblick diese Fragen prüft, der Diskussionskreis für Entwicklungshilfe der CDU/CSU-Fraktion hat Vorschläge ausgearbeitet. Ich hoffe, daß sie ebenfalls zur Diskussion steten werden, wenn die Regierung diesem Haus neue Vorschläge unterbreiten wird. Ich möchte darum bitten, daß auch Sie, Herr Kollege Wischnewski und Herr Kollege Kalbitzer, solche Vorschläge unterstützen. Sie passen in das Programm der Lieferbindung hinein, für das Sie sich entschlossen haben; sie passen in alles das hinein, was Sie über die Kapitalhilfe vorhin ,gesagt haben.



Dr. Fritz (Ludwigshafen)

Weiterhin müssen wir aber daran denken, daß die internationalen Verpflichtungen stärker auf uns zukommen werden. als bisher, ob wir das nun wollen oder nicht. Ich erinnere nur an Indien, an die Türkei und an Griechenland. Wir wissen, daß uns heute schon aus der Bildung mehrerer Konsortien erhebliche Verpflichtungen entstehen werden. Ich darf aber auch an die südamerikanische Allianz des Fortschritts erinnern, wo wir wahrscheinlich doch auch irgendwie aufgerufen werden, einen Beitrag zu leisten.
Der Entwicklungsdienst, der in Vorbereitung ist, ist zu begrüßen. Zu begrüßen wäre auch — das ist schon in der Regierungserklärung zum Ausdruck gekommen —, wenn dieser Entwicklungsdienst, diese Art deutsches Friedenskorps, einen Einsatz fände an gesicherten Projekten der deutschen Technischen Hilfe. Wir haben beispielsweise in der Türkei in Takirova ein sehr ,gut funktionierendes Mustergut. Auf ihm arbeiten heute schon rund 150 bis 200 türkische Landarbeiter, Bauern unid Bäuerinnen aus etwa sechs Dörfern der Umgebung. Ich sehe nicht ein, warum wir, wenn wir ein Entwicklungskorps schaffen, neue eigene Ansatzpunkte geben sollten und es nicht beispielsweise in einem solchen Falle wie Takirova einsetzen sollten, um bäuerliche Strukturen zu verbessern und Sozialhilfe auf verschiedenen Gebieten in diesen sechs Dörfern, die um .das Gut Takirova gelagert sind, zu geben. Wir müssen auch gewisse Sicherungen . für unsere jungen Leute schaffen, denen gegenüber wir eine besondere Verpflichtung haben.
Zur Vertragsgestaltung darf ich zum Schluß noch einige kurze Sätze sagen. Mit sozialen Sicherungen läßt sich natürlich vieles machen. Aber wir können das Problem des Einsatzes unserer Menschen draußen nicht lösen. Das Problem des Einsatzes kann man meiner persönlichen Meinung nach — ich gebe jetzt nicht die Meinung der Fraktion wieder — nur dadurch lösen, daß man einen straff geordneten Dienst für technische Auslandshilfe entwickelt.
Wir wissen aber, daß das bei dem föderativen Aufbau der Bundesrepublik nicht ohne weiteres möglich ist, weil die Beamten und Angestellten teilweise aus den Zuständigkeitsbereichen der Länder kommen, und daß es hier Schwierigkeiten vielleicht sogar verfassungsrechtlicher Natur gäbe. Wir wissen auch, daß es aus anderen Gründen vielfach schwierig wäre, einen Dienst zu gestalten. Wir haben etwa 23 verschiedene Berufsgruppen draußen, die sich in rund 25 Unterteilungen wieder verzahnen. Hier würde es schwer sein, Laufbahnen und ähnliches, was notwendig ist, zu schaffen.
Auf die Dauer gesehen aber muß es doch gelingen, einen Bundesdienst oder eine ähnliche Einrichtung zu schaffen. Das muß gelingen; wir brauchen nur die Leistungen der anderen Staaten auf diesem Gebiet zu beobachten. In Großbritannien stehen rund 17 000 Männer und Frauen auf Lebenszeit im Dienst der Entwicklungshilfe oder ähnlicher Aufgaben. Wir haben etwa 2000 bei uns, wenn man alle zählt, die kurzfristige Verträge haben. Die Zahl der langfristigen Verträge beläuft sich in Großbritannien, wie gesagt, auf rund 17 000, in Frankreich auf etwa 25 000, wovon rund 10 000 bis 15 000 auf Lehrer entfallen. In den Vereinigten Staaten sind es etwa 17 000 allein im Regierungsdienst und dazu kommen noch Zehntausende von Fachleuten, die ebenfalls mit langfristigen Kontrakten irgendwo in der Entwicklungshilfe eingesetzt sind. Es ist ganz klar, daß wir mit unseren 2000 kurzfristigen Verträgen mit der Zeit nicht durchkommen, Wir müssen uns hier umstellen und versuchen, auf einen langfristigen Einsatz in den Entwicklungsländern zu kommen.
Es ist ja auch nicht so, daß unsere Projekte, wie in den Richtlinien für technische Hilfe steht, für drei Jahre aufgebaut werden und daß wir dann hinausgehen. Wir müssen damit rechnen, daß wir die Projekte, wenn sie funktionieren sollen, mindestens zehn Jahre, ja vielleicht noch länger zu halten haben. Deshalb wäre es auch richtig, die Vertragszeiten entsprechend auszudehnen.
Meine Damen und Herren, damit möchte ich schließen. Ich darf noch einmal der Freude Ausdruck geben, daß diese Aussprache eine Auseinandersetzung eigentlich doch nur im sachlichen Bereich der Entwicklungshilfe gebracht hat und daß wir in vielen Punkten der sachlichen Kritik einig sind, einig auch über die Zielsetzung und über den Weg. Ich glaube, es wäre schlecht, wenn es in dem Bereich der Entwicklungspolitik anders wäre. Draußen in Afrika oder in Asien oder in Südamerika kann kein Mensch sagen, wie in der Bundesrepublik die politischen Verhältnisse im einzelnen liegen. Draußen heißt es im Grunde genommen nur: Die Deutschen handeln so. Das sollten wir uns auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik zur Richtschnur des Handelns hier in diesem Haus und innerhalb der Regierung machen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404901600
Es liegen jetzt noch fünf Wortmeldungen vor. Ich kann natürlich in die Debatte und in die Wünsche der Fraktionen, die Probleme zu behandeln, nicht eingreifen. Aber wäre nicht eine Verständigung zwischen den Fraktionen dahin möglich, daß nur noch je ein Redner jeder Fraktion in die Debatte eingreift?

(Abg. Kalbitzer: Herr Präsident, was die SPD anlangt, so werden wir uns auf wenige Minuten beschränken. Aber Herr Kollege Kahn-Ackermann möchte ein paar Worte sagen. Ich bin persönlich angesprochen worden. Auf diese eine Sache, auf die ich angesprochen worden bin, muß ich eine Antwort geben.)

— Das war nur eine Anregung, die ich geben wollte. — Zunächst hat das Wort Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann.

Georg Kahn-Ackermann (SPD):
Rede ID: ID0404901700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider sagen, Herr Minister, daß Sie mit sehr vielen schönen Worten und sehr elegant um eine Reihe von Problemen herumgeredet haben, die sich keineswegs so freundlich darstellen, wie es hier in Ihrem und teilweise auch in dem letzten Beitrag erschienen ist. Nehmen wir allein das, was Sie über die Aufgabe und über den



Kahn-Ackermann
Rahmen unserer Anstrengungen auf dem Gebiet der Bildungshilfe im Verhältnis zu unseren gesamten Anstrengungen auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe gesagt haben! Ich muß sagen, daß hier doch auch in dem Plan Ihres Ministeriums, den Sie vorgelegt haben, manches nicht bis zuletzt durchdacht und daß hier vieles über den Daumen gepeilt ist, was doch noch einer eingehenden Erörterung bedürfte. Ich glaube auch nicht, daß Ihr Optimismus in bezug auf die Erfolge, die wir da haben werden, gerechtfertigt ist.
Ich gebe zu, daß hier gute Dinge angefangen worden sind. Auf der anderen Seite ist aber die Basis, die wir in diesem Jahr erreichen werden, doch zu schmal. Und da muß ich Ihnen, Herr Minister, sagen: vieles liegt an der wirklich unzureichenden personellen Ausstattung Ihres eigenen Ministeriums! Wenn Sie vor einem Jahr mit größerem Elan dafür eingetreten wären, daß Ihr eigenes Ministerium auf vielen Sachgebieten personell so ausgestattet wird, wie es eigentlich der Fall sein müßte, wären wir in dieser Beziehung schon wesentlich weiter, als es heute der Fall ist. Mein Kollege Wischnewski hat ja auf eines unter vielen Beispielen hingewiesen, welches für die Verhältnisse in Ihrem Ministerium symptomatisch ist.
Die Bildungshilfe, Herr Minister, hat zwei Seiten: das, was wir außerhalb der Bundesrepublik tun, und das, was wir in der Bundesrepublik tun. Hier ist etwas über die Studenten gesagt worden. Ich will das nicht vertiefen. Aber Sie wissen ganz genau, daß beispielsweise dem Problem der Studenten aus den Entwicklungsländern in der Bundesrepublik nur sehr mangelhaft begegnet wird und daß die gegenwärtige Situation äußerst unbefriedigend ist. Ich kann in all den Ausführungen, die hier von Ihrer Seite gemacht worden sind, keinen positiven Ansatz dafür entdecken, daß die uns bedrückenden Mängel auf diesem Gebiet abgestellt werden. Ich verkenne nicht, daß Sie hier unter einer gewissen Dualität der Stellen leiden, die mit dieser Frage befaßt sind, daß hier wohl bei Ihnen und in einem anderen Ministerium gegenteilige Auffassungen bestehen. Aber ich glaube doch, daß die Bundesregierung Konsequenzen aus den Berichten ziehen sollte, die sie zu diesem Punkt hat erstellen lassen und von denen hier in keiner Weise die Rede war.
Um hier nur ein spezielles Problem anzusprechen: wir wissen beispielsweise im Gegensatz zu dem, was leider — wahrscheinlich falsch informiert — der Herr Bundesminister des Auswärtigen zu der Frage der Erfolgsquote bei den Studenten aus den Entwicklungsländern hier gesagt hat, daß diese Erfolgsquote wesentlich niedriger liegt und daß sie leider, auch wenn wir an das Verhältnis von Aufwand zu Erfolg und an die Verteilung der einzelnen Stipendien denken, zu vieler Kritik Anlaß gibt.
Daß es bis heute nicht möglich gewesen ist, an unseren Universitäten den Zustrom von Menschen aus den Entwicklungsländern zu stoppen, die in ihrem eigenen Land nicht die Voraussetzungen für die Hochschulreife erfüllt haben, ist eine Sache, die ich nicht begreifen kann. Ich denke doch, daß es bei der Zusammenarbeit, die Sie so gepriesen haben, möglich sein sollte, diese Dinge abzustellen.
Lassen Sie mich noch eines sagen: dem ganzen Plan, den Ihr Ministerium hier vorgelegt hat, haftet bei all dem, was man daran lobenswert finden muß, doch etwas sehr Mechanistisches an. Mein Kollege Wischnewski hat schon einiges über die Öffentlichkeitsarbeit gesagt, die in Ihrem Ministerium bzw. nicht in Ihrem Ministerium geleistet worden ist. Hier möchte ich sagen, daß ein Problem der Bildungshilfe auch die Anerkennung der Kultur dieser unterentwickelten Länder bei uns ist. Hier fehlt es doch sehr weitgehend, wenn ich ' auch nicht verkenne, daß einige nützliche Ansätze gemacht worden sind. Hier wäre aber eine große Aufgabe für die Öffentlichkeitsarbeit Ihres Ministeriums. Man sollte sich darum bemühen, z. B. bezogen auf den ganzen südamerikanischen Raum, der jetzt im Vordergrund Ihrer Bemühungen steht, und auch auf Afrika, der Bevölkerung im weitesten Bereich die Kulturen dieser Menschen etwas näherzubringen zu versuchen.
Das hat auch etwas mit den Schwierigkeiten zu tun, die wir zum Teil bei Studenten aus diesen Ländern haben, die sich bei uns aufhalten. Auch hier könnte wohl in bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit und die Tätigkeit Ihres Ministeriums noch manches geschehen. Lassen Sie mich nur darauf hinweisen, daß ein viel zu großer Teil der Praktikanten und Studenten, die sich bei uns aufhalten, nur eine sehr ausschnittsweise Ebene des Daseins in unserem Lande kennenlernen. Viele gehen aus diesem Lande weg, wo sie unserer Meinung nach oft viel zu kurz gewesen sind, und sind niemals in einer deutschen Familie gewesen. Sie kennen das Leben in unserem Lande nur aus der Ebene ihres Studienaufenthaltes oder aus der Ebene eines Heimes. Sie haben aber keinen wirklichen Einblick in die Probleme unseres Landes, bekommen auch keinen Einblick, wie es bei uns wirklich zugeht.
Ich jedenfalls, Herr Minister, kann es mir nicht erklären, warum eine große Zahl der Studenten eines gewissen Landes, bei denen ich begreifen kann, daß sie mit den politischen Verhältnissen in ihrem eigenen Lande unzufrieden sind, aus Deutschland mit sehr östlich gefärbten Vorstellungen weggehen, nachdem sie hier ein oder zwei Jahre studiert haben und hier eigentlich hätten lernen sollen, daß es auch andere politische Möglichkeiten gibt. Das trifft übrigens nicht bloß für ein Land zu, sondern das trifft für eine ganze Reihe von Ländern zu. Hier ist wohl ein Ansatzpunkt für eine weitere Tätigkeit in Ihrem Ministerium gegeben.
Lassen Sie mich noch eines erwähnen. Kürzlich sind in einer deutschen Großstadt von einer Organisation, die von Ihrem Ministerium auch Hilfe bekommt, fünf Studenten mit der Polizei zum Flugplatz gebracht und nach Hause geschickt worden, weil sie bei der Lektüre von Karl Marx ertappt worden sind. Ich möchte mich eines Kommentars enthalten. Aber ich muß schon sagen — es handelt sich um Studenten aus einem ostafrikanischen Staat —, daß solche Zwischenfälle natürlich die gutwillige Arbeit, die mit einem ungeheuren Aufwand an Menschen und Geld geleistet worden ist, in weiten Bereichen zunichte machen kann.



Kahn-Ackermann
Ich möchte Ihnen sagen, daß Ihre Versicherung, die Unterstützung, die wir manchen Organisationen geben, werde zu keinerlei Missionstätigkeit verwandt, einer gewissen Nachprüfung bedarf; denn das ist eine Geschichte, die meiner Ansicht nach wirklich außerordentlich peinlich für uns ist.
Lassen Sie mich noch sagen, daß auch Ihre hier gepriesene Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, wenn man in die Tiefe der Dinge geht, bei weitem nicht so ist, wie Sie das hier dargestellt haben. Ich gebe zu, es gibt zwei Bundesländer, die außerordentlich Gutes leisten. Sie haben gesagt, daß dort die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung sichergestellt sei. Wenn Sie sich das anschauen, können Sie nur zu dem Ergebnis kommen, daß sie in keiner Weise sichergestellt ist. Der Mann, der für die Entwicklungshilfe verantwortlich ist, ressortiert nicht nur in vielen Bundesländern in ganz verschiedenen Ministerien — einmal sitzt er in der Staatskanzlei, einmal ist er im Wirtschaftsministerium, einmal ist er im Kultusministerium—; Sie sollten Ihr Augenmerk auch darauf richten, daß beispielsweise bei den von Ihnen gepriesenen 20 Millionen DM, die die Länder jetzt für die Entwicklungshilfe ausgeben, vereinzelt, kleckerweise, eine Summe von 100 000 DM auf ein Referat verteilt ist, eine Summe, mit der man, wie Sie selber wissen, heute ernsthaft kein solches Programm anlaufen lassen kann, jedenfalls nicht auf längere Sicht. Das also bliebe in diesem Zusammenhang zu sagen.
Schließlich haben Sie hier noch einmal mit vielen Worten die Probleme der sozialen Sicherung der Leute umrissen, die hinausgehen. Sie haben gesagt, eine schematische Regelung sei nicht möglich. Was wir aber vermissen, Herr Minister, ist die unschematische Regelung, 'die sich vielleicht auch gesetzlich fixieren ließe.
Wir warten nun seit 18 Monaten, daß hier etwas geschieht. Ich will im einzelnen gar nicht vertiefen, was da alles notwendig ist. Was der Kollege Fritz und andere hier über die Unmöglichkeit, beispielsweise auch für wichtige internationale Organisationen Leute zur Verfügung zu stellen, gesagt haben, hängt auch damit zusammen, daß wir keine gesetzliche Möglichkeit haben, den Leuten, wenn sie von ihren kurzfristigen Aufgaben wieder entbunden werden — das Engagement dauert kaum länger als zwei oder vier Jahre —, hier zu Hause die Sicherheit zu geben, 'daß sie ihre Erfahrungen in entsprechender Stellung auswerten können und daß sie weiter verwandt werden. Da liegt eine Aufgabe, an die die Bundesregierung jetzt herangehen muß, wenn sie sicherstellen will, daß ihr Einfluß in diesen internationalen Organisationen in einem Umfang gewährleistet wird, der den Aufwendungen unseres Landes für diese Aufgaben auch tatsächlich entspricht.
Zu Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage gäbe es noch eine Menge zu sagen, z. B. was die Sprachausbildung angeht. Ich will das wegen der vorgerückten Stunde hier nicht vertiefen. Aber ich muß Ihnen sagen, Herr Minister, daß mich Ihre Antwort auf die Große Anfrage in vielen Punkten sehr enttäuscht hat. Sie haben hier Grundsätze verkündet und Aufgaben genannt, die in Angriff genommen werden sollen, ohne daß auf ganz wichtigen Gebieten klar und deutlich gesagt worden ist, in welchem Umfang und auf welchem Wege wirklich notwendige Aufgaben angefaßt werden sollen. Das ist ein Anlaß, vielleicht auch im Ausschuß auf eine Reihe von Fragen, die wir hier jetzt nicht mehr diskutieren können, eingehend zurückzukommen, gerade auf den ganzen Komplex der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und die ungeklärten Fragen, die zwischen Ihrem Hause und dem Auswärtigen Amt bestehen, z. B. in der Schulfrage. Wir ihaben jetzt in immerhin, glaube ich, 21 Entwicklungsländern über 60 Schulen mit 500 Lehrkräften, die eigentlich mehr oder weniger nur Bildungshilfe leisten. Es ist aber offenbar unmöglich, in dieser Frage ein Einvernehmen zwischen Ihrem Haus und anderen Häusern herbeizuführen.
Ich glaube also, Herr Minister, es wird notwendig sein, daß wir uns auch in den kommenden Monaten noch sehr eingehend über eine Reihe von Fragen unterhalten, 'die hier nach meiner Ansicht weitgehend ungeklärt ,geblieben sind.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404901800
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.

Heinrich Gewandt (CDU):
Rede ID: ID0404901900
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mit dem Vorredner der Meinung, daß noch eine Reihe von Fragen zu klären sind. Ich bitte aber doch berücksichtigen zu wollen, daß es sich bei der Entwicklungshilfe in der Tat um ein Neuland handelt, um ein Gebiet, das man immer neu durchdenken muß.
Vom Kollegen Wischnewski ist hier die Abwicklung kritisiert worden. Nach meinem Eindruck ist er auch der Meinung, daß die Ausstattung des Ministeriums etwa mit Beamten unzureichend sei. Ich meine, die Abwicklung hängt nicht allein davon ab, wieviel Beamte man beschäftigt. Man sollte sich überlegen, ob im Augenblick nicht zu viele Beamte mit der Prüfung der Projekte beschäftigt sind und ob man hier, ohne die Sorgfaltspflicht zu vernachlässigen, nicht einiges verbessern könnte.
Das amerikanische Beispiel, das hier von Herrn Kollegen Fritz genannt wurde, ist immerhin ein abschreckendes Beispiel. Wir sollten uns hüten, zu einer solchen Aufblähung zu kommen. Immerhin verfügt das neue Haus, das ja erst vor einem Jahr die Arbeit aufgenommen hat, über 200 Bedienstete. Dazu kommt noch die Stiftung. Kurz vorher, nämlich im vergangenen Jahr, haben die anderen Häuser, die ja auch mit Entwicklungsfragen befaßt werden, 127 Stellen zusätzlich erhalten. Das ist eine gute Ausstattung, und man sollte nicht die Regierung schelten, daß sie zuwenig Bedienstete habe. Das wäre eher ein Grund, sie zu loben.
Nun gestatten Sie mir ein Wort zur Öffentlichkeitsarbeit. Ich teile die Auffassung des Kollegen Wischnewski, daß in der deutschen Bevölkerung ein gewisses Mißtrauen und Unbehagen gegenüber dem Phänomen der Entwicklungshilfe besteht. Das liegt



Gewandt
daran, daß in einer Reihe von Fällen Mißbräuche vorgekommen sind. Ich will nicht das berühmte goldene Bett für eine Dame aus Ghana zitieren oder die Tatsache, daß der jugendliche Sohn eines Diktators galante Präsente aus Entwicklungshilfemitteln machte. Das sind Dinge, die wir nicht finanziert haben. Aber das sind Mißbräuche mit der Entwicklungshilfe, die vorgekommen sind und die die Öffentlichkeit kritisiert hat. Das ist richtig und verständlich. Aber glücklicherweise ist es im Zusammenhang mit der Entwicklungshilfe, die w i r geleistet haben, nicht möglich, derartige Vorwürfe zu machen.
Die beste Öffentlichkeitsarbeit wäre der Nachweis gegenüber der Bevölkerung, daß die Kontrolle über die vergebenen Mittel verbessert wird. Wir haben es dabei nicht so leicht wie viele andere Länder. Die Engländer haben in allen Bereichen, in denen sie Entwicklungshilfe leisten, ein weitverzweigtes Banknetz, das bis in das letzte afrikanische Dorf in der Lage ist, die Verwendung der Mittel zu überprüfen. Das in Deutschland nach der Reichshaushaltsordnung angewandte Prizip, daß der Rechnungshof alles überprüft, ist nur im Landesinnern, nicht außerhalb der Grenzen anwendbar.
Nun hat ja das Ministerium eine Reihe von Gedanken entwickelt. Aber man sollte doch darauf bestehen, daß künftighin Kapitalhilfe nur gewährt wird, wenn die Kapitalnehmer sich bereit erklären, zuzustimmen, daß durch eine Treuhandgesellschaft in einer bestimmten zu vereinbarenden Form überprüft wird, ob die Mittel entsprechend der vorgelegten Projektierung verwandt werden. Das gilt auch für die technische Hilfe. Denn Geräte und Einrichtungen, die man liefert, wechseln ja den Besitzer und sind dann Eigentum einer fremden Regierung. Es ist nicht in allen Fällen ein gewisses Mißtrauen vorhanden. Aber man will doch die Gewißheit haben, daß die Mittel sinnvoll und zweckentsprechend verwandt werden. Man kann das in einer ganz losen Form vertraglich vereinbaren, ohne in jenen Ländern irgendwelche Gefühle zu verletzen. Jedenfalls muß der deutsche Steuerzahler die Gewißheit haben, daß seine Mittel sinnvoll und zweckentsprechend verwendet werden. Hat er die Gewißheit, dann ist auch die Öffentlichkeitsarbeit viel leichter.
Das Hauptproblem wird in der Zukunft möglicherweise die Beschaffung der Mittel sein. Auf Grund der im Haushalt vorgesehenen Ansätze für die Kapitalhilfe können wir heute schon sagen, daß etwa 250 Millionen DM mehr gebraucht werden. Es liegen also mehr Verpflichtungen vor, als im Haushalt Mittel vorgesehen sind. Die Steuerkraft, die wir ja nicht weiter anspannen wollen, ist so weit in Anspruch genommen, daß wir mit Etatmitteln nicht weiterkommen.
Es ist hier nun die gute Anregung gegeben worden, man möge den Anleihemarkt stärker in Anspruch nehmen. Der Bund kann ja durch Bürgschaften usw. behilflich sein. Man sollte aber noch einmal prüfen, ob nicht wenigstens in diesem Jahr oder in Zeiten eines besonderen Engpasses die alte Idee aufgegriffen werden sollte, auch einmal außerhalb der Grenzen Anleihen aufzulegen. Ich kann
mir nicht vorstellen, daß die Einwände, die gemacht werden, stichhaltig sind, etwa der, daß eine Anleihe — die doch nur in begrenztem Umfang in Frage kommt —, sagen wir mal, das Stabilisierungsprogramm des Dollars gefährden würde. Denn es handelt sich keineswegs um Anleihen, die in die Hunderte von Millionen gehen. Ich meine vielmehr, daß unser Kapitalmarkt nur begrenzt aufnahmefähig ist, und man sollte deshalb über die Grenzen gucken.
Ein zweites Problem, das ich am Ende noch ganz kurz anschneiden möchte, ist das Problem des Absatzes der Artikel aus den Entwicklungsländern. Es gibt in Südamerika ein Land, das im Laufe der letzten Jahre aus der „Allianz für den Fortschritt" und aus einzelnen europäischen Ländern Entwicklungsgelder erhalten hat. Der Ausfall, der diesem Land aber durch das Absinken des Kaffeepreises entstanden ist, war größer als die Hilfe, die es im Laufe der Jahre erhalten hat. Ich glaube, das ist ein sehr ernstes Problem.
Im Zusammenhang damit ist verständlich, daß die Entwicklungsländer, die außerhalb der EWG liegen, gewisse Befürchtungen haben, ihre traditionellen Absatzmärkte in Europa könnten geschmälert werden. Es ist sehr nötig, viel stärker als in der Vergangenheit die Bedeutung der EWG auch für die Entwicklungsländer in den Entwicklungsländern herauszustellen; denn die EWG ist ein Wirtschaftsraum, der weiter aufblühen soll und der dann auch sehr viel mehr Möglichkeiten hat, zu konsumieren. Dabei darf man allerdings nicht verkennen, daß die EWG sich dann, wenn die Gruppierungen in anderen Erdteilen — ich denke an Südamerika — abgeschlossen sind, wahrscheinlich auch dazu verstehen müßte, zu besonderen Zollvereinbarungen zu kommen, beispielsweise mit einer Freihandelszone in Lateinamerika. Denn dort ist die Sorge besonders groß, daß vor allem nach Einbeziehung Großbritanniens in den Gemeinsamen Markt und einer besonderen Berücksichtigung der Commonwealth-Länder Schwierigkeiten auftreten könnten, Schwierigkeiten, die — das darf man nicht verkennen — durch eine gezielte kommunistische Propaganda, die aus ganz anderen Gründen gegen die EWG geführt wird, dann noch ständig unterstrichen wird. Man sollte diesem Problem die Aufmerksamkeit zuwenden.
Alles in allem habe ich den Eindruck — das ergeben auch die Beiträge dieser Diskussion —, daß die Bundesregierung die richtige Form und die richtige Einstellung zu den Entwicklungsproblemen gefunden hat. Man kann schon mehr oder weniger von einer „Entwicklungspolitik aus einem Guß" sprechen. Der deutsche Steuerzahler und der deutsche Staatsbürger können mit Vertrauen auf die Regierung blicken und auf ihre Fähigkeit, dieses Problem und diese Aufgabe, die uns die Zeit gestellt hat, sinnvoll zu lösen.
Ich möchte Ihnen ganz offen sagen: es ist mir am Ende dieses kurzen Diskussionsbeitrages ein Bedürfnis, insbesondere dem Minister Scheel dafür zu danken, daß er sich gegenüber den Ausschüssen und dem Parlament so aufgeschlossen und zu jeder vernünftigen Zusammenarbeit bereit gefunden hat.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)





Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404902000
Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0404902100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also kurz! Dank gebührt Herrn Kollegen Dr. Fritz dafür, daß er über die bloßen Beteuerungen gleicher Absichten in diesem Hause etwas hinausgegangen ist und eine Polemik vom Zaun gebrochen hat. Herr Dr. Fritz, Sie haben mich richtig zitiert. Ich habe mir in der Tat vor einem Monat die Freiheit genommen, den Bundeswehretat und den Entwicklungsetat miteinander zu vergleichen, und zwar aus einem ganz bestimmten Grunde: weil beide Etats auf verschiedenen Gebieten dem gleichen Ziel, nämlich der Sicherheit und dem Frieden, dienen, mindestens dienen sollen. Das, meine ich, rechtfertigt einen Vergleich dieser beiden Etats und rechtfertigt auch meine Feststellung, daß man für den Entwicklungsetat nicht — wie für den Wehretat — die notwendigen Mittel bereitgestellt hat.
In der deutschen Öffentlichkeit wird Entwicklungshilfe heute im allgemeinen immer noch verstanden als ein Bastard zwischen Mildtätigkeit und Geschäft.

(Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen]: Das wollte ich auch noch zitieren, aus Zeitgründen habe ich es aber unterlassen!)

— Deshalb nehme ich es Ihnen ab, ich weiß, wohin Sie steuern wollen. Wenn wir schon Entwicklungshilfe betreiben und Milliarden bereitstellen, dann muß man die Sache auch ganz ernst nehmen. Dann muß man auch feststellen, daß mit der Entwicklungspolitik eine neue Phase eingetreten ist und daß sie eine weltpolitische Notwendigkeit ist; sie soll die Gegensätze zwischen den armen und den reichen Nationen mildern und damit nach Möglichkeit einen Krieg verhindern. Deshalb ist die Entwicklungspolitik nicht nur in meinen Augen, sondern auch in den Augen meiner Parteifreunde Sicherheitspolitik. Daraus rechtfertigt sich der Vergleich der beiden Etats.
Es ist doch, wenn ich Ihnen das einmal zu bedenken geben darf, nicht ganz ohne Grund, daß die Vereinigten Staaten in letzter Zeit ein Friedenskorps gegründet haben. Dieses Friedenskorps soll offenbar die menschliche Seite der Entwicklungspolitik aktivieren. Mit der Bezeichnung „peace-corps" haben ,die Amerikaner keinen demagogischen, sondern einen zutiefst reellen Titel für ihr Korps gewählt.
Nun eine Schlußbemerkung von unserer Seite zu der Regierungsantwort. Sie war erstens außerordentlich freundlich, und sie zeigte im übrigen genau die Schwäche, die wir mit unserer Großen Anfrage beanstanden wollten, nämlich das Kompetenzdurcheinander der verschiedenen Bundesministerien. Wir geben der Regierung ohne weiteres zu, daß sie in dieser Sache guten Willens ist. Wir geben insbesondere zu, daß das Entwicklungsministerium mit relativ wenigen Kräften sich sehr angestrengt hat. Aber die Wirklichkeit ist nicht zu übersehen. Wenn heute in Sachen Entwicklungspolitik jemand nach Bonn kommt — einerlei, ob er Deutscher ist oder
von Übersee kommt — und hier etwas erreichen will, dann muß er nach wie vor vom Auswärtigen Amt zum Bundeswirtschaftsministerium, zum Bundesfinanzministerium, zum Landwirtschafts- und zum Verkehrsministerium und, wenn er einen Sonderfall hat, auch noch zu zwei, drei anderen Ministerien; er muß dann auch noch zu einem zusätzlichen Ministerium, nämlich zu dem von uns begrüßten Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Daran hat sich für die Besucher bis heute leider gar nichts geändert. Bisher ist die Bonner Bürokratie in einen Laokoonkampf mit sich selber verstrickt; der eine sucht dem anderen Kompetenzen herauszuziehen und sich anzueignen, oder er versucht, sich solche Kompetenzen nicht absprechen zu lassen. Das ist der bedauerliche Tatbestand für denjenigen, der von außen an diese Sache herankommt.
Ich will nicht alle schönen Worte wiederholen, die hier darüber gesagt worden sind, daß man sich in dieser Sache strebend bemühe. Aber der Erfolg ist bisher ausgeblieben. Es wird in der Öffentlichkeit sehr häufig 'über eine Verschwendung von Entwicklungshilfemitteln geklagt. Mit einigen guten Beispielen und mit einigen falschen Beispielen werden diese Klagen vorgebracht. Ich muß diesen Klagen eine weitere hinzufügen. Die Verschwendung von Arbeitskraft und Finanzmitteln besteht hier in Bonn selber infolge ,des Durcheinanders der Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik. Wir möchten hoffen, Herr Minister, daß Ihre guten Vorsätze hinsichtlich der Koordinierung und der Zusammenraffung sich bald verwirklichen. Dazu genügt es nicht, daß ein Minister guten Willens ist, sondern dazu gehört, daß die Regierung sich endlich darüber klar wird, wie eine gemeinsame Politik betrieben werden soll, und daß sie eine Stelle mit der Verantwortung betraut. Das ist meine Bitte.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404902200
Das Wort hat der Abgeordnete Margulies.

Robert Margulies (FDP):
Rede ID: ID0404902300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mir natürlich schwer, jetzt dem riesigen Blumenstrauß, der dem Herrn Minister überreicht wurde, noch ein bescheidenes Blümchen hinzuzufügen. Er kam ja besonders von seiten der Gruppe unseres Hauses, die hier eigentlich die Opposition darstellen sollte. Aber ich bin auch Herrn Dr. Fritz sehr dankbar, daß er namens der CDU -

(Abg. Kalbitzer: Lieben Sie uns nur, wenn wir schimpfen?)

— Warum denn schimpfen? Im Gegenteil, wir haben uns schon immer gut vertragen.

(Heiterkeit.)

Ich möchte aber Herrn Dr. Fritz noch besonders danken für die persönliche Beglückwünschung meines Parteifreundes, des Herrn Ministers. Ich würde mich selbstverständlich gern revanchieren, aber heute muß ich mich wohl an das Thema halten.

(Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen] : Es sind Ihnen keine Grenzen gesetzt!)

— Ich danke für die Vollmacht.



Margulies
Ich möchte jedenfalls einmal ganz eindeutig feststellen, daß sich die Tätigkeit des Ministeriums in dem knapp einen Jahr ganz deutlich bemerkbar macht. Ich hatte ja die Ehre, eine Zeitlang den Vorsitz im Ausschuß für Entwicklungshilfe zu führen, und kann daher den Unterschied zwischen der ersten Zeit und heute ganz klar feststellen. Es ist eine gewisse Ubersicht in die Dinge gekommen, eine Transparenz der ganzen Angelegenheit. Man kann jetzt deutlich sehen, wie die Dinge gehandhabt werden und wo sie bleiben. Wir können nun, Herr Gewandt, mit ehrlichem Gewissen vor der Bevölkerung unseres Landes feststellen, daß jedenfalls für unser Geld keine goldenen Betten gekauft und keine Paläste gebaut werden. Wir wissen aus unseren Beratungen, wie die Gelder verwandt werden und daß die Mittel, die wir einsetzen, auch den Zwecken dienen, für die sie bestimmt werden.
Der Herr Minister hat sich noch persönlich bemüht, gewisse Mißbräuche abzustellen, die in der Vergangenheit eingerissen waren, daß nämlich ein Minister, wenn er ins Ausland kommt, das Füllhorn der Fortuna unter dem Arm trägt und nach Gießkannenmethode Geschenke verrieselt. Das ist jetzt auch nicht mehr üblich.

(Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen] : Das war auch vorher nicht üblich!)

— Es ist aber sehr häufig geschehen, Herr Dr. Fritz.

(Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen)).

— ich bin gerne bereit, Ihnen die zahlenmäßige Aufstellung darüber zu geben. Sie wissen das doch auch. Das wollen wir also in Zukunft auch nicht mehr sehen. Da sind vielmehr die rein sachlichen Gesichtspunkte ausschlaggebend.
Es ist aber auch, und zwar durch den Minister Scheel, ein gewisser neuer Stil entwickelt worden. Man hat auch den Empfängerländern gewisse Illusionen genommen, Illusionen, die ich vielleicht etwas übertreibend dahin darstellen darf, daß man dort zunächst meinte, daß die Menschen bei uns arbeiten und Steuern zahlen und daraus Enwicklungshilfe leisten, damit die Menschen dort nicht zu arbeiten brauchen. Diese Illusion ist also mittlerweile auch verschwunden.
Ich muß auch über einen anderen Punkt sprechen. Ich höre gelegentlich davon, daß die Weißen eigentlich ein Schuldgefühl haben müßten. Uns betrifft das sowieso nicht, weil wir ja seit ewigen Zeiten keine Kolonien mehr haben. Ich vermag aber auch eine Kollektivschuld der Weißen nicht anzuerkennen, und ich kann aus eigener Erfahrung nur sagen — die Kollegen, die schon in den Ländern waren, werden mir zustimmen —, daß man doch, wenn man einmal dort hinkommt, an Ort und Stelle feststellt, daß in den letzten Jahrzehnten Hervorragendes für die Ausbildung, für die Bildung, für die Hebung der Wirtschaftskraft der Entwicklungsländer geleistet worden ist. Das wollen wir natürlich gern fortsetzen. Selbstverständlich können wir uns aber von den Empfängerländern keine Vorschriften machen lassen, wie wir das tun müssen; denn wir müssen ja hier die Verantwortung gegenüber unseren Steuerzahlern tragen.
Herr Wischnewski hat die Rourkela-Sache angesprochen. Ich möchte doch noch einmal darauf hinweisen, daß es sich hier, jedenfalls zu Beginn, um ein Kassa-Geschäft handelte und daß wir natürlich nie verhindern können, daß irgendein Land sich bei uns in Uberschätzung seiner eigenen Möglichkeiten irgendeine Anlage kauft und dann damit Schiffbruch erleidet. Sicher, Wir wollen unser möglichstes tun, um solchen Dingen vorzubeugen; aber ich glaube nicht, daß man die Regierung dafür verantwortlich machen kann.
Nun, über die Frage der Kompetenzen ist heute der schöne Artikel im „Handelsblatt" erschienen: „Spaziergänge am Rhein". Ich darf die Lektüre empfehlen. Für uns handelt es sich nur darum, daß eben doch eine Vielzahl von Fragen durch die Entwicklungspolitik berührt wird. Ich darf die hier gemachte Aufstellung zitieren: der Finanzminister betrachtet es als Finanzpolitik, der Wirtschaftsminister als Wirtschaftspolitik, der Außenminister als Außenpolitik, der Landwirtschaftsminister ist beteiligt, ferner der Verkehrsminister und der Bundesschatzminister. Ich glaube nicht, daß das alle sind.

(Abg. Kalbitzer: Auch der Familienminister und auch der Arbeitsminister!)

— Ja, ich wollte gerade sagen, Herr Kalbitzer: ich glaube kaum, daß das alle 'sind. Die Aufzählung ist irgendwie unvollständig. Ich meine, jeder ist doch in irgendeiner Form 'an Entwicklungshilfe interessiert und möchte an den Konferenzen, die darüber stattfinden, teilnehmen. Sicher, die Gesichtspunkte, die aus dieser 'Aufzählung sprechen, müssen, wie wir alle wissen, beachtet werden; aber wir müssen uns doch endlich zu einem tragenden Gesichtspunkt durchringen, unter dem wir die Entwicklungspolitik betreiben wollen. Ichglaube, daß sich der Herr Minister sehr stark darum bemüht, den tragenden Gesichtspunkt zu entwickeln und ihn auch durchzusetzen. Aber in 'gewisser Hinsicht muß ich dem zustimmen, was hier schon darüber gesagt worden ist, daß eben leider auch die Erklärung der Regierung dieses Auseinandergehen der Kompetenzen widerspiegelt.
Ich bedaure eigentlich, daß alles, was wir hier im Hause — und zwar nicht etwa als Opposition oder Koalition, sondern alle miteinander — seit einem Jahr über diese Frage gesagt haben, bis jetzt so wenig Wirkung gezeigt hat. Hier ist es doch so, daß wir ein Ministerium geschaffen haben, daß wir es gewünscht haben, daß wir aber eine ganz klare und präzise Vorstellung darüber batten, was für Aufgaben dieses Ministerium hat. Wir haben diese Darstellung hier im Hause gegeben. Es wäre eigentlich selbstverständlich gewesen, daß sich die Regierung diesen Wünschen etwas annäherte.
Ich sage das insbesondere deshalb, weil ich in der Person des derzeitigen Ministers für die wirtschaftliche Zusammenarbeit auch immer eine Garantie dafür gesehen hatte, daß die Politik, die uns der EWG-Vertrag vorschreibt, nämlich die Politik hinsichtlich der assoziierten überseeischen Staaten in Afrika und Madagaskar, in eine Linie kommt, die den Verpflichtungen des Vertrages entspricht. Ich sehe mich heute zu der Feststellung genötigt, daß das neue



Margulies
Assoziationsabkommen, das noch gar nicht fertig ist, in seiner ganzen geistigen Haltung einen Rückschritt darstellt, daß hier die Verpflichtung und Verantwortung nicht erfüllt ist, die wir gegenüber den 18 assoziierten Staaten übernommen haben, und zwar nicht wir Deutschen allein, sondern wir als Teil, als Mitgliedstaat der EWG.
Ich will also nicht von Geld sprechen, keineswegs! Es geht nicht darum, daß hier höhere Leistungen erbracht worden sind. Aber warum schließt man nun plötzlich einen Vertrag der 6 Mitgliedstaaten mit 18 assoziierten Staaten an Stelle des Vertrages zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den assoziierten Staaten? Die Leistungen könnten dieselben bleiben, auch die Handelspolitik könnte dieselbe bleiben; aber es ist doch unvorstellbar, daß wir etwa auf der einen Seite innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine gemeinsame Handelspolitik, gemeinsame Wirtschaftspolitik, gemeinsame Konjunkturpolitik, gemeinsame Verkehrspolitik treiben, aber auf der anderen Seite gegenüber den Assoziierten keine gemeinsame Politik, obwohl es die gleichen Themen sind, über die wir im übrigen unter den Sechs eine gemeinsame Politik treiben wollen. Ich beklage das deshalb — und jetzt, wo es noch zu ändern ist, besonders laut —, weil wir die Folgen schon sehen. Die Assoziierten selber wollten nicht einfach unter „ferner liefen — Entwicklungshilfe" betrachtet werden, sondern sie wollten eine Zusammenarbeit mit dem werdenden Europa eingehen. Sie sind nun schrecklich enttäuscht, daß sie plötzlich wieder in ein Verhältnis zu ihren früheren Kolonialmächten eintreten. Daß sich andere afrikanische Staaten diesem Unternehmen anschließen, das kann man mit Fug und Recht nicht mehr erwarten. Hier sind die Dinge also ganz schief gelaufen.
Über den Fonds will ich nicht sprechen. Aber nachdem hier alle Rollen vertauscht sind, Herr Kollege Wischnewski, kann ich die Frage beantworten, die Sie hinsichtlich der deutschen Beteiligung an dem Entwicklungsfonds gestellt haben. Die Aufträge sind nämlich zu 67,11 °/o an Firmen in den assoziierten Staaten erteilt.

(Abg. Wischnewski: Herr Kollege Margulies, von Ihnen nicht solche Zahlen! Was sind denn das für Firmen, diese 67 %?)

— Lassen Sie es mich doch sagen. Bei den Zusageempfängern mit Sitz in den assoziierten Staaten selbst handelt es sich in der Regel um Tochterunternehmen französischer, vereinzelt aber auch um Zweigniederlassungen deutscher Firmen. Wir können also nicht von diesen über den Daumen gepeilten 4 °/o ausgehen. Es ist schon etwas mehr.

(Abg. Kalbitzer: Eher weniger als mehr!)

— Die Zahlen, die ich hier habe, zeigen: etwas mehr.
Aber die Ursache, Herr Wischnewski, ist das Entscheidende. Dazu darf ich Ihnen folgendes über die zahlenmäßige Beteiligung deutscher Firmen an den bisherigen Ausschreibungen sagen. Bei 184 Ausschreibungen gingen etwa 1157 Angebote ein, darunter 65 deutsche. Von diesen 184 Ausschreibungen entfielen allein 118 auf öffentliche Arbeiten, also
Bauleistungen, und da wurden 662 Angebote abgegeben, davon 10 aus der Bundesrepublik. Unter diesen Umständen können wir natürlich nicht erwarten, daß die deutsche Beteiligung an diesen Dingen wesentlich größer ist.
Ich wollte also die Frage der Gemeinschaftspolitik angeschnitten haben. Aber ich möchte auch gleich sagen, daß ich mich sehr gefreut habe, in verschiedenen Ländern draußen eine Zusammenarbeit der Botschafter der sechs Mitgliedstaaten der EWG angetroffen zu haben. Das hängt natürlich ein bißchen von den jeweiligen Personen ab. Aber ich habe mich doch gefreut, daß es überhaupt so eine Weisung gibt und daß sie in einigen Ländern auch durchgeführt wird. Denn es muß uns 'die Arbeit erheblich erleichtern, wenn wir in einem bestimmten Bereich die Zusammenarbeit in den Vordergrund stellen.
Ich möchte aber gern den Grundsatz aus der Regierungserklärung unterstreichen, daß die Ausbildungshilfe in erster Linie in den Heimatländern geleistet werden sollte. Wir sagen zwar immer: Das geht nicht, soundso viele müssen hier ausgebildet werden. Ich glaube das nicht. Es ist schon außerordentlich schwierig, Menschen in einen fremden Erdteil zu verpflanzen, sie in eine ganz andere Umwelt zu versetzen. Wir beklagen hier — ich glaube, Herr Kahn-Ackermann hat darüber gesprochen — die gewisse Zurückhaltung unserer Menschen, die nun plötzlich in Kontakt mit Leuten aus den Entwicklungsländern kommen. Aber 'die Leute sind ja nicht wegen der Hautfarbe zurückhaltend, sondern sie sind gegen alles Fremde zurückhaltend. Da ist gar kein Unterschied. Jeder von uns, der in ein anderes Land kommt, stößt zunächst einmal auf eine gewisse Zurückhaltung, wird berochen und dann eventuell in die Gemeinschaft aufgenommen. Das alles erschwert doch außerordentlich die Ausbildung in Europa; ganz abgesehen davon, daß die jungen Menschen an einen Lebensstil und eine Umwelt gewöhnt werden, die sie dann natürlich zu Hause als Mindestmaß wiederzufinden hoffen. Oder mit anderen Worten gesagt: den Arzt, den wir hier mit hohen Kosten ausgebildet haben, den bringen Sie doch nachher nicht dazu, in den Busch zu gehen und dort zu arbeiten, wo er gebraucht wird. — Ich glaube also, wir sollten das sehr unterstreichen, daß die Ausbildung, soweit überhaupt irgend möglich, in die Länder selbst verlegt werden sollte.
Ein anderer Punkt, der mir in der Regierungserklärung aufgefallen ist, ist die Frage der Steigerung des Handels, der Abnahme der Produkte. Es ist richtig — und die Zahlen, die dazu gegeben worden sind, machen es überaus deutlich —, daß der Preisverfall der Produkte den größten Teil der Entwicklungshilfe aufgefressen hat. Ja nun, meine Damen und Herren, das ist richtig, und da müssen wir uns eine Abhilfe überlegen. Aber es handelt sich doch leider wieder einmal um das uns an sich geläufige Problem der landwirtschaftlichen Überschüsse. Die Produkte, um die es sich hier handelt, sind doch alles Landwirtschaftsprodukte. Den Absatz etwa in dem Maße zu steigern, wie laufend der Anbau dieser Produkte gesteigert wird, das wird uns wohl kaum gelingen. Was uns aber gelingen könnte,



Margulies
wäre, so viel Kaufkraft in den Ländern selbst zu schaffen, daß dort ein gewisser Markt für diese Produkte entsteht. Lassen Sie es mich an einem Beispiel sagen. In Abidjan, Elfenbeinküste, in einem Land, in dem außerordentlich viel Ananas wächst, bekommen Sie Ananassaft angeboten, der in Kalifornien hergestellt wird. Das ist doch nicht nötig! Hier sind die Ansatzpunkte, wo man die erste Verarbeitungsstufe der Produkte in die Länder selbst legen kann, womit man einerseits den Konsum der Produkte anreizt, andererseits aber auch erreicht, daß eine gewisse Kaufkrafthebung eintritt und ein Teil ,der Produkte im Lande selbst verbraucht wird.
Ich darf mich aufdiese kurzen Ausführungen beschränken, meine Damen und Herren. Das ganze Prinzip der Entwicklungshilfe hier heute noch abzuhandeln, würde wohl zu weit gehen. Ich wäre aber dem Herrn Minister sehr dankbar, wenn er sich persönlich noch etwas um das Problem der Assoziierung kümmern würde.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404902400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hellige.

Dr. Walther Hellige (CDU):
Rede ID: ID0404902500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige Gedanken zum Gebiete der Entwicklungshilfe aussprechen, die der Kollege Kahn-Ackermann schon anklingen ließ, aber aus Zeitmangel nicht mehr entwickeln konnte.
Die Entwicklungspolitik ist ein Teil unserer Beziehungen zum Ausland, gehört daher zur Zuständigkeit des Bundes. Der Bund verfügt aber nun einmal nicht über die Personen, die den betreuten Ländern das Wissen und Können vermitteln könnten, das sie für ihre eigene Entwicklung brauchen. Darum wird die Hilfe der Länder benötigt. So wird die Entwicklungshilfe eine Gemeinschaftsaufgabe beider Ebenen, eine Bewährungsprobe für das Zusammenspiel in unserem sehr komplizierten Staatsaufbau, dessen mangelnde Eignung für kulturelle Auslandsarbeit ich schon im März dieses Jahres bei der Kulturdebatte zu beklagen Gelegenheit hatte. Nun, wir müssen uns im Rahmen des Grundgesetzes halten und dürfen uns mit der Erfahrung trösten, daß auch mit einem unvollkommenen Werkzeug in der Hand des Meisters Brauchbares geleistet werden kann.
Das Ministerium, mit dessen Arbeit wir uns heute beschäftigen, ist erst ein Jahr alt. Auch in der Entwicklungsarbeit steht unser Staat noch nicht sehr lange. Vor wenigen Jahren waren wir ja selbst noch Entwicklungsland, brauchten wir selbst noch die Hilfe von Freunden zum Wiederaufbau unserer Wirtschaft. In der Wissenschaft haben wir bisher das Weltniveau noch nicht wieder erreichen können.
Um so mehr begrüßen wir es, daß unsere deutsche Wissenschaft schon jetzt die Verpflichtung spürt, zu ihrem Teile an der Bewältigung dieser großen Aufgabe mitzuhelfen. Ich nehme daher gern Gelegenheit, Zahlen, die ich in der erwähnten Debatte vor einem halben Jahr über die Tätigkeit deutscher Wissenschaftler in Übersee genannt habe, — einen, wie ich glaube, sehr wesentlichen Teil unserer Bildungshilfe — nach ihrem neuesten Stand diesem Hohen Hause mitzuteilen.
Zur Zeit sind in Süd- und Mittelamerika mit Schwerpunkt in Chile und Argentinien 120 bis 130 deutsche Gelehrte tätig. Die genaue Zahl ist sehr schwer zu ermitteln, da nicht alle Herren die Hilfe der Vermittlungsstelle für deutsche Wissenschaftler im Ausland, der ich diese Unterlagen verdanke, in Anspruch nehmen. Im islamischen Orient einschließlich der Türkei arbeiten zur Zeit 30 bis 35 deutsche Gelehrte, im übrigen Asien etwa 40. Insgesamt sind in den Entwicklungsländern etwa 220 deutsche Wissenschaftler tätig. Von diesen Herren war die Hälfte schon 1955 im Amt. In den Jahren 1956 bis 1960 waren es 15 mehr, 1961 und 1962 sind es rund 30.
Das sind nun gewiß keine respektablen Zahlen, wenn wir sie etwa mit dem Auftrag vergleichen, den die Sowjetunion ihrem Orientalistentag in Taschkent vor vier Jahren gestellt hat: innerhalb kurzer Zeit 5000 Arabisten auszubilden. Immerhin habe ich gestern im Ausschuß mit Genugtuung gehört, daß das Goethe-Institut schon über 26 deutsche Arabisten verfügen kann.
Aber wir haben ja auch in der Bundesrepublik an wissenschaftlichem Nachwuchs keinen Überfluß. Den erfreulichen, wenn auch sehr bescheidenen Fortschritt verdanken wir dem zunehmenden Interesse der Bundesländer an der Entwicklungsaufgabe. Sie alle kennen die Bereitwilligkeit unserer Ministerpräsidenten, an diesem Werk mitzuarbeiten, die in der Bremer Konferenz im Mai dieses Jahres zum Ausdruck kam. Die Kultusminister haben die beamtenrechtliche Sicherung der aus ihrem Dienst zur Verfügung gestellten Persönlichkeiten als Aufgabe übernommen. In mehreren Ländern sind Leerstellen geschaffen worden, in denen im Ausland arbeitende Landesbeamten geführt werden.
Auch die Wissenschaft hat sich in zunehmendem Maße der Entwicklungsaufgaben angenommen. Fakultäten haben sich zur Übernahme von Patenschaften für Fakultäten in den Entwicklungsländern entschlossen. Ich nenne Ihnen als Beispiele die medizinische Fakultät in Freiburg für Hue in Vietnam, die veterinär-medizinische in Gießen für Nairobi und für Izmir und das große, gut anlaufende Vorhaben der Universitäten Bonn und Köln für die Errichtung von zwei Fakultäten in Kabul. Weite Patenverhältnisse sind geplant.
Nun ist die Wissenschaft unabhängig. Sie bedarf nicht der Weisung 'durch ein Ministerium. Sie hat sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt. Ich habe vernommen, daß diese Zusammenarbeit mit dem Ministerium in Kürze organisatorische Formen finden wird.
Auch die vorhin von Herrn Kahn-Ackermann angesprochene Erforschung der Kulturen der von uns zu betreuenden Länder ist gut angelaufen. Wir haben das Sprachenprogramm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes. Wir haben nach viel-

Dr. Hellige
jähriger Pause das Orientalische Seminar, das früher in Berlin der sprachlichen Ausbildung unserer Beamten diente, nun hier in Bonn wieder am Leben. Ich empfehle Ihnen, soweit Sie sie nicht kennen, die Empfehlung des Wissenschaftsrats zum Ausbau der wissenschaftlichen Hochschulen, nach der die Fächer der Orientalistik und Afrikanistik erheblich stärker mit Lehrstühlen ausgestattet werden sollen, als das bisher der Fall war. Ich empfehle Ihnen einen Blick in die Denkschrift „Orientalistik", die Professor Falkenstein für die Deutsche Forschungsgemeinschaft ausgearbeitet hat und in der alle diese Probleme angesprochen worden sind. Unsere Soziologen und unsere Ethnologen werden sich in erheblich größerem Maße dem Problem des Kulturwandels zuwenden müssen, jenem in der Geschichte der Menschheit wohl einmaligen Phänomen, daß Menschengruppen aus steinzeitlichen, zum Teil sogar aus vorsteinzeitlichen Kulturzuständen nun innerhalb weniger Jahre in die Zivilisation des 20. Jahrhunderts nach Christi Geburt übergeführt werden; ein Forschungsgebiet, das Bronislaw Malinowski mit seiner amerikanischen soziologisch-ethnologischen Schule mustergültig angefaßt hat.
Über die Schulen hier zu sprechen, möchte ich mir aus Gründen der Zeitersparnis schenken.
In einigen Fällen haben die Länder sich unmittelbar in der Entwicklungsarbeit engagiert. Die Errichtung des schon angesprochenen Gewerbeförderungszentrums in Tunesien durch Baden-Württemberg darf als ein gutes Beispiel genannt werden. Die hessische Aktivität in Ghana ist bekanntgeworden. I Voraussetzung für das Tätigwerden der Länder im Ausland ist die gemeinsame Planung mit dem Bunde, die allein die Einheitlichkeit der Maßnahmen sicherstellen kann. Die Hauptaufgabe der Länder wird aber sicher im Inland liegen müssen: Bereithalten von Ausbildungsstätten, Aufnahme und Betreuung von Studenten und Praktikanten. Sie finden für diesen Zweck bereits Mittel in den Länderetats. Forschungsaufgaben mannigfachster Art, Pflege von Kontakten, von Nachkontakten — wer könnte die Aufgaben alle erschöpfend aufzählen? Schließlich die wichtigste Aufgabe, die vor uns steht: Menschen bereitzustellen, Menschen zu schulen, die sich dieser wichtigen Arbeit widmen wollen.
Die Entwicklungshilfe in der Bundesrepublik sieht sich Schwierigkeiten gegenüber, die unsere westlichen Nachbarn nicht kennen. Wir Deutschen sind eben seit einem halben Jahrhundert der Arbeit in Übersee entfremdet. Wir waren auch vorher nur ganz kurze Zeit dort tätig. Wir haben nur sehr wenige Menschen, die in diesen Ländern aufgewachsen sind, die an ihr Klima gewöhnt sind, ihre Sprache beherrschen, mit ihren Anschauungen und ihrer Lebensart von Kindheit her vertraut sind. Unsere Entwicklungshelfer müssen alles erst lernen. Sie können sich freilich auf die Erfahrungen unserer Freunde stützen. Sie sind frei von den Schatten, die die Kolonialzeit auf den früheren Kolonialherren haften läßt.
Auch in der Organisation der Arbeit — das ist von Herrn Wischnewski und auch von Herrn KahnAckermann erwähnt worden — leiden wir an einem Handikap. Uns fehlt zunächst die zentrale Kompetenz, die die Arbeit aller unserer Nachbarn, im Osten wie im Westen, so stark begünstigt. Wir haben einen Bund, wir haben elf Länder. Sie alle haben ihren guten Willen bewiesen, aber der Willensakt muß stets im einzelnen herbeigeführt werden. Das kostet Zeit, das kostet Besprechungen, das kostet sicher auch Kraft. Eine ganze Reihe von Bundesministerien sind beteiligt. Niemand gibt gern Zuständigkeiten ab, das liegt nun einmal in der menschlichen Natur. Ich teile die Bedenken, die hier gegen diese Vielfalt geäußert worden sind. Ich wünsche dem Herrn Minister, daß seine Kompetenzen sich vermehren mögen.
Hinzu kommt die Tatsache; daß wir die Kirchen für die Mitarbeit wünschen und brauchen, die Hochschulen, die Wirtschaft, die Gewerkschaften, sehr viele Verbände, Stiftungen, Institute, kurz, die ganze bunte Vielfalt unserer modernen Gesellschaft. Alle diese Kräfte müssen mit großer Behutsamkeit auf e i n Ziel ausgerichtet werden. Sie müssen nach einem Programm wirken. Daß diese Teile gut zusammenzuwirken beginnen, spricht für das diplomatische Geschick, mit dem der Minister seine Aufgabe wahrnimmt. Wir stehen noch ganz in den Anfängen. Niemand wird erwarten dürfen, daß man das Erreichte schon bald an amerikanischen Maßstäben messen kann. Aber ich glaube, wir sind auf einem guten Wege.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404902600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Mühlen.

Freiherr Klaus von Mühlen (FDP):
Rede ID: ID0404902700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind eben dabei, wie ich sehe, Entwicklungshilfe im wahrsten Sinne unter uns zu betreiben. Aber zum Schluß der Debatte möchte ich noch ganz kurz einen Gedanken einfügen, den wir nicht übersehen sollten. Wir sind ja Gott sei Dank nicht das einzige Land, das Entwicklungshilfe betreiben muß und deshalb auch betreibt, sondern wir betreiben diese Entwicklungshilfe ja im Kreise einer Gemeinschaft von verbündeten Staaten. Da kommt ein ganzer Aufgabenkreis auf uns zu, wenn wir diese Entwicklungshilfe sinnvoll gestalten wollen. Wir verfahren hier etwas nach dem Sprichwort: Wer schnell gibt, gibt doppelt. Das ist richtig. Weiter aber sollte für uns als Maßstab gelten: Wer sinnvoll gibt, gibt vierfach. Sinnvoll Entwicklungshilfe geben heißt, daß wir — und das wollen alle Geberländer — die Entwicklungsländer befähigen, eine gesund abgewogene Volkswirtschaft aufzubauen. Wir selbst sind bei unseren Projekten bemüht, diesem Grundsatz zu folgen und die Aufgabe so sauber wie möglich zu lösen.
Der Herr Minister hat heute in seiner Erklärung gezeigt — und das hat sich auch in der Arbeit seines Ministeriums gezeigt —, daß wir sorgsam vorgehen, damit diese Projektauswahl in unserem Sinne wirtschaftlich, finanziell vertreten werden kann. Ich glaube, gerade hier ist einmal der Ort, wo wir der



Freiherr von Mühlen
sehr stillen, sehr sorgsamen und sehr wirkungsvollen Arbeit der Kreditanstalt für Wiederaufbau gedenken sollten, die gerade in diesem Punkt — Projektauswahl, Projektauslese — seit Jahren eine ausgezeichnete Arbeit leistet.
Wenn wir .den Entwicklungsländern zum Aufbau einer gesunden Volkswirtschaft helfen wollen — und wir müssen es —, muß auch die Entwicklungshilfe, die von uns, den Amerikanern, den Engländern, den Franzosen — wer es auch immer sein mag — geleistet wird, sinnvoll im Interesse einer sich integrierenden Volkswirtschaft in diesen Ländern sein. Deshalb genügt es nicht — ich möchte nur kurz darüber sprechen; der Kollege Margulies hat darauf hingewiesen —, daß in dem einen oder anderen Land die Botschafter der EWG-Länder in einer Aussprache gut zusammenarbeiten. Ich glaube, es ist notwendig, daß sich die Geberländer in zunehmendem Maße in einer gemeinsamen Arbeit zusammenfinden, damit sich integrierende Volkswirtschaften in diesen Ländern erstehen können.
Es liegen eine ganze Menge Berichte darüber vor, daß bei allem guten Willen der einzelnen Geberländer in diesem oder jenem Land drunter und drüber oder nebeneinanderher entwickelt wird, was zur Folge hat, daß die Investitionen und die Hilfe, die das eine Land gibt, insgesamt nicht entsprechend zum Tragen kommen, weil in dem Entwicklungsland eine Gesamtkonzeption für den wirtschaftlichen Aufbau nicht vorliegt. Hier hat auch das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit eine Aufgabe vor sich, die es weiter verfolgen sollte, — denn die Aufgabe ist erfreulicherweise bereits in Angriff genommen worden.
Vor kurzem hat hier im Rahmen der Deutschen Stiftung für die Entwicklungsländer eine Tagung unter dem Motto „Comprehensive Planning" stattgefunden, an der über ein Dutzend hervorragender Volkswirtschaftler und Entwicklungspolitiker aus den Vereinigten Staaten, England und Frankreich teilnahmen, die sich mit dem Problem beschäftigten, die Entwicklungspolitik der Geberländer auf die volkswirtschaftlichen Interessen des jeweiligen Landes abzustimmen. Das Ergebnis war ausgezeichnet. Es soll jetzt zusammengefaßt und als Unterlage in Buchform gebracht werden. Ich möchte den Herrn Minister bitten, dieser Arbeit, die hier im Rahmen der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer eingeleitet wurde, auch in Zukunft besondere Aufmerksamkeit zu schenken und sie zu fördern. Hier wäre meiner Ansicht nach eine Möglichkeit gegeben — auch das wäre zu erwägen —, den Bemühungen des Senats von Berlin zu entsprechen, gerade internationale Institute in ,die ehemalige Reichshauptstadt zu bringen. Es scheint der Erwägung wert, ob nicht gerade die Koordinierung der Entwicklungspolitik der Geberländer im Sinne des Aufbaus einer sich integrierenden Volkswirtschaft in den Empfängerländern im Rahmen eines internationalen Instituts in Berlin in Angriff genommen werden kann, das in irgendeiner Form aus der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer hervorgehen könnte.
Noch kurz zu einem zweiten Problem, das nicht im Zusammenhang mit dem ersten steht! Wir stehen jetzt im Rahmen der EWG vor der Tatsache, daß
wir über kurz oder lang im europäischen Raum eine Agrarüberproduktion haben werden. Ich möchte hier das Beispiel der Amerikaner heranziehen. Soweit ich unterrichtet bin, leisten die Amerikaner etwa 25 % ihrer Entwicklungshilfe in Naturalien. Es wäre vielleicht zu prüfen, — ich möchte das dem Herrn Minister nahelegen —, ob sich nicht im Rahmen der EWG Möglichkeiten ergeben, die Agrarüberproduktion in Form von Entwicklungshilfe den Entwicklungsländern zuzuführen. Sicher könnten dann Schlagzeilen der Presse, die Interessenkonflikte zwischen den niederbayerischen Bauern und Afrika herbeiziehen, vermieden werden. Bei einer Lösung dieses Problems könnte vielleicht die Agrarfrage, vor der wir in Europa stehen, auf dem Wege über die Entwicklungshilfe und die Entwicklungspolitik etwas von ihrer Problematik verlieren.
Das sind die beiden Punkte. Ich wäre dankbar, wenn das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit sie in seinen Arbeitskreis aufnehmen würde. Auch ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß im kommenden Jahr die Probleme im Hinblick auf den Personalbestand und ,die Kompetenzen des Ministeriums so entschlossen in Angriff genomen werden können, daß das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit die vor ihm stehenden Aufgaben erfüllen kann und in Zukunft zu einer Stelle wird, zu der jeder gehen kann, ohne sich vorher bei sechs anderen Ministerien die Hacken abtreten zu müssen.

Dr. Thomas Dehler (FDP):
Rede ID: ID0404902800
Der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit erhält das Wort zu einem kurzen Schlußwort.

Walter Scheel (FDP):
Rede ID: ID0404902900
Herr Präsident, nur nach der Zahl meiner Notizzettel läßt sich nichts über die Länge meiner Rede sagen; es ist ein sehr dickes Paket. Ich weiß aus verhältnismäßig langjähriger parlamentarischer Erfahrung, wie es den verehrten Damen und Herren Kollegen, die jetzt noch hier sind, zumute ist. Ich bin Ihnen aber einige Antworten auf die Fragen schuldig, die hier gestellt worden sind.
Zunächst will 'ich Ihnen ganz kurz folgendes sagen: wir haben heute quer durch alle Fraktionen einheitlich die politische Bedeutung der ganzen Frage anerkannt. Es ist dankenswerterweise auch hervorgehoben worden, daß es nicht einfach ist, schnell zu einer Lösung in diesem Bereich zu kommen. Es sind auch gewisse Erfolge anerkannt worden. Die Kritik und die Wünsche, die hier vorgetragen worden sind, sollen uns als Anregung dienen, bei unserer Arbeit den richtigen Weg zu suchen.
Ich will gleich zu Beginn das Problem behandeln, das hier — selbst von den Herren der Opposition — verhältnismäßig zurückhaltend kritisiert worden ist. Herr Kahn-Ackermann sprach sogar von „vielen schönen Worten" — ich muß sagen, darüber läßt sich streiten —, mit denen ich um gewisse heiße Fragen herumgegangen sei. Wenn Sie den Anfang der Antwort lesen, dann erkennen Sie, daß sich bei dem Kompetenzproblem um eine sehr schwierige Frage handelt. Alle, die hier das Wort genommen haben,

Bundesminister Scheel
haben darüber gesprochen. Ich muß aber sagen: das ist kein spezifisches Problem, das nur mein Ministerium angeht.

(Abg. Kalbitzer: Das geht die ganze Regierung an! Das ist ausdrücklich betont worden!)

Es ist aber — damit nicht die Ebene verschoben wird — kein spezifisches Problem, das nur diese Sache berührt, sondern ein weltweites Problem, das sich heute überall stellt, nämlich wie wir unsere sich immer schneller bewegende moderne Umwelt organisatorisch bewältigen. In vielen Bereichen ist uns das noch nicht gelungen.

(Abg. Kalbitzer: Uns interessiert nur dieser Bereich!)

— Ich komme darauf noch zurück. — Dazu zählt auch dieser Bereich, der, ich möchte sagen, abweichend von den üblichen Formen, organisatorisch als Sachgebiet gefaßt ist, das aber nach den Seiten hin in der Organisation nicht klar abgrenzbar ist. Die perfekte Organisation eines Sachgebietes ist noch zu keiner Zeit und in keinem Land auf Anhieb gelungen, und niemand wird bestreiten, daß wir uns auch da in der Entwicklung befinden.
Aber ich glaube, einen gewissen Fortschritt haben wir gemacht; denn eines steht fest und niemand hat es bestritten: Diese Bundesregierung hat auf dem Sektor Entwicklungspolitik eine einheitliche, in sich geschlossene Konzeption.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Diese in sich geschlossene Konzeption wird von innen heraus entwickelt. Mit anderen Worten: wir geben uns Mühe, von innen heraus nach außen zu koordinieren. Innen ist die Koordination vorhanden, nach außen macht es den Eindruck, als ob sie noch nicht vorhanden wäre. Dieser Eindruck täuscht auch nicht. Ich glaube aber, daß wir auch diesen äußerlichen Bereich der Koordinierung in Zukunft besser meistern werden, als uns das bisher gelungen ist. Die Diskussion heute mag dazu beigetragen haben.
Jetzt darf ich zu einzelnen Fragen kommen, die von den Kollegen gestellt worden sind, zunächst auf die von Herrn Wischnewski, der am Anfang auf das zweite schwierige Gebiet eingegangen ist: die Öffentlichkeitsarbeit. Ich gestehe offen, meine Damen und Herren, hier fühle ich mich mit meiner Antwort etwas unsicher und auch nicht sehr wohl. Ich hätte in die Kritik mit einstimmen können. Ich muß sagen, daß hier meine eigene Absicht bisher noch nicht verwirklicht werden konnte. Da sind wir am weitesten zurück, obgleich es sehr wichtig ist, diese Frage zu bearbeiten; denn nirgendwo gilt so sehr das Wort von der Öffentlichkeitsarbeit: Da kann man nicht auf der Woge der Popularität voranreiten, sondern es gilt hier ganz eindeutig, nicht das Populäre zu tun, sondern das Richtige populär zu machen; und das ist gar nicht so einfach.
Wir haben vor kurzem überhaupt erst einmal die Zusammenarbeit zwischen Presseamt und unserem Ministerium in groben Umrissen regeln können. Ich darf Ihnen sagen, daß die personelle Seite bei uns noch nicht geklärt ist, nicht etwa, weil Kompetenzschwierigkeiten bestünden, sondern weil tatsächlich die besonders qualifizierten Kräfte fehlen, die wir brauchen. Wir bemühen uns, sie zu finden. Ich muß sagen, hier war mir Ihre Kritik unangenehm, weil mein Gewissen nicht so ruhig ist wie bei den anderen Bereichen, zu denen ich jetzt komme.
Bei Ihren Einzelfragen haben Sie, Herr Wischnewski, von dem Problem der Einrichtung einer Druckerei in einem afrikanischen Land gesprochen. Dazu darf ich sagen, was Ihnen vielleicht nicht bekannt ist, daß der Antrag schon einmal in einem anderen Bundesressort behandelt wurde und erst am 16. Oktober im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit eingegangen ist. Der augenblickliche Sachstand ist, daß das ganze Problem auf der Tagesordnung der nächsten Referentenausschußsitzung steht — Sie wissen, daß wir allein nichts entscheiden — und dort behandelt wird. Eine Auskunft zur Sache kann also erst nach dieser Sitzung gegeben werden. Der Eingang ist wohl formell bestätigt worden. Vielleicht ist die Bestätigung auch unterblieben, weil das Problem schon in einem anderen Ressort behandelt worden war, und zwar, wohlgemerkt, negativ. Jetzt ist es von uns noch einmal aufgegriffen worden. Ich hoffe, daß es zur Zufriedenheit geklärt werden kann.
Dann haben Sie mit Recht darauf hingewiesen, daß die Ursachen für die lange Dauer der Abwicklung der Projekte nicht allein bei uns liegen. Ich sagte in der Antwort auf die Anfrage schon, daß wir häufig fiber unsere Partner zu klagen haben, weil sie ihre eigenen Zusagen, die beim Vertragsabschluß gemacht wurden, nicht einhalten können oder nicht einhalten. Das führt natürlich zu Schwierigkeiten bei der Abwicklung, zumal die Dinge aus außenpolitischen Gründen ja auch oft recht delikat sind. Man kann mit den Partnern auf diesem Sektor immer nur verhältnismäßig vorsichtig verhandeln. Das kostet Zeit.
Ich begrüße es, daß Sie unsere Absicht, ein Schwerpunktprogramm zu entwickeln, positiv aufgegriffen haben. Tatsächlich können wir nicht jedes Jahr jedem Land etwas geben, sondern müssen uns konzentrieren, auch geographisch mit unseren Schwerpunkten wandernd, wobei wir aber ausdrücklich betonen, daß in dem einzelnen Land nicht etwa nur ein Projekt der Schwerpunkt sein soll. Vielmehr versuchen wir seit neuestem, Projektgruppen zu schaffen — und zwar durch eigene Initiative —, die vor allem auch garantieren, daß die soziale Seite nicht übersehen wird.
Dann haben Sie auch unserer Haltung in der Frage der Lieferungebundenheit oder Liefergebundenheit zugestimmt. Ich begrüße das außerordentlich. Ich habe den Eindruck, daß über diese Frage in der Vergangenheit überhaupt zu sehr vom theoretischdogmatischen Standpunkt diskutiert worden ist. Das kann nicht sinnvoll sein; denn unser Verfahren muß auf die jeweilige Situation der eigenen Volkswirtschaft und die unseres Partnerlandes und auch auf unsere internationalen Verpflichtungen Rücksicht nehmen. Wir wollen also in der Zukunft vernünftig und pragmatisch verfahren.



Bundesminister Scheel
Herr Margulies hat zu Ihrer Bemerkung über die EWG und unsere Beteiligung bei der Vergabe von Aufträgen im Rahmen des Europäischen Entwicklungsfonds schon etwas gesagt. Er ist noch nicht einmal auf den Kern der Schwierigkeiten eingegangen, sondern hat nur die Wirkung dieser Schwierigkeiten an Zahlen dargelegt. Der Kern der Schwierigkeiten liegt darin, daß in der Vergangenheit die Ausschreibungen des Europäischen Entwicklungsfonds sich in der Hauptsache auf kleine Projekte bezogen. Da waren z. B. 70 Brunnen in der Republik Tschad anzulegen, pro Projekt nicht sehr kostspielig. Wenn die Projekte so klein sind, hat natürlich der am Ort befindliche Unternehmer beim Angebot einen Vorteil. Mit anderen Worten, der deutsche Unternehmer ist überhaupt nicht interessiert, zu einem solchen Projekt ein Angebot abzugeben. Die hier genannten Angebote sind, das weiß ich sehr genau, zum Teil überhaupt nur als Vergleichsangebote zustande gekommen, ohne 'daß dahinter der feste Wille stand, bei Zuschlag einzutreten, weil das Projekt nicht lohnte, eine kostspielige Arbeitsstelle einzurichten. Das wird dann anders, wenn der Fonds auch größere Projekte finanziert.
Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen, darf ich hier sagen: die französische Regierung ist daran interessiert, speziell mit dem deutschen EWG-Partner nach Regelungen zu suchen, die dieses jetzt optisch ungünstige Bild ändern, sobald praktische Möglichkeiten dazu bestehen. Wir sind in Unterhaltungen aber diese Frage, und ich hoffe, Ihnen beim nächsten Mal darüber mehr sagen zu können.

(Vorsitz : Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

Herr Kollege Wischnewski, Sie haben dann über die Aufbringung der Mittel auf dem privaten Kapitalmarkt gesprochen u id die Schwierigkeiten geschildert. Natürlich sind wir interessiert, in Zukunft auch für die bilaterale Kapitalhilfe Mittel auf dem Kapitalmarkt aufzubringen. Es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß wir im Haushalt bereits eine entsprechende" Position für Zinsverbilligungen eingestellt haben. Das ist vorsorglich geschehen. Wir können hier den privaten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen. Das gilt nicht nur für den deutschen Kapitalmarkt, Herr Kollege Gewandt, sondern das sollte auch für ausländische Kapitalmärkte Gültigkeit haben. Man muß hier immer mit den für diese Frage verantwortlichen Organen der Bundesrepublik in der Diskussion bleiben. Wir tun das. Wir stehen in Verbindung mit der Bundesbank, das Finanz- und das Wirtschaftsministerium sind an diesen Dingen beteiligt. Wir werden also private Kapitalmärkte in Anspruch nehmen, wenn und wo eine Möglichkeit besteht und soweit diese Möglichkeit günstig erscheint.
Die Förderungsmaßnahmen zur Anregung der Privatinitiative reichen im Augenblick — das haben die Sprecher aller Fraktionen gesagt - tatsächlich noch nicht aus. Das ist der Grund, warum wir nach Erlangung einer befriedigenden Regelung bezüglich der Garantien für Privatinvestitionen nunmehr Ressortbesprechungen eingeleitet haben, um auch fiskalische Förderungen ins Auge zu fassen.
Das alles setzt natürlich eine Rechtssicherheit in den Entwicklungsländern voraus. Besteht diese Rechtssicherheit nicht, dann ist die Neigung privater Investoren, dort zu investieren, ohnehin verhältnismäßig gering. Wir müssen also unsererseits auch die Rechtsbeziehungen mit den Entwicklungsländern verdichten, wo immer wir können. Deshalb werden Kapitalschutzverträge abgeschlossen. Aber ich gebe Ihnen völlig recht, Herr Kollege Wischnewski: sie allein sind keine ausreichende Grundlage. Es wäre zweifellos verfehlt, zu hoffen, daß der Abschluß solcher Verträge allein genügen würde, die Privatinitiative anzuregen. Das wäre, um einen Begriff aus dem letzten „Almanach" zu benutzen, „l'art pour l'art", aber hätte keine unmittelbare Wirkung.
Ich darf jetzt die Fragen von Herrn Dr. Fritz kurz behandeln. Herr Dr. Fritz hat zunächst einmal die Bundesregierung aufgefordert, den vorgesehenen Bericht dem Parlament und der Öffentlichkeit vorzulegen. Wir haben schon im Ausschuß erklärt, daß wir zu einem möglichst frühen Zeitpunkt dieser Aufforderung nachkommen wollen. Aber hier gilt das, was auch für andere Fragen Gültigkeit hat: es mangelt uns einfach an geeigneten Fachkräften, in diesem Falle sogar an einer dafür vorgesehenen Planstelle, die wir bisher noch nicht bekommen konnten. Wir geben uns bei den augenblicklichen Verhandlungen im Haushaltsausschuß große Mühe, daß diese Planstelle geschaffen wird.
Ihre Anregung, zu den Botschafterkonferenzen, soweit es sich um die Entwicklungsregionen handelt, in Zukunft auch andere Fachministerien heranzuziehen, wird von mir an den Herrn Außenminister weitergegeben, der sicher keine Einwände erheben wird. Das muß sich erst einmal einspielen. Ich werde die Anregung gern weitergeben.
Herr Dr. Fritz, Sie haben gefragt, was auf dem Gebiet der Beobachtung der Wirkungen unserer entwicklungspolitischen Maßnahmen geschehen ist. Ich habe schon in der Antwort auf die große Anfrage ausgeführt, daß wir mit diesem Teil unserer Arbeit begonnen haben. Wir haben 10 Experten beauftragt, in etwa 8 Entwicklungsländern eine Anzahl von Entwicklungsprojekten zu prüfen und die Auswirkungen dieser Projekte auf die Volkswirtschaft, die gesellschaftliche Struktur und die Handels- sowie die kulturellen Beziehungen zwischen uns und den betreffenden Entwicklungsländern festzustellen. Ich glaube, daß es möglich sein wird, diesen Bericht über diese erste Aktion „Beobachtung der Auswirkung entwicklungspolitischer Maßnahmen" dem Parlament Anfang des Jahres 1963 vorzulegen.
Herr Kollege Kahn-Ackermann hat mich auf eine ganze Anzahl von Dingen hingewiesen, die ressortmäßig im allgemeinen beim Auswärtigen Amt liegen, so daß ich bedauere, einzelne Antworten nicht geben zu können, weil das Auswärtige Amt hier zwar vertreten ist, aber nicht mit der Abteilung, die diese Frage behandelt.
Sie haben sich beschwert, daß der ganze Bereich Bildungswesen noch nicht ausreichend gefördert wird und daß die Förderung allzu langsam geht. Herr Kollege Kahn-Ackermann, Sie wissen am aller-



Bundesminister Scheel
besten, daß man in diesem Bereich nicht etwa spontane Erfolge erreichen kann. Fortschritte im gesamten Bildungswesen können sich naturgemäß nur organisch vollziehen, weil es hier um Menschen geht. Das gilt auch für die Ausbildung von Fachleuten für die Entwicklungsländer. Wir sind nicht in der Lage, die bisher zur Verfügung stehende Zahl von etwa 800 ausgebildeten Fachleuten im nächsten Haushaltsjahr, selbst wenn Mittel zur Verfügung ständen, auf 10 000 zu erhöhen, weil Fachleute nur organisch nachher nachwachsen können. Das vollzieht sich von Jahr zu Jahr. Wir glauben aber - um einmal bei dieser Zahl zu bleiben —, daß es uns gelingen wird, in den nächsten fünf Jahren die Zahl der für Arbeiten in Entwicklungsländern geeigneten Fachleute nahezu zu verzehnfachen.
Die Situation der Studenten aus Entwicklungsländern ist mir bekannt. Ich weiß auch, daß über die Erfolgsquote lebhaft Klage geführt wird, — wiewohl es aus mannigfaltigen Gründen keine exakten Zahlen darüber gibt. Wir versuchen jetzt schon — Sie kennen das Ausleseverfahren —, das Übel bei der Wurzel zu packen, nämlich bei der Auswahl der Bewerber im Lande selbst schärfer vorzugehen, als es möglicherweise in der Vergangenheit geschehen ist. Die Tendenz — das gilt für Studenten wie für Praktikanten — geht darauf hinaus, nicht die Zahl der Studenten hier im Inland zu erhöhen, sondern die Qualität der Bewerber zu verbessern, damit die Leute, die hierher kommen, tatsächlich etwas davon haben.
Auf der anderen Seite wollen wir auch für die äußeren Dinge etwas tun. So ist z. B. für den Bau von Wohnheimen für Studenten aus Entwicklungsländern in diesem Haushalt — die Zahl wird Ihnen nicht entgangen sein — ein Betrag von 1,85 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Da der Bund bei solchen Projekten immer ein Drittel zahlt, muß der eben genannte Betrag mit 3 multipliziert werden. Dann haben Sie die Gesamtsumme für den Bau neuer Wohnheime, die ausschließlich für Studenten aus Entwicklungsländern bestimmt sein sollen.
Ich bin Ihnen sehr dankbar für Ihre Bemerkung über die Notwendigkeit, bei unserer Öffentlichkeitsarbeit die Schwierigkeiten darzustellen, die sich bei der Berührung verschiedener Kulturkreise ergeben. Wir müssen in der Tat lernen, zumindest die Denkkategorien der Menschen, mit denen wir es zu tun haben, zu erfassen, so wie wir von ihnen erwarten müssen, ,daß sie sich auch mit unseren Denkkategorien auseinandersetzen. Das ist, wenn Sie so wollen, bei uns die Kehrseite der Medaille, auf deren glänzender Vorderseite unsere 45jährige kolonialpolitische Abstinenz — psychologisch recht günstig für uns — vermerkt ist. Die Kehrseite dieser Medaille ist aber, daß wir allzu wenig von diesen Gebieten wissen, und dieses Wissen müssen wir uns jetzt nachträglich aneignen.
Ich habe vergeblich versucht, Herr Kollege KahnAckermann, etwas über die fünf Studenten zu erfahren, die wegen des Lesens von Karl Marx abgeführt worden sein sollen. Nun wissen Sie ja, daß das Problem, was ein Geheimnis ist, bei uns im Moment außerordentlich schwierig zu beurteilen ist. Ich habe,
da ich keine Einzelheiten erfahren konnte, mir gedacht, daß vielleicht jemand aus Versehen angenommen hat, Schriften von Karl Marx seien Geheimdokumente, weil sie solange nicht benutzt worden sind, und daß deswegen die jungen Leute zum Flugzeug gebracht worden sind.
Die Leistungen der Länder, die Sie als nicht befriedigend bezeichnet haben, kann ich natürlich nicht beeinflussen. Ich habe die 20 Millionen DM des Jahres 1962 erwähnt, weil mir die Steigerung von 1961 auf 1962 — 1961 waren es etwa 12 Millionen — bemerkenswert erschien. Ich habe natürlich keinen Einfluß auf die Höhe der Leistungen, zumindest nicht direkt. Indirekt habe ich einen Einfluß. Ich habe in der Beantwortung der Anfrage diesen Einfluß auch 'dargestellt: Durch eine Verbesserung des Klimas der Zusammenarbeit werden die Länder angeregt, sachlich mehr zu tun. Sie tun es dann vielleicht auch reibungsloser. Wenn sie dann selber die Maßnahmen finanzieren, wird damit automatisch die Leistung steigen.
Herr Kollege Gewandt, ich habe die Zahlen, die Sie genannt haben, insofern recht positiv aufgenommen, als Sie von 200 Bediensteten gesprochen haben, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit hat. Es ist noch nicht so weit. Wir haben bis zur Stunde nur 158 Bedienstete. Aber ich hoffe, daß aus Ihrer Bemerkung zu entnehmen ist, daß eine gewisse Bereitschaft besteht, unseren Wünschen zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit des Ministeriums zu folgen.
Ich habe schon erwähnt, daß ich Ihren Hinweis, Auslandskapitalmärkte ausfindig zu machen, dankbar aufgreife. Ich darf sagen, daß wir uns in Verbindung mit den übrigen zuständigen Stellen nicht erst jetzt, sondern schon seit geraumer Zeit bemühen.
Ein Wort zur Planung in Laos. Hier handelt es sich in der Tat um einen ersten Versuch einer Schwerpunktbildung, einer Projektgruppierung zu einem so frühen Zeitpunkt, daß eine Delegation, die in Verhandlungen eingetreten ist, sich bei ihren Verhandlungen schon darauf stützen konnte. Der Zustand, den wir für wünschenswert halten und erreichen wollen und für den auch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit zuständig ist, ist der, daß die Initiative mehr und mehr zu uns kommt, daß wir also auf der Grundlage eigener Kenntnisse von den Entwicklungsräumen der Welt, von einzelnen Ländern oder von ganzen Räumen, uns selber eine Vorstellung bilden, der wir dann schon vom ersten Tage der direkten Berührung mit den Ländern an folgen können. Dadurch werden wir dann nicht mehr in die unangenehme Situation geraten, Rahmenverträge auch nur diskutieren zu müssen. Wir werden vielmehr, wie Sie es heute morgen gesagt haben, von der ersten Stunde an über Projekte diskutieren, deren Wert und deren volkswirtschaftlichen Effekt wir schon vorher kennen. Das soll in Zukunft geschehen.
Es ist — von Herrn Dr. Fritz, glaube ich — in sehr dankenswerter Weise noch der Zusammenhang zwischen der Entwicklungspolitik und den allgemeinen Strukturfragen erwähnt worden. Das ist eigentlich ein Kernproblem. Entwicklungspolitik ist ja nicht etwas, was sich auf die sogenannten Ent-



Bundesminister Scheel
wicklungsländer beschränkt, sondern es ist im Kern in der Tat eine gewaltige Strukturwandlung, eine Wandlung der weltwirtschaftlichen Struktur, die natürlich auch uns berührt. Wir müssen alles tun, um diese Strukturwandlung in den Bereichen, wo wir das können, so zu beeinflussen, daß sie sowohl für die Entwicklungsländer als auch für unsere eigene Wirtschaftsstruktur positive Effekte hat.
Die von Ihnen soeben erwähnte „Allianz für den Fortschritt", die eine freiwillig geschaffene Plattform der lateinamerikanischen Länder für die entwicklungspolitischen Ideen in dieser Region darstellt, eine Organisation, in der die Entwicklungsländer mit den Geberländern zusammenarbeiten, ist auch von uns stark beachtet worden. Wir sind von der Gründung an als Beobachter beteiligt; denn Mitglied der „Allianz für den Fortschritt" können wir ja nicht werden, weil es eine amerikanische Organisation ist, die im Rahmen der OAS, der „Organisation der amerikanischen Staaten", aufgebaut ist.
Es ist nicht so — ich möchte damit einer vorhin gefallenen Bemerkung etwas entgegentreten —, daß wir gebeten würden, für diese „Allianz für den Fortschritt" Beiträge zu zahlen. Es ist vielmehr so, daß wir unsere bilateralen entwicklungspolitischen Maßnahmen auf jeden Fall mit lateinamerikanischen Ländern koordinieren oder in die langfristige Gesamtplanung dieser Allianz eingruppieren wollen. Ich darf in diesem Zusammenhang erwähnen, daß der amerikanische Senator Javits in Paris einen Vorschlag zu einer Zusammenarbeit zwischen der „Allianz für den Fortschritt" und der OECD gemacht hat, um damit eine langfristige und dauerhafte Beziehung zwischen Lateinamerika und vor allem den europäischen Staaten herzustellen. Ich glaube, wir alle können eine solche Aktivität nur begrüßen. Herr Kollege Margulies hat schon im Zusammenhang mit seinen Bemerkungen zur EWG auch auf das Problem der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihrer Stellung zu den übrigen Bereichen der Welt hingewiesen. Ich habe bei meiner letzten Reise nach Lateinamerika eine geradezu offene Aversion gefunden, die zum Teil darauf zurückzuführen ist, daß die Aufklärung über das, was die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft will, nicht ausreichend ist, zum Teil aber auch darauf, daß der praktische, der politische und wirtschaftspolitische Kontakt nicht so dicht ist, wie wir uns das alle wünschen würden. Vorschläge wie die von Senator Javits sind geeignet, solche Kontakte herzustellen.
Herr von Mühlen hat soeben eine außerordentlich schwierige Frage gestellt. Ich will versuchen, wenigstens ein paar Sätze dazu zu sagen. Es handelt sich um die Möglichkeit einer Hilfe für Entwicklungsländer durch Lieferung von Agrarerzeugnissen. Es ist natürlich für uns alle zunächst frappierend, daß wir auf der einen Seite immer über Probleme der Überproduktion von agrarischen Erzeugnissen im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft diskutieren, auf der anderen Seite aber wissen, daß zwei Drittel der Bevölkerung unserer Erde mit agrarischen Produkten unterversorgt sind. Man sollte annehmen, es müßte sich eine Kombination dieser beiden Problemkreise finden lassen. Die ganze Sache ist so komplex, daß es sehr sorgfältiger
Überlegungen bedarf, bevor man einen solchen Weg zeigt. Ich darf sagen, daß solche Überlegungen schon eingeleitet worden sind. Ich darf mir vorbehalten, zu gegebener Zeit das Parlament oder die Ausschüsse über das Ergebnis der Gedanken zu informieren, um den Rat der Ausschüsse zu hören, in welcher Weise man auf diesem Wege fortschreiten kann. Vorerst ist aber der Komplex rein gedanklich noch nicht ausreichend geklärt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß einen Gedanken von Herrn Kalbitzer aufgreifen, den er hier im Zusammenhang mit seinem Vergleich über materielle Leistungen oder Haushaltsmittel für die Entwicklungshilfe und für Verteidigung gebracht hat. Ich stimme Ihnen, Herr Kollege Kalbitzer, in vollem Umfange zu, daß die Entwicklungspolitik eine überhöhte Art von Sicherheitspolitik ist. Denn es geht in der Tat darum, die durch die schreckliche Diskrepanz von Ländergruppen — armen und reicheren Ländergruppen — entstandenen Spannungen auf der Welt abzubauen, damit sie nicht, wenn sie sich weiter verschärfen, eines Tages zu einer Katastrophe führen. Es geht also schon um die Sicherheit der Welt, um unsere eigene und um die Sicherheit unserer Kinder, und es geht nicht nur darum, der Bevölkerung in diesen Ländern zu helfen, aus Not und Elend herauszukommen. Insoweit ist unsere Entwicklungspolitik eine überhöhte Art der Sicherheitspolitik. So muß man es tatsächlich sehen.
Wir, meine Damen und Herren, wissen in der Bundesrepublik selber am besten, was es heißt, eine Entwicklung mitzumachen. Wir haben ja nach dem Kriege am eigenen Leibe gesehen, wie schwierig es ist, von einem wirtschaftlichen Nullpunkt wieder. nach vorwärts zu kommen, und daß es nicht nur der eigenen Leistung und nicht nur des Fleißes im Inland bedarf — Dinge, die wir bei den Entwicklungsländern voraussetzen dürften —, sondern daß es auch der Zusammenarbeit, und zwar der freundschaftlichen Zusammenarbeit, mit anderen bedarf, die bereit sind, in den schwierigen Lagen zu helfen. Nun, das den Entwicklungsländern zurückzuzahlen, das ist, glaube ich, eine der ethischen Grundlagen unserer Politik, mit der wir hier im Hause alle einverstanden sind.
Ich bedanke mich sehr.

(Beifall.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0404903000
Meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei den Experten und Respektspersonen der Fraktionen dieses Hauses, daß sie die Durchführung dieser Aussprache ermöglicht haben.

(Heiterkeit.)

Wir sind am Ende unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 5. Dezember, ein. Wann die Sitzung beginnt, werde ich nach sorgfältiger Beratung im Ältestenrat noch bekanntgeben; im Augenblick bin ich dazu nicht imstande.

(Abg. Schmitt-Vockenhausen: Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus!)

Ich danke Ihnen.
Die Sitzung ist geschlossen.