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ID0404901200

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    Deutscher Bundestag 49. Sitzung Bonn, den 16. November 1962 Inhalt: Nachwahl eines Mitglieds des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt 2167 A Fragestunde (Drucksache IV/7(28) Frage des Abg. Riedel (Frankfurt): Rabattstaffeln bei preisgebundenen Markenwaren Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 2167 B Dr. Luda (CDU/CSU) 2167 D Frage des Abg. Gewandt: Unterrichtung der Seeleute in Fragen der Schiffssicherheit 2167 D Fragen des Abg. Lemmrich: Grunderwerb für den Straßenbau und Planungsarbeiten 2168 A Frage des Abg. Peiter: Bundesstraße 54 in der Stadt Diez Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 2168 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Drucksache IV/542) Wischnewski (SPD) . . . . . . . 2168 B Scheel, Bundesminister . 2176 B, 2200 D Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 2185 B Kahn-Ackermann (FDP) . . . . . 2191 D Gewandt (CDU/CSU) . . . . . . 2193 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 2195 A Margulies (FDP) . . . . . . . . 2195 D Dr. Hellige (FDP) . . . . . . . 2198 A Freiherr von Mühlen (FDP) . . . . 2199 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2204 D Anlagen 2205 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2167 49. Sitzung Bonn, den 16. November 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.31 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 30. 11. Arendt (Wattenscheid) 16. 11. Dr. Arndt (Berlin) 16. 11. Dr. Atzenroth 16. 11. Auge 19. 11. Bauknecht 16. 11. Benda 16. 11. Biermann 16. 11. Dr. Birrenbach 17. 11. Fürst von Bismarck 17. 11. Blachstein 16. 11. Dr. von Brentano 17. 11. Dr. Burgbacher 17. 11. Dr. Dichgans 16. 11. Dr. Dittrich 16. 11. Dr. Dollinger 16. 11. Dopatka 16. 11. Dr. Dörinkel 16. 11. Dorn 16. 11. Drachsler 16. 11. Ehnes 16. 11. Frau Dr. Elsner 16. 11. Ertl 16. 11. Etzel 16. 11. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 16. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Funk (Neuses am Sand) 16. 11. Gaßmann 16. 11. Freiherr zu Guttenberg 17. 11. Haage (München) 30. 11. Haase (Kellinghusen) 16. 11. Hammersen 16. 11. Dr. Harm 1. 12. Dr. Heck 16. 11. Herold 17. 11. Dr. Hesberg 16. 11. Hirsch 16. 11. Hoogen 16. 11. Hörmann (Freiburg) 16. 11. Jacobs 18. 11. Dr. Jaeger 17. 11. Katzer 16. 11. Frau Kipp-Kaule 16. 11. Dr. Klein (Berlin) 16. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 17. 11. Dr. Kreyssig 16. 11. Kohlberger 16. 11. Kriedemann 16. 11. Kubitza 16. 11. Kühn (Bonn) 31. 12. Kühn (Hildesheim) 16. 11. Kuntscher 30. 11. Kurlbaum 16. 11. Leber 16. 11. Leukert 16. 11. Mattick 16. 11. Mauk 16. 11. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Merten 17. 11, Mertes 16. 11. Michels 16. 11. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 11. Dr. Morgenstern 16. 11. Müller (Nordenham) 16. 11. Murr 16. 11. Paul 17. 11. Pöhler 17. 11. Frau Dr. Probst 16. 11. Rademacher 15. 12. Ramms 16. 11. Rasner 16. 11. Ravens 16. 11. Richarts 16. 11. Riedel (Frankfurt) 16. 11. Schlick 16. 11. Dr. Schmid (Frankfurt) 17. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 11. Schoettle 16. 11. Schröder (Osterode) 16. 11. Schulhoff 16. 11. Schultz 16. 11. Schwabe 16. 11. Seuffert 16. 11. Dr. Seume 16. 11. Spitzmüller 16. 11. Stauch 16. 11. Stein 16. 11. Dr. Stoltenberg 16. 11. Storm 16. 11. Strohmayr 16. 11, Sühler 16. 11. Tobaben 16. 11. Frau Vietje 16. 11. Wacher 16. 11. Dr. Wahl 16. 11. Wienand 17. 11. Dr. Wilhelmi 16. 11. Wullenhaupt 16. 11. Dr. Zimmer 16. 11. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Jungmann (Fragestunde der 47. Sitzung vom 9. November 1962, Drucksache IV/698, Frage III/1): Besteht die Möglichkeit, den nicht kriegsbeschädigten Körperbehinderten mit einer Erwerbsminderung um mindestens 80 % auf Grund des Sozialhilfegesetzes die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse zu eröffnen? Die bestimmten Gruppen von Schwerkriegsbeschädigten eingeräumte Vergünstigung, mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse die 1. Wagenklasse zu benutzen, beruht auf einer Tarifbestimmung der 2206 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 Deutschen Bundesbahn. Eine gesetzliche Grundlage für diese Vergünstigung gibt es nicht. Nach dem Bundessozialhilfegesetz ist es zwar möglich, im Einzelfall im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder in anderen Fällen, z. B. zur Aufnahme in einer Anstalt oder einem Heim oder zum Antritt einer Kur, auch notwendige Fahrkosten, u. U. sogar für die 1. Wagenklasse, zu übernehmen. Hingegen bietet das Bundessozialhilfegesetz keine Möglichkeit, etwa Körperbehinderten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 80 v. H. ganz allgemein die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse zu eröffnen. Eine solche Bestimmung im Bundessozialhilfegesetz würde auch seinen Rahmen sprengen, da es auf dem Grundsatz beruht, daß Hilfe nur bei einer Notlage im Einzelfall gewährt wird.
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    Rede von Hans-Jürgen Wischnewski


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Es wurde zuerst von einer „Feuerwehr" gesprochen, die nun ganz plötzlich da eingesetzt werden muß, wo sich eine Notwendigkeit ergibt. Wir haben diese Vorstellung niemals für richtig gehalten. In der Zwischenzeit hat der Minister einen neuen Begriff entwickelt, der mir sehr viel angenehmer zu sein scheint. Er spicht von „wandernden Schwerpunkten". Ich glaube, das ist eine ernsthafte Überlegung, die man akzeptieren kann.
    Ein Drittes kommt hinzu. Der Herr Außenminister hat davon gesprochen, daß man den Freunden zuerst helfen müsse. Wir können uns zu diesem Grundsatz bekennen und glauben, daß der Grundsatz wandernder Schwerpunkte mit dem Prinzip, den Freunden zuerst zu helfen, durchaus verbunden werden kann.
    Lassen Sie mich aber einen neuen Gesichtspunkt hinzusetzen, den man auch mit dem bisherigen verbinden kann. Wir sollten davon ausgehen, daß wir Schwerpunkte dorthin setzen, wo die Entwicklungsländer selbst bereit sind, besondere Anstrengungen zu machen. Derjenige, der selbst die größten Anstrengungen macht, soll dafür eine besondere Anerkennung erhalten. Die übrigen sollen sehen, daß man demjenigen am ehesten zu helfen bereit ist, der sich besonders bemüht. Man muß ganz offen sagen: Die Bereitschaft der Entwicklungsländer, selbst mizuwirken, ist natürlich sehr unterschiedlich. Lassen Sie mich bei dieser Frage bitte auf ein aktuelles Problem eingehen. Ich will es nicht namentlich ansprechen, aber mir kommt es darauf an,



    Wischnewski
    die Problematik aufzuzeigen. Wenn wir eine Zusage gemacht haben und sich aus irgendwelchen Gründen, die mit uns nicht das geringste zu tun haben, Schwierigkeiten ergeben, für die wir in keiner Weise verantwortlich sind, und wenn man die Bundesrepublik jetzt dadurch nahezu erpressen will, daß man sagt: Entweder ihr seid bereit, sofort zu zahlen, oder wir werden uns an den Osten wenden und werden uns dort das Geld geben lassen, dann möchte ich sagen, daß man bereit sein sollte, das hinzunehmen. Dann sollen sie hingehen. Wir haben aber jedenfalls keinen Anlaß angesichts des guten Willens, den wir aufbringen, und angesichts der Leistungen, die wir zu erbringen bereit sind, uns erpressen zu lassen, insbesondere dann, wenn hier von uns verlangt wird, daß wir dem Steuerzahler einen Mehrbetrag von etwa 300 Millionen DM zumuten, nur um einem nationalen Prestige entgegenzukommen. Staudämme lassen sich an verschiedenen Standorten zu sehr unterschiedlichen Preisen bauen. Wenn dabei, da der deutsche Steuerzahler 300 Millionen DM mehr an billigem Kredit gewähren soll, nur eine nationale Frage eine Rolle spielt, muß ich in diesem Falle um Verständnis dafür bitten, daß wir auch auf unseren Steuerzahler Rücksicht zu nehmen haben.
    Zu Frage 3:
    Berechtigen die bisherigen Erfahrungen der Kapitalhilfe, an den Prinzipien der Rahmenzusagen und der Lieferunggebundenheit festzuhalten?
    Kapitalhilfe der Bundesrepublik wurde bisher nach dem Prinzip der Rahmenzusage gewährt. Das heißt, wir sind mit einem Entwicklungsland in Verhandlungen eingetreten, und die Bundesregierung hat eine Rahmenzusage gemacht, z. B. in Höhe von etwa 50 Millionen DM; es war dann die Aufgabe dieses Entwicklungslandes, den Rahmen mit Projekten auszufüllen. Diese Projekte wurden geprüft, und dann wurde festgestellt, welche Projekte in den Rahmen dieser Rahmenzusagen übernommen werden konnten. Dann wurden Kreditverträge zu unterschiedlichen Zinssätzen abgeschlossen, zum Teil bei einer Rahmenzusage — was vernünftig und wirtschaftlich gerechtfertigt ist —, und erst dann konnte mit der Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen begonnen werden.
    Lassen Sie mich ganz klar und eindeutig folgendes sagen. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß sich das Prinzip der Rahmenzusagen in keiner Weise bewährt hat und daß wir so schnell wie möglich darum bemüht sein müssen, von diesem Prinzip der Rahmenzusagen herunterzukommen.

    (Abg. Dr. Fritz [Ludwigshafen]: Ausnahmen bestätigen die Regel!)

    - Ich .werde gleich etwas dazu sagen, Herr Dr. Fritz.
    Welche Schwierigkeiten sind entstanden? Zuerst einmal politische Schwierigkeiten. Warum? Wir haben dem Lande X eine Rahmenzusage von, sagen wir, 30 Millionen DM gewährt. Dieses Land hat vielleicht 10 Millionen Einwohner. Dann muß man
    damit rechnen, daß ein anderes Land kommt, das 20 Millionen Einwohner hat und sich von vornherein auf den Standpunkt stellt: Da wir die doppelte Einwohnerzahl haben, haben wir einen Rechtsanspruch darauf — so ist gesagt worden —, die doppelte Rahmenzusage zu erhalten. Daß das ein völlig unmöglicher Zustand ist, darüber sollte es für uns gar keinen Streit geben.
    Es gibt ein Zweites, was Schwierigkeiten bereitet. Eine Rahmenzusage ist oft an Länder gegeben worden, in denen bis zu diesem Zeitpunkt keine Entwicklungsprojekte oder nur mangelhafte Entwicklungsprojekte, die für eine deutsche Hilfe ungeeignet waren, vorhanden waren. Was bedeutete das? Daß man krampfhaft nach Entwicklungsprojekten gesucht hat und daß darüber hinaus vielfach von anderer Seite Leute aus völlig anderen Interessen Entwicklungsprojekte untergeschoben haben.
    Das System 'der Rahmenzusage, das wir auf Grund der 'bisherigen Erfahrungen nicht für gut halten, hat aber. auch hier und da Anlaß dazu gegeben, daß man irgendwelche Budgethilfelforderungen an uns gestellt hat, die wir natürlich ebenfalls im Rahmen der Entwicklungspolitik der Bundesrepublik nicht für tragbar halten. Wir wollen also von den Rahmenzusagen herunter. Wir wollen, daß bei allen Verhandlungen Idas Projekt, um das es geht, von Anfang an im Vordergrund steht, daß man bei Beginn der Verhandlungen von vornherein über ein Projekt spricht, nicht über irgendwelche Rahmen. Dann entfallen die politischen Schwierigkeiten, die sich ergeben könnten, unid dann erübrigt sich auch das teilweise krampfhafte Suchen nach irgendwelchen Projekten. Dabei bin ich mir darüber im klaren, daß es durchaus Ausnahmen geben kann, in denen eine Rahmenzusage nach wie vor ihre Berechtigung hat. Vom Prinzip her kann ich die Rahmenzusagen für die Zukunft nicht mehr akzeptieren. Ich glaube, die bisherigen Erfahrungen erlauben uns das nicht.
    Nun zum zweiten Problem, das bier angesprochen wird, 'der Lieferungebundenheit. Die Bundesrepublik vergibt bis heute ihre Kredite im Rahmen der Kapitalhilfe unter der Überschrift „lieferungebunden„. Das bedeutet praktisch, daß wir zwar einen Kredit zur Verfügung stellen, für ein bestimmtes Projekt das Geld .geben, aber mit der Überschrift „lieferungebunden" zum Ausdruck bringen, daß es demjenigen, der unser Geld in Anspruch nimmt, völlig überlassen bleibt, wo er den Auftrag für dieses Entwicklungsprojekt ausführen läßt.
    Nun, diese Freiheit, die Lieferungebundenheit, könnte natürlich der ideale Zustand sein, wenn man sich auch in der übrigen Welt daran hielte. Wir müssen bedauerlicherweise feststellen — unid wir haben uns ganz genau informiert —, daß die Bundesrepublik zur Zeit — ich spreche natürlich nur von den uns befreundeten Ländern — als einziges Land von Lieferungebundenheit spricht und daß alle anderen Kredite, auch der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs, ganz streng liefergebunden sind, d. h. daß man einen Kredit nur in Anspruch nehmen kann, wenn man sich gleichzeitig bereit erklärt, den Auftrag einer bestimmten Firma zu geben.



    Wischnewski
    Ich bin nicht der Auffassung, daß wir Anlaß haben, von einem Extrem ins andere zu fallen und nun zu sagen: Auch unsere Kredite sind nur liefergebunden. Wir wollen nur, daß das Wort „Lieferungebundenheit" verschwindet. Wir wollen, daß man in der Regel bemüht ist, die Liefergebundenheit zu erreichen. Wir wissen, daß wir auch an die Interessen der deutschen Wirtschaft in dieser Frage zu 'denken haben. Aber es geht nicht nur um die Interessen der deutschen Wirtschaft. Vielmehr ist das für uns auch einfach eine politische Frage. Die Bundesrepublik kann nicht nur die unangenehme Aufgabe übernehmen, die sehr schwierigen und sehr unpopulären Kreditverhandlungen zu führen — das ist nämlich sehr unerfreulich und kann in den weitaus meisten Fällen gar nicht dazu führen, daß man neue Freunde findet —; wir müssen aus politischen Gründen auch mit unserer Arbeitsleistung, mit der Erstellung unserer Projekte im Entwicklungsland präsent sein.
    Wenn wir dieser Frage besondere Bedeutung beimessen, dann auch einfach deshalb, weil wir den Eindruck haben, daß insbesondere bei den durchaus hohen multilateralen Leistungen der Bundesrepublik an internationale Einrichtungen der Entwicklungspolitik die deutsche Wirtschaft bei weitem nicht in dem notwendigen Maße berücksichtigt wird. Lassen Sie mich gleich ein konkretes Beispiel bringen.
    Der Entwicklungsfonds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betrug für die vergangenen fünf Jahre 580 Millionen Dollar. Das ist ein ganz erheblicher Betrag. Von diesen 580 Millionen Dollar hat die Bundesrepublik entsprechend den Verträgen 34,5 % aufbringen müssen. Keine 4 % der Aufträge im Rahmen des europäischen Entwicklungsfonds für die assoziierten Länder sind an deutsche Firmen gegangen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das scheint uns ein untragbarer Zustand zu sein. Niemand von uns verlangt — wir sind ja keine Krämer —: „Wir haben 34,5 % bezahlt, nun wollen wir also auch 34,5 % der Aufträge." Kein Mensch denkt an eine solche Regelung. Aber keine 4 % — das scheint uns ein völlig unmöglicher Zustand zu sein, und wir dürfen die Bundesregierung herzlich darum bitten, sich dieser Frage einmal anzunehmen. Ich hatte mir erlaubt, in diesem Jahre schon einmal hier ich Hause danach zu fragen. Ich muß sagen, die Antwort der Bundesregierung, des Bundeswirtschaftsministeriums damals, war überaus unbefriedigend. Es wurde gesagt, es hänge damit zusammen, daß die Unterlagen nur in französischer Sprache vorlägen. Das kann doch keine Entschuldigung sein! Im Europäischen Parlament wird so viel übersetzt; da werden also wohl auch noch diese Unterlagen zu übersetzen sein.
    Ich darf also herzlich bitten, dieser Frage nachzugehen. Dabei sage ich noch einmal: wir sind keine kleinlichen Krämer; aber 4 % — das ist eine absolute Unterberücksichtigung der deutschen Wirtschaft, das ist eine Situation, mit der wir nicht einverstanden sein können.
    Bei der Weltbank mag die Situation ein wenig besser sein; aber befriedigend ist sie in diesem Zusammenhang auch nicht.
    Wenn ich die Bundesregierung darum gebeten habe, sich dieser Frage anzunehmen, dann habe ich selbstverständlich auch die Bitte an die Wirtschaft zu richten, sich in dem notwendigen Maße zu engagieren. Vielleicht hatte die unbefriedigende Situation in dem einen oder anderen Falle auch darin ihren Grund, daß bisher die Bereitschaft, sich zu engagieren, nicht in dem notwendigen Maße vorhanden war.
    Ich komme zur Frage 4:
    Welche konkreten Vorstellungen hat die Bundesregierung von der Aufbringung der Mittel für bereits zugesagte und noch weitere deutsche Leistungen der Entwicklungshilfe?
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, das scheint mir eine wesentliche Frage zu sein. Wir haben zu überlegen, wie das auf vernünftige Art und Weise finanziert werden kann. Dabei darf ich von folgender Voraussetzung ausgehen. Die Bundesregierung hat der Development Assistance Group und der OECD zugesagt, etwa — ich drücke mich sehr vorsichtig aus: etwa — 1 % des Bruttosozialprodukts für Entwicklungspolitik auszugeben. Wenn wir uns die Situation des Jahres 1963 anschauen, so besteht wohl Klarheit darüber, daß wir dieses 1 % in erheblichem Umfang nicht erreichen werden und daß dennoch schon sehr große Schwierigkeiten vorhanden sind, den Verpflichtungen nachzukommen, obwohl ich das Jahr 1963 noch als ein außerordentlich günstiges Jahr bezeichnen möchte.
    Von den einmaligen Einnahmen — Industrieanleihe, Volkswagenwerk und Länderkredit — stehen uns noch 800 Millionen DM zur Verfügung. 6701 Millionen DM kommen in diesem Jahr im Haushalt hinzu. Dennoch wird die Bundesregierung gezwungen sein, den privaten Kapitalmarkt schon 1963 in Anspruch zu nehmen, um den Verpflichtungen nachkommen zu können, obwohl auch für das Jahr 1963 nicht ein einziger Pfennig für den europäischen Entwicklungsfonds eingesetzt wurde und wohl auch nicht eingesetzt zu werden brauchte. Ich bin gern bereit, die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage zu billigen, da von dem Entwicklungsfonds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 580 Millionen Dollar bisher nur 90 Millionen Dollar ausgegeben werden konnten.
    Im Jahr 1964 wird die Situation bereits wesentlich schlechter aussehen. Dann sind die Reste aus der Industrieanleihe, dem Volkswagenwerk und dem Länderkredit verbraucht. Dann haben wir mit Sicherheit neue EWG-Leistungen in den europäischen Entwicklungsfonds zu erbringen, und dann kommen wir in eine übergroße Schwierigkeit, wobei ich sagen möchte, daß der von der Bundesregierung aufgestellte Grundsatz, daß Zusagen im großen und ganzen innerhalb von fünf Jahren realisiert werden, für mich nicht gelten kann, weil es eine Vielzahl von Beweisen dafür gibt, daß man das zwar auf fünf Jahre ausdehnen kann, daß aber viele Dinge wesentlich schneller realisiert werden müssen. In diesen Fragen können wir im Rahmen der Finanzpolitik nicht von einem Jahr ins andere stolpern und von Zufälligkeiten abhängig sein, sondern wir müssen überlegen, wie wir diesem Problem auf lange Sicht gerecht werden können.



    Wischnewski
    Des öfteren haben wir darauf hingewiesen, daß es eine reale Möglichkeit geben muß, den privaten Kapitalmarkt .für Projekte in Entwicklungsländern anzusprechen, daß die Aufgabe der Bundesregierung darin bestehen müßte, die Kredite abzusichern, für die notwendige Sicherheit zu sorgen, und daß darüber hinaus aus öffentlichen Mitteln für die entsprechende Zinsverbilligung Sorge zu tragen wäre, damit diese Kredite zu vernünftigen Bedingungen zur Verfügung gestellt werden könnten. Wir sollten uns dieser ernsten Frage in sehr starkem Maße annehmen.
    In diesem Zusammenhang darf ich mir eine Bemerkung erlauben. Herr Minister, Sie haben gerade in den letzten Monaten immer wieder von der notwendigen privaten Initiative gesprochen. Dabei besteht Klarheit darüber, daß noch eine Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um diese private Initiative zu entwickeln. Wir hoffen, daß wir recht bald einige konkrete Vorlagen in dieser Hinsicht erhalten werden. Allerdings werden wir uns dann auch erlauben, sehr deutlich darauf hinzuweisen, welche Unterschiede nach unserer Auffassung zwischen zwingend notwendiger Hilfe auch im Rahmen privatwirtschaftlicher Initiativen und guten Geschäften bestehen. Wir hoffen, daß wir einen Weg finden, das eine von dem anderen sehr gut trennen zu können.
    Ich muß feststellen, daß die privaten Investitionen im Jahre 1961 in den Entwicklungsländern zurückgegangen sind und daß wir auch im Jahre 1962 wahrscheinlich mit einer ähnlichen Entwicklung werden rechnen müssen. Ich möchte das auch im Zusammenhang mit den Kapitalschutzverträgen sagen, die wir abschließen. Wir glauben, daß diese Kapitalschutzverträge eine gute Sache sind, wenn auch jeder weiß, daß sie keine endgültige Sicherheit bieten können. Aber sie können auch etwas Gefährliches an sich haben. Sie können nämlich in den Entwicklungsländern, die diese Kapitalschutzverträge abschließen, insofern falsche Hoffnungen erwecken, als dort angenommen wird, daß von dem Tage an, wo man einen solchen Kapitalschutzvertrag abgeschlossen hat, in weit stärkerem Maße private Investitionen erfolgen werden. Wir müssen dann, wenn wir solche Kapitalschutzverträge abgeschlossen haben, auch darum bemüht sein, daß diejenigen, die diese Verträge abgeschlossen haben, etwas Positives davon spüren. Geschieht das nicht innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit, wird das sehr bald zu bitterer Enttäuschung führen.
    Frage 5:
    Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, die Importe aus Entwicklungsländern wesentlich zu fördern?
    Ich darf mich nun sehr kurz fassen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist sicher eine der entscheidendsten Fragen überhaupt. Wir wollen doch nicht auf ewige Zeiten Entwicklungshilfe zahlen, sondern wir wollen von Anfang an die Weichen so stellen, daß unser Ziel dahin geht, die augenblickliche Entwicklungshilfe, die augenblickliche Entwicklungspolitik durch völlig normale Handelsbeziehungen abzulösen. Das bedeutet, daß man von Anfang an darum bemüht sein muß, den Entwicklungsländern so viel abzunehmen, wie überhaupt nur möglich erscheint.
    Wenn wir die Situation im Weltmaßstab überblicken, sieht das überaus unfreundlich aus. Durch die Abnahme von Exportpreisen für Rohstoffe und Agrarprodukte in Entwicklungsländern von 1958 bis 1961 ist ein Mindererlös von 5,4 Milliarden Dollar für die Entwicklungsländer eingetreten. Hinzu kommt, daß durch den laufenden Anstieg von Industriepreisen bei der Einfuhr von Industriegütern in Entwicklungsländer Mehraufwendungen von 10,8 Milliarden Dollar notwendig waren. Das bedeutet, daß innerhalb dieser Zeit für die Entwicklungsländer eine Verschlechterung von insgesamt etwa 16 Milliarden DM eingetreten ist. Das ist die Weltsituation.
    Aber auch wir in der Bundesrepublik haben unsere eigenen Feststellungen für uns hier zu treffen. Wir liegen natürlich damit im Welttrend, und wir haben auch keine Möglichkeit, eine Sonderrolle zu spielen. Hier handelt es sich natürlich um internationale Probleme. Aber wir haben zu überlegen, ob wir für uns das Notwendige in bezug auf die Lösung dieser Aufgabe getan haben. Die Importe aus einzelnen Entwicklungsländern in die Bundesrepublik sind innerhalb der letzten Zeit zum Teil um mehr zurückgegangen, als wir an Entwicklungshilfe überhaupt zur Verfügung stellen. Das hat insbesondere in den letzten Monaten dazu geführt, daß einige Entwicklungsländer überlegen, ob sie die Einfuhren deutscher Waren in ihre Länder überhaupt sperren müssen, nicht weil sie gegen unsere Waren sind — ganz im Gegenteil: sie sind daran interessiert —, sondern weil sie keine Möglichkeit mehr sehen, sie zu bezahlen. Deshalb müssen wir, glaube ich, dieser Frage ganz besondere Bedeutung beimessen.
    Ich habe keine Lust, hier heute Ausführungen über die leidige Frage der Kaffee- und Teesteuer zu machen. Wir haben leider zu oft in dieser Frage, die wir im ' Interesse der deutschen Verbraucher, aber auch im Interesse einer vernünftigen Entwicklungspolitik aufgeworfen hatten, in diesem Hause nicht das notwendige Verständnis gefunden. Ich darf mir das deshalb heute ersparen. Ich darf aber die Bundesregierung auffordern, alles zu tun, was möglich ist, um des Problems der Importe aus Entwicklungsländern generell Herr zu werden.
    In Frage 6 fragen wir die Bundesregierung:
    Welches Verhältnis zwischen Kapitalhilfe einerseits und Bildungs- und Sozialhilfe andererseits in den Planungen für die Entwicklungshilfe wird von der Bundesregierung angestrebt?
    Wir erwarten nicht, daß man uns hier einen Prozentsatz nennt. Wir möchten nur darauf hinweisen, daß die Bildungs- und Sozialhilfe ein entscheidender Faktor ist und daß mit Geld und großen Industrieprojekten allein nichts getan ist, sondern daß praktisch jede geldliche Hilfe und jedes Industrieprojekt in hervorragender Weise von Maßnahmen der Bil-
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2175
    Wischnewski
    dungs- und Sozialhilfe begleitet sein muß. Wir glauben, daß der Plan, der im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit entstanden ist, realistisch ist. Wir haben ein warnendes Beispiel: Rourkela, wo zuerst vergessen worden ist, einem großen Industrieprojekt die notwendigen Begleitmaßnahmen hinzuzufügen. Wir wissen, welche Schwierigkeiten entstanden sind. Wir hoffen, daß wir daraus gelernt haben und dementsprechend bereit sind, neben der Kapitalhilfe der Bildungs- und Sozialhilfe ein entsprechendes Gewicht zu gewähren.
    Nun zur Frage 7:
    Wie ist für eine Koordinierung der Bildungs- und Sozialhilfe des Bundes mit den Vorhaben der Länder gesorgt?
    Ein entscheidender Teil insbesondere der Bildungshilfe ist Aufgabe der deutschen Länder. Ich darf feststellen, daß erfreulicherweise, insbesondere, Herr Minister, durch die Initiative Ihres Hauses, 'in der Frage der Koordinierung eine Reihe von Fortschritten erzielt worden sind. Ich glaube, das Beispiel des Vertrages zwischen der Bundesregierung und der Landesregierung von Baden-Württemberg über das Gewerbezentrum in Tunesien — Sie machen ein ganz enttäuschtes Gesicht, Herr Dr. Fritz; ich spreche nicht 'immer von Hessen, sondern auch einmal von Baden-Württemberg — zeigt: diese Art, das Problem zu regeln, ist eine außerordentlich gute Sache. Vielleicht kann man so zu ähnlichen Ergebnissen auch mit anderen Ländern kommen.
    Durch die Schaffung des Bund-Länder-Ausschusses beim Ministerium konnten viele Probleme gelöst werden. Nach wie vor scheint mir aber das Verhältnis des Bund-Länder-Ausschusses zur Kultusministerkonferenz ungeklärt zu sein. Hier kommen — das ist unbestritten — immer noch in erheblichem Umfang Überschneidungen vor. Es wäre sehr gut, wenn man hier im Interesse einer eindeutigen Klärung der Kompetenzen zu einer noch besseren Koordinierung kommen könnte.
    Dabei darf ich daran erinnern, daß sich auch die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer in bezug auf die Zusammenarbeit mit den Ländern erhebliche Verdienste erworben hat. Wir sollten daran denken, daß die 'deutschen Länder, wenn auch sehr unterschiedlich, darum bemüht sind, unserer Politik insgesamt zu helfen, daß in den Haushaltsplänen der Länder inzwischen schon ganz erhebliche Beträge aufgebracht werden und daß es auch sehr positive Leistungen von seiten der Länder gibt, für die auch wir als Parlament 'den Ländern unseren Dank sagen sollten.
    Es gibt noch eine Reihe von Überschneidungen. In diesem Zusammenhang scheint mir völlig unmöglich zu sein, daß die Vergabe von Stipendien in den einzelnen Ländern teilweise unterschiedlich erfolgt, daß sie auch im Verhältnis zu privaten Stiftungen unterschiedlich erfolgt, so daß sich bei den Bedingungen Schwierigkeiten ergeben. Hier muß man darum bemüht sein, zu einer besseren Koordinierung zu kommen. Niemand, der ein Stipendium von der einen oder anderen Seite hat, wird verstehen
    können, warum der eine 100 DM mehr und der andere 100 DM weniger bekommt. Das hat in der Vergangenheit zu großem Arger geführt. Ich darf das Ministerium darum bitten, alles zu unternehmen, um hier zu einer vernünftigen Regelung zu kommen.
    In der Frage 8 fragen wir:
    Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung in die Wege geleitet, um dem Auftrag des Bundestages zu entsprechen, der am 14. Juni 1961 einstimmig einen Antrag der Fraktion der SPD angenommen hat, die Fragen der sozialen Sicherung aller für die Entwicklungshilfe im Ausland tätigen Personengruppen gesetzlich zu regeln?
    In dieser Frage sind wir sehr enttäuscht. Wir haben seit dem 14. Juni 1961, d. h. seit mehr als einem Jahr, hierüber nichts gehört. Das bringt uns in Schwierigkeiten. Eine Reihe von hochqualifizierten Kräften, die bereit wären, Aufgaben in Entwicklungsländern zu übernehmen, sind dazu nicht bereit, solange bestimmte Voraussetzungen, deren Erfüllung auch wir im Hause alle einstimmig für zwingend notwendig gehalten haben, geregelt worden sind. Das können wir uns nicht leisten. Wir verfügen sowieso nicht in dem notwendigen Umfang über Menschen, die bereit sind, in Entwicklungsländern wesentliche Aufgaben zu übernehmen.
    Ich möchte bei dieser Gelegenheit einmal in aller Deutlichkeit sagen, daß es bei den bisherigen GAWI-Verträgen eine Reihe von Unzumutbarkeiten gibt. Es ist niemandem zuzumuten, daß er einen Dreijahresvertrag in die Hand gedrückt bekommt, in ein Entwicklungsland hinausgeschickt wird, und man läßt ihn dann einen Tag vor Ablauf dieses Vertrages noch nicht wissen, ob man bereit ist, diesen Vertrag zu verlängern oder nicht.
    Es scheint mir auch völlig unmöglich zu sein, daß man einem Mann, der harte Arbeit als Tierarzt in den Tropen leisten muß, in diesen GAWI-Vertrag einen Jahresurlaub von 18 Tagen hineinschreibt, während der Diplomat, der in der Botschaft 100 m nebenan sitzt, einen Urlaubsanspruch von nahezu 21/2 Monaten hat. Ich will dabei übrigens nichts gegen die 21/2 Monate sagen, die ich unter tropischen Verhältnissen für gerechtfertigt halte. Aber für den Tierarzt, der umherfahren muß, scheint mir das andere doch ein völlig unmöglicher Zustand zu sein. — Wir möchten also, daß wir in dieser Frage vorankommen. Wir haben doch den zuständigen Instanzen für die Klärung dieser Angelegenheit 11/4 Jahr Zeit gelassen.
    Die letzte Frage lautet:
    Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu ergreifen, um diejenigen Personen, die sich um eine dauernde oder vorübergehende Verwendung bei deutschen Entwicklungshilfevorhaben bewerben, ihren Aufgaben entsprechend auszubilden?
    Hervorragend qualifizierte Fachleute allein genügen nicht. Wir haben eine Vielzahl von Fachleuten in der Bundesrepublik. Dazu gehört das besondere Verständnis für die Entwicklungsländer.



    Wischnewski
    Dazu gehört eine spezielle Ausbildung, das Vertrautmachen mit dieser ganz besonderen Aufgabe. Dazu gehört das Erlernen von Sprachen. Ich muß ehrlich sagen, wir reden seit längerer Zeit über die Notwendigkeit, in größerem Umfang zu irgendwelchen Initiativen zu kommen. Aber es gibt nur ganz kleine Ansatzpunkte, vielleicht im wesentlichen bei der Deutschen Stiftung und hier und da auch bei den Kirchen. Der derzeitige Zustand in der Frage der Vorbereitung von deutschen Kräften, die in Entwicklungsländern arbeiten, scheint mir noch völlig unzureichend zu sein. Wir hoffen, daß uns die Bundesregierung heute sagen kann, daß man schon in sehr kurzer Zeit andere Maßnahmen ergreifen wird, um den hier gestellten Aufgaben gerecht zu werden.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe damit die neun Fragen begründet. Ich darf noch einmal sagen: Wir haben eine erfreuliche Ausgangslage für diese Debatte. Eigentlich haben schon die letzten Jahre gezeigt, daß wir uns alle in diesem Hause darüber im klaren sind, daß wir einen entscheidenden Beitrag zu leisten haben. Nun kommt es darauf an, daß wir uns gemeinsam anstrengen, ,den besten Weg zu finden, den Entwicklungsländern zu helfen und der Bundesrepublik Freunde in der Welt zu schaffen. Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.

    (Beifall auf allen Seiten des Hauses.)



Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Scheel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Wischnewski hat in seiner Begründung eine Fülle von zusätzlichen Argumenten vorgebracht und zusätzlichen Fragen gestellt, die in der schriftlichen Großen Anfrage noch nicht enthalten waren. Ich darf mir, um meine formulierte Antwort der Regierung nicht zu belasten, erlauben, darauf im Anschluß an die Debatte im einzelnen einzugehen. Jetzt darf ich Ihnen, meine Damen und Herren, die Antwort der Bundesregierung vortragen.
    Die Bundesregierung hatte am 5. Mai des vergangenen Jahres die Ehre, dem Bundestag ihre Auffassung zu den Problemen der Entwicklungshilfe darzulegen. Die Ihnen damals vorgetragenen Grundzüge einer Entwicklungspolitik wurden in der Zwischenzeit auf Grund der gewonnenen Erfahrungen kontinuierlich weiterentwickelt. Zugleich weiteten sich die Anforderungen an die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik so schnell aus, daß die Begrenztheit der hierfür vorhandenen Mittel Probleme entstehen ließ, die der verstärkten Abstimmung aller beteiligten Bundesministerien bedurften. Inzwischen bedingten sowohl die veränderte Haushaltslage als auch die Übernahme der Bearbeitung einer Reihe von Fragen der Entwicklungshilfe durch ein besonderes Bundesministerium ein erneutes Durchdenken der Entwicklungspolitik.
    Die Problematik der Entwicklungshilfe ist bekanntlich vielfältig und schwierig. Es wird nicht
    leicht sein, die var uns liegenden Aufgaben bald zur allgemeinen Zufriedenheit zu lösen. Die Ausnutzung aller Erfahrungen, wo sie nur bestehen, ist besonders nötig. Es ist deshalb ein aufrichtig empfundenes Bedürfnis der Bundesregierung, in entwicklungspolitischen Fragen aufs engste mit dem Parlament zusammenzuarbeiten. Die Bundesregierung hat wiederholt dem Bundestagsausschuß für Entwicklungshilfe über wesentliche Probleme der Entwicklungspolitik berichtet. Die Große Anfrage gibt nun der Bundesregierung eine willkommene Gelegenheit, dem gesamten Hohen Hause ihre Auffassung zu den jetzt aufgeworfenen speziellen entwicklungspolitischen Fragen darzulegen. Diese Fragen betreffen vielleicht nicht eigentlich die im Vorjahr behandelte Gesamtrichtung der Entwicklungspolitik, sondern mehr einzelne wichtige Detailfragen. Die Antworten auf diese Fragen spiegeln auch die Gesamtrichtung der Politik und ihre Anpassung an neuere Erkenntnisse wider, so daß sie in die anschließende Diskussion einbezogen werden können.
    Zu den Fragen der Großen Anfrage trage ich namens der Bundesregierung im einzelnen folgendes vor.
    Zu Ziffer 1:
    Die Frage betrifft die Fortschritte, die durch die Neueinrichtung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit einmal in der Koordinierung unter den Ressorts und zum anderen in der Vereinfachung des Verfahrens erreicht wurden.
    Ein weiterer Schritt zur Koordinierung der Entwicklungshilfe im Bereich der Bundesministerien wurde dadurch getan, daß im Bundeshaushaltsplan 1962 eine Reihe von bisher zerstreut ausgebrachten Titeln in einem selbständigen Einzelplan zusammengefaßt wurden. Eine Zusammenfassung der Titel, aus denen entwicklungspolitische Maßnahmen finanziert werden, ist notwendig. Sie ermöglicht eine einheitliche haushaltsmäßige Bewirtschaftung der Mittel, stellt insoweit die Verantwortlichkeit klar und läßt gegenüber den anderen Geberländern, den internationalen Organisationen, gegenüber den einzelnen Entwicklungsländern und der deutschen Öffentlichkeit die Anstrengungen der Bundesrepublik eindrucksvoller als bisher erkennen. Das zweite ist, daß eine solche Zusammenfassung der Mittel ein wirkliches und geschlossenes Programm der Entwicklungshilfe erleichtert.
    Neben dieser inhaltlichen Koordinierung der Entwicklungspolitik wird auch in allen Einzelfragen eine bessere Zusammenarbeit unter den beteiligten Ressorts angestrebt. Hier fällt dem Interministeriellen Ausschuß für Entwicklungspolitik die Hauptaufgabe zu.
    In Fortsetzung der bisherigen Bemühungen wird gegenwärtig für alle Bereiche der deutschen Entwicklungspolitik an Grundsätzen gearbeitet, die baldmöglichst eine einheitliche Richtung aller Maßnahmen unter einer Gesamtkonzeption ermöglichen sollen. Die bisherigen Erkenntnisse deutscher Fachleute, Organisationen und Wissenschaftler wie auch die langjährigen Erfahrungen unserer Verbündeten



    Bundesminister Scheel
    sowie der internationalen Organisationen werden hierbei berücksichtigt.
    Ferner wird an einer Programmgestaltung der deutschen Hilfe, ihrer zeitlichen Abwicklung sowie an einer langfristigen Planung deutscher Hilfsmaßnahmen gearbeitet. Es wird dafür Sorge getragen, daß über den Interministeriellen Ausschuß für Entwicklungspolitik sowie über die Arbeitsausschüsse diese Gesamtkonzeption sich auf jedes einzelne Vorhaben auswirkt, selbst wenn dieses sich in finanziell bescheidenem Rahmen hält.
    Weitere Aufgaben, die zu einer besseren Koordinierung auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik und zur größeren Wirksamkeit aller Hilfen beitragen, sind schon in Angriff genommen worden. Hier sind besonders folgende hervorzuheben:
    1. Eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern sowie unter den zahlreichen Organisationen und Verbänden. Sie ermöglicht oft praktische Lösungen auch schwieriger Tatbestände. Die Bewältigung der vor uns liegenden Aufgaben ist nur möglich durch ein Zusammenwirken aller Kräfte des deutschen Volkes.
    2. Die Bundesregierung ist nicht nur seit langem bemüht, der privaten Initiative in den Entwicklungsländern jede nur mögliche Förderung angedeihen zu lassen, sondern hat darüber hinaus wiederholt, letztmalig im Rahmen des Deutschlandexamens bei der DAC, betont, daß Leistungen der privaten Wirtschaft bei der Entwicklungshilfe den Vorzug verdienen. Zur Erreichung dieses Zieles hat sie nicht nur die bereits bestehenden Maßnahmen, u. a. die Garantien für Kapitalanlagen, verbessert und erweitert, sondern ist bestrebt, weitere Anreize zu schaffen. So wird zur Zeit geprüft, ob weitere steuerliche Maßnahmen und Finanzierungserleichterungen den Kapitalexport in die Entwicklungsländer wirksam fördern zu können. Zur Erarbeitung konkreter Vorschläge, die auch die Wünsche der deutschen Wirtschaft berücksichtigen sollen, haben die beteiligten Bundesministerien Arbeitsgruppen gebildet.
    In diesem Zusammenhang ist auch die kürzlich gegründete Deutsche Entwicklungsgesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit hervorzuheben. Sie soll in erster Linie kleinere und mittlere Betriebe in den Entwicklungsländern fördern und damit dort die Bildung einer gesunden Mittelschicht begünstigen.
    Weiterhin können aus dem ERP-Sondervermögen zinsgünstige Kredite für den Auf- und Ausbau von Unternehmen, für den Erwerb von Beteiligungen an Unternehmen sowie für den Erwerb von Unternehmen in Entwicklungsländern gewährt werden. Bisher wurden über 68 Millionen DM für derartige Investitionen in Entwicklungsländern aus dem ERP-Sondervermögen bereitgestellt.
    3. Zu den neuen Aufgaben gehört auch das Programm der Sozial- und Bildungshilfe, das vom Bundestag vor den Parlamentsferien bereits gebilligt worden ist. Es erstreckt sich bekanntlich auf die so notwendige Ergänzung der finanziellen Hilfen durch
    eine stärkere Hervorhebung des menschlichen Faktors in der Entwicklungspolitik. Auch wird dadurch die schon heute erfreuliche Mitarbeit der freien Organisationen und Verbände der Bundesrepublik in der Entwicklungshilfe erheblich ausgeweitet werden können. Auf nähere Einzelheiten werde ich später noch eingehen.
    4. Die Öffentlichkeitsarbeit in den Entwicklungsländern und in der Bundesrepublik.
    Angesichts der finanziellen Opfer, die das deutsche Volk für die Entwicklungshilfe bringt, und wegen der internationalen ,Bedeutung der Entwicklungspolitik ist eine umfassende Aufklärung heute nötiger denn je. Ich stimme hier mit dem Herrn Kollegen Wischnewski in vollem Umfange überein. Der Schwerpunkt des Aufklärungsprogramms liegt in der Auswertung aller Erfahrungen und in der konkreten Darstellung der Gegebenheiten und der Motive unseres Handelns. Diese Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur in der Bundesrepublik notwendig, sondern ebenso bei unseren Verbündeten und gegenüber den Völkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Auf die spezifischen Fragen werde ich in meinem Diskussionsbeitrag nachher noch eingehen.
    5. Besonders dringend ist die Beobachtung der Auswirkungen der deutschen Entwicklungshilfe sowie eine verbesserte Kontrolle der zweckmäßigen Verwendung der bereitgestellten Mittel, um die Förderungsmaßnahmen ständig zu verbessern, um Fehler zu vermeiden und um unser gesamtes Hilfsprogramm immer wieder den sich wandelnden Bedingungen in den Entwicklungsländern anzupassen.
    6. Nicht weniger bedeutsam ist die Förderung und Koordinierung der Forschung über Probleme der Entwicklungsländer und Methoden der Entwicklungshilfe, besonders auch mit dem Ziel, die internationalen Erfahrungen für die praktische deutsche Entwicklungspolitik zunutze zu machen. Dies ist vor allem deshalb notwendig, weil andere Geberländer die verschiedenen Hilfsformen mitunter schon viel länger als wir anwenden und somit oft auch größere Erfahrungen besitzen.
    7. Im Rahmen der derzeitigen Kompetenzverteilung zwischen den Ressorts wird auch an einer Vereinfachung des Verfahrens gearbeitet. Auf Einzelgebieten sind schon Fortschritte erzielt worden. Wir nennen hier die Ausarbeitung einheitlicher Bedingungen für deutsche Experten bei der Technischen Hilfe und die Ausarbeitung von Musterabkommen bei der Kapitalhilfe. Man muß bei allen diesen Fragen bedenken, daß die Entwicklungshilfe bei uns noch eine organisatorisch verhältnismäßig junge Aufgabe ist. Eine allen Bedürfnissen Rechnung tragende Organisationsform und ein entsprechendes Verfahren werden sich auch in der Bundesrepublik entwickeln.
    Alles zusammengenommen beantworte ich die Frage 1 der Großen Anfrage wie folgt: Die Koordinierung der Entwicklungshilfe im Bereich der Bundesministerien hat Fortschritte gemacht. Diese Fortschritte beziehen sich auf alle Gebiete der Entwicklungshilfe, vornehmlich aber auf die eben genannten Bereiche. Dem neu errichteten Bundesministe-



    Bundesminister Scheel
    rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist dabei eine wesentliche Rolle zuteil geworden. Es hat den Vorsitz im Interministeriellen Ausschuß für Entwicklungspolitik, der das wesentliche Koordinierungsinstrument unterhalb des Kabinettsausschusses für Wirtschaft und des Bundeskabinetts darstellt.
    Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist in Zusammenarbeit mit den übrigen Ressorts bemüht, für eine Systematik unserer Hilfsmaßnahmen und deren innere Übereinstimmung zu sorgen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit arbeitet mit den Ressorts an der entwicklungspolitischen Ausrichtung aller Einzelmaßnahmen und betreut wichtige Spezialbereiche wie die Entwicklungsgesellschaft, die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer sowie die Organisationen. Es bearbeitet ferner Fragen der personellen Hilfe und der Hilfen für die Sozialstruktur der Entwicklungsländer sowie die damit zusammenhängenden Programme.
    Zu Ziffer 2 der Großen Anfrage.
    Diese Ziffer bezieht sich auf die neuen Zusagen an Entwicklungsländer und die rechtzeitige Erfüllung früherer Zusagen. Die Antwort zu diesem Punkt kann verhältnismäßig kurz sein, zumal dieses Problem auch die Ziffern 3 und 4 der Großen Anfrage berührt und dort nochmals behandelt wird.
    Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß die Bundesregierung auf dem Standpunkt der Vertragstreue steht. Bei neuen Zusagen an Entwicklungsländer wird also bereits aus diesem Grunde auch darauf geachtet, daß frühere Zusagen rechtzeitig erfüllt werden können.
    Andererseits ist aber auch folgendes zu bemerken. Hilfen der Bundesrepublik werden in der Regel nur gegeben, wenn das Empfängerland seinerseits eine Partnerschaftsleistung erbringt. Die rechtzeitige Erfüllung von Zusagen ist daher nicht nur von einer entsprechenden Bereitschaft der Bundesregierung abhängig. Hierzu ist vielmehr in nicht geringerem Maße auch eine ausreichende Mitwirkung der Regierungen und der sonst beteiligten Stellen der betreffenden Entwicklungsländer notwendig. Die Möglichkeit der Bundesregierung, auf die Entwicklungsländer einzuwirken, ist in dieser Hinsicht aber begrenzt.
    Bei allen Hilfen werden selbstverständlich neue Zusagen nicht erteilt und damit neue Vorhaben nicht in Angriff genommen, wenn nicht die Gewähr besteht, daß die bisherigen Zusagen sachlich, personell und finanziell vereinbarungsgemäß abgewickelt werden können.
    Zu Ziffer 3 der Großen Anfrage.
    Die Antragsteller haben in Ziffer 3 die Frage aufgeworfen, ob die bisherigen Erfahrungen mit der Kapitalhilfe berechtigen, an den Prinzipien der Rahmenzusagen und der Lieferungebundenheit festzuhalten. Zu beiden Punkten, die gerade in der jüngsten Zeit in starkem Maße zur Erörterung stehen, ist folgendes zu sagen.
    Die bisherigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Kapitalhilfe legen es tatsächlich nahe, die Frage der Rahmenzusagen neu zu überdenken. An sich erscheint es selbstverständlich, erst dann eine finanzielle Zusage zu geben, wenn bereits ein Projekt vorliegt, für welches die erbetene Kapitalhilfe verwendet werden soll. Noch besser wäre es, wenn das betreffende Vorhaben bereits geprüft und für gut befunden worden wäre.
    In der Vergangenheit hat die Bundesregierung überwiegend Rahmenzusagen erteilt. Dies hat sich aus politischen Gründen nicht vermeiden lassen, zumal auf diese Weise auch die Bereitschaft zur Leistung eines angemessenen Beitrages zum Ausdruck kam.
    Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß bei Rahmenzusagen wesentliche Nachteile auftreten. Bei der Ausfüllung derartiger Zusagen entstanden vielfach Verzögerungen, z. B. weil die Entwicklungsländer geeignete Projekte nicht rechtzeitig vorlegen konnten. Die erwähnten Verzögerungen führten oft zu Mißdeutungen und Verstimmungen bei den Entwicklungsländern und zu Vorwürfen in der deutschen Öffentlichkeit. Außerdem ist es bei Rahmenzusagen oft nicht möglich, eine gezielte und in sich geschlossene Entwicklungspolitik für das betreffende Land zu betreiben.
    Es ist aber das Ziel der Bundesregierung, eine größere Wirksamkeit der deutschen Kapitalhilfe, zugleich auch eine Abstimmung der Maßnahmen der Kapitalhilfe mit den Maßnahmen der Technischen Hilfe zu erreichen und somit einer Zersplitterung der Gesamthilfe für jedes einzelne Land vorzubeugen. Deshalb strebt die Bundesregierung an, zusammen mit der finanziellen Zusage eine Gruppierung von konkreten Projekten zu erreichen, auf die sich die Hilfsmaßnahmen innerhalb des Rahmens der Zusage konzentrieren sollen. Dazu ,ist eine Vorplanung erforderlich. Für ihre Durchführung werden zur Zeit die Voraussetzungen ,geschaffen. Durch eine solche Konkretisierung der Finanzverhandlungen auf: Projektgruppen, die bereits das Ergebnis einer Vorplanung sind und in die Entwicklungsplanung des betreffenden Landes passen müssen, kann übrigens eine Reihe von umständlichen und zeitraubenden Verhandlungen umgangen und Geld gespart werden. Aus politischen Gründen werden künftig Rahmenzusagen allerdings nicht vollständig zu umgehen sein. Wie auf allen Gebieten der Entwicklungshilfe muß auch hier flexibel nach den jeweiligen Verhältnissen des Einzelfalles vorgegangen werden.
    Der zweite Teil der Frage der Ziffer 3 betrifft das für: unsere Wirtschaft bedeutsame Problem der Lieferungebundenheit unserer Kapitalhilfe. Zur Frage der Lieferungebundenheit hat die Bundesregierung erklärt und sie darf dies wiederholen—, daß eine internationale Vereinbarung über die Nichtbindung der Mittel das Ideal sein würde. Solange eine solche Vereinbarung nicht besteht, müssen wir natürlich bei unserem Verhalten auch das Verhalten anderer Länder in Betracht ziehen und in der bisherigen Lieferungebundenheit kein Dogma sehen. Ein Geberland kann aus triftigen Gründen, z. B. bei dauernder Anspannung der Zahlungsbilanz,
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 49, Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2179
    Bundesminister Scheel
    gezwungen sein, seine Kapitalhilfe ganz oder überwiegend in gebundener Form zu geben, um weiterhin überhaupt eine angemessene Kapitalhilfe leisten zu können. Auch die Bundesregierung muß bei ihren Überlegungen in dieser Frage die Lage der deutschen Wirtschaft berücksichtigen.
    Die Bundesregierung wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, daß die maßgeblichen Geberländer möglichst dem Grundsatz der Lieferungebundenheit folgen. Sollte dies jedoch nicht ,gelingen, so müssen wir in der Zukunft diesen Grundsatz wohl flexibler handhaben und werden unsere Haltung stärker als bisher unserer jeweiligen wirtschaftlichen und konjunkturellen Lage anpassen müssen.
    Zu Ziffer 4 der großen Anfrage:
    Nach Ziffer 4 der Großen Anfrage wollen die Antragsteller erfahren, welche konkreten Vorstellungen die Bundesregierung von der Aufbringung der Mittel für bereits zugesagte und noch weitere deutsche Leistungen der Entwicklungshilfe hat.
    Auch diese Frage betrifft ein schwieriges Problem. Die bisherigen Zusagen sind insgesamt außerordentlich hoch. Ihre Finanzierung liegt zum weitaus größten Teil noch als zu lösende Aufgabe vor uns. Die Höhe der künftig tatsächlich erforderlichen Ausgaben hängt vor allem davon ab, welchen Ausführungsstand ,die Projekte erreichen, die auf Grund der Zusagen der Bundesregierung finanziert werden müssen.
    Die Bundesrepublik hat für Zwecke der Entwicklungshilfe bislang, d. h. von 1950 bis zum 30. Juni 1962, auf dem öffentlichen und privaten Sektor zusammen Leistungen in Höhe von 19,219 Milliarden DM erbracht. Von diesen 19,219 Milliarden DM entfallen 10,775 Milliarden DM auf den öffentlichen Bereich und 8,444 Miliarden DM auf den privaten Bereich. Diese Gesamtzahlen werden sicherlich in der Diskussion noch aufgeschlüsselt werden.
    Am Ende des Rechnungsjahres 1962 werden die auf dem Gesamtgebiet der Entwicklungshilfe noch zu erfüllenden Zusagen voraussichtlich 6,2 Milliarden DM betragen, davon rund 0,5 Milliarden DM auf die Technische Hilfe im weitesten Sinne, 1,2 Milliarden DM auf die verschiedenen Beiträge und Leistungen für multilaterale Hilfsorganisationen und rund 4,5 Milliarden DM auf die Kapitalhilfe.
    Da die im Rahmen der Technischen Hilfe durchgeführten Lieferungen und Leistungen vornehmlich geschenkweise gegeben werden, müssen diese Hilfen aus den Mitteln des Bundeshaushalts finanziert werden. Im Bundeshaushaltsplan 1962 sind für diese Zwecke 190 Millionen DM veranschlagt. Die Bindungsermächtigung für 1962, also die Grundlage für die Eingehung neuer Verpflichtungen auf diesem Gebiet, beläuft sich auf 233 Millionen DM. Im Rechnungsjahr 1963 sind als Baransatz 224 Millionen DM vorgesehen. Die für 1963 in Aussicht genommene Bindungsermächtigung beträgt 233 Millionen DM.
    Bei den Zusagen im multilateralen Bereich handelt es sich in erster Linie um Beiträge an die Weltbank, an die IDA und zum Entwicklungsfonds der EWG. Auch diese Leistungen müssen ihrer Natur
    nach vom Bundeshaushalt aufgebracht werden. Im Rechnungsjahr 1962 sind dafür rund 380 Millionen DM veranschlagt und im Rechnungsjahr 1963 nur 72 Millionen DM vorgesehen. Das beruht darauf, daß für das Rechnungsjahr 1963 ein Ansatz für den Entwicklungsfonds der EWG nicht erforderlich erscheint, da aus den für die ersten fünf Jahre der Assoziierung bereitgestellten Beträgen noch genügend Barmittel für die erforderlichen Ausgaben zur Verfügung stehen.
    Bei der Finanzierung der Kapitalhilfe ist der Leitsatz der Bundesregierung, den Bundeshaushalt nur insoweit in Anspruch zu nehmen, als andere Finanzierungsquellen wegen der Höhe des Betrages oder wegen der Art des Vorhabens hierfür nicht zur Verfügung stehen. Es wird versucht, die Finanzierungsmittel für diese Zwecke in höchstmöglichem Umfang am Kapitalmarkt zu beschaffen. Bei diesen Finanzierungen fällt der zur Entwicklungsbank des Bundes ausgestalteten Kreditanstalt für Wiederaufbau eine bedeutende Aufgabe zu.
    Daneben soll das ERP-Sondervermögen künftig mindestens wie im bisherigen Umfang zur Finanzierung der Kapitalhilfe beitragen. Im laufenden Rechnungsjahr beträgt der Beitrag des ERP-Sondervermögens für die Finanzierung von Kapitalhilfevorhaben 65 Millionen DM.
    Im Bundeshaushaltsplan 1962 sind für die Finanzierung von Kapitalhilfevorhaben 100 Millionen DM veranschlagt. Der niedrige Ansatz ist dadurch bedingt, daß aus den im Jahre 1961 erschlossenen einmaligen Quellen, nämlich der Entwicklungsanleihe der deutschen Wirtschaft von 1,2 Milliarden DM, Darlehen der VW-Stiftung von 500 Millionen DM sowie Darlehen der Länder von 500 Millionen DM, noch entsprechende Beträge zur Verfügung stehen. Diese Mittel werden bis auf einen Betrag von rund 700 Millionen DM am Ende des Rechnungsjahres 1962 für die vorgesehenen Zwecke aufgebraucht sein. Im Entwurf des Haushaltsplans 1963 ist daher für diese Zwecke ein Betrag von 670 Millionen DM vorgesehen.
    Über die Aufbringung der notwendigen Finanzierungsbeträge im Jahre 1964 und in den folgenden Jahren können aus naheliegenden Gründen zahlenmäßig genaue Angaben heute noch nicht gemacht werden, zumal die Entwicklung des Bundeshaushalts und die Ergiebigkeit des Kapitalmarktes jetzt noch nicht übersehen werden können. Die Bundesregierung wird aber selbstverständlich die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen. Sie wird ihre Anstrengungen, den Entwicklungsländern wirksame Hilfe zu leisten, fortsetzen.
    Bei der Bemessung der künftigen Leistungen des Bundeshaushalts für die Entwicklungshilfe wird selbstverständlich das Gewicht aller Staatsaufgaben und Staatsausgaben zu berücksichtigen sein, für deren Deckung der Bundeshaushalt zu sorgen hat. Die Rangordnung, nach der bei den ständig gewachsenen Anforderungen auf allen Gebieten die verschiedenen Staatsaufgaben in die finanziellen Möglichkeiten einzupassen sind, werden alljährlich die gesetzgebenden Körperschaften zu beschließen haben.



    Bundesminister Scheel Zu Ziffer 5:
    Die Frage unter Ziffer 5 betrifft die Förderung der Importe aus Entwicklungsländern. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß ihre Bemühungen bei der finanziellen und technischen Entwicklungshilfe auf die Dauer keinen rechten Erfolg haben können, wenn die Entwicklungsländer keine Absatzmärkte für ihre Ausfuhrprodukte zu angemessenen Preisen finden. Die Entwicklungsländer müssen in die Lage versetzt werden, wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen. Vor allem kommt es darauf an, daß die Entwicklungsländer durch eine Förderung ihrer Ausfuhren in den Stand gesetzt werden, die zu ihrer wirtschaftlichen Entwicklung notwendigen Mittel auf die Dauer selbst aufzubringen. Zu den sozusagen klassischen Formen der Kapitalhilfe, der Technischen Hilfe usw. müssen deshalb auch Hilfen zur Steigerung des Handels der Entwicklungsländer treten. Der Förderung der Einfuhren kommt dabei eine große Bedeutung zu.
    Die Möglichkeiten der Bundesrepublik zu einer über das allgemeine wirtschaftliche Wachstum hinausgehenden Importsteigerung sind nun aber begrenzt. Der Abbau mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen ist nur noch in geringem Umfang möglich. Die Bundesrepublik hat auf diesem Gebiet bereits von den rund 6600 Positionen der Einfuhrliste ca. 6200 Positionen voll liberalisiert. Der größte Teil der noch bestehenden rund 400 Einzelbeschränkungen betrifft solche Ernährungsgüter, die für die Ausfuhr der Entwicklungsländer unerheblich sind. Auf dem gewerblichen Sektor sind gegenwärtig noch 150 Positionen Einfuhrbeschränkungen unterworfen, doch ist bereits jetzt die endgültige Liberalisierung von 43 dieser Positionen fest zugesagt, so daß lediglich 107 gewerbliche Erzeugnisse unbefristet kontingentiert bleiben. Ein Teil dieser Waren ist für die Entwicklungsländer ebenfalls ohne Bedeutung; es bestehen indessen bei einer Reihe kontingentierter Textilien Lieferinteressen der Entwicklungsländer. Auf diesem Gebiet ist das Problem der Marktstörungen infolge von Niedrigpreiseinfuhren inzwischen allgemein anerkannt. Bei den Baumwolltextilien hat diese Erkenntnis zu den internationalen Abkommen von Genf geführt, wonach die zur Zeit bestehenden Einfuhrmöglichkeiten innerhalb der nächsten 5 Jahre schrittweise erhöht werden sollen. Die Bundesregierung ist auch künftig bereit, in Anbetracht ihrer Verantwortung als einer der wichtigsten Wirtschaftspartner der freien Welt an der endgültigen Beseitigung der Einfuhrbeschränkungen gegenüber den Entwicklungsländern mitzuwirken. Die völlige Liberalisierung erfordert jedoch eine Zusammenarbeit aller Einfuhrländer.
    Wie schon in der Vergangenheit, wird die Bundesregierung auch in der Zukunft auf eine möglichst liberale Zollpolitik im Rahmen der EWG hinwirken. Die Auswirkungen einer solchen Zollpolitik sollten jedoch nicht überschätzt werden, da die EWG-Zölle auf Rohstoffe und tropische Erzeugnisse nicht hoch sind.
    Gemeinsam mit den übrigen Mitgliedsländern der EWG bleibt die Bundesregierung bemüht, den Außenzolltarif der Gemeinschaft an die besonderen
    Interessen aller Entwicklungsländer anzupassen. So hat die EWG im Rahmen der soeben abgeschlossenen GATT-Zollverhandlungen bei einer Reihe von Erzeugnissen, die für den Handel mit Entwicklungsländern von Bedeutung sind, Zollsenkungen bis zu 20 % vorgenommen. Die Verhandlungen über die Neuregelung der Assoziationsverträge mit den afrikanischen Staaten und Madagaskar sehen darüber hinaus für ,die Produkte dieser Länder Zollfreiheit vor. Als Folge dieser Verhandlungen werden voraussichtlich auch die bereits durchgeführten allgemeinen Zollsenkungen gegenüber den nicht-assoziierten Staaten für einzelne Produkte erheblich ausgedehnt werden. In ihrer Gesamtheit dürften diese Maßnahmen dazu beitragen, den Entwicklungsländern größere Ausfuhrchancen zu geben.
    Die Frage einer Senkung der Verbrauchssteuern für Kaffee und Tee ist in den vergangenen Jahren im Bundestag und in seinen Ausschüssen wiederholt eingehend beraten worden. Die sorgfältige Nachprüfung aller Argumente hat ergeben, daß auch eine drastische Senkung oder gar eine Aufhebung dieser Steuern nur zu einem relativ geringen Nutzeffekt für die Kaffee und Tee erzeugenden Länder führen kann. Auf gar keinen Fall würde eine derartige Maßnahme das eigentliche Überschußproblem, das den Weltkaffeemarkt in der derzeitigen Situation kennzeichnet, wahrnehmbar beeinflussen können. Ein Wegfall der Kaffeesteuer würde wahrscheinlich keine wesentlich ins Gewicht fallende Absatzsteigerung bewirken. Der unmittelbare Nutzeffekt würde für die Entwicklungsländer gering sein. Dagegen würde er für die Bundesrepublik einen Steuerausfall von mehr als 800 Millionen DM im Jahre 1962 zur Folge haben und damit bei der jetzigen Haushaltslage das finanzielle Hilfspotential der Bundesrepublik zum Nachteil der Entwicklungsländer wesentlich verringern. Die Erhebung der Kaffee- und Teesteuer stellt demnach gegenüber den Entwicklungsländern mehr ein psychologisches Problem dar, das von der Bundesregierung nicht vernachlässigt werden wird. Ich darf dabei auf die Regierungserklärung vom Herbst vorigen Jahres hinweisen.
    Eine Ordnung der Rohstoffmärkte — dies sei hier nochmals betont — kann nur durch internationale Regelungen erreicht werden. Zu dieser Lösung müssen vor allem auch die Entwicklungsländer selbst beitragen, beispielsweise durch Produktionsanpassung. Die Bundesrepublik arbeitet seit langem bei der internationalen Regelung der Rohstoffprobleme mit.
    Entscheidend für den langfristig angestrebten Ausgleich des internationalen Güter- und Dienstleistungsverkehrs sind Maßnahmen zur Erweiterung der Exportfähigkeit der Entwicklungsländer. Dieser wichtige Bereich soll in Zukunft stärker als bisher durch entsprechende Steuerung der Kapitalhilfe, der Technischen Hilfe und der Bildungshilfe unterstützt werden. Bei der Technischen Hilfe wird insbesondere an die verstärkte Entsendung solcher Sachverständiger gedacht, die die Entwicklungsländer bei der Auflockerung einseitiger Wirtschaftsstrukturen und bei der Verbesserung ihrer Absatz- und Marktbedingungen beraten. Die notwendige Umstrukturie-



    Bundesminister Scheel
    rung der Entwicklungsländer wird auf die Dauer zu einer neuen Art der internationalen Arbeitsteilung zwischen den Entwicklungsländern und den Industrieländern nunmehr auch auf industriellem Gebiet führen müssen. Dieser Prozeß wird allerdings Anpassungsmaßnahmen der deutschen Wirtschaft erforderlich machen.
    Die Bestrebungen zur Förderung des Handels der Entwicklungsländer dürfen nicht auf Maßnahmen zur Förderung ihrer Ausfuhren in die Industrieländer beschränkt bleiben. Vielmehr sollte auch der heute noch unbedeutende Warenaustausch unter den Entwicklungsländern selbst gefördert werden. Eine engere Handelsverflechtung zwischen den Entwicklungsländern ist wesentlich. Der bisherige Fortschritt, insbesondere der Industrialisierungsprozesse, zeigt deutlich, daß in den meisten Entwicklungsländern ohne eine engere wirtschaftliche Integration mit den Nachbarn keine vielfältige Wirtschaftsstruktur aufgebaut und damit auch keine Verbreiterung des Exportangebotes zu vertretbaren Preisen und Qualitäten erreicht werden kann.
    Zu Ziffer 6:
    In Ziffer 6 wird die Frage aufgeworfen, welches Verhältnis zwischen Kapitalhilfe einerseits und Bildungs- und Sozialhilfe andererseits in den Planungen der Entwicklungspolitik von der Bundesregierung angestrebt wird. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß der wirtschaftliche Entwicklungsprozeß soziale Veränderungen mit sich bringt, die zu ernsten Spannungen führen können, wenn diese Veränderungen nicht vorausschauend erkannt und Hilfen für eine geordnete Entwicklung geboten werden. Diese Hilfen betreffen z. B. den systematischen Aufbau bzw. Ausbau öffentlicher und freier sozialer Dienste und die soziale Betreuung der Bevölkerung, die von den Maßnahmen der wirtschaftlichen Entwicklungshilfe unmittelbar oder mittelbar berührt wird.
    Zu dieser diffizilen Frage möchte ich vorausschicken, daß sich nach Auffassung der Bundesregierung ein starres Verhältnis zwischen den einzelnen Hilfsformen von vornherein weder allgemein noch in der Anlage bestimmen läßt.
    Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Hilfsformen ist vor allem abhängig von den praktischen Notwendigkeiten der verschiedenen Entwicklungsländer. Deshalb wird ein abgewogenes Verhältnis zwischen diesen Hilfsformen innerhalb der Hilfe für jedes einzelne Entwicklungsland angestrebt. Hier sind in erster Linie der allgemeine Entwicklungsstand und die Wirtschafts- und Sozialstruktur des betreffenden Landes und seine Devisen- und Haushaltslage zu berücksichtigen. Die Haushaltslage hat besonders wegen der Folgekosten bei Infrastrukturprojekten und Ausbildungsvorhaben erhebliches Gewicht. Zu berücksichtigen ist ferner die Höhe des verfügbaren privaten Kapitals.
    Das Verhältnis zwischen Entwicklungskrediten und anderen Hilfen wird deshalb von Land zu Land verschieden sein müssen. Damit wird gleichzeitig die grundsätzliche Frage berührt, unter welcher entwicklungspolitischen Konzeption unsere bilaterale Hilfe geleistet werden soll. Eine Hilfe ist wegen der
    nur begrenzt verfügbaren Mittel relativ wirkungslos, wenn die verschiedenen deutschen Hilfsprojekte in dem betreffenden Land auf die verschiedensten Landesteile und Entwicklungsbereiche verstreut sind. Deshalb strebt die Bundesregierung bei ihrer Entwicklungspolitik in Einzelfällen eine Schwerpunktbildung an. Auf diese Weise sollen wirkungsvolle Projektgruppen mit Ausstrahlungskraft entstehen.
    Die Bundesregierung verkennt nicht, daß die Frage des Verhältnisses zwischen einzelnen Hilfsformen bei einzelnen Projekten, insbesondere bei industriellen Großprojekten, von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit der Hilfe sein kann. In solchen Fällen sollte ein angemessener Prozentsatz der Gesamtsumme beispielsweise für Maßnahmen der Sozialarbeit vorgesehen werden.
    Zu Ziffer 7:
    Unter der Ziffer 7 wird die Frage gestellt, wie für eine Koordinierung der Bildungs- und Sozialhilfe des Bundes mit den Vorhaben der Länder gesorgt ist. Diese Aufgabe ist zweifellos wichtig. Hier geht es letzten Endes darum — wie im Entwicklungshilfebeitrag der Bundesrepublik überhaupt —, die Vielfalt der zur Mitwirkung bereiten und notwendigen Kräfte einerseits wirksam werden zu lassen und andererseits so nützlich wie möglich zusammenzufassen. Die Bundesregierung bejaht demgemäß eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen, in erster Linie im Bereich der Bildungs- und Ausbildungshilfe, um so einen Beitrag zur Verbesserung der Sozialstruktur der Entwicklungsländer zu leisten.
    Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich zu dieser Frage der Koordinierung und Zusammenarbeit mehrfach geäußert. So erklärten sie in einer Entschließung vom 4. Mai 1962, daß die Entwicklungspolitik Aufgabe des Bundes ist, die Länder aber bereit sind, „im Rahmen der Entwicklungspolitik des Bundes und nach Abstimmung mit dem Bund Technische Hilfe, besonders Bildungs- und Ausbildungshilfe zu leisten". Damit besteht im Grundsätzlichen bereits ein erfreuliches Einvernehmen über die Notwendigkeit und den Rahmen der Zusammenarbeit und Koordinierung.
    Eine Bestandsaufnahme über die Leistungen und die Mitwirkungsbereitschaft der Länder und Gemeinden, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgenommen hat, schuf einen ersten Überblick über die Vielfalt der Initiativen und die speziellen Koordinierungsaufgaben. Immerhin weisen die Länderhaushalte im Rechnungsjahr 1962 über 20 Millionen DM für Beiträge vornehmlich der Bildungs- und Ausbildungshilfe aus, was — wie sich ergeben hat — gegenüber 1961 eine fühlbare Steigerung bedeutet. Länder und Gemeinden haben auch zahlreiche Fachleute verschiedener Berufe — z. B. Gewerbelehrer, Forstbeamte oder Dozenten der Universitäten und Hochschulen — für Aufgaben der Entwicklungshilfe schon seit Jahren freigegeben oder zur Verfügung gestellt.
    Der Schwerpunkt der Beiträge der Länder und Gemeinden liegt notwendigerweise im Inland und hier wiederum im Bereich der beruflichen Aus- und Fortbildung. Dazu einige Hinweise: Mehr als 400



    Bundesminister Scheel
    Praktikanten aus Entwicklungsländern weilen gegenwärtig auf Kosten der Länder in ,der Bundesrepublik. Viele Studenten erfahren Förderung und Betreuung. Einige Länder beabsichtigen, Ausbildungsmaßnahmen in Entwicklungsländern finanziell und personell zu tragen. So z. B. hat das Land Baden-Württemberg ein Gewerbeförderungszentrum in Tunesien errichtet. Für solche Fälle sind Vereinbarungen zwischen dem Bund und dem jeweiligen Land ausgearbeitet bzw. vorgesehen, die eine Einheit der Entwicklungspolitik in Planung und Ausführung der jeweiligen Projekte sicherstellen.
    Um diese Beiträge zusammenzufügen, gemeinsame Richtlinien zu erarbeiten und den Erfahrungsaustausch zu pflegen, hat ein Länderausschuß Entwicklungshilfe seine Tätigkeit bereits aufgenommen. Die Unterrichtung der Landesregierungen über grundsätzliche Fragen der Entwicklungspolitik des Bundes erfolgt im Rahmen der „Entwicklungshilfekommission der Ministerpräsidentenkonferenz". Auch sind die Länder im Kuratorium der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer vertreten. Bei der Errichtung und Unterhaltung von Zentralstellen für die gewerbliche, die landwirtschaftliche und die Verwaltung betreffende Berufsausbildung, von denen noch an anderer Stelle die Rede sein wird, und bei der Schaffung dazugehöriger Regionalstellen wirken die Länder zum Teil unter Übernahme beträchtlicher Belastungen mit.
    Selbstverständlich stehen noch manche Probleme der Koordinierung und der Aufgabenverteilung vor uns. Zusammenarbeit bedarf dauernder Bereitschaft und Bemühungen aller Beteiligten. Aber die bisher überwiegend positiven Erfahrungen berechtigen zu der Hoffnung, daß in der Zukunft Bund, Länder und Gemeinden bei den großen Aufgaben der Entwicklungspolitik gut zusammenwirken.
    Zu Ziffer 8:
    Unter Ziffer 8 der Großen Anfrage der SPD-Fraktion wird die wichtige Frage der sozialen Sicherung von Personen behandelt, die für die Entwicklungshilfe im Ausland tätig sind. Nach Auffassung der Bundesregierung bedarf dieser Personenkreis, soweit er im Rahmen anerkannter Maßnahmen der deutschen Entwicklungshilfe tätig ist, eines sozialen Schutzes. Ein solcher Schutz kann für die Tätigkeit draußen wie auch bei der Rückkehr aus dem Entwicklungsland notwendig werden.
    Die Unterschiede in den Zwecken, in der Dauer und in den Funktionen wie auch die Unterschiede in den Vertragsverhältnissen lassen allerdings eine schematische Regelung nicht zu. Die Frage des sozialen Schutzes muß daher für die verschiedenen Personengruppen jeweils gesondert entschieden werden. Dabei wird die Gesamtheit der Bedingungen zu berücksichtigen sein, unter denen eine Entwicklungstätigkeit ausgeübt wird, besonders die dabei in gesundheitlicher und beruflicher Hinsicht übernommenen Risiken. Gewisse Risiken werden allerdings immer bleiben, sie müssen von den in der Entwicklungshilfe tätigen Personen getragen werden. Andererseits soll nach Auffassung der Bundesregierung eine ausreichende soziale Sicherung dazu beitragen, eine genügende Zahl fähiger Facharbeiter zu gewinnen.
    Im einzelnen kann man zu den verschiedenen Personengruppen folgendes sagen:
    a) Personen, die im Rahmen der Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung in Entwicklungsländern längerfristig tätig sind, werden von der Deutschen Wirtschaftsförderungs- und Treuhandgesellschaft unter Vertrag genommen. Die vertraglichen Leistungen dieser Gesellschaft sind, was die Höhe der Vergütungen und den sozialen Schutz angeht, im allgemeinen ausreichend und angemessen. Verbesserungen, die dazu beitragen sollen, die Zahl der in der Entwicklungshilfe tätigen Kräfte zu erhöhen, werden gegenwärtig überprüft.
    b) Für Personen, die im Rahmen internationaler Organisationen der UNO tätig werden, gilt die von dem UNO-Generalsekretär erlassene Personalordnung.
    c) Personen, die als „freie Fachkräfte" eine förderungswürdige Tätigkeit in der Entwicklungshilfe ausüben, sind auf Grund privatrechtlicher Dienstverträge im Entwicklungsland tätig. Vertragspartner dieser freien Fachkräfte können sein die Regierung, ein Unternehmen oder eine Organisation des Entwicklungslandes oder aber auch Unternehmen und Organisationen in der Bundesrepublik.
    Für diesen Personenkreis ist eine Regelung in Vorbereitung. Bei dem sozialen Schutz dieser Gruppen ist grundsätzlich davon auszugehen, daß zunächst die freien Frachkräfte für eine Sicherung selbst zu sorgen haben. In besonders gelagerten Fällen werden jedoch Hilfen notwendig sein, um eine ausreichende Sicherung bei Unfall, Krankheit, Invalidität sowie im Todesfall zu gewährleisten und um erforderlichenfalls die Wiedereingliederung nach Beendigung der Tätigkeit 'im 'Entwicklungsland zu ermöglichen oder zu erleichtern. Der Umfang einer eventuellen Hilfe wird von den Bedürfnissen im einzelnen Fall abhängen, dabei ist auch die Höhe der für die Tätigkeit im Entwicklungsland bezogenen Vergütung zu berücksichtigen.
    Die große Gruppe der freien Fachkräfte, die für deutsche kommerzielle Unternehmen in Entwicklungsländern tätig ist, dürfte im allgemeinen eine ausreichende Sicherheit erhalten.
    Zu Ziffer 9:
    Die neunte und letzte Frage weist wiederum auf ein Kernproblem der Entwicklungspolitik hin, nämlich auf die Frage der Ausbildung der für Entwicklungshilfe-Vorhaben im Ausland tätigen Personen. Die Bundesregierung hat von vornherein einen wesentlichen Teil ihrer Anstrengungen auf Vorhaben zur Verminderung des Fachkräftemangels in den Entwicklungsländern konzentriert und wie auf keinem anderen Gebiet hierbei die Unterstützung der Wirtschaft, der Verbände, der Bildungseinrichtungen und der übrigen Öffentlichkeit, eingeschlossen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, gefunden.
    Bis aber die nun schon zahlreichen von uns in den Entwicklungsländern errichteten Ausbildungsstätten, die vielen Stipendien und die seit Jahren erfolgreichen Praktikantenprarogmme eine fühlbare Auswirkung zeigen, werden in jetzt schnell anstei-
    Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode .— 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2183
    Bundesminister Scheel
    gender Zahl sorgfältig vorbereitete deutsche Berater, Sachverständige, Lehrkräfte und sonstiges Fachpersonal in die Entwicklungsländer entsandt werden müssen. Mit diesen Investitionen in Menschen und durch Menschen wird das Selbsthilfepotential unserer Partner auf die nachhaltigste Weise gefördert, gleichzeitig aber auch — die Hoffnung sei in aller Offenheit zugegeben — unserem eigenen Bildungswesen ein vielleicht folgenreicher Impuls gegeben. Gut vorbereitete, qualifizierte Fachkräfte sichern zudem die sparsame und wirksame Verwendung der begrenzten Mittel. Personelle Hilfe stärkt, sichert und multipliziert die Wirkung der Kapitalhilfe.
    Jede Tätigkeit in Entwicklungsländern erfordert neben der selbstverständlichen Fachausbildung zusätzliche berufliche, pädagogische, sprachliche, länder- und kulturkundliche und sogar entwicklungsmethodische Kenntnisse und Fertigkeiten. Bei der Vorbereitung deutscher Fachkräfte sind wohl auch zusätzliche zeitgeschichtliche und staatsbürgerliche Informationen zu vermitteln. Daß außerdem die Anforderungen einer Tätigkeit in Entwicklungsländern die ganz persönliche geistige Orientierung des Einzelnen auf die Probe stellen, darf dabei nicht vergessen werden.
    All dieses macht ein System genau angepaßter, den persönlichen Entscheidungen genügend Raum gewährender Ausbildungsgänge und -einrichtungen notwendig. Ein Teil davon wird zur Zeit systematisch von der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, den Gemeinden und anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen auf- und ausgebaut. Die Bundesregierung legt aber Wert darauf, daß auch die Privatwirtschaft ihre in einzelnen Fällen schon traditionsreichen Ansätze zur Ausbildung ihrer Fachkräfte für eine Übersee-Tätigkeit und auch zur Ausbildung der Fachkräfte der Entwicklungsländer für eine Tätigkeit in deutschen Entwicklungsvorhaben weiterentwickelt und dem Bedarf anpaßt.
    An dieser Stelle ergibt sich die Gelegenheit, auf die Umformung der gelegentlich in der Öffentlichkeit vertretenen Ansichten über die Ausbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer hinzuweisen. Die Auswertung der bisherigen Erfahrungen zeigt, daß eine zunehmende Verlagerung der Ausbildung in die Entwicklungsländer selbst einen größeren Erfolg verspricht. Das gilt vor allem für die Grundausbildung, die in der eigenen gewohnten Umgebung und in dem Milieu der späteren Tätigkeit erst zu einer gewissen beruflichen und menschlichen Bewährung führen soll. Bei Studenten zielt diese Erkenntnis auf die ersten Semester und die sprachliche Vorbereitung. Die beträchtlichen inneren und äußeren Belastungen einer Ausbildung unter den ungewohnten Lebensbedingungen in einem Industrieland sollten mehr und mehr nur jenen zugemutet werden, die auf einer beruflichen Grundlage eine qualifizierte Weiterbildung benötigen, soweit diese nur in einem Industrieland möglich ist. Daneben kann auch die Ausbildung in einem dritten Land, etwa einem Entwicklungsland, das Beispiele erfolgreich fortgeschrittener Vorhaben vorweisen kann, nützlich sein.
    Auch die Vorbereitung deutscher Fachkräfte, auf die sich Punkt 9 der Anfrage wohl in der Hauptsache bezieht, muß die zusätzlichen Erfahrungs- und Demonstrationsmöglichkeiten nutzen, die zum Teil nur in befreundeten Industrieländern mit langer Übersee-Erfahrung, bei internationalen Organisationen oder ebenfalls in fortgeschrittenen Entwicklungsländern vorhanden sind.
    Die Bundesregierung kann sich sowohl bei der Reform der Ausländerausbildung wie auch beim Ausbau .der Vorbereitungsmöglichkeiten für deutsche Fachkräfte auf die wertvollen Erfahrungen der Kirchen und die Ergebnisse zahlreicher privater Initiativen stützen. Auch an einigen Hoch- und Fachschulen wird inzwischen in aller Stille ein noch bescheidener, aber hochwillkommener „Vorrat" an Fachkräften für Entwicklungsvorhaben herangebildet.
    Das im Frühsommer in dem Ausschuß für Entwicklungshilfe des Deutschen Bundestages einstimmig begrüßte „Sozial-, Ausbildungs- und Bildungsprogramm für Entwicklungsländer" weist auf zahlreiche Initiativen der Bundesregierung hin, von denen hier nur einige nochmals erwähnt werden sollen.
    Die Deutsche Stiftung für Entwicklungsländer hat bisher durch eine Anzahl von Seminaren und Kursen zur Vorbereitung deutscher Fachkräfte beigetragen. Die Stiftung sucht mit drei „Zentralstellen" neue Wege zur Vorbereitung deutscher Fachkräfte für Aufgaben der Entwicklungspolitik zu gehen. Diese Vorbereitung wird eng gekoppelt mit der Ausbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer, vor allem von Lehrkräften, die späterhin die Aufgaben der deutschen Fachleute übernehmen sollen. Die Zentralstellen werden mit den bereits bestehenden Ausbildungsstätten der Länder eng zusammenarbeiten und deren Tätigkeit koordinieren.
    Die Zentralstelle für gewerbliche Berufsförderung beginnt in Mannheim Anfang Dezember zunächst mit der Ausbildung der erwähnten einheimischen Fachkräfte, die für die Übernahme der Aufgaben der deutschen Lehrer an Gewerbeschulen in Entwicklungsländern vorgesehen sind. Von den Aufgaben der Zentralstelle für Landwirtschaft soll zunächst die Vorbereitung von Agrartechnikern in der Lehranstalt für tropische Landwirtschaft in Witzenhausen unter Benutzung der dort vorliegenden Erfahrungen beginnen. Darüber hinaus hat das Institut für ausländische Landwirtschaft der Technischen Universität Berlin im Einvernehmen mit der Zentralstelle für Landwirtschaft die zusätzliche Ausbildung von Diplom-Landwirten für eine Tätigkeit in den Entwicklungsländern übernommen.
    Die Frage der Übertragbarkeit bei uns bewährter Institutionen und Muster auf die Entwicklungsländer stellt sich besonders kritisch bei der Entwicklung einer leistungsfähigen Verwaltung. Nach eingehender Prüfung hat es sich als notwendig erwiesen, Personen, die in der Verwaltungshilfe eingesetzt werden, im Rahmen einer engeren und auf längere Dauer berechneten Zusammenarbeit mit der Verwaltung des Entwicklungslandes erst dann zu entsenden, wenn sie zuvor mit dem Rechts- und



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    Verwaltungssystem des Entwicklungslandes, seinen ethnologischen und soziologischen Gegebenheiten vertraut gemacht sind und wenn zugleich auch nach Möglichkeit eine sprachliche Vorbereitung stattgefunden hat. Mit den Vorarbeiten bei der Verwaltungsausbildung ist versuchsweise die Zentralstelle für öffentliche Verwaltung in Berlin befaßt.
    Das Sozial-, Ausbildungs- und Bildungsprogramm greift auch auf anderen Fachgebieten zahlreiche erfolgversprechende Initiativen auf, um Hinweise für eine systematische Fortentwicklung zu geben.
    Auf akademischem Gebiet ist in Anbetracht der nicht ganz einfachen Erfahrungen mit jetzt zwischen 10 000 und 14 000 Studenten aus Entwicklungsländern an deutschen Universitäten und Hochschulen nicht nur eine Verstärkung der Betreuung vorgesehen, sondern auch die Förderung neuer Lehr- und Studienmöglichkeiten. Dabei sollten insbesondere entwicklungsmethodische Fragen und die Anwendung des hier erworbenen Wissens unter den besonderen Bedingungen der Entwicklungsländer behandelt werden. Damit wird gleichzeitig dem regen Interesse deutscher Studenten an Fragen der Entwicklungsproblematik entgegengekommen, zumal zahlreiche Studenten bereit sind, ihr Studium jetzt schon auf eine künftige vorübergehende oder dauernde Tätigkeit in Entwicklungsländern einzurichten.
    Mit Vorbereitungs- und Ausbildungslehrgängen außerhalb akademischer Einrichtungen wurden für verschiedene Berufszweige, aus denen Fachkräfte besonders dringend angefordert wurden, schon Erfahrungen gesammelt. So wurden z. B. BergbauIngenieure in einem längeren Kurs vorbereitet. Erfreulicherweise kann festgestellt werden, daß der Großteil dieser Kräfte schon sehr bald eine Einsatzmöglichkeit in deutschen Entwicklungsvorhaben fand. Abgesehen von den laufenden Programmen für Fachkräfte der Industrie und für Genossenschaftsberater haben die in dem „Sozial-, Ausbildungs- und Bildungsprogramm" vorgesehenen Maßnahmen für den Sozialbereich zu einem intensiven Meinungsaustausch mit den zuständigen Organisationen geführt. Die Verbände der freien Wohlfahrtspflege haben schon längere Erfahrungen mit dem System der gleichzeitigen Schulung von eigenen Kräften für die Sozialarbeit in Entwicklungsländern wie auch von Sozialarbeitern der Entwicklungsländer. Für Vorhaben, die den verstärkt angemeldeten Bedarf an Sachverständigen der Jugendarbeit und Erwachsenenbildung und der Dorf- und Gemeindeentwicklung zu decken in der Lage sind, ist eine Gemeinschaftsstelle der Verbände und Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung geplant. Für Fachkräfte des Films, des Rundfunks und der Presse und -nicht zuletzt des Buchwesens werden Ausbildungslehrgänge vorbereitet. Nachwuchskräfte, die sich für eine längere Tätigkeit in Entwicklungsländern verpflichten wollen, sollen Stipendien erhalten, die ihnen eine z. T. mehrjährige Studien- und Volontärzeit im In- und Ausland ermöglichen. Vielleicht wird aus diesen Ansätzen ein neuer 'Berufstyp für Entwicklungskräfte entstehen.
    Unter der Bezeichnung „Entwicklungsdienst: Lernen und Helfen in Übersee" ist eine Aktion in Vorbereitung, die jungen deutschen Fachkräften Gelegenheit geben soll, für eine Zeitlang in Entwicklungsländern unter Verzicht auf Vorgesetztenstellung durch das Beispiel persönlicher und fachlicher Tüchtigkeit und bescheidener Lebensführung einen Beitrag zur Entwicklungshilfe zu leisten und dabei gleichzeitig wertvolle Erfahrungen zu gewinnen. Den 'deutschen Verhältnissen entsprechend ist eine Einrichtung vorgesehen, -die eine enge Zusammenarbeit der deutschen Jugend- und Studentenverbände und erfahrener privater Organisationen der Entwicklungshilfe ermöglicht. Ein Büro für diese Aktion, deren endgültige Bezeichnung noch gefunden werden muß, wird demnächst in Bonn . eingerichtet werden, um die zahlreichen Anfragen aus weiten Kreisen der deutschen Jugend bald beantworten zu können

    (Abg. Wischnewski: Überhaupt, Herr Minister!)

    und die ersten Vorhaben in 'Entwicklungsländern, und zwar vorerst im Zusammenhang mit dem Ausbau einiger deutscher Ausbildungsstätten, zu verwirklichen.
    Die Teilnehmer an diesem Programm werden sich einer gründlichen Vorbereitung unterziehen müssen. Außer Länder- und Kulturkunde, Entwicklungsmethodik, Zeitgeschichte ,und staatsbürgerlicher Information und selbstverständlich einer intensiven Sprachenschulung wind die Vorbereitung ein Training vermitteln, das dem Teilnehmer ein Gefühl für seine Leistungsfähigkeit, aber auch für die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit geben soll. Auf die Fähigkeit zum Improvisieren und die Anwendung handwerklicher 'Grundkenntnisse unter erschwerten Bedingungen wird besonderer Wert gelegt.
    Auf Einladung des amerikanischen Friedenskorps werten zur Zeit zwei Beobachter für die Bundesregierung die dort gemachten Erfahrungen aus.
    Die Bundesregierung glaubt, daß mit diesen Programmen ein guter Ansatz für eine systematische Weiterentwicklung der bisher im großen und ganzen erfolgreichen Ausbildung von Angehörigen der Entwicklungsländer und der Vorbereitung deutscher Fachkräfte gemacht worden ist.
    Zum Schluß erklärt die Bundesregierung, daß die in dieser Antwort auf die Große Anfrage aufgezeigten Maßnahmen und Lösungsmöglichkeiten nur Teilbereiche der Entwicklungspolitik betreffen. Sie sollten deshalb auch nur als Einzelprobleme des Gesamtkomplexes Entwicklungspolitik verstanden werden. Einzelne Bereiche der Hilfe mögen besonders wichtig erscheinen. Jedoch müssen sie alle im Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik gewissermaßen harmonisiert und den finanziellen und personellen Möglichkeiten der Bundesrepublik angepaßt werden.
    Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die Entwicklungshilfe nicht nur im Interesse der Entwicklungsländer liegt, sondern auch im wohlverstandenen Selbstinteresse des deutschen Volkes. Dies gilt 'sowohl für die Sicherheit der Bundesrepu-



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    blik als auch für die Gewährleistung eines weiteren Wachstums der deutschen Wirtschaft, das weitgehend von außenwirtschaftlichen Bedingungen mitbestimmt wird. Die Beschaffung der für die Entwicklungshilfe notwendigen Finanzmittel wird jedoch in den nächsten Jahren schwierig sein. Um so notwendiger ist deshalb auch die Straffung unseres entwicklungspolitischen Potentials und dessen sorgfältig abgewogener Einsatz.
    Die Bundesregierung benutzt diese Gelegenheit, um den Bundesländern und Gemeinden, den Kirchen, den Organisationen und der Wirtschaft für ihre Tätigkeit in den Entwicklungsländern zu danken und sie zugleich zu vermehrten Leistungen aufzurufen. Die vor uns liegende Aufgabe, der Spaltung der Welt in Elend und Wohlstand entgegenzuwirken, wird nur durch die gemeinsame Anstrengung aller der Entwicklungspolitik aufgeschlossenen Kräfte des deutschen Volkes gelöst werden können.

    (Beifall bei den Regierungsparteien und Abgeordneten der SPD.)