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ID0404901800

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    Deutscher Bundestag 49. Sitzung Bonn, den 16. November 1962 Inhalt: Nachwahl eines Mitglieds des Kontrollausschusses beim Bundesausgleichsamt 2167 A Fragestunde (Drucksache IV/7(28) Frage des Abg. Riedel (Frankfurt): Rabattstaffeln bei preisgebundenen Markenwaren Dr. Westrick, Staatssekretär . . . 2167 B Dr. Luda (CDU/CSU) 2167 D Frage des Abg. Gewandt: Unterrichtung der Seeleute in Fragen der Schiffssicherheit 2167 D Fragen des Abg. Lemmrich: Grunderwerb für den Straßenbau und Planungsarbeiten 2168 A Frage des Abg. Peiter: Bundesstraße 54 in der Stadt Diez Dr. Seiermann, Staatssekretär . . . 2168 A Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Entwicklungspolitik der Bundesregierung (Drucksache IV/542) Wischnewski (SPD) . . . . . . . 2168 B Scheel, Bundesminister . 2176 B, 2200 D Dr. Fritz (Ludwigshafen) (CDU/CSU) 2185 B Kahn-Ackermann (FDP) . . . . . 2191 D Gewandt (CDU/CSU) . . . . . . 2193 C Kalbitzer (SPD) . . . . . . . . 2195 A Margulies (FDP) . . . . . . . . 2195 D Dr. Hellige (FDP) . . . . . . . 2198 A Freiherr von Mühlen (FDP) . . . . 2199 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . 2204 D Anlagen 2205 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 2167 49. Sitzung Bonn, den 16. November 1962 Stenographischer Bericht Beginn: 9.31 Uhr
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    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 30. 11. Arendt (Wattenscheid) 16. 11. Dr. Arndt (Berlin) 16. 11. Dr. Atzenroth 16. 11. Auge 19. 11. Bauknecht 16. 11. Benda 16. 11. Biermann 16. 11. Dr. Birrenbach 17. 11. Fürst von Bismarck 17. 11. Blachstein 16. 11. Dr. von Brentano 17. 11. Dr. Burgbacher 17. 11. Dr. Dichgans 16. 11. Dr. Dittrich 16. 11. Dr. Dollinger 16. 11. Dopatka 16. 11. Dr. Dörinkel 16. 11. Dorn 16. 11. Drachsler 16. 11. Ehnes 16. 11. Frau Dr. Elsner 16. 11. Ertl 16. 11. Etzel 16. 11. Frau Dr. Flitz (Wilhelmshaven) 16. 11. Dr. Dr. h. c. Friedensburg 28. 11. Funk (Neuses am Sand) 16. 11. Gaßmann 16. 11. Freiherr zu Guttenberg 17. 11. Haage (München) 30. 11. Haase (Kellinghusen) 16. 11. Hammersen 16. 11. Dr. Harm 1. 12. Dr. Heck 16. 11. Herold 17. 11. Dr. Hesberg 16. 11. Hirsch 16. 11. Hoogen 16. 11. Hörmann (Freiburg) 16. 11. Jacobs 18. 11. Dr. Jaeger 17. 11. Katzer 16. 11. Frau Kipp-Kaule 16. 11. Dr. Klein (Berlin) 16. 11. Dr. Kliesing (Honnef) 17. 11. Dr. Kreyssig 16. 11. Kohlberger 16. 11. Kriedemann 16. 11. Kubitza 16. 11. Kühn (Bonn) 31. 12. Kühn (Hildesheim) 16. 11. Kuntscher 30. 11. Kurlbaum 16. 11. Leber 16. 11. Leukert 16. 11. Mattick 16. 11. Mauk 16. 11. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Merten 17. 11, Mertes 16. 11. Michels 16. 11. Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 30. 11. Dr. Morgenstern 16. 11. Müller (Nordenham) 16. 11. Murr 16. 11. Paul 17. 11. Pöhler 17. 11. Frau Dr. Probst 16. 11. Rademacher 15. 12. Ramms 16. 11. Rasner 16. 11. Ravens 16. 11. Richarts 16. 11. Riedel (Frankfurt) 16. 11. Schlick 16. 11. Dr. Schmid (Frankfurt) 17. 11. Dr. Schneider (Saarbrücken) 16. 11. Schoettle 16. 11. Schröder (Osterode) 16. 11. Schulhoff 16. 11. Schultz 16. 11. Schwabe 16. 11. Seuffert 16. 11. Dr. Seume 16. 11. Spitzmüller 16. 11. Stauch 16. 11. Stein 16. 11. Dr. Stoltenberg 16. 11. Storm 16. 11. Strohmayr 16. 11, Sühler 16. 11. Tobaben 16. 11. Frau Vietje 16. 11. Wacher 16. 11. Dr. Wahl 16. 11. Wienand 17. 11. Dr. Wilhelmi 16. 11. Wullenhaupt 16. 11. Dr. Zimmer 16. 11. Anlage 2 Schriftliche Antwort des Herrn Bundesministers Höcherl auf die mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Jungmann (Fragestunde der 47. Sitzung vom 9. November 1962, Drucksache IV/698, Frage III/1): Besteht die Möglichkeit, den nicht kriegsbeschädigten Körperbehinderten mit einer Erwerbsminderung um mindestens 80 % auf Grund des Sozialhilfegesetzes die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse zu eröffnen? Die bestimmten Gruppen von Schwerkriegsbeschädigten eingeräumte Vergünstigung, mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse die 1. Wagenklasse zu benutzen, beruht auf einer Tarifbestimmung der 2206 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 49. Sitzung. Bonn, Freitag, den 16. November 1962 Deutschen Bundesbahn. Eine gesetzliche Grundlage für diese Vergünstigung gibt es nicht. Nach dem Bundessozialhilfegesetz ist es zwar möglich, im Einzelfall im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt oder in anderen Fällen, z. B. zur Aufnahme in einer Anstalt oder einem Heim oder zum Antritt einer Kur, auch notwendige Fahrkosten, u. U. sogar für die 1. Wagenklasse, zu übernehmen. Hingegen bietet das Bundessozialhilfegesetz keine Möglichkeit, etwa Körperbehinderten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 80 v. H. ganz allgemein die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse zu eröffnen. Eine solche Bestimmung im Bundessozialhilfegesetz würde auch seinen Rahmen sprengen, da es auf dem Grundsatz beruht, daß Hilfe nur bei einer Notlage im Einzelfall gewährt wird.
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    Rede von Georg Kahn-Ackermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider sagen, Herr Minister, daß Sie mit sehr vielen schönen Worten und sehr elegant um eine Reihe von Problemen herumgeredet haben, die sich keineswegs so freundlich darstellen, wie es hier in Ihrem und teilweise auch in dem letzten Beitrag erschienen ist. Nehmen wir allein das, was Sie über die Aufgabe und über den



    Kahn-Ackermann
    Rahmen unserer Anstrengungen auf dem Gebiet der Bildungshilfe im Verhältnis zu unseren gesamten Anstrengungen auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe gesagt haben! Ich muß sagen, daß hier doch auch in dem Plan Ihres Ministeriums, den Sie vorgelegt haben, manches nicht bis zuletzt durchdacht und daß hier vieles über den Daumen gepeilt ist, was doch noch einer eingehenden Erörterung bedürfte. Ich glaube auch nicht, daß Ihr Optimismus in bezug auf die Erfolge, die wir da haben werden, gerechtfertigt ist.
    Ich gebe zu, daß hier gute Dinge angefangen worden sind. Auf der anderen Seite ist aber die Basis, die wir in diesem Jahr erreichen werden, doch zu schmal. Und da muß ich Ihnen, Herr Minister, sagen: vieles liegt an der wirklich unzureichenden personellen Ausstattung Ihres eigenen Ministeriums! Wenn Sie vor einem Jahr mit größerem Elan dafür eingetreten wären, daß Ihr eigenes Ministerium auf vielen Sachgebieten personell so ausgestattet wird, wie es eigentlich der Fall sein müßte, wären wir in dieser Beziehung schon wesentlich weiter, als es heute der Fall ist. Mein Kollege Wischnewski hat ja auf eines unter vielen Beispielen hingewiesen, welches für die Verhältnisse in Ihrem Ministerium symptomatisch ist.
    Die Bildungshilfe, Herr Minister, hat zwei Seiten: das, was wir außerhalb der Bundesrepublik tun, und das, was wir in der Bundesrepublik tun. Hier ist etwas über die Studenten gesagt worden. Ich will das nicht vertiefen. Aber Sie wissen ganz genau, daß beispielsweise dem Problem der Studenten aus den Entwicklungsländern in der Bundesrepublik nur sehr mangelhaft begegnet wird und daß die gegenwärtige Situation äußerst unbefriedigend ist. Ich kann in all den Ausführungen, die hier von Ihrer Seite gemacht worden sind, keinen positiven Ansatz dafür entdecken, daß die uns bedrückenden Mängel auf diesem Gebiet abgestellt werden. Ich verkenne nicht, daß Sie hier unter einer gewissen Dualität der Stellen leiden, die mit dieser Frage befaßt sind, daß hier wohl bei Ihnen und in einem anderen Ministerium gegenteilige Auffassungen bestehen. Aber ich glaube doch, daß die Bundesregierung Konsequenzen aus den Berichten ziehen sollte, die sie zu diesem Punkt hat erstellen lassen und von denen hier in keiner Weise die Rede war.
    Um hier nur ein spezielles Problem anzusprechen: wir wissen beispielsweise im Gegensatz zu dem, was leider — wahrscheinlich falsch informiert — der Herr Bundesminister des Auswärtigen zu der Frage der Erfolgsquote bei den Studenten aus den Entwicklungsländern hier gesagt hat, daß diese Erfolgsquote wesentlich niedriger liegt und daß sie leider, auch wenn wir an das Verhältnis von Aufwand zu Erfolg und an die Verteilung der einzelnen Stipendien denken, zu vieler Kritik Anlaß gibt.
    Daß es bis heute nicht möglich gewesen ist, an unseren Universitäten den Zustrom von Menschen aus den Entwicklungsländern zu stoppen, die in ihrem eigenen Land nicht die Voraussetzungen für die Hochschulreife erfüllt haben, ist eine Sache, die ich nicht begreifen kann. Ich denke doch, daß es bei der Zusammenarbeit, die Sie so gepriesen haben, möglich sein sollte, diese Dinge abzustellen.
    Lassen Sie mich noch eines sagen: dem ganzen Plan, den Ihr Ministerium hier vorgelegt hat, haftet bei all dem, was man daran lobenswert finden muß, doch etwas sehr Mechanistisches an. Mein Kollege Wischnewski hat schon einiges über die Öffentlichkeitsarbeit gesagt, die in Ihrem Ministerium bzw. nicht in Ihrem Ministerium geleistet worden ist. Hier möchte ich sagen, daß ein Problem der Bildungshilfe auch die Anerkennung der Kultur dieser unterentwickelten Länder bei uns ist. Hier fehlt es doch sehr weitgehend, wenn ich ' auch nicht verkenne, daß einige nützliche Ansätze gemacht worden sind. Hier wäre aber eine große Aufgabe für die Öffentlichkeitsarbeit Ihres Ministeriums. Man sollte sich darum bemühen, z. B. bezogen auf den ganzen südamerikanischen Raum, der jetzt im Vordergrund Ihrer Bemühungen steht, und auch auf Afrika, der Bevölkerung im weitesten Bereich die Kulturen dieser Menschen etwas näherzubringen zu versuchen.
    Das hat auch etwas mit den Schwierigkeiten zu tun, die wir zum Teil bei Studenten aus diesen Ländern haben, die sich bei uns aufhalten. Auch hier könnte wohl in bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit und die Tätigkeit Ihres Ministeriums noch manches geschehen. Lassen Sie mich nur darauf hinweisen, daß ein viel zu großer Teil der Praktikanten und Studenten, die sich bei uns aufhalten, nur eine sehr ausschnittsweise Ebene des Daseins in unserem Lande kennenlernen. Viele gehen aus diesem Lande weg, wo sie unserer Meinung nach oft viel zu kurz gewesen sind, und sind niemals in einer deutschen Familie gewesen. Sie kennen das Leben in unserem Lande nur aus der Ebene ihres Studienaufenthaltes oder aus der Ebene eines Heimes. Sie haben aber keinen wirklichen Einblick in die Probleme unseres Landes, bekommen auch keinen Einblick, wie es bei uns wirklich zugeht.
    Ich jedenfalls, Herr Minister, kann es mir nicht erklären, warum eine große Zahl der Studenten eines gewissen Landes, bei denen ich begreifen kann, daß sie mit den politischen Verhältnissen in ihrem eigenen Lande unzufrieden sind, aus Deutschland mit sehr östlich gefärbten Vorstellungen weggehen, nachdem sie hier ein oder zwei Jahre studiert haben und hier eigentlich hätten lernen sollen, daß es auch andere politische Möglichkeiten gibt. Das trifft übrigens nicht bloß für ein Land zu, sondern das trifft für eine ganze Reihe von Ländern zu. Hier ist wohl ein Ansatzpunkt für eine weitere Tätigkeit in Ihrem Ministerium gegeben.
    Lassen Sie mich noch eines erwähnen. Kürzlich sind in einer deutschen Großstadt von einer Organisation, die von Ihrem Ministerium auch Hilfe bekommt, fünf Studenten mit der Polizei zum Flugplatz gebracht und nach Hause geschickt worden, weil sie bei der Lektüre von Karl Marx ertappt worden sind. Ich möchte mich eines Kommentars enthalten. Aber ich muß schon sagen — es handelt sich um Studenten aus einem ostafrikanischen Staat —, daß solche Zwischenfälle natürlich die gutwillige Arbeit, die mit einem ungeheuren Aufwand an Menschen und Geld geleistet worden ist, in weiten Bereichen zunichte machen kann.



    Kahn-Ackermann
    Ich möchte Ihnen sagen, daß Ihre Versicherung, die Unterstützung, die wir manchen Organisationen geben, werde zu keinerlei Missionstätigkeit verwandt, einer gewissen Nachprüfung bedarf; denn das ist eine Geschichte, die meiner Ansicht nach wirklich außerordentlich peinlich für uns ist.
    Lassen Sie mich noch sagen, daß auch Ihre hier gepriesene Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, wenn man in die Tiefe der Dinge geht, bei weitem nicht so ist, wie Sie das hier dargestellt haben. Ich gebe zu, es gibt zwei Bundesländer, die außerordentlich Gutes leisten. Sie haben gesagt, daß dort die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung sichergestellt sei. Wenn Sie sich das anschauen, können Sie nur zu dem Ergebnis kommen, daß sie in keiner Weise sichergestellt ist. Der Mann, der für die Entwicklungshilfe verantwortlich ist, ressortiert nicht nur in vielen Bundesländern in ganz verschiedenen Ministerien — einmal sitzt er in der Staatskanzlei, einmal ist er im Wirtschaftsministerium, einmal ist er im Kultusministerium—; Sie sollten Ihr Augenmerk auch darauf richten, daß beispielsweise bei den von Ihnen gepriesenen 20 Millionen DM, die die Länder jetzt für die Entwicklungshilfe ausgeben, vereinzelt, kleckerweise, eine Summe von 100 000 DM auf ein Referat verteilt ist, eine Summe, mit der man, wie Sie selber wissen, heute ernsthaft kein solches Programm anlaufen lassen kann, jedenfalls nicht auf längere Sicht. Das also bliebe in diesem Zusammenhang zu sagen.
    Schließlich haben Sie hier noch einmal mit vielen Worten die Probleme der sozialen Sicherung der Leute umrissen, die hinausgehen. Sie haben gesagt, eine schematische Regelung sei nicht möglich. Was wir aber vermissen, Herr Minister, ist die unschematische Regelung, 'die sich vielleicht auch gesetzlich fixieren ließe.
    Wir warten nun seit 18 Monaten, daß hier etwas geschieht. Ich will im einzelnen gar nicht vertiefen, was da alles notwendig ist. Was der Kollege Fritz und andere hier über die Unmöglichkeit, beispielsweise auch für wichtige internationale Organisationen Leute zur Verfügung zu stellen, gesagt haben, hängt auch damit zusammen, daß wir keine gesetzliche Möglichkeit haben, den Leuten, wenn sie von ihren kurzfristigen Aufgaben wieder entbunden werden — das Engagement dauert kaum länger als zwei oder vier Jahre —, hier zu Hause die Sicherheit zu geben, 'daß sie ihre Erfahrungen in entsprechender Stellung auswerten können und daß sie weiter verwandt werden. Da liegt eine Aufgabe, an die die Bundesregierung jetzt herangehen muß, wenn sie sicherstellen will, daß ihr Einfluß in diesen internationalen Organisationen in einem Umfang gewährleistet wird, der den Aufwendungen unseres Landes für diese Aufgaben auch tatsächlich entspricht.
    Zu Ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage gäbe es noch eine Menge zu sagen, z. B. was die Sprachausbildung angeht. Ich will das wegen der vorgerückten Stunde hier nicht vertiefen. Aber ich muß Ihnen sagen, Herr Minister, daß mich Ihre Antwort auf die Große Anfrage in vielen Punkten sehr enttäuscht hat. Sie haben hier Grundsätze verkündet und Aufgaben genannt, die in Angriff genommen werden sollen, ohne daß auf ganz wichtigen Gebieten klar und deutlich gesagt worden ist, in welchem Umfang und auf welchem Wege wirklich notwendige Aufgaben angefaßt werden sollen. Das ist ein Anlaß, vielleicht auch im Ausschuß auf eine Reihe von Fragen, die wir hier jetzt nicht mehr diskutieren können, eingehend zurückzukommen, gerade auf den ganzen Komplex der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern und die ungeklärten Fragen, die zwischen Ihrem Hause und dem Auswärtigen Amt bestehen, z. B. in der Schulfrage. Wir ihaben jetzt in immerhin, glaube ich, 21 Entwicklungsländern über 60 Schulen mit 500 Lehrkräften, die eigentlich mehr oder weniger nur Bildungshilfe leisten. Es ist aber offenbar unmöglich, in dieser Frage ein Einvernehmen zwischen Ihrem Haus und anderen Häusern herbeizuführen.
    Ich glaube also, Herr Minister, es wird notwendig sein, daß wir uns auch in den kommenden Monaten noch sehr eingehend über eine Reihe von Fragen unterhalten, 'die hier nach meiner Ansicht weitgehend ungeklärt ,geblieben sind.


Rede von Dr. Thomas Dehler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Gewandt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Gewandt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin mit dem Vorredner der Meinung, daß noch eine Reihe von Fragen zu klären sind. Ich bitte aber doch berücksichtigen zu wollen, daß es sich bei der Entwicklungshilfe in der Tat um ein Neuland handelt, um ein Gebiet, das man immer neu durchdenken muß.
    Vom Kollegen Wischnewski ist hier die Abwicklung kritisiert worden. Nach meinem Eindruck ist er auch der Meinung, daß die Ausstattung des Ministeriums etwa mit Beamten unzureichend sei. Ich meine, die Abwicklung hängt nicht allein davon ab, wieviel Beamte man beschäftigt. Man sollte sich überlegen, ob im Augenblick nicht zu viele Beamte mit der Prüfung der Projekte beschäftigt sind und ob man hier, ohne die Sorgfaltspflicht zu vernachlässigen, nicht einiges verbessern könnte.
    Das amerikanische Beispiel, das hier von Herrn Kollegen Fritz genannt wurde, ist immerhin ein abschreckendes Beispiel. Wir sollten uns hüten, zu einer solchen Aufblähung zu kommen. Immerhin verfügt das neue Haus, das ja erst vor einem Jahr die Arbeit aufgenommen hat, über 200 Bedienstete. Dazu kommt noch die Stiftung. Kurz vorher, nämlich im vergangenen Jahr, haben die anderen Häuser, die ja auch mit Entwicklungsfragen befaßt werden, 127 Stellen zusätzlich erhalten. Das ist eine gute Ausstattung, und man sollte nicht die Regierung schelten, daß sie zuwenig Bedienstete habe. Das wäre eher ein Grund, sie zu loben.
    Nun gestatten Sie mir ein Wort zur Öffentlichkeitsarbeit. Ich teile die Auffassung des Kollegen Wischnewski, daß in der deutschen Bevölkerung ein gewisses Mißtrauen und Unbehagen gegenüber dem Phänomen der Entwicklungshilfe besteht. Das liegt



    Gewandt
    daran, daß in einer Reihe von Fällen Mißbräuche vorgekommen sind. Ich will nicht das berühmte goldene Bett für eine Dame aus Ghana zitieren oder die Tatsache, daß der jugendliche Sohn eines Diktators galante Präsente aus Entwicklungshilfemitteln machte. Das sind Dinge, die wir nicht finanziert haben. Aber das sind Mißbräuche mit der Entwicklungshilfe, die vorgekommen sind und die die Öffentlichkeit kritisiert hat. Das ist richtig und verständlich. Aber glücklicherweise ist es im Zusammenhang mit der Entwicklungshilfe, die w i r geleistet haben, nicht möglich, derartige Vorwürfe zu machen.
    Die beste Öffentlichkeitsarbeit wäre der Nachweis gegenüber der Bevölkerung, daß die Kontrolle über die vergebenen Mittel verbessert wird. Wir haben es dabei nicht so leicht wie viele andere Länder. Die Engländer haben in allen Bereichen, in denen sie Entwicklungshilfe leisten, ein weitverzweigtes Banknetz, das bis in das letzte afrikanische Dorf in der Lage ist, die Verwendung der Mittel zu überprüfen. Das in Deutschland nach der Reichshaushaltsordnung angewandte Prizip, daß der Rechnungshof alles überprüft, ist nur im Landesinnern, nicht außerhalb der Grenzen anwendbar.
    Nun hat ja das Ministerium eine Reihe von Gedanken entwickelt. Aber man sollte doch darauf bestehen, daß künftighin Kapitalhilfe nur gewährt wird, wenn die Kapitalnehmer sich bereit erklären, zuzustimmen, daß durch eine Treuhandgesellschaft in einer bestimmten zu vereinbarenden Form überprüft wird, ob die Mittel entsprechend der vorgelegten Projektierung verwandt werden. Das gilt auch für die technische Hilfe. Denn Geräte und Einrichtungen, die man liefert, wechseln ja den Besitzer und sind dann Eigentum einer fremden Regierung. Es ist nicht in allen Fällen ein gewisses Mißtrauen vorhanden. Aber man will doch die Gewißheit haben, daß die Mittel sinnvoll und zweckentsprechend verwandt werden. Man kann das in einer ganz losen Form vertraglich vereinbaren, ohne in jenen Ländern irgendwelche Gefühle zu verletzen. Jedenfalls muß der deutsche Steuerzahler die Gewißheit haben, daß seine Mittel sinnvoll und zweckentsprechend verwendet werden. Hat er die Gewißheit, dann ist auch die Öffentlichkeitsarbeit viel leichter.
    Das Hauptproblem wird in der Zukunft möglicherweise die Beschaffung der Mittel sein. Auf Grund der im Haushalt vorgesehenen Ansätze für die Kapitalhilfe können wir heute schon sagen, daß etwa 250 Millionen DM mehr gebraucht werden. Es liegen also mehr Verpflichtungen vor, als im Haushalt Mittel vorgesehen sind. Die Steuerkraft, die wir ja nicht weiter anspannen wollen, ist so weit in Anspruch genommen, daß wir mit Etatmitteln nicht weiterkommen.
    Es ist hier nun die gute Anregung gegeben worden, man möge den Anleihemarkt stärker in Anspruch nehmen. Der Bund kann ja durch Bürgschaften usw. behilflich sein. Man sollte aber noch einmal prüfen, ob nicht wenigstens in diesem Jahr oder in Zeiten eines besonderen Engpasses die alte Idee aufgegriffen werden sollte, auch einmal außerhalb der Grenzen Anleihen aufzulegen. Ich kann
    mir nicht vorstellen, daß die Einwände, die gemacht werden, stichhaltig sind, etwa der, daß eine Anleihe — die doch nur in begrenztem Umfang in Frage kommt —, sagen wir mal, das Stabilisierungsprogramm des Dollars gefährden würde. Denn es handelt sich keineswegs um Anleihen, die in die Hunderte von Millionen gehen. Ich meine vielmehr, daß unser Kapitalmarkt nur begrenzt aufnahmefähig ist, und man sollte deshalb über die Grenzen gucken.
    Ein zweites Problem, das ich am Ende noch ganz kurz anschneiden möchte, ist das Problem des Absatzes der Artikel aus den Entwicklungsländern. Es gibt in Südamerika ein Land, das im Laufe der letzten Jahre aus der „Allianz für den Fortschritt" und aus einzelnen europäischen Ländern Entwicklungsgelder erhalten hat. Der Ausfall, der diesem Land aber durch das Absinken des Kaffeepreises entstanden ist, war größer als die Hilfe, die es im Laufe der Jahre erhalten hat. Ich glaube, das ist ein sehr ernstes Problem.
    Im Zusammenhang damit ist verständlich, daß die Entwicklungsländer, die außerhalb der EWG liegen, gewisse Befürchtungen haben, ihre traditionellen Absatzmärkte in Europa könnten geschmälert werden. Es ist sehr nötig, viel stärker als in der Vergangenheit die Bedeutung der EWG auch für die Entwicklungsländer in den Entwicklungsländern herauszustellen; denn die EWG ist ein Wirtschaftsraum, der weiter aufblühen soll und der dann auch sehr viel mehr Möglichkeiten hat, zu konsumieren. Dabei darf man allerdings nicht verkennen, daß die EWG sich dann, wenn die Gruppierungen in anderen Erdteilen — ich denke an Südamerika — abgeschlossen sind, wahrscheinlich auch dazu verstehen müßte, zu besonderen Zollvereinbarungen zu kommen, beispielsweise mit einer Freihandelszone in Lateinamerika. Denn dort ist die Sorge besonders groß, daß vor allem nach Einbeziehung Großbritanniens in den Gemeinsamen Markt und einer besonderen Berücksichtigung der Commonwealth-Länder Schwierigkeiten auftreten könnten, Schwierigkeiten, die — das darf man nicht verkennen — durch eine gezielte kommunistische Propaganda, die aus ganz anderen Gründen gegen die EWG geführt wird, dann noch ständig unterstrichen wird. Man sollte diesem Problem die Aufmerksamkeit zuwenden.
    Alles in allem habe ich den Eindruck — das ergeben auch die Beiträge dieser Diskussion —, daß die Bundesregierung die richtige Form und die richtige Einstellung zu den Entwicklungsproblemen gefunden hat. Man kann schon mehr oder weniger von einer „Entwicklungspolitik aus einem Guß" sprechen. Der deutsche Steuerzahler und der deutsche Staatsbürger können mit Vertrauen auf die Regierung blicken und auf ihre Fähigkeit, dieses Problem und diese Aufgabe, die uns die Zeit gestellt hat, sinnvoll zu lösen.
    Ich möchte Ihnen ganz offen sagen: es ist mir am Ende dieses kurzen Diskussionsbeitrages ein Bedürfnis, insbesondere dem Minister Scheel dafür zu danken, daß er sich gegenüber den Ausschüssen und dem Parlament so aufgeschlossen und zu jeder vernünftigen Zusammenarbeit bereit gefunden hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)