Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also kurz! Dank gebührt Herrn Kollegen Dr. Fritz dafür, daß er über die bloßen Beteuerungen gleicher Absichten in diesem Hause etwas hinausgegangen ist und eine Polemik vom Zaun gebrochen hat. Herr Dr. Fritz, Sie haben mich richtig zitiert. Ich habe mir in der Tat vor einem Monat die Freiheit genommen, den Bundeswehretat und den Entwicklungsetat miteinander zu vergleichen, und zwar aus einem ganz bestimmten Grunde: weil beide Etats auf verschiedenen Gebieten dem gleichen Ziel, nämlich der Sicherheit und dem Frieden, dienen, mindestens dienen sollen. Das, meine ich, rechtfertigt einen Vergleich dieser beiden Etats und rechtfertigt auch meine Feststellung, daß man für den Entwicklungsetat nicht — wie für den Wehretat — die notwendigen Mittel bereitgestellt hat.
In der deutschen Öffentlichkeit wird Entwicklungshilfe heute im allgemeinen immer noch verstanden als ein Bastard zwischen Mildtätigkeit und Geschäft.
— Deshalb nehme ich es Ihnen ab, ich weiß, wohin Sie steuern wollen. Wenn wir schon Entwicklungshilfe betreiben und Milliarden bereitstellen, dann muß man die Sache auch ganz ernst nehmen. Dann muß man auch feststellen, daß mit der Entwicklungspolitik eine neue Phase eingetreten ist und daß sie eine weltpolitische Notwendigkeit ist; sie soll die Gegensätze zwischen den armen und den reichen Nationen mildern und damit nach Möglichkeit einen Krieg verhindern. Deshalb ist die Entwicklungspolitik nicht nur in meinen Augen, sondern auch in den Augen meiner Parteifreunde Sicherheitspolitik. Daraus rechtfertigt sich der Vergleich der beiden Etats.
Es ist doch, wenn ich Ihnen das einmal zu bedenken geben darf, nicht ganz ohne Grund, daß die Vereinigten Staaten in letzter Zeit ein Friedenskorps gegründet haben. Dieses Friedenskorps soll offenbar die menschliche Seite der Entwicklungspolitik aktivieren. Mit der Bezeichnung „peace-corps" haben ,die Amerikaner keinen demagogischen, sondern einen zutiefst reellen Titel für ihr Korps gewählt.
Nun eine Schlußbemerkung von unserer Seite zu der Regierungsantwort. Sie war erstens außerordentlich freundlich, und sie zeigte im übrigen genau die Schwäche, die wir mit unserer Großen Anfrage beanstanden wollten, nämlich das Kompetenzdurcheinander der verschiedenen Bundesministerien. Wir geben der Regierung ohne weiteres zu, daß sie in dieser Sache guten Willens ist. Wir geben insbesondere zu, daß das Entwicklungsministerium mit relativ wenigen Kräften sich sehr angestrengt hat. Aber die Wirklichkeit ist nicht zu übersehen. Wenn heute in Sachen Entwicklungspolitik jemand nach Bonn kommt — einerlei, ob er Deutscher ist oder
von Übersee kommt — und hier etwas erreichen will, dann muß er nach wie vor vom Auswärtigen Amt zum Bundeswirtschaftsministerium, zum Bundesfinanzministerium, zum Landwirtschafts- und zum Verkehrsministerium und, wenn er einen Sonderfall hat, auch noch zu zwei, drei anderen Ministerien; er muß dann auch noch zu einem zusätzlichen Ministerium, nämlich zu dem von uns begrüßten Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Daran hat sich für die Besucher bis heute leider gar nichts geändert. Bisher ist die Bonner Bürokratie in einen Laokoonkampf mit sich selber verstrickt; der eine sucht dem anderen Kompetenzen herauszuziehen und sich anzueignen, oder er versucht, sich solche Kompetenzen nicht absprechen zu lassen. Das ist der bedauerliche Tatbestand für denjenigen, der von außen an diese Sache herankommt.
Ich will nicht alle schönen Worte wiederholen, die hier darüber gesagt worden sind, daß man sich in dieser Sache strebend bemühe. Aber der Erfolg ist bisher ausgeblieben. Es wird in der Öffentlichkeit sehr häufig 'über eine Verschwendung von Entwicklungshilfemitteln geklagt. Mit einigen guten Beispielen und mit einigen falschen Beispielen werden diese Klagen vorgebracht. Ich muß diesen Klagen eine weitere hinzufügen. Die Verschwendung von Arbeitskraft und Finanzmitteln besteht hier in Bonn selber infolge ,des Durcheinanders der Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Entwicklungspolitik. Wir möchten hoffen, Herr Minister, daß Ihre guten Vorsätze hinsichtlich der Koordinierung und der Zusammenraffung sich bald verwirklichen. Dazu genügt es nicht, daß ein Minister guten Willens ist, sondern dazu gehört, daß die Regierung sich endlich darüber klar wird, wie eine gemeinsame Politik betrieben werden soll, und daß sie eine Stelle mit der Verantwortung betraut. Das ist meine Bitte.