Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir kommen zum einzigen Punkt der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer .
Das Wort zur Begründung der Vorlage hat Herr Bundesminister Blank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist seit langem bemüht, durch steuerliche und andere materielle Anreize die Vermögensbildung in breiten Schichten anzuregen und zu fördern. Sie hat schon früh damit begonnen, das Kontensparen, den Abschluß von Lebensversicherungsverträgen und den Erwerb von Wohnungseigentum steuerlich zu begünstigen. Die Gewährung von Bausparprämien, die Ausgabe der ersten Volksaktien und die Ablösung des steuerbegünstigten Sparens durch das Sparprämiengesetz waren weitere Maßnahmen ihrer Eigentumspolitik.Der Ihnen heute zur ersten Lesung vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer führt die bisher verfolgte eigentumspolitische Linie der Bundesregierung weiter. Es werden auch hier materielle Anreize geboten, um die Ansammlung von Vermögenswerten anzuregen. Durch einen günstigen Pauschsteuersatz von 10 % bei der Lohnsteuer und die Befreiung von den Sozialversicherungsbeiträgen sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer veranlaßt werden, freiwillige Vereinbarungen über vermögenswirksame Zuwendungen zu treffen. Es sollen also Einzelarbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen mit dem Ziel abgeschlossen werden, einmalige Zahlungen der Arbeitgeber zur Anlage von prämienbegünstigten Sparkonten, zum Abschluß von Bausparverträgen oder zum Erwerb von Wertpapieren einschließlich von Belegschaftsaktien zu benutzen. Besonders erwünscht wäre, wenn derartige Zuwendungen aus Verträgen über eine leistungsbezogene Ergebnisbeteiligung der Arbeitnehmer fließen würden. Ein Zwang hierzu ist jedoch nicht vorgesehen.Da die Begünstigungen des Gesetzentwurfes vornehmlich die Vermögensbildung von Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen fördern sollen, sind sie auf Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen bis zu 15 000 DM beschränkt. Sie werden außerdem nur für Zuwendungen bis zu einem Gesamtbetrag von 312 DM jährlich gewährt.Es gibt Stimmen, die unter Hinweis auf den Umfang der eben aufgezählten vielfältigen Maßnahmen eine besondere Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer für unnötig halten. Ich kann mich dieser Auffassung nicht anschließen. Wie neuere wissenschaftliche Untersuchungen, die zum Teil mit Unterstützung meines Ministeriums durchgeführt wurden, gezeigt haben, kann von einer befriedigenden Vermögensbildung gerade in den unteren Einkommensschichten noch nicht gesprochen werden.
— Das will ich Ihnen gerade auseinandersetzen, und deshalb bringe ich ja einen Gesetzentwurf ein, um diesen Zustand zu ändern.
Es wird manchmal vergessen, daß zur Ansammlung von Vermögenswerten nicht nur eine gewisse Sparwilligkeit vorhanden sein muß; die Menschen müssen auch fähig sein, aus ihrem laufenden Einkommen Ersparnisse zu bilden.
— Das kommt Ihnen sicherlich alles erfreulich vor, muß es ja auch, denn es gehört auch zu Ihrer neueren Wahlplatte, daß etwas zur Vermögensbildung getan werden müsse. Deshalb also, meine Damen und Herren, sind Sie über das überrascht, was ich hier vortrage.
Wahlplatte hatte ich gesagt, jawohl.
Wenn man berücksichtigt, daß sich das verfügbare Einkommen in der Mehrzahl aller Arbeitnehmerfamilien in einer Größenordnung um etwa 600 DM monatlich bewegt, so wird man bei realistischer Einschätzung des heute für normal gehaltenen Lebensstandards zugeben müssen, daß bei derartigen Einkünften der Spielraum für freiwillige Ersparnisse
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Bundesarbeitsminister Blankgering ist. Tatsächlich werden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in vierköpfigen Arbeitnehmerhaushalten der mittleren Verbrauchergruppe von einem verfügbaren Familieneinkommen von etwa 600 DM monatlich rund 25 DM gespart. Diese Feststellungen werden durch die Ergebnisse einer Untersuchung der Sparkassen bestätigt, wonach das durchschnittliche Sparguthaben von Arbeitern Ende 1959 etwa 550 DM, der Zugang auf dem Sparkonto im Jahre 1959 114 DM betrug. Dabei besaß jedoch nur jeder zweite Arbeiter ein Sparbuch. Die Durchschnittsguthaben der Angestellten betrugen 827 DM und ihre Durchschnittsersparnisse im Jahre 1959 145 DM.Wenn man berücksichtigt, daß auch heute noch das Kontensparen für die Masse der Arbeitnehmer die wichtigste Form der Geldvermögensbildung darstellt, so ergibt sich aus den genannten Größen, daß die Vermögensbildung der Arbeitnehmer immer noch in den Anfängen steckt. Selbstverständlich gibt es Ausnahmen. Vor allem in ländlichen Gebieten haben in den letzten Jahren zahlreiche Arbeiter Hauseigentum erworben, indem sie durch Eigenleistung und Nachbarschaftshilfe das erforderliche Eigenkapital auf einen Minimalbetrag herabdrückten. Daß generell das Interesse am eigenen Hause wächst, erkennen wir daraus, daß Arbeiter und Angestellte heute einen erheblichen Teil der neuen Bausparverträge abschließen. In zunehmendem Maße treten darüber hinaus Arbeitnehmer als Käufer von Wertpapieren — nicht nur von Volksaktien — auf. Trotz dieser im ganzen erfreulichen Tendenz zur breiteren Streuung der Vermögen ist jedoch für die Masse der Arbeitnehmer — vor allem soweit sie eine größere Familie zu ernähren haben — eine wirksame Vermögensbildung unmöglich. Das bedeutet aber, daß der Arbeitnehmer zur Sicherung seines Lebensunterhaltes allein auf das Arbeitseinkommen und auf die Einrichtungen der sozialen Sicherheit angewiesen ist. Wenn wir diesen Zustand überwinden wollen — und dies ist das erklärte Ziel der Regierungspolitik —, dann müssen wir also etwas tun, um die Bildung insbesondere auch von Geldvermögen bei den Arbeitnehmern zu fördern.Die angeführten Größenordnungen zeigen weiter, daß die im Gesetzentwurf gezogene Grenze von 312 DM für die Begünstigung von vermögenswirksamen Zuwenden in einer vernünftigen Relation zur gegenwärtigen Spartätigkeit der Arbeitnehmer steht. Für zahlreiche Arbeitnehmer würde durch vermögenswirksame Zuwendungen z. B. von 300 DM eine Vervielfachung ihrer Geldvermögensbildung eintreten, soweit sie nicht überhaupt erst durch ein solches Gesetz zur Anlage von prämienbegünstigten Ersparnissen der verschiedensten Art veranlaßt werden. Ich halte es deshalb für ungerechtfertigt, wenn gesagt wird, daß mit diesen 312 DM jährlich noch keine wirksame Vermögensbildung der Arbeitnehmer erfolgen könne. Man darf nicht vergessen, daß aus 312 DM einschließlich der Sparprämie und Verzinsung nach 5 Jahren bereits rund 500 DM werden und daß eine Gewährung derartiger Zuwendungen über einen längeren Zeitraum hinweg auch beachtliche Beträge ergeben könnte. Ich gebezu Ersparnisse von 5000 oder 6000 DM machen aus einem Arbeiter noch keinen wohlhabenden Mann sie würden es ihm aber erlauben, seinen Kindern eventuell eine bessere Ausbildung zukommen zu lassen, und ihm im übrigen das Gefühl vermitteln, nicht allen Wechselfällen des Lebens ohne Reserven gegenüberzustehen.Es ist die Frage gestellt worden, ob man es nicht dem einzelnen Arbeitnehmer überlassen sollte, wieviel er aus seinem Arbeitseinkommen sparen will. Man hat aus dieser Sicht die Gewährung der 312 DM mit einer Lohnerhöhung verglichen und ihre Festlegung als Zwangssparen bezeichnet. Eine solche Bewertung des Gesetzentwurfs verkennt den eigentlichen Kern des von uns zu lösenden Problems. Es geht doch darum, die Arbeitnehmer in stärkerem Maße als bisher an der gesamtwirtschaftlichen Vermögensbildung teilhaben zu lassen. Dieses Ziel ist durch einfache Lohnerhöhungen nicht zu erreichen, weil Barlohnerhöhungen vornehmlich in den Konsum fließen. Man muß deshalb deutlich machen, daß es Einkommensteile gibt, die ihrer Natur nach nicht verzehrbar sind, weil ihr Gegenwert in Maschinen, Gebäuden und Lagervorräten steckt. Diese Erkenntnis läßt sich nur durch die Abhebung solcher Einkommensteile vom Barlohn vermitteln.Selbstverständlich müssen auch die unverzehrbaren Einkommensteile verdient werden. Ich habe deshalb von Anfang an den Gedanken einer leistungsbezogenen Ergebnisbeteiligung vertreten, um den inneren Zusammenhang zwischen der Vermögensbildung der Arbeitnehmer und ihren betrieblichen Leistungen hervorzuheben. Ich hoffe, daß gerade dieser Gedanke aufgegriffen wird, und zwar sowohl von den Arbeitnehmern als auch von den Arbeitgebern. Denn wir wollen keine neue betriebliche Sozialleistung und kein geschenktes Eigentum, wir wollen vielmehr der modernen Erkenntnis zum Durchbruch verhelfen, daß eine breite Streuung der Vermögen nur möglich ist, wenn die Arbeitnehmer und Arbeitgeber vom reinen Konsumlohndenken abrücken und einer Festlegung jener Einkommensteile zustimmen, die ihrer Natur nach unverzehrbar sind.Dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung ist ein erster Schritt auf diesem Wege. Ich bitte das Hohe Haus, nach eingehender Prüfung der von mir vorgelegten Vorschläge diesem Gesetzentwurf im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Zustimmung nicht zu versagen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte — gegen die Gepflogenheit — schon an dieser Stelle einige zusätzliche Bemerkungen zu dem gesellschaftspolitischen Aspekt dieses Gesetzentwurfs machen, um so mehr deshalb, als manche Äußerungen laut geworden sind, daß diese Gesetzesvorlage sozusagen nicht in das Klima der sozia-
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Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. Erhardlen Marktwirtschaft passe oder sogar einen Verstoß gegen ihre Prinzipien darstelle. Ich brauche nicht zu betonen, daß ich mich zu diesem Gesetz bekenne und es für ein gutes Gesetz halte,
das uns in neuer gesellschaftspolitischer Sicht bei der Lösung unserer aktuellen, modernen weltweiten Probleme weiterhilft.Es ist klar: es gibt keine Eigentumsbildung, an welcher Stelle der Volkswirtschaft auch immer, ohne daß diese nicht mit einem Sparakt und mit einem Konsumverzicht zwingend verbunden wäre, Es kann kein Eigentum gezaubert werden; das ist selbstverständlich. Aber daran ist hier auch gar nicht gedacht — ich werde später noch auf Einzelheiten zu sprechen kommen —; im Gegenteil! Dieser Gesetzentwurf ist ein weiterer Ansatz, um der in manchen Bereichen aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unvermeidbaren Konzentration der Produktionsmittel eine Dekonzentration des Eigentums an diesen Produktionsmitteln, an dem volkswirtschaftlichen Produktivkapital entgegenzusetzen.
Ich darf um der Gerechtigkeit willen auch nicht verschweigen, daß wir nicht das erstemal etwas zur Förderung privater Kapitalbildung tun.
Ich erinnere nur an die 7er-Gruppe des Einkommensteuergesetzes. Wir haben also die Kapitalbildung auch in anderer Weise gefördert, und es ist nur recht und billig, wenn wir auf diesem Gebiet nun auch an dieser Stelle einen Anfang machen.
Ich verstehe gut, daß der Mittelstand Sorgen hat, er könnte durch diese Art von Belastung im Wettbewerb mit den Großbetrieben stark belastet werden und es könnte unter Umständen zu gesellschaftspolitisch negativen Auswirkungen kommen. Ich bin weit davon entfernt, diese Sorgen des Mittelstandes in Bausch und Bogen abzutun. Nein, mit dieser Frage müssen wir uns ernsthaft auseinandersetzen.Natürlich bezahlen bei dieser Art von Sparen diejenigen Betriebe relativ die meisten Lasten, bei denen die Arbeitskosten am stärksten ins Gewicht fallen, und das sind nun einmal die mittelständischen Betriebe, während z. B. der vollautomatisierte Großbetrieb, in dem man keine Arbeitskraft mehr sieht, an diesem Gesetz sozusagen fast unbeteiligt ist. Aber hier handelt es sich um eine Frage von viel größerer Tragweite: Alle Sozialleistungen, die lohnbezogen sind, sind unter diesem Gesichtspunkt einer nochmaligen Durchprüfung wert. Ich gebe allerdings zu, daß es schwierig ist, den Gedanken der Versicherung bei einer Änderung des Prinzips noch aufrechtzuerhalten.Dem Mittelstand kann aber am besten dadurch geholfen werden, daß wir seine eigene Kraft stärken und daß wir mit einer Politik fortfahren, die gegen die übermäßige und nicht notwendige Konzentration gerichtet ist.
Ich gebe zu — es wäre töricht, das leugnen zu wollen—, daß wir nicht alles, was dazu gehört, in der vergangenen Legislaturperiode tun konnten. Aber wer könnte schon für sich in Anspruch nehmen, so große Probleme, die in aller Welt anstehen, in einer solch kurzen Zeitspanne in aller Breite und auf jedem Gebiet befriedigend zu lösen?
Ich kann aber für die CDU/CSU sagen, daß wir uns der Bedeutung dieser Aufgabe bewußt sind und daß das der Inhalt unseres Programms für die nächste Legislaturperiode sein wird.
Immerhin sind aber Ansätze einer Hilfe auch für den Mittelstand und einer gerechteren Streuung — nicht nur des Einkommens, sondern auch des Vermögens — deutlich erkennbar. So liegen z. B. in der 11. Umsatzsteuernovelle Ansätze, die Situation der kleineren und mittleren Betriebe zu verbessern. Ich nenne weiter die Maßnahmen im Jahreseinkommensteuergesetz von 1961; durch eine Erhöhung der Freibeträge will man ganz bewußt der Vermögensbildung in den Mittelschichten dienen. Ich erinnere weiter an die Anrechnung eines Unternehmerlohnes in der Gewerbesteuer.Ein besonders wichtiges Problem für den Mittelstand ist die Herstellung einer Wettbewerbsneutralität. Das ist das A und O der Sorgen und der Anliegen des Mittelstandes.
Wir wissen, daß in dieser Beziehung vor allem die Umsatzsteuer einen Dorn im Auge des Mittelstandes darstellt, in meinem auch, obwohl ich mich nicht unmittelbar zum Mittelstand zähle. Die Umsatzsteuer bedarf einer Reform an Haupt und Gliedern. Das ist aber eine ungeheuer schwierige Aufgabe. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß dieses Problem, obwohl wir uns alle an seiner Lösung beteiligt und unsere Kraft darauf verwandt haben, in dieser Legislaturperiode keine voll befriedigende Regelung erfahren hat.Ein weiteres Problem, das unter mittelständischer Sicht besonders bedeutungsvoll ist, ist das der Organschaft und des Schachtelprivilegs. Auch dieses heiße Eisen müssen wir in der nächsten Legislaturperiode anpacken.
Wir haben ein Gesetz beschlossen, nach dem eine Untersuchung der Konzentration in der Wirtschaft durchgeführt werden soll. Ich bin überzeugt, daß diese Untersuchung, die von uns mit großem Nachdruck und mit großem Ernst gefördert und unterstützt wird, das Material zutage bringt, das uns mit sicherer Hand dann auch am rechten Ort mit den rechten Mitteln wird handeln lassen.
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Bundeswirtschaftsminister Dr. Dr. h. c. ErhardMein Kollege Blank sagte, das Gesetz sei bewußt einfach und elastisch gehalten, und es seien alle Möglichkeiten gegeben, durch besondere Vereinbarungen zu diesem vermögenswirksamen Sparen zu führen. Seien wir ehrlich: in dieser Konjunktursituation, bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage wird es keinen mittelständischen Betrieb geben — unabhängig von seiner Ertragslage —, der nicht gezwungen wäre, solche Mittel aufzuwenden. Ich glaube, diese Feststellung muß man ehrlicherweise treffen; das sind die Verhältnisse. Aber das kann nicht heißen, daß das Gesetz deshalb schlecht wäre. Angesichts der steigenden Löhne und der wachsenden Sozialleistungen stellt dieses Gesetz nun gerade einen interessanten Versuch zur Kanalisierung der Mehrleistungen in Richtung einer Kapitalbildung und einer Vermögensstreuung in breiter Hand dar. Die Löhne bleiben auch nicht stehen. Auch unter Anwendung aller Anreize für eine Sparbildung werden wir das gesellschaftspolitische Ziel, das uns vorschwebt, nicht von heute auf morgen und nicht mit einem Sprung erreichen; wir werden ihm aber unter allen Umständen näherkommen.Minister Blank sprach von der Sparfähigkeit und von der Sparwilligkeit. Ich muß leider feststellen, daß die Sparwilligkeit nicht im gleichen Grade gestiegen ist, in dem die Sparfähigkeit zugenommen hat, so daß auch von dieser Seite aus ein Impuls notwendig erscheint, um den Menschen den Wert, den Sinn und den Segen des Sparens vor Augen zu führen. Wenn jemand bloß so ein paar hundert Mark auf der hohen Kante hat, ist er bei einer Verlockung bereit, das Geld wieder abzuheben, auf den Kopf zu hauen und auszugeben. Wenn aber ein Sparkonto erst einmal die Höhe von 2000, 3000 oder 4000 DM erreicht hat, dann geht man — ich weiß das aus eigener Erfahrung — nicht so leicht an das Sparbuch heran. Diese „Durststrecke" muß überwunden werden. Wir müssen allmählich dahin kommen, daß das Sparen nicht bloß sozusagen ein Zwecksparen, ein Sparen von heute auf morgen ist, um irgendeinen schönen Gegenstand erwerben zu können, sondern daß es mehr und mehr von der Absicht zu einer echten Vermögensbildung sowie von der volkswirtschaftlichen Verantwortung getragen wird, an dem volkswirtschaftlichen Produktivkapital teilzuhaben; das ist es, meine Damen und Herren, was wir brauchen.
Eine moderne Volkswirtschaft muß in ihren Leistungen auf der Höhe bleiben. Wenn das nicht über die Spartätigkeit in der ganzen Volkswirtschaft erzielt wird, bleibt nichts anderes als die Eigenfinanzierung übrig. Weil wir die Eigenfinanzierung nicht wollen, weil wir sie für schädlich halten, wollen wir dieses Gesetz schaffen, das bewußt einen anderen Weg einschlägt.
Ich mache kein Hehl daraus, daß ich dieses Gesetz auch noch aus einem anderen Grunde begrüße. Bei den Überlegungen waren auch Pläne im Schwange, die ich aus der gesellschaftspolitischen Sicht einer sozialen Marktwirtschaft nicht hätte billigen können. Um so mehr freue ich mich, daß wir mit diesem Gesetz den rechten Weg gefunden haben.Der Mittelstand ist berechtigterweise von der größten Sorge erfüllt. Lassen Sie mich deshalb noch einmal sagen, daß die beste Hilfe für ihn eine aufstrebende, expansive und dynamische Wirtschaft ist. Ich darf Ihnen einige Zahlen nennen. Das Bruttosozialprodukt machte im Jahre 1959 247 Milliarden DM aus. Es stieg bis zum Jahre 1960 auf 275 Milliarden DM, ohne Saarland und Berlin, die ich um des Vergleichs willen nicht einbezogen habe. Die Umsätze im Einzelhandel erhöhten sich von 31 Milliarden DM im Jahre 1950 auf 67 Milliarden DM im Jahre 1958 und auf 79 Milliarden DM im Jahre 1960. Im Handwerk stiegen die Umsätze in dieser Zehnjahresperiode von 26 Milliarden DM auf 72 Milliarden DM. Mit diesen Zahlen wollte ich illustrieren, daß keine Art von Hilfe, keine Art von Subventionen und keine Art von Steueränderung dem Mittelstand jemals diesen Erfolg und diese Chancen gebracht hätte wie eine Wirtschaft, die von Anfang an auf Expansion abgestellt war.
Das ist ,aber nur ein Teil des Problems. Hier ist eine wichtige Seite unserer modernen Gesellschaftspolitik angesprochen, und ich freue mich besonders darüber, daß hier alle Formen und Möglichkeiten des Sparens eröffnet werden. Ich bin davon überzeugt, daß dieses Gesetz dazu beitragen wird, den Sinn für die Vermögensbildung und das Verständnis für volkswirtschaftliche Notwendigkeiten zu wecken.Meine Damen und Herren, nicht alle für diese Gesellschaftspolitik notwendigen Gesetze können von der Regierung zur gleichen Zeit vorgelegt werden; aber dieses Gesetz ist ein gutes Gesetz, es ist ein neuer Anfang.
Das Wort hat der Abgeordnete Katzer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Recht hat der Herr Bundesarbeitsminister darauf hingewiesen, daß mit der Vorlage eines Gesetzes zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer, Drucksache 2390, die Bundesregierung die von ihr begonnene Eigentumspolitik konsequent fortsetzt. Wir Christlichen Demokraten sehen in dem Entwurf einen weiteren wichtigen Baustein zur Erreichung des Zieles, das sich die CDU gestellt hat: Eigentum für jeden. Persönliches Eigentum ist nun einmal eine der Grundlagen unserer sozialwirtschaftlichen Ordnung. Diese Ordnung wird um so gefestigter sein, je mehr es uns gelingt, den Zugang zum Eigentum nicht nur theoretisch zu fordern, sondern auch praktisch für alle zu ermöglichen, gerade auch für diejenigen, die sparen wollen, aber dazu noch nicht in der Lage sind. Dabei wissen wir sehr wohl, daß
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Katzermit einer breiten Streuung des Eigentums allein die Herstellung einer ausgewogenen gesellschaftlichen Ordnung nicht gelingt. Aber wir halten eine breite Streuung des Eigentums für eine, wie wir glauben, sehr wesentliche Voraussetzung. Auf diesem Wege ist bisher vieles und Beachtliches geschehen. Ich komme nachher noch darauf zurück.Mit einer Förderung des Sparens allein ist es nicht getan. Denn dem möglichen und zumutbaren Konsumverzicht sind allzu oft noch enge Grenzen gesetzt. Ich erinnere hier nur an unsere kinderreichen Familien. Es gilt, hier die Sparfähigkeit zu steigern. Es ist mehrfach, vorhin auch vom Herrn Bundesminister für Wirtschaft, darauf hingewiesen worden, daß die derzeitige Vermögensverteilungssituation unbefriedigend ist. Es muß uns gelingen, den Differenzierungsprozeß in der Vermögensverteilung abzuschwächen und eine breite Vermögensbildung zu erzielen.Die gesellschaftliche Ordnung bedarf des Eigentums nicht nur als einer wesentlichen Stütze der Persönlichkeitswerte des Menschen. Das Eigentum hat vielmehr auch eine Ordnungsfunktion. Das gilt besonders für die Bestimmungsrechte, die sich aus dem Eigentum ergeben. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen, eine Eigentumspolitik kann nicht damit beginnen, anderen Eigentum wegzunehmen. Das hindert uns jedoch nicht — und die bisherigen Maßnahmen der Union beweisen es —, Mittel uni Wege zu suchen, um im Rahmen der Eigentumsordnung die derzeitige unbefriedigende Vermögenssituation zu ändern. Wir wissen dabei sehr wohl um die Gefahren wirtschaftlicher Machtkonzentration. Der Bundeswirtschaftsminister hat dankenswerterweise vorhin darauf hingewiesen.Dabei möchte ich meinen, man sollte nicht nur wirtschaftliche Machtkonzentrationen sehen. Es gibt auch andere Machtkonzentrationen, denen wir nicht ohne Sorge gegenüberstehen können.
— Es ist hier ein Stichwort gefallen, ich will es ruhig in diesem Zusammenhang einmal nennen. Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall hat innerhalb unserer Gesellschaft sicherlich eine beachtliche Machtposition, und mit Recht. Aber ich glaube, es muß uns alle doch etwas mit Sorge erfüllen, wenn der Mann an der Spitze einer der größten Gewerkschaften der Welt, der größten Einzelgewerkschaft in Deutschland, auf dem letzten Verbandstag der IG Metall über die Zustände in der Zone, nachdem er sich vorher von den Verhältnissen der Zone abgesetzt hatte, einen Satz gefunden hat, von dem ich meine, daß wir ihn nicht unwidersprochen lassen können. Er hat nämlich gesagt, ein großer Teil der schaffenden Menschen in der Zone — meint Herr Brenner — sieht in bestimmten staatlichen Einrichtungen etwas Positives. Er fährt wörtlich fort: „Man hat an vielen Stellen die Menschen der Zone zur Mitarbeit herangezogen, wenn auch oftmals etwas gewaltsam."
Meine Freunde, da muß ich wirklich sagen: das ist eine Verkennung der Position des Freiheitlichen, die wir nicht unwidersprochen lassen dürfen.
Ich sage das in diesem Zusammenhang, weil wir die Frage der gesellschaftlichen Macht und der gesellschaftlichen Kräfte, wie ich glaube, von allen Seiten sehen müssen und nicht nur von einer Position her.Aus diesem Wissen heraus, meine Freunde, hat die CDU — und hier waren es insonderheit unsere Freunde aus dem Mittelstand — den Gesetzentwurf über eine Enquete über die Konzentration in der Wirtschaft vorgelegt.Lassen Sie mich feststellen, was der Herr Bundeswirtschaftsminister vorhin mit Recht ausgeführt hat. 1945/46/47, als wir an die Arbeit herangingen — das sollten wir doch heute nicht vergessen — war das erste Ziel unserer Arbeit der Wiederaufbau unserer Wirtschaft. Dieses wichtigste Ziel, mitsamt der Eingliederung der Vertriebenen und mitsamt dem ersten Ziel, das die Gewerkschaften immer auf ihre Fahne geschrieben haben, nämlich Vollbeschäftigung, haben wir unter Führung von Professor Erhard nach 1945 hier bei uns erreicht.
Es war, so glaube ich, richtig und notwendig, die Mittel der Finanz- und Steuerpolitik dem Aufbau der Wirtschaft zuzuwenden.Ich füge hinzu — und ich freue mich, da auch in Übereinstimmung mit Herrn Minister Erhard zu sein —: wir halten es aus gesellschaftspolitischen Überlegungen für ebenso wichtig und notwendig, die persönliche Eigentumsbildung zu fördern. Regierung und CDU/CSU-Fraktion haben diesem Grundsatz bei der Verabschiedung des Sparprämiengesetzes Geltung verschafft, und wir lassen uns bei dem vorliegenden Gesetzentwurf im Grunde von dem gleichen Grundsatz leiten.Der Gesetzentwurf zur Förderung der Vermögensbildung der Arbeitnehmer muß im Zusammenhang mit den bereits verabschiedeten gesetzlichen Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung gesehen werden. Es ist ein ganzer Fächer von Maßnahmen. Es sei nur erinnert an das Wohnungsbauprämiengesetz, an das Investmentgesetz, an die verschiedensten steuerlichen Maßnahmen, und erinnert sei insonderheit an das Sparprämiengesetz.Dabei darf ich dankbar auch die Maßnahmen der Sparkassen, Kreditgenossenschaften und Banken anerkennen, die durch Schaffung neuer Sparformen diese Entwicklung wesentlich mit gefördert haben. Ich denke an Junghandwerkersparen, Heiratssparen, Versicherungssparen, Prämien- und Gewinnsparen.Nicht zuletzt schließlich sei hingewiesen auf die Förderung des Wertpapiersparens durch die Privatisierungsmaßnahmen, die Teilprivatisierung der Preußag. Mehr als 80 % der Aktionäre haben — entgegen den Prognosen der SPD — trotz erheb-
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Katzerlicher Kurssteigerungen ihre Aktien behalten. Unsere Erwartung, daß es den Kleinaktionären überwiegend darauf ankommt, ein solides Anlagepapier zu haben, dürfte damit ihre Bestätigung gefunden haben.
Wir sind überzeugt, daß es bei der Privatisierung des Volkswagenwerkes nicht anders sein wird.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang das Ergebnis der zahlreichen Maßnahmen der Sparförderung in wenigen — wir mir scheinen will, eindrucksvollen — Zahlen zusammenfassen.Es gab Ende des Jahres 1960 3,4 Millionen Bausparverträge mit einer Bausparsumme von 55 Milliarden DM. Allein im Jahre 1960 wurden 590 000 Verträge mit einer Bausparsumme von 10,8 Milliarden DM neu abgeschlossen.
Der Anteil der Arbeitnehmer an den Bausparverträgen in den letzten Jahren — nur darüber liegen uns soziologische Untersuchungen vor — beträgt über 50 %, fast 60 %. Keine Zahl beweist so nachdrücklich wie diese die in unserem Volke vorhandene Sparwilligkeit. Diese Zahl beweist aber auch, daß wir alles tun müssen, um denen, die von Hause aus diese Sparwilligkeit mitbringen, durch eine Erhöhung ihrer Sparfähigkeit zu weiterem Sparen zu verhelfen. Ich denke an das Sparprämiengesetz, das wir zum Teil gegen die Stimmen der Opposition beschlossen haben.
— Ich weiß, Sie wollen das nicht wahrhaben.
— Es tut mir leid; Sie haben in der Opposition zum Teil auch in der Schlußabstimmung gegen das Sparprämiengesetz gestimmt. Auf Grund des Sparprämiengesetzes haben wir Geldkonten mit 900 Millionen DM und Wertpapierkonten mit 1,6 Milliarden DM, insgesamt also mit 2,5 Milliarden DM. Denken wir auch an die Investmentanteile, bei denen Sie mitgestimmt haben: 26,5 Millionen Stück im Wert von mehr als 3,2 Milliarden DM. Erinnert sei schließlich noch an das Lebensversicherungssparen.Die Initiative zu diesen eigentumspolitischen Maßnahmen ging entscheidend von den Christlichen Demokraten aus. Die CDU hat auf allen ihren Parteitagen — zuerst Karl Arnold im Jahre 1951 in Karlsruhe — der eigentumspolitischen Diskussion größten Raum gegeben, stark unterstützt durch die konfessionellen Standesorganisationen; ich denke hier nicht zuletzt an die Katholische Arbeiterbewegung, die bereits im Jahre 1952 konkrete Vorschläge unterbreitet hat. Ich will darauf nur deshalb hinweisen, weil es angesichts dieser Tatsachen doch mehr als erstaunlich ist, wenn Herr Dr. Deist in einem Artikel im „Industriekurier" vom 10. Dezember 1960 unter anderem — wenn ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren darf — feststellt:Die Sozialdemokratie hatte sich bereits im Jahre 1954 in ihrem Aktionsprogramm zu einer aktiven Eigentumspolitik bekannt,dieses zitiert und fortfährt: Seitdem— seitdem sich also im Jahre 1954 die Sozialdemokratie dazu bekannt hat —haben sich die Wissenschaft, die Arbeitnehmerorganisationen und auf Arbeitgeberseite die Walter-Raymond-Stiftung auf vielen Tagungen und in Veröffentlichungen mit dem Problem der Vermögensbildung befaßt.Und jetzt kommt der fürwahr erstaunliche Satz des Herrn Dr. Deist:Im Zuge dieser Entwicklung forderte die CDU im Jahre 1957 auf dem Parteitag in Hamburg „Eigentum für alle".
— Nein, Herr Dr. Deist, das ist nicht richtig. Denn als wir uns damals über die Frage einer breiten Eigentumsstreuung unterhielten, hatten Sie noch eine ganz negative Vorstellung von dieser unserer Forderung.
— Ich habe Ihnen dargelegt, daß die Diskussion über diese Dinge nicht erst 1954 nach Ihrem Parteitag — das Dortmunder Aktionsprogramm war es, glaube ich — begonnen hat; diese Diskussion ist vielmehr längst vorher in der Union lebendig gewesen. Wenn Sie mir vorhin zugehört hätten, hätten Sie ,es, nebenbei bemerkt, gewußt; denn ich habe soeben den Parteitag 1951 mit Karl Arnold zitiert.Wenn ich die jetzige Situation betrachte, stelle ich fest, daß das genau in Ihr Programm paßt. Sie möchten jetzt eben nicht mehr alles anders machen, wie das früher der Fall war, sondern Sie möchten nur noch alles besser machen, wie das auf Ihrem letzten Parteitag zum Ausdruck kam:
Verdoppelung des Lebensstandards, und was der Diege mehr sind. Es fehlt nur noch ein Hinweis, Herr Kollege Kurlbaum und Herr Dr. Deist, daß die Volksaktie eine Erfindung der SPD ist!
Wenn wir noch etwas warten, werden wir das, glaube ich, aus Ihrem Munde auch noch hören können. Es geht dabei gar nicht darum, kleinlich ein Erstgeburtsrecht in Anspruch zu nehmen; denn niemand kann sich schließlich mehr über diesen Wandel bei der SPD freuen als die Christlichen Demokraten.
Es gibt doch wohl kaum einen überzeugenderen Beweis für die Richtigkeit der Politik der CDU als
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Katzerder Versuch der SPD, sich dieser Politik anzugleichen.
Ich sage noch einmal: Es geht uns bei der Feststellung dieser Daten nicht um eine kleinliche Anerkennung des Erstgeburtsrechts, wohl aber möchten wir sichtbar werden lassen, auf welcher Ebene unsere Eigentumspolitik gewachsen ist. Die Christlich-Demokratische Union hat sich zu keiner Zeit als Klassenpartei verstanden. Ihr Ordnungsbild war und ist geprägt von der Grundvorstellung der unverletzlichen Personenwürde und Freiheit des Menschen in seiner wechselseitigen Verbundenheit mit dem Gesellschaftsganzen. Der Klassenkampfgedanke — weder der von oben noch der von unten — hat in unserem Denken niemals Platz gehabt. Das gesellschaftspolitische Leitbild dieser Leistungsgemeinschaft war für uns, ist für uns und bleibt für uns die partnerschaftliche Ordnung.Der vorliegende Gesetzentwurf gibt diesem Gedanken der Partnerschaft eine neue, eine gute Chance. Wir stehen hier vor neuen Entscheidungen, auf eine längere Entwicklungsdauer hingezielt. Eigentumspolitik, die sich als Gesellschaftspolitik begreift — und so hat sie auch der Herr Bundeswirtschaftsminister dargestellt —, muß im Zusammenhang mit der Notwendigkeit gesehen werden, die zweite Phase der sozialen Marktwirtschaft einzuleiten. Diese Eigentumspolitik ist nicht Sache nur eines Gesetzes oder nur einer Legislaturperiode. Das möchte ich an die Adresse der Opposition in diesem Hause richten, die immer glaubt, die Lösung des gesellschaftspolitischen Problems in globalen Gesamtplänen suchen zu müssen.
Eigentumspolitik heißt, das hat die Union bewiesen, unter einem Minimum an Dirigismus und direkter Einwirkung auf die Wirtschaft einige Fakten setzen, aus denen sich dann eine Vielzahl neuer Formen gut entwickeln, und zwar deshalb gut entwickeln, weil die Eigeninitiative einen genügend weiten und breiten Spielraum hat.Auch dieser Regierungsentwurf setzt neue Daten. Er steckt ein neues Ziel, das über die herkömmlichen Vorstellungen hinausgeht. Sein Grundgedanke, die Ergebnisbeteiligung in den Dienst der Vermögensbildung der Arbeitnehmer zu stellen, ist gut. Wir können dem Arbeitsministerium für diesen glücklichen Gedanken dankbar sein.Zu bejahen ist auch, daß die Regierung ein Rahmengesetz vorgelegt hat, das auf der Basis der Freiwilligkeit der Praxis einen sehr weiten Spielraum läßt. So können nach diesem Entwurf Zuwendungen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer steuerlich begünstigt und sozialversicherungsfrei ebenso gewährt werden, wie eine vermögenswirksame Ergebnisbeteiligung vereinbart werden kann. Beides setzt voraus, daß sie vom Arbeitnehmer vermögenswirksam angelegt werden. Das bedeutet eine Festlegung auf fünf Jahre. Dabei bestimmt der Arbeitnehmer selbst, wie und wo die Anlage erfolgen soll. In beiden Fällen wird die Möglichkeit zur Stärkung der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand eingeräumt.Dabei sind zwei wesentliche Neuerungen in dem Gesetzentwurf vorgesehen.Erstens. Während alle bisherigen Maßnahmen die Sparfähigkeit voraussetzten, soll mit diesem Gesetzentwurf die Sparfähigkeit gesteigert werden.Zweitens. Erstmals wird der Begriff der Ergebnisbeteiligung in die Gesetzessprache eingeführt. Das hebt auch trotz mancher kritischen Anmerkung der Bundesrat hervor, der den Entwurf als einen grundsätzlich begrüßenswerten Versuch bezeichnete, die Sparfähigkeit der Arbeitnehmer zu stärken.Man mag geteilter Meinung darüber sein, ob der Betrag von 312 DM ausreicht oder nicht. Aber wer so tut, als seien 312 DM für den einzelnen Arbeitnehmer kein nennenswerter Betrag — wie es der Bundesrat getan hat und wie man es auch hie und da in der Öffentlichkeit hört —, verkennt doch wohl die Bedeutung dieser Maßnahme und übersieht die Tatsache, daß der Bruttodurchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer je Monat im Jahre 1960 502 DM betrug.Ich selbst komme aus einer Familie mit sechs Kindern und weiß, daß mein Vater zeit seines Lebens Mühe gehabt hat, das Haus, das er sich anschaffte, abzuzahlen. Er hatte nicht die Möglichkeit, jährlich einen Betrag von 312 DM zu sparen und zur Verfügung zu haben. Ich meine, man sollte nicht so tun, als seien diese Beträge Kleinigkeiten. Das sind doch schon erhebliche Summen, die hier dem einzelneu Arbeitnehmer gegeben werden können. Man muß auch berücksichtigen, daß der Arbeitnehmer diesen Betrag zusätzlich zu den bisherigen Sparmöglichkeiten erhält. Sicherlich wird dies eine segensreiche Wirkung für die Zukunft haben.
Die Frage, ob der steuerliche Pauschalsatz von 10 % gerechtfertigt ist, muß man, so glauben wir, in den Ausschußberatungen noch einmal überprüfen. Hier sind doch gerade bei Beziehern kleiner Einkommen Differenzierungen zu beachten. Es erhebt sich die Frage, ob man nicht entweder einen niedrigeren Pauschalsatz oder einen auf den einzelnen Betrieb bezogenen Durchschnittssatz nehmen sollte.Ebenso wird man die Frage prüfen müssen, ob eine Begrenzung des Personenkreises erforderlich ist. Auch wird darüber zu sprechen sein, ob — diese Frage hat der Bundesrat aufgeworfen — gesetzlich das Erfordernis einer Betriebszugehörigkeit verankert werden sollte.Die zweite Möglichkeit, nämlich die Ergebnisbeteiligung, die in § 5 und § 6 des Gesetzentwurfs vorgesehen ist, hat der Herr Bundesarbeitsminister vorhin mit Recht als besonders wünschenswert bezeichnet. Leistungsbezogene Formen der Vermögensbildung sind sicherlich betriebs- und auch gesamtwirtschaftlich erwünscht.In § G wird zum ersten Male der Begriff Ergebnisbeteiligung gesetzlich verankert. Er wird definiert als die Einräumung von Ansprüchen an die Arbeite
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8006 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961
Katzernehmer nach Maßgabe des Leistungserfolges des Betriebes oder wesentlicher Betriebsteile. Es handelt sich also um die Beteiligung an dem auf innerbetrieblichen Faktoren beruhenden Betriebsergebnis, wobei ja die verantwortungsbewußte Mitarbeit des einzelnen Arbeitnehmers eine besondere Rolle spielt. Einzelvorschriften sind mit Recht nicht vorgesehen. Das ist angesichts der außerordentlich unterschiedlichen Struktur der Betriebe auch gar nicht möglich. Diese unterschiedlichen Gegebenheiten in den Betrieben machen ein Abstellen auf den einzelnen Betrieb erforderlich.Im Verlauf der bisherigen Erörterungen des Gesetzentwurfes sind zahlreiche Anregungen gegeben worden, die wir in den Ausschußberatungen sorgsam prüfen sollten. Das gilt insbesondere für die Frage — die auch der Herr Bundeswirtschaftsminister schon angeschnitten hat —, ob sich dieses Gesetz etwa zuungunsten von mittelständischen Unternehmungen auswirken kann und ob man durch dieses Gesetz nicht zweierlei Gruppen von Arbeitnehmern schafft. Lassen Sie mich zu diesen zwei Fragen kurz Stellung nehmen.Zu der ersten Frage! Wir halten sie für sehr ernst und bedeutungsvoll. Man muß aber, glaube ich, zunächst darauf hinweisen, daß der Gesetzgeber hier von dem Grundsatz der Freiwilligkeit ausgeht. Dabei wird unterschiedlich argumentiert. Auf der einen Seite hört man das Argument, ohne gesetzlichen Zwang habe dieses Gesetz gar keinen Sinn. Auf der anderen Seite wird geltend gemacht, angesichts der derzeitigen Arbeitsmarktsituation komme dieses Gesetz praktisch doch einem Zwange gleich.Ich glaube, man sollte zweierlei nicht übersehen: einmal, daß die Begrenzung auf 312 DM gerade im Hinblick auf mittelständische Unternehmungen gewählt worden ist, und zum anderen, daß in Abweichung von den Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes die Möglichkeit der Einbeziehung mithelfender Familienangehöriger vorgesehen ist, also eines Personenkreises, der immerhin 2,7 Millionen Menschen umfaßt.Lassen Sie mich zum Thema Mittelstand und Sozialpolitik noch eine allgemeine Bemerkung machen. Das Problem begegnet uns bei fast allen Sozialgesetzen. Ich meine, die Lösung kann doch nicht darin liegen, daß der Mittelstand aus der Konkurrenzsituation heraus gezwungen ist, sich einem sozialen Fortschritt zu sperren, sondern im Gegenteil — hier kann ich nur unterstreichen, was der Bundeswirtschaftsminister gesagt hat —, wir müssen den Mittelstand durch steuerliche Maßnahmen in die Lage versetzen, auch auf dem Gebiete des Arbeitsmarktes konkurrenzfähig zu bleiben.
Dazu wollen und müssen wir ihm jede nur mögliche Hilfe geben. Im übrigen sind wir selbstverständlich sehr dankbar für Anregungen, damit auch bei diesem Gesetz mittelständische Wünsche und Belange besonders berücksichtigt werden können.Zum Thema „zwei Gruppen von Arbeitnehmern" ist darauf hinzuweisen, daß das Lohngefälle und die sogenannten freiwilligen Sozialleistungen seit Jahr und Tag sehr unterschiedliche Arbeitsbedingungen schaffen. Diese Situation wird meines Erachtens — das wird bei einer Prüfung der Vorlage im Ausschuß sicherlich herauskommen— durch die in diesem Gesetzentwurf vorgesehene Begrenzung auf 312 DM nicht verschärft, sondern im Gegenteil entschärft werden. Ich sehe Herrn Kollegen Atzenroth nicht, mit dem ich mich sonst darüber unterhalte. Von dieser Seite kommt immer das Argument, man schaffe ein Gesetz, das nicht für alle im gleichen Augenblick das gleiche gebe. Dazu möchte ich fragen: Seit wann stand auf unserer Fahne „Jedem das Gleiche" ? Für uns hat es immer noch geheißen „Jedem das Seine". Diese Differenzierung ist sehr wohl von uns zu sehen und anzuerkennen. — Ich habe aus der Fülle der Anregungen nur diese herausgegriffen. Die bisherigen Maßnahmen der CDU .haben in der Bevölkerung der Bundesrepublik eine über alle Erwartungen starke Aufnahme gefunden, auch und gerade in der Arbeitnehmerschaft. Das hat die SPD wohl schließlich veranlaßt, jetzt eigene Volksaktienpläne zu entwickeln. Herr Dr. Deist, ich darf Sie noch einmal zitieren. Ich tue es nicht aus dem Zusammenhang. Sie haben in der Arbeitskreissitzung auf dem Parteitag von Hannover sehr offen gegenüber den kritischen Stimmen Ihrer Parteifreunde aus den Gewerkschaften gesagt:Täuschen wir uns nicht über die große Differenziertheit der heutigen Arbeitnehmerschaft, über die Schichtung, die hier vorhanden ist, wie verschieden ihre Einstellung zum sozialen Leben und zum Einkommen ist.Ich freue mich darüber. Es heißt dann weiter:Man frage unsere Freunde in der Bank für Gemeinwirtschaft, wieviel Interesse auf Arbeitnehmerseite Lauch schon für Volksaktien bestanden hat und besteht. Genossinnen und Genossen!— so meinten Sie, Herr Dr. Deist —Wir sollten das richtig sehen.Ich freue mich darüber, daß Sie jetzt offenbar, nachdem Sie diese Erkenntnis, die wir seit langem gehabt haben, mit uns teilen, bereit sind, auf diesem Wege eine Strecke mit uns gemeinsam zu gehen.Es hat sich gezeigt, die Arbeitnehmerschaft ist bereit, Eigentum zu erwerben. Sie ist bereit, eine neue Funktion in der gesellschaftlichen Ordnung zu übernehmen. Damals, als wir zuerst den Gedanken einer breiten Eigentumsbildung in der Hand der Arbeitnehmer in unser politisches Programm aufgenommen hatten, hat man uns von allen Seiten vorgeworfen, wir seien Sozialromantiker. Der Arbeitnehmer, so hieß es damals, wolle gar kein Eigentum, er wolle lediglich ein genügend hohes Einkommen. Noch heute begegnet man der Auffassung, man solle nur kräftig die Löhne und Gehälter erhöhen, dann könne der Arbeitnehmer auch Eigentum erwerben, wo und wie er wolle. Dabei steht bei allen Einsichtigen längst fest, daß das Problem der ständig wachsenden Differenzierung
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961 8007
Katzerin der Vermögensbildung von dieser Seite her nicht gelöst werden kann.Die CDU/CSU ist bereit, mit dem vorliegenden Regierungsentwurf ihre Eigentumspolitik mit dem Ziel einer sozial gerechten und freiheitlichen Ordnung fortzusetzen, einer Ordnung, die ihre Grundlagen nur in der Freiheit der Einzelpersönlichkeit haben kann. Wir begrüßen daher die Vorlage der Bundesregierung. Wir werden die gegebenen Anregungen, insbesondere auch diejenigen des Bundesrates, bei den Beratungen berücksichtigen. Wir betrachten dieses Gesetz als ein weiteres Stück im Rahmen der Eigentumspolitik und werden uns nachdrücklich für seine baldige Verabschiedung einsetzen. Dazu bitten wir alle Fraktionen dieses Hauses um ihre Mitarbeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Junghans.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Kollege Katzer von den Eigentumsvorstellungen der CDU aus dem Jahre 1951 gesprochen hat, sei mit aller Bescheidenheit daran erinnert, daß wir heute 1961 schreiben. Sie haben schließlich in diesen 10 Jahren mit Ihrer Partei regiert.
Herr Kollege Katzer, gestatten Sie mir noch eine Bemerkung dazu. Sie sprechen von der Christlich-Demokratischen Union. Ich frage: von welchem Teil sprechen Sie da?
Ich möchte nur daran erinnern, Herr Kollege Katzer: im Wirtschaftsausschuß des Bundesrates wurde ja auch über diesen Gesetzentwurf abgestimmt, und da haben sich die CDU-Minister der Stimme enthalten, der CDU-Minister von Rheinland-Pfalz hat sogar gegen den Gesetzentwurf gestimmt.
Da frage ich Sie, Herr Kollege Katzer: haben die Herren Minister, die ja auch Ihrer Partei angehören, von Ihren Vorstellungen etwa noch nichts gehört? Dann würde ich das sehr bedauern.
Herr Kollege Katzer, es kommt doch letzten Endes auf folgendes an. Dazu möchte ich Sie einmal selber zitieren. Sie haben in der Zeitung „Soziale Ordnung" gesagt — und darüber werden wir uns y u unterhalten haben —:Kernstück einer solchen Gesellschaftspolitik aber ist die Eigentumspolitik. Denn Wesensmerkmal und sittlicher Wert einer Gesellschaftsordnung werden nicht allein von der Eigentumsordnung, vielmehr durch die tatsächlich vorhandenen Eigentumsverhältnisse geprägt.
Herr Kollege Katzer, das ist der Punkt, über dell wir uns zu unterhalten haben, nämlich die Frage: wie sind die „tatsächlich vorhandenen" Eigentumsverhältnisse, und was wird hieran durch diesen Gesetzentwurf geändert? Das ist die Frage, Herr Kollege Katzer.Die Entwicklung der Eigentums- und Vermögensverteilung in der Bundesrepublik ist besorgniserregend. Das Unbehagen über diese Entwicklung greift um sich. Es ist nicht gesund, wenn die Vermögenswerte, die von den arbeitenden Menschen — von allen arbeitenden Menschen — geschaffen werden, laufend in die Hand weniger Großbesitzer übergehen. Einer schmalen Schicht von Großbesitzern sind seit der Währungsreform zirka 150 Milliarden DM zugeflossen. Dieser Tatbestand wird auch in der Schrift „Eigentum für alle", die mit Billigung des Herrn Bundesarbeitsministers herausgegeben wurde, als eine wahrhaft explosive Vermögensdifferenzierung bezeichnet. Aber gegen diese ungerechte Entwicklung der Eigentums- und Vermögensverteilung ist von der für die Wirtschafts- und Finanzpolitik verantwortlichen Bundesregierung bisher nichts getan worden; sie ist von ihr geduldet und gefördert worden.Wenn ich die Schrift „Eigentum für alle" erwähne, so tue ich das nicht, ohne auf den etwas delikaten Umstand hinzuweisen, daß nach Presseinformationen des Bundesarbeitsministeriums der Herr Bundesarbeitsminister offenbar die Veröffentlichung gebilligt hat; er hat sogar das Geleitwort geschrieben. Vielleicht kann der Herr Bundesarbeitsminister die Beweggründe, die zu dieser etwas ungewöhnlichen Art von Verlautbarung aus dem Bundesarbeitsministerium führten, hier einmal erläutern. Man könnte meinen, daß eine offizielle Auseinandersetzung zwischen den Bundesressorts vermieden werden sollte, der Herr Bundesarbeitsminister aber sich auf diesem inoffiziellen Weg der Kritik an der bisherigen Vermögensbildung nicht enthalten wollte. Uns würde auch interessieren, welche Gründe den Herrn Bundesarbeitsminister bewogen haben, die Hauptverfasser dieses Gesetzentwurfs nach Fertigstellung praktisch in die Wüste zu schicken.Das Eingeständnis, daß die Ergebnisse ihrer Politik den Zielsetzungen der Bundesregierung widersprechen, kommt zum andern ja auch — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das heute noch in einer sehr starken Kritik bestätigt — in der Ablehnung der bisherigen Praxis der Selbstfinanzierung zum Ausdruck. Meine Damen und Herren, hier drängt sich aber doch einem normaldenkenden Bürger in der Bundesrepublik ohne weiteres die Frage auf: Warum hat die Bundesregierung die bei zahllosen Gelegenheiten vorgebrachten Argumente der Opposition zur Einschränkung der Selbstfinanzierung im gegenwärtigen Stadium unseres Wirtschaftswachstums nicht aufgegriffen?
Es ist doch ein bedauerlicher Zustand, daß heute immer noch die gesamte Steuer- und Finanzpolitik und die Wirtschaftspolitik, einseitig auf die Vermögensbildung in der Hand weniger gerichtet ist.
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8008 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961
JunghansNatürlich sind die Tatbestände, die diesem Gesetzentwurf zugrunde liegen, wie nicht anders zu erwarten — ich erwähnte das schon —, nicht von allen Seiten der Wirtschaft und auch der Regierungskreise in Bund und Ländern mit Beifall aufgenommen worden. Ich darf nur daran erinnern, daß insbesondere die Arbeitgeberverbände sich sehr nachdrücklich mit den Ausgangspositionen dieses Gesetzentwurfs auseinandergesetzt haben. So stellt z. B. die Zeitschrift „Der Arbeitgeber" zweifelnd fest, der Regierungsentwurf gehe offensichtlich davon aus, daß die Mehrzahl der Arbeitnehmer mangels Eigentums nicht sparfähig seien und die Betriebe darum unabhängig von den Sparleistungen des Arbeitnehmers Zuwendungen machen sollten. Meine Damen und Herren, Versuche zu breiter Eigentumsstreuung können nicht ernstgenommen werden, solange die Wirtschaftspolitik nicht bereit ist, alle ihr in einem freiheitlichen Staatswesen zur Verfügung stehenden Mittel auf breitester Basis einzusetzen, um wirksam eine bessere Eigentums- und Vermögensverteilung herbeizuführen.Auch aus der Behandlung der Vorlage im Bundesrat ist eindeutig zu erkennen, daß es über die Regierungsvorlage in Kreisen der Regierungspartei tiefe Meinungsverschiedenheiten gibt. Wir sind gespannt, Herr Kollege Katzer, wie sich im Verlauf der Ausschußberatungen diese Gegensätzlichkeiten auswirken werden, wobei ich gleich sagen möchte, daß auch unserer Auffassung nach der Entwurf eine Reihe von schwerwiegenden Mängeln aufweist.Bemerkenswert ist ferner die Eile, mit der die Bundesregierung gerade im Wahljahr einen solchen Entwurf vorlegt. Diese Eile erscheint besonders deshalb interessant, da die Sozialdemokratische Partei auf ihrem Parteitag in Hannover ein umfassendes Konzept über die breite Vermögensverteilung vorgelegt hat. Ich habe nicht die Absicht, schon jetzt auf grundsätzliche Unterschiede der Konzeptionen der Bundesregierung und meiner Partei einzugehen. Mein Kollege Kurlbaum wird das noch in seinen Ausführungen darlegen. So viel möchte ich aber doch zur Klarstellung noch einmal sagen: Es handelt sich hierbei nicht um eine Vermögensumverteilung, wie sie von allen Gruppen und Schichten der Arbeitnehmer gefordert wird, sondern um die Begünstigung einer Lohnart mit Zwangssparcharakter für eine kleine Gruppe von Arbeitnehmern aus Großunternehmen und hochrentierlichen Unternehmen unter Ausschluß breitester Kreise, z. B. auch der Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Es muß auch sehr klar gesagt werden, daß die im Gesetzentwurf vorgesehenen Aufwendungen der Arbeitgeber eindeutig unter die Betriebskosten fallen. Damit kann natürlich jederzeit, soweit es die Marktlage erlaubt, eine Abwälzung der Betriebsaufwendungen auf die Preise erfolgen. Das geschieht unterschiedlich, und zwar auch nach der Marktposition des Unternehmens. Es ist zu erwarten, daß sich gerade die Unternehmen, die besonders stark am Markt sind, diese Chance zunutze machen.Ferner ist etwas herauszustellen, von dem es im Bulletin sogar heißt, daß der Gesetzentwurf „als erster Schritt auf dem Wege zur rechtlichen Anerkennung des Beteiligungsgedankens angesehen werden" kann. Meine Damen und Herren, das ist völlig irreführend. Es ist seit Jahrzehnten in der Wirtschaft üblich, Ergebnisbeteiligungen, in Form von Prämien z. B., durchzuführen. Das ist also in der Wirtschaft durchaus nichts Neues. Neu ist hier lediglich, daß diese Ergebnisbeteiligung als Lohnart begünstigt wird, wenn sie vermögenswirksam in der Hand von Arbeitnehmern angelegt wird. Aber die Ergebnisbeteiligung als solche ist entgegen dem, was im Bulletin irreführend gesagt wird, durchaus nichts Neues.Meine Damen und Herren, richtig betriebene Eigentumspolitik ist eine ausgezeichnete Sache. Eigentum für alle ist ein gutes Ziel, ein Ziel, für das es sich einzutreten lohnt und das alle Anstrengungen rechtfertigt. Aber mit diesem Entwurf auf schmaler Basis wird, so kann man doch wirklich sagen, in dieser Richtung nur ein ganz kleiner Schritt getan.Nach diesen wenigen Vorbemerkungen, die mein Kollege Kurlbaum noch im Grundsätzlichen ergänzen wird, möchte ich auf einige offensichtliche Mängel des vorliegenden Entwurfs eingehen. Ich möchte vorweg bemerken, daß natürlich noch eine Reihe von versteckten Mängeln in ihm enthalten sind, auf die ich aber heute in erster Lesung nicht eingehen will. Ich möchte mich mit dem Herausstellen einiger Hauptpunkte begnügen.Von entscheidender Bedeutung ist im Gesetzentwurf die Bestimmung, daß die Regelungen zwischen den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern lediglich über Betriebsvereinbarungen erfolgen sollen, damit die Arbeitnehmer in den Genuß der Vorteile dieses Gesetzes kommen. Wenn also ein Unternehmen beabsichtigt, seinen Belegschaftsmitgliedern vermögenswirksame Zuwendungen im Sinne des § 2 des Gesetzentwurfs zu machen, so genügt es, unter Beachtung der Vorschriften der §§ 4 bis 8 eine Betriebsvereinbarung darüber abzuschließen. Mit dieser Betriebsvereinbarung wird der Arbeitgeber in den Stand gesetzt, durch relativ geringe Aufwendungen seinen Arbeitnehmern einen Vorteil zu verschaffen. Der Arbeitgeber spart einmal die Sozialversicherungsbeiträge und zum anderen einen Teil der Lohnsteuer infolge der pauschalen Versteuerung mit 10 %.Wie Herr Dr. Zweig in einer seiner Schriften ausgeführt hat, ergibt sich dadurch folgende Vergünstigung. Wenn ein Arbeitgeber vorhat, einem Arbeitnehmer einen Nettobetrag von zum Beispiel 100 DM zuzuwenden, für den er bisher einschließlich aller Lasten 170 DM zu tragen hatte, so verringert sich dieser Aufwand auf Grund dieses Gesetzes auf 111 DM.Wir möchten in diesem Zusammenhang an die Bundesregierung die Frage richten, was sie von dem im Grundgesetz verankerten Recht der Tarifvertragsparteien hält, das Arbeitsleben autonom zu ordnen und darüber Normen zu vereinbaren. Wenn schon die Bundesregierung in diesem Fall besondere Vorteile zu Lasten der Allgemeinheit verspricht, dann erscheint es uns als recht und billig,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961 8009
Junghansdiese Angelegenheit den dafür nach dem Grundgesetz zuständigen Tarifvertragsparteien zu überlassen. Bisher war es noch Sitte, daß sich das deutsche Arbeitsverfassungsrecht an überbetrieblichen Regelungen orientierte. Auch hier ist die Bundesregierung zu fragen: Will sie von dieser traditionellen Übung im deutschen Arbeitsleben abgehen und will ,sie mit diesem Entwurf gerade auf einem so schwierigen Gebiet den Weg zu betriebssyndikalistischen Tendenzen öffnen?Wenn hier etwa der sogenannte Partnerschaftsgedanke eine Rolle spielen sollte, so möchte ich mit besonderem Nachdruck auf das doppelte Risiko des Arbeitnehmers hinweisen, welches sich daraus ergibt, daß er mit seinem Vermögen über Belegschaftsaktien an den arbeitgebenden Betrieb gebunden ist. Denn dann ist der Arbeitnehmer nicht nur in bezug auf seinen Arbeitsplatz, sondern auch in bezug auf seinen Kapitalbesitz von dem wirtschaftlichen Wohlergehen des Betriebes abhängig,Mit Blick auf die mittleren und kleinen Betriebe darf ich noch bemerken, daß sich ,dieses doppelte Risiko naturgemäß mit der Abnahme der Unternehmensgröße erhöht, vor allem wenn es der Wirtschaftspolitik nicht gelingt, ein relativ stetiges Wirtschaftswachstum in allen Zweigen der Wirtschaft zu sichern. Die Krisenerscheinungen in der Textil- und Zweiradindustrie, wo in den letzten Jahren solche Experimente gestartet worden sind, haben gezeigt, wie schwer sich dieses doppelte Risiko für den Arbeitnehmer auswirken kann.Eine betriebliche Regelung birgt im übrigen auch die Gefahr in sich, daß innerhalb eines Wirtschaftszweiges ein Sozialgefälle entsteht. Hierbei denke ich auch wieder insbesondere an die mittleren und kleinen Unternehmen, deren sich ja die Bundesregierung — der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das mit Verve vorgetragen mit besonderem Nachdruck annehmen will. Wenn hier an die Stelle der Betriebsvereinbarung eine Regelung durch die Tarifvertragsparteien treten würde, könnte der Einfluß ,des Gesetzes auf das Sozialgefälle innerhalb einer Branche ausgeschaltet werden. Die Bedeutung dieser Frage gerade in Zeiten der Vollbeschäftigung ist nicht zu unterschätzen. Denn die Rücksichtnahme auf die Ertragslage durch die Tarifvertragsparteien würde die wirtschaftspolitisch und wirtschaftsstrukturell unerwünschten Auswirkungen dieses Entwurfs zumindest für die mittleren und kleinen Unternehmen mildern.Schließlich vergessen Sie nicht, daß die Regelung durch die Tarifvertragsparteien, d. h. die Ausdehnung auf Wirtschaftsbereiche, auf Branchen auch den Kreis der begünstigten Arbeitnehmer wesentlich ausweiten würde.Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, der zugunsten der tarifvertraglichen Regelung spricht. In dem Gesetzentwurf wird besonders - alle Redner haben das hervorgehoben — die Ergebnisbeteiligung, wenn auch mit Zwangssparcharakter, in den Vordergrund gestellt. Es heißt in dem Gesetzentwurf, daß der Leistungserfolg sich nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu richten habe. Es wird also darauf abgehoben, ,daß ausschließlich innerbetriebliche Faktoren, nicht marktabhängige, für eine Ergebnisbeteiligung heranzuziehen sind. Jedermann, der etwas davon versteht, weiß aber, daß hierbei Theorie und Praxis sich in vielen Fällen widersprechen. Ich darf nur daran erinnern, daß es bis heute nicht gelungen ist, für eine Ergebnisbeteiligung eine klare Abgrenzung zwischen marktbezogenen Faktoren und leistungsbezogenen Faktoren zu finden. Es handelt sich hierbei um ein sehr schwieriges Zuordnungsproblem, das bis heute noch keineswegs als gelöst angesehen werden kann und das mit diesem Gesetzentwurf noch brennender wird. Um so mehr ist es von außerordentlicher Wichtigkeit, daß Vereinbarungen auf dem Gebiet dieser Materie von der nötigen Sachkunde und Einsicht getragen werden. Das scheint unseres Erachtens nur dann gegeben zu sein, wenn es den Tarifvertragsparteien überlassen bleibt, diesen freien Raum auszufüllen. Wir sollten uns davor hüten, auf diesem Gebiet der Ergebnisbeteiligung, die besonders gefördert werden soll, einseitigen, zum Teil auch gesellschaftspolitisch und staatspolitisch nicht ungefährlichen Experimenten bestimmter Unternehmergruppen freien Raum zu lassen. Wer etwas davon versteht, weiß, welche Vielzahl von Möglichkeiten der Ergebnisbeteiligung es gibt und wie fragwürdig manche solcher Systeme sind. Bei manchen darf man nicht unbeachtet lassen, wo ihr Ursprungsland liegt; ich könnte da auf verschiedene Dinge hinweisen. Mancher Unternehmer hat vielleicht einmal eine Reise nach Moskau gemacht. Dort hat ihm vielleicht ein bestimmtes Antreibersystem der Prämienzahlungen usw. sehr gut gefallen. Auf diese Gefahren möchte ich hinweisen.
Das ist kein Unsinn, Sie verstehen nicht allzuviel davon. Sie müssen sich einmal den Wirrwarr der Leistungsentlohnung und der Ergebnisbeteiligungen in der Bundesrepublik ansehen; dann erkennen Sie die Gefahren.
Lassen Sie sich einmal eine Aufstellung von Dr. Spiegelhalter darüber geben;
dann sind Sie vielleicht besser informiert.
Wenn ich von tarifvertraglichen Vereinbarungen spreche, so möchte ich um der Klarheit willen sagen - vielleicht wird Sie das beruhigen, Herr Kollege Ruf —, daß wir zwar einer gesamtvertraglichen Regelung den Vorzug geben, daß wir aber tuotzdem den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit einräumen möchten, für den einzelnen Betrieb auch eine tarifliche Vereinbarung abzuschließen.
8010 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141— Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961Junghans— Wieso? Was halten Sie von den Bestimmungen des Grundgesetzes über die Tarifhoheit, Herr Kollege?
Nach diesen Daerlegungen über den Einbau der tariflichen Vereinbarungen in den Gesetzentwurf möchte ich auf einen weiteren Mangel der Vorlage hinweisen, Nach genauer Durchsicht des gesamten Komplexes kommt man zu dem Ergebnis — das ist z. B. auch die Meinung eines der Experten, die den Gesetzentwurf mitverfaßt haben —, daß es durchaus möglich ist — wie sich z. B. Herr Dr. Zweig im „Volkswirt" vom 5. November 1960 ausdrückt —, daß im Zuge — hören Sie gut zu! — eines dynamischen Anpassungsprozesses ein Teil der Aufwendungen, die heute als freiwillige Sozialleistungen der verschiedensten Art erscheinen, als Quelle für die Gewährung der vermögenswirksamen Leistung benutzt werden. Mit anderen Worten heißt das: der Gesetzentwurf ist keineswegs auf zusätzliche Leistungen der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer zugeschnitten, sondern läßt durchaus zu, daß von den bisherigen sozialen Leistungen — z. B. Jahresabschlußprämien, Weihnachtsgratifikationen und ähnlichen Aufwendungen — auf vermögenswirksame Leistungen im Sinne dieses Gesetzes umgestiegen wird,
und das mit besonderer staatlicher Förderung. Das heißt, daß der Unternehmer dabei noch ein Geschäft macht. Vorher mußte er 170 DM aufwenden, wenn ein Betrag von 100 DM netto herauskommen sollte; jetzt muß er in demselben Falle nur noch 111 DM ausgeben; diese Betrachtung gilt natürlich im Schnitt.Nach den sehr kritischen Äußerungen der Arbeitgeber, in denen unter anderem auch davon die Rede ist, daß hier die Grundlagen unserer Wirtschafts- und Sozialordnung berührt würden, in denen sogar, Herr Kollege Katzer, davon gesprochen wird, daß sich hier statt einer marktorientierten Unternehmerwirtschaft eine planorientierte Funktionärswirtschaft ankündige — so nachzulesen in der Zeitschrift „Der Arbeitgeber" —, kann man nicht ohne weiteres damit rechnen, daß sich die Intelligenz der Arbeitgeber darauf richten werde, neue und zusätzliche Formen zu entwickeln. Nach den im Arbeitgeberlager geäußerten Aversionen ist die Befürchtung berechtigt, daß die Arbeitgeber ihre ganze Intelligenz darauf verwenden werden, die bisher zur freien Verfügung ausgezahlten besonderen Sozialleistungen wie Jahresabschlußprämien usw. in diese neue Lohnart des Zwangssparens umzuwandeln.Ich möchte noch auf einen anderen Punkt hinweisen, der mit dem § 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung zusammenhängt. Danach ist es möglich, Beträge bis zu 312 Mark pro Jahr für die Zukunftssicherung der Arbeitnehmer sozialversicherungsfrei anzulegen. Ich erinnere nur daran, daß z. B. für die gesamte Bauwirtschaft eine Pensionskasse besteht, in die bestimmte Beträge fließen, so daß dieser Kreis der Arbeitnehmer für die Regelung, die der vorliegende Gesetzentwurf vorsieht, automatisch ganz oder zum Teil ausscheidet.Noch einen Punkt möchte ich erwähnen. Der Herr Kollege Katzer hat davon gesprochen, daß für die unterentwickelten Länder, für jene Völker, die heute ihre ersten Schritte als Nationen tun und noch in jeder Hinsicht der Hilfe bedürfen und unsere Sozialordnung mit sehr kritischen Augen betrachten, Prinzipien nur insoweit zählen, als sie durch Fakten bestätigt werden. Das ist genau das, worauf es ankommt. Wir sind der Auffassung: Fakten sind nötig, nicht „Fäktchen". Hoffentlich wird es nicht nach den Ausschußberatungen eines Tages heißen, der Deutsche Bundestag habe eine neue Variante zu Shakespeares „Viel Lärm um nichts" geschrieben. Auch würde eine zwingende Vorschrift, die Tarifvertragsparteien einzuschalten, die Gefahr des „Umsteigens" zumindest mindern, wenn nicht sogar ausschließen.Ich habe mir erlaubt, auf diesen Nebeneffekt besonders hinzuweisen, um vor Illusionen zu warnen, die im Kreise der Arbeitnehmer auf Grund dieses Gesetzentwurfes gehegt werden könnten.Besonders interessant ist ferner, daß nach diesem Gesetzentwurf die Arbeitnehmer gezwungen werden können, ihr Vermögen praktisch in der Weise anzulegen, die in der Betriebsvereinbarung festgelegt ist. Natürlich drückt sich in einer Betriebsvereinbarung der Wille des Arbeitgebers sehr viel stärker aus, und das scheint ja auch nach der ganzen Art, wie die Betriebsvereinbarung propagiert wird, der Sinn und Zweck zu sein. Der Arbeitnehmer hat also nicht, wie es vielleicht dem oberflächlichen Betrachter des Gesetzentwurfes und den Zuhörern heute erscheinen mag, die Freiheit, zu wählen, ob er sich z. B. für Leistungen nach dem Sparprämiengesetz oder für das Wohnungsbausparen oder für den Erwerb von Aktien entscheiden will, vielmehr ist ihm diese Entscheidung abgenommen; er ist in diesen Dingen bereits gebunden. Wir meinen angesichts der von dem Herrn Bundesarbeitsminister bei jeder Gelegenheit betonten Freiheit der Arbeitnehmer von jeglicher Bevormundung — er hat ja meines Wissens sogar einen Vergleich mit der Bismarckschen Konzeption gezogen —, daß diese Art der Bevormundung, der Beseitigung des Rechts, frei zu wählen, wie man sein Vermögen anlegen will, keineswegs in diese Landschaft paßt.
Es ist einfach unverständlich, warum der Gesetzentwurf dem Arbeitnehmer nicht das Recht sichert, die Art der Vermögensbildung nach seinem Geschmack zu wählen.
Im übrigen spricht man auch von der sozialpolitischen Bedeutung der vorgesehenen Regelung, um einen Vorwand zur Einengung von Sozialleistungen zu haben. Auch hier darf ich Herrn Katzer zitieren. Er hat das sehr vorsichtig ausgedrückt, aber man kann schon etwa hören, wohin die Reise gehen soll. Er sagt nämlich: In dem Maße jedoch, wie das
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961 8011
JunghansVerhältnis von personaler Freiheit und personaler Bindung sich in dem Bewußtsein des einzelnen ausbalanciert, kann der Staat darauf verzichten, dieses Gleichgewicht von Gesetzes wegen zu regulieren.
— Ja, Herr Kollege Katzer, natürlich ist das richtig; ich komme gleich darauf. Aber wir wollen uns einmal ansehen, in welchem Ausmaß das möglich ist.Ich möchte Ihnen dazu einmal ganz praktisch etwas vorrechnen, aus dem sich ergibt, wieweit so etwas möglich sein wird. Wenn z. B. bei 312 DM pro Jahr ein Arbeitnehmer im Laufe von 20 bis 25 Jahren rund 10 000 DM hat ansammeln können, dann beträgt der Ertrag bei einer rund 5%igen Verzinsung etwa 500 DM pro Jahr. Das heißt mit anderen Worten: Von der berühmten sozialen Unabhängigkeit; die der persönlichen Eigentumsbildung zugeschrieben wird, bleibt nach dieser Regelung nur ein Bruchteil übrig.Die Mängel des Gesetzentwurfs sind damit aber noch nicht erschöpft. Ich möchte deshalb auch noch auf die Vorschrift des § 2 Buchstabe c hinweisen, in der der Erwerb eigener Aktien des Unternehmens als vermögenswirksam bezeichnet wird. Es ist gar keine Frage, — niemand wird das bestreiten —, daß bei Großunternehmen, z. B. Mannesmann, BASF, Demag, Siemens, AEG usw., der Erwerb eigener Aktien oder von Belegschaftsaktien, vielleicht auch zum Vorzugspreis für den Arbeitnehmer, kein Risiko bedeutet. Aber wir müssen hier auch daran denken — ich habe das bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt —, daß dieses Risiko sich in jedem Falle mit abnehmender Unternehmensgröße verstärkt.Nicht zu übersehen ist auch bei der sogenannten Belegschaftsaktie die Bindung an den Betrieb. Unseres Erachtens wird dadurch die Freizügigkeit des Arbeitnehmers in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Anscheinend gibt es aber Kreise im Regierungslager — Her Kollege Katzer wies schon darauf hin —, die diese Betriebsbindung noch zusätzlich fördern wollen. Mit sorgendem Interesse haben wir vermerkt, daß im Bundesrat ein Antrag des Landes Bayern angenommen wurde, eine dreijährige Betriebszugehörigkeit als Bedingung für die Arbeitnehmer zu stellen, die für die vermögenswirksamen Leistungen in Frage kommen sollen. Zwar hat die Bundesregierung — wir erkennen das durchaus an— in ihrer Stellungnahme diesen Vorschlag des Bundesrates abgelehnt. Trotzdem vermögen wir nicht zu übersehen, ob sich nicht im Verlaufe der weiteren parlamentarischen Behandlung des Gesetzentwurfs erneut Tendenzen zeigen werden, diese Betriebsbindung in den Gesetzentwurf hineinzubringen. Grundsätzlich scheint es auch im Interesse der kleineren und mittleren Unternehmen völlig verfehlt zu sein, Bindungen an Großbetriebe über materielle Vorteile besonders zu fördern. Ich darf hier nochmals darauf hinweisen, daß die grundgesetzlich garantierte Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigt werden darf.Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht, Herr Kollege Ruf, ist es mir unverständlich, was die Dauer einer Betriebszugehörigkeit mit einer Leistung, mit einem Leistungsfaktor — wenn man hier schon die Ergebnisbeteiligung so besonders herausgestellt -zu tun hat.Auch zu den Bestimmungen des § 9 über das Auskunftsrecht sind wir der Auffassung, daß es sich bei der Wahrnehmung des Auskunftsrechts um eine typische Funktion des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz handelt. Die im Betriebsverfassungsgesetz festgelegten Rechte des Betriebsrates dürfen auf keinen Fall durch diesen Entwurf ausgehöhlt oder beschnitten werden.Ich habe hier keineswegs alle Mängel bis ins einzelne erörtert. Darüber werden wir uns in den Ausschüssen unterhalten. Das kann auch nicht Aufgabe der ersten Lesung sein. Aber zusammenfassend möchte ich wiederholen:Erstens. Es muß nach Meinung meiner Freunde sichergestellt werden, daß die Tarifautonomie der Tarifvertragsparteien gewahrt wird und daß die tarifliche Vereinbarung den Vorrang vor der Betriebsvereinbarung erhält.
— Ja, das ist Ihre Auffassung, nicht unsere. Ich trage unsere Auffassung vor, Herr Kollege Ruf.
— Sie können nachher hier heraufkommen.Zweitens. Es muß sichergestellt werden, daß nach diesem Gesetz lediglich zusätzliche Leistungen der Arbeitgeber gefördert werden.Drittens. Das Wahlrecht der Arbeitnehmer, wie sie die Zuwendungen vermögenswirksam anlegen, muß gewährleistet bleiben.Viertens. Wegen des Risikos sollte der Erwerb eigener Aktien des Unternehmens nicht gefördert werden.Fünftens. Jede zusätzliche Bindung an den Betrieb durch diese gesetzliche Regelung sollte ausgeschlossen werden.Sechstens. Die Frage des Auskunftsrechtes ist zur Sicherung der Arbeitnehmerinteressen im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes zu lösen.Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird die Ergebnisse der Ausschußberatung abwarten, um festzustellen, ob damit der Forderung der Sozialdemokratischen Partei nach tariflichen Vereinbarungen, die der Vermögensbildung der Arbeitnehmer dienen, entsprochen wurde.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben am Mittwoch dieses so wichtige und für die Zukunft bedeu-
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8012 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961
Dr. Starketungsvolle Gesetz leider nicht behandeln können. Es ist vielleicht doch einmal zu überlegen, ob es sehr gut ist, wenn wir Gesetze von einer solchen Bedeutung — insbesondere von Bedeutung, wenn man einmal mit der Tagesordnung vom Mittwoch vergleicht - auf den Freitag verschieben, den Freitag, von dem wir nun einmal alle wissen — ob wir es begrüßen oder nicht begrüßen —, daß er uns ein leeres Haus bietet. Das ist nicht eine Frage, die etwa jemand von uns, der hier oben spricht, seiner Person wegen aufwirft; es geht doch immer darum, daß auch die Öffentlichkeit sehen muß, welche Bedeutung wir den Gesetzen beimessen.
Ich darf gleich bemerken: ich habe nicht gesagt, daß ich mich mit meinen Worten an die Fraktionen außerhalb der FDP wende. Ich wende mich im Augenblick überhaupt an niemanden, dem ich einen Vorwurf machen will. Ich wollte es nur einmal feststellen. Ich glaube nicht, daß die Tagesordnung vom Mittwoch so dringlich war, daß man sie nicht so hätte gestalten können, daß man dieses Gesetz vor einem volleren Hause am Mittwoch hätte behandeln können.
— Wenn Sie gleich im Hause gewesen wären, als ich zusprechen begonnen habe, und nicht erst jetzt gekommen wären, Herr Bausch, dann hätten Sie gehört, daß ich mich gerade entschuldigt habe. Ich habe niemandem einen Vorwurf machen wollen, sondern habe eine allgemeine sachliche Feststellung getroffen, die für alle drei Parteien gilt, auch für Sie, ohne daß ich Sie angreifen wollte.
— Ich kann hier leider keine Auseinandersetzung über diese Frage mit Ihnen führen, Herr Bausch; das machen wir wieder in Stuttgart das nächste Mal.Ich wollte mit meiner Bemerkung die besondere Bedeutung betonen, die wir dem vorliegenden Gesetz beimessen. Wir wissen, daß auch die beiden anderen Fraktionen des Hohen Hauses das tun. Deshalb habe ich mir erlaubt, diese paar Sätze vorauszuschicken.Nun sind wir heute insofern in einer etwas eigenartigen Situation, als die Begründung für den Entwurf der Bundesregierung eigentlich nicht der Herr Bundesarbeitsminister — der sich einer sehr bemerkenswerten Kürze befleißigt hat —, sondern unser Kollege Herr Katzer gegeben hat.
Damit verschiebt sich natürlich in der Debatte dieses Hauses ein wenig das Spiel, das sich nach ungeschriebenen Gesetzen mindestens in anderen Ländern seit einem Jahrhundert und länger abspielt, nämlich daß Rede und Gegenrede von Opposition und Regierungspartei einander folgen. An diese Regel hatten wir auch heute gedacht, und aus diesem Grunde bedauere ich es etwas, daß wir die eigentliche Rede der Regierungspartei, der CDU, erst noch hören werden und daß wir von demKollegen Katzer weitgehend das gehört haben, was eigentlich Aufgabe der Regierung gewesen wäre, nämlich die Begründung des Entwurfs.
- Auf das, was Herr Professor Erhard gesagt hat, Herr Burgbacher, möchte ich später eingehen; denn ich möchte durch das Hin und Her meine eigenen Ausführungen nicht auseinanderreißen. Ich will aber schon jetzt sagen: was Herr Professor Erhard vorgebracht hat, war eigentlich mehr eine Begründung gegen das Gesetz.
Darauf komme ich jedoch noch einmal zu sprechen. Das ist die Besonderheit der Haltung und der Lage der Regierung und der Regierungspartei bei diesem Gesetz. Aber das wissen wir alle.
— Sehr gut, das ist ein ausgezeichnetes Wort; auch das werde ich heute noch wiederholt in den Mund nehmen.In einer Rede zu diesem Gesetz muß man doch wohl, auch wenn es Freitag ist, ein wenig ausholen. Man muß doch das Gesetz in einen allgemeinen Rahmen gesellschaftspolitischer Natur stellen, in einen Rahmen, der diesem Gesetz zukommt.Die Eigentumspolitik oder Vermögenspolitik, wie wir sie immer bezeichnen wollen, ist eines der wichtigsten Probleme der Gesellschaftspolitik, und ich glaube, daß sich die Grundlinien einer klaren Gesellschaftspolitik für jede Partei nirgends so sehr offenbaren wie bei der Eigentumspolitik. Die Freie Demokratische Partei — so kann ich heute für meine politischen Freunde sagen — ist für eine breite Streuung des Eigentums in der ganzen Bevölkerung. Wir müssen das schon deshalb sein, weil die Auffassung vom Menschen, die Auffassung vom Staatsbürger, die die liberale Partei traditionsgemäß immer gehabt hat, geradezu voraussetzt, daß wir eine breite Eigentumsstreuung haben. Daß sich natürlich bezüglich der Breite der Streuung die Vorstellungen des 19. Jahrhunderts von denen des 20. Jahrhunderts unterscheiden müssen, ergibt sich schon daraus, daß durch die Entwicklung der Technik ganz andere Voraussetzungen für eine solche Eigentumsbildung in breiten Schichten entstanden sind. Die Freie Demokratische Partei ist deshalb geschlossen bereit, alle materielle und gesetzgeberische Hilfe zu leisten, um dieses Ziel einer breiten Eigentumsstreuung in breiten Bevölkerungsschichten zu erreichen, allerdings mit einer Einschränkung. Die für diesen Zweck angewendeten und aufgewendeten Mittel müssen sich im Rahmen der Weltanschauung und im Rahmen der gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Freien Demokratischen Partei halten.
Denn die Eigentumsbildung ist, wie ich Ihnen sagte, ein fundamentales Ziel auch der Freien Demokratischen Partei. Es ist aber nicht das einzige Ziel, sondern es gibt im Rahmen unserer Gesellschaftspolitik auch andere außerordentlich wichtige Ziele.
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961 8013
Dr. StarkeBei diesen Fragen kommt es entscheidend darauf an, daß sich die gesellschaftspolitischen Linien in einer Partei in dieser Frage nicht überkreuzen oder überschneiden. Wir sprechen hier ganz offen aus: wir haben den Eindruck, daß Sie in der Regierungspartei und in der Regierung gerade das getan haben und tun.Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dieser Frage einer Eigentumspolitik, einer Gesellschaftspolitik — einer Eigentumspolitik im Rahmen einer einheitlichen Gesellschaftspolitik — kommt es sehr darauf an, zu wissen, was die Rechte tut und was die Linke tut. Wir haben den Eindruck — das darf ich in diesem konkreten Falle einmal anfügen —, daß in der Regierungspartei dieses Abstimmen dessen, was die Rechte tut und was die Linke tut, nicht so ganz gelungen ist.
Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, für eine gesunde Eigentumspolitik gibt es eine Reihe von Voraussetzungen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen in der Gesellschaftspolitik ist neben der Aufrechterhaltung der Kaufkraft der Währung, worauf ich später noch einmal eingehe, die Unantastbarkeit des bestehenden Eigentums und des Erbrechts.
Überlegen wir uns einmal, welche schweren und schwersten Verstöße gegen die fundamentalen Voraussetzungen einer echten Eigentumsbildung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter den verschiedensten Staatsformen in Deutschland erfolgt sind! Dann müssen wir uns fragen — und diese Frage wollen wir heute sehr laut und deutlich stellen —: Wie steht es um die psychologischen Voraussetzungen für eine Eigentumsbildung in breiten Schichten unserer Bevölkerung?Das breitest gestreute Eigentum, das wir je gehabt haben, ist der Haus- und Grundbesitz. Eine solche Eigentumsbildung in breiten Schichten wollen wir heute ja erst wieder anstreben. Man hätte dem sozialen Gesichtspunkt durchaus auf anderen Wegen Rechnung tragen können als durch die Gestaltung unserer Mietenpolitik, mit der wir praktisch eine kalte Sozialisierung ,des Haus- und Grundbesitzes durchgeführt haben.
— Wir haben uns zu dieser Frage wiederholt geäußert.Aber nehmen wir ein Beispiel, das ganz aktuell ist: die Baulandsteuer. Sie soll durchaus einem auch von uns anerkannten Ziel dienen, aber sie wird in einem großen Ausmaß kleines und kleinstes Eigentum in den kommenden Jahren wieder zerstören. Auch das paßt nicht in eine Eigentumspolitik; denn wir werden dadurch das kleine und kleinste Eigentum, cris sich in den Städten und Gemeinden um die Marktflecken herum bis heute noch gehalten hat, zur Auflösung bringen. Vergessen wir das nicht!Alles das hat auf die psychologischen Voraussetzungen für eine Eigentumsbildung in breitesten Schichten sehr großen Einfluß. In dieser Beziehung wenden wir uns ein für allemal gegen die von der Sozialdemokratischen Partei und auch von den Gewerkschaften wiederholt veröffentlichten, wenn auch heute hier noch nicht vorgetragenen Pläne zur Umverteilung von Eigentum. Wir glauben nicht, daß eine solche Maßnahme zu einer gesunden Eigentumsbildung in breiten Schichten führen wird. Ich betone noch einmal: wir lehnen diese Pläne aus unserer Grundhaltung heraus ein für allemal ab.Wir wissen aber auch, daß im Jahre 1960 von der Regierungspartei Pläne entwickelt und veröffentlicht worden sind, die sich von dem Gedanken der Umverteilung nur sehr wenig, höchstens graduell, aber nicht im Prinzip, unterscheiden, und das birgt nach unserer Meinung eine außerordentliche Gefahr in sich, die mit der ganzen Eigentumsfrage nun für immer unvermeidlich verbunden ist.Lassen Sie mich nach diesen einleitenden Worten zu dem Entwurf selbst kommen. Wir wissen alle, welchen Leidensweg er hinter sich hat. Wir haben von den Kämpfen hinter den Kulissen und von dem Ringen, das sich in der Regierungspartei abgespielt hat, gehört.
Wir brauchen nur an die Erklärungen auf dem Karlsruher Parteitag zurückzudenken.
Danach folgte ein langes Schweigen. Wir brauchen nur zu denken an den Entwurf über die Umverteilung von Betriebsvermögen, die man damals auf seine Fahnen schrieb. Wir waren gespannt, diesen Entwurf einmal kennenzulernen.Immerhin haben wir einiges getan. Wir haben aus unserer großen Sorge heraus im Mai eine Kleine Anfrage an die Regierung gerichtet, in der wir eine Reihe von Fragen gestellt haben, die mit dein jetzt vorliegenden Gesetzentwurf, der sich damals noch in der Vorbereitung befand, zusammenhängen. Ich komme darauf im einzelnen noch zurück. Unsere Fragen sind damals nicht beantwortet worden. Wir haben zwar von Entwürfen gehört, die in interministeriellen Besprechungen wieder geändert worden sind, aber was am Schluß herauskam, war die Mitteilung, daß die Regierung nicht beabsichtige, sich zu äußern, weil sie den Gesetzentwurf ohnehin vorlegen werde. Wir müssen Ihnen zu Beginn sagen, daß diese Fragen, die wir an die Regierung gestellt haben, in diesem Gesetzentwurf nicht beantwortet worden sind. Sie bleiben völlig offen. Der Gesetzentwurf hat trotz aller Änderungen in sich keine klare Linie.
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8014 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961
Dr. StarkeWir wissen nicht, ob der Gedanke — der auch in Ihren Reihen vertreten und erörtert worden ist, meine Damen und Herren von der CDU —, daß Betriebsrücklagen nicht dem Betrieb gehörten, sondern Sozialkapital seien, das man umverteilen müsse, ad acta gelegt worden ist. Wir wissen nicht, ob dieses Gesetz nur der Anfang eines schlechten Weges ist, ob nicht nachher alle diese Gedanken zurückkehren werden.Wir wissen auch nicht, ob nicht der so gefährliche Gedanke des Rechts auf Miteigentum gerade aus Ihren Reihen wieder hochkommen wird. Das geht zwar noch nicht klar aus diesem Gesetzentwurf hervor; aber wir wissen nicht, was für Anträge wir noch erleben werden. Insbesondere wissen wir nicht, was vor einer neuen Wahl dann noch in dieses Gesetz hineinkommen wird.Ich darf nur daran erinnern, daß in einer Broschüre von Mitarbeitern aus dem Arbeitsministerium — inwieweit sich der Herr Bundesarbeitsminister damit identifiziert, weiß ich nicht — steht, daß es sich bei diesem Gesetz um einen ersten Schritt auf dem Wege zur rechtlichen Anerkennung des Beteiligungsgedankens handele. In welcher Rechtsform wird dieser Beteiligungsgedanke eines Tages festgelegt werden? Haben wir uns und haben Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Regierungspartei, sich schon einmal überlegt, wie Sie diesen Gedanken der Beteiligung rechtlich und tatsächlich in den Hunderttausenden von Mittel- und Kleinbetrieben durchführen wollen? Nein, das haben Sie nicht! Dieser Gedanke läßt sich dort nicht durchführen. Hier vermissen wir also die klare Linie.Wir müssen fragen: Wohin gehen wir mit diesem Gesetzentwurf? Welche Praxis wird sich hier herausbilden, und was wird nach fünf Jahren werden?Der Herr Kollege Katzer hat vorhin die Hoffnung ausgesprochen, daß das Gesetz schnell verabschiedet werde, und er hat um eine entsprechende Mitarbeit der anderen Fraktionen in den Ausschüssen gebeten. Die Freie Demokratische Partei wird an diesem Gesetz mitarbeiten. In der heutigen ersten Lesung haben wir zunächst einmal die Aufgabe, die grundsätzlichen Bedenken, die wir gegen diesen Entwurf haben, wenigstens im Umriß darzustellen. Daraus mögen Sie ersehen, in welcher Richtung wir versuchen werden, in den Ausschüssen mitzuarbeiten. Ob es dabei angesichts der Schwierigkeiten der Probleme — wenn man nicht aus rein wahltaktischen Gründen ein Gesetz schaffen will, das größte Gefahren heraufbeschwört — sehr schnell gehen wird, mag dahingestellt bleiben. Die Materie ist immerhin ernst und schwierig genug.Das erste Bedenken, das wir gegen diesen Gesetzentwurf vorzubringen haben, richtet sich dagegen, daß keine Eigenleistung verlangt wird. In dem ganzen Entwurf ist kein Wort darüber enthalten, daß eine irgendwie geartete Eigenleistung dessen gefordert wird, der durch das Gesetz begünstigt wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie wissen genau, daß man sich hierüber verschiedentlich sehr ernste Gedanken gemacht hat und daß es entsprechende andere Vorschläge gegeben hat. Ich habe hier ein Blatt vor mir, in dem solche Gedanken niedergelegt worden sind. Auch hier wird festgestellt, daß durch dieses Gesetz mit Steuermitteln eine Eigentumsbegünstigung erfolgen soll, die gar nicht jeder bekommen kann, die außerdem keinerlei Eigenleistung dessen voraussetzt, der begünstigt wird. Solche Einwendungen kann man doch nicht in der Weise beiseite schieben, wie ich es hier gefunden habe, indem man sie nämlich nicht nur als Bluff, sondern als Unverschämtheit bezeichnet. Das steht in einem Heft „Soziale Ordnung, Christlich-Demokratische Blätter der Arbeit". Wir glauben nicht, daß es gut ist, so ernste und gewichtige Einwendungen mit solchen Ausdrücken abzuwehren. Wir werden in der Ausschußarbeit gerade auf diesen Gesichtspunkt hinweisen. Wir glauben, daß man gerade hier mit der Kritik ansetzen und daß man hier zu Änderungen kommen muß.Der Bundesrat hat sehr klar dazu gesprochen. Er hat nämlich gesagt, worum es sich handelt: um einen Prämienlohn. Das ist doch die Hauptgefahr, die hier besteht. Wir haben drei Wege, auf denen wir nun nach diesem Gesetz in Zukunft vorgehen müssen. Wir haben nicht mehr nur das Problem der Löhne mit all den Schwierigkeiten, die dabei in Konjunkturzeiten auftreten, wie wir es aus dem zurückliegenden Jahr wissen. Wir haben des weiteren das Problem der Arbeitszeit. Die Verkürzung der Arbeitszeit kann unter Umständen über die Kosten, die sie verursacht, zu denselben Schwierigkeiten führen wie übermäßige Lohnerhöhungen. Dazu kommt als drittes Problem das der Ergebnisbeteiligung aus diesem Gesetz, wenn auch dieses Gesetz zunächst einmal bei der unklaren Linie, wie ich sagte, offenläßt, wie sich das eigentlich vollziehen soll. Wir haben heute doch nicht nur von dem Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion den Hinweis auf die Tarifvertragshoheit, auf die Hoheitsbefugnisse der Sozialpartner gehört, wir haben auch bereits im Bundesrat den Antrag gehabt, daß für Beratungen über die Ergebnisbeteiligung Tarifvertragsverhandlungen eröffnet werden sollten. Diesen Weg beginnen wir doch jetzt zu beschreiten. Wir von der Freien Demokratischen Partei fühlen uns verpflichtet, ganz besonders auf diese Gefahrenpunkte hinzuweisen.Weiter möchten wir erwähnen, daß das betriebliche Leitbild für diesen Entwurf wie so oft in den Gesetzen der letzten zehn Jahre der Großbetrieb ist. Wir müssen das von zwei Seiten sehen, von der Leistungsfähigkeit des Betriebes her, aber auch von der Fülle der Vorschriften her. Die Vorschriften des Entwurfs für die Ausgestaltung dessen, was beabsichtigt ist, passen doch gar nicht auf die Hunderttausende von Mittel- und Kleinbetrieben. Welche Folgerungen ergeben sich aus dieser Feststellung, daß der Entwurf den Großbetrieb zum Leitbild hat? Daraus ergibt sich zunächst einmal die Folgerung — ich habe das vorhin schon angeschnitten —, daß dieser Entwurf nicht für alle Staatsbürger Chancen eröffnet. Das müssen wir ganz besonders hervorheben.Die große Zahl derer, die im öffentlichen Dienst tätig sind, wird auf Grund der Konstruktion dieses Gesetzes an ihm keinen Anteil haben. Nun kannDeutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung, Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961 8015Dr. Starkeman natürlich sagen, .daß für die Diener der öffentlichen Hand in anderer Weise gesorgt werde. Aber es werden doch Mittel und Möglichkeiten der öffentlichen Hand für einen Zweck eingesetzt, der diesem großen Bereich der festbesoldeten Arbeitnehmer nicht zugute kommen kann. Nun hat man z. B. gesagt, die Diener der öffentlichen Hand, abgesehen von den Beamten, seien in der sogenannten Zusatzversorgung. Deshalb sagen wir, daß der Entwurf keine klare Linie hat. Ist das eigentlich ein Entwurf zur Altersversorgung und zur Alterssicherung? Oder ist es ein Entwurf zur Vermögensbildung, wie Sie es nennen?Dann kommt die wohl der Größe der Zahl nach unterschätzte Gruppe der Mitarbeiter in den Mittel- und Kleinbetrieben in Handel, Handwerk und Gewerbe und in der Industrie. Diese Betriebe sind — wie es in der Natur der Sache liegt, wie wir wissen —, auch noch besonders arbeits- und lohnintensiv und hätten deshalb mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen, um den Anforderungen dieses Entwurfs nachkommen zu können. Es geht aber zunächst einmal um all die Menschen, die dort tätig sind. Was werden sie denn von diesem Entwurf haben? Werden sie wirklich an seinen Auswirkungen teilnehmen können? Werden sie an dem Einsatz öffentlicher Mittel wirklich einen Anteil haben?Lassen Sie mich darüber hinaus noch eine dritte Gruppe nennen, die Selbständigen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, täuschen wir uns nicht darüber, daß es heute eine ganz große Zahl von selbständig Tätigen gibt, die für sich selbst sorgen, deren Einkommen aber erheblich kleiner ist als das vieler derjenigen, die hier mit öffentlichen Mitteln begünstigt werden sollen! Wissen wir denn nicht, daß diejenigen, die wir als Selbständige bezeichnen, nicht immer ein großes Einkommen haben! All das sind doch Gesichtspunkte, über die man hinweggegangen ist.Wir haben damals in der Kleinen Anfrage an die Regierung gefragt:Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine steuerliche Förderung der Eigentumsbildung nur dann zweckmäßig und richtig ist, wenn sie von allen Staatsbürgern in gleicher Weise in Anspruch genommen werden kann?Wir haben unter Punkt 3 gefragt:Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß eine Förderung der Eigentumsbildung durch den Staat nicht dazu führen darf, daß nur eine bestimmte Gruppe von Staatsbürgern und auch diese nur dann in den Genuß dieser Förderung kommen kann, wenn sie bei bestimmten Unternehmen beschäftigt ist?Diese Frage stellen wir natürlich auch heute noch genauso.Nun möchte ich auf etwas eingehen, das sich in den bisherigen Ausführungen ergeben hat. In den bisherigen Ausführungen ist gesagt worden, und zwar von Herrn Kollege Katzer, man solle doch nicht von einem Gleichheitsgrundsatz ausgehen, es könne nicht heißen: „Jedem das Gleiche", sondern es müsse heißen: „Jedem das Seine". Nun überlegen Sie bitte einmal mit mir folgendes. Wir beanstanden, daß in diesem Entwurf öffentliche Mittel für eine Begünstigung nur eines Teiles der Bevölkerung, auch nur eines Teiles der Arbeitnehmer, eingesetzt werden. Dann sagen Sie, Herr Kollege Katzer: Man kann aus öffentlichen Mitteln nicht jedem das Gleiche, sondern nur jedem das Seine geben. Es ist ja so, daß gar keine Eigenleistung gefordert wird, auf Grund deren man etwa sagen könnte: „Jedem das Seine". Woran wollen Sie denn eigentlich „das Seine" abmessen?
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Darf ich Sie fragen: sind Sie bereit, zuzugeben, daß Ihre Argumentation jetzt überzeugender wäre, wenn Sie sich seinerzeit, als wir die Wirtschaft mit Hilfe staatlicher Mittel und Subventionen aufgebaut haben, ebenfalls in gleichem Sinne zum Wort gemeldet hätten?
Die Zwischenfrage des Kollegen Katzer darf ich vielleicht damit zurückgeben, daß ich sage: wer hat denn die Bestimmungen geschaffen, mit denen wir aus einem Notzustand heraus eine wirtschaftliche Grundlage für alles weitere aufbauen wollten?
— Haben Sie eigentlich jemals geglaubt, daß man das, was man damals als Grundlage für alle geschaffen hat, wovon wir heute alle leben und wovon wir unter anderem heute auch Sozialpolitik machen können, damit vergleichen kann, daß man einem Teil, und zwar einem ganz willkürlich herausgegriffenen Teil der Arbeitnehmer eine Begünstigung gewährt, die man anderen praktisch, wenn es auch nicht im Gesetz steht, verweigert, — unter der Devise „Jedem das Seine"? Ich kann das nicht verstehen.
Nun möchte ich zu weiteren Auswirkungen der Tatsache sprechen, daß der Großbetrieb das Leitbild war. Ich möchte es einmal folgendermaßen sagen. Wir Freien Demokraten haben für die Schwierigkeiten — wenn man einen solchen Weg gehen will — Verständnis. Wir haben Verständnis dafür, daß man den Großbetrieb als Leitbild nimmt. Warum? Weil Sie nämlich mit dem Gesetz schon im Entwurf gescheitert wären, wenn Sie auch an all die Betriebe gedacht hätten, die nicht Großbetriebe sind. Es ist also die unterschiedliche Auswirkung des Gesetzes auf der Aufbringungsseite. Diese Aufbringungsseite müssen wir genauso sehen wie das, was man mit dem tun will, was dann aufgebracht warden ist. Es ist eine unterschiedliche Auswirkung auf die Betriebsgrößen, auf die Branchen, und es ist eine unterschiedliche Auswirkung auf die Betriebe, die
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8016 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961
Dr. Starkearbeitsintensiv sind, und auf diejenigen, die nicht arbeitsintensiv sind. Ich stehe gar nicht an, für meine Fraktion zu sagen, daß wir sehr wohl wissen, daß es Branchen und Zweige gibt, die das eben können. Aber wir müssen uns zum Sprecher derjenigen machen, deren Situation betrieblich und branchenmäßig nicht so ist, daß sie das in dem gleichen Maße wie andere werden aufbringen können.Wir kennen alle doch die sozialen Belastungen und die Schwierigkeiten, die sich bereits bisher für die Mittel- und Kleinbetriebe ergeben haben. Ob es die Frage der Bemessung der sozialen Abgaben, ob es die Frage des Kindergeldes war, ob es die Frage der freiwilligen sozialen Leistungen war, überall dort stecken Schwierigkeiten, die sehr groß sind, die vor allen Dingen nicht ausgeräumt sind. Nun kommen Sie mit einem Gesetz, welches weitere und neue Schwierigkeiten für diese Betriebe bringen soll. Das ist die andere Seite des Problems, das wir hier behandeln.Wenn uns gesagt wird — das habe ich gelesen und gehört und auch heute wieder gehört —, dieser Entwurf ermöglicht es, daß jemand einem Arbeitnehmer netto 100 DM dadurch verschafft, daß er 110 oder 111 DM aufwendet und nicht mehr 170 aufwenden muß wie bisher, dann wollen wir das gar nicht bestreiten. Es geht nur darum, ob er für alle seine Arbeitnehmer aus der Situation des Betriebs oder der Branche heraus die 100 DM neben dem Lohn, neben den sozialen Leistungen aufwenden kann. Das ist doch unsere Frage, und diese Frage ist doch nicht beantwortet.Haben wir uns eigentlich einmal klargemacht, was 312 DM pro Kopf des Arbeitnehmers sind? Haben wir einmal überlegt, welchen Prozentsatz des Lohnes das ausmacht, wenn wir einmal vom jährlichen Durchschnittslohn ausgehen? Ich habe mich persönlich mit unendlich vielen unterhalten und habe mir sagen lassen, welchen Betrag das für die Betriebe ausmacht. Sie wissen ja auch, daß sich gerade in der Regierungspartei selbst erhebliche Einwendungen gegen diese gesetzliche Regelung erhoben haben. Was wird denn passieren, wenn der Mittel- und Kleinbetrieb diese Leistungen nicht aufbringen kann, wenn er sie trotz der Gefahren, die damit für ihn verbunden sind, nicht aufbringt? Nun, wir werden es bei unserer Vollbeschäftigung, die wir ja alle auf unsere Fahnen geschrieben haben, erleben, daß diese Betriebe erneut benachteiligt werden.Gehen wir einmal davon aus, daß das nicht die Absicht der Regierungspartei ist. Natürlich ist sie das nicht. Aber wir müssen doch einmal auf die Dinge hinweisen, die eben eintreten müssen, nicht nur eintreten werden, auch wenn man sie an sich vielleicht nicht will. Es geht dabei insbesondere um den Nachwuchs, um die Jugendlichen, die vielleicht nicht schon so sehr mit einem Betrieb verhaftet sind. Dort wird dieser Gesichtspunkt eine Rolle spielen: bei denen, die neu in den Arbeitsprozeß hineingehen. Was werden sie suchen, und was werden sie dann tun müssen? Sie werden sich ganz natürlich ihre Chancen ausrechnen, und dazu tragen die Bestimmungen dieses Gesetzes in diesem Zeitpunkt, im Jahre 1961, bei. Der Bundesrat hat ja die Frage einer dreijährigen Frist aufgeworfen. Darüber wird man sehr eingehend in den Ausschußverhandlungen sprechen müssen.Wenn ich diese Fragen so übersehe und überdenke, muß ich einen Ausspruch des Kollegen Burgbacher bringen. — Ich weiß nicht, ob der Herr Kollege Burgbacher dieses Wort gebraucht hätte, wenn er vor mir gesprochen hätte; so bin ich genötigt, es vorweg zu bringen. Es ist ein früherer Ausspruch von ihm. — Wenn man die Gefahren für die große Masse der Betriebe bis in die selbständigen und freien Berufe hinein in ihren Büros bedenkt — die Gefahren, die wir hier aufzeichnen — und sie damit abtut, daß man sich schließlich nicht „nach dem langsamsten Schiff im Geleitzug" richten könne, dann frage ich mich, ob man das wirklich vertreten kann. — Dieses Wort stammt doch von Ihnen, Herr Burgbacher. — Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Freie Demokratische Partei und, wie ich glaube, auch viele aus der Regierungspartei lehnen dieses Wort ganz scharf ab; denn wenn Sie sich nach dem schnellsten oder auch nur nach den schnelleren Schiffen im Geleitzug richten, geben Sie die langsameren auf, und das kann doch nicht der erklärte Sinn dieses Gesetzentwurfes sein. Aber wenn man einen solchen Vergleich gebraucht, muß man natürlich den Vergleich auch zu Ende denken.Nun ist noch ein Zweites gesagt worden, und das liegt in der gleichen Richtung. Ein Mitglied der Regierungspartei sagte etwa im August in der „Welt", wenn das Gesetz dahin führe, daß der Arbeitnehmer von Betrieb zu Betrieb wechsle, wenn dies nach diesem Gesetz mit Hilfe der Steuervergünstigungen geschehen könne, sei das eine wohltätige Bewegung, die in die erstarrten Fronten auf dem Arbeitsmarkt komme. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, das können doch nicht die Auswirkungen sein, die die große Regierungspartei im Ernst als Wunschziel mit diesem Gesetzentwurf verbindet!Die Frage ist nun, ob man ein solches unvollkommenes System auf der Seite derer, die das Geld aufbringen sollen, und auf der Seite derer, die damit begünstigt werden sollen, wirklich mit öffentlichen Mitteln stützen soll. Sie wissen, daß diese steuerlichen Begünstigungen auf den verschiedensten Seiten einsetzen. Bei der Lohnsteuer ist es eine 50%ige Ermäßigung! Das sind Mittel, die eingesetzt werden, die man vielleicht doch nicht nach dem Grundsatz „Jedem das Seine", der hier gebracht worden ist, verwenden sollte.Wir müssen aber auch daran denken, daß in dem Gesetz die Befreiung von den Sozialversicherungsabgaben erwähnt wird. Da müssen wir uns darüber klar sein, daß die bisherige Befreiung von Sozialversicherungsabgaben nach § 2 der LohnsteuerDurchführungsverordnung etwas ganz anderes begünstigte, nämlich eine wirkliche Alterssicherung. Dagegen wissen wir hier doch noch gar nicht, was daraus werden wird. Hier ist es nur eine begrenzte Festlegung. Kann man dann, wenn sich das in größerem Umfang einspielt, die Frage der Befreiung von den Sozialversicherungsbeiträgen wirklich so regeln,
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961 8017
Dr. Starkewie es in diesem Gesetz vorgesehen ist? Geht man damit nicht gesetzgeberisch weit über das hinaus, was man heute bereits an Erfahrungen gewonnen hat? Auch hierzu sind von anderer Seite Vorschläge gemacht worden, auf die wir in den Ausschüssen zurückkommen werden.Ein Weiteres! Meine Damen und Herren, der Bundesrat hat dazu sehr deutlich Stellung genommen. Er hat gesagt, daß diese Ergebnisbeteiligung in ihrem System und ihren einzelnen Elementen noch gar nicht festliegt, daß es sehr schwierig sein wird, das im Betrieb wirklich herauszuarbeiten. Man muß also überlegen, wie das gemacht werden soll.
Wir befürchten, daß dadurch die betriebliche Kontrolle und Mitbestimmung in einem Ausmaß ausgedehnt werden, wie es für die große Masse der Mittel- und Kleinbetriebe niemals durchführbar ist. Das möchten wir als eine große Gefahr an die Wand malen.Wenn wir daran denken, daß im Bundesrat bereits über die Frage der Einschaltung des Betriebsrats verhandelt worden ist, daß darüber hinaus im Bundesrat wie heute in diesem Hohen Hause auch die Frage der tarifvertraglichen Regelung angeschnitten worden ist, dann wissen wir doch, auf welchem Wege wir uns befinden. Wir wissen auch, daß bereits die Frage angeschnitten und behandelt worden ist, inwiefern ein Streikrecht besteht, um eine günstige Regelung der Ergebnisbeteiligung zu erreichen. Ist das eigentlich das, was wir im Augenblick brauchen? Das sind die Fragen, die für uns hier entstehen.Dabei möchte ich noch einmal darauf zurückkommen, was der Bundesrat deutlich gesagt hat. Um was handelt es sich letzten Endes bei ail den neu gebildeten Begriffen? Um einen Prämienlohn mit Zwangssparcharakter. Meine sehr geehrten Damen und Herren, und deshalb macht man das alles? Kann man das nicht auf einem besseren Weg ohne staatliche Zuschüsse - die nicht allen zugute kommen — auch erreichen?
— Ich meinte jetzt die Steuerbegünstigung.
Wir sind uns heute darüber klar, und zwar alle in diesem Hohen Hause — nicht nur von der Sozialdemokratischen Partei wird das gesagt —, daß eine echte Ergebnisbeteiligung, ein echtes Miteigentum, von dem in Ihrer Partei ja die Rede war, doch gar nicht drin ist. Warum machen wir das nicht in einer gesunden Weise, so daß alle gemeinsam daran teilnehmen können? Die große Frage ist, ob es überhaupt notwendig war, dazu dieses Gesetz zu bringen, ob dieses Gesetz nicht überhaupt nur ein Wahlschlager ist, von dem wir noch gar nicht wissen, welche wirklichen und echten Folgen daraus entstehen und auf welchen Weg wir hier gehen.Ich habe mir sagen lassen, daß heute morgen der Herr Bundeswirtschaftsminister — ich konnte leider erst einen Augenblick später kommen, weil ich wegen einer Erkältung beim Arzt war — ziemlich deutlich gesagt hat, welche Gefahren mit dem Gesetz verbunden sind, und dann erklärt hat: Na ja, schließlich muß man es erst einmal machen. Ich weiß nicht, ob man bei diesem Gesetz nicht allen, die unsere Auffassung nicht teilen, zurufen sollte: Wehret den Anfängen! Wir glauben nicht, daß das ein guter Weg ist.Nun ist es so, daß die Beteiligung und die zusätzlichen Leistungen des Betriebes nichts sind, was durch diesen Entwurf ganz neu angeschnitten wird, sondern es sind Dinge, die draußen in der Praxis bereits in einer unendlichen Vielfalt praktiziert werden.
— Sie sagen „na also". Ich möchte fragen: Sind wir uns darüber klar, daß diese Vielfältigkeit der Regelungen darauf beruht, daß die Verhältnisse in den Betrieben völlig individuell sind und daß man nur betriebsindividuell vorgehen kann,
daß man also den Großbetrieb nicht als Leitbild hinstellen kann?Der Bundesrat hat gesagt, man müsse sich fragen, ob das von der Bundesregierung angestrebte Ziel mit diesem Gesetzentwurf erreicht werde. Wir möchten darüber hinaus fragen: Schadet dieses Gesetz nicht einer Entwicklung, die sich draußen betriebsindividuell vollzieht? Bei den Klein- und Mittelbetrieben besteht die große Sorge, daß —wie der Herr Bundeswirtschaftsminister heute morgen gesagt hat — jedes Unternehmen diese „freiwillige" Leistung erbringen muß, wenn es angesichts der Arbeitsmarktlage nicht benachteiligt werden will. Es handelt sich also, wenn Sie so wollen, um eine freiwillige Gezwungenheit oder eine erzwungene Freiwilligkeit. Das ist die Ursache der Unruhe, die draußen bemerkbar ist. Wenn Sie sie nicht festgestellt haben, dann werden Sie sie vielleicht zu spüren bekommen, nachdem dieser Gesetzentwurf hier behandelt worden ist.Das also wollte ich zum Schluß sagen: Dieser Entwurf schadet nicht nur möglicherweise, sondern mit Sicherheit einer sich vollziehenden Entwicklung, die man weiterlaufen lassen sollte, die man hätte beobachten sollen, um aus den Erfahrungen Folgerungen zu ziehen, die man aber nicht mit einer Regelung abbrechen sollte, welche nach einem Leitbild geschaffen worden ist, das der Situation der großen Zahl der Wirtschaftsbetriebe nicht entspricht.Wir lehnen das Gesetz in seiner heutigen Ausgestaltung ab. Wir lehnen es ab wegen seiner Mängel, wegen der Unklarheiten der Auswirkungen im weiteren Verlauf und wegen der Gefahren, die wir damit verbunden sehen. Es kommt jetzt auf unsere Mitarbeit in den Ausschüssen an. Dabei muß insbesondere die Frage der Eigenleistung erörtert werden und überlegt werden, wie sichergestellt
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8018 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961
Dr. Starkewerden kann, daß die Angestellten nicht benachteiligt werden. Ferner wird die Frage der dreijährigen Frist und werden einige weitere Einzelheiten, die uns bereits aufgefallen sind, von deren Erwähnung ich heute aber Abstand nehmen will, zu erörtern sein.Lassen Sie mich schließlich noch kurz umreißen, welche Vorstellungen wir haben. Zunächst einmal müssen wir, wie so oft, der Bundesregierung sagen, daß wir es lieber gesehen hätten, wenn man sich in der Eigentumspolitik und in der Gesellschaftspolitik rechtzeitig auf eine Linie geeinigt und diese Linie dann in einem Entwurf ausgebaut hätte, anstatt dieses Hin und Her zu veranstalten, das wir hier wie bei der Konjunkturpolitik feststellen mußten. Im Augenblick hat jedes Ressort seine eigene Eigentumspolitik, seine eigene Gesellschaftspolitik vor Augen.
Die Freie Demokratische Partei hat von Anfang an ihre ganze Kraft darauf ausgerichtet, die Realeinkommen der Bevölkerung zu erhöhen, also das, was jeder für seine Leistung real in die Hand bekommt. Und wir wollen, daß er das, was er real erhält, eigenverantwortlich und nach seinem freien Willen verwenden kann. Diese Politik hat doch große Erfolge durch eine Steigerung des Lebensstandards erzielt! Eigentum für breite Schichten schaffen — das ist der Sinn von Eigentumspolitik— kann man nicht in kurzer Zeit, sondern das ist eine Frage von Jahren.
Wer aber von Ihnen will denn sagen, daß Ihre eigene Politik so schlecht war, daß man zu einem solchen Entwurf greifen muß?! Sind wir nicht auf einem Weg, auf dem für breite Schichten tatsächlich eine bessere Situation eingetreten ist?! Können wir nicht auf diesem Wege weitergehen?!
- Meine sehr geehrten Damen und Herren, Siekönnen nicht leugnen, daß diese Politik, die in diesem Punkte mit unserer Zustimmung, unserer Mitarbeit in der Regierung und in der Opposition betrieben worden ist, Erfolge hatte. Diese Erfolge sollten Anlaß sein, jetzt nicht von dem Wege abzugehen, der zu einer generellen Steigerung des Realeinkommens führt.
Zur Eigentumsbildung gehört — neben den Realeinkommen — ein Zweites: der Sparwille! Es wurde hier so oft von der Sparfähigkeit gesprochen. Selbstverständlich muß einer etwas haben, wenn er sparen will. Aber Sie können doch nicht mehr sagen, daß es keinen Menschen mehr gebe — die Steuervergünstigungen wurden hier erwähnt —, der noch sparen könnte. Daß ist doch eine falsche Auffassung, die wir diesem Entwurf vorwerfen. DerSparwille ist die Voraussetzung zur Vermögensbildung.
Diesen Sparwillen möchten wir Freien Demokraten ideell und materiell stützen.
Wir müssen uns nur darüber klar sein, daß derSparwille ein ganz ausschlaggebendes Moment ist.
Betrachten Sie einmal die Entwicklung in Deutschland und in anderen Ländern im 19. Jahrhundert. Dort wurde Eigentum aus Einkommen gebildet, die im Verhältnis zu heute eine kleinere Grundlage für das Vermögen darstellten. Es waren damals kleine und kleinste Einkommen; es hing also alles ganz wesentlich von dem Sparwillen ab.Mir kommt es darauf an, der Regierungspartei folgendes zuzurufen. Es sieht gerade in der letzten Zeit so aus, daß Sie das Ganze immer stärker als ein rein quantitatives Problem ansehen.
Sie sehen es nicht als ein psychologisches Problem an.
— Ich weiß nicht, Herr Kollege Burgbacher, was Sie mit diesem Einwand sagen wollen. Ich habe nicht— wie andere — davon gesprochen, daß 312 DM zuwenig seien. Wir gönnen jedem die 312 DM. Ich habe vielmehr von den Auswirkungen auf die Aufbringungsseite gesprochen. Man macht sich falsche Vorstellungen darüber, wie sich das auswirkt.Rein organisatorische technische Voraussetzungen, die man schafft, werden allein nicht genügen, um die Spardisziplin zu erzeugen, die man braucht, wenn man es wirklich zu Eigentum und Vermögen bringen will. Das hat gar nichts damit zu tun, daß ich jemanden diffamieren will. Seien wir uns doch über folgendes ganz klar: Auch unter den Menschen, die, sagen wir, ein mittleres Einkommen haben, finden wir noch eine ganz verschiedene Einstellung zu der Frage, ob man sich ein Eigenheim bauen soll oder nicht oder ob man in anderer Form sichtbares Eigentum bilden soll. Das sind die Fragen, die in diesem Entwurf nicht genügend berücksichtigt sind.Hinzu kommt nun ein weiteres Moment. Vergessen wir nicht, daß viele Maßnahmen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Regierungen der verschiedensten Staatssysteme getroffen worden sind, dazu beigetragen haben, den Sparwillen zu töten. Erinnern wir uns doch daran, daß nach dem Kriege das Wort Keynes von dem sanften Tod des Rentners ganz groß geschrieben war.Das alles aufzubauen, ist ein Sache, die man nicht von heute auf morgen und auch nicht mit einem Gesetz tun kann, in dem man von Vermögensbildung spricht. Hier handelt es sich um eine breite Steigerung des Realeinkommens, Hier muß sich erstDr. Starkewieder ein Sparwille bilden; dann kann sich auch eine Eigentumsbildung vollziehen.Diesen Sparwillen möchten wir nicht nur ideell, sondern auch materiell stützen. Von Ihnen selber ist vorhin das große Vermögen erwähnt worden, das sich in der Wirtschaft gebildet habe. Nun, wir sind nicht der Ansicht, daß hieran nichts geändert werden könnte, daß hier nicht auch Maßnahmen getroffen werden müßten. Aber wir glauben, daß vor allem das Vermögen, das sich in einem gleich großen Umfang bei der öffentlichen Hand gebildet hat, herangezogen werden sollte.
— Wir haben immer den Standpunkt vertreten, daß das Wirtschaftsvermögen des Bundes selbstverständlich reprivatisiert werden sollte, meinen aber, daß man noch weit darüber hinausgehen sollte. Wir werden uns erlauben, Ihnen dazu in den Ausschüssen Vorschläge zu machen.
Durch die Reprivatisierung sowie dadurch, daß keine Vermögensbildung bei der öffentlichen Hand über den klassischen Zweck hinaus stattfindet, ferner durch Sparsamkeit in den Ausgaben auf allen Gebieten, werden Mittel frei, die man dann für steuerliche Begünstigungen auf breitester Front und nicht nur so, wie es hier geschieht — wo sie nicht jeder bekommen kann —, verwenden kann, um den Sparwillen materiell zu unterstützen. Unter diesen Umständen und für diesen Zweck sind wir auch bereit, das Prämiensparen neben steuerlichen Vergünstigungen auf breitester Front zu befürworten. Wir sind sogar bereit, von dem Prämiensatz von 20 % vielleicht — aber darüber muß man noch sprechen — auf 25 % zu gehen; das kommt dann allen und nicht nur gewissen Teilen der Arbeitnehmerschaft zugute.Das sind die Fragen, die uns in den Sinn gekommen sind. Es ist also nicht nur ein quantitatives Problem, vor dem wir stehen, sondern auch eine Frage des Willens, den man materiell und ideell im Rahmen einer Gesamtpolitik, im Rahmen einer Gesellschaftspolitik stützen muß, bei der es keine Ausschnitte gibt, bei der nicht eine Begünstigung nur gewisser Personenkreise stattfindet. Nach den Diskussionen, die wir im Jahre 1960 geführt haben, ist uns wohl allen klar: die Grundlage bleibt die Aufrechterhaltung der Kaufkraft der Währung.
Lassen Sie es mich noch einmal sagen: ganz so einfach ist es doch nicht, daß man nur ein Gesetz zu machen brauchte. Der Bundesrat hat dazu ein außerordentlich treffendes Wort gesagt: Es ist, ob man es nun Lohn, Prämienlohn oder wie sonst immer nennt — eine Kostenerhöhung.Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kostenerhöhungen haben ihre Auswirkungen. Wir müssen uns doch darüber klar sein, daß die Aufrechterhaltung der Kaufkraft der Währung die Grundlage bleiben muß, daß aber die ständig wachsende Kostenbelastung der Wirtschaft in einem inneren Zusammenhang damit steht. Ich wollte Sie deshalb noch einmal darauf hinweisen: ob Sie es nun Ergebnisbeteiligung oder wie immer nennen, es bleibt eine Kostenbelastung. Das ist ja auch der Grund, weshalb die Auswirkungen auf die Betriebsgröße und die Betriebsart so verschieden sind.
— Meine Damen und Herren, es ist eine Kostenbelastung, die Sie jetzt hier neu einführen, Das wollteich Ihnen zum Schluß noch einmal vor Augen führen.
Wir werden um diesen Gesichtspunkt nicht herumkommen, wenn wir uns immer wieder vor Augen halten, daß die Grundlage jeder Eigentumspolitik die Aufrechterhaltung der Kaufkraft der Währung ist. Die Eigentumsbildung, der Sparprozeß ist eine Frage von langen Jahren. Darum spielt die Aufrechterhaltung der Kaufkraft der Währung über Jahre hin die größte Rolle.Wir haben angekündigt, daß wir bei der Beratung dieses Gesetzes in den Ausschüssen sehr eifrig mitarbeiten wollen. Ich möchte, weil ich gehört habe, daß das nicht beabsichtigt sei, den Antrag stellen, daß angesichts der außerordentlichen Auswirkung, die dieses Gesetz auf die mittelständischen Betriebe hat, der Mittelstandsausschuß als mitberatender Ausschuß eingesetzt wird.
— Wenn Sie mir jetzt schon sagen, daß Sie diesem unserem Wunsche stattgeben, sind wir darüber ganz besonders glücklich.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Burgbacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erfreuliche Aussprache an diesem Vormittag hat, soweit man bis jetzt erkennen kann, Gemeinsames durch alle drei Fraktionen gezeigt. Das eine ist das Bekenntnis zum personengebundenen Eigentum, worüber wir besonders glücklich sind, da das nicht immer selbstverständlich in diesem Hause war. Das andere ist die heftig ausgebrochene Liebe der Fraktionen zum Mittelstand. Auch darüber sind wir sehr glücklich; denn auch das war nicht immer so. Ich glaube, daß alle Fraktionen Gelegenheit haben, möglicherweise noch während der Beratung des heute anstehenden Gesetzes, durch entsprechende Abstimmungen über Vorschläge zu mittelstandsfördernden Maßnahmen die heute deklarierte Liebe tatkräftig zum Ausdruck zu bringen.
Dieses Gesetz ist ein kleiner Teil einer Gesamtkonzeption, Teil einer Politik, die wir seit Jahren betreiben und die wir, solange das Vertrauen des deutschen Volkes es uns erlaubt, in kommenden Jahren konsequent weiter zu verfolgen beabsich-
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Dr. Burgbachertigen. Es ist die Politik, den jedes Jahr entstehenden volkswirtschaftlichen Vermögenszuwachs in einer anderen Form als in der Vergangenheit zu streuen, nicht verstärkt auf Bildung von öffentlichem Eigentum und nicht verstärkt auf Bildung von Unternehmenseigentum gerichtet, sondern auf personenbezogenes Eigentum. Wenn wir dabei erklären, daß das rechtmäßig erworbene Eigentum geschützt ist, müssen wir ebenso ernsthaft und klar herausstellen, daß unsere Politik auf die Förderung der Eigentumsbildung in Personenhand durch die Streuung des volkswirtschaftlichen Vermögenszuwachses gerichtet ist. Daß Eigentum sich nicht durch Zwang bilden kann, wissen wir alle. Es zu bilden oder nicht, steht der freien Entscheidung des einzelnen zu. Aber diese Entscheidung anzuregen und zu fördern ist eine politische Aufgabe. Auf diesem Gebiet stehen wir, wie wir gerne zugeben, in der ersten und nicht in der letzten Etappe.Es ist wiederholt von Sparwilligkeit und Sparfähigkeit gesprochen worden. Die Sparwilligkeit ist von uns in dieser Politik der letzten Jahre angeregt worden durch die Sonderbestimmungen des Einkommensteuerrechtes, durch das Bausparprämiengesetz, durch das Sparprämiengesetz, durch die Sozialkurse bei der Preußag-Privatisierung und durch die sozialen Rabatte bei der VW-Privatisierung.Der Stärkung der Sparfähigkeit dienten letztlich alle Reformen des Einkommensteuerrechtes, insbesondere ,des Lohnsteuerrechts, besonders auch die Einführung des sogenannten Splittings, schließlich die Gewerbesteuerreform. Ich darf hier bemerken, daß durch die Freistellung von 11 Millionen Arbeitnehmern in der Bundesrepublik von jeder direkten Steuer deren Sparfähigkeit zweifellos verbessert worden ist.Das Ziel unserer Politik muß selbstverständlich sein, daß wir in systematischer Ordnung — aber nicht alles auf einmal — allen Ständen dieses Volkes zu der Möglichkeit verhelfen, aus eigenem Entschluß und gefördert durch staatliche Maßnahmen zu Eigentum zu kommen. Ich spreche dabei — das liegt in der Natur der Sache — alle Arbeitnehmer und den Mittelstand als die Stände an, denen unsere besondere Aufmerksamkeit auf diesem Gebiet zu gelten hat.Ich möchte aber klarstellen, daß Eigentumspolitik nicht etwa heißt, es könne ihretwegen auf die möglichen Maßnahmen zur Sicherung der Altersversorgung verzichtet werden. Einem Volk in einem hochindustrialisierten Staate ist es nicht mehr möglich, aus Erspartem, aus Zinsen, die aus dem Eigentum fließen, das Alter zu sichern. Die Produktivität, die in früheren Jahrhunderten sehr stark bei den Kapitalkräften aller Art lag, hat sich in hohem Maße — unter Überrundung also ,der Produktivität des Kapitals — verlagert auf die Produktivität der technischen Kräfte, die dem Menschen zur Verfügung stehen und von ihm genutzt werden nach der These „Macht euch die Erde untertan". Aus diesem Grunde ist Eigentumspolitik und Altersvorsorgepolitik kein Widerspruch, sondern eines die notwendige Ergänzung des anderen. Das eine zu pflegen erlaubt nicht, auf das andere zu verzichten.Zur Zeit haben wir in der Bundesrepublik — unter allem Vorbehalt, ob die Statistik zuverlässig ist — ein volkswirtschaftliches Vermögen von rund 1000 Milliarden DM. Wenn sich davon etwa 40 0/o in öffentlicher Hand befinden, bleiben noch 600 Milliarden DM Gegenstand einer weiter gehenden Betrachtung. Weiter wissen wir, daß wir 15 Millionen Haushalte haben. Somit ergibt sich — rein statistisch, rein theoretisch —, daß der Haushaltsanteil mit 40 000 DM anzusetzen wäre. Das ist ein Betrag, von dessen Zinsen keine Familie und kein Mann nach dem heutigen sozialen Standard leben kann. Eine solche Feststellung entlastet uns aber nicht davor, die Maßnahmen anzusteuern, die eine bessere Vermögensverteilung ermöglichen.Die Zeit ist vorgeschritten; es sind schon eine Menge Zahlen genannt worden. Ich will für heute auf den Vortrag der Zahlen, die ich mir aufgeschrieben habe, verzichten, damit die Kollegen, die sich noch zum Wort gemeldet haben, nicht vor völlig leerem Hause sprechen müssen.Wir müssen bei unserer Eigentumsbetrachtung auch den Vermögenswert einer Altersversorgung würdigen. Ich habe mir von einem Versicherungsmathematiker ausrechnen lassen, daß nach der bestehenden Regelung .der dynamischen Rente — wie ich sie einmal nennen will - der Barkapitalwert dieses Anspruches, der gesetzlich fundiert und deshalb ein Eigentumstitel ist, bei 40 Lebensjahren etwa 14 000 DM, bei 50 Lebensjahren etwa 25 000 DM und bei 60 Lebensjahren etwa 40 000 DM beträgt. Ich habe mir auch den Barkapitalwert einer Beamtenpension von monatlich 500 DM bei angenommener 15jähriger Zahlungszeit ausrechnen lassen; er beläuft sich — immer 5 % Zinsen gerechnet — auf 65 000 DM. Das dürfen wir nicht außer Betracht lassen, wenn wir über die Frage meditieren, wieweit eine Altersversorgung einen Teil der Bevölkerung und wieweit sie andere nicht erfaßt.Der vorliegende Gesetzentwurf ist — wer möchte etwas Kühneres behaupten — ein bescheidener Beitrag zur Lösung des Gesamtproblems, wie alle unsere Beiträge, aber auch richtungweisend. Ich sage das ausdrücklich, auch auf die Gefahr hin, daß es bei einigen Mitgliedern dieses Hohen Hauses bei dem Wort „richtungweisend" eine Art Gänsehaut gibt. Er ist richtungweisend insofern, als wir nicht nur die Eigentumsbildung, sondern auch Überlegungen anregen wollen. Es soll jeder überlegen, daß nicht nur das Einkommen für ihn erstrebenswert ist, das er sofort wieder verzehrt, sondern daß es erstrebenswert ist, auch unverzehrbares Einkommen zu haben, ja, daß in gewisser Beziehung sogar die Höhe des ihm möglicherweise zu zahlenden Arbeitseinkommens mit bestimmt wird durch seinen Entschluß, wieweit er nur Konsumlohn und wieweit er auch Sparlohn haben will.
Es würde aber zu weit führen, diese volkswirtschaftliche Betrachtung hier auszuspinnen. Die es angeht, haben sie ohnehin verstanden.
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Dr. BurgbacherPrivilegiert sind die 312 DM nur bei der Sozialversicherung. Das Lohnsteuerpauschale von 10% kann man nicht als eine Privilegierung bezeichnen.
Das Durchschnittssteueraufkommen von der lohnsteuerpflichtigen Gesamtsumme beträgt nämlich 8 %, und es ist durchaus noch nicht klar, ob einige Freunde von uns sich in der Ausschußberatung mit den 10 % zufriedengeben werden.
Der Satz von 10 % ist, das muß ich der Korrektheit halber sagen, vom Bundesfinanzminister damit begründet worden, daß zwar der Durchschnittssatz 8 % betrage, daß aber dann, wenn zu dem Durchschnitt etwas hinzukomme, der dafür in Frage kommende Steuersatz natürlich über dem Durchschnittssatz liege. — Auch das ist eine an sich richtige Beweisführung.
Zu dem hier angestellten Vergleich mit Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes kurz folgendes. Der Vergleich mit den Beamten ist überhaupt nicht möglich. Der Beamte hat eine vom Staat garantierte hohe Altersversorgung. Die haben die anderen nicht. Außerdem ist die Mentalität in der Besoldungsordnung und in der Besoldungsbegründung für die Beamten eine andere. Seine Altersversorgung ist schwer leistungsbezogen zu machen. Ich meine das nicht als „Pflaume", sondern ernst.Anders könnte es bei Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes sein, die soziologisch, der Struktur nach in der Tat zu den Arbeitnehmern gehören. Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß es für diese Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes eine Sondereinrichtung gibt, nämlich die Zusatzversorgungsanstalt, von der sie eine gegenüber anderen Arbeitnehmern zusätzliche Altersversorgung erhalten. An diese Anstalt werden 7 % der Lohn- oder Gehaltssumme als Beitrag gezahlt; ungefähr 4,6% werden vom Arbeitgeber übernommen. Nimmt man an, daß das Durchschnittsjahreseinkommen von Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes zwischen 6000 und 7000 DM liegt, und rechnet man davon rund 4 1/2%, so ergibt sich — merkwürdigerweise und für uns erfreulicherweise —, daß mindestens der gleiche Betrag auf diesem Wege völlig lohnsteuerfrei, völlig sozialversicherungsfrei allen Arbeitern und Angestellten des öffentlichen Dienstes zugute kommt.Wir haben in diesem Geestzentwurf auch vorgesehen, daß die mitarbeitenden Angehörigen in mittelständischen Betrieben hinsichtlich der 312 DM die gleichen Möglichkeiten haben sollen. Ich möchte noch einmal sagen: es handelt sich um 2,6 Millonen mitarbeitende Familienangehörige, in den meisten Fällen des Mittelstandes, die diese Vergünstigungen ebenfalls haben sollen.Nun ist viel darüber gesagt worden, ob es sich hier um Freiwilligkeit oder Zwang handle. Es handelt sich um Freiwilligkeit.
Freiwillig ist die Betriebsvereinbarung, frei ist der Mann in seinem Entschluß, ob er die 312 DM so haben will, wie nach dem Entwurf vorgesehen ist, oder ob er sie wie jedes andere Einkommen lohnsteuer- und sozialversicherungspflichtig haben will. Ich möchte wissen, wie auf dieser Ebene überhaupt von einem Zwang gesprochen werden kann.Nun ist gesagt worden: Wer ein solches Gesetz macht, der kann zwar juristisch die Freiwilligkeit statuieren, de facto ist es trotzdem Zwang. Ich will nicht behaupten, daß diese Überlegung auszuschließen ist. Ich bestreite aber, daß das Gesetz zu dieser Überlegung führt. Wenn die Arbeitsmarktlage das souveräne Verhalten der Beteiligten bei der Ordnung ihrer Lohn- und Gehaltsbeziehungen erlaubt, dann ist die Freiwilligkeit nicht nur nach dem Gesetz, sondern auch in Wirklichkeit gegeben. Zwingt aber die Arbeitsmarktlage zur Anwendung des Gesetzes, dann müßte ohne dieses Gesetz unter anderem Titel auf Grund der Arbeitsmarktlage auch gezahlt werden.
Bei solcher Arbeitsmarktlage würde ein Zwang zur höheren Besoldung mit und ohne Gesetz bestehen.Es bleibt dann nur noch die Tatsache, daß ein Teil des Konsumlohns durch das Gesetz in vermögensbildenden Lohn umgewandelt wird. Das aber ist nicht nur sozialpolitisch, sondern auch wirtschaftspolitisch und konjunkturpolitisch richtig; es trägt zur Normalisierung des Kapitalmarktes bei. Hier sei die Feststellung erlaubt, daß nur das sozialpolitisch richtig ist, was auch wirtschaftspolitisch richtig ist, und umgekehrt.Sehen Sie es bitte als einen symbolhaften Vorgang an, daß der Gesetzentwurf heute vormittag zunächst von dem Herrn Minister für Arbeit und Sozialordnung und dann von dem Herrn Minister für Wirtschaft eingebracht und begründet worden ist. Wir beabsichtigen von dieser Einheit von Gesellschaftspolitik und Sozialpolitik nicht abzuweichen.
Daß die Regelung nur betriebsindividuell sein kann, liegt in der Natur der Sache. Sie ist nicht nur betriebsindividuell wegen der Branchenverschiedenheit, sondern auch wegen der Betriebsgröße, und ist weiter davon abhängig, ob ein Unternehmen eine oder mehrere Betriebsstätten hat und diese vielleicht noch in verschiedenen Teilen des Landes. Man sollte daher nicht fordern, daß eine leistungsbezogene Maßnahme, wenn sie einigermaßen gerecht sein soll, anders als betriebsindividuell durchgeführt wird. Die Bemessungsgrundlagen sind sehr verschieden. Bemessungsgrundlage können der Umsatz, die Stückzahl, der Durchschnittserlös, die Menge, das Gewicht, der Bruttoertrag und vielleicht auch der Reinertrag sein. Aber der Kerngedanke, der darin steckt, daß die Teilnahme und das Interesse aller Belegschaftsmit-
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Dr. Burgbacherglieder an Rationalisierung und Modernisierung geweckt werden, ist doch wahrhaftig gui. An der Verwirklichung dieses Gedankens sollten nicht nur die Großbetriebe, sondern auch und manchmal sogar vorab die Mittelbetriebe besonders interessiert sein.Wir haben in der Bundesrepublik im letzten Jahr eine Steigerung der Lohn- und Gehaltssumme von rund 13 Milliarden DM zu verzeichnen. Seien wir optimistisch und nehmen wir einmal an, daß im Laufe von einigen Jahren 5 Millionen Arbeitnehmer die Vergünstigungen nach dem neuen Gesetz auf der Grundlage von Betriebsvereinbarungen in Anspruch genommen haben werden. Das bedeutet dann 1 1/2 Milliarden DM an Lohn- und Gehaltssumme. Wir wissen alle, daß die Lohn- und Gehaltsbewegung auch in diesem Jahre nicht aufhören wird. Wir hoffen, daß die Produktivität weiter zunimmt. Es ist kein volkswirtschaftliches Problem, das Gesetz in der wirtschaftlichen Entwicklung so anzuwenden, daß es keinerlei störende, sondern nur fördernde Wirkungen hat.Ich komme nun zu einigen Ausführungen des Herrn Kollegen von der FDP. Sie haben das Gesetz kritisiert. In der Ablehnung jeglicher Umverteilung sind wir einig. Sie haben auch einige Anregungen gegeben, aber nicht in der konkreten Form der Vorschläge, die in dem Gesetz verwirklicht sind.Sie haben gesagt, beim Arbeitnehmer könne man nicht von einer eigenen Leistung sprechen; ich hoffe, daß ich richtig gehört habe. Nach dem Gesetz handelt es sich um einen Teil des Leistungslohns. Ich möchte Sie höflichst darauf aufmerksam machen, daß die Leistung des Arbeitnehmers in seiner Arbeit liegt und daß es hier ebensowenig einer besonderen auf den speziellen Zweck ausgerichteten Leistung bedarf wie z. B. bei den Wirtschaftsunternehmen. Für die Inanspruchnahme der Bestimmungen der 7erGruppe des Einkommensteuergesetzes haben diese keinerlei andere Leistungen nachzuweisen als ihre allgemein anerkannten betriebs- und volkswirtschaftlichen Leistungen; es wird keine auf die Bestimmung bezogene Sonderleistung von ihnen verlangt.Sie sagen, Herr Dr. Starke, das Gesetz müsse für alle gültig sein. Ich muß darauf anworten: Dann habe ich Ihre Parteigrundsätze bisher mißverstanden. Ich war bisher der Meinung, daß gerade Ihre Partei personenbezogenen Vorgängen besonders verbunden ist und daß sie individuelle Betrachtungen den kollektiven Betrachtungen eigentlich vorzieht. Wenn Sie sagen, daß ein sozialpolitsches Gesetz für alle gültig sein müsse, so muß ich Sie höflich darauf aufmerksam machen, daß Sie dann aber auch andere wirtschaftspolitische Grundsätze eines vollkommenen Liberalismus, den Sie vertreten, für alle gültig machen müssen.
Wir haben von der Politik der Vergangenheit nichts wegzunehmen. Wenn wir noch einmal so kapitalarm anfangen müßten, würden wir ungefähr dasselbe tun, was wir bisher getan haben.
Aber das Leben hört nicht auf zu fließen. Die Politik hört nicht auf in ihren Versuchen, eine Lösung herbeizuführen, die Gerechtigkeit mit Freiheit verbindet. Durch die richtigen Ansätze haben wir Vollbeschäftigung, hohe Produktivität und ein hohes soziales Standing erreicht. Was wir nicht erreicht haben, ist die Vermögensverteilung, die wir haben wollten und wollen.
Nachdem die soeben genannten drei Ziele — wenn Sie mir diese Vereinfachung erlauben — erreicht sind, ist es unsere Pflicht, die Maßnahmen, die hinsichtlich Produktivität, Vollbeschäftigung und soziales Standing Erfolg gehabt haben, nunmehr mit der gleichen Entschlossenheit auch im Hinblick auf die Vermögensverteilung in Angriff zu nehmen.
Dieses Gesetz ist nicht Leitbild für den Großbetrieb, es ist im Hinblick auf die Leistungsbezogenheit eines geringen Lohnanteils Leitbild für jeden Betrieb. Ich halte es nicht für glücklich, ich halte es sogar für verhängnisvoll, wenn man hier die These ausspricht: Großbetriebe sind leistungsfähig, und Mittelstandsbetriebe sind nicht leistungsfähig.
Ich kenne sehr viele Mittelstandsbetriebe, die sich in ihrer Leistungsfähigkeit im modernen Wirtschaftsprozeß nicht nur behauptet haben, sondern sich, vor allem auf dem Gebiet der Zulieferindustrie, sogar mit hervorragendem Erfolg, entwickelt haben.
Es wäre ein tragischer Irrtum, zu glauben, der Mittelstand habe ein Interesse daran, sozusagen als Bremsbock für sozialpolitische Entwicklungen benutzt zu werden.
Ich bin ganz anderer Meinung. Ich meine, wir müssen dem Mittelstand helfen, aus den Wettbewerbsverzerrungen herauszukommen und Zugang zum Kapitalmarkt zu erlangen.
Insbesondere müssen wir auf steuerlichem Gebiet tun, was zu tun möglich ist, und da ist es auch diesem Bundestag durchaus noch möglich, einiges zu tun. Wir dürfen den Mittelstand aber nicht unter eine sozialpolitische Käseglocke setzen, sondern müssen ihn gegenüber den Großen wettbewerbsfähig machen und müssen, wo hier ein Mangel besteht, diesen Mangel beseitigen.
Ich darf höflich darauf aufmerksam machen, daß dem Mittelstand infolge der Gewerbesteuerreform des Jahres 1956 ungefähr 460 Millionen DM an Gewerbesteuerersparnis zugute gekommen sind. Nach den uns vorliegenden Steueränderungsvorlagen werden es mindestens noch einmal 530 Millionen DM werden, denn ich bin nicht sicher, ob die vor-
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Dr. Burgbachergesehenen Müglichkeiten bisher voll ausgeschöpft sind.Noch schärfere Kritik habe ich an der Vorlage zu üben, die uns für die Umsatzsteuer gemacht worden ist. Es soll anerkannt werden, daß das etwa 120 oder 150 Millionen DM zugunsten des Mittelstandes sind. Aber das ist nicht die Lösung des Problems, das für den Mittelstand im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer zu lösen ist.Ich habe mich noch bei der FDP dafür zu bedanken, daß der Pressebericht über die Ausführungen von heute bereits am Mittwoch nachmittag verteilt wurde, so daß ich ihn in Ruhe lesen konnte.
— Ich bin ja froh darüber! — In diesem Pressebericht steht, daß die FDP in diesem Gesetz die Gefahr einer erweiterten Mitbestimmung sieht. Ich muß da völlig klar sagen: Wenn die Interessierung der Belegschaftsmitglieder an Modernisierung, Rationalisierung und Leistungssteigerung die Gewährung des Rechtes einer Mitbestimmung ist, die die FDP erregt, so muß ich Ihnen erklären, daß dies eine Mitbestimmung ist, die die CDU/CSU erfreut.
Im übrigen setzen wir mit diesem Gesetz bewußt den Weg fort — der größte Teil ist schon zurückgelegt —, auf dem wir aus dem Klassenkampfdenken in das Partnerschaftsdenken hinüberführen wollen.Der Kritik von links und der Kritik von rechts war eines gemeinsam: nach dem Bekenntnis zum Eigentum eine mehr oder weniger heftige Kritik an der Vorlage. Nun, wir Freunde der Eigentumspolitik sind immer voller Mißtrauen, wenn jemand sagt, er sei „im Grundsatz" völlig für das Personeneigentum.
Wir haben uns allmählich angewöhnt, das als die höfliche Form einer Ablehnung anzusehen.
Es erinnert uns heftig an die Rede, die nach Shakespeare Antonius auf der Treppe des Kapitols in Rom gehalten hat, als er Brutus stürzen wollte, in der er aber jeden Satz damit beendete, daß er sagte: Aber er ist doch ein ehrenwerter Mann.Also wir möchten herzlich bitten, daß von grundsätzlichen Bekenntnissen zum Eigentum von diesem Platze aus zwar nicht gerade abgesehen wird, daß diese grundsätzlichen Bekenntnisse aber nie ausgesprochen werden, ohne daß ganz konkrete Vorstellungen darüber dargelegt werden, wie man diesen schönen, heißgeliebten Grundsatz auf dieser Erde realisieren will.
Ich bekenne mich zu dem Geleitzugbeispiel, Herr Dr. Starke, auch auf die Gefahr hin, daß Sie das mir oder meiner Partei im Wahlkampf gelegentlich um die Ohren schlagen. Dabei stelle ich fest, daß es eine Gipfelleistung — ich bitte um Entschuldigung, wenn ich so formuliere — intellektueller Akrobatik wäre, einmal die Grundsätze des vollkommenen Liberalismus zu vertreten und dann gleichzeitig das Geleitzugbeispiel für suspekt zu halten. Es ist doch völlig klar, daß man gesellschaftspolitische Entwicklungen nicht nach dem Schiff, das am schnellsten fährt — darin bin ich mit Ihnen einig —, noch viel weniger aber nach dem Schiff, das am langsamsten fährt, ausrichten kann. Wir hätten niemals die sozialpolitischen Fortschritte, die wir erreicht haben, wenn wir danach verfahren wären.Wir hätten sogar den früher vermeintlich zu schützenden Schwachen gar keinen Dienst damit erwiesen, weil nämlich dann alle schwach geblieben wären, und die Schwäche aller ist keineswegs die Stärkung der Schwächsten von damals.
Ihre Kritik war eine seltsame Mischung von Ausführungen der Art, teilweise stünde zuviel im Gesetz, teilweise stünde zuwenig im Gesetz. „Wehret den Anfängen!": ein wundervoller Satz. Er gilt aber, glaube ich, nur dann, wenn man das Ziel dieser Anfänge für verwerflich hält. Da Sie sich aber zu dem Eigentumsprogramm bekannt haben, glaube ich, daß das Wort hier nicht gut am Platze ist.Zu diesem Thema noch etwas, auch an die Adresse der Freunde von der FDP: Sie haben davon gesprochen — ich habe Sie so verstanden —, die Kosten bestimmten den Preis. Darf ich Sie fragen, ob Sie damit von den Grundsätzen der Marktwirtschaft abzuweichen wünschen?
Nach den Grundsätzen der Marktwirtschaft bestimmen nicht primär die Kosten, sondern bestimmt der Markt die Preise.
— Das ist ein absolut zutreffendes Wort. Laut Goethe sind alle einfachen Sachen wahr.
Herr Kollege Junghans, natürlich haben wir zehn Jahre regiert und sind auch, soweit es unsere christliche Demut erlaubt, stolz darauf.
Ich habe schon gesagt, was wir in diesen Jahren erreicht haben. Ich gehe sogar so weit und bestreite Ihnen nicht, daß man vielleicht die Arbeit an den Gesetzen über eine aktive Eigentumsförderung auch zwei Jahre früher hätte beginnen können. Das streite ich absolut nicht ab. Aber wir unvollkommenen Menschen! Die Tatsache, daß wir jetzt beginnen, sollte Ihnen doch nicht Anlaß zur Kritik geben; gerade wenn Sie meinen, wir hätten so lange gebraucht, sollten Sie sich freuen, daß wir endlich da sind.
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Dr. BurgbacherIch kann nicht dafür einstehen, daß alle Mitglieder der großen CDU/CSU jedes Wort und jede Bestimmung dieses Gesetzes gutheißen.
Ich nehme an, daß Sie nach den Debatten, die Ihre Partei erlebt hat, für dieses Bekenntnis volles Verständnis haben.
Die Schrift des Arbeitsministers ist keine Schrift des Arbeitsministers selbst, sondern ist von zweien seiner qualifizierten Mitarbeiter herausgegeben worden. Er hat auch nicht das offizielle Vorwort geschrieben, sondern aus einer seiner Reden ist ein Abschnitt als Vorwort gedruckt worden. Damit will ich nur Tatsachen feststellen. Im übrigen erklären auch wir, daß wir diese Schrift für gut halten,
auch wenn der eine oder andere falsche Zungenschlag darin enthalten ist. Es sind weniger falsche Zungenschläge darin, als meistens von diesem Platz her zu hören sind.
Die beiden Verfasser sind auch nicht in der Wüste, sondern sind hier in der Bundesrepublik auf nahrhaftem Boden. Der eine Verfasser bleibt nach meiner Kenntnis auch im Ministerium und auf seinem Platz.
Der andere Verfasser könnte auch bleiben, wenn er nicht von einem bedeutsamen Verband des Kreditwesens ein beachtliches Angebot bekommen hätte, das nach den auch Ihnen heiligen Regeln der Freizügigkeit möglicherweise von ihm angenommen wird.
Ich habe schon gesagt, daß wir nur betriebsindividuell vorgehen können und daß in der Natur der Sache dieses Betriebsindividuelle liegen muß. Es ist keiner großen IG, die meistens über mehrere Branchen geht, vor allem aber mehrere Betriebsgrößen umfaßt, möglich, einen Katalog der unzähligen betriebsindividuellen Möglichkeiten auszuarbeiten.Im übrigen, meine ich, sollten alle Mitglieder des Hohen Hauses und eigentlich auch die Kollegen von der SPD besonders glücklich darüber sein, wenn sich auf dem Gebiete des betrieblichen Zusammenlebens zwischen Unternehmer und Belegschaftsmitgliedern ein weiteres Teilgebiet einer echten, koordinierten und integrierten Zusammenarbeit, souverän von Menschen getragen, entwickeln kann und soll.Ich kann deshalb nicht erkennen, daß ein Wirrwarr auf dem Gebiete des Leistungslohns besteht. Der „Wirrwarr", den Sie anscheinend meinen, muß bestehen. Es ist gar nicht möglich, einen leistungsbezogenen Lohn für die Vielfalt der Branchen, Betriebsgrößen und regionalen Gegebenheiten auszuarbeiten. Das ist eine Utopie und wird im bestenFall ein intellektuelles Sandkastenspiel ohne Realitat.Es ist auch durchaus möglich, daß zwischen Belegschaft und Unternehmen eine Vereinbarung getroffen wird, daß einige vorhandene Sozialleistungen in diese Sache eingebaut werden. Das ist eine Frage, deren Entscheidung dem freien Spiel der Partner überlassen bleiben muß. Jeder von uns weiß, daß sich in den Betrieben im Laufe der Jahre einiges entwickelt hat, was jeweils Gruppen zugute kommt. Wenn man die nun bei der Gelegenheit mit Teilbeträgen einpackt, dann weiß ich nicht, warum man es hindern soll, überholte Methoden betrieblicher Sozialpolitik in moderne Methoden betrieblicher Sozialpolitik umzuwandeln.Zudem propagieren wir nicht die Belegschaftsaktie besonders. Wir sind sogar mit Ihnen einig, daß eine Akkumulierung des Vermögensrisikos und des Arbeitsplatzrisikos als unerwünscht anzusehen ist. Die Belegschaftsaktie ist ein Teil der vielfältigen Möglichkeiten. Aber was ich ablehne, ist, daß Belegschaftsaktie identisch sei mit Bindung an den Betrieb. Lieber Herr Junghans, glauben Sie, daß ein Arbeiter der BASF sich deshalb an die BASF gebunden fühlen würde, weil er eine Belegschaftsaktie der BASF hat? Fällt ihm im Traum nicht ein.
— Aber wir können uns einigen. Wir sind in dem Prinzip mit Ihnen einig, daß wir alles ablehnen auf dem Gebiete der Eigentumspolitik, was so wirken könnte, daß es die Freizügigkeit in eine Bindung an den Betrieb umwandelt.Ich komme nun zu den Schlußbemerkungen. Ich wiederhole, diese eigentumspolitische Evolution, die keine Revolution sein darf und sein soll, ist ein Teilstück einer einige Jahre dauernden und einer noch Jahre weiterdauernden — man kann keine Zahl nennen, ich will einmal zehn Jahre sagen — Politik. Wir haben die Absicht, in diesem Bundestag auch noch andere eigentumsfördernde Maßnahmen für den Mittelstand durch Entfernung von Wettbewerbsverzerrungen, durch Entlastungen bei öffentlichen Abgaben zu treffen. Übrigens ist die Heraufsetzung der Vermögensteuergrenze im Steueränderungsgesetz ein Teilstück dieser Politik. Die VW-Privatisierung, die vor uns steht und die auf ein erfreuliches Interesse der Öffentlichkeit in den Vormerkungen und Zeichnungen stößt, ist ein weiteres Teilstück. Wahrscheinlich kommt auch noch eine Aufstockung bei der Preußag durch die Einbeziehung der VTG als weiteres Teilstück. Alles das sind Teilstücke. Etwa anzunehmen, wir wollten die Eigentumsfrage mit der VW-Privatisierung oder diesem Gesetz lösen, ist eine schreckliche Simplifizierung, gegen die wir uns auch bei unseren eigenen Freunden wehren. Es sind Teilstücke auf einem langen und, wie ich zugebe, weder unproblematischen noch einfachen Wege.Wenn Sie die 312 DM auf Zinsen legen, so wie es das Gesetz vorsieht, und das 15 Jahre lang tun, ergeben sich bei 5 % 7000 DM. Wenn Sie es 20 Jahre tun, sind es 11 000 DM. Wenn Sie es 25 Jahre tun,
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Dr. Burgbacherwas durchaus im Bereich des Möglichen liegt, vor allem bei jüngeren Arbeitnehmern, dann sind es 15 000 DM. Ich glaube nicht, daß man über diese Summen mit einer Handbewegung weggehen kann, sondern ich glaube, daß das ein recht beachtlicher Beitrag ist.Nun möchte ich noch zu Ihrer Freude, meine Herren von der SPD, den „Vorwärts" vom 20. Januar 1961 zitieren. Er hat festgestellt, daß von 26,1 Millionen Sparkassenkonten, auf denen über 23 Milliarden gespart sind, 44 % auf Arbeitnehmer und 21 % auf Bezieher von Sozialeinkommen, also Renten, entfallen. Das besagt, daß die sogenannten wirtschaftlich Abhängigen 65 % oder 15,2 Milliarden aller Einlagen bei diesem Teilbetrag des Sparvorgangs in der Eigentumsbildung auf sich vereinigen.Nun wird gefragt: Haben wir eigentlich schon etwas erreicht? Ich will keineswegs behaupten, daß das ein sensationeller Erfolg ist. Ich will aber sagen, es ist ein beachtlicher, fundierter Erfolg. Wenn wir die Jahre von 1950 bis 1960 gegenüberstellen, ergibt sich, daß sich der Anteil an der jährlichen Vermögenszuwachsquote bei den öffentlichen Haushalten von 43 auf 32 % reduziert hat, bei den Unternehmen von 40 auf 33 %, bei den privaten Haushalten ist der Anteil von 17 auf 35 % gestiegen. Das ist ein ganz klar erkennbarer Trend, nämlich der Trend, der das Ziel unserer Eigentumspolitik ist.Dabei weise ich noch darauf hin, daß bei dem statistisch schillernden Begriff „Unternehmenseigentum" natürlich auch noch Personen beteiligt sind. Aber wir haben immer noch keine zuverlässigen zahlenmäßigen Unterlagen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß in der Wirtschaft auch noch eine Million Menschen — mit sehr verschiedenen Vermögensanteilen natürlich — beteiligt sind. Die Sparrate beträgt jetzt im Jahr ungefähr 20 Milliarden DM bei einem Investitionsbedarf von 50 bis 60 Milliarden. Damit will ich auch sagen, daß die Eigentumspolitik nicht unbeschränkt möglich ist. Sie hat ihre Grenze, die dann gegeben ist, wenn dieses private personenbezogene Eigentum in den Sparprozessen den Investitionsbedarf überdeckt. Nun, davon sind wir noch sehr weit entfernt, so daß wir diese Grenze nur aus Gründen der wissenschaftlichen Korrektheit nennen wollen.Unser Ziel sollte sein, daß das öffentliche Vermögen relativ möglichst nicht mehr wächst. Wir sind der Auffassung, daß es mit rund 40% am volkswirtschaftlichen Gesamtvermögen eine Obergrenze erreicht hat. Ob es möglich ist, dieses Wort wortwörtlich einzulösen, ist eine Frage der wirtschaftlichen Dynamik. Das kann nicht nur von hier aus beurteilt werden. Aber wir haben den Willen, den Anteil des öffentlichen Vermögens nicht mehr größer werden zu lassen, und wir haben den Willen, den Anteil des Unternehmensvermögens relativ —relativ! — kleiner zu machen, und zwar durch die schon eingangs erwähnte Politik der Bildung des neuen Vermögenszuwachses in Personenhand.Wir sind mit allen, die es gesagt haben, einig, daß die Währungsstabilität oberstes Ziel der Wirtschaftspolitik sein muß. Ich möchte aber bemerken, daß Veränderungen des Preisfächers zu Lasten derPreise lohnschwerer Produkte und zugunsten von Preisen oder Qualität der lohnleichten Produkte natürlich sind und nicht mit einer Währungsinstabilität zu verwechseln sind. Ich sage das so betont, weil ich befürchte, daß nicht immer die notwendige Erkenntnis in diesen natürlichen Veränderungen des Preisfächers gegeben ist und daß bei vielen lohnschweren Produkten, die wir alle gebrauchen, dann optisch die Veränderung, d. h. Erhöhung des Nennpreises, zu einer Art Kritik an der Währungsstabilität führt. Das ist dann nicht gerecht, wenn sich der Vorgang in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ausgleicht.Wenn wir über die Eigentumspolitik weiter debattieren, dann sollten wir zweierlei stärker als bisher beachten. Das, was an Beiträgen zur Altersversorgung gezahlt wird, schlägt sich im Vermögen als Rechtsanspruch auf diese Altersversorgung nieder und kann sich nicht noch einmal in Eigentum anderer Art niederschlagen. Zum anderen sollte in der politischen Wertung ein Unterschied gemacht werden zwischen dem betriebsgebundenen Eigentum, das Arbeitskapital nicht nur der Unternehmer, sondern aller im Unternehmen Tätigen ist, und dem jederzeit frei veräußerlichen Eigentum wie Sparbüchern, Aktien und anderen beweglichen Werten.Ich möchte damit schließen: Der Bundestag kann durch Gesetze die Eigentumspolitik fördern und anregen. Diese Gesetze fallen auf fruchtbaren Boden, wenn der Bürger unseres Landes in seinem Geiste eigentumswillig wird. Dieser Geist, angeregt durch unsere Gesetze, entscheidet das Schicksal unserer Politik.
Das Wort hat der Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat mich besonders gefreut, Herr Kollege Burgbacher, daß Sie im Laufe Ihrer Ausführungen auch von einer Gewissenpflicht gesprochen haben, der wir alle unterliegen, gerade auch bezüglich der Lösung des schwierigen Problems einer befriedigenden Eigentumsstreuung. Bitte, seien Sie davon überzeugt, daß wir uns in diesem Punkt mit Ihnen völlig einig sind.Aber ich glaube, damit allein ist es nicht getan. Es geht darum, daß nunmehr Ernsthaftes und Ausreichendes geschieht. Wer sich mit den Maßnahmen zur Förderung einer breiten Vermögensstreuung befaßt, muß sich Rechenschaft geben, von der Stärke der Kräfte in unserem derzeitigen Wirtschaftssystem, die auf eine Vermögenskonzentration hinwirken. Dabei sind auch wir Sozialdemokraten uns durchaus klar darüber, daß ein Teil dieser Kräfte, die zur Vermögenskonzentration tendieren, in der modernen Wirtschaft unvermeidlich sind. Es sind all die Kräfte, die zur Massenfabrikation drängen, und damit auch zur Vorbereitung der Massenfabrikation durch kostspielige Forschung und kostspielige Werbung. Aber das schließt ebensowenig aus, daß es auch starke Tendenzen zur Vermögenskonzentration gibt,
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Kurlbaumdie in der Unvollkommenheit unserer Gesetzgebung — vom Standpunkt einer sozialen Gerechtigkeit und vom Standpunkt der Verwirklichung einer „wirklichen" Demokratie her gesehen — begründet sind.
Ich muß hier ein paar Binsenwahrheiten sagen, und zwar deshalb, weil sie in unserer Gesetzgebung einfach nicht berücksichtigt werden. Es ist nun einmal so, daß der erste Sparakt eines Beziehers eines kleinen Einkommens einer ganz großen Anstrengung bedarf. Ebenso klar ist, daß für den Bezieher eines großen Einkommens das Sparen überhaupt keine Anstrengung mehr, sondern nahezu eine Selbstverständlichkeit ist. Herr Professor Burgbacher, schon dann, wenn wir uns darüber einig sind, haben wir gemeinsam einen Fortschritt erzielt.
Aber ich werde Ihnen gleich sagen, was für Folgerungen daraus gezogen werden müssen:
Dazu kommt noch, daß die Bezieher hoher Einkommen größere Risiken eingehen können als die Bezieher kleiner Einkommen und daß die Bezieher hoher Einkommen daher Vermögensanlagen wählen können, die mit einem schnelleren Vermögenszuwachs verbunden sind als die traditionellen Sparformen, deren sich Bezieher kleiner Einkommen im allgemeinen bedienen und die außerdem noch — bitte, das muß erwähnt werden — der schleichenden Geldentwertung unterliegen.
— Nun, Herr Professor Burgbacher, wir müssen diesem Problem ins Auge sehen. Ich komme später noch einmal darauf zu sprechen.Dazu kommen im Bereich der Unternehmen noch weitere starke Kräfte, die das große Unternehmen gegenüber dem kleinen erheblich begünstigen. Wir wissen, daß große Unternehmen von den Kreditbanken geradezu umworben werden und daß sie daher nur niedrige Zinsen zu zahlen brauchen, während kleine Unternehmen sich immer noch abstrampeln müssen, um einen Kredit zu bekommen, und dann hohe Zinsen zu zahlen haben.Die Großunternehmen haben im allgemeinen ein breites Produktionsprogramm, so daß sich ihre Risiken ausgleichen. Beim kleinen Unternehmen ist es umgekehrt. Das kleine Unternehmen, das sehr oft spezialisiert ist, kann schon an einem einzigen Fehlschlag zugrunde gehen.Nun noch etwas Entscheidendes! Mit der Größe des Unternehmens wächst die Chance, Einfluß auf die Preisbildung zu gewinnen, damit den Wettbewerb einzuschränken und schließlich allein oder zusammen mit anderen Großunternehmen den Markt zu beherrschen. Das sage ich hier einmal ganz deutlich, um der Illusion, es herrsche überall Wettbewerb, entgegenzutreten.Alle diese entscheidenden Vorteile sind den kleinen und mittleren Unternehmen versagt. Unsere Gesetzgebung aber, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, insbesondere unsere Steuergesetzgebung, läßt alle diese bekannten Tatsachen völlig außer acht. Das muß einmal ganz klar festgestellt werden.
Es fehlt an jeder ernsthaften Anstrengung, auch und gerade in der Steuergesetzgebung diesen Fakten Rechnung zu tragen. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf das Schicksal der Umsatzsteuerreform.
Ein paar weitere Beispiele aus dem Steuerrecht! Seit zwei Jahren besitzen wir nun das Sparprämiengesetz, das wir Sozialdemokraten durchaus begrüßen und auch seinerzeit begrüßt haben. Herr Kollege Katzer, ich möchte hier Ihrer Legende entgegentreten, wir seien gegen das Sparprämiengesetz gewesen. Sowohl Sie als auch ich waren in dem zuständigen Unterausschuß tätig. Sie wissen sehr genau, Herr Katzer, daß der Regierungsentwurf des Sparprämiengesetzes als Höchstbeträge das doppelte dessen vorgesehen hat, was jetzt im Gesetz steht, nämlich 250 DM als Höchstbetrag für die Sparprämien bei Ledigen und 500 DM beim Ehepaar. Auf Initiative Ihrer Kollegen, insbesondere des Kollegen Scharnberg, der dagegen als Bankier Bedenken hatte, wurden die Höchstbeträge auf die Hälfte herabgesetzt, — gegen unseren Widerspruch, Herr Katzer; das muß hier einmal festgestellt werden.Lassen Sie mich das Bild vervollständigen! Im Plenum hat sich folgendes abgespielt. Mein Kollege Brecht, der sich ebenfalls sehr um die Verbesserung des Gesetzes bemüht hat, hat hier im Hause einen Antrag begründet, wonach für Kinderreiche der Sparprämiensatz über das normale Ausmaß hinaus erhöht werden sollte.
Herr Abgeordneter Kurlbaum, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich möchte zunächst meine Ausführungen zu diesem Punkt abschließen; dann kann der Kollege seine Zwischenfrage stellen.Der Kollege Julius Brecht hat dann noch den weiteren Antrag eingebracht, auch die Genossenschaftsanteile in den Katalog der durch dieses Gesetz begünstigten „Wertpapiere", wenn ich es einmal so ausdrücken darf, aufzunehmen. Diese beiden sehr vernünftigen Anträge sind von der CDU/CSU mit — ich sage das ganz offen — fadenscheinigen Argumenten zurückgewiesen worden.
Daraufhin haben sich allerdings einige meiner Fraktionskollegen, in berechtigter Verärgerung über diese Behandlung, dazu entschlossen, gegen das Gesetz zu stimmen.
Das wollte ich nur einmal völlig klarstellen. (Abg. Katzer: Einverstanden!)
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KurlbaumIm übrigen, Herr Katzer, wissen Sie ganz genau, daß der Bundesfinanzminister sich durchaus bewußt war — das hat er mir auch persönlich bestätigt —, daß er dieses Sparprämiengesetz gegen die widerstrebenden Kräfte in Ihrer Fraktion im wesentlichen nur mit unserer Hilfe hier in diesem Parlament durchsetzen konnte.
— Das stimmt sehr wohl!
Wir haben im Ausschuß immer dafür argumentiert, aber ein Teil Ihrer Kollegen hat dagegen argumentiert.
Herr Kollege Katzer möchte eine Zwischenfrage stellen!
Bitte!
Herr Kollege Kurlbaum, sind Sie bereit, zuzugeben, daß die Fraktion der Christlich-Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union dieses Gesetz einstimmig verabschiedet hat und das es zur Verabschiedung nicht der Hilfe und Mithilfe der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei bedurfte?
Am Ende haben Sie sich dann auf den verminderten und halbierten Sparprämiensatz geeinigt, jawohl.
Darüber sind wir uns jetzt einig.
Neben diesem Sparprämiengesetz gibt es aber noch Dinge in der Steuergesetzgebung, die uns außerordentlich stören, und darauf wollte ich auch zu sprechen kommen. Ich muß ganz offen sagen, daß ich den Mut des Herrn Bundeswirtschaftsministers bewundert habe, der heute hier die verschiedenen Siebenerparagraphen des Einkommensteuergesetzes erwähnte und sagte, daß die dort vorgesehenen Regelungen eine große Tat gewesen seien. Es gibt kaum Paragraphen im Einkommensteuergesetz, die einem so skandalösen Mißbrauch unterlegen haben wie gerade diese Gruppe des Siebenerparagraphen.
Nun möchte ich zum Kernpunkt dieser Paragraphen kommen. Wir haben schon seinerzeit bei der Beratung des Sparprämiengesetzes auf die hier gegebenen Diskrepanzen hingewiesen. Durch den § 10 des Einkommensteuergesetzes wird heute noch den Beziehern hoher Einkommen praktisch eine Sparprämie bis zu 50 % gewährt, und zwar nach dem heutigen Stand der Gesetzgebung für ein kinderloses Ehepaar über 50 Jahre bis zu einem Sparbetrag von 4400 DM pro Jahr. Wenn dasselbe Ehepaar 8800 DM pro Jahr spart, bekommt es praktisch noch eine Prämie von 37 1/2%. Vergleichen Sie das zahlenmäßig bitte einmal mit dem eben genannten Betrag von 312 DM, den Sie jetzt bei einer Sparprämie von nur 20 % für die breiten Arbeitnehmerschichten bewilligen wollen. Wenn Sie das tun, werden Sie verstehen, daß wir diese starke Diskrepanz aufs heftigste kritisieren und auch in Zukunft noch kritisieren werden.
Lassen Sie mich noch auf etwas Weiteres aufmerksam machen. Der Herr Bundesfinanzminister hat kürzlich — sehr mit Recht — den Vorschlag gebracht und damit sofort unsere Zustimmung gefunden, die Abzugsfähigkeit der Vermögensteuer bei der Einkommensteuer auch bei natürlichen Personen zu beseitigen. Das ist auch eine der komplizierten steuerlichen Regelungen, die von der Mehrheit der Staatsbürger gar nicht bemerkt wird. Diese Bestimmung wirkt sich so aus, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, daß noch heute, 12 Jahre nach der Währungsreform, der Bezieher hoher Einkommen in unserer Bundesrepublik einen niedrigeren Vermögensteuersatz bezahlt als der Bezieher eines kleinen Einkommens. Ich bedauere es außerordentlich, daß dieser Vorschlag bei Ihnen so sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden ist und im Steueränderungsgesetz 1961 keine Aufnahme gefunden hat.Ich brauche in diesem Zusammenhang auch wieder nur alle Ihre Sünden zu erwähnen, die mit der Entlastung der Kapitalgesellschaften durch die Herabsetzung des Körperschaftsteuersatzes auf die ausgeschütteten Gewinne zusammenhängen. Damit haben Sie einen sehr wesentlichen Beitrag zu der ungesunden Vermögenskonzentration geliefert, der wir uns gegenübersehen.
Auf Grund dieses Entschlusses liegt die Belastung der Kapitalgesellschaften in der Bundesrepublik unter derjenigen in den großen westlichen Industrieländern, und ich möchte wirklich mal wissen, mit welcher Berechtigung Sie so weit heruntergegangen sind. Als wir Sie seinerzeit vor diesem Schritt warnten, sagten Sie, das werde eine Beschränkung der Selbstfinanzierung bewirken.Wir wären glücklich, wenn es in ,dieser Richtung gewirkt hätte. Aber heute, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ist allgemein sichtbar geworden: die Senkung des Körperschaftsteuersatzes für ausgeschüttete Gewinne hat im wesentlichen nur dahin gewirkt, daß die Ausschüttungen um den Betrag der gesparten Steuer erhöht wurden. Das also ist die wesentliche Wirkung dieser Senkung, sonst nichts weiter.
Ich möchte in diesem Zusammenhang eine Zahl nennen, die ich schon einmal genannt habe, die letzten Endes deutlich macht, wie sich diese gesamte Steuergesetzgebung auswirkt. Der Kurswert aller deutschen Aktien — nicht nur der börsengängigen — ist seit 1953 von 25 Milliarden DM auf etwa8ÔMetadaten/Kopzeile:
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Kurlbaum200 Milliarden DM gestiegen. Bitte, das sind nur Größenordnungen. Wir wissen, ,daß sich der Aktienbesitz bestenfalls auf einige hunderttausend Aktionäre verteilt. Bitte vergleichen Sie mal, meine Damen und Herren, die Lage dieser einigen hunderttausend Aktionäre, denen in sieben Jahren 175 Milliarden DM zugewachsen sind, mit der Lage des Kleinsparers, mit der Lage der 25 Millionen Sparkonteninhaber.Zur Abrundung des ganzen Bildes möchte ich folgende Bemerkung anschließen. Wir haben in der Bundesrepublik, meine Damen und Herren von der Regierungsfraktion, elf Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit dieses Hauses und der Bundesregierung keine zeitnahe Statistik über die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik. Nehmen Sie es uns bitte nicht übel, wenn wir in diesem Zusammenhang den Verdacht äußern, daß offenbar ein Bestreben vorhanden ist, die deutsche Öffentlichkeit über die Vermögensverteilung in der Bundesrepublik möglichst lange im unklaren zu lassen.
— Ja, elf Jahre hat es gedauert, bis zwei Mitarbeiter des Ministers von sich aus dieses Buch geschrieben haben.
Ich möchte noch kurz einen anderen Punkt erwähnen, der gerade bezüglich der Vermögenskonzentration eine große Rolle spielt. Es handelt sich um die Mängel des Kartellgesetzes. Bei der Debatte unseres Änderungsantrages zu diesem Gesetz werden wir Gelegenheit haben, darüber näher zu diskutieren; aber eines steht heute eindeutig fest: die bisherige Praxis des Bundeskartellamts hat erwiesen, daß das Kartellgesetz keine brauchbare Handhabe bietet, den Verbraucher vor überhöhten Preisen marktbeherrschender Unternehmen und Gruppen zu schützen. Das beste Beispiel für diese Behauptung ist die folgende Tatsache. Das Bundeskartellamt steht machtlos dem System der von den Mineralölgesellschaften diktierten Tankstellenpreise gegenüber. Auch dieser Mangel des Kartellgesetzes muß zwangsläufig mit zu der sich schnell steigernden Vermögenskonzentration gerade bei diesen marktbeherrschenden Unternehmen führen.
Wenn man vor noch gar nicht langer Zeit in der Zeitung las, was die Antitrustbehörde in den USA gegenüber den vier größten Unternehmungen der Elektroindustrie durchzusetzen vermochte, muß einem das angesichts der Lage, der sich das deutsche Bundeskartellamt bei gleichgroßen Unternehmen in der Bundesrepublik gegenübersieht, wirklich wie eine Nachricht aus einem demokratischen Märchenlande vorkommen.
Wir müssen feststellen, daß die Bundesregierung und die Regierungsfraktion offensichtlich immer noch nicht bereit sind, nunmehr großzügig unsere Steuer- und Wirtschafts-Gesetze von all den Bestandteilen zu reinigen, die auch weiterhin die Vermögenskonzentration so stark begünstigen, und daß auch die direkten Maßnahmen, die sie jetzt vorschlagen, diese vermögenkonzentrierenden Tendenzen unserer Gesetzgebung auch nicht annähernd ausgleichen können. Das betrifft das, was ich zur bestehenden Gesetzgebung zu sagen habe.Lassen Sie mich nun einiges sagen, was bei der Schaffung von direkten Anreizen bei neuen Maßnahmen zur Vermögensstreuung beachtet werden muß. Dabei müssen nach unserer Auffassung eine ganze Reihe von Grundsätzen beachtet werden.Der erste Grundsatz ist, daß alle Maßnahmen zur Förderung der Vermögensbildung allen Staatsbürgern mit kleinem und mittlerem Einkommen zugute kommen müssen, mit einem besonderen Schwerpunkt gerade bei den kleinen Einkommen. Ich möchte hier klar und deutlich sagen: Wir würden es für außerordentlich gut halten, wenn man das Sparprämiengesetz in der Weise verbesserte, daß man den einheitlichen Prozentsatz von 20 % für Bezieher kleiner Einkommen noch über 20 % hinaus wesentlich erhöhte, einfach auf Grund der Binsenwahrheit. daß das Sparen des kleinen Einkommensbeziehers ein ganz besonders schwieriges Problem ist.
Er braucht die Förderung, nicht die Bezieher von Einkommen, die 5000 his 10 000 DM pro Jahr zu sparen in der Lage sind.Wenn ich mir nun den Gesetzentwurf der CDU/ CSU daraufhin ansehe, komme ich zu folgendem bedenklichen Ergebnis. Im wesentlichen wird sich die Anwendung dieses Gesetzes nach meiner Auffassung — und das wird sich wahrscheinlich als richtig erweisen — auf die Ausgabe von Belegschaftsaktien konzentrieren. — Jawohl, Herr Burgbacher, das werden Sie sehen. Ich werde es auch begründen. Sie haben vorhin mit Recht gesagt. daß es, wenn es so käme, eine gefährliche Entwicklung wäre. Wägen Sie bitte einmal die Anreize realistisch ah! Welchen Anreiz hat der kleine Einkommensbezieher, der mit seiner Sparfähigkeit an der Creme liegt, die 20%ige Sparprämie bei fünfiähriger Festlegung entgegenzunehmen angesichts der Tatsache — Sie mögen das sehen, wie Sie wollen —, daß in den letzten zehn .Tatiren die Lebenshaltungskosten in der Bundesrepublik um ein Fünftel his ein Viertel gestiegen sind?Wieviel größer ist aber der Anreiz für Mitarbeiter großer Unternehmen mit bekannten börsengängigen Aktien, nunmehr eine Aktie entgegenzunehmen, die einen Sachwert darstellt und deren Wert im Zuge der Selbstfinanzierung dieser Unternehmen noch steigen muß.Schließlich möchte ich noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Die steuerliche Förderung der Ausgabe von Belegschaftsaktien geht noch über die Förderung der traditionellen Sparformen hinaus, indem für die Differenz zwischen wirklichem Kurswert und Vorzugskurs weder Sozialversicherungsbeiträge
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Kurlbaumnoch Lohnsteuer bezahlt werden muß. Ich bitte, das zu beachten. Bei der Ausgabe von Belegschaftsaktien spart also der Arbeitnehmer dieser weniger als 700 Aktiengesellschaften mit börsengängigen Aktien noch zusätzlich etwas durch den Erlaß der Lohnsteuer auf die Differenz zwischen dem wirklichen Wert der Aktie und dem Ausgabekurs.
— Nicht daß wir das den Menschen nicht gönnen. Ich gönne es ihnen gern. Ich mache nur darauf aufmerksam, daß, wie ich glaube, darin die günstigste Chance liegt und daß diese im wesentlichen ausgenutzt werden wird.
— Bitte warten Sie es ab. Hoffentlich irren Sie sich nicht ebenso wie bei der angeblichen Beseitigung der Selbstfinanzierung durch Herabsetzung der Körperschaftsteuer.
Es bedeutet also, daß hier im wesentlichen eine Chance gegeben wird, die sich auf nicht einmal 700 Unternehmen mit börsengängigen Aktien konzentriert. Und da kommen allerdings auch unsere Bedenken — dieselben Bedenken, wie sie insbesondere auch Herr Dr. Starke vorgetragen hat —, daß hier durch Steuererlaß eine relativ geringe Anzahl von Großunternehmen gefördert wird.Die zweite Forderung, die wir für die Bemühungen um eine Streuung des Eigentums aufzustellen haben, ist die: Angesichts der 25 Millionen Sparkonten und ihrer schweren Benachteiligung schon bei der Währungsreform und schließlich durch die Entwicklung des Geldwertes müssen die traditionellen Sparformen bevorzugt gefördert werden, in größerem Ausmaß gefördert werden als die Käufe von Aktien. Ich möchte das Problem nur mit einem Satz streifen. Meine Damen und Herren von der Regierungspartei, ich finde, es ist eine sehr schlechte Sache, daß sich die Bundesregierung trotz aller Ermahnungen durch den Präsidenten der Bundesbank, trotz all der Gutachten neutraler volkswirtschaftlicher Institute noch immer nicht entschlossen hat, endlich einmal auch ergänzende konjunkturpolitische Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Geldwertes zu treffen. Wir haben hier heute keine konjunkturpolitische Debatte; aber das muß in diesem Zusammenhang gesagt werden. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Bundesregierung auch bei diesem Gesetz wiederum letzten Endes die kleine Minderheit der Aktionäre nähersteht als die 25 Millionen Sparer.
— Ich sage bloß: die Maßnahmen zielen wieder so stark auf die Förderung der Aktie, daß wir mit Recht darauf hinweisen, — —
— Hier wird beides gefördert. Da wird auch die Aktiengesellschaft gefördert. Das können Sie nicht mehr auseinanderhalten.
— Ich habe Ihnen ja soeben gesagt, daß durch dieses Gesetz den nur etwa 700 Aktiengesellschaften mit börsengängigen Aktien eine besondere Chance gegeben wird. Lesen Sie meine Ausführungen in Ruhe, dann wird Ihnen der Zusammenhang völlig klar sein.
— Sie wissen doch ganz genau, daß durch den Steuererlaß oder durch die Steuerermäßigung bei der Lohnsteuer die Stellung dieser großen Aktiengesellschaften auf dem Arbeitsmarkt gegenüber den anderen Unternehmen verbessert wird. Darüber kann es doch überhaupt keine Diskussionen geben.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?
Bitte!
Damit ich nicht noch einmal da herauf muß, eine Frage: Sprechen Sie jetzt eigentlich von den Aktiengesellschaften, sprechen Sie von den Aktionären, oder sprechen Sie von den Aktien? Was halten Sie von der Mitbeteiligung am Produktionseigentum, das Ihre Partei immer vertreten hat, und was halten Sie von der Dekonzentration durch Aufsplitterung der Aktionärgruppen?
Herr Kollege Burgbacher, ich komme nachher auf unsere Vorstellungen zu sprechen und werde Ihnen an unseren Vorschlägen erläutern, warum wir sie für überlegen halten gegenüber Ihrer Konzeption.Ich stelle abschließend fest, daß in Ihrer Konzeption nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil von Bestimmungen enthalten ist, nach denen diese nicht ganz 700 Aktiengesellschaften mit börsengängigen Aktien in eine Vorzugsstellung kommen.Nun ein dritter Gesichtspunkt. — Bitte, Sie können ja nachher noch dazu Stellung nehmen. Lesen Sie sich in Ruhe das durch, was ich gesagt habe. — Maßnahmen zur Vermögensstreuung müssen ein ausreichendes Ausmaß haben. Herr Professor Burgbacher, es genügt nicht, daß hier lediglich ein Startschuß — wie Sie in der Debatte über die Aktienrechtsreform gesagt haben —, gegeben wird. Ich habe es begrüßt, daß Sie mit großer Offenheit gesagt haben, Sie befänden sich noch in der ersten Etappe. Aber, meine Damen und Herren, wie lange wollen wir denn darauf warten, daß man aus dieser ersten Etappe herauskommt? Da unterscheiden wir uns, Herr Professor Burgbacher. Wir möchten das Problem in absehbarer Zeit wirksam angepackt wissen.
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8030 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961
KurlbaumWir unterscheiden uns ganz besonders in der Quantität der wirksamen Maßnahmen, die wir verlangen.Hier lassen Sie mich einmal etwas sagen, was Ihre Vorschläge zur Privatisierung des Bundesvermögens betrifft. Bei der Privatisierung des Volkswagenwerks und der Preußag kann etwas über 1 Milliarde zwischen 1 und 2 Milliarden - herauskommen. Das müssen Sie doch im Verhältnis zum Gesamtbetrag des Kurswertes aller deutschen Aktien sehen. Wenn Sie das im Verhältnis zu dem Gesamtbetrag von 200 Milliarden DM sehen, kommen Sie auf eine Größenordnung von 1 %. Sie werden mir zustimmen, daß damit das Problem nicht entscheidend gelöst werden kann.Nun zu Ihrem Gesetzentwurf, Herr Professor Burgbacher; Sie und Herr Katzer haben ihn hauptsächlich vertreten. Mein Freund Junghans hat schon darauf hingewiesen, daß einer der Hauptfehler dieses Entwurfs darin liegt, daß es in das freie Ermessen des Unternehmens gestellt ist, ob es überhaupt von den Möglichkeiten der Vermögensstreuung Gebrauch macht. Wenn die Unternehmen mit überhöhtem Vermögenszuwachs beschließen, von den nach dem Gesetz gegebenen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen, dann geschieht es eben nicht. Dazu kommt noch die Möglichkeit - auch das ist hier schon angedeutet worden —, daß die Unternehmen einfach von den bisherigen freiwilligen Sozialleistungen, die noch nicht steuerbegünstigt waren, umsteigen in den neuen Typ dieser hinsichtlich der Lohnsteuer und der Sozialversicherung begünstigten Form der freiwilligen Sozialleistungen, so daß es überhaupt nicht zu zusätzlichen freiwilligen Sozialleistungen kommt. Das ist einer der schwersten Fehler, und wir glauben, daß es nötig ist, sich auch einmal über das, was der Menge nach auf diesem Gebiet nötig ist, Rechenschaft zu geben.Herr Professor Burgbacher, Sie haben gesagt, grundsätzliche Bekenntnisse genügten nicht. Dieses Wort möchten wir Ihnen wieder zurufen. Es muß nun konkret über das gesprochen werden, was geschehen soll. Da lassen Sie mich hier nur einige Zahlen nennen. Man kann damit rechnen, daß das Aufkommen an Körperschaftsteuer im Jahre 1961 sowohl bei privaten als auch bei öffentlichen Kapitalgesellschaften etwas über 7 Milliarden liegen wird. Aus dem bisherigen Verhältnis des Gesamteinkommens zur Körperschaftsteuer können Sie hiernach ausrechnen, daß man von einem Jahreseinkommen aller Kapitalgesellschaften vor Abzug der Köperschaftsteuer von über 18 Milliarden ausgehen kann.Den Kapitalgesellschaften verbleibt also nach Bezahlung der Körperschaftsteuer ein verfügbares Einkommen von 10 bis 11 Milliarden. Dieses Einkommen steht ihnen teils für Ausschüttungen, teils für Selbstfinanzierung und zum Verbleib in ihrem Vermögen zur Verfügung. Wir wissen ferner aus einer Statistik der Körperschaftsteuer, daß allein auf 150 Gesellschaften ungefähr die hälfte dieses Einkommens entfällt. Wir haben etwa 15 000 Körperschaftsteuerpflichtige, und 1 % davon — 150 Gesellschaften — hat etwa die Hälfte dieses Einkommens. Diesen 150 Gesellschaften stehen also für Ausschüttungen und Vermögenszuwachs 5 bis 5 1/2 Milliarden pro Jahr zur Verfügung. Dieser Betrag wird sich in Zukunft mit der Steigerung des Sozialprodukts noch weiter erhöhen. Etwa 300 Gesellschaften haben einen Anteil von 60 % an diesem verfügbaren Einkommen, also von 6 bis 7 Milliarden jährlich.Diese Beträge müssen einmal unter die Lupe genommen werden; denn schließlich handelt es sich um Gesellschaften, die ihren enormen Vermögenszuwachs nicht etwa nur einer ganz besonderen volkswirtschaftlichen Leistung, sondern vor allem ihrer Machtstellung im Markt zu verdanken haben. Sie können sich weitgehend dem Wettbewerb entziehen und haben alle von mir vorhin skizzierten Vorzugschancen des Großbetriebes in unserem Wirtschaftssystem. Es ist dieser ganze Brocken, an den wir bei unseren Vorschlägen zur Vermögensstreuung denken.Es kommt noch ein weiteres Problem hinzu: die Abwälzung. Davon ist schon in den Ausführungen von Herrn Dr. Starke die Rede gewesen. Wir glauben, daß der progressive Charakter unserer Abgabe eine Abwälzung in all den Fällen praktisch unmöglich macht, in denen die Großunternehmen mit überhöhten Gewinnen einer Sonderabgabe unterliegen würden, die den konkurrierenden kleinen und mittleren Unternehmen nicht aufgelastet wird. In diesen Fällen kann man damit rechnen, daß keine Möglichkeit der Abwälzung besteht. Soweit sich diese Großunternehmen allerdings allein oder zusammen mit anderen marktbeherrschenden Gruppen auf dem Markt befinden, wäre es Aufgabe eines wirksamen Kartellgesetzes, eine Abwälzung zu verhindern.Es ist wohl völlig klargeworden, daß das Problem einer gerechten Vermögensstreuung nicht mit kleinen Einzelversuchen gelöst werden kann. Man muß den Mut zu einer großen Gesamtkonzeption besitzen.
Ich habe vorhin schon dargelegt, daß es nicht genügt, Einzelrezepte vorzuschlagen. Wir müssen an eine Generalbereinigung, insbesondere unseres Steuer- und Wirtschaftsrechts herangehen. Nehmen Sie mir bitte nicht übel, wenn ich sage: die Vorschläge, die hier gemacht werden, dürfen auch nicht von einer allzu großen Rücksicht auf die kleine Minderheit der derzeitigen Besitzer des überwältigenden Teiles der großen Vermögen in der Bundesrepublik diktiert sein. Hier genügt auch nicht nur eine Initialzündung.Lassen Sie mich zum Schluß ein Wort aus einer Schrift von Herrn Professor v. Nell-Breuning zitieren. Er schreibt in dem Kapitel „Größenordnungen" zu diesem Problem:Es handelt sich nicht um homöopathische Dosen, so daß, bevor etwas Nennenswertes erreicht ist, die heute lebenden Menschen längst gestorben sind. Es handelt sich um durchaus massive Größenordnungen, allerdings unter der Vorausset-
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Kurlbaumzung, daß man sich einmal entschließt, das Steuer mit Entschiedenheit herumzuwerfen, was selbstverständlich einen politischen Akt bedeutet, und zwar einen politischen Akt in dem höchsten und besten Sinne, den das Wort „Politik" überhaupt haben kann, einen Akt der sozialen Strukturpolitik.In diesem Sinne gedenken wir, an dies Problem heranzugehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tatsache, daß eine ganze Reihe von Bedenken des Herrn Kollegen Dr. Starke in der Diskussion nicht entkräftet werden konnten, macht es mir leichter, als letzter Redner etwas zu den Ausführungen zu sagen, die einer Erwiderung bedürfen.Zunächst konnte trotz aller Ihrer Bemühungen, Herr Kollege Burgbacher und Herr Kollege Katzer, der bei uns bestehende Eindruck nicht verwischt werden, daß der Gesetzentwurf eine Art Zweiteilung in der Arbeitnehmerschaft mit sich bringen wird: dem einen Teil wird die Möglichkeit eröffnet, von den Bestimmungen des Gesetzentwurfs Gebrauch zu machen, der andere Teil bleibt von vornherein ausgeschlossen.
— Wenn es jetzt schon der Fall ist, wird dieser Zustand nunmehr weiter verstärkt. Das ist doch die Konsequenz.
Auf jeden Fall birngt dieser Gesetzentwurf eine unterschiedliche Bewertung der Arbeitnehmer. Durch das Sparprämiengesetz wurde jedem Arbeitnehmer die Möglichkeit besserer Eigentumsbildung eröffnet. Durch dieses neue Gesetz wird eine Einteilung der Arbeitnehmer in verschiedene Klassen vorgenommen. Der Hinweis des Herrn Professor Burgbacher darauf, daß doch der Beamte z. B. seine hohen Pensionsansprüche habe und daß es für die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes die Zusatzversorgungskassen gebe, ist doch hier kein Argument. Unserer Auffassung nach darf die Frage der Eigentumsbildung auf keinen Fall mit der Frage der Altersversorgung verknüpft werden. vielmehr muß die Eigentumsbildung neben der Sicherstellung Altersversorgung erfolgen.Welche Formen der einzelne freiberuflich Tätige dabei wählen will, ist ihm überlassen. Durch dieses Eigentumsförderungsgesetz wollen Sie aber, wenn ich Ihre Überlegungen richtig verstehe, doch wohl für den Arbeitnehmer, der bereits durch verhältnismäßig hohe Beiträge für Sozialversicherungsinstitutionen belastet ist, zusätzlich zu dieser Altersversorgung noch etwas schaffen. In diesem Zusammenhang ist der Vergleich der Beamten mit ihren Pensionsansprüchen usw. mit den anderen Arbeitnehmern, den Sie angestellt haben, nicht richtig.Hier möchte ich doch noch einmal auf die Forderung zurückkommen, die wir Freien Demokraten immer wieder erhoben haben und die hier heute auch von Herrn Dr. Starke vorgebracht worden ist, die Forderung nämlich, unsere sozialpolitischen und unsere steuerpolitischen Maßnahmen so einzurichten, daß für den einzelnen von seinem Einkommen, von seinem Lohn so viel übrigbleibt, daß er daraus Ersparnisse bilden kann. Es darf nicht das geschehen, was der Herr Arbeitsminister einmal angedeutet hat, als er sagte: Wir müssen uns davor hüten, zu einer Art Sozialisierung des Lohnes zu kommen. Dies ist ein Punkt, wo wir in diesem Hohen Hause aufpassen müssen, daß nicht durch ständige neue gesetzliche Bestimmungen, durch die Heraufsetzung von Einkommensgrenzen für die Pflichtversicherung usw., so viel vom Einkommen weggenommen wird, daß keine Möglichkeit mehr zur Bildung von Eigentum besteht.Auch unser Einwand, daß die lohnintensiven Betriebe nach diesem Gesetz einer stärkeren Belastung unterliegen werden als die weniger lohnintensiven Betriebe, konnte nicht entkräftet werden. Das ist eine Tatsache, die nicht hinwegzuleugnen ist. Der Herr Wirtschaftsminister hat ja sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß infolge der Konjunkturlage alle diejenigen Betriebe, die vielleicht von Haus aus nicht zu den im Gesetz vorgesehenen Leistungen in der Lage sind, nachziehen müßten, um im „Wettbewerb um die Arbeitskraft" bestehen zu können.Hierher gehört noch eine weitere Überlegung. Ich bedauere, daß davon in der Debatte bisher noch nicht gesprochen worden ist. In dem Augenblick, in dem man durch gesetzliche Maßnahmen, durch gewisse Begünstigungen — sei es durch die Freistellung von Sozialversicherungsbeiträgen, sei es durch eine Ermäßigung der normalerweise 20%igen Steuerbelastung auf 10 % Vorteile zum Zwecke der Bildung neuen Eigentums verschafft, erhebt sich doch automatisch für diejenigen, die ihr Eigentum in Gestalt von Lebensversicherungen oder von Altsparerguthaben verloren haben, die Frage: Wann kommt für uns das Einstehen der Gemeinschaft? Wann wird. das „Eigentum", das wir uns einmal gebildet haben, wenigstens gleichartig wie das „Eigentum" derjenigen behandelt, die doch über die Sozialversicherung eine viel bessere Umwertung erhalten haben als wir? Auch daran sollten wir denken. Wir schaffen durch dieses Gesetz unter den Betroffenen erneute Unruhe. Sie können mit Recht darauf hinweisen, daß auf dem Gebiet des Lastenausgleiches für Altsparer und Alt-Lebensversicherungsinhaber leider noch nicht genug geschehen ist.Nun ein paar Bemerkungen zu dem, was hier über die Sparwilligkeit und die Sparfähigkeit gesagt worden ist. Der Herr Wirtschaftsminister hat davon gesprochen, daß die Sparwilligkeit nicht mit der Sparfähigkeit Schritt gehalten habe. Warum denn? Doch nur deshalb, weil ein gewisser Kaufkraftschwund eingetreten ist, weil sich viele Sparer, die früher das Kontensparen bevorzugt haben, in andere Sparformen hineinflüchten aus Sorge, ein Sparguthaben im alten Sinne werde in zwei, drei, vier
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Mischnickoder fünf Jahren nicht mehr so viel wert sein wie jetzt. Deshalb ziehen sie sich auf andere Möglichkeiten zurück. Das bedeutet aber, daß wir das Kontensparen, das die wichtigste Voraussetzung für die Eigentumsbildung überhaupt ist, praktisch schlechter behandeln und damit immer unattraktiver machen. Der Gesetzentwurf geht genau in dieser Richtung weiter. Wir haben Bedenken, daß damit an dem Grundstein für eine vernünftige Vermögensbildung in einer Weise gerüttelt wird, wie es nicht im Interesse des ganzen Hauses sein kann. Herr Professor Burgbacher hat zwar gemeint, das sei alles nicht so bedenklich. Aber ich denke an die Rede des Herrn Finanzministers Etzel, in der er vor aller Öffentlichkeit zugab, daß ein beträchtlicher Kaufkraftschwund eingetreten ist, der praktisch gerade durch die Höhe der heutigen Sparprämie für die Festkonten in etwa fünf Jahren — in fünf Jahren, wohlgemerkt! — ausgeglichen wird. Alle Berechnungen weisen doch nach, daß ein Kaufkraftschwund von im Schnitt insgesamt 3 bis 4 % pro Jahr eingetreten ist.Unser ganz besonderes Interesse hat weiter der Hinweis von Herrn Professor Burgbacher gefunden, daß die in diesem Gesetz vorgesehene Mitbestimmung, nämlich die Möglichkeit, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber Auskunft über die Richtigkeit der Berechnung der Ergebnisanteile verlangen könne, durchaus von ihm begrüßt werde. Ich muß offen gestehen, daß mich diese Erklärung überrascht hat. Bitte, stellen Sie sich vor, was das in der Praxis bedeutet. Es bedeutet, daß wir bis in den kleinsten Handwerksbetrieb hinein vor der Gefahr stehen, daß sich jeder Geselle und Lehrling genau darüber unterrichtet, was in diesem Betrieb, der Bäckerei oder was es auch sein möge, für ein Ergebnis erzielt wurde. Was das für Unruhe in diese Betriebe hineinbringen kann,
welche Schwierigkeiten damit im Arbeitsleben möglich werden, — —
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Burgbacher?
Bitte!
Herr Kollege, ist
Ihnen bei dem Studium des Gesetzentwurfs entgangen, daß ganz beliebige Bemessungsgrundlagen
und keineswegs der Nettoertrag, von dem Sie
jetzt sprechen —, zugrunde gelegt werden können;
und daß zu einem Vertrag immer zwei gehören?
Herr Kollege Burgbacher, man sagt — wie Sie es getan haben und wie es der Herr Wirtschaftsminister unter etwas anderen Gesichtspunkten gesagt hat —, die mittelständische Wirtschaft müsse automatisch nachziehen, um auf dem Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig zu bleiben, dann fänden sich auch die zwei, die den Vertrag abschlössen. Das bezweifeln wir im Augenblick. Das wird sich natürlich auch auf den Kleinbetrieb auswirken. Ob dabei im einzelnen der Nettoertrag oder der Bruttoertrag
zugrunde gelegt wird, ist gleich. Wir halten es aber für falsch, daß auf diesem Wege eine Mitbestimmung bis in den kleinsten Betrieb hinein eingeführt wird. Das ist unser grundsätzlicher Standpunkt, von dem wir nicht abgehen.Nun noch ein paar Worte zu der hier angestellten Überlegung, dieses Gesetz nehme den Großbetrieb als Leitbild. Dem ist entgegengehalten worden, es gehe gar nicht darum, hier den Großbetrieb herauszustellen, sondern es sei auch für die leistungsfähigen Betriebe des Mittelstandes eine gute Möglichkeit, sich besser im Konkurrenzkampf zu behaupten. Wir Freien Demokraten stehen nicht auf dem Standpunkt, der Mittelstand ist eine Art Hemmschuh, wie es hier dargestellt wurde. Aber wir meinen, Herr Professor Burgbacher, das von Ihnen so gern bevorzugte Beispiel des Geleitzuges
bedingt doch — das Beispiel des Geleitzuges stammt nicht von uns, sondern von Ihnen, Herr Professor Burgbacher —, daß ich mir überlege — wenn ich schon vom Geleitzug spreche —, wie ich die Gesamtgeschwindigkeit der Schiffe untereinander so abstimmen kann, daß die große Masse der Schiffe mitkommt.
— Herr Professor Burgbacher, darauf wollte ich gerade hinaus. Was machen Sie denn hier? Sie schicken praktisch eine Art Schnellboot hinaus, das— in Form eines Schnellbootes für die Großwirtschaft — den ganzen anderen Geleitzug abhängt.
— Nein, das ist keine Behauptung, das ist eine Tatsache.
— Sie sind sich doch genau wie wir darüber im klaren — Herr Kollege Kurlbaum hat es hier auch ausgeführt —, daß gerade für die Großbetriebe viel bessere Möglichkeiten nach diesem Gesetz bestehen — sei es in der Form der Ausgabe von Belegschaftsaktien, ,sei es in anderer Form —, als das für den Mittel- und Kleinbetrieb der Fall ist. Unsere Bedenken sind auf diesem Gebiet nicht ausgeräumt worden. Ob es im Ausschuß gelingt, das alles auf einen Nenner zu bringen — es mutet manchmal fast an, als müßten wir eine Quadratur des Zirkels vornehmen —, bezweifle ich noch. Daß wir uns darum bemühen werden, hat Herr Dr. Starke zum Ausdruck gebracht. Ich glaube aber, wir sollten uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß alle die vorgebrachten Bedenken im Grunde doch nicht ge-
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Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. Januar 1961 8033
Mischnickäußert werden, weil man verhindern will, daß da und dort neues Eigentum gebildet wird, sondern ausschließlich aus der Sorge, daß die von uns immer wieder bekämpften Konzentrationserscheinungen in der Wirtschaft eine neue Unterstützung, eine neue Förderung erhalten. Wir müßten dann wieder überlegen, wie wir auf anderen Gebieten, sei es beim Steuerrecht oder wo es sei, das reduzieren, was wir durch Gesetze vorher in Gang gebracht haben.Meine Freunde und ich werden Sie im Ausschuß davon zu überzeugen versuchen, daß zum mindesten erreicht werden muß, daß die Gruppeneinteilung, die der Gesetzentwurf auch noch im einzelnen Betrieb vorsieht, daß die unterschiedliche Bewertung der Arbeitnehmer herausgebracht wird. Wir sollten uns doch überlegen, ob wir den Grundstein der Vermögensbildung Fin der Form des Kontensparens nicht so legen sollten, daß solche gesetzliche Maßnahmen, wie Sie sie hier vorgeschlagen haben, überflüssig werden.Eines möchte ich allerdings noch betonen: Die Überlegung, die Herr Kollege Kurlbaum gebracht hat, man solle bei Großbetrieben mit einer Sonderabgabe verhindern, daß sie eine solche neue Belastung überhaupt abwälzen können, halten wir nicht für richtig. Wir meinen, es muß von vornherein verhindert werden, daß solche, wie Sie sie bezeichnen, Übergewinne an bestimmten Stellen entstehen, indem wir gemeinsam, wie es wohl der Wille des ganzen Hauses ist, unser Steuerrecht durchforsten und versuchen, das, was an Fehlentwicklung in der letzten Zeit geschehen ist, zu beseitigen.Ich darf noch einmal betonen, daß wir Freien Demokraten die Bildung von Eigentum in breitesten Schichten für richtig und gut halten. Wir haben dazu zu den verschiedensten Punkten unsere Vorschläge gemacht. Vielleicht wäre es gut gewesen, wenn man z. B. bei der Frage der Weihnachtsgratifikation nicht einen steuerfreien Betrag von 100, sondern von 300 DM, wie wir es gefordert hatten, genommen hätte. Dort wäre schon eine Möglichkeit der Eigentumsbildung, vielleicht auch mit Festlegung, für alle Arbeitnehmer gewesen, statt hier auf einem neuen Weg nur Teile der Arbeitnehmerschaft zu begünstigen.
Die Aussprache ist geschlossen. Es ist vorgesehen, den Entwurf an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß sowie an den Wirtschaftsausschuß, Finanzausschuß und an den Ausschuß für Mittelstandsfragen zu überweisen. — Es besteht Einverständnis; es ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 8. Februar 1961, 9 Uhr.
Ich schließe die heutige Sitzung.