Protokoll:
3106

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 106

  • date_rangeDatum: 11. März 1960

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:12 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 106. Sitzung Bonn, den 11. März 1960 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . 5747 A Abg. Theil tritt als Nachfolger des verstorbenen Abg. Wehr in den Bundestag ein 5747 B Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. August 1959 mit dem Königreich Norwegen über Leistungen zugunsten norwegischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1591); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (Drucksache 1674) — Zweite und dritte Beratung —; verbunden mit Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. August 1959 mit dem Königreich Dänemark über Leistungen zugunsten dänischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1592); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (Drucksache 1675) — Zweite und dritte Beratung — Frenzel (SPD) 5747 C Wehner (SPD) 5749 A Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (Drucksache 1424); Erster Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1651) — Zweite und dritte Beratung — 5749 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 19. Juni 1959 zum Abkommen vom 26. August 1952 mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Regelung der Forderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich (Drucksache 1601) — Zweite und dritte Beratung — 5749 D Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Sozialversicherungsträger im Saarland (Sozialversicherungs-Organisationsgesetz Saar) (Drucksache 1541); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (Drucksache 1644) — Zweite und dritte Beratung — . . . . . . . . 5750 B Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes und des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache 1424); Zweiter Schriftlicher Bericht des Verteidigungsausschusses (Drucksache 1652) — Zweite und dritte Beratung — 5750 C Entwurf eines Gesetzes über den Vertrag vom 11. Mai 1959 mit der Republik Kolumbien über den gegenseitigen Schutz von Werken der Wissenschaft, Literatur und Kunst (Drucksache 1596) — Erste Beratung — 5750 D Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1957 über den Austausch von Postpaketen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba (Drucksache 1598) — Erste Beratung — 5751 A II Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. März 1960 Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 1. August 1959 mit dem Königreich Dänemark über Arbeitslosenversicherung (Drucksache 1599) — Erste Beratung — 5751 A Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 17. April 1959 mit dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener anderer Steuern (Drucksache 1606) — Erste Beratung — 5751 B Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 16. Juni 1959 mit dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (Drucksache 1614) Erste Beratung — . . . 5751 B Entwurf eines Gesetzes zum Abkommen vom 18. März 1959 mit der Regierung von Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens (Drucksache 1615) — Erste Beratung — . . . 5751 C Antrag der Abg. Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende u. Gen. betr. Staatsangehörigkeit der Kinder von Staatenlosen; Mündlicher Bericht des Ausw. Ausschusses (Drucksachen 1178, 1573) Frau Dr. Rehling (CDU/CSU) . . . 5751 C Antrag der Abg. Dr. Harm, Dr. Wahl, Dr. Mende u. Gen. betr. Übereinkommen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht über Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern; Schriftlicher Bericht des Ausw. Ausschusses (Drucksachen 1179, 1574, zu 1574) 5752 B Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des von den Abg. Dr. Schmidt (Wuppertal), Ruhnke, Margulies, Dr. Elbrächter u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuchs; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen (Drucksache 1620, Umdruck 416) Dr. Even (Düsseldorf) (CDU/CSU) . 5752 C Ubersicht 11 des Rechtsausschusses über Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1618) 5753 A Antrag auf Überweisung des von den Abg. Ritzel, Marx, Schmitt (Vockenhausen), Frau Beyer (Frankfurt), Reitz, Leber u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Tierschutzgesetzes (Drucksache 1539) an den Rechtsausschuß (mitberatend) und an den Ausschuß für Inneres (mitberatend) 5753 B Antrag der Abg. Frau Strobl, Seidel (Fürth), Kurlbaum, Höhne, Bazille u. Gen. betr. Autobahnbau SchwabachHeilbronn (Drucksache 1631) . . . . 5753 B Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600); verbunden mit Entwurf eines Gesetzes über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft (Landwirtschaftszählung 1960) (CDU/ CSU, SPD, FDP, DP) — Erste, zweite und dritte Beratung — Struve (CDU/CSU) 5753 D Wacher (CDU/CSU) 5757 D Kriedemann (SPD) 5760 C Mauk (FDP) 5767 B Logemann (DP) . . . . . . . 5772 C Bauknecht (CDU/CSU) 5776 D Bading (SPD) 5781 C Weber (Georgenau) (FDP) . . . 5784 D Frau Dr. Pannhoff (CDU/CSU) . 5786 D Frehsee (SPD) . . . . . . . 5788 C Schwarz, Bundesminister . . . 5793 C Krüger (Olpe) (CDU/CSU) . . . 5796 D Redaktionelle Berichtigung zur zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Straßenbaufinanzierungsgesetzes (Drucksachen 1247, 1616, zu 1616) betr. Umdruck 473 5784 C Nächste Sitzung 5798 D Anlagen 5799 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. März 1960 5747 106. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. März 1960 Stenographischer Bericht Beginn: 9.01 Uhr
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    Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich a) Beurlaubungen Altmaier 15. 3. Dr. Atzenroth 11. 3. Dr. Baade 30. 4. Baier (Mosbach) 11. 3. Bauer (Wasserburg) 11. 3. Bauereisen 11. 3. Bettgenhäuser 11. 3. Frau Beyer (Frankfurt) 11. 3. Blachstein 11. 3. Brüns 2. 7. Dr. Bucerius 11. 3. Caspers 11. 3. Cillien 9. 4. Corterier 11. 3. Diekmann 12. 3. Dr. Dittrich 11. 3. Döring (Düsseldorf) 11. 3. Dr. Drachsler 11. 3. Dr. Dr. h. c. Dresbach 8. 4. Dr. Eckhardt 11. 3. Frau Eilers (Bielefeld) 13. 3. Eilers (Oldenburg) 11. 3. Engelbrecht-Greve 12. 3. Enk 11. 3. Even (Köln) 1. 4. Faller 12. 3. Felder 13. 3. Finckh 11. 3. Frau Friese-Korn 31. 3. Frau Dr. Gantenberg 31. 3. Geiger (München) 11. 3. Dr. Greve 15. 4. Dr. Gülich 16. 4. Freiherr zu Guttenberg 4. 4. Hauffe 11. 3. Heiland 13. 3. Dr. Graf Henckel 11. 3. Herold 13. 3. Hilbert 11. 3. Dr. Höck (Salzgitter) 12. 3. Höfler 14. 3. Hörauf 13. 3. Illerhaus 11. 3. Jacobi 11. 3. Jahn(Frankfurt) 23. 4. Jahn (Stuttgart) 11. 3. Dr. Jordan 11. 3. Junghans 11. 3. Katzer 11. 3. Keuning 13. 3. Kisters 18. 3. Frau Klemmert 15. 5. Koenen (Lippstadt) 13. 3. Könen (Düsseldorf) 13. 3. Dr. Kopf 11. 3. Dr, Krone 11. 3. Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Lantermann 11. 3. Leukert 11. 3. Lohmar 11. 3. Lulay 31. 3. Maier (Freiburg) 16. 4. Dr. Martin 16. 4. Mattick 11. 3. Frau Dr. Maxsein 11. 3. Dr. Miessner 19. 3. Müller-Hermann 11. 3. Neuburger 11. 3. Frau Niggemeyer 13. 3. Pöhler 15. 3. Ramms 2. 4. Rasner 11. 3. Dr. Ratzel 11. 3. Dr. Reinhard 12. 3. Reitzner 11. 3. Richarts 18. 3. Dr. Ripken 14. 3. Scheel 11. 3. Dr. Schmidt (Gellersen) 11. 3. Schneider (Hamburg) 24. 3. Dr. Schneider (Saarbrücken) 18. 3. Schoettle 11. 3. Dr. Schranz 13. 3. Schröder (Osterode) 13. 3. Schultz 11. 3. Dr. Schwörer 11. 3. Seidl (Dorfen) 14. 3. Seither 8. 4. Seuffert 11. 3. Siebel 12. 3. Simpfendörfer 11. 3. Spitzmüller 11. 3. Dr. Starke 11. 3. Stauch 11. 3. Stenger 11. 3. Storch 15. 3. Storm (Meischenstorf) 11. 3. Frau Strobel 11. 3. Unertl 12. 3. Vehar 12. 3. Wagner 11. 3. Weinkamm 18. 3. Wittmann 14. 3. Zoglmann 11. 3. b) Urlaubsanträge Deringer 18. 3. Jaksch 5. 4. Stahl 18. 3. Anlage 2 Umdruck 492 Antrag der Fraktion der DP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600). 5800 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. März 1960 Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, im Grünen Bericht 1961 beim Lohnvergleich als Vergleichslohn für Gewerbe und Landwirtschaft den Stundenlohn einzusetzen. Bonn, den 9. März 1960 Logemann Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 3 Umdruck 493 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, DP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat die Erklärung der Bundesregierung sowie ihren Bericht über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis genommen. Er stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz mit der Maßgabe zu, daß die Mittel innerhalb der einzelnen Positionen austauschbar sind. Der vorliegende Grüne Bericht weist in Verfolg des vorjährigen Berichts neben einer weiteren leichten Besserung der Gesamtlage der Landwirtschaft innerhalb der verschiedenen Betriebsgruppen und Bodennutzungssysteme erhebliche Unterschiede auf. In von Natur aus benachteiligten Gegenden, vor allem in gebirgigen Lagen, blieben Betriebe mit niedrigen Einheitswerten im Wirtschaftsjahr 1958/59 in ihrer Ertragslage zurück. Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen sind die bestehenden Richtlinien entsprechend umzugestalten. In Ergänzung hierzu sind die Mittel, die im Rahmen des gesamten Strukturprogramms zur Verfügung stehen, so einzusetzen, daß auch die Rationalisierung der bäuerlichen Gehöfte unter vorgenannten Verhältnissen zu tragbaren Bedingungen ermöglicht wird. Darüber hinaus wird die Bundesregierung ersucht, unter Berücksichtigung der derzeitigen ungünstigen Marktverhältnisse im Bereich der Veredelungswirtschaft weitere Überlegungen anzustellen, um den in der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und den in der Übergangszeit zum Gemeinsamen Markt auftretenden Schwierigkeiten mit wirksamen Maßnahmen, wie sie auch in den anderen Ländern zur Anwendung kommen, zu begegnen, damit im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes — insbesondere auch seiner Verpflichtung gemäß § 1 — der Ausgleich zwischen Ertrag und Aufwand in den landwirtschaftlichen Betrieben herbeigeführt wird. Bonn, den 10. März 1960 Krone und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Anlage 4 Umdruck 494 Antrag der Fraktionen der DP, CDU/CSU zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, unter Ausnutzung aller vertraglichen und handelspolitischen Möglichkeiten dahin zu wirken, daß die deutsche Eier- und Geflügelwirtschaft einen höheren Anteil am deutschen Markt erwirbt, damit ein Preis für ihre Erzeugnisse erzielt wird, der die Rentabilität rationell wirtschaftender bäuerlicher Geflügelhaltungen wiederherstellt. Bonn, den 10. März 1960 Logemann Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Dr. Krone und Fraktion Anlage 5 Umdruck 495 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600) Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Deutschen Bundestag bis zum 15. Mai 1960 zu berichten, inwieweit (Möglichkeit und Höhe) nach dem Artikel 44 des EWG-Vertrages Mindestpreise als Sofortmaßnahmen anzuwenden sind, um der Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes Rechnung zu tragen. In dem Bericht sind zu berücksichtigen die von den Regierungen anderer Mitgliedstaaten, insbesondere die jüngst von der französischen Regierung getroffenen Maßnahmen und deren Auswirkungen. Bonn, den 10. März 1960 Mauk Weber (Georgenau) Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 6 Umdruck 496 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu untersuchen und dem Deutschen Bundestag spätestens mit dem Bericht für das Wirtschaftsjahr 1959/60 über die Lage der Landwirtschaft zu be- Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. März 1960 5801 richten, ob und gegebenenfalls wie die Ziele des Landwirtschaftsgesetzes baldmöglichst, jedoch spätestens bis zum Ende der Übergangsphase des EWG-Vertrages, erreicht werden können: 1. a) Im Wege einer Kostensenkung in der gewerblichen Wirtschaft durch Weitergabe der Rationalisierungsgewinne in Form von Preissenkungen. b) Durch eine verantwortungsvolle Ausübung der Tarifhoheit durch die Sozialpartner unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Preisgestaltung im Agrarsektor. c) Durch Vorlage eines Berichtes über die Höhe der Mittel, die nach Berücksichtigung von a) und b) noch erforderlich sind, um die soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbaren Berufsgruppen anzugleichen (§ 1 Satz 2 des Landwirtschaftsgesetzes), und durch Bereitstellung dieser Mittel. 2. Die Bundesregierung wird ferner aufgefordert, bis zu dem genannten Zeitpunkt zu untersuchen und zu berichten, wie sich unter Berücksichtigung der Lage und der Struktur der deutschen Landwirtschaft die Übernahme einer Agrarpolitik auswirken würde, wie sie z. B. in England und auch in anderen Staaten durchgeführt wird, d. h. durch die Schaffung eines den Weltmarktpreisen angepaßten Preisniveaus für landwirtschaftliche Erzeugnisse, mit der Maßgabe, daß die Differenz zwischen diesem Preisniveau und der Aufwands- und Ertragsberechnung (entsprechend der in England und nach dem Landwirtschaftsgesetz vorgeschriebenen Aufwands- und Ertragsberechnung) direkt und annähernd vergütet wird. Bonn, den 10. März 1960 Mauk Weber (Georgenau) Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 7 Umdruck 497 Antrag der Fraktion der FDP zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600). Der Bundestag wolle beschließen: Der von der Bundesregierung vorgelegte Bericht über die Lage der Landwirtschaft — Drucksache 1600 — wird der Bundesregierung zurückgegeben mit dem Ersuchen, ihn durch folgende Punkte zu ergänzen und bis spätestens 15. Mai 1960 erneut vorzulegen: 1. Eine Berechnung des Vergleichslohnes auf der Grundlage des tatsächlichen Stundenarbeitsverdienstes anstelle eines manipulierten Jahresarbeitsverdienstes, wie das bisher geschehen ist. Dabei sind zu berücksichtigen: a) die Überstunden- und Feiertagszuschläge, b) die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden aller ständig, nichtständig oder nur zeitweise in der Landwirtschaft beschäftigten fremden und familieneigenen Arbeitskräfte einschließlich der Bewertung der Arbeit der Bauersfrau im Betrieb. 2. Eine Bekanntgabe der sich aus der Vergleichsrechnung ergebenden Gesamtdisparitätssumme, unter Berücksichtigung des § 4 Buchstaben a, b und c des Landwirtschaftsgesetzes. 3. Eine Vorausschau für das laufende und kommende Wirtschaftsjahr, welche im Gegensatz zu der im vorliegenden Bericht unterbreiteten Vorausschau die Veränderungen auf dem preis- und lohnpolitischen Gebiet voll berücksichtigt. Bonn, den 10. März 1960 Mauk Weber (Georgenau) Lenz (Trossingen) und Fraktion Anlage 8 Umdruck 498 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600). Der Bundestag wolle beschließen: Der Deutsche Bundestag hat den Bericht über die Lage der Landwirtschaft (Grüner Bericht 1960) zur Kenntnis genommen und mit Befriedigung festgestellt, daß er für einen Teil der landwirtschaftlichen Betriebe eine Verbesserung des Wirtschaftsergebnisses ausweist. Für die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe sind jedoch die im Landwirtschaftsgesetz festgelegten Ziele noch nicht erreicht. Der Deutsche Bundestag weist die Bundesregierung darauf hin, daß nach wie vor in weiten landwirtschaftlichen Bereichen die Struktur der Betriebe und andere das Arbeitsergebnis bestimmende Faktoren unbefriedigend sind. Angesichts der wenigen bis zur Herstellung des Gemeinsamen Marktes noch verfügbaren Jahre hält es der Bundestag für wichtig, daß die zur Verbesserung der Wettbewerbslage der deutschen Landwirtschaft notwendigen Maßnahmen beschleunigt durchgeführt werden. Er erachtet den für die Strukturverbesserung von der Bundesregierung vorgesehenen Betrag für zu gering und ersucht die Bundesregierung, mehr Mittel zur Verfügung zu stellen und insbesondere die Bedingungen für die Hergabe der Bundeszuschüsse so zu gestalten, daß die Agrarstruktur auch dort verbessert wird, wo die schlechte wirtschaftliche Lage der Betriebe Leistungen aus eigener Kraft nicht erlaubt. Der Deutsche Bundestag bedauert, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen in vielen Betrieben ohne Verschulden der Betriebsleiter ein zeitgemäßes 5802 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. März 1960 Einkommen immer noch nicht erzielt werden kann. Er erkennt deshalb an, daß für eine Übergangszeit — bis die Maßnahmen zur Strukturverbesserung wirksam werden — Einkommenszuschüsse gezahlt werden müssen. Er hält aber das jetzige Verfahren für ungeeignet und bedauert, daß die Bundesregierung trotz wachsender Kritik an den pauschalen Subventionen auch im Grünen Plan 1960 daran f est-halten will. Es erscheint unerträglich, daß nach wie vor auch solche Betriebe subventioniert werden, in denen ausweislich des Grünen 'Berichts der Vergleichslohn voll gedeckt oder sogar überschritten und eine Verzinsung des Kapitals erreicht wird. Demgegenüber erhalten die unter besonders ungünstigen Bedingungen arbeitenden Betriebe aus den einkommensfördernden Maßnahmen nur eine völlig unzulängliche Hilfe. Der Deutsche Bundestag fordert deshalb die Bundesregierung auf, dem Bundestag umgehend Vorschläge für eine bessere Verteilung der verfügbaren Mittel zu machen. Sie muß gewährleisten, daß die Einkommenszuschüsse konzentriert solchen Landwirten zugute kommen, die wegen unzulänglicher wirtschaftlicher Voraussetzungen oder naturbedingter Benachteiligungen ein ausreichendes Einkommen nicht erzielen können. Der Deutsche Bundestag bedauert, daß die Bundesregierung in steigendem Maße dazu übergeht, normale öffentliche Aufgaben als Sonderleistungen im Grünen Plan auszuweisen. Das betrifft z. B. die Aufwendungen für die Versorgung ländlicher Gebiete mit Trinkwasser und Elektrizität, die nicht nur der landwirtschaftlichen Bevölkerung zugute kommt, oder die Mittel für die Flurbereinigung, die in den ordentlichen Haushalt des Ernährungsministers gehören, und die Zuschüsse zur Altershilfe für Landwirte, die in den Sozialhaushalt gehören. Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit ein für die Landwirtschaft abträgliches Bild von der Höhe der zu ihren Gunsten gemachten besonderen finanziellen Aufwendungen. Bonn, den 11. März 1960 Ollenhauer und Fraktion
Gesamtes Protokol
Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0310600000
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Sozialversicherungsträger im Saarland (Sozialversicherungs-Organisationsgesetz Saar) — Drucksachen 1541, 1644 — erweitert werden. — Das Haus ist offensichtlich damit einverstanden. Es ist so beschlossen.
Sodann habe ich dem Hause mitzuteilen, daß als Nachfolger für den verstorbenen Abgeordneten Wehr Herr Abgeordneter Theil in den Bundestag
eingetreten ist. Ich darf Herrn Kollegen Theil in unserer Mitte begrüßen und wünsche ihm eine gute Mitarbeit im Hause.

(Beifall.)

Folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat unter dem 3. März 1960 auf Grund des Beschlusses des Bundestages in seiner Sitzung am 2. Dezember 1959 über die Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 1670 verteilt.
Meine Damen und Herren, auf Grund interfraktioneller Vereinbarung sollen zunächst die Punkte 7 bis 10 der Tagesordnung behandelt werden.
Ich rufe daher zuerst die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. August 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen über Leistungen zugunsten norwegischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1591),
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (7. Ausschuß) (Drucksache 1674),

(Erste Beratung 99. Sitzung) ;

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zu dem Vertrag vom 24. August 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über Leistungen zugunsten dänischer Staatsangehöriger, die von nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen worden sind (Drucksache 1592),
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiedergutmachung (7. Ausschuß) (Drucksache 1675),

(Erste Beratung 99. Sitzung).

Berichterstatter des Ausschusses für Wiedergutmachung ist in beiden Fällen Herr Abgeordneter Frenzel. Ich darf ihm das Wort erteilen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0310600100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat die Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 1591 und 1592 in seiner 99. Sitzung am 10. Februar 1960 in erster Lesung beraten und sie dem Ausschuß für Wiedergutmachung — federführend — und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten — mitberatend — überwiesen. Der federführende Ausschuß hat die Gesetzentwürfe am 10. März 1960 abschließend erörtert und sie einstimmig gebilligt. Der mitbeteiligte Ausschuß hat dem Ausschuß für Wiedergutmachung am gleichen Tage mitgeteilt, daß auch er den Gesetzentwürfen zustimme.
Der Ausschuß für Wiedergutmachung, dessen Aufgabe es seit seiner Konstituierung ist, sich mit Fragen der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts sowohl in materieller als auch in ideeller Hinsicht zu befassen, hat mit den beiden Abkommen eine Materie erörtert, die ihre Grundlage nicht in der innerstaatlichen Gesetzgebung hat. Der Nationalsozialismus hat seine Gewalttaten ja nicht nur in den Gebieten des Deutschen Reiches verübt, sondern er hat, wenn er irgendwelche anderen Länder besetzt hatte, dieselben Gewaltmaßnahmen sofort auf diese Länder ausgedehnt. Die Menschen aus den besetzten Gebieten, die nicht mit dem Nationalsozialismus einverstanden waren, kamen ebenso wie die Gegner des Nationalsozialismus im Altreich in die Gefängnisse, in die Kerker, in die KZs. Ich glaube, ich brauche heute von dieser Stelle aus nicht mehr daran zu erinnern, wieviel Millionen unglücklicher Opfer diese Zeit des Nationalsozialismus gekostet hat. Aber ich glaube, es ist gerade in der gegenwärtigen Zeit notwendig, immer wieder daran zu erinnern, weil ja allzu leicht vergessen

Frenzel
wird, was in dieser unglücklichen Zeit geschehen ist.
Die Bundesrepublik hat als Nachfolgestaat des ehemaligen Deutschen Reiches versucht, soviel wie möglich von diesen Verbrechen wiedergutzumachen. Von einer Wiedergutmachung, wie wir sie uns vorgestellt haben, kann natürlich keine Rede sein; denn Tote kann man nicht mehr lebendig machen und jene, die zum Los des Krüppels und zu Siechtum verurteilt sind, kann man nicht mehr gesund werden lassen. Es ist aber notwendig, daß der Deutsche Bundestag, wenn er einmal die Gelegenheit hat, dieser Opfer zu gedenken, es immer wieder tun sollte mit der Verpflichtung, daß die Wiedergutmachung, wie wir sie uns vorgestellt haben, so bald, so schnell und so gut wie irgend möglich zum Abschluß gebracht wird.
Gerade in der Frage der individuellen Wiedergutmachung liegt noch vieles im argen. Nicht nur der Ausschuß für Wiedergutmachung und alle jene Stellen, die sich damit beschäftigen, sollten immer wieder versuchen, das Beste herauszuholen, sondern wir alle, die wir als Volksvertreter in diesem Hohen Hause sitzen, sollten auch die Aufgabe nicht verkennen, die uns die Wiedergutmachung auferlegt hat.
Ich habe festgestellt, daß in den „Frankfurter Heften" vom 2. Februar zu unserem Bedauern leider allzu wahre Tatsachen über die Entschädigungsleistungen an Opfern der Menschenversuche aus der nationalsozialistischen Zeit mitgeteilt worden sind. Es muß unsere Aufgabe sein — ich habe das Gefühl, daß alle Willigen in diesem Staate dazu bereit sind —, hier schnellstens Abhilfe zu schaffen und die Wiedergutmachung zu dem zu machen, als das sie von uns vorgesehen gewesen ist.
Betrachten wir heute das Ausland, so darf ich wohl sagen, daß es ohne Wiedergutmachung keine deutsche Außenpolitik hätte geben können. Das ist nicht nur eine Frage, die uns oftmals im Ausschuß für Wiedergutmachung beschäftigte, sondern es ist eine Tatsache, der sich auch verantwortliche Minister nicht verschließen können. Gerade die antideutsche Propaganda, die gegenwärtig in England wieder im Gange ist und der wir entgegenwirken müssen, kann immerhin zumindest abgeblasen werden, wenn es uns gelingt, auch die Verhandlungen über die von dort geforderten Wiedergutmachungsleistungen bald zu einem glücklichen Abschluß zu bringen.
Norwegen und Dänemark hatten sich gleichzeitig mit 9 anderen Ländern an die Bundesrepublik gewandt, um Wiedergutmachungsleistungen zugunsten derjenigen Angehörigen ihrer Staaten zu erwirken, die durch die deutsche Entschädigungsgesetzgebung nicht berücksichtigt werden; nach dem Bundesentschädigungsgesetz haben, abgesehen von Staatenlosen und Flüchtlingen, die unter gewissen Voraussetzungen Entschädigungsleistungen erhalten, grundsätzlich nur solche Opfer des Nazismus gesetzliche Ansprüche, die ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in der Bundesrepublik oder im Deutschen Reich in den Grenzen von 1937 haben oder hatten.
Der Herr Bundesminister des Auswärtigen hat bei der Beratung im Ausschuß vorgetragen, daß sich die Bundesregierung über die bestehende Rechtslage hinaus gerade auch im Bewußtsein der menschlichen Bedeutung dieser Wiedergutmachungsleistungen bereit erklärt hatte, in Verhandlungen über solche Leistungen einzutreten. Der Ausschuß hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß es in verhältnismäßig kurzer Zeit gelungen ist, wenigstens zwei dieser Abkommen — mit Norwegen und mit Dänemark — abzuschließen. Wir haben ebenfalls mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß zwei weitere solche Abkommen vor dem Abschluß stehen. Wir möchten nur den Wunsch aussprechen, daß es nicht allzu lange dauern wird, bis solche Globalabkommen mit allen neun Staaten, die Forderungen an die Bundesrepublik gestellt haben, durchgeführt werden können.
Aus den Ihnen nun vorliegenden Vertragstexten und der Denkschrift zu den Zustimmungsgesetzen ist ersichtlich, daß sich die Bundesrepublik verpflichtet hat, Norwegen 60 und Dänemark 16 Millionen DM an Wiedergutmachung zu leisten. Zwei Drittel dieser vorgesehenen Beträge müssen bis zum 1. Mai dieses Jahres gezahlt werden. Die Leistungen sollen zugunsten derjenigen Angehörigen dieser Staaten erfolgen, die aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung Verfolgungsmaßnahmen des nazistischen Regimes ausgesetzt waren.
Selbstverständlich kann es nicht unsere Aufgabe sein, über die Verteilung dieser Gelder zu bestimmen. Aber wie mir bekannt ist, haben sich die in Betracht kommenden Regierungen mit ihren Verbänden der Verfolgten in Verbindung gesetzt und haben eine Lösung und einen Schlüssel gefunden.
Meine Damen und meine Herren, der Ausschuß für Wiedergutmachung hat die Beratung dieser beiden Verträge zum Anlaß genommen, alle innen- und außenpolitischen Fragen der Wiedergutmachung, unter anderem auch unter dem Gesichtspunkt neonazistischer Tendenzen, die sich in der letzten Zeit bemerkbar gemacht haben, aufzurollen. Er hat stundenlang darüber diskutiert und ist zu der Auffassung gekommen, daß wir alle die Verpflichtung haben, nach besten Kräften mitzuarbeiten und mitzuwirken, daß die Wiedergutmachung zu jenem befriedigenden Abschluß kommt, den wir uns alle vorgestellt haben.

(Beifall.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0310600200
Meine Damen und Herren, wir danken dem Herrn Berichterstatter und treten nunmehr in die Einzelberatung ein.
Ich eröffne die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die zweite Beratung.
Wer dem Entwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung mit Einleitung und Überschrift in zweiter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich urn das Handzeichen. — ich bitte um die Gegenprobe.
Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 106. Sitzung, Bonn, Freitag, den 11. März 1960 5749
Vizepräsident Dr. Preusker
— Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen in zweiter Beratung angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort zur Abgabe einer Erklärung für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat der Herr Abgeordnete Wehner. Die Erklärung wird, soweit ich unterrichtet bin, zugleich zu dem Gesetzentwurf unter Punkt 8 mit abgegeben.

Herbert Wehner (SPD):
Rede ID: ID0310600300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokraten begrüßt es, daß mit diesen Verträgen ein Schritt getan wird, um wenigstens einen Teil der Schäden, die in Dänemark und Norwegen an Menschen angerichtet worden sind, wiedergutzumachen. Aber ich muß Ihnen bei dieser Gelegenheit sagen, daß wir nicht umhin können, an unseren Fragen, die wir auch in Ausschußberatungen vorgebracht haben, festzuhalten.
Die erste Frage ist, ob unsererseits, deutscherseits wirklich ein Wiedergutmachungsangebot vorgelegt worden ist, das so weit wie möglich ging; ich sage das sehr vorsichtig: so weit wie möglich ging.
Eine zweite Frage ist, ob wir durch sehr langes Zaudern und Zögern und durch ein verhältnismäßig enges Angebot materieller Art nicht doch eine Lage geschaffen haben, die für unsere skandinavischen Partner als eine unwürdige Lage erscheinen muß.
Eine dritte Frage: War es nötig, die dänische und
die norwegische Regierung durch eine Art Abgeltungsthese unsererseits, nach der also weitere Ansprüche ausgeschlossen sind, in eine Situation zu bringen, in der sie nicht umhin konnten, Stellung zu nehmen und ihren eigenen Standpunkt neben unseren zu stellen, wie wir es ja im Anhang zu den beiden Gesetzentwürfen im Briefwechsel sehen.
Ich will bei dieser Gelegenheit nicht auf Zahlen zurückgreifen. Ich will nur zusammenfassend sagen: Die Summen, die mit diesen Verträgen als unsere Wiedergutmachungsleistungen gegenüber Dänemark und Norwegen angesetzt worden sind, machen nur einen Bruchteil der Schäden aus, die dort an Menschen angerichtet worden sind. Das Wort, das wir auch hier wieder gehört haben, daß man nicht alles mit Geld gutmachen kann, ist ein richtiges Wort. Andererseits sollte man mit dem, was man auf dem Gebiet tun kann, bis an die uns mögliche äußerste Grenze gehen. Das ist hier leider nicht geschehen. Wir liegen mit diesen Beträgen weit unter dem, was beide Länder aus eigener Kraft, aus eigenen Mitteln in den Jahren, die seit dem Krieg vergangen sind, haben aufbringen müssen, um Opfern des nationalsozialistischen Regimes in ihrem Gebiet zu helfen.
Aus diesen Gründen muß ich mit Bedauern feststellen, daß die Sozialdemokraten sich der Stimme enthalten müssen.

Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0310600400
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung zur Abstimmung gehört. Weiter wird das Wort zu Erklärungen nicht gewünscht.
Wer dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Norwegen in der soeben in zweiter Beratung beschlossenen Fassung in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich eröffne die Aussprache zu dem Gesetzentwurf unter Punkt 8 der Tagesordnung. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Art. 1, 2 und 3 sowie der Einleitung und Überschrift des Gesetzes zu dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark zuzustimmen wünscht, den bitte ich um glas Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? —Bei zahlreichen Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wer dem soeben in zweiter Beratung beschlossenen Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei der gleichen Zahl von Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (Drucksache 1424);
Erster Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (5. Ausschuß) (Drucksache 1651) (Erste Beratung 95. Sitzung).
Der Berichterstatter, Abgeordneter Merten, verweist auf den Schriftlichen Bericht.
Ich eröffne die zweite Beratung. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer dem Gesetzentwurf in der soeben in der zweiten Beratung beschlossenen Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vorn Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Vom Hohen Hause soweit ich sehe, ohne Gegenstimmen und Enthaltungen — so beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 19. Juni 1959 zum Abkommen vom 26. August



Vizepräsident Dr. Preusker
1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Regelung der Forderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich (Drucksache 1601).
Dazu liegt ein Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses vor, Drucksache 1676 — Berichterstatter Abgeordneter Windelen —, mit dem Antrag, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Ich glaube, das Wort wird vom Berichterstatter nicht weiter gewünscht.
Ich eröffne die
zweite Beratung
und rufe den Gesetzentwurf zu diesem Vertrag einschließlich Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wer den Entwurf eines Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft in der zweiten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Angenommen; soweit ich sehe, bei einigen Enthaltungen.
Ich eröffne die
dritte Beratung
über den soeben beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu einem Zusatzabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Wird in der dritten
Beratung das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich diejenigen Damen und Herren, die dem Vertrag in der soeben in zweiter Beratung beschlossenen Fassung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Ich bitte um die Gegenprobe — Enthaltungen? — Angenommen; soweit ich sehe, einstimmig.
Wir haben noch einige Punkte zu erledigen, ehe wir zu dem Hauptpunkt, der heutigen Debatte über den Grünen Plan, gelangen können. Ich rufe auf die entsprechend interfraktioneller Vereinbarung auf die Tagesordnung gesetzte
zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Sozialversicherungsträger im Saarland (SozialversicherungsOrganisationsgesetz Saar) (Drucksache 1541).
Dazu liegt der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik vor, Drucksache 1644. Wünscht der Herr Berichterstatter das Wort?

(Abg. Baldauf: Ich verweise auf den Schriftlichen Bericht!)

— Der Berichterstatter verweist auf den Schriftlichen Bericht mit dem Antrag des Ausschusses, den Gesetzentwurf in der dem Bericht beiliegenden Fassung anzunehmen.
Ich eröffne die zweite Beratung und. rufe auf: § 1 — keine Wortmeldungen —, sodann die §§ 2 bis 40. — Keine Wortmeldungen. Einleitung und Überschrift! — Wer den soeben aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift in zweiter
Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um
das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Das Gesetz ist — soweit ich sehe, einstimmig — angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer in der dritten Beratung dem soeben in der zweiten Beratung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Sozialversicherungsträger im Saarland zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist — soweit ich sehe, ebenfalls einstimmig und ohne Enthaltungen — angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes und des Bundesbesoldungsgesetzes (Drucksache 1424) ;
Zweiter Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung (5. Ausschuß) (Drucksache 1652)

(Erste Beratung 95. Sitzung).

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Merten. — Das Wort wird von ihm nicht gewünscht.
Ich eröffne die zweite Beratung. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich rufe auf die Artikel 1, — 2, —3, — 4 — sowie Einleitung und Überschrift. — Wer diesen Artikeln sowie der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — In zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.

— Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die dritte Beratung.
Wer dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes und des Bundesbesoldungsgesetzes in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag vom 11. Mai 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kolumbien über den gegenseitigen Schutz von Werken der Wissenschaft, Literatur und Kunst (Drucksache 1596).
Wird das Wort hierzu gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Es ist beantragt, den Gesetzentwurf an den Rechtsausschuß — federführend — und an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik — mitberatend — zu überweisen. Wer diesen Überweisungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das



Vizepräsident Dr. Preusker
Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. Mai 1957 über den Austausch von Postpaketen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba (Drucksache 1598).
Auf Begründung des Gesetzentwurfs wird verzichtet. Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen beantragt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 15:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 1. August 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über Arbeitslosenversicherung (Drucksache 1599).
Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Arbeit zu überweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 16:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 17. April 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener anderer Steuern (Drucksache 1606).
Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist Überweisung an den Finanzausschuß beantragt. Wer dem Antrag auf Überweisung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 17:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 16. Juni 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete (Drucksache 1614).
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer der vorgeschlagenen Überweisung an den Finanzausschuß zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.

Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abkommen vom 18. März 1959 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung von Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens (Drucksache 1615).
Hierzu liegen ebenfalls keine Wortmeldungen vor. Beantragt ist Überweisung an den Finanzausschuß. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 19 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Wahl, Dr. Harm, Dr. Mende und Genossen betr. Staatsangehörigkeit der Kinder von Staatenlosen (Drucksachen 1178, 1573).
Das Wort hat die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Rehling.

Dr. Luise Rehling (CDU):
Rede ID: ID0310600500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der in Drucksache 1178 vorliegende Antrag betreffend die Staatsangehörigkeit der Kinder von Staatenlosen wurde unmittelbar veranlaßt durch die Empfehlung 194 der Beratenden Versammlung des Europarates. Die Empfehlung geht zurück auf einen Antrag, der am 3. Mai 1958 von dem Abgeordneten Dr. Kopf und mehreren seiner Kollegen der Beratenden Versammlung unterbreitet wurde. Der Antrag stützte sich einmal auf die Beobachtung, daß in den letzten Jahren die Zahl der staatenlosen Kinder erheblich zugenommen hat, zum andern auf die Tatsache, daß in einer Reihe der Mitgliedstaaten des Europarats das Staatsangehörigkeitsrecht auf dem ius soli basiert, während es sich in einigen anderen Staaten auf das ius sanguinis gründet.
Der Antrag zielte darauf ab, die Regierungen der Mitgliedstaaten durch das Ministerkomitee aufzufordern, in ihrer Gesetzgebung sicherzustellen, daß einem ehelichen Kind, dessen Vater staatenlos ist und dessen Mutter die Staatsangehörigkeit eines der Mitgliedstaaten besitzt, automatisch die Staatsangehörigkeit der Mutter zuerkannt und ihm dadurch das Schicksal eines Staatenlosen und die damit verbundene gesellschaftliche Schlechterstellung erspart wird.
Der Antrag wurde im Rechtsausschuß der Beratenden Versammlung sehr gründlich geprüft. Es wurde eine vergleichende Übersicht über die gesetzlichen Bestimmungen der einzelnen Mitgliedstaaten auf diesem Spezialgebiet angefertigt und ein Unterausschuß eingesetzt, der sich in mehreren Sitzungen mit dieser Materie befaßte. Das Beratungsergebnis fand auch die Zustimmung der in Genf versammelten Experten der Vereinten Nationen für Staatsangehörigkeitsrecht, mit denen das Sekretariat des Europarats Fühlung nahm.



Frau Dr. Rehling
Die Empfehlung 194 richtet sich in erster Linie an drei Länder, hei denen das Staatsangehörigkeitsrecht auf dem ius sanguinis basiert, nämlich die Bundesrepublik, Belgien und Luxemburg. Den Regierungen dieser Länder wird nahegelegt, die gesetzlichen Bestimmungen denen der übrigen Mitgliedstaaten anzupassen.
Für den Fall, daß ein Kind aus einer Ehe zwischen einem Staatenlosen und einer Mutter, die die Staatsangehörigkeit eines der Mitgliedstaaten besitzt, außerhalb des Heimatlandes der Mutter geboren wird, soll in der Gesetzgebung Vorsorge getroffen werden, daß sowohl Staatenlosigkeit wie auch Doppelstaatsangehörigkeit vermieden wird. Das Ministerkomitee wird ersucht, der Beratenden Versammlung zu gegebener Zeit darüber zu berichten, was in den in Frage kommenden Ländern veranlaßt worden ist.
Der Antrag Drucksache 1178 bezweckt, daß aus der Empfehlung 194, die im April vorigen Jahres von der Beratenden Versammlung einstimmig angenommen wurde, die gewünschten Folgerungen gezogen werden. Bei uns ist das um so mehr angebracht, als die angestrebte Regelung dem Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes entspricht und es ganz allgemein bei den großen Schwierigkeiten, die sich auf dem Gebiet des Staatsangehörigkeitsrechts einer Harmonisierung der Gesetzgebung entgegenstellen, durchaus wünschenswert erscheint, wenigstens auf einem Teilgebiet zu einer Angleichung zu kommen.
Der Auswärtige Ausschuß hat in seiner Sitzung ) vom 14. Januar den Antrag unverändert angenommen. Als Berichterstatterin möchte ich dem Hohen Hause empfehlen, gleichfalls die Zustimmung zu geben.

(Beifall.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0310600600
Wir danken der Berichterstatterin.
Sie haben den Antrag gehört, den Antrag —Drucksache 1178 —, der dahin geht, der .Empfehlung 194 der Beratenden Versammlung des Europarates zu entsprechen, unverändert anzunehmen. Wer dazu bereit ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, ist der Antrag einstimmig vom Hohen Hause angenommen.
Ich rufe den Punkt 20 auf:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (3. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Harm, Dr. Wahl, Dr. Mende und Genossen betr. Übereinkommen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht über Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern (Drucksachen 1179, 1574, zu 1574).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Ripken. Er ist erkrankt; aber ich glaube, daß wir trotzdem diese Sache verabschieden können. Wird das Wort gewünscht? --- Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 1574 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich
bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, ist der Antrag des Ausschusses einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 21:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Gesundheitswesen (11. Ausschuß) über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entschließungsantrag zur dritten Beratung des von den Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Ruhnke, Margulies, Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und Ergänzung des Bürgerlichen Gesetzbuches (Drucksache 1620, Umdruck 416).
Der Herr Berichterstatter Abgeordneter Dr. Even hat dazu ums Wort gebeten.

Dr. Bert Even (CDU):
Rede ID: ID0310600700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD — Umdruck 416 — ist am 11. November 1959 dem Gesundheitsausschuß überwiesen worden. Er betrifft die Verunreinigung der Luft durch nichtgewerbliche Anlagen und die Lärmbekämpfung aller Art.
Der Gesundheitsausschuß hat den Antrag am 21. Januar und 11. Februar 1960 beraten, nachdem er schon am 22. Oktober 1959 aus Anlaß mehrerer Petitionen und Eingaben beschlossen hatte, die Frage der Luftverschmutzung und Lärmentwicklung im Straßenverkehr zu behandeln. Wegen des Sachzusammenhangs wurde in die Erörterungen auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Schmidt (Wuppertal), Bading, Margulies, Dr. Schild, Geiger (München) und Genossen Drucksachen 1407 und 1470 —, betreffend Abgase und Lärm von Kraftfahrzeugen, einbezogen.
Der Ausschuß begrüßte die von dem Herrn Bundesminister für Verkehr in Aussicht gestellten Verschärfungen des Straßenverkehrsrechts zur Abgas- und Lärmbekämpfung im Kraftverkehr. Andererseits hielt es der Ausschuß in Übereinstimmung mit den Antragstellern für sachdienlich, die Bundesregierung
in Ergänzung zur Luftreinhaltungsnovelle — Drucksachen 301 und 1343 — um einen umfassenden Bericht über die Luftverschmutzung durch nichtgewerbliche Quellen und die Lärmentwicklung zu ersuchen. Dem Gesundheitsausschuß erschien dies um so notwendiger, als eine demoskopische Umfrage im Jahre 1960 ergeben hatte, daß sich 40 % der Befragten durch Lärm belästigt und beeinträchtigt fühlten. Gleichzeitig werden im wachsenden Ausmaß Klagen über rücksichtslose Verhalten im Straßenverkehr laut, insbesondere seitens vieler Mopedfahrer.
Unter diesen Gesichtspunkten ist der Entschließungsantrag der SPD-Fraktion beraten und neu gefaßt worden. Die Ziffer 1 des Umdrucks 416 ist entfallen, da sie durch die Verabschiedung der Luftreinhaltungs-Novelle, Drucksache 1343, als erledigt anzusehen ist. Eine Prüfung ergab nämlich, daß die Änderung und Ergänzung der Gewerbeordnung und des Bürgerlichen Gesetzbuches den Vorschlägen ent-



Dr. Even (Düsseldorf)

sprechen, die im Bericht der Bundesregierung vom 31. Juli 1957 betreffend Verunreinigung der Luft durch Industriebetriebe, Drucksache 3757 der 2. Wahlperiode, enthalten waren. Die Ziffern 2 und 3 des Umdrucks 416 wurden präziser gefaßt, ohne ihren Sinngehalt zu verändern.
Die Beschlüsse erfolgten im Gesundheitsausschuß einstimmig. Der Ausschuß bittet Sie, meine Damen und Herren, seinem Antrag zuzustimmen und damit einen weiteren Schritt gegen die Verschmutzung der Luft und gegen den Lärm zu vollziehen.

(Beifall.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0310600800
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Ausschusses — auf Drucksache 1620 — gehört. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 22 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht 11 des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 1618).
Wer dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich
bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 23:
Beratung des Antrags auf Überweisung des von den Abgeordneten Ritzel, Marx, Schmitt (Vockenhausen), Frau Beyer (Frankfurt), Reitz, Leber und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Tierschutzgesetzes — Drucksache 1539 — an den Rechtsausschuß (mitberatend) und an den Ausschuß für Inneres (mitberatend).
Nach dem Antrag soll der Gesetzentwurf zusätzlich zur Mitberatung an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Inneres überwiesen werden. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Diese Überweisungen sind beschlossen.
Punkt 24 der Tagesordnung ist abgesetzt. Ich rufe auf Punkt 25 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Strobl, Seidel (Fürth), Kurlbaum, Höhne, Bazille und Genossen
betr. Autobahnbau Schwabach—Heilbronn (Drucksache 1631).
Hier ist vorgeschlagen Überweisung an den Haushaltsausschuß federführend — und an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — mitberatend. — Wer diesen Überweisungsanträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, haben wir die gesamte Tagesordnung bis auf die Punkte 4 bis 6 erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4:
Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 1600, zu 1600) ;
Punkt 5:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes (Drucksache 1443);
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Drucksache 1646),

(Erste Beratung 95. Sitzung) ;

und Punkt 6:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft (Landwirtschaftszählung 1960) (Drucksache 1664).
Über alle drei Tagesordnungspunkte soll gemäß interfraktioneller Vereinbarungen gemeinsam beraten werden.
Ich eröffne nunmehr die Aussprache. Die Herren Abgeordneten Struve und Wacher haben sich in die vereinbarte Redezeit geteilt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Struve.

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0310600900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mich dem eigentlichen Thema unserer heutigen Beratung zuwende, möchte ich zu einer äußerst ernsten und uns alle bewegenden Frage Stellung nehmen. Sie alle wissen, daß Walter Ulbricht, der Führer der Kommunisten in der Sowjetzone, seinen Terror nunmehr mit aller Schärfe gegen die noch freien Bauern in der sowjetischen Besatzungszone wendet. Der letzte Rest von privatem Besitz soll endgültig zerschlagen werden. Ulbricht will die Bauern in die Kolchosen treiben. Zwar tut die SED so, als ob die Umwandlung der freien Bauern in Kollektivarbeiter auf freiwilliger Basis geschähe. In Wirklichkeit steht der ganze Machtapparat der SED mit seinem Druck dahinter.
Ich glaube, daß ich mich mit dem ganzen Deutschen Bundestag in Übereinstimmung befinde, wenn ich an dieser Stelle gegen diese Gewaltmethoden der SED scharf protestiere.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Wo bleibt hier das Recht auf Selbstbestimmung, das die Kommunisten für andere immer wieder fordern, in ihrem eigenen Bereich aber brutal unterdrücken? Die deutschen Bauern im freien Teil unseres Vaterlandes fühlen sich in dieser Stunde mit den Bauern in der sowjetischen Besatzungszone eng verbunden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Struve
Sie wissen, was die Vernichtung einer in jahrzehntelanger, mühsamer Arbeit aufgebauten neuerlichen Existenz bedeutet. Ulbrichts Versuch, die Zone nunméhr auch im Bereich der Landwirtschaft gänzlich zu bolschewisieren, muß den Protest des ganzen deutschen Volkes herausfordern.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Seine Methoden stehen in krassem Widerspruch zu den Parolen, die der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschow gerade vor der Gipfelkonferenz immer wieder ausstreut. Solange er es zuläßt, daß seine Helfershelfer in der Zone mit derart brutalen Methoden auch noch den letzten Rest selbständiger Existenzen vernichten, kann man nicht an seine Entspannungsbeteuerung glauben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Bauern in der Zone dürfen versichert sein, daß sie in ihrem schweren Kampf gegen Ulbrichts Machtansprüche nicht allein stehen. Der Protest, der in der ganzen freien Welt gegen die Zwangskollektivierung Ulbrichts laut geworden ist, sollte dem Kommunistenführer in Pankow zu denken geben.
Nach der Stellungnahme zu diesen ungeheuerlichen Tatsachen, die uns aus der sowjetisch besetzten Zone bekanntgeworden sind und die vor dem Hohen Hause anzusprechen mir sehr am Herzen lag, komme ich nunmehr zum eigentlichen Thema.
Der Herr Bundesernährungsminister hat dem Hohen Hause am 11. Februar aus den mannigfachen Ergebnissen des sehr gut ausgearbeiteten Grünen I Berichts eine Fülle bemerkenswerter Tatsachen unterbreitet. Dabei scheint mir der Hinweis auf die Steigerung der landwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität von besonderer Bedeutung zu sein. Mit einer Zunahme um 64% in den letzten zehn Jahren überstieg sie den Durchschnitt des Zuwachses in der übrigen Wirtschaft um etwa das Doppelte.
Der Herr Bundesernährungsminister hat allerdings auf die Kehrseite dieser erfreulichen Tatsache hingewiesen: Gleichzeitig haben die landwirtschaftlichen Investitionen eine außergewöhnliche Erhöhung erfahren. Mit rund 2,6 Milliarden DM haben sie im vergangenen Jahr ihren bisherigen Höchststand erreicht.
Wir wissen alle, welches Zauberwort der Begriff der Produktivität in unseren modernen wirtschaftlichen Vorstellungen geworden ist. Es sei mit besonderer Genugtuung festgestellt, daß die Landwirtschaft auch bei Anlegung dieses zeitgemäßen Maßstabes nicht versagt hat. Die Berechtigung der Grünen Pläne kann nicht besser erhärtet werden. Die agrarpolitischen Investitionen haben sich volkswirtschaftlich gelohnt.
Trotzdem hat es um den diesjährigen Grünen Plan in den letzten Monaten beträchtliche Aufregung gegeben. Bei den Vorbereitungen wurde deutlich, daß die Bundesregierung gewisse Veränderungen überlegte. Dabei ging es nicht nur um Verlagerungen innerhalb des Grünen Planes; gleichzeitig sollten auch gewisse Positionen aus dem ordentlichen Haushalt in den Grünen Plan übernommen werden, ohne daß dessen Gesamtansätze entsprechend erhöht werden sollten. Praktisch war also eine Kürzung der vorgesehenen Mittel beabsichtigt. Erfreulicherweise ist es dazu nicht gekommen. Der Herr Bundesfinanzminister teilt diese Freude allerdings nicht. Dafür wird man Verständnis haben müssen. Schließlich tragen wir alle mit ihm zusammen die Verantwortung für den Ausgleich unserer Bundesfinanzen. Um so dankbarer muß anerkannt werden, daß sich die Bundesregierung doch noch zu der Vorlage des Grünen Planes in seiner jetzigen Höhe entschlossen hat. Er wird hoffentlich in dieser Form am Ende auch die Billigung des Hohen Hauses finden.
Der Grüne Plan ist nicht das Ergebnis von politischen Überlegungen, die man so oder auch anders anstellen kann. An seinem Anfang steht vielmehr das Landwirtschaftsgesetz, zu dessen Inhalt sich das Hohe Haus seinerzeit nahezu einstimmig bekannt hat. Damit ist aber ,der Grüne Bericht zur Grundlage aller agrarpolitischen Entscheidungen geworden, die wir hier zu treffen haben.
Aus seinen diesjährigen Feststellungen haben wir entnehmen müssen, daß in der landwirtschaftlichen Betriebsrechnung immer noch eine große Lücke klafft. Damit ist bereits die Entscheidung dahin getroffen, daß wir im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes den berechtigten Ausgleich zwischen Aufwand und Ertrag anstreben müssen. Daß wir uns dabei nach wie vor unmittelbarer staatlicher Zuschüsse bedienen müssen, gefällt sehr vielen nicht.
In der Kritik am Grünen Plan spielen die Subventionen auch jetzt wieder eine große Rolle. Selbstverständlich sind Subventionen in einer freien Volkswirtschaft niemals ein gutes Zeichen. Sie lassen erkennen, daß im ,gesamtwirtschaftlichen Zusammenspiel etwas nicht stimmt. Man begeht aber ein großes Unrecht, wenn man die Subventionen immer nur im Zusammenhang mit der Landwirtschaft kritisiert. Seitdem der Herr Bundesfinanzminister seine bekannte Übersicht veröffentlicht hat, wissen wir, daß die finanziellen Hilfen des Staates auch weiten Teilen der übrigen Wirtschaft zufließen. Wir wissen auch, daß ,die Landwirtschaft in den Reihen der Subventionsempfänger keineswegs an erster Stelle steht. Der einzige, allerdings wesentliche Unterschied gegenüber den übrigen Subventionen — mögen es die durch Steuervergünstigungen oder Exporterleichterungen oder Zuschüsse zu den Sozialversicherungen sein — besteht nur darin, ,daß die übrigen Subventionen in aller Stille vor sich gehen, ohne viel beachtet und behandelt zu werden.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Mit gutem Grund hat man sie deshalb als die unsichtbaren Subventionen bezeichnet. Über die Hilfe für die Landwirtschaft unterhalten wir uns aber Jahr für Jahr aufs neue sehr ausführlich an dieser Stelle.
Als wir seinerzeit das Landwirtschaftsgesetz beschlossen, gingen wir von der Annahme aus, daß die im § 1 vorgesehenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen mit der Zeit den Verzicht auf jede Subvention ermöglichen müßten. Die Entwicklung



Struve
seither hat diese Erwartung leider nicht bestätigt. Politische Rücksichten auf die Preise und auf den Export haben immer wieder marktwirtschaftliche Siuationen zu Lasten der bäuerlichen Erzeugerpreise entstehen lassen. Ich brauche nur an die erst vor wenigen Monaten beschlossene vorübergehende Aufhebung des Kartoffelzolls und des Butterzolls zu erinnern. Die beabsichtigte Wirkung auf die Erzeugerpreise ist eingetreten. Aber vergessen wir nicht, daß dise Wirkung nur zustande kam, weil das konkurrierende Ausland zum Nachteil für eine einwandfreie Preisbildung sich sehr umfangreicher staatlicher Hilfen erfreut. Ein echte Konkurrenz gibt es unter den gegenwärtigen Umständen an den europäischen Agrarmärkten in keinem Falle. Deshalb ist es im höchsten Maße bedenklich, die ausländischen Preisforderungen zum Maßstab für das Niveau unserer landwirtschaftlichen Erzeugerpreise zu machen. Ich werde mir erlauben, darauf später in einem anderen Zusammenhang noch einmal zurückzukommen. An dieser Stelle weise ich nur darauf hin, um darzutun, daß die Subventionen die zwangsläufige Kehrseite einer unzureichenden Preisbildung sind.
Trotzdem will die Kritik an diesen Zahlungen des Staates nicht zur Ruhe kommen. Durch die Subventionen würden, so sagt man, die ökonomischen Verhältnisse verschoben, und es sei richtiger, statt dessen die gezielten Maßnahmen zum unmittelbaren Vorteil der einzelne Betriebe zu verstärken. Eine solche Auffassung geht von Voraussetzungen aus, die mit der harten Wirklichkeit des Alltags nicht übereinstimmen. Sie verkennt vor allem die menschlichen und die sachlichen Gegebenheiten in den bäuerlichen Familienbetrieben, deren Erhaltung uns am Herzen liegt. Diese Betriebe müssen im Zeichen der Technisierung mit allen gewohnten Vorstellungen brechen, die durch Generationen geläufig geworden waren. Allein die Größenordnung des in dieser Zeit nötigen Kapitalaufwandes erzwingt ein völliges Umdenken. Erlauben Sie mir, zur Veranschaulichung dieser Situation einige Beispiele aus der Praxis zu geben. Zwei Arbeitspferde erfordern unter den heutigen Umständen einen Kapitalaufwand von etwa 2000 DM, wenn sie überhaupt gekauft werden; in der Regel wuchsen sie nämlich in der Vergangenheit dem Betrieb ohne einen sichtbaren Kapitalaufwand aus der eigenen Zucht zu. Demgegenüber erfordert der Trecker, der diese beiden Pferde ersetzt, einen Aufwand von rund 7000 DM; dazu mögen noch weitere 4000 bis 5000 DM kommen für die nötigen Nebengeräte, um diesen Trecker in vollem Umfange wirtschaftlich ausnutzen zu können.
Unter dem unausweichlichen Druck der Rationalisierung und der Vollbeschäftigung ist diese erste Phase der Technisierung längst von einer zweiten abgelöst. Dem Trecker folgen auch in den bäuerlichen Familienbetrieben in immer größerem Umfang der Mähdrescher und die Vollerntemaschinen für die Hackfrüchte und alle anderen technischen Neukonstruktionen, die den Mangel an Arbeitskräften auf dem Lande auszugleichen versuchen. Auch diese zweite Phase erfordert einen Kapitalaufwand, der alle gewohnten Vorstellungen sprengt.
Ein Selbstbinder zur Bewältigung der Getreideernte mag vielleicht 3000 bis 4000 DM kosten. Der Mähdrescher an seiner Stelle erfordert ein Mehrfaches und ist unter 10 000 DM überhaupt nicht zu beschaffen. Für die Vollerntemaschine gibt es auf dem Kapitalkonto aber überhaupt keine Parallele. Mit der Handarbeit allein wurde früher bewältigt, was heute einen Kapitalaufwand von etwa 10 000 DM und mehr erfordert. Es ist nötig, die Entwicklung auch einmal von dieser Seite aus zu beleuchten. Diese Beispiele mögen es begreiflich machen, was es für die Landwirtschaft bedeutet, daß sie allein für die Maschinenanschaffungen im vergangenen Jahr mehr als 10 % ihrer gesamten Verkaufserlöse ausgab. Im Grünen Bericht ist nachzulesen, daß sie 1,9 Milliarden DM dafür aufwandte.
Der Mangel an Arbeitskräften erfordert weitere erhebliche Kapitalbeträge, um die Gebäude den völlig veränderten arbeitswirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen.
Dazu noch ein weiteres. Zahlreiche agrarpolitische Ratgeber meinen, daß mit der Strukturverbesserung im allgemeinen und der Flurbereinigung, der Aufstockung und der Aussiedlung im besonderen die wirtschaftlichen Probleme der Landwirtschaft sehr schnell und endgültig gelöst werden können. Meine Damen und Herren, das ist ein verhängnisvoller Irrtum. Sehr schnell kann diese Entwicklung überhaupt nicht vor sich gehen. Sie ist nämlich nicht möglich ohne die Kulturämter und andere Dienststellen. Deren Leistungsfähigkeit wird durch die Zahl der technischen Arbeitskräfte, die ihnen zur Verfügung stehen, begrenzt. Auch hier werden die Folgen der Vollbeschäftigung sichtbar. Diese technischen Hilfskräfte sind außerordentlich knapp. Nicht allein die Bereitschaft der Landwirtschaft, sondern in erster Linie die Arbeitsfähigkeit der Kulturämter bestimmt das Tempo der strukturellen Bereinigung.
Nach den bisherigen Erfahrungen dürfte es feststehen, daß noch ein paar Jahrzehnte vergehen werden, bis das Ziel erreicht ist. Dabei sei nicht vergessen, daß die strukturelle Verbesserung noch nicht dazu ausreicht, den erstrebten wirtschaftlichen Erfolg zu erreichen. Erst die betriebswirtschaftlichen Folgerungen vermögen diesen zu untermauern. Diese Folgerungen aber sind ebenfalls sehr kapitalaufwendig. Sie mögen für einen mittleren Betrieb im großen Durchschnitt unseres Bundesgebietes einen Kapitalaufwand zwischen 30- und 40 000 DM erfordern. Der Aufwand für die Verzinsung und Tilgung dieser Beträge erhöht das Kapitalkonto noch einmal um einen erheblichen Betrag, den man in der Vergangenheit nicht kannte.
Die moderne wirtschafliche Entwicklung erzwingt also in unseren landwirtschaftlichen Betrieben von Grund auf veränderte finanzielle Verhältnisse. Im Gegensatz zu der sich organisch über Jahrzehnte erstreckenden industriellen Technisierung muß sich die Landwirtschaft sozusagen übergangslos die mannigfachen aufwendigen Neuerungen zu eigen machen.
Dieser Zwang hat schon in den vorhergehenden zehn Jahren viel Geld gekostet, welches heute noch als teure Verschuldung auf zahlreichen Betrieben

Struve
lastet. In der Zukunft wird dafür noch sehr viel mehr nötig sein. Schon aus diesem Grunde wäre es ein verhängnisvoller Schritt gewesen, die so oft kritisierten globalen Mittel des Grünen Plans wesentlich zu vermindern.
Das gilt neben der Milchförderungsprämie auch und besonders für die Düngerbeihilfe. Sie ist in den letzten Wochen besonders heftig kritisiert worden. Meine Damen und Herren, verkennen wir doch nicht, daß es bei dieser Beihilfe keineswegs ausschließlich um die Förderung des Düngerverbrauchs geht! Sehr viel wichtiger ist vielmehr die dadurch bewirkte Entlastung des Unkostenkontos zum Vorteil für die Finanzkraft der Betriebe überhaupt. Nur auf diese Weise können sie unter den heutigen Preisverhältnissen wenigstens noch einigermaßen mit den durch die Rationalisierung erzwungenen großen finanziellen Aufwendungen fertig werden.
Man wendet gegen diese Auffassung ein, daß es besser sei, das Kind beim richtigen Namen zu nennen. Statt der Düngersubventionen solle man, so wird dazu gesagt, lieber gezielte Beihilfen gewähren; man würde auf diese Weise die Hilfe wenigstens denjenigen zugute kommen lassen, die sie verdienen. Diese Auffassung verkennt das Wesen des Bauernhofes.
Wählen wir ein Beispiel vom Maschinenkonto. In der Industrie läßt sich die finanzielle Auswirkung einer Maschine auf Kosten und Erträge ziemlich genau im voraus berechnen. In der Landwirtschaft
ist diese Möglichkeit nicht gegeben. Hier steht vielmehr jede Investitionsentscheidung im Zusammenhang des Gesamtbetriebes. Sie darf infolgedessen auch nur nach genauer Abwägung der gesamten Kosten und der gesamten Erträge gefällt werden. Eine Subventionierung der Maschinenkäufe würde aber diesen gesamtbetrieblichen Zusammenhang mißachten. Sie könnte möglicherweise dazu verleiten, die Maschinenanschaffungen nur vom Preis her mit einem freundlichen Seitenblick auf die staatliche Beihilfe zu sehen. Fehlinvestitionen könnten nur allzu leicht die Folge sein.
Deshalb ist es richtig, daß die Bundesregierung neben der Gewährung der Milchförderungsprämie auch die Düngersubvention mit dem Vorjahresbetrag fortsetzt. Man sollte daran nichts ändern, solange die Ergebnisse des Grünen Berichts überhaupt allgemeine Zuschüsse rechtfertigen. Sie sind auch für den Staat das rentabelste. Individuelle Beihilfen wären nämlich ohne einen zusätzlichen beträchtlichen Behördenapparat nicht möglich.
Außerdem darf nicht vergessen werden, daß im vergangenen Wirtschaftsjahr immer noch 93 % der landwirtschaftlichen Betriebe den finanziellen Ausgleich nicht geschafft haben. Diese Tatsache, meine ich, wiegt weitaus schwerer als die Befürchtung, daß die glücklicheren 7 % zusätzlich mit staatlichen Hilfen bedacht werden. Das mag ein Schönheitsfehler sein, aber er wird bedeutungslos angesichts der Vorstellung, daß die Landwirtschaft einem teuren und schwerfälligen Behördenapparat ausgeliefert werden könnte.
Ich darf auch in dieser Stelle noch einmal an den eingangs erwähnten großen und vor allem von Jahr zu Jahr größer werdenden Produktivitätszuwachs in der Landwirtschaft erinnern. Diese verheißungsvolle Entwicklung rechtfertigt es einfach nicht, jetzt einen fragwürdigen Wechsel in der Methode vorzunehmen. Der Grüne Plan hat sich in seiner jetzigen Form für die Landwirtschaft vollauf bewährt. Auch volkswirtschaftlich ist nicht die geringste Schädigung sichtbar geworden.
Dabei dürfen wir auch die europäische Entwicklung nicht aus den Augen verlieren. Die im größeren Raum nötigen, in sich gefestigten konkurrenzfähigen Betriebe lassen sich nur auf diese Weise in der zur Verfügung stehenden Zeit schaffen. Von der Bundesrepublik aus müssen wir dieses Ziel im Rahmen der vorhandenen Zusammensetzung der Betriebsgrößen sehen. Wir verfügen über eine außerordentlich glückliche Mischung von landwirtschaftlichen Klein-, Mittel- und Großbetrieben. Nur in dieser gegenseitigen Ergänzung ist die große und achtunggebietende Marktleistung der Landwirtschaft möglich. Sie zu erhalten, muß deshalb oberstes agrarpolitisches Ziel sein. Aber nicht nur wirtschaftliche Gründe sprechen für dieses Gebot. Sie wissen, daß das Schwergewicht der landwirtschaftlichen Betriebe in der Bundesrepublik zahlenmäßig bei den Klein- und Mittelbetrieben liegt, die wir gemeinhin als bäuerliche Familienwirtschaften zu bezeichnen pflegen. Diese Betriebe konzentrieren ihre Arbeit vor allem auf die wichtige Veredelungswirtschaft und vollbringen dabei immer größere Leistungen.
Diese wirtschaftliche Potenz ist nur die eine Seite ihrer Existenzberechtigung. Diese Familienbetriebe sind auch in der gesellschaftlichen Struktur unseres Volkes ein unentbehrlicher Bestandteil. Wir reden immer dringlicher von der Notwendigkeit, Eigentum für alle zu schaffen. Es wäre wahrlich ein Widersinn, wenn wir danach strebten, ohne gleichzeitig auf die Erhaltung des Eigentums dort bedacht zu sein, wo es noch vorhanden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Darauf sollten wir noch mehr bedacht sein, wenn dieses vorhandene Eigentum auch noch mit den hohen Werten des selbständigen Lebens ausgestattet ist. Es wäre außerdem für unser ganzes soziales Leben verhängnisvoll, wenn wir die kleineren und mittleren Betriebe in unseren Dörfern dem Zug zum Großbetrieb opferten.
Die CDU/CSU ist jedenfalls nicht bereit, diesen Weg zu gehen oder auch nur zu ermöglichen. Sie bekennt sich ohne Einschränkung zu der Erhaltung der bäuerlichen Familienwirtschaft.

(Beifall hei den Regierungsparteien.)

Ihre Lebensfähigkeit ist unerläßlich, wenn wir nicht eine unerträgliche Verarmung unseres ganzen sozialen Lebens in Kauf nehmen wollen. Darum ist es auch in höchstem Maße bedauerlich, daß die Bemühungen um eine landwirtschaftliche Marktordnung in den EWG-Staaten bereits in ihrem ersten Stadium auf die heftigste Kritik industrieller Ver-



Struve
bände gestoßen sind, von der beinahe schon selbstverständlichen Ablehnung der Verbraucherverbände ganz zu schweigen. Man verkennt das Ziel dieser Bemühungen völlig, wenn man es nur als den Ausdruck einseitiger wirtschaftlicher Vorstellungen wertet. Die wirtschaftlichen Absichten in der Hohen Kommission erhalten ihre eigentliche Rechtfertigung aus dem Bemühen um eine ausgewogene gesellschaftliche Struktur in unseren EWG-Ländern. Dieses Bemühen wäre allerdings fragwürdig, wenn es nicht zugleich wirtschaftlich eindeutig gerechtfertigt wäre.
Die großen landwirtschaftlichen Fortschritte in allen EWG-Ländern nach dem Kriege sind ein unbestreitbarer Tatbestand. Gerade darum ist die sich ständig wiederholende Kritik an der Agrarpolitik so unverständlich. Man spricht zwar immer von volkswirtschaftlichen Schäden, die sie mit sich brachte; aber ein wirklich konkreter Beweis wird dafür nicht erbracht. Vielleicht erschwert die Agrarpolitik das eine oder andere Exportgeschäft. Auf der Gegenseite dieser nur sehr einseitig aufgemachten Rechnung steht die Tatsache der steigenden landwirtschaftlichen Kaufkraft. Dieser gewichtige Faktor wird leider allzuoft von denjenigen übersehen, die eine liberalere Agrarpolitik zu befürworten pflegen. Wo ist denn eigentlich diese liberale Wirtschaftspolitik, von der man heute so gern spricht?

(Abg. Kriedemann: Doch in der Bundesrepublik!)

Hier ist nicht der Ort und die Zeit, dieser Frage im
B) einzelnen nachzugehen. Ich glaube, sogar unser sehr verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister würde auf diese Frage nur eine Antwort mit vielen Einschränkungen geben können.

(Abg. Kriedemann: Aber ein gutes Inserat!)

Schon die Entwicklung der Preise ist unter diesem Gesichtspunkt ein sehr widerspruchsvolles Kapitel. An den Agrarpreisen kann man das auf besonders eindringliche Weise sehen. Seitdem man uns daran gewöhnt hat, so sorgenvoll von der Konjunkturüberhitzung zu sprechen, steht die Landwirtschaft mit im Mittelpunkt der Kritik. Der Herr Präsident der Bundesbank glaubte im vergangenen Herbst damit den Anfang machen zu müssen. Seither gehört es sozusagen zum guten Ton, die Ursachen für die konjunkturelle Situation bei der Landwirtschaft im allgemeinen und der Agrarpolitik im besonderen zu suchen.
Wir selbst haben uns in diesem Hohen Hause den Argumenten der Bundesbank nicht verschlossen. Ohne weitere Aussprache haben wir seinerzeit dem Antrag auf die vorübergehende Aufhebung des Kartoffel- und Butterzolls zugestimmt. Die Wirkung ist bekanntermaßen nicht ausgeblieben. Die Erzeugerpreise für die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte sind weit unter den Vorjahresstand gesunken. Die Kosten sind demgegenüber zumindest die gleichen geblieben, wenn sie nicht sogar gestiegen sind. Sie werden mit mir der Meinung sein, daß darin für die Landwirtschaft ein beträchtliches finanzielles Opfer liegt. Sie hat es auf sich genommen in der Hoffnung, daß der Preisabbau für ihre
Produkte der Auftakt zu einer allgemeinen Preisentwicklung sein wird. Das ist bisher nicht der Fall gewesen. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt in seinem neuesten Lagebericht sogar fest, daß manche Preise eine leichte Steigerung erfahren hätten.
In unserer heutigen Diskussion ist wohl nicht die Frage zu erörtern, ob sich eine solche Entwicklung verhindern läßt. Aber es muß mit aller Deutlichkeit ausgesprochen werden, daß diese Entwicklung gegenüber der Landwirtschaft ein großes Unrecht darstellt.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dieses Unrecht erscheint um so größer, weil der erzwungene Abbau ihrer Preise an der aufsteigenden Lohntendenz nicht das geringste hat ändern können. Der Forderung auf höhere Löhne aber wollte man mit der Einfuhrerleichterung für die ausländischen Konkurrenzprodukte den Vorwand nehmen. Es ist also, wenn Sie so wollen, der Landwirtschaft ein wenig sinnvolles Opfer aufgebürdet worden. Ihr wurde erhebliche Kaufkraft genommen; stattdessen wurde anderen zusätzliche Kaufkraft gegeben. Solche Einseitigkeiten sollten in unserer sozialen Marktwirtschaft eigentlich nicht möglich sein, und ihre Beseitigung muß daher eine vordringliche wirtschaftspolitische Aufgabe sein.
Ich glaube jedenfalls hinreichend bewiesen zu haben, daß der ungewöhnliche Kapitalaufwand auch für die Landwirtschaft die Preise zum Schlüssel ihrer finanziellen Lage gemacht hat. Man begeht deshalb einen Fehler, wenn man immer so tut, als vertrügen die Agrarpreise alle möglichen Experimente. Auch die Landwirtschaft kann nur von dem leben, was sie unter dem Strich ihrer Betriebsrechnung übrig behält. Gerade darum aber durfte der Grüne Plan dieses Jahres keine Beeinträchtigung erfahren. Ich wiederhole meine Genugtuung darüber, daß die Bundesregierung ihn uns in dieser Form vorgelegt hat. Es ist sozusagen das Mindestmaß dessen, was die Landwirtschaft braucht. Nur auf diese Weise kann sie auch in diesem Jahr in ihrem unablässigen Bemühen um den Ausgleich von Aufwand und Ertrag einen Schritt weiterkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0310601000
Das Wort hat der Abgeordnete Wacher.

Gerhard Wacher (CSU):
Rede ID: ID0310601100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Diskussion über den Grünen Plan in der Öffentlichkeit findet alle Jahre wieder eine Auseinandersetzung über die Frage statt, was wichtiger sei: Strukturmaßnahmen auf der einen oder Subventionen auf der anderen Seite. Natürlich könnte man darüber streiten, welche spezifische Maßnahme in der allgemeinen wirtschaftlichen Situation besonders gefördert werden muß. Eines aber steht doch auf jeden Fall fest: beides ist notwendig, sowohl Subventionen, als auch Strukturmaßnahmen.
Es ist bei uns ja schon geradezu Mode geworden, die Subventionen als Beweis einer Verschwen-



Wacher
dungssucht des Staates hinzustellen, die ohne jede Veranlassung als Geschenke gegeben würden und dann meistens bei den größten Betrieben landeten. Der Herr Kollege Struve hat am Beispiel des Handelsdüngers bereits gezeigt, daß ein gewisser Ausgleich für die Landwirtschaft notwendig ist, so lange die landwirtschaftlichen Preise im Interesse der breiten Schichten unseres Volkes auf einem Niveau gehalten werden müssen, das dem Erzeugeraufwand nicht entspricht.
Natürlich wäre es auch den Bauern lieber, wenn sie an Stelle der Subventionen höhere Preise erzielen könnten. Die Subventionen werden doch letzten Endes nicht dem Bauern zuliebe gegeben, sondern wegen des Verbrauchers. Der Landwirtschaft gefällt der „Leihpelz", von dem Herr Etzel gestern gesprochen hat, auch gar nicht. Die Landwirtschaft würde sich viel lieber aus eigenen Mitteln, wenn ich das Bild aufnehmen darf: bekleiden. Von einem Leihpelz kann überhaupt keine Rede sein, es ist eine ziemlich dünne Jacke.
Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Bemerkung zur Kohlesituation einblenden; sie scheint mir hierher zu gehören. Sie werden sich noch daran ,erinnern, daß im Bereich der Kohle als die Gefahr des Überspielens von außen her bestand, sehr schnell eine Einmütigkeit zwischen den unternehmerischen Kreisen und der IG Bergbau gegeben war. Man hat sich sehr schnell darauf geeinigt, durch Zölle und Subventionen den Bergbau zu schützen. Man kann aber nicht hier eine Mauer zum Schutze der Kohle aufbauen und dort zugleich eine Mauer zum Schutze der Landwirtschaft — wie sie notwendig ist — abbauen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Die Behauptung, daß Subventionen nur Großbetrieben zugute kommen, ist nicht richtig. Sie ist eine Verallgemeinerung, und Verallgemeinerungen sind schon von vornherein schlecht. Ich darf das an Hand des Beispiels der Milch beweisen. — Ich stelle übrigens zu meiner großen Überraschung fest, Herr Kollege Kriedemann, daß Sie gegen die Milchsubventionen zu Felde ziehen — aber Sie werden sicher auf diese Frage noch zurückkommen —; ich mache die Bemerkung deshalb, weil Sie in den vergangenen Jahren, soweit mir bekannt ist, diese Art der Subventionen sehr intensiv vertreten haben.
Der Qualitätszuschlag zur Milch kommt, das wissen wir alle, vor allem den Grönlandgebieten, den Futterbaubetrieben in den Mittelgebirgslagen, im Alpen- und im Alpenvorland und in den Marschen zugute, Hier darf ich eine Bemerkung vorwegnehmen. Eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Masse gerade unserer Familienbetriebe, auf die wir einen besonderen Wert legen, ist doch ohne eine Steigerung der Einnahmen der Veredelungswirtschaft nicht zu erreichen. Gerade die kleineren Betriebe ziehen — dank ihrer größeren Viehdichte — aus dem Qualitätszuschlag für Milch einen größeren Nutzen als größere Betriebe.
Mir liegt eine Zusammenstellung von Zahlen aus bayerischen Betrieben vor, die ich Ihnen bekanntgeben darf. Im Alpen- und im Alpenvorland z. B.
I in Bayern beziehen Betriebe bis zu einer Größe von 20 ha aus dieser Milchsubvention pro Hektar einen Betrag von jährlich 82,80 DM. Dieser Betrag sinkt ab bei Betrieben von 20 bis 50 ha auf 63 DM und bei Betrieben über 50 ha auf 39 DM. Wenn Sie — um bei dem bayerischen Beispiel zu bleiben — die besten bayerischen Böden nehmen, nämlich die Gäu-Böden, dann stellen Sie fest, daß dort die Subvention bei Betrieben bis 20 ha nur noch 32 DM beträgt und dann, mit steigender Betriebsgröße, auf 24 DM und auf 21 DM absinkt. Ganz ähnlich ist die Situation auch in den Mittelgebirgslagen dieses Landes. Für mich ist das Interessanteste der Nachweis, daß sich bei kleineren Betrieben unter 20 ha der erhaltene Betrag erhöht; er ist meistens doppelt so groß wie bei den größeren Betrieben.
Herr Minister Schwarz hat bei der Begründung des Grünen Plans wörtlich ausgeführt: „Die Milchprämie wird wie bisher weiter gewährt." Wir sind ihm für diese Worte besonders dankbar, wissen aber auf der anderen Seite auch, daß der Ansatz von 350 Millionen DM nach der Entwicklung auf dem Gebiet der Milchproduktion nicht ausreichen wird. Wir verstehen jedoch Herrn Minister Schwarz so, daß eine Aufstockung dieses Betrages als sicher anzusehen ist. Ich lege namens meiner Fraktion auf diese Feststellung ganz besonderen Wert.
Ich halte ebenso die anderen Positionen des Grünen Plans zur Verbesserung der Einkommenslage der landwirtschaftlichen Betriebe, wie z. B. Förderung technischer Anlagen, insbesondere in Futterbaubetrieben, für sehr notwendig und begrüße die Erhöhung von 15 Millionen auf 18 Millionen DM. Das gleiche gilt für die Mittel für die Tierseuchenbekämpfung, die Förderung der Kartoffelwirtschaft, die Getreidetrocknung usw.
Ich vermisse allerdings — das möchte ich hier nur mit einem Satz ansprechen — Ansätze für Kartoffelstärke und für Mittel der Schafhaltung. Wir werden über diese und andere Positionen im Ausschuß noch zu sprechen haben. Ich kann mir denken, was jetzt der eine oder andere unserer Kollegen denkt. Er wird vielleicht die Vielzahl der Maßnahmen und der jetzt erneut von mir vorgeschlagenen Maßnahmen kritisieren und sagen: Das ist deshalb falsch, weil das Geld zu sehr verzettelt wird. Mir erscheint es sehr sonderbar, daß vielfach gerade diejenigen das Argument der Verzettelung gebrauchen, die sich immer wieder darüber beschweren, daß die globalen Maßnahmen nicht gezielt werden können. Nun, wenn man zielen will, dann kommt man eben auf eine Vielzahl von Maßnahmen, und das — das gebe ich zu — um den Preis eines etwas größeren Verwaltungsaufwandes.
Ich halte Subventionen für notwendig oder, wenn Sie wollen, für noch notwendig. Das ändert aber gar nichts daran, daß Strukturmaßnahmen von zukunftsweisender Bedeutung sind. Die deutsche Landwirtschaft steht, getrieben durch die Technisierung und durch die übrige Wirtschaft, in einer geradezu revolutionären Entwicklung, eine Entwicklung, die ein unvorstellbares Ausmaß angenommen hat. Sie kann diese vielgestaltige Umwälzung unmöglich aus eigener Kraft bewältigen. Es ist das Verdienst des



Wacher
1 früheren Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, unseres jetzigen Herrn Bundespräsidenten Dr. h. c. Lübke, hier sehr bahnbrechende Schritte eingeleitet zu haben. Selbstverständlich müssen und werden wir die aufgezeigten Wege weitergehen. Wir können gerade mit strukturellen Maßnahmen genau zielen und müssen deshalb diese strukturellen Maßnahmen auch sehr genau unter die Lupe nehmen. Die Bundesrepublik ist das einzige Land, das sich an Hand von 8200 Testbetrieben, die Jahr für Jahr untersucht werden, ein sehr genaues Bild über die Lage der Landwirtschaft machen kann. Dieses Bild zeigt nicht nur die Entwicklung der Landwirtschaft im allgemeinen, sondern der Grüne Plan läßt auch die Unterschiede in der Ertragslage zwischen den einzelnen Betriebsgruppen nicht übersehen. Ich darf hier feststellen, daß es „die Landwirtschaft" nicht gibt. Die untersuchten Betriebe zeigen eindeutig, daß die unter ungünstigen natürlichen Erzeugungsbedingungen arbeitenden Betriebe trotz der Hilfen des Grünen Planes gegen andere Betriebe und Betriebsgruppen stark zurückfallen. Das muß man sehen, das muß man erkennen und dem muß man Rechnung tragen.
Mit sinkenden Einheitswerten je Hektar zeigen sich sinkende Erträge. In Gebieten mit niedrigen Einheitswerten sind auch die Betriebe zu finden, die am schlechtesten strukturiert sind. Hier gibt es auch die meisten Kleinbetriebe. Wir müssen ein Kriterium zu einer richtigen Beurteilung finden. Ich glaube, das Hauptkriterium für den Teil der Landwirtschaft, der unserer besonderen Hilfe bedarf, ist der niedrige Einheitswert in Verbindung mit Mittelgebirgslagen, im Alpenvorland und im Süden des Landes und in Verbindung mit ungünstigen Wasserverhältnissen, z. B. im Norden des Bundesgebietes. Die Betriebe in diesen Gebieten können eben von den Hilfen des Grünen Planes weniger Gebrauch machen als Betriebe in bevorzugten Gegenden. Diese Betriebe in den — ich darf das vielleicht so bezeichnen — ärmeren Gebieten können die notwendige Eigenleistung auf vielen Gebieten in dem erforderlichen Maße nicht aufbringen. Wir sind Herrn Minister Schwarz — ich möchte das ausdrücklich betonen — sehr dankbar, daß er seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, für diese Betriebe etwas Zusätzliches zu tun.
Wir sind gar nicht der Meinung, daß es sich dabei um Regionalprogramme handeln soll. Wir glauben vielmehr, daß man alle diese Gebiete in ihrer Vielfalt und ihren zahlreichen Notwendigkeiten nicht uniformiert zusammenfassen darf, sondern daß man den Ländern die Möglichkeit geben muß, mit den für diese Gebiete besten Mitteln die beste Wirkung zu erzielen.
Wir stellen uns zwei Gruppen derartiger Maßnahmen vor. Erstens meinen wir, daß innerhalb der bereits praktizierten Strukturmaßnahmen, wie der Flurbereinigung, der Aufstockung, der Umsiedlung, wasserwirtschaftlicher Maßnahmen und dem Wirtschaftswegebau usw., für diese Gebiete die Mittelverteilung bevorzugt erfolgen muß, daß dort die Beihilfesätze erhöht werden sollten, daß es zum Teil notwendig sein wird, Kredite wenigstens teilweise durch Beihilfen zu ersetzen, und daß dort vor allem mit der Zinsverbilligung verstärkt eingesetzt werden muß.
Meine Damen und Herren, wir haben beobachtet, daß so manche wirklich bedürftige Gemeinde bisher z. B. auf einen Wirtschaftswegebau verzichten mußte, weil die Bauern einfach nicht in der Lage waren, die notwendige finanzielle Beteiligung zu erbringen. Wir erkennen dankbar an, daß sich hier schon eine Besserung durch die Änderung der Richtlinien im letzten Jahr ergeben hat. Trotzdem werden wir auf diesem Gebiet noch einige Schritte weitergehen müssen.
Es ist auch nicht zu übersehen, daß so manche Aufstockung aus genau den gleichen Gründen unterblieb. Ich darf mir überdies zur Aufstockung eine Bemerkung erlauben. Hilfen aus dem Strukturprogramm werden derzeit nicht gegeben, wenn die Aufstockung nicht mit einem Schlag zur Größe eines Familienbetriebes führt. Das scheint nicht unserer agrarpolitischen Zielsetzung zu entsprechen. Wir sollten auch dann mit Hilfen einsetzen, wenn dieser Familienbetrieb durch schrittweise Aufstockung zu erreichen ist, besonders dann, wenn die Familie in ihrer gesamten Haltung zeigt, daß sie dazu gewillt ist. Auch hierzu wird eine Änderung der Richtlinien notwendig sein.
Ich darf in aller Kürze auf die zweite Gruppe der Maßnahmen für diese Gebiete zu sprechen kommen. Nach den Vorstellungen der CDU CSU umfaßt diese zweite Gruppe Maßnahmen zur Verbesserung der innerbetrieblichen Struktur, wie ich sie einmal bezeichnen möchte. Wir glauben, daß Betriebe mit niedrigen Einheitswerten und unter den anderen genannten Voraussetzungen — und wir wollen damit in diesem Jahr beginnen — die Gelegenheit zu einer erleichterten Rationalisierung erhalten sollten. Sehr geehrter Herr Minister Schwarz, es tut mir leid, daß ich in einem Punkt nicht ganz mit Ihnen einig gehen kann. Sie haben gesagt, daß Sie eine verstärkte Investitionstätigkeit durch zusätzliche Kredite nicht als richtig erachteten. Im allgemeinen würde ich dem zustimmen, aber für Betriebe in Mittelgebirgslagen etwa, die nachweislich in der baulichen Ausgestaltung und auf anderen Gebieten nachhinken, scheint es mir dringend notwendig zu sein, mit Kredithilfen die Rationalisierung nachzuholen. Es kommt hinzu, daß die Zukunft dieser Betriebe, besonders in Mittelgebirgslagen, in verstärktem Maße in der Veredelungswirtschaft und damit in der Viehhaltung liegt. Wir werden nicht umhin können, durch Neu- und Umbauten von Ställen und durch Ausgestaltung der technischen Anlagen eine bessere Situation auf diesem Gebiet zu schaffen. Dazu gehören eine ausreichende Zinsverbilligung und meiner Auffassung nach auch Schuldendienstbeihilfen, d. h. die Übernahme von Tilgung und Verzinsung für eine gewisse Anzahl von Jahren. Man wird sich überlegen müssen, ob nicht auch Zuschüsse gegeben werden sollten. Diese Gedanken können natürlich nur in der Ausschußberatung und nicht hier im Plenum erörtert werden.
Bei all diesen Betrachtungen stellen wir auf den bäuerlichen Familienbetrieb ab. Wir wollen natür-



Wacher
lieh nur dann Mittel zur Verfügung stellen, wenn Gewähr dafür besteht, daß kein wirtschaftlicher Unsinn passiert, d. h. wenn sich die Betriebe bei ihren Schritten einer vernünftigen Beratung unterziehen.
Wir müssen an dieser Stelle auch daran denken, daß wir bisher alle miteinander keinen Weg Befunde haben, die rückläufigen Roggenpreise auszugleichen. Diese Gebiete sind aber auf den Roggenbau angewiesen. Wenn ich mir die Aussichten für die Roggenanbaugebiete im europäischen Markt vor Augen führe, finde ich sie nicht gerade ermutigend; soviel wird man behaupten dürfen. Es wird unsere Aufgabe sein, gerade für diese Gebiete im Hinblick auf die Überleitung mehr zu tun als anderswo.
Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu den Grenzböden und der Aufforstung machen. Meine Damen und Herren, das beginnt ein Schlagwort zu werden für alle diejenigen, die nicht bereit sind, überhaupt etwas für die Landwirtschaft zu tun oder eine gewisse Umorientierung der Maßnahmen für die Landwirtschaft durchzuführen.

(Beifall in der Mitte.)

Man sollte sich da keine falschen Vorstellungen machen! Es liegen hier Untersuchungen vor. Danach kann es sich etwa in den süddeutschen Ländern überhaupt nur um eine Aufforstung von 3 bis maximal 5 % handeln, und das scheint mir eigentlich schon zu hoch gegriffen zu sein.
Ich möchte noch eine persönliche Bemerkung machen, weiß aber, daß viele meiner politischen Freunde in dem, was ich jetzt sage, mit mir übereinstimmen: Eine Verkürzung der Übergangszeiten zum Gemeinsamen Markt, wie sie Herr Hallstein vorschlägt, würde gerade in den von mir genannten Gebieten sicher zu schweren Schäden führen.

(Beifall in der Mitte.)

Wir glauben, eine Verkürzung der Übergangszeiten würde auch den Bemühungen der übrigen Landwirtschaft nicht gerecht werden und schließlich der gesamten Wirtschaft schaden. Gerade in diesem Punkt, nämlich in der Frage der Verkürzung der Übergangszeiten, haben die Landwirtschaft und die übrige Wirtschaft fast die gleichen Interessen.
Nach unseren überschlägigen Berechnungen wird für die Maßnahmen, die ich vorhin in der ersten und zweiten Gruppe vorgeschlagen habe, für dieses Jahr ein Betrag von 40 Millionen DM in Ansatz gebracht werden müssen und wohl ausreichen. Unsere Fraktion ist gewillt, sich in den Ausschußberatungen für die Zurverfügungstellung entsprechender Mittel durch Umgruppierung — mit Unterstützung des Herrn Ministers — einzusetzen.
Ich habe mich bemüht, in einer vielleicht zu starken Kürze zusammenzufassen. Lassen Sie mich aber noch darauf hinweisen, daß diese agrarpolitischen Probleme viel zu vielschichtig sind, als daß sie Raum für Polemik ließen. Wir müssen uns in den Ausschüssen wirklich gemeinsam bemühen, die besten Wege zu finden. Wenn ich mir einige Entschließungsanträge ansehe, die heute vorliegen, dann meine ich, daß sich ein guter Weg finden muß.
Das Landwirtschaftsgesetz hat versucht, der Landwirtschaft Gerechtigkeit zu bringen. Der Grüne Plan soll Gerechtigkeit innerhalb der Landwirtschaft schaffen — eine schwere, notwendige, aber letztlich dankenswerte Aufgabe.

(Beifall bei der CDU CSU.)


Dr. Victor-Emanuel Preusker (CDU):
Rede ID: ID0310601200
Das Wort hat nunmehr Herr Abgeordneter Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0310601300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den großen und sehr bedeutsamen Problemen, denen unsere Landwirtschaft gegenübersteht und die in den letzten Worten des Herrn Kollegen Wacher nur eben angeklungen sind, hätte ich von den beiden Vorrednern gerne noch mehr gehört. In der Tat beschäftigen wir uns heute mit einem Komplex von einer außerordentlichen Spannweite. Vielleicht ist es darauf zurückzuführen, daß so wenig Leute die Neigung haben, sich den Fragen zu stellen, die hier gestellt werden. Das ist um so bedauerlicher, als es ohnehin schwerfällt, den Problemen die richtige Beachtung zu sichern, nachdem hier so einiges unternommen worden ist, um sie abzuwerten. Ich will Ihnen gleich sagen, was ich genau damit meine.
Wir stehen vor der Tatsache, daß der Bereich, der überall, nicht nur in der Bundesrepublik, als der konservative Bereich schlechthin angesehen wurde, . in Bewegung gekommen ist und daß damit für Hunderttausende von Menschen die Frage nach ihrer wirtschaftlichen Zukunft, ja nach dem Sinn ihres Lebens aufgeworfen wurde. Von einer vernünftigen Lösung der Probleme hängt also wirklich sehr viel ab, und deswegen bedaure ich es, daß in den letzten Wochen vor dieser Debatte das eine und andere deutlich wurde, was doch nicht darauf schließen läßt, daß man wirklich überall bereit ist, diesen Problemen mit Sachverstand und mit Verantwortungsbewußtsein zuleibe zu rücken. Im Gegenteil, es ist doch manches geschehen und von der Öffentlichkeit auch registriert worden, was eher dazu diente, den Eindruck zu erwecken, als wäre die Schilderung der landwirtschaftlichen Situation reichlich übertrieben, als würde sie reichlich dramatisiert. Das Bemühen, das hier immer wieder beschworen wird, man solle sich doch sachlich unterhalten, ist mehr zu einer Farce geworden. Ich will Ihnen dafür zwei Beispiele geben.
Da gibt es einen Haushaltsplan, und da wird uns mitgeteilt, daß er hart am Rande des Defizits einherwanke und daß also mehr nicht zu machen sei. Da ringt sich der Bundesernährungsminister in einer beachtlichen und anerkennenswerten Weise dazu durch, auf bestimmte Notwendigkeiten aufmerksam zu machen, die sich aus der Haushaltslage, aber auch aus den Erfahrungen mit dem bisherigen System der Agrarpolitik geradezu aufdrängen, in einer Zeit, in der die Konsequenzen der Außenpolitik, der Europapolitik für die Landwirtschaft nicht nur sichtbar, sondern jeden Tag fühlbarer werden. Und dann geht der Herr Rehwinkel kurz entschlossen zum Bundeskanzler, und am nächsten Tag liest man in allen Zeitungen: Man hat also auch anders gekonnt,



Kriedemann
und es ist etwas bewilligt worden, es hat mehr Geld gegeben.
Ich möchte dem Herrn Rehwinkel von Herzen Glück dazu wünschen, daß er diese Methode angewandt hat, zum Schmied zu gehen, nachdem die anderen mehr als einmal vom besagten Schmied zu Schmiedchen abgewertet worden sind.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)

Ich würde ihm noch mehr Glück dazu wünschen, wenn bei diesem Unternehmen etwas herausgekommen wäre. Aber man sollte doch nicht übersehen, daß auf eine solche Weise mehr kaputt geht als nur das persönliche Ansehen einiger Minister. Die sind ja daran gewöhnt, und wir können nur mit einigem Erstaunen konstatieren, wie groß da die Bedürfnislosigkeit ist.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Aber ein solches Verfahren geht zum Schluß doch zu Lasten erstens des Ansehens der Demokratie und zweitens zu Lasten der Landwirtschaft, noch dazu, wenn das Resultat so ist, wie es in diesem Fall gewesen ist.
Erst also die Demarche, das harte männliche Gespräch und das väterliche gütige Verständnis, und am nächsten Tage dann die Schlagzeilen in der Presse: Dafür haben sie Geld, das können sie machen. Die einen reden von 200 Millionen DM, und die anderen haben sich noch etwas anderes ausgedacht. Dann muß der bedauernswerte Bundeslandwirtschaftsminister persönlich etwa 14 Tage später, oder wann es war, hierher kommen und sagen, daß es sich gar nicht um Geld, sondern um Umbuchungen gehandelt hat und daß in Wirklichkeit nur 30 Millionen DM herausgekommen seien.
Diese 30 Millionen DM sind auch nur wieder eine Augenauswischerei; denn sie werden der Landwirtschaft zwar für die sogenannte Altershilfe angerechnet, aber in Wirklichkeit drückt sich die Bundesregierung damit nur um sozialpolitische Verpflichtungen auch gegenüber der Landwirtschaft. Dieser Betrag gehört nämlich in den Sozialhaushalt und nicht hierher.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Das Resultat eines solchen Verfahrens, das man wahrscheinlich auch Agrarpolitik nennt, aber Agrarpolitik, die der Chef selber macht,

(Heiterkeit bei der SPD)

ist also: Prügel für die Landwirtschaft, Vergrößerung der Mißverständnisse zwischen Stadt und Land, oder wie Sie das nennen wollen, ein völlig falsches Bild — und kein Geld. Früher wurden die Wahlbonbons wenigstens noch aus Zucker gemacht, wenn auch aus ganz billigem und schlechtem Zucker, aber heute sind das Kunststoffgebilde, die ein bißchen mit Sacharin überzogen sind.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Anders kann man doch ein solches Verfahren wirklich nicht bezeichnen.

(Abg. Struve: Sie vielleicht nicht!)

— Herr Struve, ich weiß, daß Sie persönlich als Landwirt auch in einer sehr viel glücklicheren Lage als die überwältigende Mehrheit der Landwirte in diesem Lande sind. Deswegen kriegen Sie vielleicht von den Bonbons auch mehr ab. Trotzdem stimmt es, was ich hier gesagt habe.

(Abg. Struve: Wenn Sie schon persönlich werden, würde ich Ihnen wünschen, daß Sie auch mal wieder die Nase in die Praxis hineinstecken!)

— Herr Struve, ich habe die Nase jeden Tag in der Praxis. In diesem Hause gibt es außer Ihnen keinen, der mir unterstellt, ich redete von Dingen, von denen ich nichts verstehe. Sie selber haben im Ausschuß oft genug bedauert, daß mir zu Dingen der Praxis mehr eingefallen ist als Ihnen.
Ein zweites Beispiel für das, was ich meine, wenn ich sage: hier wird alles zur Farce gemacht. Mit List und Tücke und mit einem großen Aufwand an Worten wird draußen im Lande geflissentlich der Eindruck kultiviert, als wäre der Grüne Plan eine Sonderleistung. Zu allem, was die Bundesregierung sonst noch tut, kommt also auch noch der Grüne Plan. Und wieder entsteht in der Bevölkerung der Eindruck: Die Landwirtschaft kriegt den Hals nicht voll; nun erhält sie — einschließlich der Umbuchungen — wieder einmal noch 1,3 oder 1,4 Milliarden DM. In Wirklichkeit steht der Betrag, der nach Meinung der meisten Leute durch den Grünen Bericht erst einmal ausgerechnet werden muß, längst im Haushaltsplan. Im Haushaltsplan stehen viele Striche, und in irgendeiner Ecke des Einzelplans 10 steht dieser Betrag für den Grünen Plan.
Das Verruchte an dem Verfahren ist, daß in den Grünen Plan Beträge, Aufgaben hineingenommen werden, die wahrlich keine Sonderleistung, nicht einmal eine Leistung zugunsten der Landwirtschaft schlechthin sind. Flurbereinigung ist betrieben worden, längst ehe es ein Landwirtschaftsgesetz, einen Grünen Bericht und einen Grünen Plan gab, und niemand hat sich darüber gewundert, alle haben es als eine selbstverständliche Regelleistung der Gesamtheit angesehen. Auf einmal ist es durch die jetzige Taktik zur Subvention geworden.
Es ist also sehr schwer, hinter diesem nicht einmal sehr geschickten, aber sehr leichtfertigen Spiel die Probleme sichtbar zu machen, mit denen unsere Landwirtschaft heute ringt. Trotzdem möchte ich einen Versuch machen, denen, die den Dingen ferner stehen, die nicht die Nase in der Praxis haben wie Herr Struve und ich

(Heiterkeit)

— das darf ich doch sagen, Herr Struve, wenn ich Sie mit nenne?! —

(Abg. Struve: Das bestreite ich!)

die also die Nase in der Praxis haben wie ich selber
— Herr Struve hat das für sich bestritten —, etwas
von dem sichtbar zu machen, was wirklich vor unserer Landwirtschaft steht, und das, meine Damer
und Herren, ist alles andere als ein Grund zum



Kriedemann
Lachen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die in Blut-
und-Boden-Romantik, dieser verlogenen Romantik machen. Ich bin niemals im Reichsnährstand gewesen, nicht einmal als Angestellter,

(Heiterkeit bei der SPD)

und ich halte auch nichts davon, so zu tun, als wäre der landwirtschaftliche Teil unserer Bevölkerung ein besserer Teil anderen Bevölkerungskreisen gegenüber. Aber ich glaube, es muß mit Nachdruck darauf aufmerksam gemacht werden, daß hier Hunderttausende von Menschen vor einem auch seelischen Problem stehen, das sie nicht bewältigen können, wenn wir ihnen dabei nicht helfen.
Lassen Sie mich dies mit einem Hinweis deutlich zu machen versuchen. Solange Menschen die Erde beackert haben, haben diejenigen, die das getan haben, das Gefühl gehabt, in ihrer Arbeit sei der Sinn des Lebens, der Sinn der Arbeit schlechthin verankert. Man konnte die Frage aufwerfen, ob es nützlich ist, schnellere Flugzeuge und schnellere Eisenbahnen zu bauen, immer mehr zu produzieren und immer weiterzukommen, ob das den Menschen weiterhilft, ob das sinnvoll ist; aber an dem Sinn dieser Arbeit ist eigentlich niemals irgendein Zweifel gewesen, auch nicht bei denen, die nicht in der Landwirtschaft standen. Heute sind wir durch eine Fülle von Faktoren, die technische Entwicklung, die politische Entwicklung, die Verflechtungen unserer eigenen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft an den Punkt gekommen, wo wir auch dem Mann, der im Schweiße seines Angesichts seinen kargen Boden beackert, sagen müssen, daß erst einmal untersucht werden muß, ob das, was er mit soviel persönlichem Einsatz und unter soviel persönlichen Opfern tut, für die Gemeinschaft sinnvoll ist. Da kommen wir schnell zu dem Problem und müssen sagen: Wir haben schon zuviel Roggen und können nicht mehr verkraften. Damit will ich Ihnen klarzumachen versuchen, welche Frage vor diesen Leuten steht, was dort aufgebrochen ist, und ich hoffe, daß Sie alle mit mir darin übereinstimmen, daß die Anstrengungen aller vernünftigen Menschen und ihr sachliches Bemühen zusammenkommen müssen, wenn die Landwirtschaft mit diesen Fragen fertig werden soll, in die sie nicht mutwillig hineingeschlittert ist, sondern in die sie hineingestellt worden ist, nicht zuletzt auch durch die Politik, durch so etwas wie den Vertrag über den Gemeinsamen Markt und ähnliches. Es hat also schon Wert, wenn wir uns um vernünftige Lösungen bemühen; aber am Anfang dieser Bemühungen muß die Erkenntnis stehen, daß herkömmliche Mittel nicht mehr ausreichen.
Das sage ich ebenso deutlich, wie ich hier das Problem der Überproduktion angesprochen habe, das auch kein herkömmliches Problem ist, jedoch heute zumindest für diejenigen, die die Augen davor nicht absichtlich verschließen, ein sehr aktuelles Problem geworden ist. Der Grüne Bericht ist auch meiner Meinung nach wieder ein Fortschritt gegenüber seinen Vorgängern, und wir sind sehr dankbar dafür. Mit Genugtuung und Stolz erinnern sich die Sozialdemokraten an ihr Bemühen, im Landwirtschaftsgesetz Bestimmungen zu verankern, die
dazu verpflichten, den Grünen Bericht so differenziert und so vielseitig zu erstellen, wie das heute gelungen ist. Wir wollten damit wegkommen von dem verallgemeinernden Gerede über die Lage der Landwirtschaft und wollten gerade durch die detaillierten Untersuchungen erkennen lassen, wo denn die Wurzeln des Übels sitzen und wie diesen Schwierigkeiten beigekommen werden kann.
Ich glaube, daß der Text gestrafft ist und daß er doch mehr Einzelheiten enthält. Ich möchte allen Kolleginnen und Kollegen dringend empfehlen, mindestens die ersten etwa 70 Seiten dieses Berichtes zu lesen. Das ist interessant nicht nur für diejenigen, die sich mit der Unterabteilung „Agrarpolitik" der Wirtschaftspolitik zu beschäftigen haben, sondern für alle, die sich mit der Wirtschafts- und Sozialstruktur unseres Volkes zu beschäftigen haben. Es steht eine Menge Lesenswertes darin; vielleicht mehr, als dem einen oder anderen lieb ist, der es lieber mit den verallgemeinernden Parolen hält.
Ich will nur eine Einschränkung der Ordnung halber auch in diesem Jahr wieder machen. Der Grüne Bericht ist nicht das, was manchmal von ihm behauptet wird, insbesondere dann, wenn man zu den komischen Leuten gehört, die von der Globaldisparität reden und da hohe Zahlen errechnen wollen. Der Grüne Bericht ist nicht etwa eine Art von Offenbarungseid. Er muß notwendigerweise mit Durchschnitten arbeiten. Es sind 8000 Betriebe, deren Ergebnisse hier verwertet sind. Wir alle haben die Hoffnung, daß die Auswahl der Betriebe möglichst repräsentativ, aber zugleich auch in die Zukunft weisend ist. Das bedeutet eben Durchschnitte, gewisse Verallgemeinerungen. Niemand kann daraus etwa ablesen, wie es nun dem oder jenem, der einen landwirtschaftlichen Betrieb dieser oder jener Art hat, wirklich geht; dazu ist der menschliche Faktor in diesen Dingen viel zu groß. — Aber diese Einschränkung nur gegenüber den übertriebenen Anforderungen an den Grünen Bericht, nicht als eine abwertende Kritik. Ich meine, er hat trotzdem einen großen Aussagewert, und ich wiederhole: er ist sehr lesenswert.
Wenn man ihn liest, enthüllt er sehr deutlich die eigentliche Ursache der landwirtschaftlichen Schwierigkeiten, der ausgesprochenen Nottatbestände in landwirtschaftlichen Bereichen. Er läßt klar erkennen, daß eben die unbefriedigende, um nicht zu sagen: schlechte Struktur der größten Zahl unserer landwirtschaftlichen Betriebe die eigentliche Ursache für das unbefriedigende Betriebsergebnis ist.
Hier ist heute wieder mit großem Wort ein Bekenntnis zum Familienbetrieb abgelegt worden. Das ist natürlich immer gut, das kann nicht schaden. Ich will es deswegen auch gleich sagen: die Sozialdemokraten bekennen sich zum Familienbetrieb. Für sie ist das allerdings nicht nur eine höfliche Legitimation oder der Versuch zu einer Legitimation, sondern das Bekenntnis zu einem Betrieb, der so strukturiert ist, daß er die Voraussetzungen dafür bietet, eine Familie zu ernähren, und zwar möglichst ohne daß die Frau sich dazu mehr abschinden muß, als das alle Hausfrauen sowieso wahrscheinlich heute immer noch trotz aller Fortschritte und



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aller Gleichberechtigung tun müssen. Als Arbeitskraft sollte sie in diesem Betrieb jedenfalls nicht verschlissen werden. Der Betrieb muß die Voraussetzungen dafür bieten, daß der Mann seine Arbeitskraft und alles das, was heute an Technik von jedem arbeitenden Menschen genutzt werden muß, wenn er einen mit anderen Bereichen vergleichbaren Lohn erzielen soll, sinnvoll und produktiv einsetzen kann. Wir müssen leider erkennen, daß infolge der geschichtlichen und sozialen Entwicklung, infolge aller möglichen Ursachen eine große Zahl von landwirtschaftlichen Betrieben von diesem Maß, von dieser Größe noch weit entfernt sind.
Ich will zum Strukturproblem nichts sagen, mein Freund Harri Bading wird dazu nachher einige Ausführungen im einzelnen machen; ich will es also dabei bewenden lassen. Aber lassen Sie mich doch noch hinzufügen: Es ist zwar sicherlich sehr klug, sich um das Betriebsgrößenproblem herumzudrücken, nichts davon zu sagen, irgendwie den Eindruck zu erwecken, als würde sich da nichts ändern; nur glaube ich, 'daß solche Zurückhaltung ein bißchen wenig ist für jemanden, der sich selbst respektiert und der seiner Aufgabe gerecht werden möchte. Deswegen habe ich es hier ausdrücklich angesprochen.
Herr Kollege Lücker lacht mich hier so freundlich an. Ich freue mich, daß ich ihn nach langer Zeit — er quält sich da irgendwo in Straßburg oder Brüssel herum — anläßlich dieser Debatte einmal wieder hier im Hause sehe. Ich habe einiges über das gehört, was er dort drüben gesagt hat. Ich würde es außerordentlich begrüßen, wenn wir uns bald auch hier sehr nüchtern zu dieser Frage äußerten. Denn, meine Damen und Herren, über eines wollen wir uns doch klar sein: wenn wir verschweigen, welche Bewegung da in Gang ist, ohne daß irgend jemand sie in Gang gebracht hat, werden wir eines schönen Tages den Menschen, die Opfer dieser Entwicklung sind, nichts zu bieten haben. Alle Forderungen — industrielle Erschließung ländlicher Räume, Verbesserung der Verkehrsverhältnisse usw. — haben ja überhaupt nur dann ihre Berechtigung, wenn man vorher darauf aufmerksam macht, daß da etwas geschieht, was zu solchen Maßnahmen zwingt. Eine allzu große Zurückhaltung aus Taktik — meistens hält man sich ja wohl nur aus Taktik zurück — wird uns nachher sehr teuer zu stehen kommen und es. uns nicht erlauben, rechtzeitig alles das zu tun, was in diesem Zusammenhang getan werden muß.
Wenn man sich die Zahlen auf Seite 10 des Grünen Berichts ansieht, wo eine Ubersicht über die Aufgliederung der landwirtschaftlichen Betriebe nach ihrer Größe sowie über die Zu- und Abnahme in den verschiedenen Größenklassen gegeben ist, und daneben sieht, wie sich diese Betriebe auf die landwirtschaftlich genutzte Fläche verteilen, und wenn man dann die Wahrheit und die darin liegende Aufgabe erkennen will, bedarf es dazu gar keiner Einleitung und ,gar keines Kommentars. Deswegen ist die Versuchung immer so groß, darauf zu warten, daß ein anderer etwas dazu sagt, um den dann anschießen und sagen zu können: Aha, der will also hier ... !
Meine Damen und Herren, es besteht überhaupt auch nicht andeutungsweise die Gefahr, daß die Struktur der Landwirtschaft in Europa oder auch etwa gar in der Bundesrepublik hin zum Großbetrieb ginge. Das ist eine völlig unsinnige und völlig überflüssige Sorge. Der Familienbetrieb wird nach wie vor der entscheidende und bestimmende Faktor sein. Aber insbesondere diejenigen, die die Familie für so wichtig halten, daß sie ihr sogar einen Familienminister widmen, müssen doch wohl zugeben, daß der Familienbetrieb ein Betrieb sein muß, auf dem eine Familie auch zeitgemäß und menschenwürdig leben kann.

(Beifall bei der SPD.)

Man sollte den Ausdruck Familienbetrieb nicht dazu mißbrauchen, mit ihm bestimmte absolut unzulängliche Strukturen angeblich zu verteidigen. Alle, die das tun, tun es aus zwei Gründen. Erstens hören die Leute das gern, und es ist so billig, das zu sagen; und zweitens ist das die sicherste Garantie für die Differentialrente. Nicht zum erstenmal sage ich von diesem Platz heute, wie bequem es ist und wie lange es Tradition in der deutschen Agrarpolitik ist, die notleidenden Bereiche vorzuzeigen und zu sagen: Und denen wollt ihr dies oder jenes nicht bewilligen? und dann Preise und dergl. zu beschließen. Und dann sagt man sich: Na, wenn es dann auch mit der Subvention oder mit dem Butterpreis usw. für die Eifel nicht ausreicht, für uns, die wir glücklicherweise nicht in der Eifel, sondern im Flachland sitzen, wird es dann um so sicherer ausreichen. Auch Taktik — und schon gar so etwas, was schon mehr als Taktik, was schon Demagogie ist — muß doch irgendwo ihre Grenzen haben.
Wenn man aber im Ernst glaubt, hier etwas tun zu müssen, um die in Gang befindliche und hier in Zahlen nachlesbare Entwicklung aufzuhalten — in dieser Richtung ist doch heute hier auch etwas angeklungen —, muß man eben, wie man so zu sagen pflegt, „Butter bei die Fische tun". Dann muß man auch die Konsequenzen aus diesem Wollen ziehen. Ich schätze, es würde eine Erhöhung des Agrarpreisniveaus um etwa 30 °/o oder ein Subventionsbetrag in Höhe von so vielen Milliarden notwendig sein, daß mir im Augenblick die Zahl nicht einfällt. Das kann man ja einmal versuchen. Wir haben von unserer Seite probiert, den Apologeten einer solchen Familienbetriebsphilosophie irgendwelche Angebote zu entlocken: Na, was wollen Sie sich denn das kosten lassen? Wir haben dann leider keine Antwort gehört. Darauf gründet sich eben unser Verdacht, daß es sich hier doch wohl mehr um Propaganda als um echte Agrarpolitik handelt.
Ich will in dem Zusammenhang noch auf einen anderen Teil dieses lesenswerten Grünen Berichtes aufmerksam machen, obwohl auch hier wieder etwas erkennbar wird, was nicht allen Leuten sympathisch ist. Auf der Seite 51 können Sie nachlesen — Herr Kollege Wacher hat es auf eine mich geradezu beglückende Weise auch ausgesprochen; es ist eigentlich von dieser Seite noch nie so deutlich ausge-



Kriedemann
sprochen worden —, daß das Einkommensgefälle tatsächlich doch von der Größe der Betriebe und von der Güte des Bodens abhängt. Er hat hier auch gesagt: je kleiner die Betriebe sind, desto schiechter ist der Boden, auf dem sie sitzen; oder: auf dem schlechten Boden sitzen vorwiegend die Kleinbetriebe. Sie können hier in Zahlen nachlesen, wie groß der Einkommensunterschied ist. Das macht zugleich deutlich, wie denn Einkommenspolitik betrieben werden muß, wenn man sagt, wir halten die Einkommensergebnisse, wie wir sie in den unteren Bereichen vorfinden, für absolut unbefriedigend und eines solchen Staatswesens und einer solchen Wirtschaftskraft für unwürdig.
Immerhin ist aus dem Bericht herauszulesen, daß es eine ganze Reihe von Betrieben und vor allen Dingen eine beträchtliche landwirtschaftliche Nutzfläche gibt, auf der das, was das Landwirtschaftsgesetz will, erreicht oder nahezu erreicht worden ist. 100 % können hier wohl nicht das sein, was mindestens erwartet werden muß. In Anbetracht des menschlichen Faktors muß man natürlich auch bezüglich der Betriebsergebnisse im landwirtschaftlichen Bereich wohl schon eine 90 %ige oder 80 %ige Deckung gelten lassen. Das liegt bei diesem großen Durchschnitt schon mehr oder weniger innerhalb der Fehlergrenze. Das meine ich auch, wenn ich sage, im Grünen Bericht steht vielleicht mehr drin, als manch einem lieb ist.

(Abg. Mauk: Aber 7 % sind zuwenig!)

— 7 % der Fläche mit 100 % sind zuwenig. Aber
Sie wissen ganz genau, Herr Kollege Mauk — vielleicht haben wir hinterher Gelegenheit, die Diskussion noch zu vertiefen, ich habe die Zahlen hier wie Sie —, wie groß der Bereich heute ist, in dem das Ziel zu 90 % oder 80 % erreicht wird; das wollen Sie auch nicht ausschließen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es kommt immer noch darauf an, wie man zu den 100 % kommt!)

— Ich komme gleich darauf, wenn ich mich mit Ihren Entschließungsanträgen auseinandersetze. Diese Methode ist nicht von uns erfunden und ist auch nicht nur vom Bundesfinanzministerium erfunden, sondern ist mit Hilfe von Wissenschaftlern von anerkanntem internationalem Rang entwickelt worden, die vielleicht nicht so sehr das Bedürfnis nach einer möglichst großen Disparität, aber vielleicht mehr das Bedürfnis nach der Entwicklung eines wirklich vertretbaren Systems und Maßstabes haben.
Meine Damen und Herren, erkennt man, was die, Ursachen für die unbefriedigenden Entwicklungen oder Zustände in der Landwirtschaft sind, ist man doppelt erschreckt, wenn man den Grünen Plan zur Hand nimmt und zur Kenntnis nehmen muß, wie die Regierung mit den Problemen fertig werden will. Als ob nichts geschehen ist, wird in der Strukturpolitik auf die bisherige Weise weitergemacht. Aber darüber werden wir nachher noch etwas Näheres hören. Hier will ich nur noch einmal sagen, wie übel es ist, daß man im Grünen Plan alle möglichen Dinge unterbringt, die dort gar nicht hinge-
hören und zum Schaden der Landwirtschaft draußen ein falsches Bild entwickeln.
Der zentrale Punkt unserer Kritik sind wieder die pauschalen und globalen Subventionen. Man weiß und kann hier nachlesen — der Herr Kollege Wacher hat es vorhin ausdrücklich gesagt —, daß die Einkommensverhältnisse eben von den jeweils gegebenen Verhältnissen abhängen, die der Einkommensempfänger nicht willkürlich ändern kann, nämlich die Güte seines Bodens oder die Größe seines Betriebes. Gerade deshalb ist es mehr als töricht, zu versuchen, dem Übel mit einem gleichen Maßstab zuleibe zu rücken. Da soll also wirklich wieder jemandem, der Dünger kauft, ob er nun auf schlechtem Boden sitzt und nur sehr wenig brauchen kann, und dessen Ernteergebnis deswegen auch schlechter ist, der Dünger um genau denselben Prozentsatz verbilligt werden wie demjenigen, der auf einem größeren Betrieb tiefgründigeren Boden hat und auch ohne Subventionen schon ganz schön dastehen würde.

(Vorsitz Vizepräsident Dr. Jaeger.)

Wenn man so wenig Geld zur Verfügung hat wie offenbar die Bundesregierung — wir halten es für zuwenig angesichts der immer dringender werdenden Fragestellung: wie kommt unsere Landwirtschaft über die Runden, wie wird sie wettbewerbsfähig? —, muß man mit dem Geld um so sorgfältiger umgehen und es um so vernünftiger verteilen.
Es ist doch wohl kein Zufall, daß gerade um diese Art der Subventionen, um die Globalsubventionen so hart gekämpft wird und daß es geradezu zum Prüfstein der Treue der Landwirtschaft zur Regierungskoalition gemacht wird, ob die Düngersubvention aufrechterhalten wird. Der Bundeskanzler, der wohl einer der dollsten Parteipolitiker ist, die ich jedenfalls kennengelernt habe, hat das auch ganz richtig erkannt: Auf die Düngersubvention kommt es an, damit die Leute bei Laune gehalten werden. Er hat ihnen deswegen diese Düngersubvention konzediert. Sie ist nämlich ein Stück der Differentialrente, meine Damen und Herren.
Lassen Sie mich einen kurzen Blick auf ein Argument werfen, das zur Rechtfertigung immer wieder angebracht wird. Es wird gesagt: Wir brauchen das alle, denn unsere Betriebsmittelpreise steigen dauernd. Die Landwirtschaft — das wird jetzt von landwirtschaftlicher Seite immer wieder stark betont — ist Opfer einer Wirtschaftspolitik, die ihr irgendwelche Lasten auferlegt, und zwar in zwiefacher Form; und sie beklagt sich darüber zu Recht.
Daraus wird die Forderung abgeleitet: Nun müßt ihr mit der Marktordnung die Verbraucher genauso behandeln, wie die gewerbliche Wirtschaft mittels der sogenannten freien Wirtschaft die Landwirtschaft behandelt. Das ist für uns Sozialdemokraten kein logisches Argument. Daraus, daß Herr Erhard sein Geschäft so schlecht versorgt und eine Wirtschaftspolitik hinlegt, unter der die Landwirtschaft leidet und über die sie sich mit Recht beklagt, folgt für uns noch keineswegs, daß wir durch überhöhte Preise oder durch eine Marktordnung, die in ihrer



Kriedemann
Übertreibung wirtschaftspolitisch nach der anderen Seite wieder falsch wäre, die Verbraucher dafür zahlen lassen.
Irgendwie muß doch die Landwirtschaft trotz all ihrer beredten Klagen darüber, daß z. B. Dünger im Ausland billiger verkauft wird als im Inland, daß also die Konkurrenten der deutschen Landwirtschaft mit dem Dünger billiger versorgt werden als die eigene Landwirtschaft, daß nichts geschieht, um den Typenwirrwarr in Ordnung zu bringen, daß nichts geschieht, um die Industrie zu zwingen, aus ihren Schlepperpreisen die Luft herauszulassen, die darin sitzt und sich hinter dem hohen Schutzzoll ja auch leicht ansammeln konnte, mit der Wirtschaftspolitik zufrieden sein. Es ist eine Wirtschaftspolitik, die es bis heute noch nicht ermöglicht hat, daß landwirtschaftliche Berater ohne Angst vor irgendwelchen Prozessen mit Unternehmungen, die sich gekränkt oder geschädigt fühlen, den Bauern, die sie bezahlen, sagen können, was für eine Maschine nützlich und zweckmäßig wäre. Mit dieser von uns deswegen auch immer kritisierten Wirtschaftspolitik muß die Landwirtschaft doch in irgendeiner Weise zufrieden sein; denn sonst würde sie nicht in Bausch und Bogen immer wieder dazu beitragen, daß solche Wirtschaftspolitik weiter betrieben werden kann. Zumindest würden dann doch die Bauern im Wahlkreis des Herrn Bundeswirtschaftsministers, der ja mit Stolz sagt, er habe einen ländlichen Wahlkreis, ihn nicht wiederwählen.
Deswegen scheint uns Ihre Klage über den Druck, der von der Übermacht der Wirtschaft ausgeht, über das Nichtweitergeben der aus der Produktivitätssteigerung sich ergebenden Gewinne auch bloß mehr der Ordnung halber hier vorgebracht zu werden, mehr Augenwischerei zu sein.

(Beifall bei der SPD.)

Zum Trost für die Landwirtschaft kann ich eines sagen. Glücklicherweise bemühen sich die Gewerkschaften, wenigstens einen Teil des Profits abzukassieren und in Lohn umzuwandeln, der mangels einer genügenden Aktivität des Herrn Bundeswirtschaftsministers sonst restlos in den Taschen derjenigen verschwinden würde, denen diese Gewinne zuwachsen. Denn auf diese Weise hat die Landwirtschaft wenigstens den Vorteil, daß die Kaufkraft der breiten Massen steigt, und davon hängt die Landwirtschaft ja in sehr hohem Maße ab. Irgendwer soll ja die Veredelungsprodukte, die in immer größerem Umfang angeboten werden, aufnehmen können, und die Leute, die schon immer die Profite gehabt haben, werden ja deswegen nicht anfangen, zwei Koteletts zu essen. Sie sollten deswegen mit der Kritik an Lohnforderungen etwas zurückhaltender sein. Die Empfänger dieser Lohnerhöhungen sind nämlich Ihre besten Kunden. Wehe der deutschen Landwirtschaft, wenn die einmal nicht mehr kaufen können!

(Beifall bei der SPD.)

Es dreht sich für uns nicht um die Frage, ob Einkommenszuschüsse gezahlt werden sollen. Es ist völlig unbestritten — das ergibt sich nicht nur aus dem Grünen Bericht, sondern liegt vor unser aller Augen offen zutage —, daß es weite landwirtschaftliche Bereiche gibt, in denen trotz großen Einsatzes an menschlicher Leistung und trotz weitgehenden Verzichts auf Dinge, die in anderen Wirtschafts-und Lebensbereichen schon selbstverständlich sind, ein zeitgemäßes Einkommen nicht erzielt werden kann. Es dreht sich für uns wirklich nur um die Frage, wie der Betrag, den die Bundesregierung dafür zur Verfügung stellt, so verteilt werden kann, daß er tatsächlich auch da ankommt, wo Not am Mann ist, und nicht noch jemand davon profitiert, der sich darüber eigentlich schämen sollte. — Herr Brese, Sie gucken mich so verlockend an. Ich hätte die größte Neigung, meine Bemerkungen in dieser Richtung zu vertiefen. Aber ich sehe auf die Uhr und denke an den Zeitablauf, daher will ich mir das jedenfalls im Augenblick verkneifen. — Hier sollten also andere, bessere Möglichkeiten gefunden werden.
Es wird immer gesagt, das sei zu kompliziert. Die beiden Subventionen, um die es sich hier dreht, die Dünger- und die Milchsubvention, haben nämlich noch eine sehr peinliche Seite: sie fördern die Zunahme der Produktion. Nun redet man zwar immer wieder von unterentwickelten Ländern und bringt alle möglichen frommen Sprüche vor. Es ist aber doch eine Tatsache, daß wir bei den für die Landwirtschaft entscheidenden Produkten schon an dem Punkt angekommen sind, an dem trotz Marktordnung eine Mehrproduktion alles zum Einstürzen bringt. Wenn eines schönen Tages Kollege Lücker könnte darüber mehr sagen — und eines vielleicht sehr nahen Tages von Brüssel aus beschlossen würde, daß keine Zuwendungen mehr gegeben werden dürfen, die produktionsanreizend wirken, wollen wir dann gleich die ganze Einkommenshilfe beiseite schieben, weil wir jahrelang gesagt haben, es gebe kein sinnvolleres Verfahren für die Verteilung dieser Mittel? Oder wollen wir uns erst dann ein solches Mittel einfallen lassen? Ich glaube, es ist schon jetzt an der Zeit.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Wir haben sie öfter angedeutet. Vielleicht besteht eine Möglichkeit darin, die Milchsubvention so zu staffeln, daß sie in den kleineren Betrieben mit den schlechteren Bedingungen, mit den von Natur aus leistungsärmeren Kühen und nicht in den größeren Betrieben mit den fetten Weiden ankommt. Es gibt sicherlich noch weitere Möglichkeiten. Aber es müssen endlich einmal Vorstellungen darüber entwickelt werden. Wir jedenfalls nehmen es der Regierung nicht länger ab, daß es sich nicht anders machen lasse und man deshalb auch die sieben Komma soundsoviel Prozent, Herr Kollege Mauk, die weit über dem Strich liegen, auch noch subventionieren müsse.
Bei dieser Gelegenheit ein Wort zur Milchprämie, — damit nicht wieder jemand kommt und sagt, das sei gar keine Subvention. Wir sollten doch das Kind beim Namen nennen. Der Verbraucher muß nicht mehr dafür bezahlen müssen, daß er eine gesunde und einwandfreie Ware bekommt. Das ist der Normalfall, das ist die Regel.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch nicht!)




Kriedemann
— Und ob das die Regel ist! Und wenn wir uns nicht rechtzeitig daran gewöhnen, werden wir hinterher noch teures Lehrgeld bezahlen müssen. Da brauchen nicht extra Prämien bezahlt zu werden; das ist völlig klar.
Für uns ist die „grüne" Debatte nicht eine obligate Verbeugung vor der Landwirtschaft. Wir sind uns völlig klar darüber, daß viele unserer Argumente, viele unserer Forderungen nicht populär sind. Es gibt natürlich viel populärere Forderungen, wie z. B. „Preise hoch!", „Grenzen zu!" usw. usw. Aber je populärer eine Forderung ist, desto weiter ist sie von der Wahrheit entfernt.

(Oho-Rufe bei der CDU/CSU.)

— Ich nehme davon gerade in diesem Bereich und in diesem Zusammenhang nichts zurück. Viele von Ihnen leben ja doch von der Popularität,

(Lachen bei der CDU/CSU)

und ich ,möchte gern, daß die Wahrheit nun zu ihrem Recht kommt.
Wir haben der Bundesregierung neulich eine Kleine Anfrage gestellt. Die Bundesregierung hat darauf eine Antwort gegeben, die Sie hoffentlich alle gelesen haben. Sie hat der Wahrheit im vollen Umfang die Ehre gegeben. Ich bin überzeugt, es ist ihr leicht gefallen. Sie war geradezu erleichtert, daß sie eine solche Gelegenheit hatte, mitzuteilen, daß z. B. landwirtschaftliche Importe — ein wesentlicher Bestandteil unserer Agrarpolitik — nicht unter Gesichtspunkten der Versorgung oder etwa sozialpolitischen Gesichtspunkten betrieben werden müssen, sondern deshalb, um unsere Arbeitsplätze und um die Kaufkraft zu sichern, von der unser Lebensstandard abhängt und von der zuletzt abhängt, ob die Landwirtschaft die von ihr erzeugten Veredelungsprodukte auch an den Mann bringen kann.
Wir werden uns also auch durch die Erkenntnis, daß man alles sehr viel populärer sagen kann, wenn man es ein bißchen billiger sagt, nicht davon abhalten lassen, um die Durchsetzung der richtigen Erkenntnis zu ringen. Denn wir stehen doch jetzt vor der Notwendigkeit, zwei Aufgaben zu gleicher Zeit bewältigen zu müssen. Erstens müssen wir den in diesem Land lebenden und arbeitenden Menschen einen Lebensstandard bieten können — das müssen wir erwirtschaften —, der sie immun macht gegen jede Verlockung, gegen jede Verleitung, gegen jede Sehnsucht nach irgendeinem anderen System.

(Zuruf des Abg. Brese.)

— Ich weiß, Herr Brese, für manche Leute ist es nicht der Lebensstandard, sondern für manche Leute ist es sozusagen das Selbstbewußtsein, wenn sie sagen: Ich bin auch ohne Pension ein selbständiger Mann. Aber für die meisten, die doch immer noch in sehr beschränkten Verhältnissen leben, drückt sich im Lebensstandard nicht bloß der Hang zum Materiellen aus, sondern da fängt dann die Moral tatsächlich in dem Augenblick an, in dem man ihnen genügend zum Fressen gegeben hat, — wenn Sie diese Formulierung erlauben; denn sie ist doch wohl klassische deutsche Literatur, wenn auch der
Bundesaußenminister da etwas anderer Meinung ist, aber er ist vielleicht noch nicht genau unterrichtet.

(Heiterkeit.)

Zweitens müssen wir alles das erwirtschaften, was wir brauchen, um draußen in den Teilen der Welt mit antreten zu können, in denen die Entscheidung zwischen den Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen in Ost und West fällt. Wenn wir zu einer solchen großen Leistung fähig sein wollen, können wir uns keinen Ballast leisten, keine weichen Stellen. Dann müssen wir wirklich hart und scharf rechnen. Da ist eine Sozialpolitik am falschen Platz ganz besonders gefährlich. Die Gefahr ist für die Bauern besonders groß. Es muß uns gelingen, den Wettbewerb zu bestehen. Sonst sind die Bauern — Herr Struve hat vorhin mit vielen Worten gesagt, wie schlecht es denen drüben in der Zone geht — die ersten Opfer einer solchen Niederlage. Deswegen möchten wir eben dieses Spiel, das hier getrieben worden ist, so wie ich es am Anfang meiner Ausführungen an einem Beispiel geschildert habe, nicht mitmachen, auch wenn es noch so populär ist und den Leuten immer noch wieder gefällt. Wir möchten, daß die Landwirtschaft zu einem Faktor in unserer Wirtschaftspolitik wird, der ohne Subventionen leben kann, daß sie ihre Leistungen erbringen kann, nachdem man dafür die Voraussetzungen geschaffen hat. Zu diesen Leistungen muß man die Landwirtschaft in den Stand setzen, und zwar nicht durch eine Strukturpolitik, die da sagt: Ja, das geht nicht schneller, weil wir nicht mehr Beamte haben!, sondern durch eine Strukturpolitik, die sich nach dem Tempo richtet, das uns die Zeit und unsere Konkurrenten vorlegen.
Wir möchten die Agrarpolitik zum Bestandteil einer Wirtschaftspolitik machen, die allen gerecht wird. Es ist ein heute noch weit verbreiteter Irrtum, zu glauben, die Agrarpolitik sei eine Angelegenheit der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist zu einer Minderheit in unserem Volke geworden, und gerade weil sie nur mittels großer öffentlicher Ausgaben über die Runden gebracht werden kann, weil die Versäumnisse der Vergangenheit nur durch den Einsatz großer öffentlicher Mittel rechtzeitig, wenigstens einigermaßen, ausgeglichen werden können, bedarf es einer Agrarpolitik, die die Zustimmung aller Wirtschaftskreise findet und nicht als eine Interessentenangelegenheit angesehen wird.
Wir haben durch die Vorlage des Entschließungsantrags Umdruck 498 versucht, die Fragen zu besprechen, die auf der Tagesordnung stehen. Wir haben gesagt, was uns am Grünen Plan nicht gefällt und in welcher Richtung wir die Agrarpolitik der Bunderegierung geändert sehen wollen. Es handelt sich dabei nicht um eine Absprache mit dem Deutschen Bauernverband. Daß in dem Entschließungsantrag eine ganze Reihe von Forderungen enthalten sind, die dem Hause in dem Brief des Deutschen Bauernverbandes vorgelegt worden sind, ergibt sich wohl aus anderen Gründen, wie ich annehme, aus dem gemeinsamen Bemühen um die Erkenntnis der Notwendigkeiten. Ich bitte deshalb, dem Deutschen Bauernverband keine Schwierigkeiten daraus zu machen, daß er in Fragen des gesun-



Kriedemann
den Menschenverstandes und in Fragen, in denen es einfach um die Klarheit im Haushalt geht, mit den Sozialdemokraten einig ist.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Ich bitte das Haus, sich dem sozialdemokratischen Antrag anzuschließen.
Noch ein Wort zu den übrigen Anträgen. In ihnen werden, glaube ich, eine Reihe von Fragen erörtert, die über das hinausgehen, was heute zur Debatte steht. Wir sollten deshalb diese Anträge dem Ernährungsausschuß überweisen. Wir Sozialdemokraten haben uns jahrelang vergeblich darum bemüht, den Ernährungsausschuß dazu zu bewegen, die Erfahrungen mit dem Landwirtschaftsgesetz, mit den bisherigen Grünen Plänen und mit der Methodik der Erstellung dieser Pläne doch noch einmal Revue passieren zu lassen, um zu sehen, ob daraus denn nicht neue Konsequenzen zu ziehen sind. Das ist immer wieder mit der Begründung abgelehnt worden: Wir haben dazu keine Zeit. Das ist von manchem wohl auch deshalb abgelehnt worden — nehmen Sie mir die Feststellung bitte nicht übel; ich bin gar nicht gehässig, aber ich habe meine Meinung und meine Erfahrungen in der Politik —, weil er es so genau auch wieder gar nicht wissen will; dann sind nämlich hinterher die Resultate nicht mehr so populär.
Es ist höchst notwendig, diese Überlegungen anzustellen. Einige Anträge — z. B. Umdruck 496 und auch Umdruck 497 — betreffen methodische Fragen, die mit den Sachverständigen, auch mit den Agrarwissenschaftlern im Ausschuß gründlich erörtert
werden sollten. Ich schlage Ihnen deshalb vor, diese Anträge an den Ausschuß zu überweisen.
Dann sollte noch das eine oder andere dabei der Einfachheit halber auch überwiesen werden, schon weil wir keine Zeit haben, darüber eine lange Debatte zu führen. Ich möchte den Kollegen, die die Bundesregierung in dem Antrag Umdruck 494 auffordern, alle vertraglichen und handelspolitischen Möglichkeiten zu nutzen, um der deutschen Eier- und Geflügelwirtschaft auf die Beine zu helfen, doch empfehlen, den Vortrag von Dr. Sonnemann zu lesen, der dankenswerterweise veröffentlicht worden ist und in dem er nun wohl allen, auch denen, die es bisher nicht zur Kenntnis nehmen wollten, genau klargemacht hat, in welcher rechtlichen Lage wir uns befinden, nachdem wir bestimmte Verträge unterschrieben haben. Ich würde es dankbar begrüßen, wenn das in Form eines Nachhilfeunterrichts wenigstens dazu führen würde, daß nun nicht immer wieder dieselben populären Forderungen nach Mindestpreisen, Einfuhrbeschränkungen usw. erhoben werden, Dinge, die wir gar nicht mehr in unserer Gewalt haben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310601400
Das Wort hat der Abgeordnete Mauk.
Mauk (FDP) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der Fraktion der Freien Demokraten zu dem Bericht
der Bundesregierung, der uns am 11 Februar dieses Jahres überreicht wurde, zu sprechen. Wir wollen die Arbeit, die mit diesem Bericht geleistet wurde, voll anerkennen, wenn auch noch viele Wünsche — das möchte ich ausdrücklich unterstreichen — offenbleiben. Für die deutsche Landwirtschaft wird mit diesem Bericht wieder einmal die Bilanz offengelegt, leider nicht in Gegenüberstellung mit anderen Zweigen der Wirtschaft, insbesondere nicht mit solchen Zweigen, die wie die Landwirtschaft auf verschiedenste Art staatliche Hilfe bekommen. Ich denke hier besonders an die gewerbliche Urproduktion und an einen großen Teil der Exportindustrie. Es wäre sicher hochinteressant, auch einmal für diese Wirtschaftszweige die Bilanzen offenzulegen, um sie dann mit den Bilanzen der Landwirtschaft vergleichen zu können. Denn jetzt bekommt die Öffentlichkeit immer mehr ein falsches Bild und muß allmählich zu dem Glauben kommen — wenn man die Rede meines Vorredners, des Herrn Kriedemann, hört, muß sie ganz bestimmt zu diesem Glauben kommen —, daß es der Landwirtschaft ausgezeichnet geht und daß es ihr immer noch besser gellen wird.
Herr Minister Schwarz hat uns bei der Einbringung des Berichts daran erinnert, daß es unser Recht und unsere Pflicht sei, die Maßnahmen der Bundesregierung kritisch zu betrachten. Von dieser Möglichkeit möchte ich heute gern Gebrauch machen; denn ich habe wie in so mancher früheren Debatte über diesen Bericht feststellen müssen, daß meine Kollegen von der CDU, die bisher gesprochen haben, von dieser Möglichkeit der Kritik nur sehr sanft Gebrauch gemacht haben. Herr Kriedemann, auch Sie haben — mit kleinen Abweichungen — die bisherige Agrarpolitik mehr oder weniger unterstützt.

(Abg. Kriedemann: Danke! Danke!)

Dem Wunsche des Herrn Ministers, dabei weniger in der Vergangenheit zu rühren, da dies bei ihm doch an die falsche Adresse käme, kann ich leider nicht ganz entsprechen. Der Bericht behandelt nun einmal das schon am 30. Juni des Vorjahres abgelaufene Wirtschaftsjahr 1958/59. Nach dem nunmehr vorliegenden Fünften Bericht ist es meines Erachtens notwendig, auch einmal Rückschau zu halten, um zu prüfen, inwieweit das Ziel des Gesetzes erreicht worden ist und ob das Gesetz überhaupt den ihm zugedachten Zweck erfüllt hat.
Wir hatten von Herrn Minister Schwarz zwar eine völlig andere Gestaltung des Berichts erwartet, mußten aber einsehen, daß er zu kurz im Amte war, um den Bericht noch völlig umkrempeln zu können. Wir wissen auch, daß er ein sehr schweres Erbe übernehmen mußte.

(Oh-Rufe in der Mitte.)

Unsere Kritik gilt deshalb weniger dem jetzigen Minister als der Bundesregierung.
Bei der Einbringung dieses Berichts sagte Herr Minister Schwarz unter anderem:
Wir dürfen feststellen, daß das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes, die Angleichung der landwirtschaftlichen Einkommen an die Einkommen



Mauk
vergleichbarer gewerblicher Berufe zwar noch nicht erreicht ist, wir diesem Ziel aber schon ein Stück nähergekommen sind.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Na also! — Heiterkeit.)

— Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Kollegin, entschuldigen Sie und entschuldigen auch Sie, Herr Minister, aber wir können einfach nicht recht glauben, daß Sie selber von der Richtigkeit dieser Feststellung völlig überzeugt sind.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Wir glauben, daß diese Feststellung mehr eine Verbeugung gegenüber Ihrem Vorgänger, unserem jetzigen Herrn Bundespräsidenten, war, wie dies ja auch aus Ihrem nachfolgenden Satz ersichtlich ist. Sie dürfen uns glauben, wir würden uns mit Ihnen freuen, wenn wir ebenfalls feststellen könnten, daß wir dem Ziel nähergekommen sind. Meine Freunde und ich sind aber auf Grund der vorgelegten fünf Berichte zu der gegenteiligen Auffassung gekommen, daß wir nämlich dem Ziel — der Angleichung der landwirtschaftlichen Einkommen an die Einkommen vergleichbarer Berufsgruppen — kaum einen Schritt nähergekommen sind. Wenn wir die Gegenwart vergleichen mit dem Jahr 1952, in dem der Herr Bundeskanzler den in Rhöndorf versammelten Bauern sein berühmt gewordenes Versprechen gab, und mit dem Jahr 1955, in dem das Landwirtschaftsgesetz verabschiedet wurde, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, sieht leider alles ganz
anders aus.
Wer die gegenwärtigen landwirtschaftlichen Erzeugerpreise, besonders für die Veredelungsprodukte, mit den damaligen Preisen vergleicht und die Betriebsmittelkosten und Löhne berücksichtigt, muß leider feststellen, daß sich der Abstand zwischen der Landwirtschaft und anderen Wirtschaftszweigen nicht verringert hat und wir deshalb von dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes heute noch genauso weit wie damals, wenn nicht sogar noch weiter entfernt sind.
Aus den Indexzahlen auf Seite 115 des Grünen Berichts kann man leicht errechnen — allerdings ist es doch nicht ganz so deutlich gemacht; man muß schon den Rechenstift nehmen —, daß gegenüber dem Jahr 1955, also dem Jahr, in dem wir in diesem Hause das Gesetz verabschiedet haben, die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse um 5,8 %, die Einkaufspreise der landwirtschaftlichen Betriebsmittel dagegen um 9,8 % und die landwirtschaftlichen Löhne sogar um 25,7 % gestiegen sind.
Noch viel plastischer, meine Damen und Herren, wird die Gegenüberstellung, wenn uns erst einmal die Zahlen für das Jahr 1960 vorliegen. Wir können schon heute feststellen, daß die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise niedriger liegen als im Vorjahr, während die Löhne und die Betriebsmittelpreise laufend weiter gestiegen sind. Angesichts der gekündigten Tarifverträge, Herr Kriedemann, werden sie mit Sicherheit weiter steigen.
Wenn man heute solche Vergleiche anstellt, kann man immer besser verstehen, warum bei der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes im Jahre 1955 von dem damaligen Bundesernährungsminister und von den meisten von Ihnen, meine sehr verehrten Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, sowie auch von Ihnen, Herr Kollege Kriedemann, und Ihren Fraktionskollegen der Paritätsgesetzentwurf der Freien Demokraten, der den Indexvergleich vorsah, einträchtig abgelehnt worden ist.

(Abg. Kriedemann: Gott sei Dank, daß wir darauf nicht hereingefallen sind!)

Wenn wir diesen Vergleich zugrunde legten, dann könnten wir tatsächlich jeden Tag die Lage der Landwirtschaft feststellen und nicht immer erst ein oder eineinhalb Jahre später.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Kriedemann: Dann beantragen Sie es doch noch einmal!)

Schon damals wie auch heute, aber in den letzten Jahren ganz besonders, mußten wir Freien Demokraten einen Zweifrontenkampf führen. Sie wissen, Herr Kriedemann, warum.

(Ahg. Kriedemann: Ich weiß, ich weiß! — Heiterkeit.)

Zum Teil auch deshalb, weil bäuerliche Abgeordnete, auch einige Bauernverbandspräsidenten, oft im Gegensatz zu dem, was sie draußen ihren Bauern sagten, bei den allein entscheidenden Abstimmungen in diesem Hause, sowohl in den Ausschüssen als auch im Plenum, sich häufig ihrem Arbeitskreisoder Fraktionsbeschluß gebeugt haben. Ich muß dies einmal sagen.

(Abg. Bauknecht: Wo denn?)

— Oh, Herr Bauknecht, ich könnte viele Beispiele anführen.

(Abg. Dr. Dollinger: Aus Ihrer Partei!)

Erlassen Sie mir das. — Ich spreche jetzt von Bauernabgeordneten.

(Abg. Kriedemann: Da hat er recht!)

Sünder haben wir allenthalben; aber ich habe jetzt von den Kollegen gesprochen. Sie dürfen mir glauben, daß es für einen Abgeordneten — und ich bitte jeden von Ihnen, sich einmal in meine Lage zu versetzen — nicht gerade schön ist, wenn er im Ausschuß einen Antrag einbringt, von dem er überzeugt ist, daß er ausgezeichnet ist, wenn ihm dann von seinen bäuerlichen Kollegen der Regierungsfraktion sogar noch bestätigt wird, dieser Antrag sei ausgezeichnet und besser als alles andere, und wenn er dann von diesen Kollegen bei der entscheidenden Abstimmung doch im Stich gelassen und die Regierungsvorlage angenommen wird. Das haben wir in den letzten drei, vier Jahren dutzendmal erleben müssen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

— Ich könnte einige Beispiele und Namen nennen. Bitte, ersparen Sie mir das.
Aus der Vorschau, die dem Grünen Bericht angeschlossen ist, ist zu ersehen, daß sich der Einnahmeüberschuß im laufenden Wirtschaftsjahr um zirka 300 Millionen DM verringern wird. Wir haben kürzlich in einer Verlautbarung des Bauernverban-



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des lesen können und haben inzwischen auf Grund der Preisbeobachtungen der letzten Monate selbst errechnet, daß sich diese Summe auf mindestens 500 Millionen DM, voraussichtlich also auf über eine halbe Milliarde DM, erhöhen wird.
Man mag vielleicht da und dort der Meinung sein: Was spielt schon eine halbe Milliarde für eine Rolle, wenn der Gesamtdisparitätsbetrag sowieso viele Milliarden ausmacht? Wir sind demgegenüber der Meinung, daß sie eine Rolle spielt. Wir legen jedenfalls großen Wert auf die Feststellung, daß sich die Disparitätssumme, die ich heute nicht ausrechnen möchte — ich hoffe, daß die Bundesregierung es nachholt —, im laufenden Wirtschaftsjahr um eine weitere halbe Milliarde erhöht hat.
Wir müssen uns deshalb über den Optimismus, den man nach außen hin dokumentiert, und über das, was man der Öffentlichkeit über die Lage der Landwirtschaft mitteilt, wundern; denn diese Erhöhung der Disparitätssumme kannte die Bundesregierung ja schon, als der Grüne Plan eingebracht wurde. Wundern müssen wir uns auch deshalb, weil die Entwicklung für die Landwirtschaft allmählich eine unerträgliche Lage bringt. Wir wundern uns nicht über die große Unruhe der Bauern. Nicht nur in Frankreich, auch bei uns sind schon Stimmen laut geworden, ob nicht auch die Bauern das Recht haben, endlich einmal öffentlich zu dokumentieren, in welcher Lage sie sich befinden.

(Abg. Kriedemann: Marsch auf Bonn?)

Am meisten aber müssen wir uns über die Agrarpolitiker in Ihrer Fraktion wundern, meine Kollegen von der CDU/CSU. In der letzten oder vorletzten Nummer Ihres Agrarbriefes steht als Balkenüberschrift auf der ersten Seite: „Der Auftrag des Landwirtschaftsgesetzes wird erfüllt." Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich muß mich fragen, und meine Kollegen haben mich gefragt: Wie lange lassen sich eigentlich die Landwirte der CDU noch solche Dinge gefallen?
Namens meiner Fraktion habe ich hier zu erklären, daß wir nicht mehr länger gewillt sind, Berichte hinzunehmen, die nicht die tatsächliche Lage der Landwirtschaft offenlegen und nur dazu dienen, die bisher total falsche Agrarpolitik der Bundesregierung gegenüber den eigenen Bauern und gegenüber der Öffentlichkeit zu rechtfertigen.

(Beifall bei der FDP.)

Berichte, in denen fortgesetzt einseitig die Ertragssteigerung der Landwirtschaft ohne Gegenüberstellung mit der Einkommenssteigerung in anderen Wirtschaftszweigen dargestellt wird, wobei noch Milliardenbeträge als Subventionen ausgewiesen werden, die — da bin ich mit Ihnen einig, Herr Kriedemann — nicht in den Grünen Plan, sondern allein in den ordentlichen Haushalt gehören, führen zu einer Täuschung der Öffentlichkeit anstatt zu ihrer Aufklärung.

(Sehr wahr! bei der FDP.)

Solche Berichte müssen zwangsläufig bei der übrigen Bevölkerung den Eindruck erwecken, daß es der
Landwirtschaft dauernd besser geht und daß sie
trotzdem unersättlich ist und nie genug bekommen kann. Solche Berichte bringen die Gefahr mit sich, daß zwischen der Landbevölkerung und der übrigen Bevölkerung eine Kluft aufgerissen wird.
Entscheidend für die Beurteilung der Lage der Landwirtschaft durch die Öffentlichkeit ist allein der Vergleich mit anderen Berufsgruppen und die Frage, ob der Lohnabstand zu den anderen Berufsgruppen sich verringert oder vergrößert hat. Berichte ohne eine Berechnung des Vergleichslohnes auf der Grundlage des Stundenarbeitsverdienstes und ohne Bekanntgabe der sich aus der Vergleichslohnrechnung ergebenden Gesamtdisparitätssumme führen ausschließlich — das möchte ich hier ausdrücklich unterstreichen — zu einer Diffamierung der Landwirtschaft und werden zu einer Farce.
Wir haben deshalb zur heutigen Beratung des Berichtes einige Entschließungsanträge eingebracht, die Ihnen, meine Damen und Herren, vorliegen. Der Antrag Umdruck 497 soll insbesondere Herrn Bundesminister Schwarz Gelegenheit geben, den Bericht umzugestalten und zu ergänzen.
Bei der Begründung der Anträge will ich mir versagen, auf einzelne Tabellen und Zahlen des Berichtes einzugehen, obwohl manches gerade dazu reizen würde. Beim Vergleich zwischen dem Statistischen Jahrbuch und dem Bericht muß man jedoch feststellen, daß manches „bereinigt" worden ist.
Besonders bei den familieneigenen Arbeitskräften bekommt man den Eindruck, daß erstens die Leistung und die Arbeitskraft der Bäuerin für den Betrieb noch immer nicht gewürdigt wird und daß zweitens die angenommenen Arbeitsstunden insbesondere der nichtständigen Familienarbeitskräfte nicht den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden entsprechen können. Auch sonst hat man einige Rechenkunststücke angewendet, um die Lage rosig darstellen zu können. So kann man z. B. auf Seite 23 des Berichtes lesen, daß der Lohnabstand sich verringert hat. Das stimmt sogar; aber nur dann, wenn man die Prozentrechnung anschaut, die herausgestellt ist. Wenn man die Pfennigrechnung aufmacht, stellt man fest, daß sich der Lohnabstand sogar vergrößert hat.
Ein völlig falsches Bild entsteht auch dadurch, daß anstatt eines Stundenlohnvergleiches ein manipulierter Jahreslohnvergleich angestellt wird. Es bleibt bei dem Lohnvergleich völlig unberücksichtigt, daß auch die landwirtschaftliche Arbeit infolge der fortschreitenden Technisierung zu einer Fach- und Spezialarbeit geworden ist. Ferner wird nicht erwähnt, daß in keinem anderen Wirtschaftszweig außer der Landwirtschaft die Sonntagsarbeit ohne Zuschlag verrichtet wird, es sei denn bei Dienstleistungsberufen, deren Angehörige dafür an anderen Wochentagen einen freien Tag bekommen.
Es bleiben noch eine Reihe anderer Tatsachen hei dem Lohnvergleich unberücksichtigt Darauf wurde von anderen Rednern schon hingewiesen; ich möchte es jedoch noch einmal wiederholen. In der Landwirtschaft muß heute durchschnittlich je Arbeitskraft mehr als doppelt soviel Anlagekapital eingesetzt werden wie im industriellen Bereich. Die



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Arbeitsproduktivität ist im Durchschnitt seit 1950 in der Landwirtschaft etwa doppelt so stark gestiegen wie in der übrigen Wirtschaft. Deshalb wird wohl niemand bestreiten können, daß auch dem landwirtschaftlichen Arbeiter ein angemessener Lohn zusteht.
Das Märchen von der Rückständigkeit der Landwirtschaft und von ihrer eigenen Schuld an ihrer Lage entspricht nicht den Tatsachen. Es handelt sich in der Tat um ein Märchen. Die Landwirtschaft hat technisiert, und sie wird und muß weiter technisieren, obwohl sie die dazu notwendigen Investitionen — wie der Bericht deutlich zeigt — nicht auf Grund von Betriebsüberschüssen, wie dies weitestgehend bei der Industrie der Fall ist, sondern allein durch weitere Verschuldung und durch Verzicht der Familienarbeitskräfte, Herr Kriedemann, auf den angemessenen Lohn vornehmen konnte. Wo bleibt da die Rentabilität?
Wenn wir heute nach dem fünften Grünen Bericht Rückschau halten und untersuchen, ob das Landwirtschaftsgesetz seinen Zweck erfüllt hat, müssen wir leider feststellen, daß die in das Gesetz gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt wurden. Wie ich schon ausgeführt habe, hat sich der Abstand weiter vergrößert. Wir wollen anerkennen, daß wir in der Strukturverbesserung — und die halten wir für genauso notwendig wie jeder andere — einen Schritt weitergekommen sind. Aber auch hier stehen wir erst am Anfang. In den Realteilungsgebieten meiner Heimat wird es noch Jahrzehnte dauern, bis alles bereinigt sein wird. Wir Freien Demokraten sind deshalb der Auffassung, daß auch auf diesem Gebiet noch wesentlich mehr getan werden muß, und bedauern nur, daß der von uns eingebrachte Entwurf für ein landwirtschaftliches Investitionsprogramm noch nicht behandelt worden ist.
Bei einer Bewertung dessen, was zur Beseitigung der Disparität in diesen fünf Jahren getan wurde, müssen wir leider das Prädikat „völlig ungenügend" ausstellen. Anstatt eine Operation durchzuführen, wie sie notwendig gewesen wäre, hat man mit einigen Subventionen und Subventiönchen, mit einer Art Heftpflasterpolitik Wunden zugeklebt, anstatt sie zu heilen. Wir können bei der Untersuchung nicht feststellen, daß die Bundesregierung dem Gesetzesauftrag des § 1 des Landwirtschaftsgesetzes irgendwo ernstlich entsprochen hat. In diesem § 1 heißt es unter anderem:
. . . ist die Landwirtschaft mit den Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik, insbesondere der Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik in den Stand zu setzen, . . .
— und dann weiter —. . . ihre Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen.
Es heißt in diesem Paragraphen weiter:
Damit soll gleichzeitig die soziale Lage der in der Landwirtschaft tätigen Menschen an die vergleichbarer Berufsgruppen angeglichen werden.
Wir bitten die Bundesregierung, uns einmal offen-zulegen, wo und wie oft z. B. die Handels- und Preispolitik ernstlich zur Erreichung dieser Ziele angewandt worden ist. Wir müssen weiter fragen: wo und wie oft hat man gegen diesen eindeutigen Gesetzesbefehl gesündigt und verstoßen?
Wir müssen leider nochmals daran erinnern, was auf diesen Gebieten in den vergangenen Jahren wirklich geschehen ist:
Erstens. Die Preise der politisch preisgebundenen Agrarprodukte sind seit 1955 praktisch auf der gleichen Höhe geblieben — es gab nur unbedeutende Veränderungen —, obwohl sich in der Zwischenzeit die Betriebsmittelpreise, wie ich vorhin ausführte, um rund 10 % und die Löhne um rund 25 % erhöht haben.
Zweitens. So oft, Herr Kriedemann, bei den nicht preisgebundenen Erzeugnissen auch nur ein bescheidener Schritt zur Angleichung möglich gewesen wäre, wurden sofort Maßnahmen ergriffen, um diese Angleichung wieder zu verhindern.

(Zuruf: Leider!)

Ich erinnere an die zusätzlichen Ausschreibungen, ich erinnere an die Kontingentserhöhungen, ich erinnere an die weiteren Liberalisierungen, an die Zollsenkungen, an die völlige Aufhebung von Zöllen usw.

(Beifall bei der FDP. — Abg. Bading: Ist Herr Kriedemann verantwortlich für die Handelspolitik der Bundesregierung?)

Einmal kamen die Anträge von dieser Partei, zum anderen Mal kamen sie von der Bundesregierung selbst.

(Zuruf von der SPD.)

— Verantwortlich mache ich Herrn Kriedemann nicht, sondern allein die Bundesregierung und die Regierungsmehrheit.

(Zuruf von der SDP: Aha! — Zuruf von der CDU/CSU: Das war ja auch geistvoll!)

Das ist klar. Wer trägt die Verantwortung für diese Dinge? Sie brauchen es ja nicht mitzumachen, wenn er einen Antrag stellt.

(Abg. Kriedemann: „verführen lassen" müssen Sie sagen!)

— Oder „verführen lassen".
Meine Damen und Herren, wenn ich all diese Dinge betrachte, komme ich leider zu der Feststellung, daß das, was in den vergangenen Jahren geschehen ist, eindeutig gegen die Bestimmung des Landwirtschaftsgesetzes verstoßen hat.
Die Kollegen, die damals schon hier waren und im Ernährungsausschuß mitgearbeitet haben, erinnern sich: wir Freien Demokraten haben dem Gesetz seinerzeit nur mit allerschwersten Bedenken zugestimmt, weil es lange nicht das geworden ist, was wir uns unter einem landwirtschaftlichen Paritätsgesetz vorgestellt haben. Bei der Debatte habe ich seinerzeit dem Deutschen Bundestag und dem Bundesernährungsminister meine Befürchtungen und Bedenken zum Ausdruck gebracht, dann aber



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der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß auch mit diesem mit Mängeln behafteten Gesetz bei richtiger Anwendung die Beseitigung der Disparität erreicht werden könne. An der richtigen Handhabung, nicht an dem Gesetz, hat es bisher gefehlt. Leider müssen wir feststellen, daß auch ein besseres Gesetz den Zweck nicht erfüllt hätte, solange die Bundesregierung nicht einmal gewillt ist, die Bestimmungen dieses Gesetzes zu erfüllen.
Weil es, wie bisher so auch für die Zukunft, unser größtes Anliegen ist, den Notstand der deutschen Landwirtschaft so schnell wie möglich zu beseitigen, wollen wir uns heute, wie auch schon immer bisher, nicht in der Kritik erschöpfen, sondern uns erlauben,. weitere Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Es wird wohl nicht nötig sein, auf unsere früheren Anträge und Gesetzentwürfe in diesem Zusammenhang einzugehen. Ich appelliere nur an den Vorsitzenden des Ernährungsausschusses, einige noch in den Schubladen liegende Anträge nunmehr baldigst zu behandeln. Ganz besonders möchte ich an unseren Entwurf für ein Investitionsprogramm und an den Entwurf betreffend die landwirtschaftliche Selbsthilfe erinnern, die beide noch unerledigt liegen.
Auch die heute eingebrachten Entschließungsanträge dienen keinem anderen Zweck als der Beseitigung der Notlage der deutschen Landwirtschaft. Den Antrag auf Umdruck 495, der die Anwendung von Mindestpreisen nach Art. 44 des EWG-Vertrages betrifft, wird mein Kollege Weber noch begründen. Er wird auch zu dem Antrag auf Umdruck 499 Stellung nehmen, nach welchem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, einmal Überlegungen über neue Wege der Agrarpolitik anzustellen, falls man mit der bisherigen Methode nicht weiterkommt.
Auch wir als Oppositionspartei sind, das möchte ich ausdrücklich sagen, der Auffassung, daß wir uns alle gemeinsam anstrengen müssen, den Notstand der deutschen Landwirtschaft so schnell wie nur möglich zu beseitigen, weil in dem Notstand eines großen Zweiges der Volkswirtschaft eine Gefahr für die gesamte Volkswirtschaft liegt. Aus diesem Grunde haben wir, wie ich schon sagte, unsere Anträge eingebracht.
Anschließend möchte ich mir erlauben, noch einige weitere Vorschläge für die künftige Gestaltung des Grünen Berichts zu unterbreiten. Wir sind, Herr Minister Schwarz, bereit, Ihnen, soweit es uns möglich ist, bei der künftigen Gestaltung der deutschen Agrarpolitik behilflich zu sein.
Wenn ich in meiner Kritik an der bisherigen Agrarpolitik sowohl gegenüber der Bundesregierung als auch gegenüber meinen CDU-Kollegen zeitweise etwas scharf ins Zeug ging, so sollte auch dies dem gemeinsamen Ziel dienen.

(Abg. Kriedemann: Und uns gegenüber, Herr Mauk! — Heiterkeit.)

— Nicht viel weniger!
Einen Grünen Bericht — und darüber haben wir heute zu beraten — stellen wir Freien Demokraten
uns für die Zukunft allerdings etwas anders vor als die fünf Berichte, die bisher erstattet worden sind. Wir sind der Meinung, daß ein solcher Bericht die Aufgabe hat, die Öffentlichkeit über die wirkliche Lage der deutschen Landwirtschaft selbst dann aufzuklären, wenn man dabei Versäumnisse eingestehen müßte. Der Grüne Bericht sollte in Zukunft so abgefaßt sein, daß er bei der übrigen Bevölkerung Verständnis für Maßnahmen erweckt, die zur Erhaltung der deutschen Landwirtschaft — sei es auf dem Gebiete der Handels- und der Preispolitik, sei es auf dem Gebiet eventuell notwendig werdender Subventionen — erforderlich sind. Namens meiner Fraktion möchte ich deshalb bitten, Herr Minister Schwarz, die in unseren Anträgen gegebenen Anregungen in diesem Sinne zu beachten und bei den künftigen Berichten zu berücksichtigen.
Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang noch auf einige Punkte hinweisen, die zwar nicht in Anträgen ihren Niederschlag gefunden haben, die mir aber nicht weniger wichtig erscheinen.

(Abg. Kriedemann: Sagen Sie alles, was Sie wissen, Herr Mauk!)

— Ich muß es ja schließlich! Sie machen es ja auch so Herr Kriedemann.
Wir müssen Verständnis für die im Interesse der deutschen Landwirtschaft notwendigen Maßnahmen erwecken. Das geht jetzt gerade Ihre Freunde an, Herr Kriedemann. Hier dürfte es die deutsche Öffentlichkeit und insbesondere den deutschen Verbraucher interessieren, was in anderen Industriestaaten — ich will jetzt keine Einzelheiten anführen; dafür gibt es zahlreiche Beweise — für die Erhaltung der Produktionskraft der Landwirtschaft getan wird. Ich glaube, es wäre für die deutsche Öffentlichkeit sehr interessant, einmal zu hören, was die Schweiz tut, was England tut, was Holland tut, was die USA und viele andere Staaten tun.
Des weiteren erscheint es mir wichtig, in künftigen Berichten auch eine Betrachtung darüber anzustellen — das möchte ich besonders unterstreichen —, welche voraussichtlichen Auswirkungen der Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft für die deutsche Landwirtschaft bringen wird und welche Folgerungen die Bundesregierung daraus zu ziehen gedenkt.
Genauso wichtig erscheint mir eine Darstellung der bisherigen und voraussichtlich zukünftigen Entwicklung des Weltmarktes an Nahrungsgütern. Die Arbeiten der FAO, des Welternährungsamtes, bieten dafür hochinteressantes Material. Für die deutsche Öffentlichkeit ist es aber sicher wichtig zu erfahren, daß der Weltnahrungsmittelbedarf zur Zeit in einem Ausmaß ansteigt, wie man dies bisher nicht für möglich gehalten hätte. Ich glaube nicht, daß man angesichts dieser Tatsache — auch Herr Kriedemann hat sie vorhin kurz gestreift — Angst vor einer eventuellen Überproduktion bei uns in der Bundesrepublik oder gar in Europa haben sollte. Jede Menge der erzeugten Lebensmittel kann abgesetzt werden, solange zwei Drittel der Menschheit sich noch nicht satt essen können.

(Sehr gut! bei der FDP.)




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Mit dem sozialen Anstieg der bisher unterentwickelten Länder steigt deren Mengenbedarf an Nahrungsgütern täglich. Mit dem weiteren sozialen Anstieg steigen auch die Qualitätsansprüche. Wir haben das auch nach dem Kriege erlebt. In der übrigen Welt geht seit einem Jahrzehnt eine Entwicklung vor sich, die im alten Europa mehr als ein halbes Jahrhundert in Anspruch genommen hat. Die Aufnahme solcher Berichte würde bei der übrigen Bevölkerung gewiß manches Verständnis für notwendige Maßnahmen zugunsten der eigenen Landwirtschaft mit sich bringen.
Zum Schluß muß ich noch ganz kurz auf die Ursachen der Disparität zu sprechen kommen. Nach den klassischen Regeln der Marktpolitik müßten bei Steigen der Produktion und bei Sinken der Produktionskosten zwangsläufig die Preise zurückgehen. Leider haben wir, insbesondere nach dem Kriege, in der Bundesrepublik mit wenigen Ausnahmen genau das Gegenteil erlebt.

(Zuruf des Abg. Kriedemann.)

Es ist nicht zuviel gesagt, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich ausspreche, daß die deutsche Landwirtschaft den Paritätsabstand, der nach der Währungsreform bestand — ich wiederhole: nach der Währungsreform bestand —, in den letzten zehn Jahren durch eigene Produktionssteigerungen nahezu aufgefangen hätte, wenn nicht immer und immer wieder die Preise und die Löhne davongelaufen wären und man die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise niedrig gehalten hätte. Wäre dies nicht der Fall gewesen, brauchten wir uns heute kaum noch über dieses Thema zu unterhalten, und sowohl ein Grüner Bericht als auch ein Grüner Plan wären überflüssig geworden.
Man spricht so viel von der Kaufkrafteinbuße unserer Währung. Ich muß eindeutig feststellen, daß die Landwirtschaft hieran keinerlei Schuld trifft, zumal sie, wenn man die Dinge betrachtet, bald noch die einzige Bevölkerungsschicht ist, welche als leuchtendes Beispiel ihren Beitrag zur Kaufkrafterhaltung geleistet hat. Es wäre nur zu wünschen daß andere Wirtschaftszweige diesem Beispiel nacheifern.
In diesem Zusammenhang und zum Schluß meiner Rede wende ich mich besonders an die Presse. Die Presse ist wichtig und entscheidend für die Aufklärung der Öffentlichkeit. Sie hilft mit bei der Meinungsbildung. Mancher Bericht, der bisher über die Lage der Landwirtschaft hinausging, zeigte nur die Ertragssteigerung, zeigte nur die Milliardenbeträge, zeigte nicht die andere Seite und erweckte ein falsches Bild. Ich möchte aber auch anerkennen, daß nach dem letzten Grünen Bericht immerhin schon einige große Tageszeitungen die Einnahmeverringerung von 300 Millionen DM in diesem Jahr deutlich herausgestellt haben. Einige Zeitungen haben sogar noch darauf hingewiesen, daß sich der Einnahmeüberschuß im laufenden Wirtschaftsjahr weiter erheblich verringern wird, verringern muß, wenn die Lohn- und Preisspirale weiter angekurbelt würde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß noch einige wenige Sätze, die eigentlich jedem von uns ins Bewußtsein gehen müßten. Nur eine gesunde Landwirtschaft kann als Käufer auf dem Binnenmarkt eine Rolle spielen. Der Binnenmarkt müßte genauso gepflegt werden wie der Export. Nur eine gesunde, leistungsfähige Landwirtschaft ist in der Lage, ein Mindestmaß des wichtigsten Gutes eines Volkes, der Nahrung, zu liefern. Völker ohne eine einigermaßen gesicherte eigene Nahrungsgrundlage kommen in Kriegs- und Notzeiten leicht in Gefahr. Noch immer haben wir keinen Friedensvertrag, und noch immer ist die Welt nicht ruhig geworden.
Eine gute Agrarpolitik dient auch der Erhaltung einer breiten Schicht selbständig wirtschaftender, selbstverantwortlicher, unabhängiger Menschen als Träger einer demokratischen Grundordnung.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310601500
Das Wort hat der Abgeordnete Logemann.

Fritz Logemann (FDP):
Rede ID: ID0310601600
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der Deutschen Partei zum Grünen Bericht, zum Grünen Plan und zur allgemeinen agrarpolitischen Entwicklung Stellung nehmen. Dabei möchte ich ganz bewußt auch die allgemeine Agrarpolitik mit behandeln. Ich werde mich bemühen, dabei. möglichst kurz immer wieder die Stellungnahme aus dem Grünen Bericht und aus dem Grünen Plan mit heranzuziehen. Ich weiß, daß wir heute morgen unter Zeitdruck stehen, und bedauere sehr — ich will das noch vorweg sagen —, daß wir gezwungen sind, an einem Freitagvormittag hier eine so große Debatte zu führen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Nun zur allgemeinen Agrarpolitik. Ich bin der Auffassung, daß die Agrarpolitik bis zum Herbst 1959, was die Preise angeht, relativ gut gelaufen ist, einzelne Erzeugnisse vielleicht ausgenommen, deren Preise zurückgeblieben waren. Aber immerhin hatte man damals, bis zum Herbst 1959, in der Landwirtschaft den Eindruck, daß versucht wurde, preispolitisch mit der allgemeinen Einkommensentwicklung Schritt zu halten.
Es ist so gewesen, daß die damaligen Preisverbesserungen der Landwirtschaft höhere Einnahmen gebracht haben, ohne daß auf der anderen Seite Verbraucherärger entstanden wäre. Es war damals zu einer weitgehenden Beruhigung — auch darauf möchte ich hinweisen — auf beiden Seiten gekommen.
Dann, meine Damen und Herren, kam die Dürre. Sie kennen die Entwicklung: Preisanstieg bei einzelnen Erzeugnissen wie Kartoffeln und Butter. Diese Preise wurden zu politischen Preisen gemacht. Ich will nicht wieder auf die Preisdebatte eingehen, die wir darüber im Dezember geführt haben. Es kam aber die Zollaussetzung und weiter die Steigerung der Einfuhren hinzu. Damit wurde im Endergebnis ein starker Rückgang der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise, besonders bei Butter und bei Schweinen, bewirkt, und — ich darf das in die-



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sem Zusammenhang hinzufügen — in der Geflügelwirtschaft ist die Lage nahezu hoffnungslos geworden.
Diese Entwicklung hat im Landvolk eine berechtigte Unruhe ausgelöst; denn immerhin werden etwa 70 v. H. unserer Einnahmen, die aus der Veredelungswirtschaft stammen, von diesen fallenden Preisen betroffen. Hinzu kommt, daß wir im gleichen Zeitraum — das ist auch jetzt so und wird in Zukunft so sein — noch steigende Betriebsmittelkosten einschließlich steigender Löhne zu verkraften hatten.
Deshalb ist nach meiner Auffassung eine gewisse Kritik an einigen Reden berechtigt, die unser Landwirtschaftsminister, Herr Schwarz, und auch sein Staatssekretär verschiedentlich gehalten haben. Ich kritisiere vor allen Dingen einiges aus seinen in Berlin gehaltenen Reden. Ich meine, daß gerade solche Reden noch zu einer weiteren Beunruhigung in der Landwirtschaft beigetragen haben.
Meine Damen und Herren, die Entwicklung, die ich soeben aufzeigte, steht im Gegensatz zu dem optimistischen Grünen Bericht 1960. Der Bericht ist nach unserer Auffassung — ich habe schon im letzten Jahr dazu Stellung genommen — künstlich günstig gestaltet worden, vor allen Dingen dadurch, daß man einen Jahreslohnvergleich statt eines Stundenlohnvergleichs vorgenommen hat. Im letzten Jahr ist man sogar so weit gegangen, den Lohn in der Landwirtschaft nicht, wie es bisher geschehen ist, mit dem durchschnittlichen Lohn der Industriearbeiter, sondern mit dem niedrigsten Lohn der der Landwirtschaft benachbarten Berufe zu vergleichen. Die Deutsche Partei hat schon im letzten Jahr beantragt, einen Stundenlohnvergleich statt des Jahreslohnvergleichs vorzunehmen. Der Antrag ist abgelehnt worden. Wir haben den Antrag heute erneut eingebracht, und ich hoffe, daß wir, nachdem die Situation noch akuter geworden ist, im Ernährungsausschuß darüber beraten können.
Der Jahreslohnvergleich beeinflußt das Bild für uns sehr ungünstig, weil er nicht die kürzere Arbeitszeit anderer Berufe berücksichtigt. Das ergibt sich aus folgender Gegenüberstellung. Der Abstand der Jahreslöhne für eine Vollarbeitskraft in der Landwirtschaft auf der einen Seite und vergleichbarer Berufe auf der anderen Seite ist nach dem Grünen Bericht von 26 auf 24 v. H. zurückgegangen. Hier ergibt sich also eine Verbesserung der Lage. Dagegen zeigt ein Vergleich der durchschnittlichen Industriearbeiter- und Landarbeiterlöhne auf Grund von Unterlagen, die fachkundige Gremien erstellt haben, daß der Lohnabstand 1956/57 90,6 und 1958/59 98,9 Pfennig betragen hat. Dieser Stundenlohnvergleich zeigt, daß sich der Abstand zwischen den Vergleichslöhnen von Jahr zu Jahr in Wirklichkeit nicht verkleinert, sondern vergrößert hat. Den Lohnabstand von 1 DM beim Stundenlohn hat schon 1957 der Abgeordnete Lücker bei der Debatte über den Grünen Bericht angeführt.
Dieses Ergebnis ist für uns um so erschütternder, als sich darin zeigt, daß die Entwicklung der Landwirtschaft trotz Grüner Pläne und trotz Leistungssteigerung immer wieder durch die Steigerung der
Löhne in vergleichbaren Berufen überrollt wurde. Der Landlohn ist z. B. im letzten Berichtsjahr um 5 Pfennig gestiegen, der Industrielohn dagegen um 12 Pfennig. Das auf der Grundlage der Jahreslöhne berechnete Ergebnis des Grünen Berichts zeigt, daß wir uns auf dem Agrarsektor etwa so wie in der Echternacher Springprozession bewegen: zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. Ein Vergleich der Stundenlöhne jedoch — und nur dieser ergibt ein zutreffendes Bild — zeigt, daß wir auf der Stelle treten und sogar in Gefahr sind, weiter zurückzubleiben.
Die Ursachen für diese Entwicklung möchte ich vor allem darin sehen, daß man bisher immer wieder versucht hat, die Landwirtschaft unter Sondergesetz zu stellen. Man hat sich bemüht, die Preise der Agrarprodukte von den Kosten zu trennen. Ich bedaure sehr, daß Herr Schwarz, unser neuer Minister, kürzlich gesagt hat, ein kostengerechtes Agrarpreisniveau sei eine Illusion. Hier scheiden sich die Geister. Wir sind der Auffassung, daß versucht werden muß, auch für die Landwirtschaft ein kostengerechtes Preisniveau zu erreichen. Dadurch wird keiner unserer Verbraucher überfordert. Denn zur Erreichung eines solchen Preisniveaus sind keine neuen Preiserhöhungen in großem Umfang notwendig, sondern man braucht sich nur zu bemühen, die Preise verschiedener Erzeugnisse wiederherzustellen, die uns bei einer günstigen Entwicklung schon einmal — ohne Aufregung — vom Verbraucher bezahlt wurden.
Es geht uns also um die Wiederherstellung von Preisen, die wir schon einmal erreicht hatten. Die Verweigerung eines kostenentsprechenden Preisniveaus in der Landwirtschaft führt durch die Entwicklung auf der Kostenseite zwangsläufig zu einer immer größer werdenden Disparität.
Es war für mich interessant, vor einigen Tagen in der Presse zu lesen, daß Herr Staatssekretär Sonne-mann vor einer Landvolkversammlung in Lingen -selber mit Sorge — die jetzige Aufwands- und Ertragsdifferenz auf etwa 4,8 Milliarden DM beziffert hat. Die Verluste auf der Preisseite sind in der Tat sehr beachtlich. Man versucht, uns mit den Mitteln der Grünen Pläne einen Ausgleich zu geben. Es ist aber darauf hinzuweisen, daß nach den Berechnungen Sachverständiger schon die jetzigen Preiseinbrüche in der Veredelungswirtschaft der Landwirtschaft praktisch einen Preisausfall von 1,6 Milliarden DM bringen. Ein solcher Ausfall kann nicht mit den Mittelchen der Grünen Pläne wieder ausgeglichen werden. Vielmehr müssen wir uns bemühen, zu einer Anpassung der Agrarpreise an die allgemeine Entwicklung zu kommen.

(Sehr richtig! bei der DP.)

Ich möchte bezüglich der 1,6 Milliarden DM aber noch auf einen anderen Zusammenhang aufmerksam machen. Es ist bedauerlich, daß die Preissenkung, die der Landwirt hinnehmen muß — z. B. bei Schweinefleisch —, bisher noch kaum dem Verbraucher zugute gekommen ist. Man sollte sich bemühen, endlich auch hier in den Ladenpreisen nachzugeben.



Logemann
In diesem Zusammenhang eine Stellungnahme zur allgemeinen Wirtschaftspolitik! Der Herr Kollege Kriedemann hat vorhin gesagt, die Landwirtschaft komme nur damit, daß sie eine Anpassung der Agrarpreise an die allgemeine Entwicklung fordere, auch nicht weiter. Demgegenüber bin ich der Auffassung, daß gerade wir von der Landwirtschaft immer wieder den Finger in die Wunde legen sollten. In der Wirtschaftspolitik ist es doch in den letzten Jahren so gewesen, daß wir statt zu Preissenkungen immer wieder zu höheren Preisen und höheren Löhnen gekommen sind.

(Abg. Kriedemann: Das ist die Wirtschaftspolitik, die Sie mitmachen, Herr Logemann!)

— Ich mache sie nicht mit, Herr Kriedemann, und meine Fraktion macht sie auch nicht mit.

(Abg. Kriedemann: Sie sitzen doch in der Koalition!)

Wir haben uns bei entsprechenden Anlässen immer wieder gegen diese Entwicklung eingesetzt; Sie werden es erleben, daß wir es wieder tun, wenn es jetzt um die neuen antizyklischen Maßnahmen zur Konjunkturdämpfung geht.
Nach unserer Auffassung treffen die bisher eingeleiteten Maßnahmen zur Konjunkturdämpfung besonders stark wieder die Landwirtschaft, weil man immer versucht ist, eine Senkung der Agrarpreise als Konjunkturbremse zu benutzen. Gerade die Senkung vom letzten Herbst macht uns in der jetzigen Situation die großen Sorgen.
Eine zweite Schwierigkeit für die Landwirtschaft ergibt sich — auch das zeigt der Grüne Bericht — durch eine andere antizyklische Maßnahme: durch die Erhöhung der Diskontsätze. Schon wiederholt ist vorhin festgestellt worden, daß die Landwirtschaft noch sehr viel Kapital braucht, um überhaupt die notwendigen Investierungen durchführen zu können. Gerade diese Konjunkturbremse — Erhöhung der Diskontsätze — trifft uns sehr empfindlich, trifft sehr stark den zinsempfindlichen Agrarkredit.
Abschließend möchte ich sagen, daß die Minister Erhard und Etzel — ich darf auch Herrn Blessing mit einschließen — eigentlich schlechte Feuerwehrleute sind, denn sie löschen immer wieder da, wo es gar nicht brennt.

(Zuruf von der SPD: Sie haben Durst!)

Es ist notwendig, daß das Ernährungsministerium gegen Maßnahmen, wie ich sie andeutete, mehr als bisher Widerstand leistet. Unsere Forderung kann nur sein: endlich wirksame Bremsen dort, wo tatsächlich nicht maßgehalten wird. Bekommen wir diese Bremsen nicht, wird uns die Entwicklung im industriellen Bereich immer wieder zu neuen Preisforderungen zwingen. Die Landwirtschaft wird bei einer solchen Entwicklung auch nicht in der Lage sein, zu einer billigeren oder rationelleren Erzeugung zu kommen.
Auch dazu einige Ausführungen! Der letzte Grüne Bericht zeigt, — auch darüber ist heute morgen von Kollegen schon gesprochen worden —, daß die Landwirtschaft im letzten Berichtsjahr wiederum mit weniger Arbeitskräften zu einer höheren Leistung gekommen ist. Die Produktivität ist um 64 v. H. gestiegen, also doppelt so stark wie in der Industrie. Eine andere erfreuliche Feststellung ist, daß es uns gelungen ist, , wie wir von Minister Schwarz hörten, mit einem Weniger an Arbeitskräften von einem Drittel in den letzten Jahren 20 v. H.
mehr Getreide und 30 v. H. mehr Milch zu erzeugen.
Die verstärkte Mechanisierung in der Landwirtschaft hat aber auch erheblich mehr technische Kosten verursacht. Der letzte Grüne Bericht zeigt sehr eindeutig die Entwicklung zu höheren technischen Kosten. Das ist erklärlich, denn die Landwirtschaft muß zwangsläufig fehlende Arbeitskräfte durch die Maschine ersetzen. Dabei ergibt sich aber immer wieder — Herr Kollege Struve hat das heute morgen schon angedeutet —, daß die Arbeit dadurch nicht immer billiger wird. Allerdings kommt man oft auch zu einer Erleichterung der Arbeit. Das ist ein Vorteil, und ich finde, wir sollten das auf seiten der Landwirtschaft mitwerten. Aber das nur unter dem Strich.
Durch die Entwicklung zu einer verstärkten Technisierung ist die Verschuldung in der Landwirtschaft im letzten Jahr wiederum gestiegen. Ich möchte mich nicht so sehr mit der Verschuldung befassen, aber doch etwas zur Zinsbelastung der Landwirtschaft sagen. Der Grüne Bericht stellt fest, daß die Landwirtschaft im Wirtschaftsjahr 1938i39 einen Zinssatz von 5,4 v. H. des Bruttoumsatzes aufgewendet habe. Heute dagegen, so wird gefolgert, sei die Belastung niedriger; man sei jetzt bei 3,4 % angelangt. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß diese Berechnung doch täuscht; denn in früheren Jahren, besonders 1938, hat man mit weniger Kapital einen sehr viel höheren Nutzeffekt in der Landwirtschaft erzielen können.
Vor allen Dingen bin ich in ganz großer Sorge um den Nachholbedarf, den die Landwirtschaft noch im baulichen Sektor hat. Dieser Nachholbedarf wird von den Herren des Ministeriums auf etwa 30 Milliarden DM geschätzt. Das ist eine ungeheure Summe, die noch auf die Landwirtschaft zukommt. Meine Sorge ist um so größer, als gerade das Baugewerbe zu einem Favorit in dem Rennen um höhere Löhne und Preise geworden ist. Ich habe durchaus nichts gegen einen guten Lohn für unsere Maurer, meine aber doch, daß die Entwicklung besorgniserregend ist. Ich darf sie Ihnen kurz aufzeigen: 1957 Erhöhung der Löhne um 10 %, 1958 um 3,8 %, 1959 um 8,5 %, 1960 — die letzte Erhöhung — um 6,5 % und für 1961 — schon angekündigt — um 1 bis 1,5 %.
In den Verhandlungen heißt es dann, daß sich die Tarifpartner wieder einmal friedlich auf diese Lohnerhöhungen geeinigt hätten. Diese „friedliche Einigung" bedeutet nun aber für die Landwirtschaft folgende Entwicklung: 1938 konnte der Landwirt den 10stündigen Arbeitstag mit dem Gegenwert von etwa 30 bis 35 kg Roggen bezahlen. Wenn Sie heute den Maurerlohn für die gleiche Zeit mit dem Erlös aus Roggen bezahlen wollen, müssen Sie fast die dreifache Menge, nämlich über 100 kg Roggen, je Tag verkaufen. Diese Zahlen mögen beweisen,



Logemann
wie schwierig es ist, in der jetzigen Situation durch Rationalisierung zu einer Verbilligung unserer landwirtschaftlichen Erzeugung zu kommen.
Die DP ist der Auffassung, daß ein Zinssatz von 5,5 %, wie er im Grünen Bericht steht, insgesamt für die Landwirtschaft zu hoch ist. Wir bitten zu überlegen, ob wir uns nicht doch angesichts des großen Kapitalbedarfs der Landwirtschaft darum bemühen müssen, zu einem niedrigeren Zinssatz zu kommen. Von uns ist im letzten Jahr ein Antrag dazu eingebracht worden; leider ist er nicht durchgekommen. Ich meine, daß wir nur mit einem Zinssatz von höchstens 2 % zu einer echten Rationalisierung und Verbilligung der Erzeugung gelangen können.
Ich will hier auch noch andere heiße Eisen der Agrarpolitik anfassen; der Kollege Kriedemann hat sie vorhin schon mit erwähnt. Ich stehe völlig im Gegensatz zu der Konzeption, die Herr Kriedemann vorgetragen hat. Die Parole, von der ich jetzt sprechen möchte, lautet: Parität durch weniger Köpfe. Das ist ein Schlagwort der letzten Zeit geworden. Man kann das auch anders ausdrücken.

(Abg. Kriedemann: Herr Logemann, tun Sie mir einen Gefallen, erklären Sie ein wenig die Worte: Parität durch weniger Köpfe!)

— Das werde ich tun. Man sagt der Landwirtschaft, sie müsse versuchen, durch weniger Betriebe, weniger Mitarbeiter zu einem höheren Je-Kopf-Einkommen zu kommen. Das ist also das Rezept, das heute vielfach gegeben wird.
In dem Zusammenhang eine Feststellung zum Grünen Bericht. Der Grüne Bericht des letzten Jahres weist aus — und das ist sehr erfreulich —, daß gerade die Leistungen der kleineren landwirtschaftlichen Betriebe hervorragend sind, daß die Erträge je Hektar in den kleineren Betrieben recht beachtlich gesteigert werden konnten.
Wir vertreten die Auffassung, daß als Richtbetrieb für die Agrarpolitik — und damit treffen wir uns wieder — der bäuerliche Familienbetrieb genommen werden soll. Wir sind auch der Meinung, daß man durch die Agrarpolitik versuchen muß, diesem Richtbetrieb einen Vergleichslohn zu ermöglichen. Ich weiß durchaus, daß es nicht bedenklich ist, wenn heute durch den Strukturwandel kleinere landwirtschaftliche Betriebe und Kleinstbetriebe aufgeben und sich langsam — auch das geht ja aus dem Grünen Bericht hervor — zu vollen Familienbetrieben entwickeln.
Ich hätte keine Bedenken, wenn das alles freiwillig und ohne Preisdruck vor sich ginge. Aber ich möchte doch vor Vorstellungen europäischer Agrarpolitiker warnen, die mit leichtem Sinn davon sprechen, daß die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Menschen noch um ein Drittel und mehr verringert werden müsse. Diese Vorstellungen, unter denen man sich nach meiner Ansicht bemüht, die Betriebsgrößen für die Landwirtschaft mit dem Rechenschieber zu errechnen, sind so, daß man sagt: Vor 50 Jahren genügten noch 5 ha, um ein vergleichbares Einkommen in der Landwirtschaft zu erzielen, vor 25 Jahren waren es 7 bis 8 ha, und vor
10 Jahren war man bei 12 bis 15 ha. Heute redet man von Betriebsgrößen zwischen 25 und 30 ha.
Wir sollten uns bemühen, die Erhaltung vieler, auch kleinerer bäuerlicher Existenzen in der Bundesrepublik sicherzustellen. Ich glaube, gerade sie sind das beste Bollwerk gegen den Osten, gegen eine Agrarstruktur mit Kolchose und Farm, wie sie uns zum Teil von Ost, zum Teil von West näherrückt.
Ich möchte an unseren Herrn Landwirtschaftsminister appellieren, in der Richtung doch einmal eindeutig Stellung zu nehmen.
Nun eine kurze Stellungnahme zum Außenhandel. Auch darüber ist heute schon einiges gesagt worden. Damit kein falscher Eindruck entsteht: ich bejahe durchaus einen starken Außenhandel. Auch wir wissen, daß sich erst durch einen starken Außenhandel eine allgemeine Wohlstandsteigerung ergibt. Aber im letzten Berichtsjahr — auch das macht der Grüne Bericht deutlich — verlor die Landwirtschaft wieder erheblich an Raum, z. B. bei Eiern und Käse und auch bei Fetten. Es zeigt sich deutlich, daß auch der Verbrauch an Nahrungsmitteln gestiegen ist. Aber es zeigt sich auch — für uns wiederum betrüblich —, daß dieser Mehrverbrauch an Nahrungsmitteln durch gestiegene Einfuhren abgedeckt war.
Meine Damen und Herren, daß wir keiner Autarkie zustreben — auch ich möchte keine Autarkie —, zeigt z. B. die Steigerung der ernährungswirtschaftlichen Einfuhr 1959 um 14 v. H. Der Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der ernährungswirtschaftlichen Einfuhren zeigt gleichzeitig aber auch, daß die Einfuhrmengen auf allen Gebieten noch erhöht worden sind. Wer also heute schon von Bergen in der Erzeugung spricht, muß zugeben, wenn er diesen Bericht liest, daß diese Berge nicht durch die Eigenerzeugung entstehen können, sondern vor allem das Ergebnis übersteigerter Importe sind.

(Abg. Kriedemann: Dazu noch die Eigenproduktion immer mehr gehandikapt durch Ihre Politik!)

— Herr Kriedemann, ich möchte eigentlich nicht auf
Fragen eingehen. Ich will schnell fertig werden,
weil ja auch noch andere Kollegen reden wollen.
Nun weiter zum Außenhandel. Es geht bei dem Streit für uns in der Landwirtschaft eigentlich nur um die letzten Milliarden. Immer wieder wird das Beispiel des überflüssigen Füllweizens gebracht. Dieses Beispiel ist, glaube ich, besonders geeignet, deutlich zu machen, wie man eine Einfuhrpolitik nicht gestalten sollte. Eine übersteigerte Einfuhr von Weichweizen bedeutet für die Landwirtschaft einen Einnahmeausfall. Auf der anderen Seite hat sie eine Erhöhung der Kosten für Vorratshaltung zur Folge, was sich entsprechend im Etat niederschlägt. Diese letzten Milliarden für Einfuhren in der Ernährungswirtschaft sind für die Industrieexporte nicht entscheidend; sie können bei dem überhitzten Arbeitsmarkt im Gegenteil sogar als Konjunkturbremse wirken. Diese letzten Milliarden treffen aber gerade unsere Landwirtschaft preis-

Logemann
politisch sehr stark. Ich bin der Auffassung — und ich glaube, daß das Bundesministerium darin mit mir einig ist —, daß wir uns anhaltend bemühen sollten, der im eigenen Land erzeugten Nahrung den Vorrang zu sichern.
Meine' Damen und Herren, zu dem Thema Subventionen möchte ich nur kurz Stellung nehmen. Die Deutsche Partei hat durch ihre Anfrage den Stein ins Rollen gebracht. Aus der Antwort des Bundesfinanzministeriums ist deutlich geworden, daß sich die Subventionen über die gesamte Volkswirtschaft verteilen. Die deutsche Landwirtschaft — das möchte ich ausdrücklich betonen — will keine Subventionen, sondern verlangt nach kostengerechten Preisen; ihr Verlangen geht auch heute noch in diese Richtung. Aber es sind ihr in der Vergangenheit immer wieder Subventionen als Preisersatz aufgezwungen worden. Meine Auffassung ist die: kostendeckend, so weit wie möglich, Subventionen angesichts der Entwicklung nur so weit wie nötig.
Allerdings wird ein Abbau der Subventionen besonders dadurch erschwert, daß wir uns immer wieder in einem Wettbewerb mit subventionierten Einfuhren befinden und daß keine Bereitschaft zu Preisverbesserungen als Ersatz für Subventionen vorhanden ist.

(Abg. Kriedemann: Sie müßten mal welche beantragen, Herr Logemann!)

Ich möchte nun noch kurz zum Grünen Plan kommen. Ich bedauere sehr, daß unser Minister Schwarz hier schon Positionen aufgegeben hatte, die dann —das möchte auch ich sagen — auf etwas ungewöhnlichem Wege gerettet wurden.

(Lachen bei der SPD.)

Ich bin mit Herrn Kriedemann und vielen anderen Mitgliedern des Ernährungsausschusses der Auffassung, daß versucht werden müßte, Positionen, also Mittelansätze, etwa für Altershilfe, Gasöl, Kreditverbilligung in den ordentlichen Etat zurückzuführen.
Wenn wir uns den Grünen Plan ansehen, müssen wir feststellen, daß aus solchen Maßnahmen kein echter Vorteil gegenüber den Vorjahren erwächst. Die Ansätze für Maßnahmen, die man heute als einkommenverbessernd oder unkostensenkend bezeichnet, sind im Gegenteil um etwa 43 Millionen DM niedriger als im Vorjahr. Die jetzige Preissituation erlaubt keine Kürzung der Mittel für diese einkommenverbessernden Maßnahmen. Auch mit einer gezielteren Verteilung würden wir nicht viel erreichen. Ich denke da gerade an die Milch. Herr Kriedemann, es ist doch nicht so, daß die Kuh in den größeren Betrieben weniger frißt als in den kleinen Betrieben. Also auch hier würde eine Aufschlüsselung zu keinem nennenswerten Erfolg führen.

(Abg. Kriedemann: Über Butter und Milch im Zusammenhang mit den Subventionen reden wir in diesem Jahr noch einmal, Herr Logemann!)

— Sehr schön, Herr Kriedemann, ich bin darauf gespannt.
Besonders wichtig ist es, darauf hinzuwirken, daß die Prämie für Kartoffelstärke und die Unterstützung für Wolle wieder eingeführt werden. Hier haben wir auch ein typisches Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Holland hat die Subvention für Kartoffelstärke in den letzten zwei Jahren von 10 Millionen auf 18 Millionen Gulden erhöht. Die Bundesregierung dagegen will sie abbauen.
Nach Auffassung der DP-Fraktion müssen die Maßnahmen des Strukturprogramms schnellstens verstärkt werden. Wir freuen uns, daß man einem alten Anliegen unserer Partei nachkommt und sich jetzt darum bemüht, größere Mittel für von der Natur benachteiligte Gebiete einzusetzen. Wir halten die Verstärkung der Strukturmaßnahmen dort für vordringlich. Aber die Entscheidungen über diese Fragen der Agrarpolitik werden beim Preis fallen. Wenn man den strukturell gesunden Betrieb unter Preisdruck setzt, muß der gesunde Betrieb krank werden und der strukturell kranke Betrieb wird dann zu einem hoffnungslosen Fall.
Ich komme zum Schluß. Die agrarpolitische Entwicklung zeigt, daß die Zielsetzung des Landwirtschaftsgesetzes nicht erreicht wurde. Wir sind deshalb in ganz besonderer Sorge, eben weil wir so vorbelastet in die weitere Entwicklung, in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hineingehen. Eine Zeit, in der wir in der Landwirtschaft nicht finanzstärker werden, arbeitet nicht für uns. Wir müssen uns im nächsten fahr bemühen, in der Agrarpolitik an den Anfang wieder den § 1 des Landwirtschaftsgesetzes zu stellen. Dazu gehört aber — durch die europäische Entwicklung mit veranlaßt —, daß wir keine Vorleistungen in der EWG erbringen, sondern uns bemühen, bei Ausnutzung aller handelsvertraglichen Möglichkeiten — eingeschlossen Mindestpreise und Ausgleichsabgaben — zu einer Wettbewerbsgleichheit zu kommen. Wie man das macht, zeigt in der EWG zur Zeit Frankreich.

(Zurufe von der SPD.)

— Dazu gehört weiter, daß wir uns bemühen, in vergrößertem Maß zu einer Strukturverbesserung zu kommen, um den Nachholbedarf der Landwirtschaft möglichst schnell zu befriedigen.
Mein letzter Appell an den Herrn Landwirtschaftsminister Schwarz! Machen Sie sich dafür stark: Wir wollen in der Landwirtschaft keine Gefälligkeitspolitik, sondern wünschen Gerechtigkeit gegenüber anderen Partnern unserer Volkswirtschaft.

(Beifall rechts.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310601700
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310601800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der „überfiillten" Bänke des Hauses

(lebhafter Beifall)

wollte ich mir erlauben — —

(Abg. Schröter [Berlin]: Immer noch starker besetzt als bei der Kulturdebatte!)




Bauknecht
— Das ist ein Trost, wenn auch ein schlechter. Das heißt mit anderen Worten, das Hohe Haus hat für die Landwirtschaft noch mehr übrig als für die Kultur,

(Zuruf von der SPD: Für Agrikultur!)

— für Agrikultur mehr als für Kultur. Aber wir sind ja solche Dinge gewöhnt. Ob Sie in die Debatte im Weißen Haus in Washington kommen, ob Sie nach Dänemark kommen oder etwa nach Paris, die Dinge sind überall dieselben. Das Volk versteht das manchmal recht schlecht und sagt: Wozu tagt ihr denn?
Ich wollte das vorangestellt haben, damit nicht ein allzu schlechter Eindruck von diesem Haus entsteht. Aber ich habe ja nicht die Pflicht, auch die Regierungsbank zu verteidigen, obwohl es vielleicht auch dort interessanter wäre, wenn man unseren Ernährungsminister nicht völlig allein gelassen hätte.

(Beifall. — Abg. Kriedemann: Wo ist z. B. der Bundeskanzler? Er macht doch sonst immer die Agrarpolitik!)

— Der Bundeskanzler ist in Washington, vielleicht haben Sie das in der Zeitung gelesen.

(Abg. Kriedemann: Heute nach Washington!)

— Es war nicht Absicht, daß das so miteinander kollidiert. Das möchte ich doch festgestellt haben.

(Beifall in der Mitte.)

Herr Kriedemann, wir wollen uns in keine Debatte einlassen, aber ich glaube, daß die deutsche Landwirtschaft in dem Bundeskanzler einen recht passablen Verteidiger der Agrarpolitik hat. Das können wir doch feststellen.

(Erneuter Beifall in der Mitte. — Lachen bei der SPD.)

Sie haben es ja selber in Ihren Ausführungen zum Ausdruck gebracht.

(Abg. Kriedemann: Sie werden es noch teuer bezahlen müssen!)

Meine Damen und Herren, Sie werden es verstehen, wenn ich mich angesichts der fortgeschrittenen Zeit auf ein paar kurze Bemerkungen beschränke. Über den Grünen Bericht und seinen Inhalt sind schon eine Reihe von Ausführungen gemacht worden. Lassen Sie mich nur ein paar kurze Anmerkungen bringen.
Man hat wohl einen Fortschritt erzielt, aber wenn man die Dinge richtig beleuchtet, stellt man fest, daß wir eigentlich nicht vorwärts gekommen sind. Wenn Sie von den Mitteln des Grünen Planes seine Direkthilfen, die verschrienen Subventionen, abzögen, wären wir wieder über das Jahr 1955 hinaus zurückgeworfen. So liegen doch die Dinge: Der Vollohn bei den Familienarbeitskräften betrug bei dem ersten Grünen Bericht im Jahre 1954/55, Herr Frehsee, 83 % des sicherlich bescheidenen Landarbeiterlohns. Heute, nach dem letzten Grünen Bericht, beträgt er nur 80 %, so daß wir also in dieser Hinsicht in keiner Weise vorangekommen sind, obwohl die Zahl der Familienarbeitskräfte in fünf
Jahren um 20 %, nämlich von 2,5 auf rund 2 Millionen, zurückgegangen ist.
Eine Fraktion hat den Antrag eingebracht, bei dem Vergleich mit den vergleichbaren Gruppen der gewerblichen Wirtschaft nicht den Jahreslohn, sondern den Stundenlohn zu nehmen.

(Abg. Frehsee: Das hat auch der Bauernverband gefordert!)

— Auch der Bauernverband hat das gefordert, Herr Frehsee; das ist durchaus richtig. Ich will Ihnen nur sagen, wieso man zu dieser Auffassung kommen kann. In zunehmendem Maße gehen die Arbeitskräfte in die Industrie. Herr Kriedemann, Sie wünschen das, damit wir zu einer besseren Agrarstruktur kommen.

(Abg. Kriedemann: Ich wünsche das gar nicht; die tun das von sich aus!)

Das läßt sich sicherlich nicht aufhalten. Aber die Arbeitskräfte, die auf dem Dorf wohnen, vergleichen schließlich vor allen Dingen die Arbeitszeit. Die Arbeitszeit geht aber in der Industrie in immer stärkerem Maße zurück, während man sie in der Landwirtschaft nicht in dem Maße verringern kann. Dann sagen sich die Leute: Wir arbeiten länger als die anderen, und die anderen bringen mehr nach Hause. Daher kann man es begreiflich finden, daß man zu der Auffassung kommt, der Stundenlohn und nicht der Jahresarbeitslohn solle in den Vordergrund gestellt werden.
Einer der Vorredner hat gesagt, der moderne Arbeitsplatz in der Landwirtschaft koste etwa das Doppelte wie ein Arbeitsplatz in der Industrie. Dem ist auch so. Ein bäuerlicher Familienbetrieb von 12 ha beispielsweise hat heute, wenn er vollmechanisiert ist, einen Kostenaufwand von 3000 DM je Hektar. Was ist das Ergebnis? Laut Grünem Bericht erbringt der Betrieb einen Produktivwert der Leistung von 8700 DM pro Arbeitskraft. Dieser Tage hat Krupp in Essen seine Zahlen veröffentlicht. Er beschäftigt 107 000 Menschen und hat bei einem Umsatz von 4,37 Milliarden DM errechnet, daß die effektive produktive Leistung eines einzelnen Beschäftigten bei 41 000 DM liegt. Das ist nahezu das Fünffache dessen, was in der Landwirtschaft überhaupt erwirtschaftet werden kann, weil man hier nur den einen Umsatz hat, während die Maschine bekanntlich in der Industrie bei Tag und Nacht läuft.
Rechnen Sie jetzt noch den doppelten Betrag hinzu, den man je Arbeitskraft für Investitionen einsetzen muß, dann sind Sie bei dem Sechzehnfachen. Das ist der Grund des Landwirtschaftsgesetzes; wegen dieser naturbedingten Nachteile wurde es geschaffen. Aber dafür hat man draußen leider sehr wenig Verständnis.
Darf ich Ihnen noch einen Vergleich anführen. Ich will Sie nicht mit Zahlen langweilen, ich höre nachher mit Zahlen auf. Wie hat sich die fortschreitende Entwicklung bemerkbar gemacht? Zur Bezahlung von 100 Männerarbeitsstunden mußte man nach dem ersten Grünen Bericht 324 kg Weizen verkaufen, heute 426 kg. Dafür brauchten Sie damals 59 kg



Bauknecht
Lebendgewicht bei Schweinen, heute brauchen Sie 75 kg. An Milch brauchten Sie damals 478 kg zur Bezahlung von 100 Männerarbeitsstunden, heute 539 kg.
Hatte die Landwirtschaft die Möglichkeit, diese Belastung durch eine innere Rationalisierung auszugleichen? Leider nicht, aus den Gegebenheiten, denen sie eben unterworfen ist. Trotzdem sind in dieser Zeit die Löhne gestiegen, sie mußten steigen, was wir ja auch durchaus bejahen.
Das ist der Grund, warum man nicht allein mit agrarstrukturellen Maßnahmen helfen kann. Entscheidend ist, daß die normalen bäuerlichen Betriebe, die nicht strukturkrank sind, sich selber nicht helfen können im Vergleich mit der gewerblichen Wirtschaft, die andere Chancen hat.
Daher gibt es kein Industrieland der Erde, das ohne globale Direkthilfen auskommt. Das ist aber keine typische Einrichtung der Bundesrepublik. Ich habe mir die Mühe genommen, einmal zu errechnen, was die Vereinigten Staaten von Amerika an Direkthilfe zahlen, und kam zu genau gleichen Zahlen, nämlich auf rund 63 DM je Hektar. Wir zahlen 61 DM. Das wäre ganz hübsch und interessant, wenn nicht ein ganz großer Pferdefuß dabei wäre. Die Leute in den Vereinigten Staaten wirtschaften auf Betrieben, die eine Durchschnittsgröße von 97 ha haben; bei uns beträgt die Durchschnittsgröße 7 ha. Selbst wenn unsere Landwirtschaft strukturell so gesund wäre, daß man den Weg gehen könnte, die kleinen Betriebe aufzulösen und lauter große Betriebe zu schaffen, wie es sich manche Leute vorstellen, würden wir auf dem Weltmarkt, wie man an dem angeführten Beispiel mit aller Deutlichkeit sieht, nicht konkurrenzfähig sein. Das bitte ich einmal festzuhalten.
In Frankreich hat man geglaubt, man könne die Landwirtschaftspolitik wieder der allgemeinen Wirtschaftspolitik unterwerfen. Was war der Erfolg dieser Politik? Die Sanierung der französischen Währung und der Aufbau der Wirtschaft vollzogen sich auf dem Rücken der Landwirtschaft. Es kam zu ungeheuren Bauerndemonstrationen, wie sie in diesem Land seit Jahrzehnten nicht mehr aufgetreten waren. Die Regierung mußte daraufhin noch einen Schritt weitergehen, als wir im Landwirtschaftsgesetz gegangen sind. Sie hat praktisch für Weizen, Zuckerrüben, Milch, Rinder- und Schweinefleisch, Weine und Eier eine Art Preisindexparität zugestanden.
Wie ist es in unserem Nachbarland Holland? Herr Kriedemann, Sie haben gesagt: „Weg von diesen direkten Hilfen!" Das kann man so lange nicht machen, sage ich, als andere nicht bereit sind, das gleiche zu tun.

(Abg. Kriedemann: Welche Konsequenzen die Holländer aus ihren Fehlern ziehen, das wissen Sie auch! Ich hoffe es jedenfalls!)

Die Holländer haben im Jahre 1957/58 373 Millionen Gulden für ihre Milchstützung bezahlt. Heute
noch bezahlen sie an die 500 Millionen Mark. Ich nenne jetzt nur einmal die effektiven Zahlen.

(Abg. Kriedemann: Sagen Sie doch, was sie jetzt im Augenblick tun!)

Bei der fünffachen Bevölkerungszahl und bei der sechsfachen Größe des Areals zahlen wir Subventionen in der gleichen Höhe wie die Holländer.

(Abg. Kriedemann: Dann schreibt Herr Etzel noch diese komischen Artikel in der Zeitung!)

Unser Nachbarland Schweden hat im letzten .lahr 277 Millionen Kronen für Milchstützung bezahlt.

(Abg. Kriedemann: Setzen Sie doch mehr durch!)

Es wird niemand im Hause sein, der uns zumuten will, daß wir ohne Subventionen — etwa in der Form der direkten Hilfen — schnurstracks in den Gemeinsamen Markt hineingehen, während die anderen Länder weiter Subventionen zahlen. Das wäre eine völlige Unmöglichkeit.

(Abg. Kriedemann: Hoffentlich faßt Ihre Regierung . . .!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310601900
Herr Kollege Kriedemann, bei der schütteren Besetzung des Hauses wäre es vielleicht gut, sich nicht so zu erregen.

(Abg. Kriedemann: O nein, es macht mir Vergnügen!)


Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310602000
In der Debatte vorhin wollte man glaubhaft machen, daß diese Direkthilfen praktisch in den kleinen Betrieben nicht ankämen, daß sie den großen Betrieben mehr nützten. Wie liegen die Dinge? Schlagen Sie bitte einmal Seite 65 des Grünen Berichtes auf. Ich möchte Ihnen daraus ein paar Zahlen vortragen. Den Zuckerrübenbaubetrieben in Niedersachsen unter 10 ha wurden je Hektar insgesamt 237 DM gegeben; die Betriebe über 50 ha haben insgesamt 193 DM je Hektar erhalten. Damit haben Sie den schlagenden Beweis, daß entgegen den immer wieder vorgebrachten Behauptungen diese Hilfen nicht allein für die Großen gemünzt sind. Mit solchen Zahlen ist die ganze Seite voll, und jede Zahl ist eindrucksvoll. Am Schluß der Seite werden die Futterbaubetriebe aus meiner Heimat, Baden-Württemberg, angeführt. Die kleinen Betriebe bekamen dort je Hektar 126 DM direkte Hilfe, die großen Betriebe 107 DM.

(Abg. Frehsee: Die eine Zahl müssen Sie mit 10 und die andere mit 50 multiplizieren!)

— Natürlich, man kann den Boden nicht beliebig vermehren, Herr Kollege Frehsee. Sie wissen doch genauso gut wie ich: unter günstigen Bedingungen kann der kleine Betrieb Sonderkulturen anlegen, unter ungünstigen Verhältnissen kann er sich eine tierische Veredlungswirtschaft in einem solchen Ausmaße zulegen, daß er für seine Familie ein entsprechendes Einkommen erzielt, sofern der Markt und die Preise in Ordnung sind. Das müssen wir bedenken.



Bauknecht
Ich habe vorhin von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gesprochen. Wir befinden uns im Augenblick infolge der Zurückstauung auf dem Markte, die uns große Verluste bringt, keineswegs auf dem Wege dahin, in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft wettbewerbsfähig zu werden. Ich glaube, wir gehen einen geradezu gefährlichen falschen Weg. Ich habe hier Zahlen der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle vor mir liegen. Der Preis für Butter ist im Augenblick um 45 Pf je Kilogramm niedriger als vor einem Jahr, die Preise für Schweine liegen um 11 Pf niedriger als vor einem Jahr und die Preise für Rinder um 4 Pf niedriger.

(Hört! Hört! rechts.)

Soll das etwa der Auftakt für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft sein?
In diesen Tagen versucht man von seiten der Regierung, der Überhitzung des wirtschaftlichen Klimas dadurch zu steuern, daß man große Steuervergünstigungen, die man bisher gewährt hatte, etwas zurückschneidet. Es ist wahrscheinlich höchste Zeit dazu; denn die Hochkonjunktur der Wirtschaft mit ihrem einseitig geförderten Export hat dazu geführt, daß wir handelspolitisch in Schwierigkeiten gekommen sind, daß die anderen Länder uns das, was wir ausführen, nicht mehr bezahlen können, und man ist deswegen zu großen Staatsgarantien übergegangen. Man hat wahrscheinlich die Pflege des Inlandsmarktes vernachlässigt. Man wäre besser gefahren, wenn man weniger ausgeführt und das Angebot der Güter im Inland vermehrt hätte. Das hätte zu einer sehr starken Preisdämpfung geführt. Aber nun suchte man den Schuldigen, und man hat ihn im vergangenen Herbst einseitig in der Landwirtschaft gefunden. Das hat uns so weit zurückgeworfen. Es ist völlig unmöglich, diese Dinge sich weiter so entwickeln zu lassen, nachdem man vorher die hohen Preise in der Landwirtschaft als Argument dafür angeführt hat, daß man Lohnerhöhungen durchführen müsse.
Herr Kriedemann, ein paar kurze Bemerkungen zu Ihren Ausführungen. Sie haben gesagt, man verschweige im Augenblick bei den Diskussionen um die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, wie die Dinge lägen. Dem ist nicht so. In der Öffentlichkeit reden wir von diesen Dingen. Wenn Sie es so gemeint haben, daß man vielleicht hier in diesem Hause zu wenig redet, will ich Ihnen recht geben. Aber wir versperren uns ja nicht vor den Dingen. Es ist auch nicht so, daß die bäuerlichen Abgeordneten etwa der Meinung sind, man müsse alles konservieren und den letzten landwirtschaftlichen Betrieb erhalten. Was wir wollen, ist, daß man dem, der etwas kann, der etwas gelernt hat und der fleißig ist, die gleiche Chance gibt wie in der gewerblichen Wirtschaft.

(Abg. Kriedemann: Darüber sind wir alle einer Meinung!)

Das ist das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes. Man sollte es aber nicht so hinstellen, als ob die bäuerlichen Abgeordneten draußen in den Bauernversammlungen mit großer Klappe redeten und hier schwiegen. Dem ist keineswegs so.
Sie haben noch eines angeführt, das nicht unwidersprochen bleiben darf. Sie haben gesagt, der landwirtschaftliche Berater sei gehandikapt, er könne gar nicht einen bestimmten, sagen wir einmal,

(Abg. Kriedemann: Einen vernünftigen Vorschlag machen!)

— einen vernünftigen Vorschlag für eine Mechanisierung machen, denn wenn er sage, diese oder jene Maschine tauge nichts, werde er vor den Kadi gezogen. Das kann er ohne weiteres; er braucht nur die Firma nicht zu nennen; dann kann ihn niemand vor den Kadi ziehen. Denn es gibt meistens eine Reihe von gleichartigen Fabrikaten, die von mehreren Fabriken hergestellt werden.

(Abg. Kriedemann: Herr Bauknecht, Sie kennen das Problem doch genauso wie ich!)

Dann ist noch etwas richtigzustellen. So zutreffend es im allgemeinen ist, daß die Kaufkraft der Massen dazu führt, daß man die landwirtschaftlichen Produkte entsprechend verkaufen kann, so haben Sie doch eines vergessen. Wenn wir ohne Schutz die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte zulassen aus den Ländern mit niedrigen Ausfuhrpreisen, die mit Exportsubventionen arbeiten, und aus den Ländern mit niedrigen Preisen, die mit Löhnen billiger farbiger Arbeitskräfte produzieren, dann trifft die These nicht zu, daß die Massenkaufkraft der deutschen Landwirtschaft Nutzen bringe. Das ist das, was so oft verschwiegen wird, wenn man die an und für sich richtige These in den Vordergrund stellt, daß die Kaufkraft für die Preise der entsprechenden Güter ausschlaggebend sei.
Sie haben dann gesagt, die Diingersubvention und die Milchsubvention führe dazu, daß man immer noch mehr produziere. Bisher ist es stets so gewesen — und das wird wahrscheinlich auch in Zukunft so sein —, daß der kleine landwirtschaftliche Betrieb, der nicht extensiv wirtschaften kann, sich an die Menge binden mußte. Wenn dieser kleine Betrieb den Preis pro Einheit nicht erzielt, produziert er eben noch mehr, um schließlich doch noch zu seiner Rente zu kommen.
Dann ein Letztes zu Ihnen, Herr Kriedemann! Sie haben ausnahmsweise einmal den Deutschen Bauernverband gelobt,

(Abg. Kriedemann: Ich habe ihn gar nicht gelobt!)

er hätte einen ausgezeichneten Brief an die Abgeordneten gerichtet und gesagt, die Sozialdemokratische Partei könne sich hier anschließen.

(Abg. Kriedemann: Habe ich nicht gesagt!)

Leider nur in einem Punkt! Sie müssen den Brief ganz lesen. Darin steht als erster Punkt: Erhaltung der Düngemittelsubvention, als zweiter: Erhaltung der Milchprämie, und dann steht sicher auch als wesentlicher Punkt darin, daß man mit gezielten Hilfen denen stärker helfen muß, die bisher unter erschwerenden Umständen wirtschaften. Aber diese Dinge muß man dann alle anführen.

(Abg. Kriedemann: Aber zuerst muß man einmal sachlich zitieren, Herr Bauknecht, wenn man überhaupt zitieren will! Das haben Sie wieder einmal nicht getan!)




Bauknecht
— Das tun wir!

(Abg. Kriedemann: Nein!)

— Doch!

(Abg. Kriedemann: Nein überhaupt nicht!)

— Ja, natürlich! Ich habe Ihnen den schlagenden Beweis daür erbracht.

(Abg. Kriedemann: Ich bringe Ihnen nachher mal das Stenogramm, damit Sie nachlesen können, was Sie erzählt haben! Sich so aus der Affäre zu ziehen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310602100
Meine Damen und Herren, es ist bereits 1 Uhr. Um 2 Uhr wollen wir die Sitzung wie üblich schließen. Ich bitte, die Verhandlung durch Zurückstellung von Zwischenrufen zu fördern.

(Abg. Kriedemann: Dann darf der Redner keine Provokationen aussprechen!)


Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310602200
Das sind keine Provokationen, das ist nur eine Feststellung von Tatsachen.

(Abg. Kriedemann: Ach, Tatsachen!) — Ja, sicher, nichts anderes!


(Abg. Kriedemann: Ausreden sind das!) Herr Kollege Mauk,


(Abg. Kriedemann: So zieht man sich aus der Affäre!)

Sie haben versucht, es so darzustellen, als wenn die bäuerlichen Abgeordneten der CDU draußen nur Forderungen aufstellten und sich zu Dingen bekennten, zu denen sie sich hier nicht bekennen. Es wäre vielleicht klüger von Ihnen gewesen, davon nicht zu sprechen. Sie hätten doch sicher alle Ursache, sich einmal in Ihrer eigenen Fraktion umzusehen. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Bei der Debatte darüber, ob der Butterzoll aufgehoben oder ausgesetzt werden sollte, haben Ihre Freunde im Außenhandelsausschuß geschlossen für die Aufhebung gestimmt.

(Abg. Mauk: Sie täuschen sich! Das stimmt nicht, Herr Bauknecht! — Abg. Kriedemann: Da haben Sie wieder einmal unrichtig zitiert, Herr Bauknecht!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310602300
Herr Abgeordneter Bauknecht, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310602400
Bitte!

Heinrich Sander (FDP):
Rede ID: ID0310602500
Herr Bauknecht, ist Ihnen nicht bekannt, wie ich abgestimmt habe? Ist Ihnen nicht bekannt, welche Stellung ich im Ausschuß eingenommen habe?

(Abg. Kriedemann: Nein, er behauptet nur das Gegenteil von dem, was er gar nicht weiß! — Heiterkeit.)


Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310602600
In keiner Weise, Herr Kriedemann!

(Zuruf von der FDP.)

— Wenn dem so ist, Herr Sander, ist es ja in Ordnung; dann sind Sie rehabilitiert.

(Abg. Kriedemann: Sie selber! — Heiterkeit.)

Aber Sie wissen, wie Ihre Freunde gestimmt haben.
Ich will Ihnen jetzt etwas anderes sagen. Ich wollte es eigentlich nicht, aber Sie haben mich dazu genötigt. Vielleicht hat der eine oder andere die Fernsehsendung verfolgt, die, glaube ich, der Stuttgarter Rundfunk über die Marktordnung und die Lebensmittelpreise ausgestrahlt hat. Dort hatte ich das Glück, mit einem Ihrer Kollegen zu reden, und zwar mit einem, den Sie nach Straßburg geschickt haben. Sie wissen alle genau, welche Haltung zu den Getreidepreisen da zum Ausdruck kam. Ich habe gesagt: Unter allen Umständen den deutschen Getreidepreis in Europa erhalten!,

(Lachen des Abg. Kriedemann)

und Ihr Kollege (zur FDP) hat gesagt: Zurück zu den Weltmarktpreisen!

(Abg. Kriedemann: Das haben Sie laut und deutlich gesagt?)

— Das habe ich laut und deutlich gesagt.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310602700
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

(Abg. Kriedemann: Herr Bauknecht, Sie haben aber auch vor nichts mehr Angst! Fragen Sie mal Herrn Lücker!)


Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310602800
Bitte!

Otto Köhler (FDP):
Rede ID: ID0310602900
Herr Kollege Bauknecht, ist Ihnen nicht bekannt, daß nicht die Aussetzung des Butterzolls eine Katastrophe war, sondern die Art und Weise, wie dieser Butterzoll nachher behandelt wurde, daß man den Butterzoll an das Ausland verschenkte und ihn nicht dem deutschen Verbraucher zugute kommen ließ?

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310603000
Herr Köhler, wenn die Aussetzung nicht gekommen wäre, wäre es natürlich auch nicht zu diesem Desaster gekommen. Das ist ganz klar.

(Zuruf des Abg. Sander.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310603100
Herr Abgeordneter, so geht es nicht. Sie müssen ans Mikrophon treten und sich zu einer Zwischenfrage melden. — Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!). Bauknecht (CDU/CSU): Bitte!


Heinrich Sander (FDP):
Rede ID: ID0310603200
Herr Kollege Bauknecht, ich habe nur von den bäuerlichen Abgeordneten gesprochen. Ich habe keine Äußerungen anderer Kollegen Ihrer Fraktion zum Vergleich herangezogen. Das möchte ich ausdrücklich feststellen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Frage! — Zuruf von der SPD: Das ist Herrn Bauknecht sicher entgangen!)





Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310603300
Herr Kollege Mauk, Sie wissen, daß die bäuerlichen Abgeordneten der CDU im Plenum gegen die Aufhebung des Butterzolls gestimmt haben.

(Abg. Mauk: Wir auch!) Ich will jetzt zum Schluß kommen.


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310603400
Herr Abgeordneter, ich habe noch die Pflicht, Sie zu fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kriedemann beantworten.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310603500
Ohne weiteres! Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr!

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0310603600
Herr Bauknecht, Sie haben hier laut und deutlich gesagt, daß Sie nach wie vor für die Aufrechterhaltung der deutschen Getreidepreise in der EWG eintreten, und wollen damit offenbar bei den Bauern einen bestimmten Eindruck erzielen. Wollen Sie nicht einmal Ihren Fraktionskollegen Lücker, der soeben aus Europa angereist ist, nach seiner Meinung zu dem Problem fragen, damit der Schwarze Peter nicht nachher bei den falschen Leuten sitzenbleibt?

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0310603700
Das werde ich gern tun; ich werde ihn fragen.

(Abg. Kriedemann: Da können Sie was lernen!)

Aber soviel ich aus meiner letzten Unterredung mit ihm — vor einigen Monaten — weiß, ist er völlig meiner Auffassung. Herr Kriedemann, wir wollen die Dinge nicht vertiefen, aber Sie wissen doch ganz genau, wie die Dinge werden,

(Abg. Kriedemann: Eben! Sie aber auch!)

wenn wir in Europa mit dem Getreidepreis zurückgehen. Dann setzen wir den Wert der pflanzlichen Bodenproduktion herunter. Unsere Bauern werden ja auch nicht dümmer sein als die anderen; sie steigen dann sehr stark in eine tierische Veredelungsproduktion ein, und es wird zu einem Preiszusammenbruch kommen, wie ihn die Holländer und Dänen schon im Jahre 1958 erlebt haben, als sie mit billigen Futtermitteln des Auslandes den Markt zum Zusammenbruch brachten.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Diese Auffassung werde ich nach wie vor verteidigen. Das ist auch die Auffassung unserer Kollegen in Italien und in Frankreich, die dieses Desaster sehen, sonst wäre es wahrscheinlich nicht zu den Unruhen unter den Bauern in Frankreich gekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kriedemann: Das wird dadurch nicht wahrer, daß Sie es immer wieder sagen!)

Ich will jetzt auf meine Schlußausführungen verzichten und zu den zahlreichen Entschließungsanträgen sowie zu den eigentlichen Anträgen kommen. Ich möchte Sie bitten, den Entschließungsantrag der CDU/CSU und der DP auf Umdruck 493 anzunehmen, damit der Grüne Plan im Ausschuß weiter beraten wird und wir zu einem Endergebnis kommen. Ich lese nicht alles vor, der wesentliche Inhalt ist folgender: im Grundsatz dem Grünen Bericht und dem Grünen Plan mit der Maßgabe zuzustimmen, daß die Mittel innerhalb der einzelnen Positionen austauschbar sind. Im übrigen beschäftigt sich der Antrag mit dem, wovon Herr Kollege Wacher gesprochen hat, nämlich mit den Mitteln für gezielte Hilfen. Zum Schluß weist er auch auf die Gefahr hin, die uns von der EWG her droht. Die Regierung soll ersucht werden, mehr als bisher mit handelspolitischen Maßnahmen dafür zu sorgen, daß nun wirklich das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes erreicht wird. Ich beantrage, alle anderen Anträge an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310603800
Das Wort hat der Abgeordnete Bading.

Harri Bading (SPD):
Rede ID: ID0310603900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zu dem gesamten Komplex der Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsverhältnisse in der Landwirtschaft machen. Gestatten Sie mir aber, vorher noch einige kurze, ich möchte sagen, Richtigstellungen an den Ausführungen des verehrten Herrn Kollegen Mauk anzubringen. Er hat gesagt, die Landwirtschaft sei in der Zeit, in der der Grüne Plan bestehe, keinen Schritt weiter vorangekommen, und hat geglaubt, das an den Indexzahlen beweisen zu können.
Ich darf Sie auf Seite 57 des Grünen Berichts aufmerksam machen, auf der der Flächenanteil der Betriebe mit unterschiedlicher Deckung des Vergleichslohnes und mit unterschiedlicher Verzinsung des Aktivkapitals dargestellt wird. Danach haben im Jahre 1956/57 Betriebe, die 18 % der landwirtschaftlichen Fläche einnehmen, den Vergleichslohn voll decken und eine Kapitalverzinsung erreichen können. Im nächsten Jahr waren es 29 %, und im vergangenen Jahre waren es über 31 %, d. h. in der deutschen Landwirtschaft haben die Betriebe, die einen Flächenanteil von 31 % einnehmen, den Vergleichslohn voll erreichen und auch eine Kapitalverzinsung erarbeiten können. Also kann man wohl nicht sagen, daß sich die Verhältnisse in der deutschen Landwirtschaft nicht gebessert hätten.
Aber die Frage ist, welcher Art von Betrieben diese Verbesserung ihres Betriebsergebnisses gelungen ist. Da sieht es natürlich leider etwas betrüblich aus. Die Betriebe über 20 Hektar — das sind 7,8 % aller Betriebe, es ist also ein nicht sehr hoher Anteil an der Gesamtzahl der Betriebe — nehmen nämlich 36 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche ein, weil es eben die größeren Betriebe sind.
Wenn man nun von der Voraussetzung ausgeht, daß überall der gleiche Düngeraufwand getrieben wird, was gar nicht stimmt — denn die größeren



Bading
Betriebe, die in der beseren Lage sind, haben in der Regel einen höheren Düngeraufwand; aber ich will nur davon ausgehen, daß der Düngeraufwand überall gleich hoch ist —, dann muß man feststellen, daß 36 % der Düngemittelsubventionen, die auf den Umsatz gerechnet sind, auf 7,8 % der Betriebe entfallen. Das heißt, 135 000 Betriebe in der deutschen Landwirtschaft erhalten 83 Millionen DM, und 1 586 000 Betriebe erhalten 147 Millionen DM. Das bedeutet, daß im Durchschnitt gerechnet die Betriebe über 20 Hektar aus der Düngemittelsubvention je 615 DM und die Betriebe unter 20 Hektar lediglich je 93 DM erhalten. Und das ist die ,,gerechte" Düngemittelsubvention!

(Abg. Kriedemann: Da haben wir es mal gehört!)

Ich glaube, daß man solche Zahlen einmal vor der Öffentlichkeit darlegen soll, um dem Volk klarzumachen, daß es eine ausgesprochene Unwahrheit ist, wenn behauptet wird, solche globalen, ungezielten Subventionen seien gerecht.

(Abg. Schröter [Berlin] : Doch christlich! Nach dem Wort der Schrift: Wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als ich mich gestern abend auf meine heutigen Ausführungen etwas vorbereitete, habe ich noch einmal das Landwirtschaftsgesetz durchgelesen und dabei festgestellt, daß in den ersten Paragraphen die wichtigste Stelle meines Erachtens in den Worten „in den Stand zu setzen" zu suchen ist. Die deutsche Landwirtschaft soll in den Stand gesetzt werden, „die für sie bestehenden naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen und ihre Produktivität zu steigern". Was heißt denn „in den Stand setzen"? „In den Stand setzen" heißt doch, jemanden zu irgend etwas fähig machen, aber es heißt nicht, jemandem irgendwelche Geschenke machen. Ich glaube, es ist notwendig, daß wir uns gerade aus diesem Grunde mit den Maßnahmen zur Verbesserung der Betriebsverhältnisse hier im Rahmen der Debatte über den Grünen Plan besonders beschäftigen.
Zweifelsohne hat die deutsche Landwirtschaft — das wird keiner, der von den Verhältnissen auch nur ein bißchen Ahnung hat, bestreiten — in den letzten Jahren außerordentlich stark rationalisiert. Aber man muß feststellen, daß die Rationalisierung vielleicht nicht immer so vorgenommen worden ist, wie sie zum Besten der gesamten Landwirtschaft hätte vorgenommen werden können. Professor Blohm in Kiel hat anhand von Rentabilitätsberechnungen ermittelt, daß der Maximalbesatz an Schleppern für die deutsche Landwirtschaft etwa bei 250 000 oder 300 000 liegt. In der deutschen Landwirtschaft laufen aber 700 000 Schlepper. Der Besatz an Traktoren ist also überhöht.
Ein anderer Professor, Preuschen

(Zurufe rechts)

— es Ist ganz gut, wenn man sich einmal ein bißchen mit der Wissenschaft beschäftigt;

(Zuruf rechts: Nachher im Ausschuß!)

— wenn Sie zustimmen, sollten Sie das möglichst oft tun —, hat 1953 ausgerechnet, daß die Kasten der Vollmechanisierung eines 100-ha-Betriebes bei 82 600 DM liegen, d. h. also bei rund 83 DM je ha. Die Kosten eines 5-ha-Betriebes liegen bei etwa 20 600 DM, d. h. bei 4130 DM pro ha. Ein ungeheurer Unterschied pro ha!

(Zuruf von ,der Mitte: Sie haben sich verrechnet; beim 100-ha-Betrieb sind es 826 DM je ha! — Zuruf rechts: Die Konsequenz?! — Abg. Sander: Nach Ihrer Meinung sollen die kleinen Betriebe also weg!)

— Nicht alle weg! Sie machen es sich zu einfach, Herr Sander.

(Abg. Sander: Kolchosen!)

Aus diesen Zahlen muß man nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch politische Schlüsse ziehen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310604000
Herr Abgeordneter Bading, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Harri Bading (SPD):
Rede ID: ID0310604100
Sehr gern! Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr!

Peter Tobaben (CDU):
Rede ID: ID0310604200
Wollen Sie damit sagen, Herr Kollege, daß die kleinen Betriebe unter 100 ha wegen Unwirtschaftlichkeit ihre Tätigkeit einstellen sollen?

(Abg. Kriedemann: Ein so dummes Zeug sagt hier niemand!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310604300
Ich weiß nicht, wer von „dummem Zeug" gesprochen hat. Jedenfalls ist dieser Ausdruck an der Grenze des parlamentarisch Zulässigen.

(Abg. Kriedemann: Das andere war noch unter der Grenze, unter dem Niveau!)


Harri Bading (SPD):
Rede ID: ID0310604400
Lassen Sie mich meine Ausführungen vor dem Hause ohne Zwischenrufe machen. Es hat doch keinen Zweck, Herr Tobaben, mit solchen Fangfragen Eindruck schinden zu wollen.
Ich habe gesagt, daraus muß man politische Schlüsse ziehen. Man muß daraus den Schluß ziehen, daß man von seiten der Bundesregierung nicht einfach jedem landwirtschaftlichen Betrieb raten darf, sich zu technisieren, sondern man muß für die Technisierung der kleineren Betriebe andere Wege beschreiten. Die Bundesregierung beschreitet ja schon andere Wege, nachdem die sozialdemokratische Fraktion und andere vernünftige Betriebswissenschaftler

(Lachen in der Mitte und rechts)

schon lange darauf hingewiesen haben.

(Anhaltendes Lachen.)

— Jawohl, das müssen Sie sich sagen lassen. — Die Bundesregierung hat ja 10 Millionen DM für die gemeinschaftliche Maschinenverwendung in den



Bading
Etat eingestellt. Nach unserer Ansicht ist dieser Betrag viel zu niedrig. Außerdem sind wir der Meinung, daß die Richtlinien für die Verwendung dieser Gelder ungerechtfertigterweise von einem eigenartigen Mißbrauchsdenken beseelt sind. Ich halte es für falsch, daß solche Beihilfen nur an Lohnunternehmungen und an juristische Personen ausgezahlt werden. Ich möchte vom Bundesernährungsministerium gelegentlich einmal hören, in wievielen Fällen eigentlich mit diesen Mitteln Mißbrauch getrieben worden ist. Ich halte dieses Mißtrauen nicht für angebracht. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß in dem Lande, in dem ich in den Bundestag gewählt worden bin, bereits 3800 Maschinengemeinschaften bestehen, die nicht etwa nur mit Hilfe der Mittel der Bundesregierung, sondern mit eigenen Landesmitteln aufgebaut worden sind. Ich möchte fragen, warum es dort möglich ist und warum es in anderen Ländern, die die gleiche Betriebsstruktur haben, nicht möglich ist.
Ein anderes Problem! In einem Bericht des Kuratoriums für Technik in der Landwirtschaft steht, daß die Außenwirtschaft in der deutschen Landwirtschaft weithin mechanisiert sei, wenn auch vielfach Anschaffungen von Maschinen vorgenommen worden seien, die für die Betriebsgröße ungeeignet seien; die Innenwirtschaft der Landwirtschaft steht aber immer noch auf der Stufe der Handarbeit. Immer wieder hört man bewegte Worte über das schwere Los der Hausfrauen in der Landwirtschaft darüber, daß sie zuviel arbeiten müßten. Zweifelsohne stimmt das auch. Aber was geschieht denn nun eigentlich, um die Verhältnisse zu bessern? Es sind doch alles lächerliche Maßnahmen, die bisher von der Bundesregierung auf diesem Gebiet ergriffen worden sind.

(Abg. Frau Dr. h. c. Weber [Essen] : Dann schlagen Sie doch welche vor!)

— Bitte schön, gnädige Frau, die brauche ich Ihnen gar nicht vorzuschlagen. Schauen Sie wieder einmal nach Hessen! Da bestehen schon 130 Dorfgemeinschaften lediglich aus der Kraft der Bauern in den Dörfern und mit Hilfe der Regierung.

(Zurufe von der CDU/CSU.)

Ich glaube, es ist ein gutes Werk gewesen, daß die Hessische Regierung sich daran gemacht hat, in möglichst jedem Dorf, in dem die Bereitschaft dazu und der Wille und die Kraft vorhanden sind, ein solches Dorfgemeinschaftshaus zu errichten. Aber was ist gegen diese Dorfgemeinschaftshäuser — teilweise aus Ihren Kreisen — immer wieder gesagt worden! Denken Sie doch daran, wie die — nach meiner Meinung jedenfalls — guten Absichten verfälscht worden sind.
Ich komme zu den eigentlichen Verbesserungsmaßnahmen für die Agrarstruktur. Zweifelsohne ist bei der Flurbereinigung eine gewisse Verbesserung festzustellen, wenn auch gesagt werden muß, daß sie noch unzureichend ist. Ohne Zweifel könnte man mit einer vernünftigen Vorfinanzierung mehr erreichen. Die jetzige Vorfinanzierung rein mit Kapitalmarktmitteln ist zu unsicher. Man müßte wahrscheinlich auch hier für die Vorfinanzierung Zuschüsse einsetzen. Ich empfinde es aber geradezu als lächerlich, daß behauptet wird, die Flurbereinigung lasse sich nicht in einem rascheren Tempo vorantreiben, weil es nicht genügend Angestellte zum Rechnen gebe. Herr Struve, haben Sie noch nie etwas von Rechenmaschinen gehört, auch von elektronischen Rechenmaschinen, die in der Lage sind, diesen Menschenmangel zu beheben?

(Abg. Struve: Sogar schon gesehen!)

— Wenn Sie das wissen, warum behaupten Sie hier denn so etwas?

(Abg.. Wacher: Haben Sie schon einmal automatisierte Vermessungsbeamte gesehen?)


Es ist auch notwendig, eine Staffelung der Beihilfen vorzunehmen. Die Verhältnisse sind überall unterschiedlich. Infolgedessen kann man nicht mit einem einheitlichen Beihilfesatz auskommen. Man sollte bis zu 75 % Beihilfe gehen, und zwar in den Fällen, in denen besonders hohe Ausgaben entstehen, und in den Gegenden, die infolge ihrer Höhenlage benachteiligt sind.
Ein anderes, leider sehr trübes Kapitel ist das der Aussiedlung und Aufstockung. Die Notwendigkeit der Aussiedlung und Aufstockung wird allgemein anerkannt, aber diese Anerkennung steht in keinem Verhältnis zur Leistung. Obwohl die Mittel für die Aussiedlung und Aufstockung nominal erhöht worden sind, wird der Erfolg dieser Maßnahmen ständig geringer, und zwar sowohl innerhalb des behördlichen Verfahrens als auch des sogenannten freien Verfahrens. Während im Jahre 1957 außerhalb des behördlichen Verfahrens, also im sogenannten freien Verfahren, noch 1290 Aussiedlungen vorgenommen worden sind, ist die Zahl im Jahre 1958 auf 1032 und 1959 auf sage und schreibe 537 Einzelfälle zurückgegangen. Ich brauche die Zahlen für die anderen Verfahren nicht vorzulesen; sie liegen etwa auf der gleichen Ebene.
Dieser bedauerliche Rückgang ist deshalb zu verzeichnen, weil die Richtlinien, die vom Bundesernährungsministerium erlassen worden sind, nicht den realen Verhältnissen entsprechen und infolgedessen von den Ländern nicht angewandt werden können. Statt dessen erleben wir nunmehr, weil eben diese Richtlinien nicht den realen Verhältnissen angepaßt worden sind, daß die Gelder zweckentfremdet für die vorübergehende Sanierung der Alterskassen für Landwirte verwandt werden. Daß zur Verbesserung der Agrarstruktur eingesetzte Mittel vom Bundesernährungsministerium einfach für fremde Zwecke benutzt werden, ist ein geradezu beschämender Zustand.

(Zustimmung rechts. — Abg. Kriedemann: Betretenes Schweigen in der Mitte!)

Ich muß noch auf einen anderen Punkt eingehen, der mir wichtig zu sein scheint: die Althofsanierung. Ich brauche nicht im einzelnen zu erklären, was das ist; die Althofsanierung ist Ihnen bekannt. Die Konditionen hierfür sind ausreichend. Doch scheint es mir auch hier notwendig zu sein, daß die Darlehnsbegrenzungen zumindest erhöht werden.



Bading
Aus Zeitgründen möchte ich mich kurz fassen. Nur noch einige Worte zur Frage der Förderung der Höhengebiete. Das Bundesernährungsministerium hat für diese Zwecke erstmalig 10 Millionen DM eingesetzt, aber lediglich zur Verbesserung der Verhältnisse in eng begrenzten Gebieten, nämlich in der Eifel und in der Westpfalz. Ich möchte den Herrn Bundesernährungsminister fragen, ob er etwa der Ansicht ist, daß die Verhältnisse in den anderen deutschen Höhengebieten günstiger liegen als in der Eifel oder in der Westpfalz.

(Zuruf von der Mitte: In Hessen!)


Ich glaube, daß sie keineswegs günstiger liegen, weder in der Bayerischen Ostmark noch etwa im Schwarzwald, noch in den hessischen Höhengebieten, etwa auf dem Vogelsberg.

(Zuruf von der FDP: Auch in Niedersachsen!)

— Auch in Niedersachsen gibt es einige wenige Höhengebiete; selbstverständlich kommen auch diese in Frage.
Die Anfänge, die von den Ländern bereits gemacht worden sind, sind zweifellos zu begrüßen, reichen aber keineswegs aus. Ich habe neulich von einem baden-württembergischen Sanierungsplan für den Hochschwarzwald gehört, mußte dabei aber lesen, daß Bergbauernbetriebe mit 80 bis 100% Dauergrünland, also Betriebe, die nur die Möglichkeit zur Rindviehhaltung haben, in ihrer Größe belassen werden sollen, so daß sie nur drei bis vier Kühe halten können. Diese Betriebe werden niemals zu einer größeren Einnahme als 3- bis 4000 DM im Jahr kommen. Das ist für solche Betriebe völlig unzureichend. Es genügt also nicht, solche regionalen landwirtschaftlichen Programme durchzuführen.
Wir geben uns Illusionen hin, wenn wir glauben, in den Höhengebieten allein mit agrarstrukturellen Maßnahmen irgend etwas erreichen zu können. Hier ist ganz etwas anderes notwendig. Wir müssen versuchen, in diesen Höhengebieten die gesamte Wirtschaftsstruktur zu ändern. Falls uns das nicht gelingt, werden wir uns nicht dagegen wehren können, daß die Menschen infolge der ungeheuren Differenz zwischen ihrem landwirtschaftlichen Einkommen und dem in den übrigen Teilen der Wirtschaft erzielbaren Einkommen aus den Höhengebieten abwandern. Daran hat keiner von uns Interesse. Infolgedessen müssen wir dafür sorgen, daß neue Erwerbsmöglichkeiten für die Menschen in diesen Gebieten geschaffen werden. Was die Bundesregierung auf diesem Gebiet getan hat, ist völlig unzureichend. Das liegt in erster Linie daran, daß es zu einer echten Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ressorts bisher noch nicht gekommen ist. Das Landwirtschaftsministerium ist nur für Siedlung und Flurbereinigung zuständig, das Wirtschaftsministerium nur für die Regionalförderung, die einzelnen Kultusministerien in den Ländern für die Schulen, das Verkehrsministerium für die Wege. Es ist bisher noch nicht gelungen, eine Zusammenarbeit zustande zu bringen.
Meine Damen und Herren, ich möchte mit einem Wunsch schließen. Der Herr Bundeskanzler sollte
weniger Wert darauf legen, Vertretern von Wählermassen, wenn sic ihn besuchen, Versprechungen zu machen,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

er sollte seine Stellung als Bundeskanzler vielmehr dazu benutzen, eine vernünftige Koordination der Ressorts herbeizuführen, um dadurch zu erreichen, daß wir eine vernünftige Raumplanung für diese notleidenden Gebiete bekommen. Damit würde er ein wirkungsvolleres Werk tun.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja Kabinettsbeschluß!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0310604500
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Bemerkung außerhalb der Tagesordnung, da die Angelegenheit wegen der Drucklegung dringend ist. Bei der Beratung des Straßenbaufinanzierungsgesetzes ist ein redaktionelles Versehen vorgekommen. Die Antragsteller zu Umdruck 473*) haben, wie sich bei nachträglicher Prüfung herausstellt, versehentlich in Abs. 1, Satz 3, des Art. 7a den Ausdruck „Steuerermäßigung" an Stelle von „Betriebsbeihilfe" gebraucht. Da der Artikel überschrieben ist „Betriebsbeihilfe für den Werkfernverkehr im Zonenrandgebiet und in den Frachthilfegebieten" und auch im übrigen Text dreimal ausdrücklich und auch sonst eindeutig klargestellt ist, daß lediglich Betriebsbeihilfen in Frage stehen, handelt es sich um ein redaktionelles Versehen. Ich bitte zu genehmigen, das richtigzustellen. — Das ist hiermit geschehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Weber.

Fritz Weber (FDP):
Rede ID: ID0310604600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage meiner Fraktion habe ich die Anträge, die wir gestellt haben, zu begründen. Ich will es ganz kurz machen. Gestatten Sie mir, zu dem, was bis jetzt gesagt ist, einige Worte. Vieles, was heute gesagt wurde, hätte in die Ausschußberatungen gehört.

(Lachen bei der SPD.)

— Da gibt es gar keinen Zweifel. Wir müssen doch die Dinge politisch sehen, Herr Kollege Kriedemann, und da muß ich gerade dem Kollegen Bauknecht sagen: Bitte, treten Sie unseren Anträgen näher. Wenn die Dinge so sind, wie Sie sie — nach meiner Meinung richtig — geschildert haben, dann stimmt etwas nicht im Grünen Bericht. In unserem Antrag Umdruck 497 fordern wir Zurückweisung des Grünen Berichts. Ich habe die Bitte an die Bundesregierung, ihn zu berichtigen und bis zum Mai erneut vorzulegen.
Die Berechnungen in den Bundesstatistiken, die dem Grünen Bericht zugrunde liegen — Berechnungen mit Vollarbeitskräften —, stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein. Ich sage mit aller Deutlichkeit: die Berechnung, auf die sich die Vergleichsrechnung des Grünen Berichts stützt, stellt ein in die Zukunft projiziertes Vexierbild dar. Die Wirklichkeit ist anders! Wenn die Lage der Landwirtschaft in bezug auf die Vollarbeitskräfteberech-
*) Siehe 105. Sitzung Anlage 5

Weber (Georgenau)

nung so wäre, wie sie im Grünen Bericht dargestellt ist, hätten wir einen wesentlichen Teil des Strukturwandels schon hinter uns. Dem ist aber nicht so. —Aber diese Dinge können wir im Ausschuß beraten.
Herr Minister, ich weise darauf hin, daß die Bundesstatistik im Jahrbuch 1959 und die Statistik des Grünen Berichts nicht übereinstimmen. Bekanntlich kann man mit Statistiken alles nachweisen. Aber wenn man mit Statistiken etwas beweisen will, müssen die des Bundes mindestens übereinstimmen. Ich hoffe, wir werden im Ausschuß Gelegenheit haben, zu den Einzelheiten genau Stellung zu nehmen.
Herr Kollege Bauknecht hat die große Problematik hier schon so dargelegt, daß ich nicht mehr darauf zurückkommen will. — Aber nun zu Ihnen, meine sehr verehrten Herren Kollegen von der SPD. Herr Kollege Kriedemann und Herr Kollege Bading, ich frage mich: was wollen Sie eigentlich? Sie stellen den Strukturwandel so groß heraus. Gerade Sie, Herr Kriedemann, das sage ich von der FDP hier ganz deutlich, haben mit dazu beigetragen — zusammen mit der Agrarpolitik der CDU, die hinter uns liegt —, daß die öffentliche Meinung über die Landwirtschaft schlechter wurde. Die öffentliche Meinung wurde so beeinflußt, daß heute allgemein die Auffassung vorherrscht, als ob das Agrar-Problem mit Strukturwandel zu lösen sei.

(Abg. Kriedemann: Da hat die öffentliche Meinung sogar recht!)

— Nein, sie hat nicht recht. Sie, Herr Kollege Kriedemann und Herr Kollege Bading, Sie von der SPD haben in einer üblen Weise hier klein gegen groß aufgehetzt. Ich habe meine Nase noch etwas dichter in der Praxis. Ich bin selber Sohn eines Kleinbauern mit einer Wirtschaft von 6 ha und bewirtschafte heute als Pächter im Schwarzwald einen arrondierten 60-ha-Betrieb — er ist strukturell gesund — in 550 m Höhenlage. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie die Dinge liegen.
Neulich habe ich mir, Herr Kriedemann, bei der Buchstelle, der ich schon jahrelang angeschlossen bin — als Beispiel —, die Betriebsergebnisse der besten zwölf Betriebe geben lassen, natürlich nur anonym. Ich habe sie nach allen Seiten nachgerechnet. Das sind diese Zuckerrübenbaubetriebe, die Betriebe, von denen Sie sagen, daß sie unheimliche Gewinne einstecken! Herr Kollege Kriedemann, legen Sie eine Rechnung auf, und Sie werden unserer Ansicht in Zukunft beitreten müssen: es gibt nur die eine Möglichkeit, nämlich die, den kostendeckenden Preis für den guten, strukturell gesunden Betrieb zu nehmen. Dann werden die Kleinbetriebe alle mitkommen.

(Beifall bei der FDP.)

Sie bringen heute mit Ihrer Politik Unruhe in unser Kleinbauerntum. Herr Kollege Bading, ich möchte Ihnen sagen, daß Sie mit Ihrer jetzigen Argumentation dazu beitragen. Glauben Sie denn, daß wir das Problem in der Praxis mit Strukturwandel lösen könnten? Gerade bei mir im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb würden Ihnen die Kleinbauern, die in die Fabriken gehen, etwas
sagen, wenn Sie ihre Betriebe strukturell andern wollten. Wie wollen Sie eigentlich den Eigentumsverhältnissen gerecht werden?

(Abg. Bading: Hier wollte ich doch nichts ändern!)

— Ja, dann müssen Sie auch zugeben, daß im Grünen Bericht, so wie er heute vorliegt, daß in der heutigen Vergleichsrechnung nicht die nachhinkenden, nicht die unwirtschaftlichen Betriebe im Gesamtergebnis drin sind. Ich sage Ihnen: die Bereinigung auf Vollarbeitskräfte nach der Agrarpolitik der heutigen und hinter uns liegenden Zeit hat die Strukturbereinigung schon weitestgehend vorgenommen. Wir kommen auf diese Dinge noch zurück. Ich belege es hier. Als Betriebsleiter eines Betriebes, der strukturell gesund und arrondiert ist — 60 ha, vollständig eben, Maschineneinsatz —, kann ich Ihnen die Rechnung für heute und für die Zukunft aufmachen.
Die Frage des kostendeckenden Preises werden Sie nicht vom Tisch bringen. Darauf zielen unsere Anträge.

(Abg. Kriedemann meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

— Herr Kollege Kriedemann, ich gebe Ihnen die Antwort gleich vorneweg.

(Heiterkeit und Zurufe von der SPD.)

— Ich gebe Ihnen recht; gewiß, ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Kriedemann.

(Erneute Zurufe von der SPD.)

— Sagen Sie es nachher. Ich gebe Ihnen recht; ich wollte gerade auf Sie zukommen. —
Eine Globaldisparität, wo alle mit drin sind, auch die Fußkranken, lehnen auch wir ab. Wir wollen eine Disparitätsausrechnung auf der Grundlage des strukturell gesunden Betriebs und mit der Kostendeckung, wie sie dem Landwirtschaftsgesetz zugrunde liegt. Ich gebe Ihnen recht, daß die Forderung nach Index vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus nicht absolut tragbar ist. Diese Debatte werden wir weiterführen. Aber das Prinzip, das Sie von der SPD und von der CDU selber im Landwirtschaftsgesetz zugrunde gelegt haben, daß sich im gesunden Betrieb Aufwand und Ertrag decken müssen, müssen Sie beibehalten.
Nehmen Sie als Beispiel einen gesunden Betrieb
— Sie können auch einen Großbetrieb nehmen, weil der bei uns in Deutschland nicht sehr groß ist — mit 50 ha und einen Viehbesatz von 0,8 Großvieh-Einheiten je Hektar, wie dies dem Durchschnitt der deutschen Landwirtschaft entspricht. Dann kann ich Ihnen sagen: Wenn bei diesem Betrieb die Rechnung aufgeht, können unter gleichen Preisverhältnissen alle unsere Kleinbauern bestehen. Mit anderen Worten: Keiner von unseren Kleinbauern, der Bauer bleiben will, wird aufgeben; sie werden die letzten sein, die das tun. Die, die nicht in der Lage sind, die Arbeit in ihren Betrieben allein mit familieneigenen Arbeitskräften zu meistern, werden die ersten sein, die aufgeben müssen.

(Beifall bei der FDP.)


Weber (Georgenau)

Darf ich Ihnen nun noch ganz kurz unsere Anträge erläutern. Der erste Antrag — Umdruck 497 — fordert Zurückweisung und Berichtigung des Grünen Berichts. Herr Bundesminister, wir werden die Dinge nicht vorn Tisch kommen lassen. Die Voll-Arbeitskräfte-Berechnung muß durchgeführt werden. Ich könnte Ihnen hier genau beweisen, daß die vorgelegte Rechnung nicht stimmt. Wir werden, wenn es nicht gemacht wird, mit aller Deutlichkeit immer wieder darauf zurückzukommen.
Ich komme zum zweiten Antrag, der nun einmal nötig geworden ist, nachdem die Dinge so gelaufen sind. Bekanntlich haben wir z. B. den Butterzoll nicht gewünscht — die Aussetzung des Butterzolls war es ja gar nicht gewesen —; mit dem hätte man die erste Überspitzung auffangen können. Aber nachdem die SPD nur 20 000 t Buttereinfuhr-Ausschreibungen gefordert hatte, haben das Bundesernährungsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium, hat die Bundesregierung 50 000 festgesetzt. Dadurch ist das Dilemma gekommen. Das ist doch die wirkliche Lage.

(Ahg. Bauknecht: 30 000 sind hereingekommen, und nach der Aussetzung noch 20 000, genau die Summe, die die SPD beantragt hat!)

— Dann war eben das schon zuviel, darüber gibt es gar keinen Zweifel.

(Abg. Bauknecht: Wir wollen doch einen anderen Weg gehen, das wissen Sie doch!)

— Das weiß ich. Wir wollen die Dinge nicht weiter vertiefen.

(Zuruf von der SPD: Herr Weber, wir haben doch nur „bis zu" 20 000 gefordert, sagen Sie also nicht 20 000!)

— Ich habe deutlich herausgestellt, daß Sie von der SPD die Dinge gar nicht übertrieben haben, sondern hier liegt die Verantwortung eindeutig bei der Bundesregierung. Hier hätte man die handels- und zollpolitischen Maßnahmen anders handhaben müssen, um dem Landwirtschaftsgesetz gerecht zu werden. Wenn uns durch solche Maßnahmen in einem Jahr wieder das kaputt geht, was wir an Milchprämie bekommen, dann ist es sinnlos.

(Zuruf von der FDP: Hunderte von Millionen gehen uns verloren! — Zurufe von der Mitte.)

Ganz kurz zu den Schwierigkeiten, die auf uns durch die Eingliederung in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und vor allem auch im Hinblick darauf zukommen, daß in diesem Jahr die Form und der Weg der Agrarpolitik in der EWG bestimmt werden. Wir haben deshalb große Sorge, und um die Bundesregierung zu veranlassen, diese Frage zu klären, haben wir auf Umdruck 495 einen Antrag gestellt, die Bundesregierung möge prüfen und dem Bundestag darüber berichten, inwieweit als Sofortmaßnahme Mindestpreise und ein Mindestpreissystem angewendet werden können. Ich glaube, ich brauche weiter nicht viel dazu zu sagen.
Der letzte Antrag auf Umdruck 496 enthält einmal die Aufforderung, auf Grund des soeben Gesagten eine Agrarpolitik zu machen, die der Zielsetzung ,des Landwirtschaftsgesetzes gerecht wird, und zweitens — und hier, Herr Kollege Kriedemann, treffen wir uns wieder — .die Aufforderung, die Bundesregierung und dieses Haus mögen in Zukunft alle agrarpolitischen Möglichkeiten prüfen, insbesondere auch prüfen, ob nicht ein Stilwandel in der Agrarpolitik heute gerade in Hinsicht auf die EWG angebracht ist. Wir bitten, diese zweite Möglichkeit einer agrarpolitischen Maßnahme, wie sie in England heute gehandhabt wird — ähnlich auch in anderen Ländern —, zu prüfen und dem Hause zu berichten. Der Wunsch der FDP geht dahin, daß man sich auch im Ernährungsausschuß und in diesem Hause mit diesen wichtigen agrarpolitischen Fragen befaßt.
Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß eine dem englischen System ähnliche Anwendung der Agrarpolitik große Schwierigkeiten bringt, aber wir wissen, daß sie mehrere große Vorteile mit sich bringen würde: die 80 Jahre alte Feindschaft zwischen Erzeugern und Verbrauchern entfällt, wenn man den Inlandspreis für Agrarprodukte auf den Weltmarkt einspielen läßt. Dann weiß jeder, daß er nirgends billiger leben kann als im Inland. Die Frage ist, ob wir die Konsequenzen daraus ziehen, die Frage ist, ob wir die Möglichkeiten und auch Notwendigkeiten sehen. Ich denke nicht zuletzt auch an unsere Ernährungsindustrie. Ich frage mich, in welche Schwierigkeiten sie durch die mit der Eingliederung in die EWG verbundene Umstellung kommen wird und welche Rückschläge für die Landwirtschaft dadurch entstehen. Hier stehen wir an einem Wendepunkt und haben ,die Aufgabe, alle Möglichkeiten zu prüfen.
Herr Minister, das Ziel ist in Stresa klar herausgestellt worden: ein gesundes Bauerntum, das auf der Grundlage eines gesunden Familienbetriebs arbeitet. Herr Kollege Struve hat eingangs die Tragödie dargelegt, die sich auf ,diesem Gebiet im Osten abspielt.
Letzten Endes ist das wesentlichste, daß das deutsche Bauerntum und unsere Familienbetriebe wissen, welche Berechtigung sie haben, wie sie eingestuft sind, wie man sie wertet und ob man auch in Zukunft bereit ist, ihnen den gerechten Lohn auf der Grundlage des Landwirtschaftsgesetzes zu geben, nämlich auf der Grundlage der Aufwands- und Ertragsrechnung. Das ist das Anliegen, das unseren drei Anträgen zugrunde liegt. Wir bitten Sie, diesen Anträgen zuzustimmen und sie an den Ausschuß zu überweisen.


(Beifall bei der FDP und bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0310604700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Pannhoff.

Dr. Maria Pannhoff (CDU):
Rede ID: ID0310604800
Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! Wegen der vorgeschrittenen Zeit nichts mehr, zur wirtschaftlichen Parität!



Frau Dr. Pannhoff
Ich möchte vielmehr in aller Kürze und Konzentration eine andere Frage anschneiden: Wie steht es mit ,der sozialen Anpassung der bäuerlichen Familie an den sozialen Status der Familien mit etwa gleicher Vermögens- und Einkommenslage in den Städten? Ich bin, wie Sie wissen, keine Bäuerin, ich bin Ärztin und komme in städtische und bäuerliche Familien. Ich darf wohl jetzt für mich in Anspruch nehmen, daß ich ein Urteil über diesen Vergleich geben kann.
Wir wissen alle, daß die Landwirtschaft im Gegensatz zur gewerblichen Wirtschaft von Witterungseinflüssen und Naturereignissen abhängig ist. Ich darf daran erinnern, daß die nordwestdeutsche Landwirtschaft allein in den letzten fünf Jahren dreimal Mißernten gehabt hat, die sie nicht nur verkraftet hat, sie hat sogar dafür gesorgt, daß die Milchanlieferung in den Großstädten auf Kosten der westdeutschen Landwirtschaft mit den Mitteln aus dem Süden — das ist unsere Marktordnung — voll aufrechterhalten blieb. Das soll man der Landwirtschaft nicht vergessen; dafür sind wir ihr dankbar.
Aber die Frauen, die in den bäuerlichen Betrieben, um deren Erhaltung es uns so besonders geht, arbeiten — das ist bekannt; Herr Kriedemann hat es vorhin ausgesprochen —, sind mit Arbeit nicht nur belastet — arbeiten wollen diese Frauen gern —, sie sind bis zur Erkrankung überlastet. Ich sage nichts Neues. Es sind bekannte Tatsachen; sie sollten wenigstens bekannt sein.
Die Bauernfrau hat einen Tag mit einer Arbeitszeit von etwa 11 bis 13 Stunden, in der Ernte noch mehr. Diese Arbeitszeit verteilt sich nach den Ergebnissen des Forschungsinstituts für Hauswirtschaft in Hohenheim zur Hälfte auf den bäuerlichen Betrieb und zur Hälfte auf den Haushalt. Weil die Bauernfrau im Betrieb mitarbeitet, sind alle Verbesserungen, die dem Betrieb zugute kommen, auch Erleichterungen für die Landfrau. Aber das reicht nicht.
Ich bin, vom Gesundheitlichen und vom Sozialen her gesehen, der Auffassung, daß man ihr dringend und bald mehr Erleichterungen bringen muß, und ich frage mich, warum wir, die wir nicht nur in der Landwirtschaft nach Rationalisierung in allen Betrieben streben — die gesamte Wirtschaft beruht auf Rationalisierung —, nicht auch den ureigensten Arbeitskreis dieser Frauen, nämlich die Hauswirtschaft, rationalisieren, die Rationalisierung wenigstens in Angriff nehmen.
Weil meine Herren Vorredner in manchen in Klammern gesetzten Bemerkungen zur Landfrauenfrage bereits Stellung nahmen, darf ich mich auf das beziehen, was über die nicht befriedigende Form der jetzt zustande gekommenen Aufstockung gesagt wurde. Ich bin der Auffassung, daß dafür die Richtlinien geändert und die Mittel verstärkt werden müssen.
Aber ich frage hier ganz klar: Warum gibt es keine soziale Wohnungswirtschaft, keinen sozialen Wohnungsbau für die bäuerlichen Familien in einer Form, die durchführbar ist? Wir können die bäuerlichen Familien mit Erträgen, die Sie im Grünen
Bericht nachlesen können, nicht der Familie eines Mannes gleichsetzen, der in der gewerblichen oder industriellen Wirtschaft steht, sondern für die bäuerlichen Familien sind ganz andere Zahlen und andere Verhältnisse zugrunde zu legen.
Wir müssen, um diesen überarbeiteten und kranken Frauen Hilfe zu bringen, schleunigst an die Arbeit gehen. Ich habe daher die dringende Bitte, die Richtlinien im sozialen Wohnungsbau in der Sparte Bau für bäuerliche Familien zu ändern und den Verhältnissen anzupassen. Wir können uns nicht etwas nur theoretisch vornehmen, es muß sich auch in die Praxis überführen. lassen.
Ich bin der Auffassung, daß bei dem Abwandern der Kräfte aus der Landwirtschaft noch ein besonderer Umstand vorliegt, den wir einmal etwas in das Blickfeld rücken müßten. Daß infolge des Lohngefälles sehr viele Arbeitskräfte abwandern, sagen wir, ist jetzt, wo wir rationalisieren müssen, einfach notwendig. Aber im Statistischen Jahrbuch für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aus 1957 wird nachgewiesen, daß von den familieneigenen Kräften von 1937 bis 1957 20 % der Männer und 26 % der Frauen abgewandert sind. Die Männer sind abgewandert, weil sie bessere Verdienstmöglichkeiten haben. Bei den Frauen ist dieses Moment nicht — oder wenigstens nicht allein ausschlaggebend gewesen. Die Frauen haben in vielen Fällen in der Landwirtschaft gar nicht für Entgelt gearbeitet. Die Frauen sind abgewandert, weil sie das Schicksal der Bäuerin nicht mehr übernehmen wollen. Die Mädchen sehen, wie die Mütter arbeiten müssen. Sie wollen nicht werden, was die Mütter sind.
Wir nehmen auf dem Lande Meliorationen vor und kümmern uns um die familieneigenen Betriebe. Auf der anderen Seite sehen wir aber, daß nicht nur Kräfte weggehen, bei denen wir sagen können, sie seien klug, wenn sie fortgehen und sich eine andere Existenz suchen, sondern daß auch Hoferben und Bauerntöchter hochqualifizierter Art wegziehen, Bauerntöchter, die als Frauen für die Hoferben in Frage kämen und Landfrauen und Bäuerinnen wären, wie wir sie uns in Deutschland wünschen. Auch diese Frauen erklären, daß sie unter diesen Bedingungen nicht arbeiten wollten. Ich meine deshalb, daß wir hier bald Remedur schaffen müssen und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Wir müssen schleunigst an die Arbeit gehen.

(Beifall in der Mitte.)

Hinzu kommt folgendes. Unsere jungen Bauernburschen sind gut ausgebildet. Sie machen in der Landwirtschaft Gesellen- und Meisterprüfungen. Die jungen Mädchen sind in den neuen und rationellen Methoden der ländlichen Hauswirtschaft bestens ausgebildet. Ich bin immer innerlich ergriffen, wenn ich in den Kursen und Arbeitsgemeinschaften junge und alte Bauern, aufgeschlossene Menschen, auch Bäuerinnen, sitzen sehe und feststelle, wie sie sich ganzheitlich fortbilden lassen, damit sie mit dem Tempo der modernen Welt Schritt halten können. Was nützt aber den jungen Menschen das modernste Wissen, wenn sie dann in alte Häuser mit weiträumigen Küchen und veralte-



Frau Dr. Pannhoff
ten Anlagen kommen? Ich sage als noch einmal: Warum kein sozialer Wohnungsbau in einer Form, wie er sich auch für ländliche Familien durchführen läßt? Wir sollten hier bald etwas tun, denn die Zeit drängt.
Bei Gesprächen im Bundestag, in den Ausschußberatungen, aber auch sonst mache ich immer die Feststellung, daß man alles vom Standpunkt des Menschen der hochindustrialisierten Welt aus beurteilt. Wenn dann gesagt wird, daß sich irgend etwas im bäuerlichen Raum wegen der ganz anderen Gegebenheiten nicht durchführen läßt, dann heißt es: „Aha, die Bauern! Schon wieder eine Extrawurst!"

(Beifall in der Mitte.)

So haben wir es auch gestern wieder gehört.
Sie wissen, daß ich keine Bäuerin bin. Ich versuche aber, den Weg des gerechten Ausgleichs zu gehen. Das tue ich nicht für mich. Ich will versuchen, einen solchen Weg aufzuzeigen, so gut ich das kann. Ich sehe eine Gefahr darin, daß wir die Landwirtschaft — ohne daß wir es wollen — in eine Sonderposition des Ressentiments hineinspielen. Einmal entwickelt sich die Landwirtschaft auf Grund der naturgegebenen Umstände langsam. Ich habe schon einleitend auf die Naturvorkommnisse hingewiesen, die wir modernen Menschen des automatisierten Zeitalters nicht im Griff haben; vorläufig wird es auch noch nicht so weit kommen. Auf der anderen Seite stellt man aber fest, daß der Durchschnittsbürger unserer industrialisierten Gesellschaft häufig kein Verständnis für die Situation der Landwirtschaft aufbringt. Wir dürfen dieses Ressentiment, das sich in weiten Kreisen der Landwirtschaft entwickelt, nicht weiter aufkommen lassen. Wir müssen nämlich fürchten, daß sich daraus politische Aktionen entwickeln können. Ihnen müssen wir rechtzeitig steuern. Ich möchte darauf ganz besonders hinweisen. Es könnten hier im öffentlichen Raum unangenehme Dinge entstehen; wir sollten ihr Entstehen von vornherein abbremsen.
Wir sollten, wenn wir so sehr viel uns um Dinge bemühen, auch große Erfolge sehen — Aufbau der Städte, Einordnung der Flüchtlinge; wir haben sehr vieles getan —, uns aber jetzt klarmachen, daß endlich etwas für die Dorf- und ländlichen Gemeinden zu geschehen hätte. Auch darauf ist vorhin schon öfters hingewiesen worden.

(Abg. Kriedemann: Vor einigen Jahren schon erzählt worden!)

Wir sprechen so oft von der Hilfe für die unterentwickelten Gebiete in anderen Erdteilen. Ich weiß, daß sich hier Weltprobleme anbahnen. Denken wir aber doch daran, daß wir auch in der Bundesrepublick echte unterentwickelte Gebiete haben, und gehen wir im Rahmen des Möglichen beim Grünen Plan und auch der Möglichkeiten des Finanzministers und des Wirtschaftsministers an Überlegungen heran, wie wir auch den Lebensstandard und die soziale Lage der Menschen in diesen agrarischen Gebieten, in diesen Dorfgemeinden, in diesen ländlichen Gemeinden ändern! Wir sollten nicht nur die Fernsten lieben — um noch zum Schluß mit
Nietzsche zu reden - sondern uns auch um die Nächsten kümmern.

(Beifall bei der CDU CSU.)


(Beim Verlassen des Rednerpultes:)

Mir ist hier ein Zettel hingelegt worden: „Wegen schlechter Besetzung des Hauses ist heute Schluß der Debatte und Fortsetzung Mittwoch morgens um 9.00 Uhr."

(Heiterkeit. — Zurufe.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0310604900
Ich verkneife mir jede weitere Bemerkung und gebe das Wort dem Herrn Abgeordneten Frehsee.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0310605000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen, sehr verehrte Frau Kollegin Dr. Pannhoff, in keiner Weise widersprechen. Sie haben ja recht, wenn Sie hier so warm von der überlasteten Bäuerin sprechen und so vehement und mit Inbrunst nach Erleichterungen rufen und uns alle dringend auffordern, solche Erleichterungen bald zu schaffen, und wenn Sie sagen, wir sollten schleunigst an die Arbeit gehen. Aber — Sie müssen mir nicht böse sein — es erfüllt mich bei alledem doch ein Gefühl des Unbefriedigtseins. Sie haben eine gleiche Rede vor einem Jahr hier gehalten, Frau Kollegin. Sie haben soeben wieder die gleiche Aufforderung an uns alle gerichtet. Ich vermisse, mit Ausnahme des den sozialen Wohnungsbau für die bäuerliche Bevölkerung betreffenden Vorschlages, konkrete — konkrete! — Vorschläge und konkrete Taten und die Bereitschaft zu konkreten Taten, wie man dieser — anerkanntermaßen — so überlasteten Bäuerin und Landfrau helfen kann.

(Abg. Kriedemann: Sehr gut!)

Mein Kollege Bading hat vorhin — ich spreche jetzt die Frau Kollegin Pannhoff unmittelbar an — auf solche konkreten Möglichkeiten der Hilfe für die Landfrau, für die Bäuerin hingewiesen, als er von den Gemeinschaftseinrichtungen sprach, von den dörflichen Gemeinschaftseinrichtungen, die in besonders großer Zahl nun im Lande Hessen geschaffen worden sind.

(Zuruf von der CDU/CSU.)

— Nein, bitte, rein sachlich: solcherlei Art konkreter Hilfsmaßnahmen für die Landfrau müssen wir ergreifen, wenn wir es ernst meinen. Wir sollten hier also nicht lediglich warmherzige Appelle an den Bundestag richten,

(Abg. Kriedemann: Deklamationen!)

wir sollten konkrete Vorschläge machen und die Bereitschaft zu erkennen geben, auch konkrete Beschlüsse zu fassen.

(Abg. Wacher: Mein Vorschlag zur Rationalisierung der Gehöfte! — Zuruf von der SPD: Wo steht denn „Althofsanierung"? Wo steht es im Etat?)

Einige Bemerkungen, die ich mir nicht verkneifen kann, Herr Kollege Weber. Ich weiß nicht recht — das habe ich heute von Ihnen zum ersten Male



Frehsee
gehört, ich habe Sie hoffentlich richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, diese 8000 Testbetriebe, deren Wirtschaftsergebnisse dem Grünen Bericht zugrunde gelegt würden, seien die besser situierten Betriebe. Meines Wissens ist man bei der Auswahl dieser 8000 Betriebe doch nicht davon ausgegangen, welcher Qualität der betreffende Betriebsleiter, Betriebsführer ist und wie die Betriebe geführt werden, sondern lediglich davon, welcher Größenklasse sie angehören.

(Widerspruch bei der CDU/CSU.)

Man hat also nach Betriebsgrößenklassen, nach Betriebssystemen, nach Bodennutzungssystemen und nach Betriebstypen ausgesucht, aber doch nicht etwa nach der Qualität der Betriebsleiter. Das ist mir also ganz neu. Insofern muß ich mich also schützend vor den Grünen Bericht stellen. Denn es ist ja wohl auch ein Anliegen des Landwirtschaftsgesetzes und insbesondere dieses Paragraphen, auf dem der Grüne Bericht beruht, gewesen, daß ein exaktes, klares und objektives Bild von der tatsächlichen Situation in den verschiedensten landwirtschaftlichen Betrieben der verschiedensten Größenklassen, der verschiedensten Typen und Nutzungssysteme erstellt wird.
Herr Kollege Weber, keinen Zweifel bitte daran — nur damit das nicht im Raume stehenbleibt —: auch die Sozialdemokraten sind nach wie vor der Auffassung, daß ein angemessenes Verhältnis zwischen Ertrag und Aufwand bestehen muß. Die Sozialdemokraten haben ja damals dem Landwirtschaftsgesetz zugestimmt. Ich glaube, Herr Kollege Weber, Sie waren zu jener Zeit noch nicht hier; ich weiß es nicht genau. Aus § 5 dieses Landwirtschaftsgesetzes, dem die SPD, wie gesagt, zugestimmt hat, ergibt sich, daß ein gesunder Ausgleich zwischen dem Betriebsaufwand und dem Betriebsertrag angestrebt wird. An dieser Auffassung der SPD hat sich gar nichts geändert.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0310605100
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0310605200
Bitte!

Fritz Weber (FDP):
Rede ID: ID0310605300
Herr Kollege Frehsee, ist Ihnen entgangen, daß ich den Grünen Bericht nicht in dieser Hinsicht, sondern in der Frage der Auswertung der Vollarbeitskräfte angezweifelt habe? Ich weiß genau, was ich damit sagen will.

Heinz Frehsee (SPD):
Rede ID: ID0310605400
In dieser Beziehung bin ich sogar Ihrer Meinung. Ich werde dazu noch einiges sagen. Ich habe Sie aber an einer anderen Stelle so verstanden — es mag sein, daß ich Sie mißverstanden habe —, daß Sie insgesamt angezweifelt hätten, daß die Ergebnisse hinsichtlich dieser 8000 Betriebe unter den eben von mir angeführten Gesichtspunkten zusammengestellt worden seien.
Nun zu dem speziellen Thema, das ich hier behandeln will. Das sind wie üblich die Fragen der Lohnsituation in der Landwirtschaft, der Sozialstruktur, insbesondere der Arbeitskräftestruktur,
und einige Sozialpolitische Fragen. Auch ich will
mich wegen der vorgeschrittenen Zeit kurz fassen.
Gleich in seinem Teil A sagt der Grüne Bericht im Kapitel I, daß der tarifliche Gesamtlohn der Landarbeiter im Durchschnitt des Wirtschaftsjahres 1958/1959 6 % höher ,als im Vorjahr gewesen sei und daß sich der Abstand gegenüber den Arbeitsverdiensten der Industriearbeiter damit weiter relativ verringert habe.
Im großen und ganzen möchte ich zu dem Grünen Bericht sagen, daß er wieder eine Verbesserung gegenüber den Grünen Berichten der vergangenen Jahre darstellt. Ich möchte hier anerkennend sagen, daß vieles von dem, was in der „Grünen" Debatte vor einem Jahr an Verbesserungsvorschlägen und an konstruktiver Kritik vorgetragen worden ist, von ,den Herren des Ernährungsministeriums und den sonstigen mitarbeitenden Stellen bei dem jetzigen Grünen Bericht berücksichtigt worden ist.
Aber es sind noch eine Reihe von Schönheitsfehlern darin, so beipielsweise auch hier. Es heißt, wie gesagt, der Abstand der Arbeitsverdienste habe sich „relativ weiter verringert". Was soll das, meine Damen und Herren? Das läßt mindestens die Frage offen, ob der Abstand sich auch absolut verringert hat oder ob er absolut gleichgeblieben oder sogar größer geworden ist. Darauf kommt es doch an. Wenn wir also ein wirklich klares und exaktes Bild der Landwirtschaft haben wollen, sollten wir solche Formulierungen unterlassen.
Auf Seite 23 können Sie feststellen, wie dieser t Vergleich zustande gekommen ist. Dort sehen Sie, daß der Lohn des Landarbeiters von 1957/1958 bis 1958/1959 von 1,43 DM auf 1,54 DM je Stunde gestiegen ist, also um 11 Pf — das ist nicht der Tariflohn, sondern der fortgeschriebene Brutto-StundenVerdienst —, während die Löhne der gewerblichen Arbeitnehmer auf dem Lande, die hier zur Ermittlung des Vergleichslohns herangezogen werden, von 1,90 DM auf 2,02 DM, also um 12 Pf angestiegen sind. Der Abstand der Landarbeiterlöhne von den Verdiensten der Industriearbeiter hat sich also absolut vergrößert. Das ist ein sehr bedauernswertes Zeichen, und das rechtfertigt ,die Kritik, die hier von den verschiedensten Seiten vorgetragen worden ist. Wir sollten auch in solchen Fragen im Grünen Bericht die Dinge so aussprechen, wie sie sind.
Ein anderes! Heute vor einem Monat, am 11. Februar, hat der Herr Bundesminister, als er den Grünen Bericht erläuterte und den Grünen Plan einbrachte, gesagt, der sogenannte je Vollarbeitskraft erzielte Lohn — das entspricht wohl nicht ganz dem sogenannten Arbeitseinkommen — sei von 2318 DM im Wirtschaftsjahr 1954/55 auf 3538 DM im Wirtschaftsjahr 1958/59 gestiegen. Das sei eine Zunahme um rund 1200 DM oder gut 50 %. Ich habe gar nichts gegen die Zunahme des sogenannten erzielten Lohnes je Vollarbeitskraft. Ganz im Gegenteil, ich wäre froh, wenn die Zunahme größer wäre. Ich habe aber hierzu zu bemerken, daß der Herr Bundesminister an dieser Stelle eigentlich fairerweise etwas dazu hätte sagen sollen. Das wider-



Frehsee
spricht ein wenig dem, was Herr Kollege Mauk und an anderer Stelle Herr Kollege Bauknecht vorgetragen haben. Ich habe die Zahl, die er vorgetragen hat, gerade einmal nachgerechnet. Die Landarbeiterlöhne sind in dem gleichen Zeitraum nicht um 50 %, sondern nur um 40 % gestiegen. Nur keinen Neid! Die Landarbeiter sind zweifellos nicht neidisch, meine Herren, nur sollte nicht gesagt werden, wie das draußen geschieht, daß die Landarbeiterlöhne stärker angestiegen seien als der erzielte Lohn je Vollarbeitskraft der in der Landwirtschaft tätigen Vollarbeitskräfte. Es ist ein effektiver Tatbestand: in ,dem Zeitraum, indem der sogenannte erzielte Lohn je Vollarbeitskraft um 50 % angestiegen ist, sind die Landarbeiterlöhne nur um 40 % angestiegen. Daher kommt eben auch der große Abstand zu den Löhnen der auf ,dem Lande wohnenden gewerblichen Arbeiter, der, was den Stundenlohn betrifft, mit 31 %, was den Wochenlohn betrifft, mit 26 % angegeben wird. Hier, sehr verehrter Herr Kollege Bauknecht, will ich Ihnen Hilfestellung geben. Genauso wie Sie gegen die Jahresarbeitsverdienste als Berechnungsgrundlage sind, weil ,diese Methode einfach statistisch anfechtbar ist, kann man das Arbeitsergebnis, das aus einer Arbeitsleistung von 3500 Stunden entstanden ist, nicht mit dem Arbeitsergebnis vergleichen, das mit einer Arbeitsleistung von vielleicht 2400 oder 2200 Stunden erbracht worden ist.
Genausowenig kann man, wie das im Grünen Bericht geschehen ist, von den Wochenverdiensten sprechen. Das sind konstruktive Vorschläge, kritische Vorschläge zur Verbesserung des nächsten
Grünen Berichts. Jedes Jahr wird es ja ein wenig besser. Man sollte nicht von den Wochenverdiensten sprechen, weil auch die Wochenverdienste gewerblicher Arbeitnehmer mit sehr viel kürzerer Arbeitszeit erzielt werden als die Wochenverdienste der Landarbeiter. Man hat den Abstand von nur 26 % auf diese Art und Weise errechnet, um ihn geringer erscheinen zu lassen. Das sollte man nicht tun.
Ein Weiteres, meine Damen und Herren. Ich möchte darauf hinweisen, daß im Grünen Bericht nicht steht — das ist vielleicht ein Mangel; dem sollte im nächsten Grünen Bericht Rechnung getragen werden —, wie unterschiedlich die Differenzen der Landarbeiterlöhne zu denen der gewerblichen Arbeitnehmer, die auf dem Lande wohnen, in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik sind. Ich will nur zwei Beispiele nennen. Das Land, das die geringste Differenz aufweist — Herr Kollege Wittmer-Eigenbrodt, darauf werden Sie stolz sein —, ist wieder das Land Hessen. Ja, was kann ich dafür! Erst wird Hessen wegen der Dorfgemeinschaftshäuser gelobt. Aber bitte, das ist das Äquivalent. Nun lobe ich es wegen der geringsten Differenz zwischen den Löhnen der Landarbeiter und denen der gewerblichen Arbeiter.

(Abg. Wittmer-Eigenbrodt: Aber nur, weil die Arbeiter dort weniger verdienen!)

— Nein, nein, das ist errechnet auf Grund der dort
gezahlten Stunden- und Wochenlöhne und verglichen mit den Stundenlöhnen und Wochenverdiensten der dort in Hessen in den Dörfern wohnenden Industriearbeiter. In Hessen erzielen die vergleichbaren Industriearbeiter — ihr Einkommen war die Grundlage für die Errechnung des sogenannten Vergleichslohns — 5058 DM im Jahr, die Landarbeiter 4301 DM. Das ist eine Differenz von 18 %. Da sind wir also am weitesten dran. Ganz schlecht — da müßte sich jetzt Kollege Gibbert betroffen fühlen — ist das Land Rheinland-Pfalz dran. Dieses Land liegt in der Bundesrepublik mit einem Abstand von 47 % an letzter Stelle. Ich glaube, es wäre sehr zweckmäßig, wenn solche Zahlen — hier sind sie von der Agrarsozialen Gesellschaft privat errechnet — amtlich errechnet und im nächsten Grünen Bericht aufgeführt würden, damit sie nachher unanfechtbar sind; im allgemeinen fechten wir die Angaben des Grünen Berichts ja nicht an. Das sind die Abstände. Ich glaube, es war zweckmäßig, das vor diesem Haus zu sagen. Der Landarbeiterlohn liegt in den verschiedenen Ländern der Bundesrepublik im Durchschnitt also 31 % unter dem Lohn der auf dem Lande wohnenden gewerblichen Arbeiter.
Man sollte bei dieser Gelegenheit, da wir schon verschiedentlich von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und von dem, was im Rahmen dieser Gemeinschaft auf uns zukommt, gesprochen haben, auch von dem Vergleich der Landarbeiterlöhne in Europa und insbesondere in den sechs Mitgliedsländern der EWG sprechen. Da haben wir auch eine private Berechnung, allerdings eine solche, die den Anspruch erhebt, wissenschaftlich einwandfrei zu sein —, soweit das möglich ist; sie stützt sich nur auf das vorhandene, nicht sehr umfangreiche Material. Wir begrüßen es sehr, daß die EPA in Paris, also die OEEC, einen Forschungsauftrag erteilt hat, den unsere deutsche Agrarsoziale Gesellschaft bekommen hat, die landwirtschaftlichen Löhne in den europäischen Ländern wissenschaftlich exakt zu ermitteln. Nach dieser privaten wissenschaftlichen Berechnung sieht es mit unseren Landarbeiterlöhnen sehr betrüblich aus. Da liegt die Bundesrepublik im Rahmen der EWG an vorletzter Stelle. An erster Stelle lag 1958 — für 1958 ist dieser Vergleich angestellt worden — Holland mit 2,14 DM. Dann kam Belgien mit 2,08 DM, weiter Frankreich mit 1,73 DM und dann erst die Bundesrepublik mit 1,42 DM. An letzter Stelle steht Italien mit 1,05 DM.
Vielleicht interessiert Sie, wie diese Löhne in den anderen europäischen Ländern liegen, die in diesem Vergleich erfaßt worden sind. Da steht Schweden mit 2,49 DM an der Spitze. Es folgen Dänemark mit 2,43 DM, Norwegen mit 2,20 DM, Großbritannien und Nordirland mit 2,19 DM.

(Abg. Bauknecht: Das kann man nicht ohne weiteres umrechnen!)

— Das ist nicht ohne weiteres verglichen, Herr Kollege Bauknecht. Ich sagte, dieser Vergleich ist wissenschaftlich einigermaßen exakt angestellt worden, und zwar ist dabei die Verbrauchergeldparität zugrunde gelegt worden. Man hat alles umgerechnet auf den unterschiedlichen Warenkorb der vierköpfigen Arbeitnehmerfamilie in Deutschland und



Frehsee
in dem betreffenden anderen Land. Der Warenkorb, der in dem einen Land eingekauft worden ist, ist dabei mit dem des anderen ausgetauscht worden. Das ist einigermaßen einwandfrei.
Wir stehen im Rahmen dieser 10 oder 11 europäischen Länder und auch im Rahmen der EWG an zweitletzter Stelle vor Italien. Die Konsequenzen brauche ich nicht auszumalen. Es bedarf erheblicher Anstrengungen, wenn wir diesen Lohnabstand so schnell, wie die EWG geschaffen werden soll, aufholen wollen. Wenn man boshaft sein wollte, könnte man sagen, daß die Bundesrepublik mit den im Rahmen der sechs EWG-Länder nun überwiegend höchsten Agrarpreisen — na ja, Italien hat etwas höhere Getreidepreise —

(Zuruf von der Mitte: Die Schweiz hat noch höhere!)

an zweitletzter Stelle liegt. Es ist schon wichtig und notwendig, diese nackten Tatsachen, wenn sie auch unangenehm sind, ganz klar und deutlich auszusprechen.
Meine Damen und Herren, in den früheren Jahren ist immer darüber geklagt worden, daß das Lohnkonto ständig strapaziert werde. Wir sind sehr erfreut darüber, daß der Grüne Bericht in diesem Punkt nun eine eindeutige Aussage enthält. Da heißt es auf Seite 6:
Trotz der Erhöhung der Löhne ist der Anteil der Lohnkosten an den Betriebsausgaben der Landwirtschaft infolge der Verringerung der Zahl der Arbeitskräfte zurückgegangen. Dagegen ist der Anteil der Ausgaben für sachliche Betriebsmittel, deren Preise weniger stark gestiegen sind als die Löhne, infolge des wachsenden Bedarfs größer geworden.
An anderer Stelle steht, daß sich das Lohnniveau im Wirtschaftsjahr 1958/59 um weitere 6 % erhöht hat, durch den Rückgang des Arbeitskräftebestandes um schätzungsweise 21/2% der Anstieg der Gesamtlohnsumme aber abgemildert worden ist, so daß der Bruttobarlohn nur um 67 Millionen auf rund 1,95 Milliarden DM angestiegen ist. Im vorigen Jahr war bei der Debatte über den Grünen Bericht wohl auf Grund der Lohnforderungen der Landarbeitergewerkschaft von einem weit höheren Betrag die Rede. Ganze 67 Millionen DM haben also die Lohnerhöhungen des vorigen Jahres ausgemacht. Zugegebenermaßen sind die Löhne in der Landwirtschaft prozentual stärker gestiegen als in der gewerblichen Wirtschaft, nicht jedoch absolut, weil die Ausgangsposition, auf die es hier ankommt, niedriger als in der gewerblichen Wirtschaft war.
Die Lohnquote, also der Anteil der Bruttobarlöhne für fremde Arbeitskräfte an den Gesamtausgaben der Landwirtschaft ist von 17,6% im Jahre 1950/51 auf 14,2 % im Jahre 1958/59 gesunken. Bei Einbeziehung der Sozialversicherungsbeiträge ergibt sich ein Rückgang der Ausgaben von 20,9 % im Jahre 1950/51 auf 17,6 % im Wirtschaftsjahr 1958/59. Daraus kann man sicherlich die Schlußfolgerung ziehen, daß trotz der erforderlichen erheblichen Mechanisierung und Technisierung der Landwirtschaft und trotz der notwendigen Investitionen einiger Spielraum für die Angleichung der Landarbeiterlöhne an die Landarbeiterlöhne in anderen europäischen Ländern vorhanden ist.
Der Frau Kollegin Pannhoff möchte ich sagen —und ich meine das ernst, gar nicht ironisch —, daß der überlasteten Bäuerin ein wenig geholfen werden könnte und schon früher geholfen worden wäre, wenn man für weibliches Hilfspersonal in landwirtschaftlichen Betrieben und landwirtschaftlichen Haushalten Löhne zahlte bzw. gezahlt hätte, die eine entsprechende Anzahl von Mädchen und Frauen veranlaßt hätten, im landwirtschaftlichen Haushalt zu bleiben und der Bäuerin die Arbeit zum Teil abzunehmen.
Es ist bedauerlich, daß der Grüne Bericht 1960 —jetzt gebe ich Ihnen recht, Herr Kollege Weber — keine einwandfreien Angaben, keine exakten Angaben über den Arbeitskräftebestand enthält. Wir wissen, worauf das zurückzuführen ist. Der Grüne Bericht sagt dazu auf Seite 18:
Die Statistik der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte wurde im Wirtschaftsjahr 1958/59 nicht fortgeführt; die Veränderungen im Arbeitskräftebestand müssen daher geschätzt werden.
Man ist von einem Rückgang der Zahl der Arbeitskräfte von 4 % oder 100 000 ausgegangen und hat gesagt, die Gesamtzahl der noch vorhandenen Vollarbeitskräfte betrage 2,6 Millionen. Das ist freilich eine ziemlich anfechtbare Zahl. Für die richtigen Entscheidungen des Bundestages, der Bundesregierung, der Länderregierungen und anderer Institutionen wie beispielsweise der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung, für das richtige tarifpolitische Verhalten der Sozialpartner und für die Erstellung von Grünen Berichten, die ein wahrheitsgetreues Bild von der Entwicklung der Ertragslage geben, sind genauere Kenntnisse über den Umfang des Arbeitskräftebestandes in der Landwirtschaft, über die Struktur des Arbeitskräftebesatzes, über dessen saisonale Veränderungen und über die Dauer der Arbeitszeit in den einzelnen Monaten des Wirtschaftsjahres erforderlich.
In den Wirtschaftsjahren 1956/1957 und 1957/1958 wurden durch das Statistische Bundesamt laufend monatliche Repräsentativerhebungen durchgeführt, die damals erstmalig zu einigermaßen richtigen Vorstellungen über die Zahl der in der Landwirtschaft tätigen ständigen familienfremden Arbeitskräfte führten und ungefähre Erkenntnisse über das Ausmaß der Beschäftigung von unständigen Lohnarbeitskräften in der Landwirtschaft vermittelten. Diese monatlichen Erhebungen, deren Ergebnisse nach dem vorigen Grünen Bericht zu einer radikalen Senkung des Lohnkostenkontos der Landwirtschaft führten, wurden nun im Wirtschaftsjahr 1958/1959 nicht weitergeführt, angeblich wegen des Mangels an Mitteln. Behelfsweise sollte statt dessen nur eine Momentaufnahme über die Arbeitskräfte der Landwirtschaft am Stichtag der landwirtschaftlichen Betriebszählung erfolgen.
Diese ist bisher nicht erfolgt, weil Bund und Länder über die Verteilung der Kosten dieser Betriebs-



Frehsee
zählung in Streit gerieten. Wir hoffen, daß demnächst das Gesetz über die Betriebszählung verabschiedet wird. Man sollte die monatlichen Repräsentativerhebungen des Statistischen Bundesamtes über die Zahl der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und besonders der ständig beschäftigten Lohnarbeitskräfte in der Landwirtschaft weiterführen. Wir sollten auch fordern, daß die Erhebungen über den Bruttoverdienst der Landarbeiter künftig — genauso wie das in der Industrie geschieht — an vier über das Jahr verteilten, richtig gewählten Stichtagen so erfolgen, daß die saisonmäßigen Verdienstschwankungen sichtbar werden.
Eine sehr, sehr bedenklich stimmende Formulierung enthält der Grüne Bericht ebenfalls in diesem Absatz, und zwar auf Seite 19 unten. Da steht:
Zwar hält die Nachfrage nach jungen ledigen Landarbeitern an; daneben besteht aber seit dem' Jahre 1958 ein unbefriedigter Bedarf an technischen Fachkräften, Schlepperfahrern usw., für die erstmalig in vermehrtem Umfang auch Arbeitsplätze für Verheiratete angeboten werden.
Das ist richtig. Das kann jeder bestätigen, der landwirtschaftliche Wochenblätter liest. Die Stellenangebote, die dort ausgeschrieben werden, enthalten in zunehmendem Umfang die Nachfrage nach verheirateten Landarbeitern. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Wir befinden uns in einem Prozeß der Umstellung — einer notwendigen Umstellung — der Lohnarbeitsverfassung von Gesindearbeitern zu verheirateten Arbeitern.
Die Bundesregierung hat in den vergangenen drei Grünen Plänen — und sie hat es auch im Grünen Plan 1960 vor — einiges vorgesehen, um dieser Entwicklung zu steuern. Sie hat in jedem Grünen Plan 25 Millionen DM für die Seßhaftmachung verheirateter Landarbeiter und darüber hinaus Mittel für die landwirtschaftliche Facharbeiterausbildung vorgesehen. Beide Maßnahmen müssen zweifellos als sehr positiv und konstruktiv bezeichnet werden.
Im Rahmen dieses Titels des Grünen Planes sind rund 5000 Landarbeiterwohnungen, -eigenheime und sogenannte Landarbeiterstellen errichtet worden. Ich habe noch nicht gehört — wie hier und an anderer Stelle immer wieder befürchtet worden ist —, daß die Landarbeiter, die mit Hilfe des Grünen Planes, mit Hilfe der Eigenkapitalbeihilfen, solche Stellen errichtet haben, nachher der Landwirtschaft den Rücken gekehrt hätten. Das ist nicht der Fall. Sie sind dort geblieben. Es handelt sich also um eine wirklich konstruktive Maßnahme gegen die Entblößung der Landwirtschaft von ständigen technischen Fachkräften.
Ich darf eine Bemerkung speziell zu dieser Maßnahme einflechten. Die Bundesregierung sollte bei allem Erfolg dieser Maßnahme nun doch der Entwicklung der Baukosten Rechnung tragen. Die Baukostenentwicklung hat natürlich zur Erhöhung der Kosten der Errichtung von Landarbeitereigenheimen und Landarbeiterstellen geführt. Die monatliche Belastung solcher Landarbeiter hat die Grenze, die
mit dem Bundesministerium festgelegt worden ist, also den Prozentsatz des Lohnes, den man von den Landarbeitern billigerweise als Aufbringung für die Unterkunft erwarten kann, überschritten. Die Bundesregierung sollte deswegen ernsthaft überlegen, ob nicht die Eigenkapitalbeihilfe im Rahmen des Titels „Seßhaftmachung verheirateter Landarbeiter", die z. Z. bei 5000 DM beginnt, erhöht werden sollte. Eine Erhöhung um 20 % auf 6000 DM wäre erforderlich, um die monatliche Belastung wieder unter die Grenze herunterzubringen, die wir in allseitigem Einvernehmen seinerzeit, als wir diese Maßnahmen getroffen haben, für gerechtfertigt gehalten haben.
Die Förderung der Facharbeiterausbildung in der Landwirtschaft aus Mitteln des Grünen Plans ist bisher leider nur von einer Seite, nämlich von den Betroffenen, den Landarbeitern selbst, und nicht in dem wünschenswerten Ausmaß von der gesamten Landwirtschaft, von den landwirtschaftlichen Betrieben, den Arbeitgebern, den landwirtschaftlichen Unternehmern gefordert worden. Obwohl erhebliche Mittel für diesen Zweck aufgewandt worden sind, können wir nur von einigen wenigen hundert landwirtschaftlichen Facharbeitern in der ganzen Bundesrepublik sprechen. Das liegt auch daran, daß es in den Tarifverhandlungen bisher nicht gelungen ist, diese Facharbeiter in eine höhere, ihrer Qualifikation entsprechende Lohngruppe einzustufen.
Nur einige wenige Bemerkungen zu den Ausführungen des Grünen Berichts über die Winterarbeitslosigkeit. Es ist eine gefährliche Sache, daß die Landwirtschaft in jedem Herbst wieder einen hohen Prozentsatz der Landarbeiter, auch der ständigen Landarbeiter, entläßt und zum Frühjahr wieder einstellt. Die landwirtschaftlichen Betriebe dürfen sich nicht wundern, wenn die Landarbeiter in einer Zeit der Vollbeschäftigung, wie wir sie jetzt haben, jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, anderswo einen besser bezahlten und leichteren Arbeitsplatz zu erhalten, als ihn die Landwirtschaft zu bieten vermag. Deshalb ist vor dieser Entlassung im Winter dringend zu warnen. In Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt sollte vielleicht eine ähnliche Regelung angestrebt werden, wie sie für die Bauarbeiter gefunden worden ist. Dadurch würde man es den landwirtschaftlichen Betrieben etwas erleichtern, ihre ständigen Landarbeiter auch den Winter über im Betrieb zu behalten.
Erstmalig finden sich in dem Grünen Bericht 1960 Ausführungen über den gesamten Sozialaufwand in der Landwirtschaft. Ich begrüße auch das, will mich aber wegen der vorgeschrittenen Zeit nicht zu Einzelheiten äußern.
Der gesamte Sozialaufwand der Landwirtschaft — also nicht Arbeitnehmerbeiträge, sondern Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, die Umlage für die Berufsgenossenschaft und Kindergeldbeiträge — macht insgesamt 3,4 % der Verkaufserlöse aus. Ich nenne nur diese Zahl und will auf keine Vergleichszahl eines anderen Wirtschaftszweiges hinweisen, möchte aber doch bitten, nicht von dem angeblich so ungeheuer hohen Sozialaufwand der



Frehsee
Landwirtschaft zu sprechen; denn das ist nicht zu halten.
In diesem Zusammenhang ein Wort zur Altershilfe. Wir werden darüber, wenn wir zur zweiten und dritten Lesung der Novelle kommen, hoffentlich bald, eingehend zu reden haben. Ich beziehe mich nur auf das, was der Herr Minister heute vor einem Monat, am 11. Februar, ausgeführt hat. Er hat gesagt, daß man noch 30 Millionen DM in den Grünen Plan hineinbekommen habe. Das ist vielleicht auf Grund des Besuchs von Herrn Rehwinkel beim Kanzler oder auch aus anderen Gründen möglich geworden; aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist festzuhalten: 30 Millionen für die Altershilfe für Landwirte. Das jährliche Defizit beträgt, wie wir wissen, rund 70 Millionen DM. Es betrug auch im vorigen Jahr 70 Millionen DM. Diese 70 Millionen sind aus Mitteln des Grünen Plans gedeckt worden. Der Herr Minister hat in seiner Rede gesagt, daß das möglich gewesen sei, weil der Bundesfinanzminister Reste von seit 1958 in Höhe von 40 Millionen DM habe übertragen lassen. Immerhin handelt es sich bei den 70 Millionen um Mittel, die eigentlich im Rahmen des Grünen Plans für ganz andere Zwecke bestimmt waren als für die Altershilfe. Wir halten das insofern nicht für berechtigt. Wenn schon jetzt zusätzlich 30 Millionen für die Altershilfe für Landwirte vorgesehen werden, dann frage ich: Warum werden sie nicht in den Sozialhaushalt eingefügt, wohin sie doch gehören? Wir haben das bereits in unserem Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht.
Ich gebe damit zu erkennen, daß wir nicht mit dem Herrn Bundesminister übereinstimmen, der da sagt, man könne keine Bedenken gegen die Dekkung des Defizits der Alterskassen innerhalb des Grünen Plans erheben, da doch der agrarstrukturelle Effekt ganz zweifellos sei und es sich hier um eine Aufbesserung des Altenteils und nicht um eine Angelegenheit der Sozialversicherung handle. Nun handelt es sich nicht um eine Angelegenheit der Sozialversicherung, sondern es handelt sich um eine Angelegenheit — um eine für meine Begriffe sehr wichtige Angelegenheit — der sozialen Sicherung und damit um eine sozialpolitische Angelegenheit. Wenn wir in dieser Bundesregierung ein Ministerium für Arbeit und Sozialordnung haben, meine Damen und Herren, dann gehört das einfach in dessen Etat; Maßnahmen der sozialen Sicherung gehören in den Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung.
Damit will ich schließen. Ich hatte vor, noch einiges andere auszuführen. Aber die Zeit ist vorgeschritten, ich möchte Sie nicht über Gebühr strapazieren. Ich darf hoffen, daß die Kritik, die von mir heute in der Frage der Sozial- und Arbeitskräftestruktur angebracht worden ist, bei den zuständigen Behörden gleichen Widerhall finden wird wie die Kritik, die in den vergangenen Jahren hier in der „grünen" Debatte vorgetragen worden ist. Dann tun wir allen, den Betroffen, den landwirtschaftlichen Betrieben und diesem Wirtschaftszweig, einen guten Dienst.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0310605500
Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Werner Schwarz (CDU):
Rede ID: ID0310605600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Streit über die Fragen, die sich hinsichtlich des Grünen Berichts und des Grünen Plans ergeben, ist zu Ende. Die Streitkräfte sind weitestgehend abgerückt, offenbar zum Essensempfang. Es hat unter diesen Umständen nicht sehr viel Sinn, auf die Vielfältigkeit der hier geäußerten Meinungen einzugehen. Ich darf aber dankbar feststellen, daß alle Redner bemüht waren, ihre Gedanken zu diesen Fragen in sachlicher Weise zum Ausdruck zu bringen, die uns letztlich seit fünf Jahren beschäftigen, um den besten und für unsere Landwirtschaft nützlichsten Weg herauszufinden, der begangen werden muß, damit dem Ziel des Landwirtschaftsgesetzes entsprochen wird.
Ich darf feststellen, daß alle Beiträge, die heute geleistet wurden, aus der jeweiligen Sicht des einzelnen die Schwierigkeiten offenbarten, die immer wieder vor uns stehen, wenn wir diesem Phänomen Landwirtschaft helfen wollen, dieser Landwirtschaft, die so vielschichtig ist in ihren Größenordnungen, in ihren strukturellen, in ihren regionalen Lagen, in all diesen vielen verschiedenen Modifikationen der Existenz. Sie haben zum Ausdruck gebracht, daß es kein Rezept gibt, das unbedingt zu einem vollen Erfolg führt. Es gibt nur eine Vielzahl der Rezepte. Damit setzt sofort wieder die Kritik an den „vielen Töpfen" ein. Auch ist das, was dem einen gut tut, dem andern schon zuviel. Dadurch gibt es eine weitgehend berechtigte Kritik. Aber auch in solchen Fällen ist man vor die Frage gestellt, ob durch Fortfall einer solchen Maßnahme nicht ein größerer Schaden angerichtet wird als dann, wenn ein Fehler, der zwar vorhanden, aber klein ist, bestehenbleibt. Das sind die Schwierigkeiten, die für mein Haus, aber auch für Sie alle, die Sie Ihre Vorschläge gemacht haben, existieren. Ich darf Sie bitten, uns auch in Zukunft bei der Frage der richtigen Auswahl der Mittel zu helfen, auch wenn es sich manchmal um eine harte Kritik handelt, die ich persönlich gern akzeptiere.
Lassen Sie mich nur kurz auf gewisse Punkte eingehen. Ich möchte die Zeit, die so fortgeschritten ist, nicht weiter in Anspruch nehmen.
Der Herr Kollege Wacher hat in seinen Ausführungen gewisse Fragezeichen an die Milchförderungsbeiträge gehängt, die ja in der ausgewiesenen Höhe zweifellos nicht langen. Ich darf noch einmal erklären: es ist Sorge getragen, daß die drei Pfennige das ganze Jahr hindurch gezahlt und die entsprechenden Mittel aufgebracht werden.
Durch seine Ausführungen klang auch ein gewisser Zweifel, daß das die Mittelgebirge umfassende Regionalprogramm, das er mit warmen Worten forderte und das ja auch wieder gewisse Investitionen notwendig macht, nicht die Billigung der Bundesregierung oder des Bundesernährungsministers finden werde. Ich darf hier feststellen daß ein Zweifel absolut unangebracht ist. Selbst-



Bundesminister Schwarz
verständlich wird es gerade auch mein Anliegen sein.
Ich darf daran erinnern, daß ich kürzlich Betriebe in diesen Höhenlagen im Süden und Südwesten unseres Vaterlandes besucht habe, eben weil auch ich bestrebt bin, diesen Menschen zu helfen, die sich ohne Frage, wie hier wiederholt zum Ausdruck gebracht worden ist, in erheblichen Nöten, jedenfalls in sehr viel größeren Nöten befinden, als vielfach andere Menschen in unserem Vaterland. Die dazu notwendigen Maßnahmen, seien es Investitionen, seien es verbilligte Kredite, seien es Hilfen zu baulichen Veränderungen in irgendeiner Form, sollen dann gegeben werden, wenn die ganze Frage insoweit ihre Klärung erfahren hat, daß die regionalen Gesichtspunkte in einem vertretbaren Maße berücksichtigt werden können. Sie wissen ja, daß die Abgrenzungen sehr schwierig sind.
Von verschiedenen Rednern ist mit Recht gesagt worden, daß die Zukunft bei unseren bäuerlichen Familienbetrieben liegen wird; denn die Elastizität und Anpassungsfähigkeit jener bäuerlichen Familienbetriebe ist das ausschlaggebende Moment.
Herr Kriedemann hat nicht unerhebliche Kritik an der Strukturpolitik zum Ausdruck gebracht. Die Strukturpolitik geht ihm nicht schnell genug voran. Aber für die Strukturveränderungen und -verbesserungen, wie wir sie ja alle wünschen, Herr Kollege Kriedemann, gibt es ein Maß, das kaum überschritten werden kann. Wir haben in den letzten Jahren immer wieder festgestellt, daß die im Grünen Plan
ausgewiesenen Mittel manchmal gar nicht ganz verbraucht werden konnten. Wegen der Anmeldungen, der Schwierigkeiten der Durchführung und der sehr heiklen Frage einer zweckmäßigen Verwendung der Gelder ist hier einfach kein größeres Volumen möglich.
Es scheint mir im übrigen nützlich zu sein, noch einmal sehr klar zum Ausdruck zu bringen, daß man, wenn man der Landwirtschaft helfen will, die Strukturverbesserung allein nicht als Allheilmittel betrachten darf. Nur durch eine sinnvolle Ergänzung von Struktur- und Förderungsmaßnahmen kann das Ziel erreicht werden, das uns allen vorschwebt. Wenn man glaubt, auf diese Förderungsmaßnahmen, auf die Subventionen, wie sie von den verschiedensten Seiten genannt wurden, verzichten zu können, möchte ich fragen, welchen Preisvergleich man dann haben will; etwa den Vergleich mit dem Weltmarktpreis? Der Weltmarktpreis würde letztlich automatisch wirksam, wenn wir in keiner Form einen Schutz, eine Hilfe, eine Subvention, oder wie man es nennen mag, geben würden.

(Abg. Kriedemann: Der Markt, Herr Kollege, in erster Linie!)

— Der Markt? Gewiß; aber dann müßte ein Zoll davorstehen oder eine Abschirmung erfolgen; denn der' Markt, der sich nach dem Weltmarkt richtet, ist kein echter Markt. Der Markt, der sich nach dem Weltmarkt richtet, ist doch genau von der anderen Seite manipuliert, etwas, was man uns zum Teil zum Vorwurf macht, aber leider mit einem diskreten Schweigen dann übergeht, wenn es von der anderen Seite aus gemacht wird.

(Abg. Kriedemann: Aber den Weltmarkt will ja auch keiner!)

— Gut, also sind wir einig; den Weltmarkt will keiner.
Ich hatte nur darauf hinweisen wollen, daß sich die Struktur- und Förderungsmaßnahmen auch in der Zukunft sinnvoll ergänzen müssen. Ich sehe den Zeitpunkt kommen, in dem diese Frage aus einem sehr akuten Anlaß und in einem sehr viel größeren Ausmaß auf uns zukommt, nämlich wenn wir in die immer näher rückende Sphäre der EWG-Anforderung hineinrollen. Das ist ein sehr ernstes Problem, und ich darf nur sagen: der Ernährungsminister, der auf der einen Seite die Erzeuger, auf der anderen Seite die Verbraucher, der vor sich die EWG und ihre Auswirkungen sieht, der rundherum aber das Feuerwerk von Technik, Wissenschaft und Fortschritt unentwegt sich entzünden sieht, soll eine Landwirtschaft durch diese Schwierigkeiten hindurchsteuern. Gerade der letzte Punkt, die Anforderungen, die wir heute auf Grund der Erkenntnisse von Technik und Wissenschaft an unsere Landwirtschaft stellen müssen, stellt wirklich nicht die geringste Sorge dar, die mir im Augenblick beschert ist. Gerade hier aufklärend zu wirken ist sehr schwierig, und ich bitte deshalb um Verständnis, daß gerade die Strukturfragen mit Vernunft angefaßt werden müssen, wenn man zum Ziele kommen will. Ganz abgesehen davon werden unseren Bauern die Strukturmaßnahmen nicht geschenkt. Es resultieren daraus immerhin nicht unerhebliche Folgelasten, die auch bedient werden müssen und die man schließlich nicht tragen kann, wenn man nicht auch entsprechende Preise bekommt.
Herr Kollege Kriedemann, eines habe ich Ihnen allerdings dann doch übelgenommen — das tue ich sonst nicht so leicht —, daß Sie eine so harte Kritik an der Bundesregierung, an dem Bundeskanzler auf Grund des Besuchs des Herrn Präsidenten Rehwinkel geübt haben. Diese Besuche bei dem Herrn Bundeskanzler sind seit eh und je gang und gäbe, weil der Herr Bundeskanzler stets denjenigen Mann von Bedeutung zu empfangen pflegt — sei es ein Gewerkschaftspräses oder Bauernverbandspräses oder sonst irgend jemand von Bedeutung —, der ihn zu sprechen wünscht. Wenn dann nach dieser Besprechung — ohne daß etwas versprochen ist — die Fragen später dem Kabinett vorgelegt werden und Kabinettsbeschlüsse erfolgen, so sollte man die Sache nicht so einseitig betrachten, sondern sollte sich vielleicht auch einmal Gedanken darüber machen, warum denn ein solcher Kabinettsbeschluß erfolgt ist — in diesem Fall sicher und sehr einfach deshalb, weil die Preisverhältnisse sich in den letzten Monaten derart verschoben haben, daß der Wegfall von hundert Millionen — denn praktisch dreht es sich ja um diesen Betrag — in der Breite der Einnahmemöglichkeiten der Landwirtschaft nicht verkraftet werden konnte.
Ich persönlich stehe nicht an zu erklären, daß die Frage „Kunstdünger" nicht gerade mein Steckenpferd ist. Ich erkläre auch durchaus, daß ich es lie-



Bundesminister Schwarz
ber gesehen hätte, wenn gewisse andere Maßnahmen etwas stärker gefördert würden. Aber es kann kein Zweifel daran sein, daß die Anwendung des Kunstdüngers mit seinen Auswirkungen über Mengen und Mehrerträge in finanzieller Hinsicht große Wirksamkeit in der Vergangenheit mit sich gebracht hat und durchaus auch in der Zukunft mit sich bringen wird.
Es ist von der „Bedürfnislosigkeit" der Minister gesprochen worden. Ich möchte dazu sagen: Das Dekorum eines Ministers ist keineswegs zu trennen von dem, was ihm auch sonst zusteht, und seine Bedürfnislosigkeit ist keineswegs so groß, wie Sie meinen.

(Heiterkeit. — Abg. Kriedemann: Dann haben wir ja noch Aussichten!)

Herr Mauk übt weiter Kritik an der Bundesregierung. Sie sagen, wir seien dem Ziel nicht näher gekommen. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, daß wir sehr eindeutige Zahlen über die Einnahmen in der Landwirtschaft haben, die von 2308 DM pro Kopf bei Beginn der Glünen Pläne auf heute 3500 DM gestiegen sind. Das ist eine sehr nüchterne Zahl; sie entspricht sogar den von Ihnen und Ihren Herren Kollegen vielfach geforderten konkreten Zahlen und drückt sich nicht in Relationen aus, obschon die Relation in sehr vielen Fällen durchaus angebracht ist.
Alle anderen Dinge, die Sie noch behandelten —auch Herr Kollege Logemann mag hier einbezogen sein —, rühren im Grundsatz an der Frage: Können wir den Grünen Bericht so, wie er vorliegt, anerkennen oder nicht? Ist das Werkzeug, das sich mein Ministerium auf Grund des § 3 des Landwirtschaftsgesetzes geschaffen hat, der Beirat, glaubwürdig oder nicht? Das Hohe Haus tut sich einen schlechten Dienst, wenn es in irgendeiner Form die Glaubwürdigkeit des Grünen Berichts und der Arbeit des Beirates anzweifelt. Genau mit dieser Maßnahme wollten wir einmal endgültig die Zweifel ausräumen, die uns früher stundenlang beschäftigt haben, als es darum ging, den Zweifel zu beseitigen, ob diese oder jene Lesart richtig sei. Jetzt haben wir den Grünen Bericht auf Grund der Mitarbeit unzähliger tüchtiger, fleißiger Männer. Der Beirat setzt sich zusammen aus solchen von Wissenschaft und Praxis — Praxis wiederum heißt Arbeitgeber und Arbeitnehmer — und außerordentlich tüchtigen Herren aus unseren Ministerien. Alle diese zusammen ergeben ein Gremium, dem wir letzten Endes überlassen müssen, welchen Weg es einschlagen soll, um zu irgendeinem Lohnvergleich zu kommen.
Ich möchte mich mit diesem Hinweis bescheiden und möchte nicht in die Einzelerrechnung eintreten, die immerhin auch einige interessante Gesichtspunkte insoweit aufwerfen würde, als man den Arbeitskräftebesatz mit allem Drum und Dran von Betrieben bis zu 5 ha mit 40 AK je 100 ha oder die Norm von 16 AK zugrunde legen soll oder als man, was auch aus dem Grünen Bericht hervorgeht, Betriebe heraussuchen soll, die 10 und 12 Arbeitskräfte je 100 ha haben. Dazwischen liegt ein sehr großer Unterschied. Man sollte die Dinge, ich möchte sagen, mit Vernunft und nicht mit der Statik regeln.
Herr Kollege Logemann hat noch einmal den kostendeckenden Preis, diesen vielzitierten Begriff, angezogen und hat mir noch einmal vorgehalten, daß ich von der Illusion des kostendeckenden Preises gesprochen hätte. Ich habe von der Illusion der Garantie eines kostendeckenden Preises gesprochen. Das gibt es nämlich in der Marktwirtschaft nicht, da können noch so viele sicher recht gut gemeinte Beiträge kommen. Die Garantie eines kostendeckenden Preises gibt es in einer Marktwirtschaft nicht, weil in diesem Augenblick ein Stapel von Ware entstehen würde, den zu bändigen kein Geldbeutel eines noch so reichen Finanzministers reichen würde.
Der kostendeckende Preis ist an und für sich selbstverständliche Grundlage für jedes vernünftige Wirtschaften. Er ist aber auch eine sehr zwiespältige Angelegenheit; denn Sie, Herr Kollege Logemann, müssen sich fragen, von welchem Flügel aus Sie die kostendeckenden Momente betrachten wollen, ob vom rechten oder vom linken Flügel her.

(Abg. Kriedemann: Von der Eifel!)

Der Nachweis des Verbrauchs von Futter für ein Pfund Lebendgewicht Schwein kann jedenfalls von einer Seite, die sich Wissenschaft und Technik zunutze macht, in einer Größenordnung erfolgen, daß die Kostendeckung sehr wohl eintritt, während jemand auf ,dem anderen Flügel noch lange nicht so weit ist. Ich wollte nur auf die Schwierigkeit solcher Begriffsbestimmungen hinweisen und Ihnen sagen, man sollte damit sehr vorsichtig umgehen.
Herr Kollege Bading, Sie haben die Frage der Kunstdüngergaben sehr scharf kritisiert. Ich möchte nur eine Zahl nennen: 61 % aller Mittel für die Verbilligung von Kunstdünger sind in die Betriebe bis 20 ha gegangen. Sie meinten, ein Betrieb bis 50 ha sei noch kein Rittergut.

(Abg. Bading: Ich habe nicht gesagt, das sei kein Rittergut, ich habe nur gesagt, daß die größeren Betriebe bevorzugt sind!)

— Wenn Betriebe bis 20 ha 61 % und Betriebe bis 50 ha 87 % erhalten haben, kann man doch wohl nicht davon ausgehen, daß Mißbrauch getrieben worden ist.

(Abg. Bading: Jede Subvention, die nur auf dem Umsatz beruht, muß zu einer Bevorzugung des umsatzkräftigeren Betriebes führen! — Abg. Wacher [Hof] : Und was kostet dann die Bürokratie, die notwendig ist, Herr Bading? — Gegenruf des Abg. Bading.)

—Herr Kollege Bading, einigen wir uns auf die For- mel: Wir hatten einmal eine Verbilligung von 20 %, haben im vergangenen Jahr 14 % gehabt und werden in diesem Jahr weiter herunterkommen, weil der Betrag festliegt und die Anwendung von Düngemitteln größer sein wird. Wir werden wieder einige Prozent herunterrutschen, und es kann kein Zweifel bestehen, daß die Dinge auslaufen werden.

(Abg. Kriedemann: Und das im Wahljahr! Oho!)




Bundesminister Schwarz
— Es ist die Frage, Herr Kollege Kriedemann, wer
sich die größere Sorge zu machen hat, Sie oder wir.

(Abg. Kriedemann: Wir haben gar keine!)

Dann überlassen Sie es uns freundlicherweise!
Die Fragen, die später noch aufgeworfen sind, möchte ich nur ganz kurz streifen. Es wurde der Eifelplan genannt. Es handelt sich hier um eine Angelegenheit, die weitgehend auf Auswirkungen des Krieges zurückzuführen ist. In vier Kreisen liegen neben den strukturellen und bodenmäßigen Mängeln noch kriegsbedingte Schäden vor. Wir glaubten, diese in ihren Anfängen bereits vorgeplante Angelegenheit in Angriff nehmen zu sollen.

(Zuruf von der SPD: Das gehört doch zu den Kriegsfolgen!)

— Nein, das gehört nicht zu den Kriegsfolgen; die stehen auf einem anderen Blatt. Die Kreise gehören zu denen, die durch verschiedene Faktoren in besondere Schwierigkeiten geraten sind. Eines ist sicher, wir machen keinen speziellen Plan mehr. Wir werden in Zukunft nur nach gleichmäßigen Grundsätzen vorgehen. Wir werden jene Gebiete bevorzugt bedenken — sei es über unsere Richtlinien, sei es über Anweisungen an die Länder —, deren Einkommen hinter dem Durchschnitt zurückgeblieben ist. Ich meine, daß wir uns dann auch über diesen Punkt einig werden.
Der Herr Kollege Weber hat bei der Begründung des Antrags der FDP noch einmal die Butterpreise hochgespielt. Herr Kollege Weber, es entwickelt
sich .aus der Frage der Butterpreise langsam eine Art Dolchstoßlegende. Ich darf Ihnen einmal einige Zahlen nennen. Vom 1. Januar 1959 bis zum 29. Februar 1960 hatten wir eine Importmenge von rund 38 000 t. Von dieser Menge wurden 14 900t nach der Zollstreichung eingeführt. Daß nach der Zollstreichung eine erhöhte Menge hereingekommen ist, liegt lediglich an den günstigen Bedingungen zu denen die Butter nunmehr nach Deutschland eingeführt werden konnte. Die vorhergehenden Abschlüsse wären weitestgehend nicht realisiert worden, wenn der Zoll nicht gestrichen worden wäre. Wenn man den Butterüberschuß aus der derzeitigen Perspektive betrachtet, kann man sehr leicht mit Steinen werfen. Es ist sehr leicht, heute zu wissen, wie man es damals hätte besser machen können. Man vergißt leicht die Stimmung, die damals auch hier im Hohen Hause vorgeherrscht hat. Ich darf Sie an das Ergebnis der Abstimmung über die Zollstreichung erinnern. Am 12. November hat das Plenum bei zwei Stimmenthaltungen ohne Gegenstimmen der Zollstreichung zugestimmt. Mir als Demokrat ist nicht verständlich, warum man jetzt aus bestimmten Reihen diese Frage hochspielt; wahrscheinlich geschieht es, aus Zweckmäßigkeitsgründen. Man sollte das Votum des Hohen Hauses endgültig anerkennen und die Sache einmal zur Ruhe kommen lassen.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Kriedemann: Agitation!)

Herr Kollege Frehsee hat einiges zum Landarbeiterwohnungsbau gesagt. Ich stimme ihm hier vollkommen zu. Wir, in meinem Hause, halten es nicht
für gut und richtig, daß das Eigenkapital der Baulustigen so sehr strapaziert wird. Das Eigenkapital reicht angesichts der gestiegenen Unkosten zum Bau von Landarbeiterwohnungen nicht aus. Wir haben hier Überlegungen angestellt und glauben, eine entsprechende Erhöhung der Beihilfen in Aussicht stellen zu können.
Völlig konform gehe ich mit Herrn Frehsee hinsichtlich der Bitte, die er an alle gerichtet hat, die es angeht, keine Entlassungen von Landarbeitern im Winter vorzunehmen. Ich halte es für eine absolute Notwendigkeit, darauf immer wieder hinzuweisen. Ich bin sehr glücklich, Herr Kollege Frehsee, daß der Vorsitzende der landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände diese Auffassung teilt. Wir wollen das, was wir bei anderen Berufsgruppen als eine gewisse Unsitte bezeichnen, bei uns nicht populär werden lassen.
Die Frage der Altershilfe möchte ich nur streifen und sagen, daß die 30 Millionen DM, die zunächst einmal bewilligt sind, einfach deswegen nicht höher dotiert wurden, weil die Fragen um die Novellierung des Gesetzes noch nicht abgeschlossen sind. Bevor man nicht weiß, welche Ersparnisse hier möglich sein werden und heranreifen, kann man nicht mit Beträgen aufwarten, die vielleicht der Entwicklung einer Möglichkeit, billiger davonzukommen, entgegenstehen.
Damit bin ich am Ende meiner Erwiderungen auf die verschiedenen hier vorgebrachten Vorschläge.
Meine Damen und Herren, wir stehen nun wiederum vor einem neuen Abschnitt und haben in einem Jahr wiederum Rechenschaft abzulegen. Mein Ministerium ist gern bereit, geeignete Vorschläge zur Verbesserung der Maßnahmen jederzeit in Empfang zu nehmen. Aber über eines möchte ich keinen Zweifel lassen: daß wir nicht allem entsprechen können, daß wir einen geraden Weg gehen müssen, unbeirrt durch eine vielleicht sehr häufig herbe Kritik, die ja, letzten Endes von gewisser Seite immer wieder angeblasen, weitestgehend auch in unserer Landwirtschaft wachgerufen wird. Daß die Bundesregierung den harten Willen hat, das Möglichste zu tun, um im Rahmen des volkswirtschaftlich Gegebenen unserer Landwirtschaft beizustehen, daß sie das Landwirtschaftsgesetz hier als die Grundlage ihres Handelns betrachtet, das sei zum Schluß an diesem Tage noch einmal ausdrücklich betont.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0310605700
Das Wort hat der Abgeordnete Krüger (Olpe).

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0310605800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich am Schluß dieser langen Debatte nur noch kurz mit dem Teil des Grünen Berichts auseinandersetzen, der sich mit dem heimatvertriebenen und geflüchteten Landvolk befaßt. Ich möchte dabei vorweg zum Ausdruck bringen, daß — Sie alle wissen es — dieser Teil der Vertriebenen und Geflüchteten am stärksten betroffen ist. Der heimatvertriebene und geflüch-



Krüger (Olpe)

tete Bauer wird es natürlich niemals verwinden können, daß er nicht mehr als freier Bauer auf seiner eigenen Scholle leben kann. Ich glaube deshalb an dieser Stelle einmal darauf hinweisen zu müssen, daß die Eingliederung des heimatvertriebenen und geflüchteten Landvolks eine menschliche und gesellschaftliche Angelegenheit ist. Diesem Umstand sollte man bei allen Maßnahmen, die dieses Hohe Haus auch für diesen Teil beschließen muß, Rechnung tragen.
Ich begrüße es, daß den Eingliederungsmaßnahmen für diesen Bevölkerungsteil im Grünen Bericht wieder ein besonderer Abschnitt zugebilligt worden ist. Ich glaube, daß wir hier nur wenig daran auszusetzen haben.
Ich würde es begrüßen, wenn in Zukunft nicht mehr ein summarisches Verfahren angewandt würde, sondern eine gewisse Aufgliederung erfolgte hinsichtlich der Verwendung der Mittel, und zwar auch hinsichtlich der Teile für Vertriebene und sonstige Siedler. Das erscheint mir im Interesse der Offenlegung besonders notwendig zu sein, auch damit dieses Hohe Haus eine gewisse Kontrolle darüber ausüben kann, wieweit die Absichten z. B. des Fünfjahresplans durchgeführt worden sind.
Nun zur Siedlung. Im Jahre 1959 standen aus dem Bundeshaushalt und aus dem Kapitalmarkt 345 Millionen DM zur Verfügung, nicht allein zur Durchführung der Aufgabe des ersten Jahres des Fünfjahresplanes, sondern auch für die Einheimischen bei Neusiedlung und bei Aufstockung im Siedlungsverfahren. Insofern erscheint mir der Wortlaut im Grünen Plan nicht ganz eindeutig.
Wie sieht es nun 1960 aus? Nach dem Haushaltsentwurf sollen zusammen mit Kapitalmitteln und neuer Bindungsermächtigung 482 Millionen DM bereitgestellt werden. Von dieser Summe sind aber bereits 130 Millionen DM zur Abdeckung der alten Bindungsermächtigung und 47 Millionen DM für die Nebenkosten, Gebühren, Auslandssiedlung, Zinsendienst usw. festgelegt, so daß für die Siedlung nur 305 Millionen DM übrigbleiben. Das sind praktisch 40 Millionen DM weniger, als im Haushaltsjahr 1959 für diese Zwecke vorgesehen waren.
Dies deutet doch darauf hin, daß leider eine gewisse Einschränkung bei der Durchführung des Fünfjahresplanes vorgenommen wird. Gerade hier wird man noch einmal prüfen müssen, ob sich das mit den Zielen des Fünfjahresplanes verträgt.
Hinzu kommt, daß die Baukosten und die Grundstückspreise inzwischen weiter erheblich gestiegen sind. Daher erwarten die Vertriebenen mit Recht eine Erhöhung und keine Verringerung der öffentlichen Mittel. Wie will man sonst ein ständiges Absinken des Ergebnisses bei der Eingliederung der vertriebenen Bauern verhindern?"
In diesem Zusammenhang erscheint es mir auch notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Planung der Siedlungsmittel im Haushaltsentwurf bisher immer ohne Vorlage des Siedlungsprogramms erfolgte, das doch die Grundlage bilden muß. Deswegen würde ich anregen, daß in Zukunft ähnlich wie bei den Maßnahmen zur Verbesserung der
Agrarstruktur und beim Wohnungsbau auch hier gleich mit dem Haushaltsentwurf ein Siedlungsprogramm vorgelegt wird, damit das Hohe Haus die Möglichkeit hat, eine Kontrolle darüber auszuüben, ob die eingesetzten Mittel wirklich ausreichen.
Sehr erfreulich ist die Feststellung des Grünen Berichts, daß sich die wirtschaftliche Lage der Flüchtlingssiedler weiter gut entwickelt hat und daß die besondere Sorge der Umsetzung von Pachtsiedlern, deren Pacht jetzt ausläuft und nicht verlängert werden kann, auf Eigentumsstellen gilt. Ich glaube, man sollte an dieser Stelle einmal feststellen, daß sich gerade die hier angesetzten Pächter und Siedler durch ihren besonderen Fleiß unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen durchgesetzt haben.
Eine besondere Frage ist die Fürsorge für diejenigen Vollbauern, die, wie auch im Bericht festgestellt ist, unverschuldet in Not geraten sind. Diesen Betrieben wird durch die Betriebsfestigung geholfen, wofür bis zum Dezember 1959 insgesamt 6 Millionen DM aufgewendet wurden. Die Notwendigkeit, diese Aktion weiterzuführen, hat die Bundesregierung erfreulicherweise anerkannt. Die Arbeitstagung des Bauernverbandes der Vertriebenen im Januar hat gezeigt, wie notwendig diese Aktion ist und wie segensreich sie sich ausgewirkt hat.
Nicht recht zu verstehen ist jedoch, daß der Stichtag hier der 30. Juni 1958 ist. Dieser Stichtag ist durch die Verordnung festgelegt worden, die erst fünf Monate nach dem Stichtag herausgekommen ist. Dadurch ist eine Schwierigkeit bei der Fürsorge für notleidende Betriebe eingetreten. Ich darf deshalb anregen, daß eine Änderung und Ergänzung der Verordnung in dieser Beziehung vorgenommen wird.
Besondere Schwierigkeiten bei der Neuansetzung und bei der Neusiedlung bereitet die Entwicklung auf dem Bodenmarkt. Ich glaube, auch hier sind besondere Maßnahmen erforderlich, damit der Fünfjahresplan durchgeführt werden kann. In dieser Richtung hat die Bundesregierung noch eine besondere Aufgabe zu erfüllen. Sie muß prüfen, welche Maßnahmen angesichts der Preisentwicklung im Rahmen der Durchführung des Förderungsprogramms zu ergreifen sind.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt auf den Anfang der Debatte zurück. Mein Fraktionskollege Struve hat zu Beginn auf die Entwicklung in der sowjetisch besetzten Zone hingewiesen. Wir erleben in diesen Tagen die verstärkte Aktivität der SED hinsichtlich der Enteignung des Bauerntums in der Zone. Dort zeigt sich die gleiche Entwicklung, die in der UdSSR seinerzeit zur Entrechtung und Enteignung der Bauern geführt hat. Damit wird der Welt und uns wieder einmal deutlich vor Augen geführt, wohin der Weg in der von der UdSSR besetzten Zone für das freie Bauerntum führt. Gerade diese Tatsache muß uns eindeutig vor Augen führen, daß die Maßnahmen, die für diesen Berufsstand, für die heimatvertriebenen und geflüchteten Landwirte und Bauern vorgesehen sind,
5798 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Freitag, den 1l. März 1960
Krüger (Olpe)

wirklich schnell durchgeführt werden. Das Anwachsen der Flüchtlingszahlen zeigt uns nämlich, daß auch hier neue Aufgaben auf uns zukommen.
Ich habe dann im Auftrage der Regierungsparteien zu den Entschließungsanträgen folgendes vorzuschlagen. Der Umdruck 493 soll heute angenommen werden, der Umdruck 498 ist abzulehnen,

(Abg. Kriedemann: Ist abzulehnen! Haben Sie gehört, meine Herren?!)

und die Umdrucke 492, 494, 497, 495 und 496 — das ist der Standpunkt meiner Fraktion und der Fraktion der Deutschen Partei — sind dem Ausschuß zu überweisen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0310605900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegenden Entschließungsanträge. Sie haben den Antrag, den Kollege Krüger soeben gestellt hat, gehört; Kollege Bauknecht hat ihn heute morgen schon vorgetragen. Ihr Antrag geht wohl dahin, Umdruck 498 anzunehmen.

(Abg. Kriedemann: Natürlich! Wir bitten darum! — Abg. Frehsee: Wir sagen nicht: er ist anzunehmen!)

— Ich habe es verstanden. Soweit ich die Anträge auf den Umdrucken 492, 494, 495, 496 überschaue, behandeln sie Spezialfragen, die nach ihrem sachlichen Inhalt einer Erörterung im Ausschuß bedürfen. Ich darf- feststellen, daß Einverständnis darüber besteht, sie dem zuständigen Ausschuß zu überweisen. Ich stelle also die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten fest.
Wir haben ferner den Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 493, wenn Sie mir gestatten, etwas überspitzt zu charakterisieren, ein Vertrauensvotum mit gewissen Vorbehalten und Wünschen; einen Antrag der SPD auf Umdruck 498, dessen erster Satz sich wie ein Vertrauensvotum liest, dessen weiterer Inhalt aber erkennen läßt, daß mehrere Vorbehalte gemacht werden und Kritik geübt wird. Schließlich haben wir einen Antrag der FDP auf Umdruck 497, den ich vielleicht, auch zugespitzt, als ein Mißtrauensvotum mit Bewährungsfrist charakterisieren dürfte.

(Heiterkeit.)

Darf ich fragen: habe ich Herrn Kollegen Weber richtig verstanden, daß Umdruck 497 auch an den Ausschuß überwiesen werden soll?

(Zustimmung.)

Dann stelle ich fest, daß auch dieser Antrag überwiesen ist.
Jetzt haben wir nur noch über die Anträge auf den Umdrucken 493 und 498 abzustimmen. Wer dem Antrag auf Umdruck 493 — Antrag der CDU/CSU und der DP — zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Angenommen.
Ich stelle den Antrag Umdruck 498 zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Danke schön. Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.

(Abg. Kriedemann: Was? Mehr Geld für die Landwirtschaft abgelehnt?!)

— Der Antrag auf Umdruck 498 ist abgelehnt.
Zu Punkt 5 der gedruckten Tagesordnung ist mir mitgeteilt worden, daß Übereinstimmung im Hause bestehe, die Beratung bis zur nächsten Sitzung zurückzustellen.
Wir haben jetzt nur noch Punkt 6 der gedruckten Tagesordnung zu behandeln:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Betriebszählung in der Land- und Forstwirtschaft (Landwirtschaftszählung 1960) (Drucksache 1664).
Ich rufe zur ersten Beratung auf. — Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich rufe auf die §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9, — 10, — 11, — 12 — sowie Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Generaldebatte. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Generaldebatte ist geschlossen.
Wer dem Gesetz in der in zweiter Beratung angenommenen Fassung einschließlich der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke Ihnen. Eine-Gegenprobe ist, soweit ich sehe, nicht erforderlich. Einstimmig angenommen.
Wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf den 16. März, vormittags 9 Uhr, ein und schließe die Sitzung.