Rede von
Fritz
Weber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage meiner Fraktion habe ich die Anträge, die wir gestellt haben, zu begründen. Ich will es ganz kurz machen. Gestatten Sie mir, zu dem, was bis jetzt gesagt ist, einige Worte. Vieles, was heute gesagt wurde, hätte in die Ausschußberatungen gehört.
— Da gibt es gar keinen Zweifel. Wir müssen doch die Dinge politisch sehen, Herr Kollege Kriedemann, und da muß ich gerade dem Kollegen Bauknecht sagen: Bitte, treten Sie unseren Anträgen näher. Wenn die Dinge so sind, wie Sie sie — nach meiner Meinung richtig — geschildert haben, dann stimmt etwas nicht im Grünen Bericht. In unserem Antrag Umdruck 497 fordern wir Zurückweisung des Grünen Berichts. Ich habe die Bitte an die Bundesregierung, ihn zu berichtigen und bis zum Mai erneut vorzulegen.
Die Berechnungen in den Bundesstatistiken, die dem Grünen Bericht zugrunde liegen — Berechnungen mit Vollarbeitskräften —, stimmen nicht mit der Wirklichkeit überein. Ich sage mit aller Deutlichkeit: die Berechnung, auf die sich die Vergleichsrechnung des Grünen Berichts stützt, stellt ein in die Zukunft projiziertes Vexierbild dar. Die Wirklichkeit ist anders! Wenn die Lage der Landwirtschaft in bezug auf die Vollarbeitskräfteberech-
*) Siehe 105. Sitzung Anlage 5
Weber
nung so wäre, wie sie im Grünen Bericht dargestellt ist, hätten wir einen wesentlichen Teil des Strukturwandels schon hinter uns. Dem ist aber nicht so. —Aber diese Dinge können wir im Ausschuß beraten.
Herr Minister, ich weise darauf hin, daß die Bundesstatistik im Jahrbuch 1959 und die Statistik des Grünen Berichts nicht übereinstimmen. Bekanntlich kann man mit Statistiken alles nachweisen. Aber wenn man mit Statistiken etwas beweisen will, müssen die des Bundes mindestens übereinstimmen. Ich hoffe, wir werden im Ausschuß Gelegenheit haben, zu den Einzelheiten genau Stellung zu nehmen.
Herr Kollege Bauknecht hat die große Problematik hier schon so dargelegt, daß ich nicht mehr darauf zurückkommen will. — Aber nun zu Ihnen, meine sehr verehrten Herren Kollegen von der SPD. Herr Kollege Kriedemann und Herr Kollege Bading, ich frage mich: was wollen Sie eigentlich? Sie stellen den Strukturwandel so groß heraus. Gerade Sie, Herr Kriedemann, das sage ich von der FDP hier ganz deutlich, haben mit dazu beigetragen — zusammen mit der Agrarpolitik der CDU, die hinter uns liegt —, daß die öffentliche Meinung über die Landwirtschaft schlechter wurde. Die öffentliche Meinung wurde so beeinflußt, daß heute allgemein die Auffassung vorherrscht, als ob das Agrar-Problem mit Strukturwandel zu lösen sei.
— Nein, sie hat nicht recht. Sie, Herr Kollege Kriedemann und Herr Kollege Bading, Sie von der SPD haben in einer üblen Weise hier klein gegen groß aufgehetzt. Ich habe meine Nase noch etwas dichter in der Praxis. Ich bin selber Sohn eines Kleinbauern mit einer Wirtschaft von 6 ha und bewirtschafte heute als Pächter im Schwarzwald einen arrondierten 60-ha-Betrieb — er ist strukturell gesund — in 550 m Höhenlage. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie die Dinge liegen.
Neulich habe ich mir, Herr Kriedemann, bei der Buchstelle, der ich schon jahrelang angeschlossen bin — als Beispiel —, die Betriebsergebnisse der besten zwölf Betriebe geben lassen, natürlich nur anonym. Ich habe sie nach allen Seiten nachgerechnet. Das sind diese Zuckerrübenbaubetriebe, die Betriebe, von denen Sie sagen, daß sie unheimliche Gewinne einstecken! Herr Kollege Kriedemann, legen Sie eine Rechnung auf, und Sie werden unserer Ansicht in Zukunft beitreten müssen: es gibt nur die eine Möglichkeit, nämlich die, den kostendeckenden Preis für den guten, strukturell gesunden Betrieb zu nehmen. Dann werden die Kleinbetriebe alle mitkommen.
Sie bringen heute mit Ihrer Politik Unruhe in unser Kleinbauerntum. Herr Kollege Bading, ich möchte Ihnen sagen, daß Sie mit Ihrer jetzigen Argumentation dazu beitragen. Glauben Sie denn, daß wir das Problem in der Praxis mit Strukturwandel lösen könnten? Gerade bei mir im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb würden Ihnen die Kleinbauern, die in die Fabriken gehen, etwas
sagen, wenn Sie ihre Betriebe strukturell andern wollten. Wie wollen Sie eigentlich den Eigentumsverhältnissen gerecht werden?
— Ja, dann müssen Sie auch zugeben, daß im Grünen Bericht, so wie er heute vorliegt, daß in der heutigen Vergleichsrechnung nicht die nachhinkenden, nicht die unwirtschaftlichen Betriebe im Gesamtergebnis drin sind. Ich sage Ihnen: die Bereinigung auf Vollarbeitskräfte nach der Agrarpolitik der heutigen und hinter uns liegenden Zeit hat die Strukturbereinigung schon weitestgehend vorgenommen. Wir kommen auf diese Dinge noch zurück. Ich belege es hier. Als Betriebsleiter eines Betriebes, der strukturell gesund und arrondiert ist — 60 ha, vollständig eben, Maschineneinsatz —, kann ich Ihnen die Rechnung für heute und für die Zukunft aufmachen.
Die Frage des kostendeckenden Preises werden Sie nicht vom Tisch bringen. Darauf zielen unsere Anträge.
— Herr Kollege Kriedemann, ich gebe Ihnen die Antwort gleich vorneweg.
— Ich gebe Ihnen recht; gewiß, ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Kriedemann.
— Sagen Sie es nachher. Ich gebe Ihnen recht; ich wollte gerade auf Sie zukommen. —
Eine Globaldisparität, wo alle mit drin sind, auch die Fußkranken, lehnen auch wir ab. Wir wollen eine Disparitätsausrechnung auf der Grundlage des strukturell gesunden Betriebs und mit der Kostendeckung, wie sie dem Landwirtschaftsgesetz zugrunde liegt. Ich gebe Ihnen recht, daß die Forderung nach Index vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkt aus nicht absolut tragbar ist. Diese Debatte werden wir weiterführen. Aber das Prinzip, das Sie von der SPD und von der CDU selber im Landwirtschaftsgesetz zugrunde gelegt haben, daß sich im gesunden Betrieb Aufwand und Ertrag decken müssen, müssen Sie beibehalten.
Nehmen Sie als Beispiel einen gesunden Betrieb
— Sie können auch einen Großbetrieb nehmen, weil der bei uns in Deutschland nicht sehr groß ist — mit 50 ha und einen Viehbesatz von 0,8 Großvieh-Einheiten je Hektar, wie dies dem Durchschnitt der deutschen Landwirtschaft entspricht. Dann kann ich Ihnen sagen: Wenn bei diesem Betrieb die Rechnung aufgeht, können unter gleichen Preisverhältnissen alle unsere Kleinbauern bestehen. Mit anderen Worten: Keiner von unseren Kleinbauern, der Bauer bleiben will, wird aufgeben; sie werden die letzten sein, die das tun. Die, die nicht in der Lage sind, die Arbeit in ihren Betrieben allein mit familieneigenen Arbeitskräften zu meistern, werden die ersten sein, die aufgeben müssen.
Weber
Darf ich Ihnen nun noch ganz kurz unsere Anträge erläutern. Der erste Antrag — Umdruck 497 — fordert Zurückweisung und Berichtigung des Grünen Berichts. Herr Bundesminister, wir werden die Dinge nicht vorn Tisch kommen lassen. Die Voll-Arbeitskräfte-Berechnung muß durchgeführt werden. Ich könnte Ihnen hier genau beweisen, daß die vorgelegte Rechnung nicht stimmt. Wir werden, wenn es nicht gemacht wird, mit aller Deutlichkeit immer wieder darauf zurückzukommen.
Ich komme zum zweiten Antrag, der nun einmal nötig geworden ist, nachdem die Dinge so gelaufen sind. Bekanntlich haben wir z. B. den Butterzoll nicht gewünscht — die Aussetzung des Butterzolls war es ja gar nicht gewesen —; mit dem hätte man die erste Überspitzung auffangen können. Aber nachdem die SPD nur 20 000 t Buttereinfuhr-Ausschreibungen gefordert hatte, haben das Bundesernährungsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium, hat die Bundesregierung 50 000 festgesetzt. Dadurch ist das Dilemma gekommen. Das ist doch die wirkliche Lage.
— Dann war eben das schon zuviel, darüber gibt es gar keinen Zweifel.
— Das weiß ich. Wir wollen die Dinge nicht weiter vertiefen.
— Ich habe deutlich herausgestellt, daß Sie von der SPD die Dinge gar nicht übertrieben haben, sondern hier liegt die Verantwortung eindeutig bei der Bundesregierung. Hier hätte man die handels- und zollpolitischen Maßnahmen anders handhaben müssen, um dem Landwirtschaftsgesetz gerecht zu werden. Wenn uns durch solche Maßnahmen in einem Jahr wieder das kaputt geht, was wir an Milchprämie bekommen, dann ist es sinnlos.
Ganz kurz zu den Schwierigkeiten, die auf uns durch die Eingliederung in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und vor allem auch im Hinblick darauf zukommen, daß in diesem Jahr die Form und der Weg der Agrarpolitik in der EWG bestimmt werden. Wir haben deshalb große Sorge, und um die Bundesregierung zu veranlassen, diese Frage zu klären, haben wir auf Umdruck 495 einen Antrag gestellt, die Bundesregierung möge prüfen und dem Bundestag darüber berichten, inwieweit als Sofortmaßnahme Mindestpreise und ein Mindestpreissystem angewendet werden können. Ich glaube, ich brauche weiter nicht viel dazu zu sagen.
Der letzte Antrag auf Umdruck 496 enthält einmal die Aufforderung, auf Grund des soeben Gesagten eine Agrarpolitik zu machen, die der Zielsetzung ,des Landwirtschaftsgesetzes gerecht wird, und zweitens — und hier, Herr Kollege Kriedemann, treffen wir uns wieder — .die Aufforderung, die Bundesregierung und dieses Haus mögen in Zukunft alle agrarpolitischen Möglichkeiten prüfen, insbesondere auch prüfen, ob nicht ein Stilwandel in der Agrarpolitik heute gerade in Hinsicht auf die EWG angebracht ist. Wir bitten, diese zweite Möglichkeit einer agrarpolitischen Maßnahme, wie sie in England heute gehandhabt wird — ähnlich auch in anderen Ländern —, zu prüfen und dem Hause zu berichten. Der Wunsch der FDP geht dahin, daß man sich auch im Ernährungsausschuß und in diesem Hause mit diesen wichtigen agrarpolitischen Fragen befaßt.
Wir sind uns sehr wohl bewußt, daß eine dem englischen System ähnliche Anwendung der Agrarpolitik große Schwierigkeiten bringt, aber wir wissen, daß sie mehrere große Vorteile mit sich bringen würde: die 80 Jahre alte Feindschaft zwischen Erzeugern und Verbrauchern entfällt, wenn man den Inlandspreis für Agrarprodukte auf den Weltmarkt einspielen läßt. Dann weiß jeder, daß er nirgends billiger leben kann als im Inland. Die Frage ist, ob wir die Konsequenzen daraus ziehen, die Frage ist, ob wir die Möglichkeiten und auch Notwendigkeiten sehen. Ich denke nicht zuletzt auch an unsere Ernährungsindustrie. Ich frage mich, in welche Schwierigkeiten sie durch die mit der Eingliederung in die EWG verbundene Umstellung kommen wird und welche Rückschläge für die Landwirtschaft dadurch entstehen. Hier stehen wir an einem Wendepunkt und haben ,die Aufgabe, alle Möglichkeiten zu prüfen.
Herr Minister, das Ziel ist in Stresa klar herausgestellt worden: ein gesundes Bauerntum, das auf der Grundlage eines gesunden Familienbetriebs arbeitet. Herr Kollege Struve hat eingangs die Tragödie dargelegt, die sich auf ,diesem Gebiet im Osten abspielt.
Letzten Endes ist das wesentlichste, daß das deutsche Bauerntum und unsere Familienbetriebe wissen, welche Berechtigung sie haben, wie sie eingestuft sind, wie man sie wertet und ob man auch in Zukunft bereit ist, ihnen den gerechten Lohn auf der Grundlage des Landwirtschaftsgesetzes zu geben, nämlich auf der Grundlage der Aufwands- und Ertragsrechnung. Das ist das Anliegen, das unseren drei Anträgen zugrunde liegt. Wir bitten Sie, diesen Anträgen zuzustimmen und sie an den Ausschuß zu überweisen.