Protokoll:
3014

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 3

  • date_rangeSitzungsnummer: 14

  • date_rangeDatum: 27. Februar 1958

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:41 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag 14. Sitzung Bonn, den 27. Februar 1958 Inhalt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (CDU/CSU, SPD) (Drucksache 222) — Erste Beratung — 629 A Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Einzigen Europäischen Versammlung (Drucksache 236) Dr. Mommer (SPD) 629 B Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirt- schaft (Drucksachen 200, zu 200; Umdrucke 15, 16, 17, 19) in Verbindung damit Antrag der Fraktion der DP betr. Nachtrag zum Grünen Bericht 1958 (Drucksache 138 [neu]) Lücker (München) (CDU/CSU) . . . 629 C Kriedemann (SPD) 635 B Bauknecht (CDU/CSU) 648 B Köhler (FDP) 656 A Rehs (SPD) 664 B Dr. Preiß (DP) 666 B Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD) . . . 671 D Dr. h. c. Lübke, Bundesminister . . 675 B Struve (CDU/CSU) 681 A Nächste Sitzung 682 D Anlagen 683 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1958 629 14. Sitzung Bonn, den 27. Februar 1958 Stenographischer Bericht Beginn: 14.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1958 683 Anlage 1 Liste der beurlaubten Abgeordneten Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Frau Albertz 28. 2. Frau Albrecht 3.3. Altmaier 28. 2. Arndgen 28. 2. Dr. Baade 28. 2. Dr. Atzenroth 28. 2. Dr. Barzel 28. 2. Bazille 18.3. Dr. Becker (Hersfeld) 15.3. Behrisch 28. 2. Benda 28.2. Berendsen 28. 2. Birkelbach* 28. 2. Dr. Birrenbach* 28. 2. Conrad" 28. 2. Dr. Dahlgrün 28. 2. Dr. Deist" 28. 2. Deringer 27. 2. Dr. Dittrich 28. 2. Frau Döhring (Stuttgart) 27. 2. Dr. Dollinger" 28. 2. Dr. Eckhardt 28. 2. Eilers (Oldenburg) 28. 2. Eschmann 27. 2. Even (Köln) 28. 2. Faller 7.3. Felder 31.3. Frehsee 28. 2. Frau Friese-Korn 28. 2. Funk 28. 2. Dr. Furler* 28. 2. Gottesleben 28. 2. Dr. Greve 28. 2. Hellenbrock 24. 3. Hesemann 27. 2. Dr. Höck (Salzgitter) 10.3. Höhne 28. 2. Frau Dr. Hubert 28. 2. Illerhaus 28. 2. Jacobs 12. 3. Dr. Jordan 28. 2. Jürgensen 31.3. Kalbitzer 27. 2. Kiesinger 28. 2. Frau Kipp-Kaule 27. 2. Könen (Düsseldorf) 28. 2. Dr. Kopf* 28. 2. Dr. Kreyssig* 28. 2. Kühlthau 28. 2. Kühn (Bonn) 28. 2. Kühn (Köln) 27. 2. Kunze 28. 2. Leber 28. 2. Dr. Leiske 27. 2. Lenz (Brühl)* 28. 2. Frau Dr. Dr. h. c. Lüders 31.3. Ludwig 28.2. Mellies 8.3. Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) beurlaubt bis einschließlich Mensing 28. 2. Dr. Menzel 27. 2. Dr. von Merkatz* 28. 2. Metzger" 28. 2. Dr. Meyers (Aachen) 8.3. Müller (Erbendorf) 28.2. Frau Nadig 27. 2. Neuburger 28. 2. Frau Niggemeyer 28. 2. Dr. Oesterle* 28. 2. Ollenhauer* 28. 2. Paul 28. 2. Pelster" 28. 2. Dr.Philipp" 28.2. Dr. Preusker 28. 2. Rademacher 28. 2. Rasch 28. 2. Reitzner 28. 2. Dr. Rüdel (Kiel) 8.3. Frau Rudoll 27. 2. Scheel* 28. 2. Scheppmann 27. 2. Siebel 1.3. Dr. Siemer 28. 2. Solke 28. 2. Stahl 28. 2. Stauch 28. 2. Frau Dr. Steinbiß 28. 2. Stenger 15.3. Frau Strobel 28. 2. Wacher 28. 2. Wagner 28. 2. Wehner* 28. 2. Weimer 28. 2. Dr. Werber 27. 2. Dr. Willeke 27. 2. Frau Wolff (Berlin) 27. 2. Anlage 2 Umdruck 15 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 200, zu 200). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, umgehend ein 10-Jahres-Programm für die Durchführung und Finanzierung der wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur (Flurbereinigung, Wasserwirtschaft, Aufstockung und Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe) vorzulegen. Bonn, den 25. Februar 1958 Ollenhauer und Fraktion * für die Teilnahme an der Tagung der Gemeinsamen Versammlung der Europäischen Gemeinschaft für Kahle und Stahl 684 Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1958 Umdruck 16 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 200, zu 200). Der Bundestag wolle beschließen: Zwecks beschleunigter Durchführung der Flurbereinigung wird der dafür vorgesehene Zuschuß von 60 Mio DM so erhöht, daß damit 50 v. H. (bei Sonderkulturen und in landwirtschaftlichen Notstandsgebieten bis zu 70 v. H.) der Kosten gedeckt werden, die aus der Flurbereinigung von jährlich 350 00 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche entstehen. Ferner sind die Kreditverbilligungsmittel so zu erhöhen, daß die für die Zusammenlegung der vorgenannten Fläche erforderlichen restlichen Mittel zu den der Aufgabe Angemessenen Zinssätzen aus dem Kapitalmarkt beschafft werden können, soweit sie nicht von den Ländern direkt aufgebracht werden. Der Anteil der Grundstückseigner am Restbetrag ist vom Bund vorzufinanzieren und nach zwei Freijahren im Rentenverfahren einzuziehen. Bonn, den 25. Februar 1958 Ollenhauer und Fraktion Umdruck 17 Antrag der Abgeordneten Höcherl, Bauer (Wasserburg), Fuchs, Krug, Lücker (München) und Genossen zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 200, zu 200), h i e r : Milchleistungsprämie. Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, die Milchleistungsprämie im Rahmen des Grünen Planes nach Möglichkeit in der bisherigen Form und Höhe unter Ausschöpfung aller Gegebenheiten fortzuführen. Dabei sollen insbesondere folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden: 1. Die Notwendigkeit fortschreitender Qualitätsanforderungen zur Erlangung der Milchleistungsprämie wird grundsätzlich bejaht. Der Landwirtschaft ist aber für die betriebswirtschaftliche Einstellung auf die steigenden Anforderungen eine ausreichende Zeit einzuräumen. 2. Die fortschreitenden Qualitätsanforderungen sind zu gegebener Zeit so abzustufen, daß Qualitätsgefälle und Prämiengefälle sinnvoll aufeinander abgestimmt sind. 3. In Verfolg von § 1 des Landwirtschaftsgesetzes sind alle marktmäßigen Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die Erfolge der Milchleistungsprämie gesichert werden. Darüber hinaus wird die Bundesregierung ersucht, durch stärkere Inanspruchnahme des Bundesausgleichs das zu starke Erzeugerpreisgefälle im Bundesgebiet angemessen auszugleichen. Bonn, den 27. Februar 1958 Höcherl Bauer (Wasserburg) Fuchs Krug Lücker (München) Dr. Aigner Bauereisen Demmelmeier Drachsler Dr. Franz Frau Geisendörfer Dr. Gleissner (München) Dr. Görgen Freiherr zu Guttenberg Dr. von Haniel-Niethammer Kemmer Dr. Kempfler Klausner Kramel Frau Dr. Kuchtner Lermer Dr. Baron Manteuffel-Szoege Meyer (Oppertshofen) Memmel Niederalt Frau Dr. Probst Ruland Schlee Schütz (München) Seidel (Dorfen) Stiller Sühler Unertl Wieninger Wittmann Dr. Zimmermann Umdruck 19 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP, DP zur Beratung des Berichts -der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 200, zu 200). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag hat den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis genommen und stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz zu. Er erwartet, daß die Richtlinien zu ihrer Durchführung im Benehmen mit den Ländern umgehend erlassen werden. Die Bundesregierung wird ersucht, ihre Anstrengungen im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zu verstärken, um im Sinne des Land- Deutscher Bundestag — 3. Wahlperiode — 14. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Februar 1958 685 wirtschaftsgesetzes den Ausgleich zwischen Ertrag und Aufwand in den landwirtschaftlichen Betrieben zu erreichen. Bonn, den 27. Februar 1958 Dr. Krone und Fraktion Ollenhauer und Fraktion Dr. Mende und Fraktion Schneider (Bremerhaven) und Fraktion Umdruck 20 Entschließungsantrag der Abgeordneten Mauk und Genossen zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 200, zu 200). Der Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag stellt fest, daß das im Landwirtschaftsgesetz angesprochene Gesetzesziel, „die für die Landwirtschaft bestehenden naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen auszugleichen", wiederum nicht erreicht wurde. Auch mit den von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen (Grüner Plan 1956 und 1957) konnte die wirtschaftliche Lage der Landwirtschaft im Verhältnis zu anderen Wirtschaftsbereichen nicht wesentlich gebessert werden. Die neue Vorlage (Grüner Plan 1958) trägt, ungeachtet der Nützlichkeit von Einzelmaßnahmen, den Erfordernissen auch nicht Rechnung. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, mit den in § 1 des Landwirtschaftsgesetzes angesprochenen Mitteln der allgemeinen Wirtschafts-und Agrarpolitik — insbesondere der Handels-, Steuer-, Kredit- und Preispolitik — Vorkehrungen zu treffen, daß die Maßnahmen des Grünen Plans nicht wiederum durch falsche Anwendung der Handels- und Wirtschaftspolitik entwertet werden. Bonn, den 27. Februar 1958 Mauk Dr. Bucher Dr. Dahlgrün Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dowidat Dürr Dr. Hoven Keller Dr. Kohut Lenz (Trossingen) Dr. Maier (Stuttgart) Margulies Mischnick Murr Dr. Rutschke Spitzmüller Dr. Stammberger Walter Weber (Georgenau) Umdruck 21 Antrag der Abgeordneten Mauk und Genossen zur Beratung des Berichts der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Druchsachen 200, zu 200). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dafür Sorge zu tragen, daß die Qualitätszuschläge für Milch in unveränderter Weise (4 Pf je kg) weiter gezahlt werden. Bonn, den 27. Februar 1958 Mauk Dr. Bucher Dr. Dahlgrün Frau Dr. Diemer-Nicolaus Dowidat Dr. Hoven Keller Dr. Kohut Margulies Mischnick Murr Dr. Rutschke Spitzmüller Walter Weber (Georgenau)
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301400000
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich folgendes bekanntgeben. Durch interfraktionelle Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesrückerstattungsgesetzes (Drucksache 222).
Ich schlage Ihnen vor, die Angelegenheit vorweg zu behandeln. — Damit besteht Einverständnis.
Ich schlage Ihnen vor, da auf Begründung und
Aussprache verzichtet wird, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wiedergutmachung zu überweisen. — Das Haus ist damit einverstanden; es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Wahl der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland zur Einzigen Europäischen Versammlung.
Wird hierzu das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (SPD):
Rede ID: ID0301400100
Herr Präsident, eine kleine Berichtigung der Vorlage Drucksache 236. In Punkt 3 sollte es der Klarheit wegen in der zweiten Zeile nicht „bis zur gesetzlichen Regelung der Wahl der Vertreter der Bundesrepublik in die Versammlung" usw., sondern „bis zur Neuwahl auf Grund einer gesetzlichen Regelung" usw. heißen. Ferner ist in der ersten Zeile von Punkt 2 „der Versammlung" in „dieser Versammlung" zu ändern.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301400200
Meine Damen und Herren, Sie haben die beiden Berichtigungen gehört und machen sie zum Inhalt der Vorlage. — Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Aussprache über den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 200, zu 200; Umdrucke 15, 16, 17, 19);

(Drucksache 138 Die Anträge der Fraktionen werden im Rahmen der Debatte begründet. Das Wort hat der Abgeordnete Lücker. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist eine glückliche Fügung, die der heutigen Debatte der Sache nach sehr zustatten kommt, daß zwischen der Vorlage der Regierungserklärung und der heutigen Aussprache eine ausreichende Zeit zur Verfügung gestanden hat, die uns allen in diesem Hause ermöglicht hat, uns eingehend mit dem Grünen Bericht und mit dem Grünen Plan 1958 zu beschäftigen. Ich nehme an, daß auch eine nur relativ oberflächliche Beschäftigung mit diesen beiden Vorlagen uns doch zwei Dinge sehr eindrucksvoll vor Augen geführt hat, die ich gern an den Anfang meiner Überlegungen stellen möchte. Das erste ist die Tatsache, daß dieser Grüne Bericht eine eindrucksvolle Demonstration der stürmischen Entwicklung darstellt, die die Landwirtschaft insbesondere in den letzten sechs bis sieben Jahren genommen hat. Damit hängt zweitens zusammen, daß dieser Grüne Bericht und dieser dritte Grüne Plan sehr wohl geeignet sind, die agrarpolitische Diskussion auf ein sachliches Fundament zu stellen, das es erlaubt, die Entscheidungen so zu treffen, wie sie von der Sache her zum Wohle unserer deutschen Landwirtschaft und im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung unserer Gesamtwirtschaft getroffen werden müssen. Wenn wir uns an die Auseinandersetzungen über die deutsche Agrarpolitik erinnern, deren Zeugen wir in den letzten Jahren, insbesondere im letzten halben Jahr, sowohl hier im politisch-parlamentarischen Raum wie auch außerhalb dieses Raumes in den betroffenen Wirtschaftskreisen gewesen sind, dann glaube ich nicht zu viel zu sagen, wenn ich feststelle, daß durch die Vorlage des dritten Grünen Berichts und des dritten Grünen Plans eine Hoffnung erfüllt wird, die uns alle beseelt hat, als wir seinerzeit in diesem Hause das Landwirtschaftsgesetz verabschiedeten: nämlich eine Grundlage Lücker dafür zu schaffen, daß wir in Gemeinsamkeit und unter Zusammenfassung aller Kräfte uns bemühen sollten, im wohlverstandenen Interesse der deutschen Gesamtwirtschaft und ihrer weiteren Entwicklung die Probleme der deutschen Agrarwirtschaft zu sehen und zu lösen. Das scheint mir sehr heilsam zu sein. Wenn wir heute mit Befriedigung feststellen, daß die zum Teil etwas über die Ufer getretene Agrardiskussion in den letzten Monaten, in den ersten Wochen dieses Jahres, in der allerjüngsten Zeit zu einer weitgehenden Annäherung der Meinungen und Auffassungen zwischen Regierung, Parlament und den betroffenen Wirtschaftskreisen geführt hat, so glaube ich, daß die nüchterne Art, wie die Tatsachen in den Grünen Berichten und den Grünen Plänen der Öffentlichkeit vorgelegt werden, ein überzeugendes Dokument und wahrscheinlich auch der letzte Grund für die Versachlichung dieser Diskussion ist. So möchte ich feststellen, daß uns die Güte dieser Vorlagen durchaus berechtigt, heute unsere Betrachtung etwa unter die Generalfrage zu stellen: War die Agrarpolitik, wie sie in den letzten Jahren von dieser Regierung betrieben und auch von diesem Hause getragen wurde, richtig, ist sie auch heute richtig und sind die Tendenzen so, wie sie dem Grünen Bericht zu entnehmen sind, für eine fortschreitende konstruktive Entwicklung unserer Agrarwirtschaft richtig? Ich glaube, diese Grundsatzfrage steht nicht dem Worte, aber dem Geiste nach über unserer ganzen Aussprache, und ich meine daher, daß es richtig wäre, sich einmal mit den grundsätzlichen Tendenzen auseinanderzusetzen, die wir dieser Vorlage entnehmen müssen — nicht: entnehmen können, sondern ich betone: entnehmen müssen —, weil diese Vorlage ein exaktes Dokument darstellt. Ich glaube, es ist in diesem Hause selten über wirtschaftspolitische Vorgänge und Entwicklungen auf der Grundlage einer so exakten Vorlage debattiert worden, wie wir sie mit diesem Grünen Bericht erhalten haben, und ich meine, daß wir auch an dieser Stelle der Bundesregierung und insbesondere dem Bundesminister Dr. Lübke und seinen Mitarbeitern für die Güte dieser Vorlage ein aufrichtiges Wort der Anerkennung sagen sollten. Wenn ich mich nun den grundsätzlichen Tendenzen der agrarpolitischen Entwicklung zuwenden darf, so möchte ich an den Anfang den Anteil stellen, den die deutsche Landwirtschaft zu der gesamtwirtschaftlichen Prosperität und Wohlstandsentwicklung in unserem Lande und in unserem Volke in den letzten Jahren geleistet hat; denn ich glaube, der Wert und die Bedeutung der Landwirtschaft läßt sich nur an dem Beitrag demonstrieren, den sie zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und Wohlstandsförderung zu leisten imstande ist. Wir können mit Befriedigung feststellen, daß die landwirtschaftliche Produktion mit dem laufenden Wirtschaftsjahr um etwa 30% höher sein wird als in der Vorkriegszeit und daß sie dem Werte nach in diesem Jahre zum erstenmal die 20-Milliarden-D-Mark-Grenze überschreiten wird. Das sind zwei imponierende Zahlen. Wenn ich in Vergleich setze, daß mit dieser Produktionsleistung die Versorgung unserer deutschen Bevölkerung mit Nahrungsgütern zu rund 76% gewährleistet wird, und dabei feststelle, daß dieser Versorgungsgrad fast an den normalen Versorgungsgrad früherer Jahrzehnte in Friedenszeiten heranreicht, dann wird deutlich, mit welcher Kraftanstrengung unsere deutsche Landwirtschaft dieses Ziel angesteuert und erreicht hat. Aber die Anstrengungen, die dazu gemacht worden sind, bestätigen auch das Tempo und das Ausmaß der stürmisch zu nennenden Entwicklung. Es ist an dieser Stelle in der Vergangenheit des öfteren davon gesprochen worden, daß sich die deutsche Landwirtschaft in einem Umstellungsprozeß gigantischen Ausmaßes befindet, ja daß man nicht übertreibt, wenn man von einem revolutionären Prozeß, von einer wirklichen Agrarrevolution spricht. Wir haben seit 1950 — um nur einige wenige Zahlen noch einmal ins Gedächtnis zu rufen — den Traktorenbestand in der Bundesrepublik versieben-facht, den Mähdrescherbestand in den letzten dreieinhalb Jahren vervierfacht, den Bestand an Melkmaschinen in den letzten sechs Jahren vervierundzwanzigfacht, und wir haben eine Handelsdüngeranwendung, die im Schnitt etwa um 45 bis 50 % über der Handelsdüngeranwendung der Vorkriegszeit liegt. Wir haben darüber hinaus in unserer deutschen Veredlungsproduktion um 74 % mehr Futtermittel aus Importen verwendet als in der Vorkriegszeit; auf Grund dieser erhöhten Importe haben wir einen Anteil von etwa 13% an der ganzen tierischen Veredlungsproduktion aus dieser zusätzlichen Verbreiterung der Rohstoffbasis unserer Landwirtschaft geleistet. Was sagen die nackten Zahlen? Sie sagen, daß die deutsche Landwirtschaft seit 1950 ihre Wertschöpfung um insgesamt 57 % erhöht hat. Diese enorme Steigerung hat sie mit einer Verminderung ihrer Arbeitskräfte in der gleichen Zeit um 22% leisten können. Diese Zahlen sagen vielleicht noch nicht alles. Man möchte sie in einem Vergleich zu der Entwicklung in der übrigen Wirtschaft sehen. Nun, die industriell-gewerbliche Wirtschaft hat in der gleichen Zeit eine Steigerung ihrer Wertschöpfung von etwa 117% erreicht, aber sie hat in der gleichen Zeit ihren Arbeitskräftebestand um 35 % erhöhen können, während die Landwirtschaft ihren Arbeitskräftebestand in dieser Zeit um 22 % vermindern mußte. In diesem gegensätzlichen Zahlenvergleich kommt die Leistung unserer deutschen Landwirtschaft in überzeugender Weise zum Ausdruck. Allein diese Zahlen demonstrieren, daß sich sowohl die Leistung in ihrer Gesamtheit als auch die Leistung je Beschäftigten in der deutschen Landwirtschaft durchaus ebenbürtig neben die Leistung unserer GesamtLücker Wirtschaft, auch unserer industriell-gewerblichen Wirtschaft stellen kann. Sie beweisen, daß die deutsche Landwirtschaft kein untergehendes Gewerbe ist, sondern durchaus in der Lage ist, auch in einer ständig moderner werdenden allgemeinen deutschen Wirtschaft, die in ihrem Schwerpunkt industriell orientiert ist, ihren vollgültigen Beitrag zur wachsenden Prosperität der Gesamtwirtschaft zu leisten. Die Zahlen machen nämlich deutlich, daß wir in der Landwirtschaft in den letzten sechs Jahren eine Steigerung der Produktivität, bezogen auf die Arbeitskraft, von etwa 33 % erzielt haben. Das ist aufs Jahr umgerechnet eine Produktivitätssteigerung von etwa 51/2%. Ich glaube, damit Ihnen allen beweisen zu können, daß die deutsche Landwirtschaft, auch pro Kopf der Beschäftigten gerechnet, eine Leistung erbracht hat, die der Produktivitätssteigerung in unserer industriell-gewerblichen Wirtschaft ebenbürtig ist. Wir haben zwar in der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung einen prozentualen Rückgang des Anteils der Landwirtschaft an der Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft festzustellen, aber die Zahlen müssen noch durch eine Überlegung abgerundet werden. Es wird im Verlauf unserer Debatte noch einmal zur Sprache kommen müssen, daß in dieser Zeit der hohen Steigerung unserer Produktionsleistung die Landwirtschaft nur mit etwa 3,7 bis 3,8 % an der Gesamtinvestitionsrate unserer Gesamtwirtschaft beteiligt gewesen ist. Darin liegt einer der neuralgischen Punkte, ein großes Hindernis, das sich der Weiterentwicklung unserer deutschen Landwirtschaft in den Weg stellt. Halten wir uns einmal die absoluten Zahlen vor Augen. Wir haben seit 1950 in der Gesamtwirtschaft eine Investition von etwa 247 Milliarden zu verzeichnen im Vergleich zur Landwirtschaft mit nicht ganz 10 Milliarden, was einem Prozentsatz von 3,7 bis 3,8 entspricht. Damit wird die Leistung, die ich eben in der Produktionssphäre darlegen konnte, erst in das richtige Licht der Betrachtung gerückt. Ich möchte an dieser Stelle schon anmerken, daß in Zukunft die Versorgung unserer Landwirtschaft insbesondere mit mittelund langfristigen Investitionskrediten eine Angelegenheit ist, die nicht nur vom landwirtschaftlichen, sondern auch vom gesamtwirtschaftlichen Standpunkt her allerhöchste Beachtung und Aufmerksamkeit verdient, insbesondere angesichts der Notwendigkeit, unsere Agrarproduktion auch für das Hineinwachsen in den Gemeinsamen Europäischen Markt zu modernisieren und weiter zu entwickeln. Wenn ich diese Feststellungen treffe, dann ist es sogar berechtigt, zu fragen: wenn auch diese Zahlen die Güte und die Richtigkeit im Ansatz und in den grundlegenden Leitlinien unserer Agrarpolitik bestätigen, haben wir im Hinblick auf einige Vorgänge in einzelnen Gebieten der agrarischen Produktion und der Marktgestaltung in den letzten Jahren nicht vielleicht sogar etwas zuviel des Guten getan? Ich glaube, hier gar kein Geheimnis auszusprechen, wenn ich darauf aufmerksam mache, daß wir in der Entwicklung der Zuwachsraten der Produktion insbesondere im letzten Jahre, zum Teil durch die Maßnahmen der Grünen Pläne ausgelöst, zum Teil durch diese Maßnahmen beschleunigt, aus den Vorgängen des Marktes hier und da bereits gewisse Grenzen sehen, die wir auch im eigenen Interesse der Landwirtschaft nicht ungestraft aus dem Auge lassen dürfen. Die Zuwachsraten pro anno in der Produktion müssen — und darin besteht eine wesentliche Kunst der agrarpolitischen Führung — in einer harmonischen Abstimmung zu den Zuwachsraten des Masseneinkommens stehen. Trotzdem, glaube ich, ist es notwendig, hier mit aller Klarheit eine Frage anzusprechen. Ich möchte meinen, daß auch heute noch gilt, was wir in den letzten Jahren in diesem Hohen Hause als das Ziel und eines der grundlegenden Momente unserer deutschen Agrarpolitik immer wieder ausgesprochen haben und was auch in allen Regierungserklärungen und Regierungsäußerungen der letzten Jahre immer wieder zum Ausdruck kam. Unsere Agrarpolitik muß auch in Zukunft darauf ausgerichtet sein, daß wir in erster Linie unserer deutschen, einheimischen Agrarproduktion die Chancen des deutschen Inlandsmarktes offenhalten. Das spreche ich aus, nicht um einem falsch verstandenen und zeitlich überlebten, früher praktizierten Autarkiedenken das Wort zu reden oder etwa einer falschen politischen Formel insbesondere im Hinblick auf das Hineinwachsen in den Gemeinsamen Europäischen Markt zu unterliegen. Aber wenn es das Ziel dieser gemeinsamen europäischen Politik ist, den Wohlstand und die Lebenshaltung aller europäischen Menschen in allen Ständen und Schichten zu fördern, dann ist es sicherlich auch richtig, als das Ziel jedes der beteiligten Länder herauszustellen, nach ihren Kräften den Wohlstand und die soziale Aufwärtsentwicklung der Völker, für die sie in erster Linie zuständig sind, ebenfalls zu fördern. Das ist kein Widerspruch, und das eine stößt sich nicht mit dem anderen, sondern aus dem Bemühen der einzelnen Regierungen, in ihren Ländern den Wohlstand ihrer Völker zu mehren, erwächst ganz zwangsläufig auch die Kraft, in gemeinsamen Anstrengungen das Wohl sämtlicher europäischer Menschen im diesem wirtschaftlichen Zusammenschluß so zu mehren, wie es in unseren Kräften steht und es von dieser Seite her möglich ist. Als zweites möchte ich bei der Beantwortung der Frage, ob unsere Agrarpolitik richtig war, die grundsätzlichen strukturellen Veränderungen in unserer Agrarwirtschaft herauszustellen. Wir haben nach den Zahlen des Grünen Berichts seit 1949 einen Rückgang der kleinen Betriebe — sie sind Lücker hier mit der 10-ha-Grenze ausgewiesen, dazu ist noch etwas zu sagen — um etwa 10 % und ein Anwachsen der Betriebe über 10 ha in der gleichen Zeit um etwa 5 %. Ich weiß, in gewissen politischen und wirtschaftlichen Kreisen wird uns, insbesondere auch vom Osten het, in bezug auf diese Zahlen der Vorwurf gemacht, die offizielle deutsche Agrarpolitik steure darauf hin, die kleinen Betriebe totzumachen und Großbetriebe an ihre Stelle zu setzen, mit anderen Worten, diese Agrarpolitik wende sich gegen das wohlverstandene Interesse der Masse unserer kleinen und mittleren Bauern. Diese Behauptung ist falsch. Es geht nicht darum, unseren bäuerlichen Familien, die auf zu kleinen Flächen wirtschaften müssen, vielleicht ein Kümmerdasein zu sichern und sie in diesem Kümmerdasein abzuschirmen. Die konstruktive, die positive Seite unserer Agrarpolitik muß vielmehr darauf gerichtet sein, den Menschen und Familien in den betroffenen Kreisen zusätzliche Einkommenschancen zu schaffen, so daß sie aus agrarischer plus nichtagrarischer Beschäftigung ein Gesamteinkommen erzielen, mit dem sie eine angemessene Lebenshaltung finanzieren können. Es ist eine erfreuliche Feststellung, die im Grünen Bericht schon enthalten ist, daß aus den Betrieben unter 10 ha mehr als 35 °/o aller in der Landwirtschaft statistisch erfaßten Personen hauptberuflich oder nebenberuflich bereits eine solche nichtlandwirtschaftliche Beschäftigung haben. Wenn wir uns den Strukturwandel in den Arbeitskräften anschauen, so stellen wir auch hier fest, daß gerade aus diesen kleinen Betrieben, auch aus den eigenen bäuerlichen Familien immer mehr Menschen abwandern, um sich außerhalb der Landwirtschaft zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. Ich darf den Appell wiederholen, den wir vom Herrn Minister in seiner Regierungserklärung schon gehört haben. Wir alle müssen uns darüber einmal den Kopf zerbrechen und wirklich etwas Konstruktives tun, d. h. dafür sorgen, daß mehr industrielle und gewerbliche Produktionsstätten aus Ballungsräumen in die landwirtschaftlichen Sanierungsgebiete verlegt werden, um eine Entwicklung zu gewährleisten, die vielleicht eine gewisse Korrektur der Entwicklung der letzten Jahre bedeutet, aber auch erforderlich macht. Ich glaube, wir sind uns darin einig, daß wir es nicht für ein wünschenswertes Ziel dieser Wirtschaftsstrukturentwicklung ansähen, wenn wir die Menschen, die auf ihrer Heimaterde gewachsen und mit ihr verbunden sind, veranlaßten, ihren angestammten Boden zu verlassen und in die Schmelztiegel der Großstädte und der industriellen Ballungssräume abzuwandern. Wir werden vielmehr den umgekehrten Weg gehen, die industriellen und die gewerblichen Produktionsmöglichkeiten zu den Menschen hinzubringen, dorthin, wo die Menschen ein notwendiges Maß an Freiheit, an Unabhängigkeit und auch an Eigentum durch ihr Häuschen und durch ein entsprechendes Stück Land aufrechterhalten können. Es war mir sehr interessant, daß Herr Kollege Arnold vor wenigen Tagen in einer in der deutschen Öffentlichkeit stark beachteten Rede ähnliche Zusammenhänge darstellte. Das allein macht schon deutlich, daß es sich hier um kein landwirtschaftliches Problem handelt, sondern um ein grundsätzliches Problem unserer Wirtschaftspolitik und der zukünftigen Entwicklung unserer Gesamtwirtschaft zum Wohle des ganzen Volkes. Wir wären dankbar — soviel ich weiß, gibt es in den Etats der Bundesregierung sogar Mittel, um diese Maßnahmen zu fördern —, wenn wir einmal bei entsprechender Gelegenheit klipp und klar erfahren könnten, was die Bundesregierung im einzelnen getan hat und welche konstruktiven Maßnahmen sie in Zukunft zur Verwirklichung dieser Ziele treffen will. Ich weiß, daß dieses Problem nicht leicht zu lösen ist, aber ich glaube, daß man hier nach Überwindung gewisser Anfangsschwierigkeiten durchaus beachtliche Erfolge erzielen kann, die sehr wohl in das Gesamtkonzept unserer Entwicklung hineinpassen würden. An dritter Stelle möchte ich einmal die Bilanz der Landwirtschaft durchleuchten. Die Zahlen des Grünen Berichts beweisen — ich will das hier nur in einem einzigen Satze sagen —, daß der Betrag, der den landwirtschaftlichen Unternehmen nach Saldierung der Einnahmen und Ausgaben bleibt, in diesem Jahr eigentlich nicht kleiner ist als im vergangenen Jahre. Hier ist die Frage zu stellen: Was ist von diesem Betrag als Lohn für die Arbeit der Menschen übriggeblieben, die dafür gesorgt haben, daß diese agrarische Produktion auch im vergangenen Jahr erstellt werden konnte? Nun, diese Zahlen sind in ihrem Aussagewert für die Landwirtschaft auf der einen Seite etwas befriedigender als im letzten Jahre, in ihrem absoluten Aussagewert sind sie jedoch nach wie vor unbefriedigend. Es ist festgestellt worden, daß das Arbeitseinkommen je Arbeitskraft in der 'Landwirtschaft — und zwar werden hier nicht die statistischen, sondern die betriebsnotwendigen Arbeitskräfte zugrunde gelegt — zwischen 2000 und 3500 DM pro anno liegt. Es beträgt damit etwa zwischen 50 und 85% des Vergleichslohns jener Berufsgruppen und soziologischer Schichtungen der gewerblichen Wirtschaft, die mit der landwirtschaftlichen Bevölkerung in unseren Dörfern, wenn ich so sagen darf, Wand an Wand wohnen. Dieser Vergleichslohn, der für die letzte Rechnung zugrunde gelegt wurde, liegt bei 4200 DM. Der Lohn für die Arbeitskraft in der Landwirtschaft liegt zwischen 2000 und 3500 DM; er beträgt also 50 bis 85% des Vergleichslohns je nach den unterLücker schiedlichen Bedingungen unserer landwirtschaftlichen Betriebe. Ich will hier nicht im einzelnen dazu sprechen. Das wird sicherlich nachher noch einer meiner Kollegen nachholen. Ich möchte hier nur einige sehr interessante Feststellungen über die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge dieser Frage treffen. Wir müssen uns mit der Ursache dieser unbefriedigenden Situation auseinandersetzen. Dabei kommen wir zu folgendem Ergebnis. Wir stellen fest, daß in der Gestaltung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise, der landwirtschaftlichen sächlichen Betriebsmittelpreise und der landwirtschaftlichen Löhne folgende Entwicklung eingetreten ist: Setzen wir den Index der Vorkriegszeit mit 100 an, so hatten wir 1950 einen Index der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise von 166, während wir gegenwärtig einen Index von 217 haben. Hier beträgt die Steigerung also 51 Punkte. Bei den Preisen für die sächlichen Betriebsmittel in der Landwirtschaft betrug nach der gleichen Rechnung 1950 der Index 163, während er gegenwärtig 199 beträgt. Hier macht die Steigerung also 36 Punkte aus. Bei den landwirtschaftlichen Löhnen lag der Index 1950 bei 175, während er gegenwärtig bei 349 liegt. Das ist eine Steigerung um 174 Punkte. In diesen Zahlen kommt eine weitere Malaise für die landwirtschaftliche Entwicklung sehr deutlich zum Ausdruck. Ich will diese Feststellungen durch eine absolute Gegenüberstellung der Löhne in der Landwirtschaft und der Löhne in Industrie und Gewerbe erweitern. Nach den statistischen Feststellungen beträgt der Stundenlohn — das ist jetzt eine andere Vergleichsmethode — in der Industrie im Durchschnitt pro Stunde 2,38 DM, in der Landwirtschaft 1,38 DM; das ist eine Differenz von i DM pro Stunde. Ich glaube, es ist richtig, wenn wir feststellen, daß die Differenz, die in diesen Zahlen zum Ausdruck kommt, erschreckend ist im Hinblick auf die Aufgabe, die hier noch vor uns steht. Gleichzeitig ist es richtig, sich mit den Schlußfolgerungen zu beschäftigen, die wir aus dieser Situation ziehen müssen. Ich möchte schon an dieser Stelle bemerken, daß das, was ich von diesem Standpunkt aus grundsätzlich zu sagen habe, über die Agrarwirtschaft hinausgreift; es ist ein Problem, das ich im vergangenen Jahre hier schon einmal angeschnitten habe—in einer Entwicklung, die uns so hart in die Zange nimmt, daß wir praktisch fast den Mut verlieren könnten, jemals das Ziel des Landwirtschaftsgesetzes zu erreichen, wenn die Entwicklung der letzten Jahre ungebrochen anhielte. Auf der einen Seite haben wir diese Entwicklung der Löhne, auf der anderen Seite eine Entwicklung der Preise — zumindest relativ — unserer sächlichen Betriebsmittel, aber grundsätzlich auch in der Gesamtwirtschaft zu verzeichnen, die uns zu erdrücken droht. Es ist notwendig, dieses Problem in seiner ganzen Tragweite für die gesamte deutsche Wirtschaft anzusprechen, weil es über den Bereich der Agrarwirtschaft hinausgreift. Ich habe schon im letzten Jahre gesagt, daß es hier um das Problem der produktivitätsbegünstigten Bereiche gegenüber den produktivitätsungünstig liegenden Bereichen unserer Wirtschaft geht. Zu den letzten zählt nicht nur die Landwirtschaft, dazu zählt z. B. auch unser ganzer deutscher Bergbau, dazu zählen weitgehend sämtliche Bereiche unserer mittelständischen gewerblichen Wirtschaft. Wir müssen uns sehr viel intensiver mit dieser Entwicklung auseinandersetzen und müssen versuchen, zu Lösungen zu kommen, die darauf abzielen, die Gesamtentwicklung unserer Wirtschaft so zu steuern, daß in allen Gruppen der Wirtschaft auf die durchschnittliche Leistungszuwachsrate unserer Gesamtwirtschaft gebührend Rücksicht genommen wird. Ich glaube, das ist keine überspitzte Agrarforderung, die ich hier vortrage, sondern es ist eine Angelegenheit, die an den Lebensnerv unserer weiteren wirtschaftlichen Gesamtentwicklung rührt. Wir wissen, daß wir mit der fortschreitenden Entwicklung immer stärker mit der industriellen Wirtschaft verflochten und verzahnt werden. Wir sehen das an den beiden Zahlen, die ich hier nennen möchte. 40 % des Wertes unserer agrarischen Verkaufserlöse sind heute bereits Vorlieferungen unserer industriellen Partner in der Gesamtwirtschaft. Je stärker wir in die Modernisierung, in die Mechanisierung unserer Produktion eintreten, desto höher wird der Anteil unserer industriellen Vorlieferer an dem Wert unserer Agrarproduktion wachsen, um so stärker werden auch die Abhängigkeiten und gleichzeitig die Verzahnungen sein. Auf der anderen Seite müssen wir, ob wir wollen oder nicht, sehr nüchtern der Tatsache ins Auge sehen, daß wir in der Lohnentwicklung, wie sie in den letzten Jahren stattgefunden hat, auch in der Landwirtschaft unmittelbar an dem Lohnniveau der gewerblichen Wirtschaft dranhängen. Es gibt unter sämtlichen Fieberkurven der Wirtschaft in der Bundesrepublik nicht eine einzige, die einen so hohen Steigerungsgrad aufzuweisen hätte wie die Kurve, die die Lohnentwicklung in der Landwirtschaft anzeigt. Sie steigt von allen Kurven am höchsten und am steilsten. Ich sage das nicht deswegen, weil ich vielleicht der Meinung wäre, die Löhne in der Landwirtschaft seien zu hoch. Ich habe soeben ausdrücklich darauf hingewiesen, mit welchem Abstand sie unter den Löhnen der gewerblichen Wirtschaft liegen. Ich rede auch nicht denen das Wort, die da meinen, es sei notwendig, in unserer Wirtschaftspolitik eine völlige Starrheit der Löhne und Preise zu installieren; das wäre unrealistisch und wahrscheinlich sogar falsch. Das ist aber keine Frage des Prinzips, sondern das ist eine Frage des Maßes, und zwar des rechten Maßes für alle betroffenen Kreise in unserer Wirtschaft. Ich glaube, daß wir bei dieser Entwicklung auch außerhalb der Landwirtschaft in unserer Gesamtwirtschaft hellhörig geworden sind. Bundesminister Lübke trug in seiner Regierungserklärung vor, daß es mit den Grünen Plänen gelungen wäre, 80% der landwirtschaftlichen Betriebe über die MinusLücker linie zu bringen, wenn die allgemeine Preis-LohnEntwicklung im Niveau im wesentlichen dort stehengeblieben wäre, wo sie 1955/56 bei Annahme des ersten Grünen Planes stand. Diese theoretische Überlegung macht deutlich, wie sich die Dinge in unserer Gesamtwirtschaft seitdem entwickelt haben. Es sollte ein Anliegen des ganzen Hauses sein, dieser Frage erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Es kommt darauf an, daß die möglichen Leistungssteigerungen in unserer Wirtschaft sinnvoll, zweckmäßig und, ich bin fast geneigt, zu sagen, gerecht erfolgen; ich weiß, was mit diesem ethischen Begriff in der nüchternen Sprache der Wirtschaftspolitik verbunden ist. Aber wir sollten uns bemühen, vor allem dem Begriff des Gerechten möglichst nahe zu kommen und die Leistungssteigerung auf alle Faktoren, die dazu beitragen und die die Voraussetzung dafür bilden, entsprechend zu verteilen. Das betrifft selbstverständlich den Faktor Arbeitskraft, die Menschen, die diese Arbeit tun, aber auch den Produktionsfaktor Kapital. Nicht zuletzt wäre uns in den produktivitätsungünstig gelegenen Bereichen der Gesamtwirtschaft sehr viel gedient, wenn auch daran gedacht würde, daß durch stabile Preise oder gar durch Preissenkungen bei unseren Produktionsmitteln etwas geschehen könnte, was der Gesamtheit unseres Volkes zugute käme. Sie dürfen überzeugt sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir würden damit auch dem Problem der sogenannten zweiten Verteilung des Sozialprodukts über die Bundesund Länderhaushalte einen sehr guten Dienst tun. Denn die Erfahrung zeigt bei der Entwicklung, wie sie in letzter Zeit vor sich gegangen ist, daß wir hier immer wieder vor der politischen Notwendigkeit standen, den einzelnen Bereichen unserer Wirtschaft — ob es die Rentner sind, ob es die Landwirtschaft ist, ob es andere Bereiche sind; vielleicht wird es morgen oder übermorgen unser deutscher Bergbau sein — aus dem Steueraufkommen unserer Staatsbürger über den Bundeshaushalt zu helfen. Ich weiß nicht, ob es nicht besser wäre, in unserer Gesamtorientierung eine Entwicklung zu sichern, die uns von dieser Notwendigkeit mehr und mehr befreit. Deswegen erscheint es mir notwendig, daran zu erinnern, daß die Aristokraten des Gemeinsinns in unserem Volke wieder stärker in den Vordergrund treten sollten. In der Verzahnung der verschiedenen Gruppen unserer Wirtschaft könnte etwas mehr geschehen, um das Gesamtwohl unseres Volkes zu fördern. Wir wollen dabei von unserer Seite die Gespräche, die seit einiger Zeit zwischen den sogenannten Sozialpartnern in Düsseldorf laufen, nicht ungebührlich stören. Ich glaube, wir würden uns alle freuen, wenn aus diesen Gesprächen ein Ergebnis herauskäme, das in seinem praktischen Nutzen und Wert darauf abgestellt ist, für die Gesamtentwicklung unserer Wirtschaft wirklich jene Grundlage zu bekommen, von der ich soeben gesprochen habe. Ich glaube, daß wir auch in diesem Hause sehr wohl daran tun, diese Gespräche mit großer Aufmerksamkeit zu verfolgen und uns gegebenenfalls zur rechten Zeit zu überlegen, ob und wie wir mit unserer Verantwortung, als die von dem ganzen Volke demokratisch gewählte oberste Instanz unseres demokratischen Staates, diese Entwicklung so steuern können, daß sie wirklich der Gesamtheit unseres Staatswesens und unserer Wirtschaft zum Wohle gereicht. Die zweite Schlußfolgerung, die ich daraus ziehen möchte — ich habe sie eingangs angedeutet —, ist die, neben dieser Ausrichtung auf die Gesamtdurchschnittsentwicklung unserer Wirtschaft von seiten der Wirtschaftsund Konjunkturpolitik zu einer viel stärkeren Versorgung der Landwirtschaft insbesondere mit mittelund langfristigen Investitionskrediten zu kommen. Auch bei diesem Punkt wird die unlösbare und von Jahr zu Jahr stärker werdende Verflechtung der Agrarwirtschaft mit der Gesamtwirtschaft deutlich. Wir haben 1949/1950, in den ersten Jahren nach der Währungsreform, in der Landwirtschaft eine Investitionsrate von präterpropter einer Milliarde gehabt. Sie stieg in den Jahren 1955/56 auf 1,9 und steht gegenwärtig bei 2,3 Milliarden. Bei einem Gesamtkapitalwert unserer Landwirtschaft von etwa 90 Milliarden, wie er gegenwärtig zu Buche steht, beträgt das Fremdkapital in der Landwirtschaft nicht ganz 10 Milliarden, also etwa 10%. Dabei ist allerdings eine sehr interessante und sehr betrübliche Feststellung zu treffen. Vor dem letzten Weltkrieg hatten wir in der Landwirtschaft eine Hypothekenverschuldung von etwa 70% und eine kurzfristige Verschuldung von etwa 23%. Gegenwärtig haben wir eine Hypothekenverschuldung von 37 % und eine kurzfristige Verschuldung von 54%. Wir sehen, daß sich das Verhältnis zwischen den kurzfristigen und langfristigen Schulden in der Landwirtschaft direkt auf den Kopf gestellt hat. Dadurch wird wieder die Notwendigkeit deutlich, unserer Landwirtschaft mit mittelund langfristigem Investitionskapital stärker zu helfen. Dabei ist bemerkenswert, daß die Zinsleistung der deutschen Landwirtschaft vor dem Kriege bei 6,2 Milliarden Gesamtverschuldung 273 Millionen Mark betrug und daß sie gegenwärtig bei 9,3 Milliarden Verschuldung das Doppelte, nämlich 563 Millionen DM beträgt. Wenn wir uns nun die Aufgabe ansehen, vor der die deutsche Landwirtschaft steht und wie sie aus dem Grünen Bericht herauszulesen ist, und wenn von sachverständiger Seite darauf hingewiesen wird, daß es insbesondere bei dem Hineinwachsen unserer deutschen Landwirtschaft in den Gemeinsamen Markt notwendig ist, einen Betrag zu investieren, um sie in dem notwendigen Umfange in ihrer Produktion nach den heutigen Erkenntnissen von Wissenschaft und Technik modern zu gestalten, der etwa bei 50, wahrscheinlich näher bei 60 Milliarden DM zu suchen sein wird, dann kann man sich leicht ausrechnen, daß es bei einem Programm von 15 Jahren notwendig ist, jährlich etwa 4 Milliarden DM in der deutschen Landwirtschaft zu investieren. Das bedeutet als Schlußfolgerung, daß wir unsere Investitionsrate in der deutschen Landwirtschaft gegenüber dem gegenwärtigen Zustand nicht Lücker ganz verdoppeln müßten. Damit wird auch von dieser Seite das Problem deutlich, vor dem wir stehen. Ich würde, glaube ich, der deutschen Landwirtschaft zuviel zumuten, wenn ich die Forderung nach einer fast doppelt so hohen Investitionsrate aufstellte, ohne dabei zu sagen, daß sie das notwendige Maß an Vertrauen haben muß, wenn sie sich in einen stärkeren Verschuldungsgrad begibt, und daß sie auch dann noch mit den Beinen auf der Erde bleiben will. Es ist notwendig, daß die deutsche Landwirtschaft dieses Vertrauen auch für die Zukunft hat. Sie muß wissen, daß die Bundesregierung und dieses Haus — ich glaube, es ist kein Zweifel daran, daß das heute genau noch so der Fall ist wie in den letzten Jahren —, d. h. die für die Entscheidungen in der deutschen Agrarund Wirtschaftspolitik Verantwortlichen, gewillt und bereit sind, die Voraussetzungen zu sichern, damit die Landwirtschaft in dem Modernisierungsprozeß fortfahren kann. Sie muß auch wissen, daß in erster Linie sie einen Anspruch auf den deutschen Markt für den Absatz ihrer wachsenden Produktion hat. Diese Fragen werden sicherlich in der zukünftigen Agrarpolitik eine entscheidende Rolle spielen. Es sind aber keine unlösbaren Aufgaben, es sind keine übertriebenen Forderungen. Es sind auch keine Auffassungen, die in einem Gegensatz zu der Absicht des Hineinwachsens in den Europäischen Markt stehen. Das alles läßt sich in einer sinnvollen und in einer recht verstandenen Kombination so gestalten, daß das erstrebte Ziel erreicht werden kann. Wir können mit der Förderung, wie sie im dritten Grünen Plan vorgesehen ist, und mit den Entscheidungen der deutschen Agrarpolitik eine Entwicklung sichern, die der Gesamtheit unserer deutschen Wirtschaft und der Gesamtheit unseres Volkes zugute kommt. Ich glaube, wir würden eine gute Entscheidung treffen, wenn wir unter diesen Gesichtspunkten den Bemühungen der Regierung zustimmten und sie erneut aufforderten, ihre Anstrengungen in dieser Richtung zu verstärken. Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Sozialdemokraten seinerzeit dem Landwirtschaftsgesetz zustimmten, taten sie das aus der Überzeugung, daß die Landwirtschaft in eine Entwicklung hineingerissen werden würde, der sie allein nicht standhalten könnte. Wir haben den Beistand, den die Landwirtschaft braucht, immer für eine Angelegenheit der Gesamtwirtschaft, für eine Angelegenheit des ganzen Volkes angesehen. Die Entwicklung, die nun auch diejenigen erkennen müssen, die bis vor kurzem immer noch geglaubt haben, es sei im Bereich der Agrarpolitik möglich, alles so zu lassen, wie es ist, weil sie sich darin wohlgefühlt haben, hat weitgehende Folgen für die Menschen und die Betriebe. Weil es nicht schwer war, das vorauszusehen, haben wir uns darum bemüht, mit dem Landwirtschaftsgesetz Grundlagen für eine Agrarpolitik zu legen, die es der Landwirtschaft ermöglicht, sich an das Neue anzupassen. Man kann die Forderung, es solle alles so bleiben, wie es ist, und die Unterstreichung der konservativen Elemente zwar sehr schön in Versammlungen und dergleichen verwerten; man kann aber damit den Prozeß nicht aufhalten. Ich will bei dieser Gelegenheit, wie schon so oft, noch einmal ausdrücklich sagen, daß nach unserer Meinung die in der Landwirtschaft tätigen Menschen, die große Masse unserer Bauern und ihrer Familienangehörigen, keine Verantwortung dafür tragen, daß wir in dem Augenblick, in dem wir gezwungen sind, unter Verzicht auf sehr viele und bald auf alle herkömmlichen protektionistischen Schutzmaßnahmen den Wettbewerb mit der Landwirtschaft anderer Länder aufzunehmen, in einer verhältnismäßig schlechten Lage sind, Das ist, wie gesagt, nicht die Schuld der heute Lebenden und schon gar nicht die Schuld der Menschen, die mit harter Arbeit auf dem Lande versuchen, ihre Familien durchzubringen. Es ist vielmehr die Schuld derjenigen, die in den vergangenen Jahrzehnten die Agrarpolitik in Deutschland bestimmt haben und die eine Agrarpolitik geführt haben, die zu Lasten der großen Masse der bäuerlichen Betriebe ging. Einige von uns haben neulich an anderer Stelle Gelegenheit gehabt, das noch einmal sehr anschaulich zu erleben. Irgendwo wurde über die Probleme des Gemeinsamen Marktes gesprochen. Ein Holländer und ein Däne waren aufgefordert worden, die Entwicklung zu schildern, die sie an den Punkt herangebracht hat, an dem sie heute stehen und der es ihnen als Ausgangspunkt für den neuen Wettbewerb erlaubt, den Dingen mit solcher Ruhe entgegenzusehen; und einige Deutsche waren aufgefordert worden, zu sagen, wie die Entwicklung denn nun in Deutschland gelaufen ist und welche natürlichen Grenzen es für eine entsprechende Entwicklung in Deutschland gibt. Ein Mann, den die Agrarpolitiker, die sich gelegentlich auf internationalem Gebiet tummeln, alle gut kennen, ein Däne, hat in aller Ruhe entwickelt, wie das in Dänemark so gelaufen ist und wie es dort zu einer so leistungsfähigen, selbstbewußten, wirtschaftlich gesicherten Landwirtschaft gekommen ist. Er fing damit an, daß er berichtete, daß vor 200 Jahren die Eigentumsverhältnisse der Bauern geklärt worden sind und — vor einem so langen Zeitraum schon — eine Agrarpolitik festgelegt worden ist, die das Ziel hatte, die bäuerliche Landwirtschaft zu fördern und zu stärken. Er hat eine Reihe von Maßnahmen aufgezählt, angefangen mit der Seßhaftmachung der Bauern auf der eigenen Scholle über die Flurbereinigung und über die Volkshochschulen, d. h. über die Entwicklung des allgemeinen Bildungsniveaus in der Landwirtschaft, bis hin in die Gegenwart, in der die Landwirtschaft, gestützt durch ein vom Staat begünstigtes, bewußt gefördertes Genossenschaftswesen, diese guten Wirtschaftsgrundlagen hat, die es ihr erlauben, auch schlechte Zeiten — und die hat es Kriedemann in Dänemark gegeben, und die gibt es immer wieder mal — zu überstehen. Als wir nun die Frage beantworten mußten, wo die natürlichen Grenzen für eine ähnliche Entwicklung in Deutschland liegen, da war die Antwort darauf zwar peinlich, aber sehr einfach. Man mußte nämlich sagen: Natürliche Grenzen für eine solche Entwicklung gibt es in Deutschland nicht. Der Unterschied liegt eben darin, daß die einen das aus dem Bewußtsein der Verantwortung für die arbeitenden Menschen auf dem Lande frühzeitig vorausschauend gemacht haben und daß wir erst heute damit anfangen wollen. Es ist eine schlechte Geschichte, wenn man die Kinderkrankheiten zu spät kriegt. (Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist es mit Schweden?)

Hans August Lücker (CSU):
Rede ID: ID0301400300




(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)


(Beifall bei den Regierungsparteien.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU.)


(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)


(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Erneuter Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Sagen Sie das den Unternehmern, Herr Kollege!)


(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)





(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Zustimmung bei der CDU/CSU.)


(Beifall bei der CDU/CSU.)





(Beifall bei der CDU/CSU.)

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301400400
Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301400500



— Ich rede jetzt von Dänemark; denn das ist unser Konkurrent. Es gibt noch eine Reihe von anderen Ländern, Herr Kollege. Wir können hier ja nicht über die ganze Landkarte reden. — Ich wünschte, daß wir in bezug auf Strukturmaßnahmen die Zeit so genutzt hätten, wie sie die Schweden genutzt haben und die wir haben verstreichen lassen.
Im Bewußtsein der Dinge, die da kommen würden, haben wir uns seinerzeit bei der Beratung des Landwirtschaftsgesetzes darum bemüht, aus einer, wie mir scheint, mehr auf Optik eingestellten Parole von der Parität und von der Beseitigung der Disparität ein brauchbares Instrument zu machen, und zum Verdruß mancher haben wir es durchgesetzt, daß wir einen Grünen Bericht haben -wir, die Sozialdemokraten — und daß wir anstatt zu verallgemeinernden Behauptungen und globalen Feststellungen zu dem Versuch verpflichtet sind, die Landwirtschaft bis in alle Ecken und Winkel zu durchleuchten, weil man anders ein richtiges Bild von der Landwirtschaft nicht bekommen kann. Das wissen auch diejenigen, die sich nicht vorwiegend mit agrarischen Fragen beschäftigen. Es gibt kaum ein anderes so differenziertes Wirtschaftsgebiet wie die Landwirtschaft. Es ist deswegen vollkommen klar, daß man weder mit verallgemeinernden Behauptungen noch mit irgendwelchen globalen Durchschnittszahlen irgend etwas ausrichten kann. Von dieser Überlegung ausgehend begrüßen wir es, daß man sagen kann, der dritte Grüne Bericht ist ein Fortschritt in der Richtung, auf die es uns ankommt.
Und um das auch gleich bei dieser Gelegenheit zu sagen: Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung dem Druck aus den verschiedensten Richtungen nicht nachgegeben hat, in die Vorstellungen von der globalen Berechnungsmethode zurückzufallen, daß es also in diesem Bericht eine Angabe über eine Gesamtdisparität nicht gibt. Deswegen ist niemand daran gehindert, hier seiner Phantasie vollen Spielraum zu geben, und es werden ja alle möglichen Angebote bezüglich dieser Gesamtdisparität gemacht. Aber jedenfalls steht es im Bericht der Bundesregierung nicht. Das ist sehr erfreulich und im Interesse der Glaubwürdigkeit dieses Berichts sehr zu begrüßen, und wir begrüßen es dankbar. Denn es kommt uns auch heute noch darauf an, mehr und mehr zu einem glaubwürdigen, beweiskräftigen Dokument zu kommen. Wenn ich auch in keiner Weise mit dem übereinstimme, was Herr Kollege Lücker hier soeben gesagt hat, nämlich daß es eine exakte Vorlage sei und daß wir kaum je in diesem Hause über etwas so Exaktes gesprochen hätten wie über diesen Grünen Bericht, dann sage ich doch, es ist ein Fortschritt. Wir haben mehr Betriebe in die Berechnung einbezogen, wir haben die Betriebsgruppen mehr an die wirklichen Verhältnisse in der Landwirtschaft angepaßt, und wir kommen damit der Wirklichkeit entschieden näher. Im einzelnen wird sich darüber immer noch etwas sagen lassen, und wenn der gute Wille auf allen Seiten vorhanden ist, werden wir uns über die Verfeinerung der Methode sicherlich auch in Zukunft verständigen können. Unsere Landwirtschaft braucht es ganz bestimmt; denn wir können da, wo es brennt, nur helfen, wenn wir wissen, wo es brennt, und wir können unsere Anstrengungen nur dann konzentrieren, wenn wir wissen, auf welche Punkte sie konzentriert werden müssen. Ich bin der Überzeugung, daß die Erkenntnis, daß dieses Verfahren richtig ist, viel richtiger als die sogenannten globalen Maßnahmen, sich mehr und mehr durchsetzen wird. Einen kleinen Anfang haben wir ja jetzt schon.
Wir werden in dem Bemühen um die Verfeinerung der Methode unter anderem noch einmal über die Betriebe zu reden haben, die hier zur Grundlage der Berechnungen gemacht werden. Es scheint mir sehr wesentlich zu sein, daß auch bei dem letzten Zweifler jeder Verdacht nach der Richtung ausgeräumt wird, als suche man hier bestimmte Betriebe unter bestimmten Gesichtspunkten aus, um irgend etwas beweisen zu können. Je mehr wir diese Dinge objektivieren und zu je einheitlicheren Maßstäben wir für die Auswahl der Betriebe und die Verwertung ihrer Unterlagen kommen, desto besser ist das im Interesse der Glaubwürdigkeit.
Nun muß leider gesagt werden, daß der Fortschritt, den wir jetzt hier erzielt haben, auch bezahlt werden muß. Wir können den dritten Bericht nur unter großen Schwierigkeiten mit dem zweiten Bericht vergleichen, und Vergleiche sind eben nur möglich, wenn man Dinge vergleicht, die wirklich verglichen werden können. Es gibt dafür eine Reihe von Entschuldigungen. Die Umstellung der Untersuchungsunterlagen, die Umgruppierung der Betriebe hat zwangsläufig zur Folge, daß wir heute zu anderen Zahlen kommen, als wir früher gehabt haben. Ich hätte es allerdings begrüßt, wenn das entsprechend unterstrichen worden wäre. Denn die Leute merken es sowieso, und wenn einer es gemerkt hat, könnte er daraus den Schluß ziehen — den ich persönlich nicht ziehe —, daß man diesen ausdrücklichen Hinweis auf die Unmöglichkeit der Vergleiche, den man, wie mir scheint, an verschiedenen Stellen hätte wiederholen sollen, etwa deswegen unterlassen hat, weil man zu einem bestimmten Ergebnis kommen wollte. Wir wissen ja alle — und darüber sollte sich auch niemand täuschen, und keiner sollte das zu bestreiten versuchen —, daß wir die berechtigten Interessen der Landwirtschaft immerhin gegen sehr erhebliche



Kriedemann
Widerstände zu verteidigen haben. Es sagt sich ja auch leichter: „Wir sind hier alle einer Meinung, und wir wollen ja alle dasselbe", als es sich in der Praxis beweisen läßt.
Lassen Sie mich einmal für viele Fälle ein Beispiel für das sagen, was ich soeben entwickelt habe. Auf Seite 127 des Grünen Berichts finden Sie etwa in der Mitte eine Zahl über das Arbeitseinkommen in Getreide-Hackfruchtbaubetrieben in Nordwestdeutschland über 50 ha. Hier wird ein Arbeitseinkommen von 3439 DM angegeben. Das ist in diesem Jahre an Hand der Unterlagen von 84 Betrieben mit einer Durchschnittsgröße von 67 ha und einem Einheitswert von 1340 DM errechnet worden. Über diesen 3439 DM steht nun „zum Vergleich" die Zahl aus dem vergangenen Jahr: 3718 DM. Vielleicht ist der eine oder andere ganz beglückt, daß er hier nachweisen kann, wieviel schlechter es da geworden ist. Wenn man allerdings weiß, daß im vergangenen Jahre zur Errechnung dieser Zahl 165 Betriebe, also fast doppelt so viele Betriebe, mit einer Durchschnittsgröße von 91 ha, also größere Betriebe, Betriebe mit einem höheren Einheitswert benutzt worden sind, dann ist völlig klar, daß man hier zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Ich mache daraus niemand einen Vorwurf; denn wir wollten die Betriebe ja umstellen. Aber dann kann man diese beiden Zahlen nicht übereinanderschreiben und kann nicht so tun, als könne man daraus irgendwelche Schlußfolgerungen ableiten. Es wäre also, glaube ich, im Interesse der Glaubwürdigkeit dieser Unterlagen richtig gewesen, darauf überall mit dem nötigen Nachdruck aufmerksam zu machen.
Darüber hinaus gibt es noch ein paar andere Schönheitsfehler. Auf derselben Seite ist als letzte Zahl das Arbeitseinkommen in Futterbaubetrieben in Süddeutschland über 50 ha mit 2826 DM angegeben. Wenn man sich nun die Mühe macht — und ich möchte es allen Kollegen empfehlen, sich dieser Mühe zu unterziehen, weil man dabei sehr interessante Dinge kennenlernen kann —, dieser Zahl an anderer Stelle nachzugehen, etwa auf der Seite 100, dann findet sich dort in der Übersicht über die Futterbaubetriebe in Süddeutschland als Arbeitseinkommen ein Betrag von 3250 DM. Dieselbe Zahl findet sich auch auf der letzten Seite des Berichts, wo Futterbaubetriebe in Bayern untersucht werden. Sie werden mir zugeben, daß es einen ganz anderen Eindruck machen würde, wenn diese Zahl in der Tabelle auf Seite 127 zu finden wäre. Ich will hiermit in keiner Weise sagen, daß dieser Bericht auf irgendein bestimmtes Ziel hin zusammengeschrieben worden sei. Ich bin mir über die Schwierigkeiten der Entwicklung und der Methode in den Anfangsjahren — es ist der dritte Bericht, und wir stecken also noch in den Anfängen — absolut im klaren. Ich möchte das hier nur anschneiden, weil ich es, glaube ich, mit mehr Sympathie anspreche als irgend jemand, der von Hause aus gegen das Landwirtschaftsgesetz, gegen das ganze Unternehmen ist, das wir mit dem Grünen Bericht und dem Grünen Plan im Auge haben, und der, wenn er auf solche Dinge stößt — damit muß man ja immer rechnen —, daraus vielleicht ganz andere
Schlußfolgerungen zieht. Ich glaube, wir tun der Sache einen besseren Dienst, wenn wir das hier kritisieren, als wenn wir die Kritik dann plötzlich irgendwo von anderer Seite aufs Dach bekommen.
Ferner ist zu dem Bericht zu sagen, daß es immerhin noch an verschiedenen Stellen doch so aussieht, als wenn der Hang zur Verallgemeinerung noch nicht in nötigem Umfang ausgeräumt worden wäre. Nehmen Sie bitte doch einmal den Grünen Bericht, Seite 117, zur Hand. Da sind auf dem bunten Bild die Betriebe herausgestellt, in denen alles bestens geht, Betriebe, die nicht nur den Vergleichslohn und den Betriebsleiterzuschlag erzielen, sondern die, in der einen Gruppe mindestens, eine Kapitalverzinsung von 4,7 % erzielen, andere 4,2, 3,9 usw. Wenn Sie nur eine Seite weiterblättern, finden Sie eine Zusammenfassung all dieser Dinge. Da stellt sich heraus, daß es überhaupt keinen Betrieb gibt, der auch nur an 3 % Verzinsung herankommt. Das ist das, was mich stört. Ich weiß ja, wieviel Leute daran interessiert sind, zu sagen, daß die Disparität in der Landwirtschaft eigentlich gar keine so große Rolle spielt, und wieviel Leute daran interessiert sind, zu beweisen, daß man durchaus von d e r Landwirtschaft reden könne, daß man also hier mit globalen Maßnahmen wohl am bequemsten und am wirksamsten eingreifen würde. Uns muß es hier aber doch darauf ankommen, die Differenzierung innerhalb der Landwirtschaft zu sehen, auch auf die Gefahr hin, daß dann die eine oder andere Gruppe von Betrieben, der eine oder andere Wirtschaftstyp sich als durchaus gesund herausstellt und deswegen Anspruch auf öffentliche Förderung, auf Subventionierung usw. nicht erheben kann. Eine Differentialrente ist natürlich immer interessant, und jeder, der sie bekommt, steckt sie natürlich ganz gern ein. Aber da wir doch mit beschränkten Mitteln wirtschaften müssen und außerdem leider keine unbeschränkte Zeit haben, müssen wir meiner Ansicht nach sorgfältig überlegen, wie wir die Mittel einsetzen müssen, damit sie auch helfen, und wie wir sie da einsetzen können, wo die Not am größten ist. In dieser Situation können wir uns halt solche Verallgemeinerungen zur Abdeckung von verallgemeinernden Maßnahmen nicht leisten.
Ich sage noch einmal: ich habe nicht die Sorge, daß in all diesen Dingen eine Absicht liegt. Wenn ich hier darauf hinweise, dann deshalb, weil ich allerdings die Überzeugung habe, daß nun der eine oder andere — natürlich niemand von den Kollegen hier, aber diejenigen, die sich draußen in der Landwirtschaft tummeln, Korrespondenzen herausgeben und so von der Agitation in der Landwirtschaft ein bißchen leben — aus solchen Dingen falsche Schlußfolgerungen zieht. Wenn sie sich dann auf den Bericht berufen, sieht das vielleicht großartig aus, aber mit dem Kredit solcher ein bißchen billigen Agrardemagogen wird dann leider auch der Kredit des Grünen Plans und der Kredit der Landwirtschaft aufs Spiel gesetzt. Um das zu verhindern, spreche ich hier darüber.
Es gibt noch einen anderen Abschnitt in diesem Bericht, aus dem man vielleicht, wenn man ein



Kriedemann
bißchen fahrlässig in der Argumentation ist, ableiten könnte, daß die bisherigen Maßnahmen bei den kleinen Betrieben sehr viel besser angekommen seien als bei den großen und daß sich dadurch die sogenannte innere Disparität, also die Unterschiede in der Ertragslage, in den Einkommensverhältnissen in der Landwirtschaft selbst etwas abgeflacht haben. Ein solcher Beweis wäre denen, die für globale Maßnahmen sind und die es im übrigen gar nicht so ganz genau wissen wollen, natürlich auch willkommen, Demgegenüber muß noch darauf aufmerksam gemacht werden, daß es sich hier erstens um Zahlen aus einem Jahr handelt, zweitens um Zahlen, die von Jahr zu Jahr nicht vergleichbar sind, weil es sich jeweils um andere Betriebe, andere Betriebsgruppen, andere Einheitswerte usw. handelt. Außerdem sollte niemand übersehen, daß ein sehr anerkanntes landwirtschaftliches Forschungsinstitut kürzlich Zahlen darüber vorgelegt hat, wie die Erhöhung der Preise oder die Senkung der Kosten für landwirtschaftliche Produktionsmittel je nach Betriebsgröße unterschiedlich ankommt. Auch das will ich hier noch einmal deutlich unterstreichen, damit daraus keine falschen Schlüsse gezogen werden können und damit wir alle gemeinsam, denen es um die Glaubwürdigkeit dieser Dinge geht, denen es um den Kredit der Landwirtschaft bei der öffentlichen Meinung geht, um so besser diese gefährlichen Versuche abwehren können, die ich vorhin schon angedeutet habe.
Ganz allgemein gesagt: dieser Bericht ist eine wesentliche Verbesserung und ein Fortschritt. Wir wollen alle hoffen, daß niemand, vor allem die Regierung nicht, in dem Bemühen nachläßt, die Methode noch zu verfeinern, das Ganze noch mehr aufzugliedern, immer im Interesse einer möglichst wirksamen Hilfe. Aber es sollte auf der anderen Seite doch gesagt werden, daß dieser Bericht nun auch nicht in dem Sinne beweiskräftig ist, daß man daraus ganz bestimmte Forderungen ableiten könnte. Über die Lage der Landwirtschaft wird in dem Bericht eine ganze Menge gesagt; allerdings wird in diesem Bericht über die Lage der Landwirtschaft auch nicht alles gesagt.
Sie wissen selber — oder die meisten von Ihnen wissen es —, daß die Nebeneinnahmen in der Landwirtschaft hier nicht berücksichtigt werden. Es gibt eine ganze Reihe von Landwirten, die Nebeneinnahmen haben, nicht etwa weil sie nebenbei noch in der Fabrik arbeiten, oder weil eines ihrer Kinder in der gewerblichen Wirtschaft tätig ist und daher ein bißchen Geld mit nach Hause bringt. Es gibt ja auch Landwirte, die Aktien, also Einnahme aus Kapitalvermögen haben. Es gibt auch den einen oder den anderen — und bei Licht besehen, sind es gar nicht wenige --, der Einnahmen aus dem Wald z. B. und anderen, gewerblichen Betriebszweigen hat. Das muß man eigentlich alles zusammenrechnen und zusammen sehen, wenn man von der Lage der Landwirtschaft sprechen will. Ich sage auch das nicht mit irgendwelchen gehässigen Absichten sondern nur, um allen zuvorzukommen, die etwa mit gehässigen Absichten diesen Bericht und seine Feststellungen kritisieren würden. Der Bericht ist
also in diesem Sinne kein so sehr beweiskräftiges Dokument, keine so exakte Vorlage, wie es der Herr Kollege Lücker vorhin gesagt hat.
Lassen Sie mich nun noch kurz ein paar andere Dinge ansprechen. Über die Rolle, die das Fremdkapital bei der Feststellung der Ertrags-AufwandsParität spielt, ist hier das, was man dazu wissen muß, ebenfalls nicht gesagt. Es wäre vielleicht gut gewesen, über die Zinslast mit einer Zahl eine deutliche Auskunft zu geben, zumal da das Geschrei von der Verschuldung der Landwirtschaft und die Behauptung, daß sie unter den Schulden zusammenbreche, draußen auf dem Lande zu den beliebtesten Repertoirestücken gehören. Es ist ganz nützlich, wenn sich jeder für sich einmal ausrechnet, wie sich denn landwirtschaftliches Einkommen und Zinslast im Verhältnis zueinander im Laufe der Jahre entwickelt haben.
Wie gesagt, trotz all den Einwendungen, trotz all diesen Bemerkungen begrüßen wir den Bericht als einen Fortschritt. Dabei gebe ich gern zu, daß er, wenn wir ihn alle sorgfältig lesen und die Dingte sachlich behandeln, manchem, der gewohnt ist, immer wieder seine alten Redekonzepte draußen vorzulesen, diese Konzepte ein bißchen verdorben hat.
Der Bericht hat viele interessante Feststellungen getroffen, z. B. über den Nutzen der Beschäftigung in der gewerblichen Wirtschaft, ohne daß das betreffende Familienmitglied aus der Familiengemeinschaft ausscheidet, und über die Rolle der Beziehungen zwischen dem Masseneinkommen und der Steigerung der landwirtschaftlichen Einnahmen. Wir würden also diese Dinge noch mehr begrüßen, wenn es daneben und in der Diskussion um diese ganze Angelegenheit nicht auch noch ein paar allgemeine wirtschaftspolitische Sentenzen gäbe, die uns doch höchst bedenklich erscheinen. Ich will hoffen, daß diese neuen wirtschaftspolitischen Weisheiten nicht sozusagen als Trost fabriziert werden für diejenigen, die, wenn sie den Bericht ernst nehmen und ihn ernsthaft verwerten, nun nicht mehr mit all dem alten Geschwafel unter die Leute gehen können.
Herr Kollege Lücker hat hier wieder etwas aufgenommen, was der Minister neulich schon bei der Vorlage des Berichts gesagt hat. Er hat gesagt, wir müßten nun endlich einmal dazu kommen, daß diejenigen, die im Rennen so weit vorn liegen, mit dieser Eile aufhörten, weil sich diese Eile zu Lasten derjenigen auswirke, die im Rennen weiter hinten lägen. Nun, man kann natürlich leicht über die Lohnsteigerungen lamentieren und sich beklagen. Ich will dabei den Ausdruck „lamentieren" nicht als eine persönliche Kränkung verstanden wissen. Aber man muß doch dann auch noch den Widerspruch aufzulösen versuchen, der darin besteht, daß es auf der anderen Seite doch gerade die Lohnsteigerungen waren, die es der Landwirtschaft ermöglicht haben, ihr Einkommen so außerordentlich zu steigern,

(Beifall bei der SPD)

die es der Landwirtschaft ermöglicht haben, die
sehr beachtliche Produktionssteigerung am Markt



Kriedemann
unterzubringen. Wir wissen ja alle, daß diese Mehreinnahmen nicht in erster Linie aus dem Mehrverzehr an Kartoffeln und Hafergrütze stammen, sondern aus dem Erlös für die recht gut bezahlten Veredelungsprodukte.
Sie finden auf der Seite 57 des Grünen Berichts eine Übersicht über die Zunahme der Nahrungsmittelproduktion und stellen dabei fest, daß wir gegenüber den Ausgangsjahren die Erzeugung von Brotgetreide um 28 % gesteigert haben. Hier dreht es sich zunächst um die Mengen, gar nicht um Dinge, die mit den Preisen zusammenhängen und durch Preiserhöhungen dann aus der richtigen Vergleichbarkeit herausrücken. Dagegen haben wir, was die Rinder angeht, 40 % mehr an Lebendgewicht erzeugt, was die Schweine angeht, 54% mehr, Milch 15 % mehr, Eier 30 % mehr. Das alles ist doch per Saldo aufgenommen worden zu steigenden Preisen und hätte nicht aufgenommen werden können, wenn es nicht auf der anderen Seite die gestiegene Kaufkraft gegeben hätte.

(Beifall bei der SPD.)

Ich sage das nur, damit nicht allzulaut immer wieder gefordert wird, da solle endlich ein Schlußpunkt gesetzt werden, da solle mal eine Bremse angelegt werden. Wenn wir nämlich an der Entwicklung der Kaufkraft — und die wird im wesentlichen von den Löhnen bestimmt — eine Bremse anlegen, dann bremsen wir auch die Absatzchancen und die Preisentwicklung der Landwirtschaft. Das muß man halt sehen.
Aber lassen Sie mich, was den Vorschlag angeht, man solle hier doch zu einem größeren Gleichgewicht kommen, noch auf etwas anderes aufmerksam machen. Ich möchte da etwas wiederholen, was neulich ein Wissenschaftler, der sich zwar in weiten Kreisen der Landwirtschaft keiner besonderen Wertschätzung erfreut, der aber dafür bei allen vernünftigen Leuten im Inland und im Ausland als Kapazität sehr hoch geschätzt wird, geäußert hat gegenüber der Forderung, die da vorn sollten endlich mal kurztreten. Er hat darauf aufmerksam gemacht, daß auch die deutsche Landwirtschaft in der zukünftigen Entwicklung darauf angewiesen ist, daß sich hier überhaupt etwas entwickelt, und er hat dabei das für meinen Geschmack sehr hübsche Bild von der Rennbahn gebraucht. Er hat gesagt: Wenn das Feld sehr auseinandergezogen ist, kann man sich natürlich darüber ärgern, daß da vorn ein paar so flott an der Spitze galoppieren und ein paar andere nicht mitkommen. Wenn man aber nun die Sache dadurch in Ordnung zu bringen versucht, daß man das vorderste Pferd festhält, dann schließen die anderen zwar auf, aber damit ist auch das Rennen zu Ende. Was das für unsere gesamte Volkswirtschaft und infolgedessen auch für die gesamte Landwirtschaft bedeuten würde, scheint mir auf der Hand zu liegen. Wenn das auch so auf den ersten Blick furchtbar logisch zu sein scheint — „die sollen doch mal das alles nicht selber verkonsumieren; die sollen es denen geben, die da hinterherkommen" —, so ist es doch zweifellos nicht nur volkswirtschaftlich,
sondern auch privatwirtschaftlich richtiger, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man die Pferde, die hinten im Rennen liegen, ein bißchen weiter an die Spitze heranbringen kann. Das dient dem Ganzen zweifellos sehr viel mehr.
Wenn neulich vom Bundesernährungsminister, heute mit sehr viel Nachdruck vom Herrn Kollegen Lücker und im übrigen in der ganzen landwirtschaftlichen Fachpresse so viele Klagen über die Wirtschaftspolitik vorgebracht werden, so hören wir Sozialdemokraten das keineswegs mit Schadenfreude. Auf der anderen Seite ist es aber für uns nichts Neues. Wir haben ja dem Mann, der diese Wirtschaftspolitik zu vertreten hat, immer vorgeworfen, daß er unter der Überschrift „Freie Wirtschaft", „Soziale Marktwirtschaft" oder so ähnlich doch Ungleichheiten, Verzerrungen hat entstehen lassen, die notwendigerweise — und es war gar nicht schwierig, das vorauszusehen — auf Kosten der schwächeren Wirtschaftspartner gehen mußten.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Die Landwirtschaft wird ja nicht zum erstenmal dazu gebraucht oder, besser gesagt, mißbraucht, irgendein deutsches Wunder auf ihrem Rücken sich vollziehen zu lassen. Das war einmal ein Aufrüstungswunder, diesmal ist es das Wirtschaftswunder. Ich darf daran erinnern, daß ich im vergangenen Jahr bei der gleichen Gelegenheit von dieser Stelle aus gesagt habe, daß es meiner Überzeugung nach in der deutschen Wirtschaft ein bißchen anders, nämlich solider, ausgesehen hätte, wenn man nicht von vornherein proklamiert hätte: Freie Bahn dem Tüchtigen — und der Tüchtige ist der, der die breitesten Ellenbogen hat —, sondern wenn man hier wirklich ein bißchen in der Weise ausgleichend eingegriffen hätte, daß halt auch diejenigen zum Zuge kommen, die sich nicht auf die Breite ihrer Schultern, auf Brachialgewalt oder etwas Ähnliches verlassen können. Das trifft ja im übrigen nicht nur auf die Landwirtschaft, sondern auch auf andere Bereiche in der Wirtschaft zu.
Ein anderer unserer Agrarwissenschaftler hat in der letzten Zeit sehr viel damit von sich reden gemacht, daß er darauf aufmerksam machte, wie sehr die Landwirtschaft unter dem sogenannten freien Spiel der Kräfte — das auf ihre Kosten gespielt wird — leidet, wie sehr die Landwirtschaft darunter leidet, daß es in unserer Wirtschaft gerade das am allerwenigsten gibt, wovon am allermeisten geredet wird, nämlich den Leistungswettbewerb. Er hat mit sehr eindrucksvollen Unterlagen nachweisen können, daß es wie alle anderen schwachen Partner natürlich auch die Landwirtschaft bezahlen muß, wenn einige Wirtschaftsgruppen sich infolge ihrer größeren Gewichte oder ihrer besseren Beziehungen mehr vom Sozialprodukt abkassieren können, als es ihnen im Wege des Wettbewerbs, im Wege des Leistungsvergleichs an sich zukommen würde. Denn was der eine sich zuviel nimmt, das fehlt halt den anderen. Alles das, was in dieser Richtung an Kritik an der Wirtschaftspolitik ausgesprochen wird, hat unsere volle Zustimmung.



Kriedemann
Ich muß Ihnen nur, damit Sie jetzt nicht etwa Beifall klatschen — das könnte ja passieren —, sagen: Unter Ihnen, meine Damen und Herren —das gilt insbesondere für diejenigen, die hier so als die Sprecher der Landwirtschaft gelten —, ist eigentlich keiner, der jetzt mit gutem Gewissen in dieser Weise Kritik üben kann. Schließlich haben Sie selber dafür gesorgt und die Bauern dazu überredet, diese Wirtschaftspolitik Jahr um Jahr immer wieder zu bestätigen.

(Zuruf von der Mitte.)

— Na, es dreht sich halt nicht um die Grundsätze. Es dreht sich vielmehr um die Praxis. Im Grundsatz kann man sich immer sehr schnell einigen. Aber es kommt darauf an, was aus den Grundsätzen praktisch gemacht wird. Was aus diesen Grundsätzen hier gemacht worden ist, das wissen Sie genausogut wie ich.
Die Wirtschaftspolitik ist der Landwirtschaft außerordentlich viel schuldig geblieben. Da ist gar kein Zweifel. Hier ist heute wieder beschwörend gesagt worden, es müßten z. B. industrielle Arbeitsplätze aufs Land kommen. Mit Ausnahme der vorhin schon zitierten Agrardemagogen wissen wir, daß das Problem für Hunderttausende von in der Landwirtschaft tätigen Menschen auf gar keine andere Weise zu lösen ist, als daß man ihnen in der Wirtschaft — und die Wirtschaft ist ja schließlich ein zusammenhängendes Ganzes — einen anderen Arbeitsplatz schafft. Aber ich finde, weder der Bundesernährungsminister noch irgendein Mitglied der Partei, die in diesem Lande — ich hätte beinahe gesagt: Gott sei's geklagt — neun Jahre regiert, hat noch ein Recht, sich hier mit Proklamationen zu begnügen. Der Bundeswirtschaftsminister hätte schon Jahre hindurch im Kabinett auf den Tisch hauen können — wenn das da erlaubt ist; ich weiß es nicht

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

und diese Forderung schließlich auch durchsetzen können. Und wenn er das nicht kann, weil er nur einer unter vielen ist, die von Agrarpolitik vielleicht alle nicht viel verstehen, dann ist zu bedenken, daß es hier im Hause eine große Fraktion gibt, die das alles hätte durchsetzen können.
Warum haben wir bis auf den heutigen Tag auch noch nicht den Anfang einer Raumordnung? Warum haben wir bis auf den heutigen Tag, abgesehen von einigen Dingen, die in den Ländern getan werden — —

(Abg. Dr. Conring: Erlauben Sie eine Frage?)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301400600
Zu einer Zwischenfrage Herr Abgeordneter Dr. Conring!

Dr. Hermann Conring (CDU):
Rede ID: ID0301400700
Herr Abgeordneter Kriedemann, ist Ihnen nicht bekannt, daß seit zwei Jahren der regionale Förderungsfonds mit 20 Millionen DM von uns im Bundesetat ausgestattet worden ist mit dem ausgesprochenen Ziel, das zu verwirklichen, von dem Sie hier sprechen?

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301400800
Ja! Es ist mir aber auch bekannt, daß trotz dieses Fonds bisher in der Richtung so gut wie gar nichts geschehen ist.

(Oh-Rufe von der CDU/CSU.)

Mir ist außerdem bekannt, daß der Fonds zu klein ist. Ich kann bei der Gelegenheit gleich sagen: wir werden uns ein Vergnügen daraus machen, Ihnen in den Haushaltsberatungen größere Mittel dafür vorzuschlagen, damit mit dem Fonds mehr gemacht werden kann.

(Beifall bei der SPD.)

Daß man damit einiges machen kann, Herr Dr. Conring, beweisen einzelne Unternehmungen in einzelnen Ländern, und daß wir auf Bundesebene noch sehr viel mehr hätten machen können, als heute projektiert ist, werden Sie auch nicht bestreiten wollen.

Dr. Hermann Conring (CDU):
Rede ID: ID0301400900
Ist Ihnen nicht bekannt, daß in einem einzigen Kreis, nämlich in dem, dem ich angehöre, ein Zweigwerk der Olympia-Werke errichtet wurde, das einer Zahl von etwa 2000 Menschen gerade aus den kleinen landwirtschaftlichen Bezirken auf die Dauer Beschäftigung geben wird? Und ist Ihnen nicht bekannt, daß man mit mehr Geld, wenn man es hat, auch mehr machen kann?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.)


Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301401000
Warten Sie mit dem Klatschen; es ist immer noch nicht so weit. — Das Olympia-Werk ist mir bekannt. Es sind mir mehrere solcher Unternehmungen bekannt. Ich weiß z. B., was das Land Hessen an der Zonengrenze in geradezu großartiger Weise getan hat. Und wenn die Mittel dazu nicht ausgereicht haben, wenn es nur an den Mitteln gelegen hätte und nicht an der mangelnden Initiative des Bundeswirtschaftsministers oder des Kabinetts oder der Regierungskoalition, dann hätte es auch bei Ihnen gelegen, die Mittel aufzustocken. Wir werden das also bei den Haushaltsberatungen vorschlagen. Das alles ändert aber nichts an der Tatsache, daß über die Frage immer nur geredet worden ist, wie wir Arbeitsplätze aufs Land bringen, damit sich die Dinge so wunderbar entwickeln, wie Herr Kollege Lücker sie geschildert hat; und ich stimme Ihrer herrlichen Vorstellung über diese Entwicklung zu: die Leute bleiben auf dem Land wohnen und finden dort Arbeit, die sie auch ernährt. In dieser Richtung ist also viel mehr geredet als getan worden.
Ich sage noch einmal: wenn ich Mitglied der Regierungspartei wäre, dann würde ich mit Prognosen und Beschwörungen in dieser Beziehung etwas vorsichtiger sein und würde etwas mehr tun. Wir sitzen hier nicht über dem ersten Grünen Bericht. Das Problem ist auch nicht erst seit vorgestern oder seit dem letzten Haushaltsjahr oder seit zwei Haushaltsjahren bekannt. Wir haben eine, wie Sie finden, erfreuliche Kontinuität in der Regierung, und in den neun Jahren hätte schon ganz bestimmt mehr passieren können und müssen. Schließlich haben



Kriedemann
wir auch auf diesem Gebiet kostbare Zeit verwirtschaftet, was wir uns leider nicht leisten können.
Ein anderes Beispiel dafür, was die Wirtschaftspolitik der Landwirtschaft schuldig bleibt! Hier ist neulich von dem Minister mit Recht gesagt worden, daß sich immer noch soundso viele, Zehntausende, Hunderttausende Landfrauen fürchterlich quälen müssen, weil ihnen die Einnahmen dafür fehlen, die Maschinen und Geräte kaufen zu können, die man zur Erleichterung der Hausarbeit nun einmal braucht. Ich habe dem Minister schon während seiner Rede gesagt: Mit ein bißchen mehr Wettbewerb in diesen Bereichen und ein bißchen mehr Kontrolle der Spannen und der Rabatte ist da natürlich auch viel mehr zu machen als mit der Forderung „Es muß da alles anders werden".
Das gleiche gilt für jene andere, sehr sympathische Geschichte, auf die der Minister neulich aufmerksam gemacht hat: daß man in Amerika langfristige Programme zur Versorgung der Landwirtschaft mit billigen Maschinen hat. Ich wiederhole, was ich neulich nur in Form eines Zwischenrufes gesagt habe: mit einer aktiven und mit einer einfallsreichen Wirtschaftspolitik kann man überhaupt eine ganze Menge machen. Ich bin glücklich darüber, es nicht vertreten zu müssen, daß wir das nicht getan haben, was unsere Landwirtschaft in dieser Beziehung höchst nötig hat. Die ganzen Vorwürfe — das habe ich auch neulich schon gesagt —müssen an die richtige Adresse gerichtet werden. Aber die richtige Adresse, meine Damen und Herren, ist die Ihre; denn Sie sind ja sozusagen der Wirtschaftsminister, die Regierung und die Wirtschaftspolitik. Alles, was hier an Anklagen erhoben wird, richtet sich nicht an Unbekannt oder was weiß ich; Besatzungsmächte haben wir ja nicht mehr, früher waren es diejenigen, die an allem schuld hatten. Das richtet sich an diejenigen, die diese Dinge hätten ändern können, und das sind halt Sie.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Lassen Sie mich anschließend noch zwei Betrachtungen im Rahmen meiner Stellungnahme zum Grünen Bericht anstellen. Erstens einmal die Vorausschau! Jahrelang haben wir uns immer wieder anhören müssen, daß der Grüne Bericht den einen großen Fehler habe, daß er immer zu spät komme, daß immer über eine Zeit berichtet werde, die schon längst vorbei sei. Wir alle, die dies beklagt haben, haben darauf aufmerksam gemacht, daß es leider gar nicht anders geht. Denn man kann halt nicht über Dinge berichten, die noch gar nicht passiert sind, über die man noch gar nichts weiß. Wenn wir eine gründliche Durchleuchtung und Auswertung der Buchführungsunterlagen vornehmen wollen, müssen wir abwarten, bis die Buchführung abgeschlossen und das Material aufgearbeitet ist. So ergibt sich zwangsläufig, daß der Bericht, wenn man so will, immer etwas hinter den gegenwärtigen Tatsachen herhinkt — was ich übrigens nicht für einen Mangel halte. Es will ja sowieso kein vernünftiger Mensch aus dem Ergebnis des Berichts, etwa in Mark und Pfennig ausgedrückt, irgend
etwas ableiten. Der Bericht soll uns nur zeigen, in welcher Richtung tendenziell vorgegangen werden muß, um den unbefriedigenden Zustand, der ja nicht nur der Zustand eines Jahres ist, nachhaltig und tiefgehend genug zu verändern.
Nun haben wir in diesem Jahre zum erstenmal eine Vorschau auf das nächste Jahr erhalten. Das ist auch wieder nicht richtig. Dabei ist es durchaus solide, diese Vorschau anzustellen; denn die entscheidenden Faktoren sind ja schon bekannt. Die Ernte des Jahres, über das eine Vorschau gegeben wird, ist die Ernte des laufenden Landwirtschaftsjahres, das bekanntlich vom 1. Juli bis zum 30. Juni läuft. Sie ist schon in den Scheuern, zum großen Teil sogar verwertet, und es läßt sich über dieses Jahr schon eine ganze Menge sagen.
Ich muß gestehen, daß ich mit großem Vergnügen die zahlreichen Kritiken an dieser Vorschau zur Kenntnis genommen habe. Es hat mir deutlich gemacht, wieviel Leute auch heute immer noch von der Vorstellung ausgehen, man könne solche Feststellungen auf ein bestimmtes, vorher ins Auge gefaßtes Ziel abstellen. Wenn die Vorschau etwa so gelautet hätte, daß man hätte sagen müssen: „Wir haben wieder eine schlechte Ernte und wieder einen nassen Herbst, und es ist noch schlimmer geworden", dann wäre das denen, die die Vorschau so leidenschaftlich gefordert haben, genauso zupasse gekommen und sie hätten sagen können: „Wieder nur 300 Millionen mehr, ist das nicht eine Schande?" usw. usw. Man hat nun offenbar gewisse Sorgen darüber, daß es im nächsten Jahr eben auch buchmäßig anders aussehen wird. Wenn man erkennt, daß es sich um Feststellungen handelt, die nur für ein Jahr gelten, könnte man vielleicht sagen, die Not ist gar nicht so groß. Es gibt sehr interessante Zahlen in diesem Bericht, aus denen man schließen kann, daß das, was in dem Bericht ein dicker Minuspunkt ist, im Jahr darauf voraussichtlich ein ganz beträchtlicher Pluspunkt sein wird. Plötzlich hat man ein Haar in der Suppe gefunden.
Ich möchte für meine Freunde sagen, daß wir diese Vorschau durchaus für nützlich halten, schon weil sie immer wieder unterstreicht, hier wird nicht etwa eine Enquete über die Landwirtschaft gemacht, als wäre sie etwas Statisches, das 20, 30 Jahre so bleibt, wie wir das einmal fotografiert haben, sondern es handelt sich dabei um einen Jahresbericht. Und wir wissen alle, wie das in dem einen Jahre auf- und in dem anderen Jahre abgeht und daß man aus den Feststellungen eines Jahres nicht allzu weitgehende Folgerungen ziehen kann.
Dann noch eine Bemerkung zur Preispolitik. Es wird ja jetzt wieder sehr viel darüber gesprochen, daß die landwirtschaftlichen Preise in die Höhe gehen müßten. Es ist soeben hier schon angeführt worden, daß auch diese Preise, wenn das in der gewerblichen Wirtschaft nicht anders würde, heraufgesetzt werden müßten. Ich sehe dem mit aller Fassung und größter Ruhe entgegen. Das einzige, was mich veranlaßt, jetzt dazu etwas zu sagen, ist die Sorge, es könnte hier eine Illusion entstehen. Herr Lücker hat darauf aufmerksam gemacht —



Kriedemann
auch der Herr Minister hat es neulich sehr eingehend getan —, wie sehr wir uns mit manchen Produkten der Bedarfsgrenze nähern. Und in diesem Augenblick hat so etwas wie Zölle, Einfuhrschutz usw. natürlich überhaupt keine Bedeutung mehr. In diesem Augenblick ist es überhaupt sehr fraglich, wie denn nun die Preise doch in die Höhe gebracht werden können.
Ich habe neulich in einer großen deutschen Tageszeitung einen Artikel von einem Mann gelesen, der so gelehrt ist, daß er unter einen Pseudonym schreibt; und trotzdem weiß jeder, daß es ein Professor ist.

(Heiterkeit.)

Er hat etwa so argumentiert — ich muß sagen, daß ich es für eine skandalöse Argumentation gehalten habe —, die deutsche Landwirtschaft opfere jetzt auf dem Altar der übrigen Wirtschaft Tausende von Betrieben, deshalb könne die deutsche Landwirtschaft nun auch von der übrigen Wirtschaft ihrerseits mal ein Opfer verlangen. Das wäre die geforderte Preiserhöhung. Demgegenüber ist ganz deutlich zu sagen, daß die deutsche Landwirtschaft gar nicht daran denkt, auf dem Altare irgendwelcher Interessen irgend etwas zu opfern. Es wäre auch sehr töricht, wenn sie das täte. Aus der Zeit sind wir allmählich heraus, in der die Landwirtschaft ein ständiger Opfergang war. Die Landwirtschaft ist und muß immer mehr ein nüchternes, normales Geschäft werden, bei dem derjenige, der dieses Geschäft betreibt, zunächst mal an sich denkt, wie das alle anderen auch tun. Wir sollten uns und dem Bauern nicht einreden, daß er nicht an sich, sondern an das Vaterland, an die Volksernährung oder so etwas denken solle. Das ist patriotisch sehr beliebt. Das ist außerdem auch sehr billig für die anderen, die sich solche Opfer, die der Landwirtschaft aber immerhin außerordentlich teuer zu stehen kommen, darbringen lassen. Deshalb sollte man auf eine solche Argumentation verzichten. Die Landwirtschaft denkt gar nicht daran, irgend etwas zu opfern.
Aus der Tatsache, daß Betriebe verschwinden, die zu klein sind, um die Arbeitskraft eines Mannes rentabel verwerten zu können, können nun am allerwenigsten Ansprüche abgeleitet werden. Ansprüche an die Wirtschaft auf Erhöhung der Preise sind in diesem Falle schon deswegen unsinnig, weil derjenige, der aus der Landwirtschaft herausgeht, dann doppelt bestraft würde. Er müßte nämlich, weil er kein Landwirt mehr ist, höhere Preise zahlen, an denen nur die Spaß haben, die drin bleiben.

(Sehr wahr! bei der SPD. — Heiterkeit.)

Noch einen Satz zu dem Thema der kostendeckenden Preise. Das ist ein ganz neues Schlagwort! Früher war es die Parität, jetzt sind es die kostendekkenden Preise. Heute wird man auf Ehre und Gewissen gefragt: Sind Sie für kostendeckende Preise oder nicht? Es gibt eine neuere Untersuchung, aus der hervorgeht, daß Preiserhöhungen oder Produktionskostensenkungen für die kleinen Betriebe sich anders auswirken als für die großen Betriebe. Das ist für uns nichts Neues; das haben wir mehrmals gesagt. Das bedeutet, daß man gerade in den Bereichen, in denen von einem echten Notstand gesprochen werden kann, mit Preiserhöhungen, selbst wenn man sie auf dem Markt würde durchsetzen können, nicht helfen kann. Deswegen wird man sich überlegen müssen, ob man nicht an Stelle dieser billigen und gängigen Formel, die zunächst gar nichts kostet, von der man vielleicht selber nicht glaubt, daß man sie durchsetzen kann, zu wirksameren Maßnahmen kommen kann; die gibt es nämlich. Aber man sollte sich darüber einigen, daß es eine recht trostlose und der Landwirtschaft, auf deren Rücken das alles ausgetragen wird, höchst abträgliche Demagogie ist, wenn jemand immer von kostendeckenden Preisen, von höheren Preisen, von Preiserhöhungen redet, ohne die Courage zu haben, zu sagen, welchen Preis er nun konkret im Auge hat und welchen Preis er ansteuert.
Meine Freunde haben in dieser Beziehung eigentlich nur einen Wunsch: daß hier endlich einmal die Karten auf den Tisch gelegt werden. Hier soll rechtzeitig gesagt werden, welchen Preis man denn will. Wir haben vor zwei Jahren, glaube ich, im Wege einer Großen Anfrage die Regierung gefragt, welchen Schweinepreis, welchen Rinderpreis, welchen Preis für Butter sie für richtig hält und welchen Preis sie mit ihren Einrichtungen, mit den Einfuhr-und Vorratsstellen ansteuern will. Wir haben darauf leider keine Antwort bekommen. Man hat uns gesagt, solche Preise könnten nicht genannt werden; es gäbe dann nur Enttäuschungen. Ich finde, solche Preise müssen genannt werden, wenn man darüber irgendwelche konkreten Vorstellungen hat. Das muß schon im Interesse des inneren Friedens geschehen, damit niemand überrascht wird und sich überfahren vorkommt und damit alle mit ihren Löhnen und Renten und mit ihren Überlegungen sich auf dieses neue Niveau einstellen können.

(Zuruf von der FDP: Können Sie uns die Löhne nennen, die im Endeffekt angestrebt werden?)

— Das ist gar nicht meine Aufgabe. Es hat noch niemals jemand von einer dauernden Lohnsteigerung gesprochen. Es hat noch niemals jemand von kostendeckenden Löhnen geredet. Es gibt heute noch eine ganze Menge Leute in Deutschland, die keine kostendeckenden Löhne haben.

(Beifall bei der SPD.)

Da sich die Löhne sehr stark nach den Preisen richten, besonders nach den Lebensmittelpreisen, ist es an den Propagandisten der kostendeckenden Preise, einmal ganz klipp und klar zu sagen, was sie eigentlich wollen, zumal da sie die Möglichkeit haben — wenn es dafür eine Mehrheit gibt —, es durchzusetzen. Wir haben ja für ganz entscheidende Bereiche die Marktordnung, wir haben die Einfuhr-und Vorratsstellen und wir haben die Möglichkeit, auf dem Markt zu intervenieren, um irgendeinen gewünschten Preis durchzusetzen. Aber das muß dann endlich einmal aus der Ebene der bloßen Drohungen und Forderungen und Parolen heraus. Da muß dann, wie man sagt, „Butter bei die Fische getan werden", da muß der Preis genannt werden.
Auch wir sind unverändert der Meinung, daß der Strukturwandel, wie er sich anbahnt — nicht wie er veranstaltet worden ist, sondern wie er sich im



Kriedemann
Zuge der Entwicklung anbahnt —, nicht aufgehalten werden darf. Ich möchte das mit allem Nachdruck unterstreichen und mich zusammen mit Herrn Lücker gegen die Leute wenden, die so tun, als würden hier Menschen vom Land vertrieben, als würden hier Menschen sozusagen mit dem weißen Stock ins Elend geschickt. Hier ist noch niemandem ein Stück Land weggenommen worden, hier sind noch niemandem Bedingungen mit der Absicht gestellt worden, daß er von selber aufgeben oder sich aufhängen soll. Alles, was sich in der Richtung der Abwanderung aus der Landarbeit, in der Richtung der Veränderung der Zahl der Betriebe getan hat, ist auf eine durchaus verantwortbare Weise freiwillig geschehen. So soll es unserer Meinung nach auch bleiben. Wir haben nur zu bedauern, daß wir auch hier wieder kostbare Jahre verloren haben, Jahre, die uns diesen Prozeß sehr leicht gemacht hätten, leichter, als er vielleicht in der nächsten Zukunft sein wird. Denn in den Zeiten der Hochkonjunktur, der überhitzten Konjunktur, des Schreiens nach Arbeitskraft wäre es natürlich sehr viel leichter gewesen, neue Arbeitsplätze für die Menschen zu schaffen, die in der Landwirtschaft nun einmal keine produktive Existenz mehr finden, als es vielleicht in späterer Zukunft sein wird.
Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß dieser Strukturwandel nicht aufgehalten werden darf. Er muß sich nach wirtschaftlichen Gesetzen vollziehen. Das einzige, was wir zu tun haben, ist, daß wir ihn mit allem Verantwortungsbewußtsein gegenüber den Menschen zu betrachten haben, die in diese Entwicklung hineingezogen werden und die wir nicht
ihrem Schicksal überlassen wollen. Wir müssen für sie für neue Arbeitsplätze und andere, geordnete soziale Verhältnisse bis hin zu der Sicherheit der Währung sorgen, damit das, was sie erarbeiten und anders als in Land anlegen, genauso wertbeständig ist wie das Land. Das muß schon deshalb geschehen, weil wir nur auf diese Weise Chancen haben, freiwerdendes Land dort hinzubringen, wo es am dringendsten gebraucht wird, nämlich zur Aufstockung anderer, zu kleiner Betriebe, damit sie das werden, was man landläufig eine Ackernahrung nennt, also was für eine normale bäuerliche Familie die Arbeits- und Einkommensgrundlage bildet. In dieser Beziehung gibt es also keine Meinungsverschiedenheiten.
Anders ist es schon in der Frage, wie wir erreichen, daß die Entwicklung nicht aufgehalten wird. Was tun wir nun, damit sie sich in der unter sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu verantwortenden Weise vollzieht? Ich komme damit zum Grünen Plan, also zu den Maßnahmen, die die Bundesregierung in diesem Jahre zusätzlich zu ergreifen beabsichtigt.
Zunächst einmal muß ich sagen, daß ich es sehr bedaure, daß wir es in diesem Jahre bis zum heutigen Tage noch nicht einmal zu einem Haushaltsplan gebracht haben. Da wir nicht wissen, wie der Haushaltsplan, insbesondere der Einzelplan 10 aussehen wird, können wir noch nicht mit allerletzter Sicherheit sagen, ob die Aufstockung der Mittel für den dritten Grünen Plan wirklich eine Aufstockung ist oder ob nicht vielleicht das eine oder andere im
Haushalt wieder eingespart wird. Nach dem, was man über das neue Verfahren des Herrn Finanzministers hört, der seinen Kollegen jetzt einen festen Betrag auf den Tisch legt und sagt: Sieh zu, wie du damit fertig wirst — ein Verfahren, das ich persönlich für durchaus richtig halte —, muß man sich da wohl auf einiges gefaßt machen. Ich bin gespannt, ob auf die Frage, ob im Haushalt nun auch nichts von dem eingespart wird, was wir früher mal drin gehabt haben, eine konkrete Antwort gegeben werden kann. Ich könnte mir vorstellen, daß das bei dem Stand der Regierungsberatungen über den Haushalt noch gar nicht möglich ist. Was wir in diesem Jahre insgesamt für die Landwirtschaft einsetzen können, wissen wir zuverlässig und genau jedenfalls erst dann, wenn der Haushaltsplan verabschiedet ist. Weil er in diesem Jahre offensichtlich ein bißchen spät kommt, will ich noch einmal ausdrücklich sagen, wie sehr wir bedauern, daß er so spät kommt.
Es ist auch noch abzuwarten, wie sich die Verschiebung bestimmter Mittel auf den Kapitalmarkt für die Durchführung der entsprechenden Aufgaben auswirken wird. Denn es ist immer besser. wenn man aus dem Haushalt Geld hat und wenn man weiß, zu welchen Bedingungen man es kriegt, als wenn es sich in einigen Bereichen sozusagen zunächst um ungefangene Fische handelt. Wenn der Kapitalmarkt das nicht hergibt oder nicht zu Bedingungen, die für die Landwirtschaft erträglich sind, würde höchstens der Finanzminister Spaß daran haben; der würde nämlich entsprechende Anteile der für die Zinsverbilligung eingesetzten Mittel behalten, und das ginge dann hier auch noch ab. Man muß also erst abwarten, wie das läuft.
Unsere größte Sorge konzentriert sich darauf, daß in diesem Jahre das Verhältnis zwischen den für die Strukturverbesserung eingesetzten Mitteln und den Mitteln für diese unseligen ungezählten Subventionen noch ungünstiger geworden ist. Dabei glauben wir, daß eigentlich doch niemand bezweifeln sollte, daß die Strukturverbesserung dasjenige ist, worauf es ankommt. Sie ist nicht nur ein Schwerpunkt unter vielen, sie ist der Punkt, auf den es ankommt. Denn allen Leuten ist doch klar, daß gerade wir in unseren Verhältnissen, mit den zahlreichen anzuschaffenden Düsenjägern und was weiß ich für teure Dinge, uns nicht auf unabsehbare Zeit eine Subventionierung der Landwirtschaft erlauben können, wie das vielleicht in Amerika möglich ist. Deshalb müssen wir schauen, daß wir so schnell wie möglich einen möglichst großen Teil der Landwirtschaft auf eigene Füße stellen, und das bedeutet in erster Linie eine Verbesserung der Wirtschaftsgrundlagen, eine Verbesserung der Struktur.
Vielleicht haben viele von Ihnen — und das ist ja keine Schande, wenn man sich nicht mit landwirtschaftlichen Dingen befaßt; alle anderen Lebens-, Wirtschafts- und politischen Bereiche haben ihre völlig gleichberechtigte Bedeutung — jetzt zum erstenmal an Hand der draußen in der Vorhalle ausgestellten ausgezeichneten Modelle wirklich gesehen, was Flurbereinigung eigentlich bedeutet.



Kriedemann
Wenn Sie dort an der linken Seite auf den roten Knopf drücken und dann über die ganze Feldmark verstreut die Stückchen, Fetzchen und Eckchen des Landbesitzes eines Bauern sehen und wenn Sie sich vorstellen, wie dieser arme Mann das alles bewirtschaften soll, wird Ihnen sehr schnell klar, daß das ein sehr unrentables, unwirtschaftliches Geschäft ist. Der Mann braucht doch buchstäblich für die Wege zwischen seinen Stücken mehr Zeit, als er Zeit hat, diese Stücke selber zu bearbeiten. Es gibt überhaupt keine denkbare Preiserhöhung oder irgendeine andere Maßnahme, die für dieses Handicap einen Ausgleich bieten könnte, ganz abgesehen davon, daß es auch keine Maßnahme gibt, die für die Überbeanspruchung der Menschen, für den Zwang, sich mit einer so trostlosen Situation abzufinden, einen Ausgleich gibt. Deshalb müssen wir in dieser Beziehung viel mehr tun. Das sage ich nicht mit der Geste eines Mannes, der in der Opposition sitzt und es sich leicht macht, sondern aus der Überzeugung, daß nur dann, wenn wir unsere Anstrengungen, auch unsere finanziellen Anstrengungen, auf diesen Punkt konzentrieren, eine Chance besteht, unsere Landwirtschaft leistungsfähig am Leben zu erhalten. Schließlich haben wir nicht beliebig Zeit. Wir sind nicht in der Situation der Dänen vor 200 Jahren. Wir leben am Anfang des Gemeinsamen Marktes, am Anfang einer völlig neuen wirtschaftlichen Situation. Auch ohne den Gemeinsamen Markt verändern sich ja die wirtschaftlichen Verhältnisse so, daß sie die Landwirtschaft vor neue Probleme stellen. Und wenn wir ihr nicht helfen, diese Aufgaben so zu lösen, wie sie wirtschaftlich vertretbar gelöst werden können, kommt sie nicht über die Runden. Deswegen halten wir den dafür eingesetzten Betrag für entschieden zu klein. Wir haben nach dieser Richtung einige Anträge vorgelegt, zu denen wir uns im Laufe der Debatte noch äußern werden.
Auf der anderen Seite ist der Betrag für die ungezählten Subventionen noch angewachsen. Ich bin kein prinzipieller Gegner von Subventionen. Ich bin vielmehr davon überzeugt, daß man bestimmte Tatbestände für bestimmte Zeiträume nur mit dem Mittel der Subventionen ausgleichen kann. Aber zwischen solchen Subventionen und Veranstaltungen wie der Düngersubvention oder der Milchsubvention ist doch ein himmelweiter Unterschied. Es sollte doch eigentlich jedem sofort aufgehen, daß wir nicht auf unabsehbare Zeiten solche Beträge aufbringen können und daß es völlig aussichtslos ist, so unterschiedlichen Verhältnissen, wie sie in unserer Landwirtschaft nun einmal mit großen und kleinen Betrieben, auf guten und schlechten Böden, mit diesem und jenem von der Natur bestimmten Wirtschaftssystem gegeben sind, mit der gleichen Methode zu Leibe rücken zu wollen. Es ist nun einmal eine Tatsache, daß es Leute gibt, die nur über das Milchgeben ihrer Kühe nachdenken und die außerdem noch ausgezeichnete Futtergrundlagen für diese Kühe haben, und daß es andere Leute gibt, die nicht nur wesentlich schlechtere Futtergrundlagen haben, sondern ihre Kühe auch noch zum Arbeiten benutzen müssen. Mit dieser Tatsache wird man nicht fertig, ihr wird man nicht ge-
recht, wenn man sagt: Jeder von denen kriegt den gleichen Subventionsbetrag für jeden abgelieferten Liter Milch. Das ist für die einen ganz interessant, aber für die anderen ist es nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Nun haben wir im vergangenen Jahr unsere Bedenken in dieser Richtung schon sehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht. Wir haben jetzt die Genugtuung, daß sich etwas davon anscheinend — ich sage es ganz bescheiden — als richtig erwiesen hat; denn der Minister hat angekündigt, daß in diesem Jahre die Milchsubvention den Betrag von 400 Millionen DM unter keinen Umständen überschreiten darf. Da wir im vergangenen Jahre 480 Millionen DM dafür ausgegeben haben, bedeutet das einen Abbau. Das beweist nur, daß wir uns mit den ungezielten Subventionen auf einen Weg begeben haben, der in Wirklichkeit eine Sackgasse ist, und ich bin sehr begierig, ob nun das passiert, was der Minister neulich beschworen hat, daß der Geist alle erleuchte, damit sie erkennen, wie sie aus dieser Sackgasse wieder herauskommen.
Eines möchte ich für meine Freunde sagen. Damit ist es nicht getan, daß man jetzt erklärt, es müsse also weniger produziert werden. In den Bereichen der kleinbäuerlichen Landwirtschaft ist nun einmal die Produktionssteigerung die Voraussetzung dafür, daß ein höheres Einkommen erzielt wird, und wir schneiden den Leuten den Lebensfaden ab, wenn wir ihnen eine solche Produktionssteigerung unmöglich machen. Es ist ein großes Unglück und rächt sich jetzt bitter, daß durch diese ungezielte Maßnahme ein Strukturwandel in der Milchviehhaltung unterbrochen worden ist, der glücklicherweise schon in Gang gekommen war — zugunsten der kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Gang gekommen war —, so daß jetzt plötzlich Leute den Kuhstall interessant finden, von denen wir wünschen, daß sie ihn viel weniger pflegten, weil das, was konsumiert werden kann, eben in den anderen landwirtschaftlichen Bereichen erzeugt werden sollte und nicht denen, die nicht ausweichen können, von solchen, die ausweichen könnten, weggenommen werden darf.
Unsere Sorge ist vor allem, daß man jetzt möglicherweise auf Kosten der falschen Leute spart. Man hört davon, daß von einem nahe bevorstehenden Termin an nur noch tbc- und bangfreie Milch aufgenommen werde und die andere dann unter den Tisch falle. Die Bauern, ob große oder kleine, haben sehr erhebliche Anstrengungen gemacht, um ihre Bestände zu sanieren; aber bei manchen — und gerade bei vielen kleinen — hat es ja nicht am schlechten Willen gelegen, daß man damit nicht fertig geworden ist, sondern einfach an dem Umstand, daß man es sich finanziell nicht leisten konnte. Wir haben in Anerkennung der Tatsache, daß die Sanierung eine sehr kostspielige Angelegenheit ist, Ihnen Jahr für Jahr vorgeschlagen, die Bundesbeiträge für die Beseitigung der Tbc wesentlich zu erhöhen; aber das ist leider immer wieder abgelehnt worden.

(Abg. Dr. Conring: Sie hatten vergessen, einen Deckungsvorschag zu machen!)




Kriedemann
— Ach, Herr Conring, Sie wissen genau, daß wir, wenn wir hier einen Vorschlag machen, keinen Deckungsvorschlag zu machen brauchen. Außerdem habe ich ein paar Deckungsvorschläge gemacht; aber die haben Ihnen auch wieder nicht gepaßt.

(Beifall bei der SPD.)

Ich weiß z. B. im Hinblick auf den Mißbrauch der Marktordnung eine ganze Menge Deckungsmöglichkeiten, wenn man nur bereit wäre, da einmal rechtzeitig heranzugehen; aber anscheinend tun wir das dann auch zu spät. Wenn ich mir vorstelle, daß es eine ganze Menge Leute gibt, die z. B. ihre Bestände schon deswegen nicht sanieren können, weil sie nicht in der Lage waren, ihre Wirtschaftsgebäude entsprechend zu ändern, dann habe ich die große Sorge, daß unter dieses Fallbeil gerade diejenigen fallen, die Hilfe am nötigsten haben und denen man am wenigsten vorwerfen kann, daß sie bisher nichts getan haben. Wir werden uns im Ausschuß um eine entsprechende Lösung bemühen und dabei hoffentlich Ihre Zustimmung finden, daß man, wie gesagt, nicht bei den verkehrten Leuten spart, wie wir es überhaupt, unbeschadet unserer Ablehnung jeder ungezielten globalen Maßnahme, für sehr bedenklich halten, daß man nun ausgerechnet die Milchsubventionen zum Ausgangspunkt einer neuen Überlegung macht und zugleich die Düngersubvention noch weiter aufstockt. Wenn man schon von diesem großen Berg, auf den man selber leichtsinnigerweise hinaufgeklettert ist. hätte herunter wollen, dann hätte sich nach unserer Überzeugung für einen solchen Abbau der Subventionen — man kann ja nicht immer bloß Verbrauchersubventionen abbauen, auf die Dauer jedenfalls nicht, wie es jetzt mit dem Brotpreis geschehen ist — die Düngersubvention sehr viel besser angeboten.

(Zustimmung bei der SPD.)

Sie können es mir nicht übelnehmen, wenn ich ein bißchen den Verdacht habe, daß gerade die Kreise, die hier in der bunten Übersicht braun angezeichnet sind — das hat mit der politischen Farbe, in diesem Fall jedenfalls, nicht immer etwas zu tun —, weil sie aus dem Schneider heraus sind, vielleicht nicht damit einverstanden waren — wir wissen, daß sie die größten Düngerverbraucher sind —, daß nun einmal bei ihnen gespart wird. Das ist natürlich sehr bedauerlich; denn dann bleiben wieder die Kleinen auf der Strecke.
Noch ein Wort zur Milch. Ich sagte schon: wir können jetzt nicht so aus der Verlegenheit helfen, daß wir sagen: Dann muß halt weniger Milch produziert werden, dann muß jetzt generell die Produktion zurückgehen. Vielmehr müssen wir jetzt angesichts des Risikos und der Gefahren, die Sie mit Ihren Subventionen da heraufbeschworen haben — ich darf guten Gewissens sagen: trotz unserer sachlich gut begründeten Warnung vor den falschen Anreizen, die aus einer solchen Subvention notwendigerweise nach Adam Riese und nach dem kleinen volkswirtschaftlichen Einmaleins entstehen mußten —, große Anstrengungen machen, um unseren Milchverbrauch zu steigern. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, daß es in Deutschland so eine von den alten Germanen stammende Gewohnheit sei, wesentlich weniger Milch zu trinken als in anderen Ländern.
Aber auch das darf natürlich nicht bloß zu einer Redensart von allen Seiten werden, etwa im Sinne von „Ja, ja, das muß jetzt geschehen", sondern hier müssen wir endlich einmal wirklich etwas tun. Daß ich hier nicht so völlig ohne Erfahrung rede, wissen Sie aus unseren Bemühungen um eine Auflockerung der Milchmarktordnung, die zum Ziel hatte, die Milchqualität zu heben und den Zugang zur Milch leichter zu machen; denn der Verbraucher kann ja nicht durch Gesetz gezwungen werden, Milch zu verzehren, sondern man muß es ihm leicht machen, man muß es ihm schmackhaft machen, und es muß ihm auch möglich sein, Milch zu bekommen. Unserer Meinung nach muß mindestens ein Betrag von 20 Millionen für eine zeitgemäße, moderne Milchwerbung eingesetzt werden, und das nicht nur ein Jahr, sondern mindestens zwei bis drei Jahre. Angesichts der Werte, die hier für die Landwirtschaft auf dem Spiele stehen, ist ein solcher Betrag für Werbung durchaus gerechtfertigt.
Nun, mit dem Geld allein ist es nicht getan. Man muß es außerdem auch noch richtig ausgeben. Es genügt also nicht, wenn Leute, die in Bonn nicht mehr gebraucht werden können, nach Frankfurt geschickt werden, um dort Milchwerbung zu betreiben. Da muß man einmal wirklich neue Wege gehen, und dann wird man auch ankommen.
Aber die Werbung allein tut es auch nicht. Wir müssen nicht bloß Plakate kleben oder solche Scherze machen; wir müssen die Verbraucher auch ein bißchen gewöhnen und ein bißchen erziehen. Darum werden wir — das darf ich jetzt schon ankündigen — unseren Antrag auf 50 Millionen für die Schulmilchspeisung wieder einbringen, weil das nämlich das Erziehungsmittel ist, und zwar ein Erziehungsmittel, das sich in vielen, vielen anderen Ländern schon bewährt hat. Es dreht sich nicht darum, zu erörtern, ob es bei uns noch unterernährte Kinder gibt. Dann sagt der Wirtschaftsminister: Bei uns gibt es keine unterernährten Kinder, sie leben alle bestens, schade um die Milch! Es dreht sich jetzt zunächst einmal um die Milch und um die zukünftigen Milchverbraucher, und unter diesem Gesichtspunkt werden wir den Antrag wieder stellen.
Wir werden auch die Reform der Milchmarktordnung erneut zur Debatte stellen; denn es ist nicht zuletzt diese Frage, die uns Milchverbrauch kostet. Ich will hier gar keine langen theoretischen Ausführungen machen, sondern Ihnen aus der allernächsten Nähe ein Beispiel erzählen, das möglicherweise einige Kolleginnen und Kollegen in diesem Hause durch den Augenschein kennen. Fünf Minuten von hier liegen ein paar Häuser, in denen ein paar Abgeordnete und eine große Zahl Von Beamten wohnen. Dort hat sich bis vor wenigen Wochen noch das für meinen rustikalen Geschmack liebliche Bild morgens gezeigt, daß der Milchwagen kam. Während der eine Flaschenmilch und Joghurt austrug, verkaufte der andere aus einem Tank Milch,



Kriedemann
und eine ganze Horde Kinder stand um den Milchwagen herum. Die Kleinen, die nicht zur Schule gehen, brachten ihren Milchtopf heran, und die Mütter hatten das wohlwollend im Auge, bis es eines schönen Tages verboten wurde. Nun stehen die Frauen in dieser Wohngegend vor der Frage, ob sie nun lose Milch von dem dafür zuständigen Milchhändler holen sollen. Das ist für die Mutter mit ihrem Kind, die dahin laufen muß — man kann die Kinder ja nicht gleich in den Kohlenkeller sperren —, selbst für den Fall, daß die Schranken zufällig hoch sein sollten, was in Bonn auch nicht die Regel ist, ein Geschäft, das mindestens eine halbe Stunde dauert. Wenn die Mütter dafür aber keine Zeit und keine Lust haben, müssen sie Flaschenmilch beziehen. Wir haben einmal ein bißchen herumgefragt, wie die Verbraucher denn auf diese „Ordnungsmaßnahme" reagiert haben. Fast ausnahmslos dadurch, daß sie ihren Milchverbrauch eingeschränkt haben! Sie gaben zur Antwort: Dann nehmen wir halt einen halben Liter weniger, dann kommen wir mit demselben Geld wieder aus. Das ist ein Beispiel, das wir hier vor der Nase haben, ein Beispiel, das vielfältig ist.
Deswegen sage ich: wenn wir etwas wirksam gegen die Milchschwemme und für die Steigerung des Trinkmilchverzehrs tun wollen, dann müssen sich einige von Ihnen auch von der Vorstellung losmachen, daß ihre Vorfahren das alles schon bestens geordnet haben und daß es geradezu ein Chaos heraufbeschwören würde, wenn wir die Milchmarktordnung einmal auf den Stand der heutigen Erkenntnisse brächten.

(Beifall bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, ich möchte mich nicht im einzelnen über die Düngersubvention verbreiten, sondern nur das folgende sagen. Natürlich ist genauso wie bei der Milchsubvention der Tag abzusehen, an dem auch diese Subvention abgebaut wird. Ursprünglich hieß es, das solle eine Anreizmaßnahme sein, die auf drei Jahre berechnet werde. Nun, wir stehen jetzt im vierten Jahr und wir zahlen einen erhöhten Betrag. Diejenigen, die viel Dünger verbrauchen, werden sich darüber sicherlich nicht beklagen. Was aber in dem Augenblick passieren wird, in dem mit dieser Maßnahme einfach aus Haushaltsgründen, aus finanziellen Gründen mehr oder weniger Schluß gemacht wird, das wird ganz bestimmt nicht zum Segen der Landwirtschaft, nicht einmal zum Segen der Düngerindustrie sein; denn das wird für den verbrauchenden Landwirt eine so gravierende Steigerung des Düngerpreises mit sich bringen, daß die Reaktion vorauszusehen ist. Dann wird. der Düngerverbrauch also wieder eingeschränkt.
Vielleicht glaubt doch der eine oder andere jetzt, daß es klüger gewesen wäre, wenn wir zur Nachhilfe in den Gebieten, in denen der Düngerverbrauch uns nicht befriedigt, gezielte Maßnahmen ergriffen hätten. Wir hätten beispielsweise denen geholfen, die bisher noch keinen oder zu wenig Dünger verwenden, um sie daran zu gewöhnen. Dann hätten wir mit diesen Beträgen unendlich viel mehr und mit einer viel tiefer gehenden Wirkung machen können als mit dieser ungezielten Maßnahme, von der diejenigen am meisten gehabt haben, die es am wenigsten nötig hatten.
Ich möchte nicht auf jeden einzelnen Punkt eingehen, sondern nur noch die Frage der Mittel für den Wegebau herausgreifen. Wir halten den Wegebau für eine der wichtigsten Aufgaben mit, weil er der Landwirtschaft hilft, leichter, rationeller zu arbeiten und Kosten zu senken. Wir sind nur traurig darüber, daß dieser Titel lediglich mit 50 Millionen ausgewiesen ist. Nachdem wir wissen — und wir haben uns sorgfältig genug erkundigt —, daß sehr viele ausführungsreife Projekte nur aus Mangel an Mitteln nicht mehr in Angriff genommen werden können, werden wir uns dafür einsetzen, daß dieser Betrag mindestens um 50 % erhöht wird.
Wir begrüßen die Erhöhung der Beträge für die Seßhaftmachung verheirateter Landarbeiter, weil unserer Überzeugung nach zu einer gesunden Agrarstruktur auch eine entsprechende Landarbeiterstruktur gehört, d. h. eine möglichst große Zahl verheirateter Landarbeiter. In dem Grünen Bericht läßt sich ja wunderbar nachlesen, wie verhältnismäßig gut die Arbeitsverhältnisse dort geordnet sind, wo diese Umstellung schon vorgenommen worden ist.
Lassen sie mich zum Schluß noch auf einen Punkt kommen. Das ist der auf Seite 21 der Anlage zum Grünen Bericht vermerkte ominöse Posten II Ziffer 2 b „Andere landwirtschaftliche Erzeugnisse 72 Millionen". Nun, da kann man auf den ersten Blick sagen: Das ist eine großartige Sache! Es gibt einen Haufen Zeug, warum soll man das alles einzeln aufführen? Es muß etwas für Obst getan werden. Unserer Meinung nach muß sehr viel für den Weinbau und für den Tabakanbau getan werden, damit diejenigen, die nur eine kleine Fläche haben, die sich für eine Spezialkultur eignet, auch auf der kleinen Fläche eine Existenzgrundlage haben und nicht von dem Gespenst der Abwanderung oder des Verlustes ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht werden. Soweit, so gut. Aber — darauf ist neulich schon einmal aufmerksam gemacht worden — in den Erläuterungen steht auch hier ein ganz harmloser Satz, der besagt, daß es sich hier um die Aufrechterhaltung des Anbaues von Ölfrüchten handle.
Im Zusammenhang damit ist vorsichtig darauf hingewiesen worden, daß ja doch wohl mit dem Roggenpreis mal einiges passieren müsse und daß zum Ausgleich dafür halt etwas für den Raps getan werden sollte. Wir werden uns im Ausschuß und bei jeder anderen Gelegenheit mit aller Kraft bemühen, rechtzeitig zu merken, was da eigentlich beabsichtigt ist. Denn das hört sich auch wieder so fein an: Da gibt es Leute, die bauen Roggen an, und wir haben eine Überproduktion an Roggen, müssen also mit dem Roggenpreis etwas machen, damit nicht noch mehr Roggen produziert wird. Dafür brauchen wir natürlich einen Ausgleich, und da wollen wir jetzt auf Raps umschalten, Raps über den Weltmarktpreis hinaus natürlich. — Das hört sich sehr logisch an, und es haben auch viele schon „Bravo" und „Hurra" gesagt. Aber leider stimmt es nicht ganz genau. Denn derjenige, der darauf angewiesen



Kriedemann
ist, Roggen zu bauen, weil sein Boden nichts anderes hergibt, kann nicht einfach auf Raps ausweichen.

(Zustimmung.)

Deswegen besteht ein Zusammenhang zwischen dem Roggenpreis bzw. der Veränderung des Roggenpreises und der Förderung des Rapsanbaus nicht.

(Zuruf des Abg. Dr. Conring.)

— Herr Dr. Conring, ich bin gewohnt, anderen Leuten zu glauben. Wenn Sie sagen, es ist gar nicht so, dann tröstet mich das. Aber ich fürchte, wir werden uns nachher beide enttäuscht sehen. Denn ein bißchen haben Sie doch wahrscheinlich auch von den erheblichen Anstrengungen mitgekriegt, die von gewisser Seite unternommen werden, um hier nun etwas mehr ins Geschäft zu kommen. Ich will heute schon sagen, daß meine Fraktion mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln und Kräften sich dagegen zu wehren versuchen wird und uns alle dagegen zu schützen versuchen wird, daß man aus einem so kleinen Interessengesichtspunkt heraus eine neue Überproduktion in Gang bringt, für die am Markt dann ebensowenig Platz ist, wie für den Roggen Platz ist.

(Vorsitz: Präsident D. Dr. Gerstenmaier.)

Wir haben gemeinsam beschlossen, eine bestimmte Rapsmenge für die Margarineherstellung zu reservieren oder dieser Rapsmenge einen Absatz zu reservieren. Wir haben uns gemeinsam auf einen Preis verständigt, der sehr erheblich über dem Weltmarktpreis liegt, und zwar in der Überzeugung, daß man das wohl allen dabei Beteiligten zumuten kann.
Wir wissen, daß im Zuge dieser Maßnahme immer mehr Leute Geschmack am Rapsanbau gefunden haben, und zwar keineswegs nur solche, die aus Fruchtfolgegründen gezwungen waren, den Raps anzubauen. Heute stehen wir vor der Frage: Was machen wir denn mit dem Raps, der da mehr angebaut worden ist, ohne den Margarinepreis zu gefährden? Die Margarine ist nun einmal die Basis der Fetternährung für die breite Masse der Bevölkerung. Wir werden die Bevölkerung durch kein Mittel von der Margarine zur Butter hinbringen, solange es uns nicht gelingt, die Butter so billig zu machen wie die Margarine. Selbst durch eine Verteuerung der Margarine schaffen wir das nicht. Wir fragen uns also heute: Wie werden wir mit der Rapsmenge fertig, die nicht ohne Gefährdung des Margarinepreises auf die bisher übliche Weise untergebracht werden kann?
Wenn wir jetzt, um einem Problem auszuweichen, einen solchen Weg gehen, dann, fürchte ich, haben wir sehr bald das neue Unglück vor uns, daß wir nämlich sehr teuer eingekauften Raps haben, von dem wir nicht wissen, wie wir ihn zu diesem Preis wieder loswerden können. Gerade weil die Haushaltslage in den nächsten Jahren offensichtlich nicht sehr rosig ist, glaube ich, daß es erste Aufgabe aller verantwortungsbewußten Agrarpolitiker ist, die Agrarpolitik gegen den Vorwurf zu verteidigen, sie mache sehr kostspielige und außerdem wirtschaftlich unsinnige Experimente, sie erzeuge nämlich etwas — und reize die Erzeugung
durch einen hohen Preis an —, was man nachher nur wieder loswerden könne, wenn man diesen hohen Preis wieder heruntersubventioniere. Dann kostet die Sache nämlich noch einmal soviel. Wer von Ihnen möchte gern den Tag erleben, an dem wir uns über solche, na, sagen wir einmal vorsichtig, Torheiten mit nüchtern denkenden Wirtschaftspolitikern und Finanzpolitikern auseinandersetzen müssen? Wir Sozialdemokraten möchten diesen Tag nicht erleben, obwohl wir es leicht hätten. Wir könnten sagen: Das macht man unter euch ab; wir haben rechtzeitig davor gewarnt.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch einmal sagen: Wir halten den Grünen Bericht für einen Fortschritt. Niemand aber sollte sich allzu lautstark auf ihn berufen. Man kann an ihm einiges erkennen, mit ihm zwingend beweisen kann man nur sehr wenig, und wir schaden der ganzen Sache, wenn wir diese Frage allzu breit ausdiskutieren; sie wird dann nämlich nicht unter den Landwirten, unter den Agrarpolitikern ausdiskutiert, sondern in ganz anderen Bereichen.
Wir sind der Meinung, daß die Verteilung der Mittel, so wie sie jetzt hier vorgesehen ist, unzweckmäßig ist. Darüber hinaus ist die ungezielte Subvention — und hier mein Rapsverdacht, von dem ich glaube, daß es mehr ist als ein bloßer Verdacht — nicht nur unzweckmäßig, sondern sogar außerordentlich gefährlich. Wir haben den dringenden Wunsch — und hier begegne ich mich mit dem Herrn Minister —, daß der Geist alle erleuchten möge. Wir werden ja sicherlich auch in diesem Jahre im Ausschuß wieder Gelegenheit haben, die einzelnen Ansätze noch einmal zu erörtern — mindestens im Rahmen der Diskussion über die zu erlassenden Richtlinien —, und wir gehen an diese Beratung in der Hoffnung und mit der Absicht heran, doch wenigstens einiges ein bißchen besser und schneller wirksam zu machen, als es im Augenblick ist. Denn, meine Damen und Herren, hinter uns steht etwas, was uns zwingt, schnell zu arbeiten: die schnell laufende Zeit. Die Dänen haben gesagt: Damals vor 200 Jahren. Wir können das nicht sagen. Wir haben nicht sehr viel Zeit.
Auch unserer Überzeugung nach lassen sich die agrarischen Probleme so lösen, daß sie gegenüber der Gesamtwirtschaft und vor der gesamten Bevölkerung verantwortet werden können. Dazu braucht es gar nicht der törichten Argumente von Blut und Boden, vom Blutquell der Nation, vom Hort der Tugend usw. Dazu bedarf es auch nicht des törichten Arguments: das ist eine Lebensversicherung, wenn erst ein Krieg oder eine Krise kommt, können wir uns ernähren.
Herr Kollege Lücker, ich darf Sie vielleicht in einem Punkt berichtigen. Im Grünen Bericht steht drin, daß wir unsere Ernährung durch unsere Nettoleistung, d. h. wenn wir die eingeführten Futtermittel abziehen, nur zu 68% decken. Das ist gar kein Werturteil.

(Abg. Lücker [München] : Ich hatte von Bruttoleistung gesprochen!)




Kriedemann
— Na, ja, von der Bruttoleistung haben wir wenig, wenn die berühmte Krise oder der berüchtigte Krieg kommt. Dann haben wir Einfuhren nämlich nicht mehr. Deshalb sollten wir hier nicht mit falschen Zahlen operieren und nicht mit Argumenten, die so verstaubt sind, daß sie uns keiner mehr abnimmt. Zur Wahrnehmung der berechtigten Interessen der Landwirtschaft bedarf es dieser Argumente auch gar nicht. Dazu haben wir sehr viele gute Gründe und nicht zuletzt die Verantwortung vor den Menschen, die in diesen Entwicklungsprozeß hineingestellt sind, zugleich aber auch die Verantwortung vor allen anderen. Denn man kann niemandem etwas geben, ohne daß es ein anderer bezahlen muß. Die Landwirtschaft steht nicht allein im Raum. Und gerade weil sie so sehr darauf angewiesen ist, daß diese Mittel aus einer allgemeinen Zustimmung, einer allgemeinen Sympathie für sie und ihre Probleme aufgebracht werden, sollte man die Verantwortung den anderen gegenüber, denen die Agrarpolitik sympathisch glaubhaft gemacht werden muß, nicht zu kurz kommen lassen.
Es gibt einen interfraktionellen Entschließungsantrag, den meine Fraktion unterschieben hat. Ich brauche also hier zum Schluß nicht zu sagen, wie wir uns dazu verhalten. Aber ich wiederhole: Wir haben diesen Antrag unterschrieben in der Hoffnung und dem Wunsch, daß es gelingen möge, das eine oder andere in gemeinsamer Beratung doch noch ein bißchen besser zu machen, als es jetzt ist.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301401100
Meine Damen und Herren, es gefällt mir nicht, daß ich immer wieder an den § 39 der Geschäftsordnung erinnern muß, wo es heißt: „ ... soll nicht länger als eine Stunde sprechen.". Kollege Kriedemann, nehmen Sie mir dies nicht übel.

(Abg. Kriedemann: Der Grüne Plan ist eine wichtige Sache!)

— Das gilt für alle Teile des Hauses.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0301401200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Erfreuliche an der Rede von Herrn Kriedemann war, aus seinen Ausführungen im Grundsatz heraushören zu können, daß er generell mit dem Grünen Bericht einverstanden ist und generell auch mit den genannten Maßnahmen, abgesehen von den sogenannten globalen Hilfen. Ich werde mir erlauben, Herr Kollege Kriedemann, im Laufe meiner Ausführungen auf Ihre Einwände einzugehen.
Wenn wir die Ergebnisse des Grünen Berichts insgesamt vor unseren Augen vorbeiziehen lassen und sie kritisch beurteilen, ist, glaube ich, niemand da, der irgendeine Überraschung feststellen kann. Die Entwicklung der Lage der Landwirtschaft im abgelaufenen Jahr deutete von vornherein bereits darauf hin, daß sich im dritten Bericht zeigen wird, daß sich die Lage der Landwirtschaft insgesamt nicht gebessert hat. Ich darf an die Ausführungen
meines Kollegen Lücker anknüpfen, der ihnen die
Gründe hierfür mit aller Deutlichkeit angeführt hat.
Herr Kriedemann, Sie haben vorhin in Ihren Ausführungen geglaubt, sagen zu müssen, daß das Wesentliche die Verbesserung der Agrarstruktur sei und daß man dafür mehr und für die globalen Hilfen weniger hätte einsetzen müssen. Dazu darf ich Ihnen sagen, daß die Zahlen aus dem Grünen Bericht diese Ihre Behauptungen nicht rechtfertigen. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, daß eine Grundlage die Verbesserung der Agrarstruktur sein muß. Aber die Ergebnisse zeigen doch mit noch größerer Deutlichkeit, daß gerade die strukturell gesunden Betriebe von sich aus nicht imstande waren, ihre Rentabilität so herzustellen, daß die dort beschäftigten Menschen auf den gleichen Lohn gekommen wären wie in der Industrie. Herr Bundesernährungsminister, wir freuen uns ganz besonders darüber, daß Sie sich zu dieser Auffassung gerade in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit ganz betont bekannt haben.
Ich werde es mir versagen, auf die Einzelheiten der Agrarstruktur einzugehen; einer meiner Fraktionskollegen wird das nachher tun. Wir stellen mit Genugtuung fest, daß die Maßnahmen der Bundesregierung auf dem Gebiete der Agrarstruktur im Laufe der letzten Jahre zu recht beachtlichen Er- folgen geführt haben. Das darf man hier in aller Deutlichkeit einmal aussprechen. Ich glaube auch, man kann im großen ganzen sagen, daß man auf dem bisherigen Wege fortschreiten sollte.
Nun zur Frage einer globalen Disparität! Herr Kriedemann, Sie sagten, daß das untunlich sei, und Sie haben gesagt, Sie freuten sich darüber, daß der Bundesernährungsminister auf die Wünsche, die von außen an ihn herangetragen worden sind, nicht eingegangen ist und keine globale Disparität genannt hat. Man kann über diese Frage natürlich verschiedener Auffassung sein. Aber vielleicht wäre es doch ganz zweckmäßig, wenn wir uns über diesen Punkt kurz unterhielten, und zwar deswegen, weil Sie im Grünen Plan heuer wieder wie im letzten Jahr im Anhang die Angabe finden, daß für die Landwirtschaft im abgelaufenen Jahre insgesamt 3 Milliarden DM aus öffentlichen Mitteln aufgewendet worden sind. In der Öffentlichkeit ist mancher der Auffassung, daß diese 3 Milliarden beinahe nicht zu verantworten seien. Wie ist es in Wirklichkeit? In die 3 Milliarden sind eine Reihe von Maßnahmen einbezogen worden, die uns angerechnet werden, die aber in der Stadt eine Selbstverständlichkeit sind: der Straßenbau, die Abwasserbeseitigung, die Versorgung mit Trinkwasser, um nur einiges zu nennen. Man kann das doch nicht als echte Hilfen für die Landwirtschaft bezeichnen. Zweitens sind in den 3 Milliarden auch die Darlehen enthalten, die hier ebenfalls als echte Hilfe bezeichnet werden, die aber doch, wie jeder weiß, wieder zurückgezahlt werden müssen.
Ich möchte mir erlauben, nun aus der ErtragsAufwands-Differenz eine Zahl zu nennen, die exakt auf dem Grünen Bericht beruht, aufgeteilt nach Bundesländern, Bodennutzungssystemen und Be-



Bauknecht
triebsgrößenklassen. Auf Grund dieser Angaben kann man feststellen, daß die Disparität, d. h. das Zuwenig an Einkommen für die in der Landwirtschaft Tätigen im Jahre 1955/56 etwa 31/2 Milliarden betragen hat und im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 3,3 Milliarden. Aus diesen Zahlen können Sie erkennen, daß trotz des großen Einsatzes und der großen Hilfen der beiden Grünen Pläne eine wesentliche Besserung nicht zu erzielen war. Wenn es im Grünen Bericht heißt, daß das Gesamtkapital der Landwirtschaft 90 Milliarden beträgt, und wenn man eine Verzinsung von 31/3 % ansetzt, so ergibt das einen Gesamtbetrag von 3 Milliarden. Wenn man die Disparitätszahlen vergleichen will, muß man entweder sagen: die Landwirtschaft muß auf eine Verzinsung ihres Kapitals vollständig verzichten und hat darüber hinaus den Vergleichslohn auch nicht erzielt, oder aber, wenn man es nur auf den Vergleichslohn bezieht, muß man sagen, daß eben das Einkommen — wie es der Bundesernährungsminister im Grünen Bericht zugegeben hat — nur zu 67 % gedeckt wurde.
Wenn wir diese Zahlen vergleichen, kann man noch einige andere Betrachtungen anstellen. Mein Kollege Lücker hat davon gesprochen, daß der hier eingesetzte Vergleichslohn bei der gewerblichen Wirtschaft nur 87 % des effektiven Bruttolohnes beträgt. Man hat also erhebliche Abstriche gemacht, weil man nur Industrieverdienste von solchen Arbeitern in den Vergleich hineinbezogen hat, die auf dem Dorf, Tür an Tür mit den Landarbeitern wohnen, und man hat die Pendelzeiten miteinbezogen. Wenn man eine andere Rechnung aufstellte — hier möchte ich an das anknüpfen, was Herr Lücker bereits gesagt hat — und berücksichtigte, daß allein der Unterschied im Stundenverdienst zwischen Industriearbeiter und Landarbeiter schon eine Mark pro Stunde beträgt — bei den Familienangehörigen ist er noch sehr viel größer —, käme man zu einer weiteren Disparität, die zusätzlich noch 13/4 Milliarde ausmacht.
Ich darf dann noch auf etwas hinweisen. Ich weiß nicht, ob bei diesen Erhebungen auch die freiwilligen sozialen Leistungen in genügender Weise berücksichtigt worden sind, die eben doch ein Großteil der Betriebe von sich aus seinen arbeitenden Menschen noch gibt. Ich habe darauf im letzten Jahr hingewiesen, und ich möchte hier keine Zahlen wiederholen. Aber im großen und ganzen zeigen die Veröffentlichungen der Aktiengesellschaften, daß es sich hier um freiwillige zusätzliche Aufwendungen von einer Größenordnung handelt, die noch weitere 10 bis 15% der effektiv ausgezahlten Löhne und Gehälter für die Arbeiter und Angestellten darstellten. Es gibt sogar eine Reihe von Betrieben, die bis zu 30% und noch mehr für freiwillige soziale Leistungen zahlen. Auch diese Dinge müßte man mit berücksichtigen. Sie bekräftigen das Bild, das hier gegeben worden ist, das also wirklich den bescheidensten Nenner gefunden hat. Diese Zahlen können in ihrer Höhe also keineswegs als übertrieben bezeichnet werden.
Noch einen anderen Gedanken zur Aufstellung des Vergleichslohns. Wenn an einer bestimmten
Stelle des Grünen Berichts gesagt wird, daß man die Abwanderung der Kräfte aus der Landwirtschaft begrüße, weil dadurch die Arbeitsproduktivität gesteigert werden könne, so darf man nicht außer acht lassen, wenn an einer andere Stelle gesagt wird, daß durch die Abwanderung der Kräfte die Arbeitsbelastung der Bäuerin viel größer geworden sei und noch ständig zunehme. Ich glaube, wir sollten auch diesen Gedanken festhalten. Wenn von einer Gesamtzahl der Stunden im Jahr von 2700 in der Landwirtschaft ausgegangen wird, so zeigen die Erhebungen einer ganzen Reihe von Agrarsoziologen, von Professoren und Doktoren, die mit diesen Erhebungen beauftragt worden sind, daß die Bäuerin in Wirklichkeit in der Regel 4000 und mehr Stunden im Jahr arbeitet, also praktisch um die Hälfte mehr als das, was hier zur Grundlage genommen wurde. Man müßte sich auch Gedanken darüber machen, ob es unter diesen Umständen gerechtfertigt ist, für eine im Haushalt verpflegte Person 15 % der Arbeitsleistung der Bäuerin jeweils in Abzug zu bringen. Das heißt mit anderen Worten: wenn es sich um eine vierköpfige Familie — das Elternpaar und zwei Kinder — handelt, so wären insgesamt 60 % bereits abzuziehen, und wir kämen zu einer täglichen Arbeitsleistung der Bäuerin von drei Stunden. Ich glaube, daß in der Regel in den Betrieben bis zu 20 ha die Leistung der Bäuerin für den Betrieb weit über drei Stunden beträgt. Die praktischen Gegebenheiten sind hier andere, als sich aus dem Grünen Bericht ergibt. Man sollte auch das bedenken. Wenn man von den 4000 Stunden ausgeht, kann man praktisch doch sagen, daß eigentlich der Ansatz für die Tätigkeit der Bäuerin nicht gekürzt werden sollte, sondern daß ihre Tätigkeit in Wirklichkeit die Leistung von 11/2 Arbeitskräften ausmacht.
Es erscheint deswegen sehr notwendig, Herr Bundesminister, daß man von den 72 Millionen DM, die in diesem Jahre im Grünen Plan dankenswerterweise offengelassen wurden und über deren Verteilung wir im Ernährungsausschuß diskutieren müssen, auf alle Fälle einen Betrag für die Erleichterung der Hausarbeit der Bäuerin durch Mechanisierung verwendet. Es gibt in der Bundesrepublik immerhin 642 000 echte bäuerliche Familienbetriebe zwischen 5 und 20 ha. Es dürfte gut sein, wenn man hierfür einen beträchtlichen Posten ansetzte.
Herr Kollege Kriedemann, Sie haben vorhin in diesem Zusammenhang gesagt, man müßte auch die Spannen und die Rabatte, die in den Preisen der Produktionsmittel für die Hauswirtschaft drinstekken, etwas stärker beleuchten. Man müßte eigentlich annehmen, daß der Wettbewerb das Seine dazu beiträgt, diese Spannen auf ein erträgliches Maß zurückzuführen.

(Abg. Kriedemann: Glauben Sie denn das?)

— Ich kann Ihnen, Herr Kriedemann, sagen, daß sich zahlreiche Genossenschaften mit der Mechanisierung der Hausarbeit und auch mit Gemeinschaftseinrichtungen befassen. Wir haben in dieser Richtung schon gute Erfolge erzielt.

(Abg. Kriedemann: Sind die Spannen dadurch kleiner geworden?)




Bauknecht
— Ich will jetzt nicht aus der Schule sprechen; aber wir können mit Befriedigung feststellen, daß wir hier einiges erreicht haben.

(Abg. Kriedemann: Dann ist ja alles in Ordnung!)

Noch ein weiterer Punkt! Die Einsparungen von Arbeitskräften konnte in der Landwirtschaft nur durch eine stärkere Mechanisierung erzielt werden. Zu dieser Mechanisierung war die Landwirtschaft gezwungen, weil durch die Hochkonjunktur ein sehr starker Sog auf die bäuerlichen Arbeitskräfte ausgeübt wurde und diese in starkem Maße abgewandert sind. Die abgewanderten Arbeitskräfte mußten durch arbeitssparende Maschinen ersetzt werden. Neben den damit verbundenen hohen Kapitalinvestitionen mußten für die verbleibenden Kräfte relativ hohe Löhne gezahlt werden.
Ich habe bereits im letzten Jahr darauf hingewiesen, wie sich hier die Verhältnisse zuungunsten der Landwirtschaft geändert haben. Ich möchte nur eine Zahl nennen. Ich kann dabei meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß der Herr Bundesernährungsminister Ihnen, meine Herren Kollegen, bei der Verkündung des Grünen Planes ein anschauliches Material über die Entwicklung der Löhne im Verhältnis zu den Verkaufserlösen gegeben hat. Im Jahre 1938 mußte man beispielsweise 2 dz Weizen verkaufen, um einen Monatslöhner — eine männliche Arbeitskraft — entlohnen zu können. Heute braucht man 5 dz. Das heißt mit anderen Worten, wenn die Landwirtschaft nicht so stark rationalisiert
B hätte, wäre sie nicht in der Lage, diese Löhne zu bezahlen.
Herr Kriedemann, ich habe gar nichts dagegen. Wir sind durchaus der Auffassung, daß es gelingen muß, in der Landwirtschaft industriegleiche Löhne zu zahlen. Aber man muß ihr die Voraussetzungen hierfür schaffen. Solange die Unterschiede zwischen Ertrag und Aufwand so groß sind, wird man allein mit Maßnahmen auf dem Gebiete der Agrarstruktur nicht helfen können; man wird zunächst weitgehend globale Hilfen brauchen.

(Abg. Kriedemann: Dann sagen Sie doch mal Ihre Preisvorstellungen, Herr Bauknecht!)

— Ich werde nachher bei den Maßnahmen zum Grünen Plan noch darauf eingehen.
Ich habe vorhin von einem hohen Maschinenkapital gesprochen. Ich möchte Ihnen einmal einige Zahlen nennen, damit Sie sich eine Vorstellung darüber machen können, wie groß die Kosten sind, die bei der Mechanisierung eines Betriebes entstehen. Was ich hier vortrage, sind nicht etwa vage Behauptungen, sondern meine Angaben gründen sich auf exakte Untersuchungen der höheren Landbau-schule in Nürtingen. Dort wurde festgestellt, daß in 36 bäuerlichen Familienbetrieben von rund 10 ha Nutzfläche durchschnittlich ein Maschinenkapital je Betrieb von 25 000 DM notwendig ist; d. h. eine Belastung durch die Anschaffung von Maschinen von 2500 DM je ha. Ich will jetzt davon absehen, daß diese Werte bei den Betrieben zwischen 5 und 7 ha weit über 3000 DM hinausgehen.
Ein Beispiel darf ich ihnen noch nennen. Bei der letzten Rheinischen Landwirtschaftsschau war eine Lehrschau zu sehen, wo man die Maschinen für einen vollmechanisierten 25-ha-Betrieb vorgeführt hat. Der Wert dieser Maschinen belief sich auf 98 000 DM. Das entspricht einer Kapitalbelastung von rund 4000 DM je ha. Damit liegt die rein technische Ausrüstung bereits weit über dem Jahresumsatz.
Interessant ist es, einen Vergleich mit der Industrie zu ziehen. Mir liegt allerdings kein sehr umfangreiches Material vor. Aber ich habe festgestellt, daß in einer ganzen Reihe von mittleren Industriebetrieben die Investitionen rein technischer Natur — also nicht die Gebäude, sondern die Maschinen, die dort im Zuge der Automation angeschafft werden mußten — zwischen 40 und 45 % eines Jahresumsatzes ausmachen. Wir kommen hier zu einem bestürzenden Schluß, daß nämlich in
1 000 DM Agrarproduktion eines mechanisierten Betriebes der Landwirtschaft heute schon mehr technische Aufwendungen stecken als in 1000 DM Industrieproduktion. Das Schlagwort von der zurückgebliebenen, zu wenig technisierten Landwirtschaft wäre damit zumindest von der Aufwandsseite her völlig gegenstandslos geworden.
Nochmals zurück zu diesen Aufwendungen von
2 500 DM je ha. Wir müssen uns hier, um zu bestimmten Begriffen zu kommen, einmal mit den fixen, unabänderlichen Kosten einer solchen Mechanisierung beschäftigen. Wenn wir annehmen, daß im Jahr 10 % getilgt werden müssen, wobei ich unterstelle, daß eine Reihe von Maschinen ja keine 10 Jahre aushält, wenn wir nur 6% Verzinsung annehmen — in Wirklichkeit müssen für die Technisierung entlehnten Gelder in jedem Fall mindestens 8% gezahlt werden — und wenn wir annehmen, daß der Reparaturkostensatz bei 4 % liegt — das ist ein Minimum —, so kommen wir zu einem festen jährlichen Unkostensatz von 20% des Kapitalbesatzes, mithin zu 500 DM fixen, unabänderlichen Kosten je ha eines mechanisierten Betriebes.
Was hat das zur Folge? Die laufenden festen Kosten für die Mechanisierung eines bäuerlichen Familienbetriebes betragen bei 10 ha 5000 DM. Wenn diese Mechanisierung sonst keine zusätzlichen Kosten mit sich bringt, so muß in einem solchen Betrieb mindestens eine volle Arbeitskraft ausscheiden. Ist das bei einem 10-ha-Betrieb möglich? Nach unserer Auffassung ist es nur selten möglich, daß man eine volle Kraft einspart.
Was hat das für weitere Folgen? Es hat zur Folge, daß diese Betriebe genötigt sind, unter allen Umständen den Anteil der fixen Kosten je erzeugten Getreidewert zu senken. Mit anderen Worten, es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als daß sie ihren Betrieb intensivieren. Auch diese bäuerlichen Familienbetriebe sind gezwungen, ihre Bodenproduktion zu erhöhen und zugleich die Veredelungswirtschaft zu forcieren. Ich möchte damit gesagt haben, daß wir nicht zu einer Flächenextensivität kommen können, wie manche Leute meinen, die allein die Erhöhung der Arbeitsproduktivität sehen und zu



Bauknecht
sagen wagen, das habe mit einer Flächenproduktivität nichts zu tun.
Wenn wir diese Dinge richtig betrachten, so müssen wir sagen, daß ein solcher bäuerlicher Familienbetrieb, wenn er zum Ein-Mann-Betrieb kommt, in Wirklichkeit praktisch die gleichen Verhältnisse vorfindet wie vorher. Die Rente ist keineswegs gestiegen, sondern er ist gehalten, sich noch stärker in seinem Betrieb einzusetzen als vor der Mechanisierung.
Auf die Frage der Investitionsmittel, die hierfür nötig sind, ist bereits mein Kollege Lücker eingegangen. Eins möchte ich aber bei dieser Gelegenheit doch der Öffentlichkeit sagen. Es herrscht sehr oft eine falsche Vorstellung darüber. Man glaubt, das Geld war ja in den Betrieben vorhanden, sie konnten ja mechanisieren. Woher kam das Geld? Wenn man keinen Wald zum Plündern hatte, wurden der Traktor und die übrigen Maschinen über den vorenthaltenen Arbeitslohn der mitarbeitenden Frau und der Kinder angeschafft.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das muß man einmal aussprechen. Man muß auch daran denken, welche Folgen das in vielen Familien hat, und man braucht sich nicht zu wundern, daß die Abwanderung gerade der Familienkräfte so groß ist. Die Menschen sind langsam hellhörig geworden. Wenn sie der Schule entwachsen sind, fragen sie sich: Was sollen wir tun; bleiben wir zu Hause und arbeiten wir im elterlichen Betrieb, bekommen wir bestimmt keinen Lohn, weil dieser Lohn dazu benutzt wird, den Betrieb zu mechanisieren; lernen wir gleich ein Handwerk, haben wir wenigstens etwas. — Ich geben unumwunden zu, daß es auch andere Verhältnisse gibt. Es ist interessant, daß dann, wenn der Betrieb unter die Familiengrenze sinkt, wenn er zu einem Nebenerwerbsbetrieb wird, wo der Betriebsinhaber hauptberuflich in der Industrie arbeitet, es sehr viel leichter ist zu mechanisieren als in einem echten bäuerlichen Familienbetrieb, weil man dort eben über das Einkommen aus der Industrie verfügt.
Man wird sich also, Herr Bundesernährungsminister, bei den Diskussionen über den Grünen Plan im Ernährungsausschuß auch darüber unterhalten müssen, ob man keine Möglichkeit schaffen kann, die Mechanisierung der Betriebe durch Zinsverbilligungen noch rentabler zu machen. Unter den gegebenen Umständen sind die Verhältnisse sehr schwierig.
Bezüglich der Notwendigkeit der Intensivierung müssen wir uns die Frage vorlegen, welche Möglichkeiten wir hier eigentlich noch haben. Wenn wir uns umsehen, müssen wir feststellen, daß noch bestimmte Möglichkeiten der Produktion gegeben sind. In dieser Zeit hört man ja immer wieder das Wort, daß die Landwirtschaft am Markte vorbeiproduziere und daß man zuwenig auf den kommenden europäischen Markt Rücksicht nehme. Sie sind in Ihrem Schlußwort auch kurz darauf eingegangen, Herr Kollege Kriedeman. Es ist nicht so, daß die Landwirtschaft am Markte vorbeiproduziere. Man hat die Möglichkeit, durch die Hilfsmaßnahmen, die
im Grünen Plan gegeben sind, auch in etwa eine bestimmte Steuerung zu vollziehen. Eins müssen wir hier aber im Auge behalten: das Wichtigste ist, die Rentabilität der Bodenproduktion zu erhalten. Es kann nicht die Aufgabe sein, nun mit eingeführten ausländischen Futtermitteln beispielsweise eine fabrikmäßige Veredelungsproduktion in den einzelnen bäuerlichen Betrieben zu inszenieren. Was den Hinweis auf Dänemark betrifft, Herr Kollege Kriedemann, so gebe ich Ihnen zu, daß die Dänen vor 100, 200 Jahren in der glücklichen Lage waren, ihre Agrarstruktur zu verbessern. Aber wenn man sich heute die Verhältnisse der Agrarwirtschaft in Dänemark, das man uns früher immer als Vorbild vorgehalten hat, ansieht, muß man doch sagen, daß die Verschuldung in Dänemark sehr viel größer ist und daß sich die dänische Landwirtschaft, was ihren Absatz anlagt, heute in schwersten Nöten befindet.

(Abg. Kriedemann: Das werden wir hier bald merken!)

— Herr Kriedemann, wenn wir heute etwa den gleichen Weg, auch mit billigen importierten Futtermitteln, gingen, wären wir sehr bald in einer Produktionshöhe, aus der wir nicht mehr herauskommen könnten. Ich möchte davor warnen, diesen Weg zu gehen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wenn heute bei uns in der Bundesrepublik beispielsweise 95 Schweine auf 100 ha gehalten werden und in Dänemark 156, obwohl Dänemark weniger besiedelt ist als wir, und wenn wir etwa den gleichen Weg gingen, könnte sich ja jeder einen Vers darauf machen.

(Abg. Kriedemann: Das hat ja auch keiner vorgeschlagen, Herr Bauknecht, daß wir den gleichen Weg gehen sollen!)

— Nein, aber in etwa hat es leider aus Ihren Ausführungen geklungen, daß Dänemark in irgendeiner Weise ein Beispiel sein könnte.
Wir haben noch eine bestimmte Marge, unsere Produktion auf bestimmten Gebieten zu steigern, und ich glaube, daß wir uns bei guten Ernten langsam einer bestimmten Bedarfsdeckung nähern. Aber wir sollten die Dinge nicht dramatisieren. So habe ich kürzlich gehört, es sei ein großer Fehler gewesen, den Rübenpreis zu erhöhen, denn wir seien bald so weit, daß wir zuviel Zucker produzierten. Meine Damen und Herren, die Dinge liegen doch etwas anders. Wenn wir hier näher zusehen, müssen wir feststellen, daß man in bestimmten Gebieten, wo man die Rübenproduktion zu stark ausgedehnt hat, wegen verschiedener Krankheiten — Vergilbungskrankheit, Rübenmüdigkeit — zurückstecken muß und daß neue Gebiete den Rübenbau aufnehmen, etwa in Bayern. Wir werden diese Dinge aufmerksam im Auge behalten. Ich glaube aber, daß keineswegs die Gefahr besteht, daß wir hier zu einer Überproduktion kommen. Ich darf auch noch feststellen, daß die Rübenpreiserhöhung recht bescheiden und die erste seit dem Jahre 1951 gewesen ist und daß die Bauern bisher infolge ihrer Rationalisierung zu den gleichen Preisen pro-



Bauknecht
duziert haben, obwohl die Kosten in dieser Zeit eminent gestiegen waren.
Nun haben Sie, Herr Kollege Kriedemann, hier die Verhältnisse beim Roggen angesprochen. Hier liegen die Dinge so — das wissen Sie genausogut wie ich —, daß Roggen eben eine Getreidefrucht ist, die weitgehend an den leichten Boden gebunden ist, und ich glaube nicht, daß wir in der Roggenproduktion dort zu weit vorgegangen sind, wo man auch andere Früchte hätte erzeugen können.

(Abg. Kriedemann: Ach herrje! Woher haben wir denn die Überschüsse?)

— Ich komme gleich darauf.
Eines möchte ich in diesem Zusammenhang sagen. Wenn man etwa glaubt, dadurch, daß man den Roggenbau einschränkt, unsere Weizenproduktion steigern zu können, dann übersieht man, daß wir dabei auf dem europäischen Markt mit Frankreich in Konflikt kämen, das große Überschüsse an Weichweizen hat, während unser echter Importbedarf in erster Linie Hartweizen betrifft, mit dem eine bestimmte Backfähigkeit des Mehles erzielt wird.

(Abg. Kriedemann: Und was machen wir mit dem Roggenberg, Herr Bauknecht?)

— Ich werde gleich darauf zurückkommen.

(Zuruf von der SPD: Vergessen Sie es aber nicht!)

Meine Damen und Herren! Wenn man uns gefolgt wäre und im letzten Sommer den Futtergerstepreis an den Roggenpreis herangezogen hätte, wäre nach meiner festen Überzeugung sehr viel mehr Roggen in den Schweinetrog gewandert und nicht zur Ablieferung gelangt; aber weil das eben nicht so war, wurde mehr abgeliefert.

(Abg. Kriedemann: Das wäre für die Bauern aber auch eine Katastrophe geworden!)

— Nein! (Abg. Kriedemann: Natürlich!)

Nachher hat dankenswerterweise, aber vielleicht etwas zu spät, der Herr Bundesernährungsminister den Preis der ausländischen Futtergerste auf eine bestimmte Höhe gebracht.
Ich darf nochmals darauf hinweisen — ich habe es vorhin schon kurz angeschnitten; Herr Kriedemann, Sie wissen es genausogut wie ich —, daß jeder Futtergetreidepreis unlösbar mit der Rentabilität der Hackfrucht verbunden ist. Wenn der Futtergetreidepreis heruntergeht, hat gerade der bäuerliche Familienbetrieb nicht mehr die Möglichkeit, über die Kartoffel eine entsprechende Produktionsgrundlage für seine Schweinemast zu erzielen. Diese Dinge sollten wir nicht aus dem Auge lassen. Und wenn man heute daran denkt, bei dem kommenden Getreidepreisgesetz die Roggenlieferprämie abzubauen oder ganz zu streichen, so halte ich das für verfehlt. Zu der Zeit, als der Roggen, der in diesem Sommer zum Verkauf stehen wird, angebaut wurde, war der Anbauer noch in dem Glauben, daß er auf die Roggenlieferprämie rechnen könne. Ich möchte also davor warnen, jetzt
daran zu rütteln. Wir können uns jedoch darüber unterhalten, ob man im Sommer 1959 etwas anderes tun muß.
Eine Forderung möchte ich hier gleich aufzeigen: Das, was man dann bei Roggen einspart, muß der anderen Hauptfrucht auf dem gleichen Boden, der Kartoffel, in irgendeiner Weise zugute kommen.

(Abg. Kriedemann: Herr Bauknecht, damit wir uns gut verstehen: Ich habe keinen Vorschlag gemacht!)

— Ich weiß, aber man kann ja überall in der Presse darüber lesen, von irgend jemand, von irgendeiner Seite kommen doch diese Dinge. Man sollte heute schon im Rahmen der 72 Millionen DM daran denken, etwas Entscheidendes für die Konservierung der Kartoffeln zu tun. Ein großer Teil der Kartoffeln wird immer verfüttert werden müssen, ein kleiner Teil dient als Speisekartoffeln, wenn ich auch glaube, daß die Rückwärtsentwicklung beim Verbrauch von Speisekartoffeln jetzt abgeschlossen ist. Wir sollten uns auch mit diesen Dingen befassen.
Sie haben vorhin die Frage der Milchprämie angedeutet. Das ist eine wichtige Angelegenheit, aber wir sollten die Dinge nicht dramatisieren. Es ist bestimmt nicht so, daß wir hier Gefahr laufen, etwa zu einer Überproduktion zu kommen. Ich darf doch darauf hinweisen, daß wir im abgelaufenen Wirtschaftsjahr, mit dem wir uns jetzt beschäftigen, noch einen Import von annähernd 50 000 t ausländischer Butter hatten, daß die Reserven der Mehrablieferung aus dem bäuerlichen Betrieb bereits weitgehend erschöpft sind und daß dieses Mehr an Produktion nicht so groß sein wird, wie manche befürchten. Im übrigen ist doch keine der Maßnahmen des vergangenen Grünen Planes gerade bei den kleinen und mittleren Betrieben so ausgezeichnet angekommen wie dieser Förderzuschlag für Milch.

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich bin mit Ihnen der Auffassung — und diesen Standpunkt haben meine Freunde und ich in der letzten Zeit immer vertreten —, daß es nicht angängig ist, etwa die Bestimmungen für die Erlangung der Milchprämie so zu ändern, daß nur noch die Betriebe etwas bekommen, die Tbc-frei sind. Das wäre unverantwortlich; denn wir haben ja den anderen zugemutet, jetzt mit hohen Kosten in die Sanierung einzusteigen. Ich bin ferner mit Ihnen der Auffassung, daß es sich hier gerade um Betriebe handelt, die wirtschaftlich schwach sind. Es ist völlig unmöglich, daß wir diese Hilfe jetzt unterbrechen.

(Abg. Kriedemann: Und wie wollen Sie nun die Senkung der Prämie durchführen?)

— Das lassen Sie unsere Sorge sein. Sie haben die Möglichkeit mitzureden, wenn wir im Ausschuß diese Fragen behandeln.

(Abg. Kriedemann: Das machen Sie man ganz allein, Herr Bauknecht!)

— Nein, das kann ich gar nicht ganz allein.

(Abg. Kriedemann: Aber nicht dramatisieren!)




Bauknecht
— Keineswegs.

(Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Bis zu den Wahlen 4 Pfennig und dann weniger!)

Herr Kriedemann, Sie haben vorhin den Ölfruchtbau angeschnitten. Ich weiß nicht, wie Sie zu der Behauptung kommen, irgend jemand habe gesagt, man solle anstatt Roggen Raps bauen. Glauben Sie, wir wären so töricht?

(Abg. Kriedemann: Man hört so manches!)

— Das glauben Sie doch nicht!?

(Abg. Kriedemann: Dann ist es ja gut!)

— Ich weiß gar nicht, wer diese Torheit aufgebracht hat, aber ich möchte eine andere Frage an Sie richten. Wenn wir nun bei einer bestimmten Höhe der Kartoffelproduktion angelangt sind und wenn wir auch, sagen wir einmal, bei den Rüben keine allzu großen Margen mehr haben, müssen wir doch denjenigen Böden, die keine klassischen Kartoffelböden sind, weil sie etwas zu schwer sind, und den Böden, auf denen aus den gleichen Gründen keine Zuckerrüben angebaut werden können, für ihre Fruchtfolge etwas anderes bieten, und da ist der Raps eine ausgezeichnete Wechselfrucht innerhalb der Fruchtfolge. Ich glaube, man sollte dieses Problem nicht so leichtfertig von der Hand weisen.
Was die Frage der Beimischung für Margarine anlangt, so weiß ich nicht, ob wir heute schon an der oberen Grenze angekommen sind, ob es wirklich nicht möglich ist, mehr als 5 % Rapsöl einer guten Margarine beizumischen.

(Abg. Kriedemann: Herr Bauknecht, lassen Sie sich aufklären: in die gute Margarine geht überhaupt kein Rapsöl hinein, andernfalls ist es eben keine gute Margarine mehr!)

— Herr Kriedemann, Sie wissen doch auch, daß in anderen Ländern weitgehend Rapsöl zur Herstellung der Margarine verwendet wird und daß diese Margarine wirklich nicht als eine minderwertige Margarine bezeichnet werden kann. Ich glaube, wir sollten diesem Problem unsere Aufmerksamkeit noch stärker schenken, als es bisher der Fall war. Ich bin keineswegs der Auffassung, daß wir diese Dinge ablehnen sollten.

(Abg. Kriedemann: Dann tun Sie das einmal und sagen Sie, wieviel das kostet, Herr Bauknecht!)

— Herr Kriedemann, wir werden uns anstrengen und wir werden zur Lösung kommen. Ich habe gar keine Sorge.
Ich darf noch ein Wort im Hinblick auf den Europäischen Markt sagen. Sie wissen genauso wie ich, daß die Margen sehr klein sind, was eine Ausdehnung der Produktion anlangt. Aber Tatsache ist doch, daß 52 % der Ölfrüchte in den Europäischen Markt — in Deutschland ist es ja sehr viel mehr — eingeführt werden und daß noch eine große Möglichkeit zur Ausdehnung der pflanzlichen Fettproduktion besteht. Irgendwie muß uns doch etwas in dieser Richtung einfallen, wir müssen hier Vorschläge für unsere praktische Landwirtschaft machen; denn sie muß ja auch auf lange Sicht arbeiten
können und erwartet von uns, daß wir uns hier Gedanken darüber machen.

(Abg. Kriedemann: Da haben Sie völlig recht! Dann müssen Sie nur die Auswirkungen auf die Preise dazu sagen, wenn Ihnen so etwas einfällt!)

— Herr Kriedemann, es sind schon Verhandlungen über diese Dinge im Gange.

(Abg. Kriedemann: Dann ist es gut, dann bin ich beruhigt!)

— Wir haben uns bereits Gedanken gemacht. Aber Sie glauben doch selber, daß wir bei den Produktionskosten, die bei uns vorhanden sind, nicht zum Weltmarktpreis — was ist der Weltmarktpreis?; das ist der Kampfpreis der Überschußländer — produzieren können, sondern darauf angewiesen sind, genauso wie bei dem Getreide dem deutschen Landwirt auch hier einen höheren Preis zu bieten. Es ist doch weithin bekannt, daß auch der ausländische Bauer einen wesentlich höheren Getreidepreis bekommt, als ihn das betreffende Land dann auf dem Weltmarkt fordert.

(Abg. Kriedemann: Im Gemeinsamen Markt machen wir die Preise für die anderen ja alle gleich mit, nicht wahr?)

— Sicher! Wir werden hier einen Weg finden. Keine Sorge! Aber es kann sich nicht darum handeln, daß man den deutschen Getreidepreis, der sich etwa in der Mitte der Preise des Europäischen Gemeinsamen Marktes bewegt, etwa reduziert.

(Abg. Kriedemann: Das ist also auch Ihre Sorge!)

Herr Kollege Kriedemann, Sie haben nun nicht gerade besonders lobenswert die Frage der Düngemittelverbilligung angeschnitten. Sie haben sie in der Form, wie sie heute besteht, sogar als „unselige Globalmaßnahme" abgelehnt. Sie haben sich vor allen Dingen gegen die sogenannte Differentialrente gewehrt und haben gesagt, es gebe Leute, denen diese Düngemittelverbilligung nicht zustehe. Herr Kriedemann, ich möchte an Sie einmal die Gegenfrage richten, wie diese Dinge in anderen Produktionen gehandhabt werden. Sie haben die Ausführungen eines Professors durchblicken lassen, der hier die Verhältnisse in der Industrie aufgezeigt hat. Ich möchte mit den gleichen Worten sagen, daß man in der Industrie die gleichen Verhältnisse vorfindet, aber wahrscheinlich noch wesentlich schlimmere, daß man dort einheitliche Preise hat und die Preise auf den abstimmt, der am teuersten produziert. Das ist bei uns gar nicht der Fall. Was wir wollen, ist nur eine Rente für den guten, durchschnittlich wirtschaftenden Betrieb.

(Zuruf von der SPD: Und das bei Ihrer Wirtschaftlichkeit! — Zuruf des Abg. Kriedemann.)

— Herr Kriedemann, Sie können uns nicht weismachen, daß diese Düngemittelverbilligung nur bei den größeren Betrieben angekommen ist.

(Abg. Kriedemann: Das habe ich auch gar nicht gesagt! — Abg. Dr. Schmidt [Gellersen] : Rechnen Sie doch einmal die Flächen aus!)




Bauknecht
— Natürlich kann man die Flächen ausrechnen. Aber jeder hat doch die Möglichkeit, in seinem Betrieb — so intelligent oder so dumm er ist — möglichst viel anzuwenden. Was die Frage der Futterbaubetriebe angeht, auf die Sie wahrscheinlich abheben wollten, weil man in einem Futterbaubetrieb keine Möglichkeit habe, entsprechend Düngemittel anzuwenden, so sind solche Einwände durch die neuen Maßnahmen und die neuen technischen Einrichtungen, die man hier gefunden hat, widerlegt.

(Abg. Kriedemann: Sie müssen mir nicht dauernd Sachen unterstellen und sie dann widerlegen, die ich gar nicht gesagt habe!)

— Herr Kriedemann, Sie haben gesagt, der kleinere Betrieb habe nicht die Möglichkeit, diese Verbilligung in entsprechendem Ausmaß zu gebrauchen.

(Abg. Kriedemann: Natürlich hat er sie nicht!)

— Nun, wenn er weniger Hektar hat, sind auch seine anderen Kosten geringer. Sie wollen doch keine Wirtschaftspolitik, bei der man das ganze Land verteilt und jedem gleichviel gibt.

(Abg. Kriedemann: Gucken Sie sich einmal das Bild bei Gelegenheit an!)

Ich darf darauf hinweisen, daß durch Hilfsmaßnahmen, und zwar durch gezielte Maßnahmen, die wir im jetzigen Grünen Plan haben, gerade den Futteranbaubetrieben die Möglichkeit gegeben ist, auch entsprechend mehr Dünger zu verwenden. Bisher lief man immer Gefahr, daß man beispielsweise bei einer größeren Stickstoffanwendung schließlich sein Futter schlecht nach Hause bringen konnte, weil es länger braucht, bis man es dürr gemacht hat. Heute kann man über die Welk-silage und über die Unterdachnahme von Heu ohne weiteres größere Stickstoffmengen anwenden, so daß wir die Möglichkeit haben, auch diesen Betrieben entsprechende Chancen zu zeigen.
Ich darf noch kurz bei der Frage der Milchwirtschaft verweilen, möchte aber im Augenblick nicht auf Butter eingehen, sondern auf die Lage auf dem Käsemarkt. Sie wissen, daß in weiten Gebieten, wo die Käseproduktion zu Hause ist, der Milchpreis keineswegs zufriedenstellend ist. Es ist Ihnen auch bekannt, wo diese Dinge herrühren. Käse ist liberalisiert und kann unumschränkt eingeführt werden. Das ist nun einmal so beschlossen. Wir haben wohl keine Möglichkeit, diese Liberalisierung zuückzudrehen. Aber eines könnte man tun. Wer diese Dinge kennt und wer den Markt aufmerksam beobachtet, der weiß, daß wir in einer zweiten Stufe bei der Käseherstellung eine Produktion von Schmelzkäse haben und daß zwei Drittel des Rohstoffbedarfs — wenn nicht sogar mehr — für die Herstellung von Schmelzkäse vom Ausland eingeführt werden. Hier wäre seitens der Bundesregierung zu erwägen, ohne daß deswegen die Liberalisierung gefährdet würde, d. h. ohne daß das Ausland verärgert würde, ob man den gleichen
Weg gehen kann, wie ihn beispielsweise die mir benachbarte Schweiz gegangen ist.

(Abg. Kriedemann: Wird der Schmelzkäse auch billiger werden? Und der Absatz größer?)

— Der Schmelzkäse würde deswegen nicht teurer werden. Aber die Möglichkeit, die deutschen Käse entsprechend anzubringen, wäre dann größer. In der Schweiz sind die Käseschmelzwerke gehalten, zwei Drittel der Inlandproduktion aufzunehmen, das übrige Drittel können sie dann vom Ausland zukaufen.

(Abg. Kriedemann: Machen wir das doch auch!)

Wir haben kein Interesse daran, Herr Kriedemann, daß etwa die Qualitätskäse von der Einfuhr ausgeschlossen werden, sondern wir wünschen einen echten Wettbewerb auch für unsere Käsereien. Aber diesen Weg könnte man gehen, dafür zu sorgen, daß auch die minderwertigere Ware bei uns abfließt.

(Abg. Kriedemann: Darf ich eine Frage stellen?)

— Bitte schön!

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301401300
Herr Kollege Bauknecht, wann werden Sie denn einen Antrag einbringen, nach dem festgelegt werden soll, daß unsere Schmelzkäsefabriken zwei Drittel ihres Bedarfs aus inländischen Erzeugnissen decken müssen? Sie könnten das als stärkste Fraktion doch sozusagen aus dem Handgelenk machen!

Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0301401400
Herr Kriedemann, wir werden uns in nächster Zeit mit dieser Frage befassen.

(Abg. Kriedemann: Wieder zu spät!)

Etwa ähnlich ist es mit der Trockenmilcherzeugung aus Vollmilch und aus Magermilch. Noch vor einem Jahr konnte die deutsche Produktion voll abgesetzt werden. Das ist heute nicht mehr möglich, weil ein bestimmtes Ausland zu einem Dumpingpreis billiges Milchpulver nach Deutschland einführt.

(Abg. Kriedemann: Wie denn?)

— Wie denn? Dadurch, daß bestimmte Staaten Exportsubventionen geben! Wir untersuchen diese Dinge im Augenblick. Das ist eine sehr wichtige Sache für uns, weil man über die Trockenmilch bestimmte Produktionsspitzen abnehmen konnte. Herr Kriedemann, es ist auch Ihnen bekannt, daß in den größeren Städten über das Wochenende zum Teil weniger Trinkmilch verzehrt wird und daß diese entweder zu Butter verarbeitet wird oder in das Milchpulver geht. Man kann den Molkereien nicht zumuten, daß sie diese Milch zurückliefern; die gehört getrocknet. Ich glaube, daß wir hierin einer Auffassung sind.

(Abg. Kriedemann: Aber sicher!)

In der Schweiz ist es so, daß die Schokoladenfabriken gehalten sind, zwei Drittel ihres Bedarfs an



Bauknecht
Vollmilchpulver aus der heimischen Produktion zu nehmen; das restliche Drittel können sie aus der Auslandsproduktion aufnehmen. Solche Maßnahmen würden sich auf den heimischen Absatz sehr günstig auswirken.

(Abg. Kriedemann: Da wäre wieder ein Antrag bei Ihnen fällig!)

Noch ein kurzes Wort zum Schlachtvieh. Herr Kriedemann, Sie haben vorhin von den kostendeckenden Preisen gesprochen und von der Regierung verlangt, daß sie bestimmte Preise fixiert oder bekanntgibt, die sie hier anstrebt.

(Abg. Kriedemann: Nicht von der Regierung! Von denen, die immer die Parole im Raum herumschmeißen!)

Herr Kriedemann, das ist durchaus möglich. Man hat diese Dinge weitgehend in der Hand. Man kann wohl bestimmte Preise für bestimmte Produkte im einzelnen ansteuern; aber der Durchschnitt der Erlöse muß so sein, daß wir unsere Ertrags-AufwandsDifferenz ausgleichen können. Und das können wir nicht allein über gezielte Maßnahmen, sondern dazu sind auch Maßnahmen des Marktes erforderlich. — Bitte schön, Herr Kriedemann!

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301401500
Sicher muß man einen Durchschnitt haben. Aber der Durchschnitt setzt sich doch aus einzelnen Preisen für einzelne Produkte zusammen, und zu dem richtigen Durchschnitt, den Sie anstreben, brauchen Sie doch einzelne Bestandteile. Also müssen Sie auch sagen, welchen Preis für Schweine, welchen Preis für Rinder, welchen Preis für Butter und welchen Preis für Eier Sie für richtig halten, damit Sie zum richtigen Durchschnitt kommen. Nicht wahr, Herr Bauknecht?

Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301401600
War das eine Frage?

(Abg. Kriedemann: Ja!)

— Ich habe das Fragezeichen nicht gehört.

(Heiterkeit.)


Bernhard Bauknecht (CDU):
Rede ID: ID0301401700
Herr Kriedemann, wir wollen einen Jahresdurchschnittspreis. Wir haben schon vor einiger Zeit gesagt, daß wir einen Rinderpreis von annähernd 1 DM im Durchschnitt aller Klassen für richtig halten. Wir glauben auch, daß das durchaus zu rechtfertigen ist und daß das keineswegs etwa eine Verteuerung des Fleisches zur Folge haben muß. Wir glauben im übrigen auch, daß die Verbraucherschaft das angesichts der Einkommensvermehrung tragen könnte. Sie wissen, daß die Rinderpreise heute niedriger liegen als vor zwei Jahren.

(Abg. Kriedemann: Gewiß, gewiß! Aber wie ist es mit dem Schweinepreis?)

— Bei den Schweinen wird sich der Preis von selber wieder korrigieren. Herr Kriedemann, Sie sind so klug wie ich. Man kann hier, wenn die Inlandproduktion im Augenblick größer ist als die Nachfrage, hinsichtlich des Preises nichts tun. Man kann aber noch sorgfältiger als heute die Einfuhren ab-
dämmen. Wir haben auch heute noch eine Reihe von Einfuhren bei Schweinen, für die wir keine Handelsvertragsverpflichtungen haben. Das gleiche gilt in etwa auch bei Schlachtrindern.
Ich darf noch ganz kurz auf die sonstigen Maßnahmen eingehen, die in diesem Zusammenhang geplant sind. Ich darf meiner Befriedigung darüber Ausdruck geben, daß man einen Betriebszweig nun, bevor er untergeht, auch fördern will, nämlich die Schafhaltung. Ich habe mich hierfür in der Vergangenheit besonders eingesetzt, und es ist jetzt höchste Zeit, daß hier etwas geschieht.
Ebenso halte ich es für richtig, daß wir jetzt — und das ist eine gezielte Maßnahme, Herr Kriedemann — Schweinemastprüfungsanstalten einrichten, um genau kontrollieren zu können, welche Zuchtstämme den neuen Anforderungen genügen, die wir an das Fleischschwein stellen müssen. Wir sind durchaus damit einverstanden, daß für die Eier- und Geflügelverwertung mehr getan wird.

(Abg. Kriedemann: Alles unsere Meinung!) — Na also!


(Abg. Kriedemann: Für solche vernünftigen Sachen sind wir immer!)

Zum Schluß will ich noch sagen, Herr Kriedemann: wenn wir gefordert haben, man solle bei der Bekanntgabe des Grünen Berichts auch eine Vorausschau auf das kommende Jahr halten, so wußten wir ganz genau, daß sie nicht immer — und das wollten wir auch nicht etwa — schlechter aussieht als die letzte. Aber völlig unabhängig davon glaube ich, daß es zweckmäßig ist, gleichzeitig das laufende Jahr zu betrachten, um diese Entwicklung beobachten zu können.

(Abg. Kriedemann: Natürlich!)

Eines möchte ich jedoch zu dieser Beobachtung sagen. Ich glaube, daß die Aussichten, die hier für das laufende Jahr aufgestellt sind, doch zu optimistisch sind. Es gibt eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren, die niemand bestreiten kann. Wir haben vorhin von der Lage auf dem Schweinemarkt geredet. Sie wissen, daß die Betriebsausgaben leider nicht gesenkt werden konnten, sondern daß sie weiter gestiegen sind. Denken Sie an die Soziallasten, die wir haben, denken Sie an die gekündigten Landarbeitertarife, denken Sie an die Verteuerung der Brennstoffe, denken Sie an Erhöhung der Gütertarife und denken Sie daran, daß bei den Düngemitteln der Stickstoffpreis bereits erhöht wurde und daß andere Düngeindustrien einen Antrag auf eine Preiserhöhung ihrer Produkte gestellt haben. Das müssen wir sorgfältig einkalkulieren. Wir haben hier eine Kalkulation aufstellen wollen, um zu erkennen, ob sich die Ertragslage in dem laufenden Jahr wirklich bessert oder nicht.
Herr Bundesernährungsminister, zum Schluß möchte ich sagen: wir stellen mit Befriedigung fest, daß Sie der deutschen Landwirtschaft bei Ihrer letzten Rede das Zeugnis ausgestellt haben, daß sie in den zurückliegenden Jahren trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihre Pflicht getan hat und daß sie auf dem Wege der Selbsthilfe beacht-



Bauknecht
liche Leistungen aufzuweisen hat. Wir dürfen an diese Anerkennung aber auch die Hoffnung knüpfen, daß die Haltung der Bundesregierung und insbesondere Ihres Ressorts in der Zukunft so ist, daß, wenn nicht alles über Hilfen im Rahmen des Grünen Plans gegeben werden kann, durch entsprechende Marktmaßnahmen, durch eine entsprechende Handelspolitik den Anforderungen des § 1 des Landwirtschaftsgesetzes stärker als bisher Rechnung getragen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301401800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Köhler.

Otto Köhler (FDP):
Rede ID: ID0301401900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der dritte Grüne Bericht entspricht zwar nicht in allen Punkten unseren Vorstellungen, aber wir erkennen gerne an, daß er gleich gründlich erarbeitet wurde wie seine beiden Vorgänger. Er hat einen besonders hohen Aussagewert dadurch bekommen, daß die Zahl der Testbetriebe auf 8000 erhöht wurde. Ich möchte all denen, die Zweifel in diesen Aussagewert setzen — auch hier klangen leise Zweifel an —, sagen, daß man bei 16 000 Betrieben dieselben Bedenken geltend machen kann, wie jetzt bei 8000, daß man dann überhaupt von dem System der Testbetriebe abgehen müßte. Man übersieht dabei, daß viele zigtausend buchführende landwirtschaftliche Betriebe zu denselben Ergebnissen kommen wie die jetzige Zahl von Testbetrieben.
Die deutsche Landwirtschaft läßt sich tief in ihre Karten gucken. Sie hat nichts zu verbergen. Im Gegenteil, sie hat ein Interesse daran, daß nichts verborgen bleibt. Angesichts des Auseinanderstrebens der Kräfte in unserer Wirtschaft haben wir ein gutes Beispiel gegeben. Wir glauben, daß es richtig wäre, wenn auch andere bedeutungsvolle Wirtschaftsgruppen ihre Bücher einmal offenlegten. Das wäre der erste Weg, um zu einem Ausgleich zu kommen. Wir brauchen eine gesamtvolkswirtschaftliche Bilanz, weil, wie ich sagte, die Kräfte immer weiter auseinandergegangen sind, weil wir die echte Marktwirtschaft, von der wir täglich sprechen, noch nicht erreicht haben und weil wir auch die soziale, d. h. die gerechte Marktwirtschaft noch nicht erreicht haben.
Es ist begrüßenswert ,daß im Grünen Bericht die Leistung der deutschen Landwirtschaft herausgestellt wurde. Ich will die Zahlen nicht wiederholen, die hier zum Teil genannt wurden. Nur einige wenige will ich nennen. Wir haben 50 % mehr erzeugt als vor dem Kriege. Das will schon einiges sagen angesichts des Wegfalls der Agrarüberschußgebiete. Wir sind drauf und dran, auf vielen Gebieten den Bedarf trotz der gestiegenen Bevölkerungszahl voll zu decken. Das alles wurde erreicht trotz zweier verlorener Kriege, obgleich auch die Landwirtschaft ihr Kapital verloren hat, obgleich sie technisch sehr zurückgeworfen wurde. Wir haben eine Flächenproduktion, die den Vergleich mit anderen europäischen Ländern durchaus, aber
auch mit vielen ausländischen Landwirtschaften
vertragen kann. Auf die enormen züchterischen
Leistungen will ich gar nicht zu sprechen kommen.
Das stelle ich aus einem ganz bestimmten Grunde fest. Ich sage das deshalb, weil uns das Ausland immer wieder vorwurfsvoll als Beispiel genannt wird. Auch heute konnten wir so etwas hören. Ich sage das deshalb, weil alle Maßnahmen, die zugunsten der Landwirtschaft ergriffen worden sind, immer wieder erörtert wurden mit dem Bemerken, die deutsche Landwirtschaft möge die Selbsthilfe nicht vergessen und in dieser Selbsthilfe nicht erlahmen. Ich bedauere, hier sagen zu müssen, daß auch der Herr Bundesernährungsminister kaum eine Gelegenheit vorübergehen läßt, an den Selbstbehauptungswillen der Landwirtschaft zu appellieren. Das hat sicher auch seine Bedeutung, aber das führt in der breiten Öffentlichkeit zu falschen Vorstellungen; man könnte dort der Auffassung werden — und man ist es leider zum Teil schon —, daß die Landwirtschaft es hier und da an Selbstbehauptungswillen habe fehlen lassen. Es ist billig, aber es scheint notwendig zu sein, zu sagen: wenn die deutsche Landwirtschaft nicht einen so ausgesprochenen Selbstbehauptungswillen gehabt hätte, wäre sie nicht in der Lage, in der sie heute ist, — obgleich diese ja auch nicht rosig ist.
Trotz der Auswirkung zweier Grüner Pläne müssen wir im dritten Grünen Bericht leider ein unbefriedigendes Ergebnis feststellen: die Disparität zwischen Aufwand und Ertrag im Vergleich zwischen der Landwirtschaft und den übrigen gewerblichen Sektoren ist geblieben, und sie wird auch in absehbarer Zeit nicht beseitigt werden können. Was besagt es schon, wenn wir Berechnungen hören, daß 1- oder 200 Millionen DM mehr eingenommen wurden, die Disparität also um diesen Betrag kleiner wurde? Was besagt das schon angesichts eines Milliardendefizits? Der Silberstreifen am Horizont der Agrarpolitik zeichnet sich noch nicht ab. Es wird noch ernsthafter Anstrengungen bedürfen, um die Schwierigkeiten, in denen wir uns befinden, zu überwinden.
Die Gesamtdisparität — das ist auch heute schon wiederholt erwähnt worden — wurde zahlenmäßig nicht erfaßt. Die Gründe, die uns dafür in diesem Hohen Hause am 14. Februar gegeben wurden. haben uns nicht voll zu überzeugen vermocht. Immerhin hörten wir in dem ersten Grünen Bericht eine Disparitätszahl. Sie war zwar unrichtig, und man sagte nachher, sie sei aus politischen Gründen so erstellt worden. Im zweiten und im dritten Grünen Bericht haben wir keine mehr gefunden; immerhin besser als eine unrichtige. Aber das Ergebnis ist doch folgendes: wir lesen heute schon in der Presse Angaben, die sehr weit auseinandergehen. Die Zahlen schwanken zwischen 3,3 bis 7 und mehr Milliarden DM. Ich will mich auf dieses Zahlenspiel nicht einlassen. Aber es wäre gut gewesen, wenn von hoher zuständiger Stelle doch eine Zahl errechnet worden wäre. Ich befinde mich da in Übereinstimmung mit dem Kollegen Bauknecht, der das ja auch für möglich gehalten hat. Das Ausbleiben dieser Zahl ist psychologisch be-



Köhler
denklich. Die Öffentlichkeit liest und hört dauernd von den „grünen Milliarden", die sich über die Landwirtschaft ergießen. Sie kommt zu der Auffassung, daß die Bauern alljährlich immer wieder sehr viel bekommen. Wenn man dann seitens der Landwirtschaft hier und da Kritik an den Zuständen übt, meint die Öffentlichkeit, daß die Landschaft ewig unzufrieden ist und nicht zufriedengestellt werden kann. Nein, es wäre schon gut gewesen, wenn diese Zahl genannt worden wäre, um die „grüne Milliardensumme" in die richtige Relation zu bringen. Vielleicht wäre es auch gut gewesen, eine Gegenüberstellung mit den Unterstützungen und Hilfen zu machen, die das Ausland seinen Landwirtschaften zuteil werden läßt. Vielleicht wäre es auch zweckmäßig gewesen, die landwirtschaftlichen Milliarden zu den offenen Hilfen, aber noch viel mehr zu den verdeckten Hilfen in eine Relation zu bringen, die einigen Sektoren der deutschen Industrie täglich und immer wieder von neuem zufließen.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Ich habe gesagt: ich will mich auf dieses Zahlenspiel mit den Milliarden, mit dem Defizit, nicht einlassen. Ich will nur einige wenige Zahlen herausgreifen, die mir besonders beachtenswert erscheinen. Im Jahre 1948 war die deutsche Landwirtschaft mit 2,48 Milliarden DM verschuldet, 1957 ist sie es mit 9,26 Milliarden DM. Wir haben also pro Jahr etwa eine Milliarde Schulden dazubekommen. Ich glaube, es gehört nicht viel Logik dazu, zu sagen, daß sich diese Entwicklung nicht fortsetzen darf.
Dabei möchte ich noch darauf hinweisen, daß die Nettoinvestitionen die Höhe der Zunahme der Verschuldung nicht überschritten haben; sonst könnte ja auch das eine Ursache sein. Die deutsche Landwirtschaft hat ihre absolut unzulänglichen Investitionen über eine fortschreitende Verschuldung in derselben Zeit vorgenommen, da eine andere bedeutungsvolle Wirtschaftsgruppe es fertigbrachte, ihre Investitionen über den Überpreis zu finanzieren.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Eine andere Zahl. Sie lautet 2,897 Milliarden DM. Auf Seite 41 der Drucksache 200 können Sie lesen, daß diese 2,897 Milliarden DM ausreichen müssen, um die familieneigenen Arbeitskräfte zu entlohnen. Sie sollen auch dazu dienen, das Betriebskapital zu verzinsen. Man spricht sogar von einer Risikorücklage.
Meine Damen und Herren, hierzu nur folgendes: wenn wir von der Verzinsung des Betriebskapitals — da gehen die Meinungen ja schon auseinander — völlig absehen und diesen ganzen Betrag nur noch für die Entlohnung der landwirtschaftlichen Familienarbeitskräfte zur Verfügung stellen, reicht er für 50 Pf pro Stunde aus. Und wenn Sie die Naturalien, die Kost usw. mitrechnen, dann kommen Sie — nach dem Grünen Bericht — genau auf 75 Pf pro volle Arbeitsstunde.
Ich meine, daß diese Zahl ein vernichtendes Ergebnis darstellt. Das Hohe Haus, das seinerzeit in Einmütigkeit das Landwirtschaftsgesetz verabschiedet hat, das sich ebenso geschlossen hinter die beiden ersten Grünen Pläne gestellt hat, wird angesichts einer solchen Feststellung einen Anspruch darauf haben — es hat diesen Anspruch und macht ihn geltend —, hier immerhin eine kurze Frage zu stellen: Wie ist es zu erklären, daß trotz dieser Maßnahmen, obgleich alles getan wurde, was der Bundesernährungsminister von diesem Hohen Hause verlangt hat, dieses Ergebnis nicht besser war? Ich glaube, wir dürfen die Fragestellung nicht lauten lassen: Waren die einzelnen Maßnahmen dieser Grünen Pläne falsch?, sondern sie muß heißen: Haben diese Maßnahmen in ihrer Gesamtheit den Erwartungen des § 1 des Landwirtschaftsgesetzes entsprochen?
Ich gebe ohne weiteres zu, daß die vielen getroffenen Maßnahmen nicht falsch waren, daß sie fast alle ihr Gutes und ihre Begründung hatten. Sie sind ja auch so spät gekommen und so lange in der Öffentlichkeit vorher diskutiert worden — meine Partei hat an dieser Diskussion auch teilgenommen —, daß sie schon deshalb nicht so völlig falsch sein konnten.

(Beifall bei der FDP.)

Nein, sie sind schon richtig. Wenn trotzdem — ich bitte, es mir nicht zu verübeln, wenn ich diese Feststellung treffe; sie ist aktuell und notwendig — der Erfolg ausgeblieben ist, dann deshalb, weil diese Maßnahmen in der Regel um Jahre zu spät ergriffen wurden. Sie hätten eine ungeahnte Wirkung gehabt, wenn sie vier, fünf Jahre früher ergriffen worden wären. Der Erfolg ist deswegen ausgeblieben, weil die Dinge im Grundsätzlichen nicht richtig angefaßt worden sind. Ich stelle keine Behauptungen auf, die ich nicht beweisen werde.
Die Agrarkrise datiert wahrhaftig nicht erst von gestern oder vorgestern. Sie schwelt seit langem, und 1951 war sie bereits so sichtbar, daß sie dazu führte, daß Kommissionen, das Bauernverbandspräsidium zu dem Herrn Bundeskanzler gingen. Es kam zu den Rhöndorfer Versprechungen. Der Paritätsgedanke wurde aufgegriffen. Es kam zu Verhandlungen hierüber, und nachdem etwa zwei bis drei Jahre hierüber verhandelt, sogar ein Unterausschuß gebildet worden war, wurde von allen Herren, die die Befürworter der Parität gewesen waren, festgestellt, daß sie nicht durchführbar sei. Kostbare Zeit aber war verlorengegangen. Dann kam es zu dem Landwirtschaftsgesetz, dann kam es zu den Grünen Plänen.
Der grundlegende Fehler -war die Vernachlässigung des Preises. Der Herr Bundesernährungsminister hat das vor wenigen Tagen selber deutlich zum Ausdruck gebracht. Er hat sich inzwischen von der Notwendigkeit überzeugen lassen, daß das Preisgeschehen nicht in den bisherigen Bahnen bleiben darf. Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, Herr Bundesernährungsminister, wenn ich sage, daß diese Erkenntnis sehr spät gekommen und uns sehr teuer zu stehen gekommen ist.
Ich möchte zunächst ein Wort zu dem sogenannten politischen Preis sagen. Wir sind es gewohnt, daß der Brotpreis im weitesten Sinne als politischer



Köhler
Preis bezeichnet wird und daß die Wogen jedesmal hochgehen, wenn hierüber auch nur debattiert wird. Ich möchte sagen, daß das nicht richtig ist. Das Brot hat vielleicht früher einmal eine Bedeutung gehabt, die eine solche Stellungnahme rechtfertigte. Inzwischen ist die Bedeutung des Brotes von tausend anderen Gegenständen und Bedarfsartikeln des täglichen Lebens überrundet worden, die genauso wichtig sind wie das Brot.

(Beifall bei der FDP.)

In unserer modernen Zeit trifft das zu für das Haushaltsgerät, für die sanitären Einrichtungen, für die pharmazeutischen und kosmetischen Artikel, für die Kleidung und für die Wohnungseinrichtung, man kann sagen: von der Stecknadel bis zum Auto. Das sind alles Dinge, die aus unserem modernen Leben nicht mehr wegzudenken sind. Wenn der Brotpreis ein politischer Preis ist, dann sind die Preise für all diese anderen Dinge, die wir ebenfalls nicht entbehren können, auch politische Preise. Man soll damit aufhören, denn das erschwert nur das Preisgeschehen. Es gibt keinen politischen Preis; deswegen soll man auch keinen Preis so bezeichnen.
Mit dieser Bezeichnung ist man nur den echten Preisen aus dem Wege gegangen. Dadurch ist man zu Subventionen gekommen. Ich habe nicht die Absicht, hier große Erörterungen über die grundsätzliche Bedeutung von Subventionen anzustellen. Ein paar Worte scheinen aber notwendig zu sein. Sie sind zweifellos richtig, wenn es sich um die Überbrückung eines vorübergehenden Preisnotstandes handelt. Wenn aber in einer Wirtschaft, die prosperiert, bei der man von einem Boom, von einem Wirtschaftswunder spricht, Subventionen ein solch entscheidender Faktor geworden sind, sind sie in einem gewissen Grade Ausdruck einer wirtschaftspolitischen Bequemlichkeit.

(Beifall bei der FDP.)

Man weicht in die Subventionen aus, weil das der
Weg des geringsten Widerstandes ist. •
Glauben Sie nicht, daß ich der Meinung bin, die Subventionen müßten alle abgeschafft werden. Dazu ist es viel zu spät geworden. Aber wenn diese Subventionen als Opfer der Steuerzahler hingestellt werden, wenn man davon spricht, daß es Geschenke sind, dann möchte ich sagen, daß sie uns als Landwirtschaft psychologisch sehr belasten. Sie sind — das wissen wir alle — der Verbraucherschaft mindestens ebenso zugute gekommen wie der Landwirtschaft.
Mit den Geschenken ist das so eine Sache. Moses, der ein sehr kluger Mann war, hat zu den Söhnen Israels, als er mit ihnen die Wüstenwanderung antrat, gesagt — das waren Lebensweisheiten, die er verkündete —: „Ihr sollt keine Geschenke nehmen; Geschenke machen den Sehenden blind." Mir scheint, daß von den Milliarden des Grünen Planes schon einige blind geworden sind. „Sie machen den Sehenden blind, und sie verderben die Sache der Gerechtigkeit."

(Beifall bei der FDP.)

Wilhelm Busch würde in seiner vereinfachenden Sprache wahrscheinlich gesagt haben: „Kaum kriegt mal einer bißchen was, schon gibt es wen, den ärgert das."
Hier müssen gewisse Korrekturen einsetzen. Wir haben in den ersten Jahren nach dem Wiederaufbau — meinetwegen bis zu den Jahren 1950, 1951; wir wollen uns um ein Jahr nicht streiten — ganz zweifellos zu Recht mit unseren Preisen stillhalten müssen, um dem Wiederaufbau der gewerblichen Wirtschaft vorwärtszuhelfen. Wir wissen ganz genau, daß wir ja auch die Nutznießer einer solchen Entwicklung gewesen sind. Die Arbeiter mußten wieder in Lohn und Brot, und sie wurden Abnehmer für unsere Produkte. Das sehen wir alles ein.
Aber danach, meinen wir, wäre es Zeit gewesen, früher kehrt zu machen. Da erscheint wieder dieses Wort „Zu spät", das sich wie ein roter Faden durch die Agrarpolitik hinzieht. Man hätte die Dinge früher erkennen müssen. Wenn es zur Zeit des Wirtschaftswunders, der Vollbeschäftigung nicht möglich war, das Preisgeschehen einigermaßen auszugleichen und in Ordnung zu bringen, dann soll man mir bitte sagen, wann das überhaupt noch möglich sein soll.

(Beifall bei der FDP.)

Es war doch einmal schon sa weit, daß das Wirtschaftswunder gebremst werden mußte; wir hatten zweimal Diskonterhöhungen, Kreditrestriktionen und einiges mehr.

(Abg. Kriedemann: Hier hätte unsere letzte Preiserhöhung also durchaus geholfen!)

— Ja, sehr richtig. Wir haben es nicht zu verantworten.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister sprach damals davon, daß die Preise mit brutaler Gewalt angehalten werden sollten. Das haben wir gehört; die anderen haben das auch gehört. Nur wir sind ihm gefolgt, zu unserem Schaden, und die anderen sind ihm nicht gefolgt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

Vorhin wurde hier schon ein sehr sinniger, durchaus zutreffender Vergleich mit einem Rennen gebracht. Ich kann diesen Vergleich noch etwas anders formulieren. Wenn eine Kolonne marschiert — in diesem Fall die Preiskolonne — und man die Preise zum Stehen bringen will, dann muß man dem vordersten in der Kolonne sagen, daß er anhalten soll.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP.)

Da erschien dieses Wort: Stopp mit den Preisen! Die Landwirtschaft war am linken Flügel angetreten,

(Abg. Kriedemann: Leider nicht! — Heiterkeit)

am Ende der Kolonne — aber der linke Flügel steht ja immer am Ende, wenn das Marschieren los geht —,

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)




Köhler
nicht weil wir der Größe nach angetreten waren, sondern weil man sich schon daran gewöhnt hat, daß die Landwirtschaft immer hinten marschiert.
Immerhin, wir haben unsere Preise angehalten. So ist es zu dem gekommen, was wir heute haben. Wir wollen doch einmal festhalten, daß wir für wichtigste Erzeugnisse unserer Bauernhöfe heute noch Preise haben, die bei denen von 1951 liegen. Das wird so gern durch die Indizesvergleiche übertüncht. Ich kriege heute für mein Getreide 1 DM und mehr weniger als 1951. Die Bauern kriegen auch für ihre Schweine etwa 10, 15% weniger, als sie damals bekommen haben. Wenn trotzdem das Brot vier-, fünfmal teurer wurde und das Schweinefleisch laufend teurer wurde, soll man die Ursachen hierfür nicht bei der Landwirtschaft suchen.
Die Subventionen haben zu einer Preisunwahrheit geführt, und — das möchte ich abschließend zu diesem Thema noch feststellen — je länger sie anhalten und je höher sie werden, desto schwieriger wird es werden, zu einem richtigen, gerechten, ehrlichen Preisgeschehen zurückzukehren. Ich glaube, ich verkünde hier nichts Neues, wenn ich sage, daß es in der Geschichte der Menschheit noch immer so gewesen ist, daß die fetten Jahre von den mageren abgelöst wurden, nicht nur zur Zeit Josefs in Ägypten. Man braucht durchaus kein Schwarzmaler zu sein, wenn man sagt, daß die Hochkonjunktur von heute — und damit, glaube ich, drücke ich mich sehr vorsichtig aus — nicht immer Hochkonjunktur bleiben wird. Es wird immer mal wieder Wellen geben, und es wird immer wieder ein Zurückschlagen geben. Ginge es immer nur bergauf, dann wären wir ja alle längst oben. Nein, damit muß man rechnen. Ich sehe aber mit Schrecken den Tag kommen, daß wir uns wieder im Plenum dieses Hohen Hauses befinden und uns über Subventionen unterhalten, zu einer Zeit, wo das Portemonnaie des Herrn Bundesfinanzministers wesentlich schmaler geworden ist. Die Wahrscheinlichkeit, daß es sehr viel schmaler wird, zeichnet sich nach meiner Meinung bereits sehr deutlich ab. Ich weiß nicht, ob es dann noch möglich ist, die Subventionspolitik in derselben Weise fortzusetzen. Was nicht da ist, kann man nicht verteilen. Dann rächt es sich, daß wir uns von dem Preis zu sehr abgewandt haben, daß wir einen großen, für die Nation wichtigen und fleißigen Berufsstand in einer Weise von Subventionen abhängig gemacht haben, die nach meiner Meinung nicht vertreten werden kann.

(Beifall bei der FDP.)

Die erste Anregung, die wir hier geben möchten — ich werde nicht nur bei der Kritik bleiben, ich werde mich bemühen, auch einige Vorschläge zu machen —, geht deshalb in Verfolg meiner bisherigen Ausführungen dahin, daß mit allen gegebenen Möglichkeiten versucht werden sollte, hier und da die Preise, die sehr weit zurückgeblieben sind, noch anzuheben. Es gibt solche Möglichkeiten. Ich möchte mich nicht über Einzelheiten verbreiten. Das sind Dinge, die, glaube ich, im Ausschuß behandelt werden sollten. Man möge daraus aber nicht
folgern, daß wir ohne Vorschläge sind. Ich könnte durchaus damit dienen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja! Ja!)

— Das können Sie haben, wie Sie es wünschen. Ich möchte mir dann nur keinen Vorwurf machen lassen, daß ich Sie langweilte.
Ich möchte daneben noch folgendes sagen, was mir von grundsätzlicher Bedeutung zu sein scheint: Ich meine, daß es möglich sein muß, die Preispolitik weitestgehend, viel mehr als bisher, mit den breiten Schichten der Verbraucherschaft abzustimmen. Die Landwirtschaft hat sich auch bisher um Gesprächspartner bemüht. Aber ich glaube, sie hat sich um die verkehrten Partner bemüht; denn wir haben keine Gegenliebe gefunden. Wenn ich heute von Organisationen der Verbraucherschaft spreche, dann meine ich damit unter anderem auch die Gewerkschaften. Ich wehre mich bis zum Beweis des Gegenteils dagegen, zu glauben, daß sich nicht auch die Gewerkschaften von dem erdrückenden Material dieser Grünen Berichte beeinflussen lassen. Ich wehre mich weiter bis zum Beweise des Gegenteils dagegen, anzunehmen, daß die Gewerkschaften der Auffassung sein könnten, daß der Landarbeiterlohn auf gewerbegleiche Höhe angehoben werden könnte, ohne daß dabei die Preise ebenfalls in Bewegung geraten müßten.

(Beifall bei der FDP.)

Ich möchte auch glauben, daß man uns von dieser Seite konzedieren wird, daß für den Bauern der richtige — ich mag das Wort „gerechte" nicht mehr hören — Preis für seine Produkte genau dasselbe ist wie für den Arbeiter der gerechte Lohn.

(Erneuter Beifall bei der FDP.)

Jede Arbeit ist ihres Lohnes wert, und ich meine, daß auch die fleißige, sehr oft entsagungsvolle Arbeit auf dem Lande nicht unterbewertet werden sollte, wie das bisher der Fall war.
Eine zweite Anregung geht dahin, daß mit allen Mitteln der Aufklärung, aber auch mit marktkonformen Mitteln der sich schon abzeichnenden Überproduktion entgegengetreten werden sollte. Ich sage: mit rechtzeitiger Aufklärung. Ich glaube, daß da in der Vergangenheit doch einiges vergessen worden ist. Wenn ich an marktkonforme Mittel erinnere, schwebt mir z. B. — ich muß hier doch wohl einige Beispiele bringen — das Gebiet der Milchwirtschaft vor. Wenn es dahin kommen sollte — und das scheint der Fall zu sein —, daß die Subventionsmittel gestreckt werden müssen, wenn es dahin kommen sollte, daß man noch ganz andere Ansprüche an die Qualität, vielleicht sogar übertriebene, stellen muß, um mit den bisherigen Mitteln zurecht zu kommen, und wenn wir weiter wissen, daß wir einer echten Überproduktion oder Bedarfsdeckung jedenfalls sehr nahekommen, dann möchte ich glauben, daß man mit marktkonformen Mitteln hier einiges tun könnte. Man sollte eventuell überlegen, für den Fall, daß eine Überproduktion akut wird, aufzuhören mit der Stützung der Milch, die über eine bestimmte Milchmenge in einer bestimmten zurückliegenden Zeit hinaus künftig



Köhler
noch angeliefert wird. Das ist das wirkungsvollste Mittel. Dann bekommt die Milch in dem Umfange, wie wir sie bisher angeliefert haben, die nur zu 80 bis 90 % den Bedarf deckt, ihre Stützung in bisheriger Höhe weiter, und der Anreiz, immer weiter zu produzieren, entfällt.

(Abg. Kriedemann: Darf ich hier eine Frage stellen?)

— Bitte sehr!

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301402000
Wie wird sich das wohl auf die Leute auswirken, die ohne ihre Schuld in den vergangenen Jahren schlechtere, weniger leistungsfähige Kühe gehabt haben und die dank der Beratung nun endlich nachziehen?

Otto Köhler (FDP):
Rede ID: ID0301402100
Richtig! Aber auch dem muß man ja Rechnung tragen.

(Abg. Kriedemann: Wie denn?)

— Ich sagte Ihnen schon, daß die Milchmenge allein dadurch, daß die Umstellung der Tbc-kranken und bangkranken Kühe auf gesunde rasch vonstatten geht, immer mehr zunimmt, selbst bei gleicher Kuhzahl immer größer wird. Darauf muß man sich eben beizeiten einstellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist keine Beantwortung der Frage!)

— Wollen Sie eine Frage stellen? (Zuruf von CDU/CSU: Höhere Preise?!)

— Nein! Das war bisher richtig. Aber wenn die höheren Preise zu einer immer höheren Produktion führen, muß man eben bei einem bestimmten Punkt Schluß machen, und ich habe gesagt —

(Zurufe von der CDU/CSU.)

— Wenn Sie alle zugleich reden, kann ich sowieso nichts verstehen.

(Abg. Bauknecht: Sie sprechen von einer Verbesserung der Ertragslage durch höhere Preise?!)

— Ja! Vielleicht bin ich da falsch verstanden worden. Es geht doch nicht allein um die Milch. Wir sind froh, wenn wir bei der Milch den Preis halten können. Wir haben doch schon die Andeutung gehört; wir wissen doch, daß von 2 und 3 Pf Subventionen gesprochen wird. Meine Vorschläge garantieren zumindest die Beibehaltung der 4 Pf für die Zukunft.

(Abg. Kriedemann: Aber nicht für alle!)

— Nein, das ist für die überschüssige Milch auch nicht notwendig.

(Lachen bei der CDU/CSU.)

Bei der Trinkmilch wäre es ganz gut, wenn man sich einmal überlegte — was vorhin schon andeutungsweise gesagt wurde —, daß man zu einem Verzehr der rohen, nicht erhitzten und nicht pasteurisierten Milch übergehen sollte, weil wir heute schon eine ausreichende Zahl von Betrieben haben, die bang- und Tbc-frei sind. Wenn ich Verbraucher wäre, würde ich von der Milch, die oft recht bläulich aussieht, nicht mehr kaufen, als ich unbedingt kaufen müßte. Wenn man aber 3,5 %ige, vielleicht 3,75%ige Milch bekommen kann, wird das, glaube ich, den Verbrauch ganz wesentlich heben. Wenn wir in der Milchwirtschaft Schwierigkeiten hinsichtlich der Verwertung von Magermilch entgegengehen, dann — so habe ich mir überlegt — wäre sehr wahrscheinlich ein praktischer Weg, die Pulverisierung der Magermilch fortzusetzen und nach Möglichkeit auszuweiten. Man brauchte den Mischfuttermitteln nur 11/2% Magermilchpulver beizumischen, und schon wäre das Magermilchproblem vorläufig gelöst.

(Abg. Kriedemann: Wird das Mischfutter dadurch billiger?)

— Nein! Das braucht es nicht einmal. Das liegt in der Richtung, Herr Kollege Kriedemann — da werden wir bestimmt nicht einer Meinung sein —, daß es unter Umständen sehr nützlich sein kann, wenn die Futtermittel etwas verteuert werden. Ich brauche nur an die Schweinemast zu erinnern. Wenn das zugunsten der Landwirtschaft geschieht, ist es gar kein Fehler. Wir können so Produkte verschleißen, mit denen wir sonst nichts anfangen können. Von dem Roggen will ich gar nicht reden!

(Abg. Kriedemann: Das ist ein Todesurteil für die kleine und kleinste Landwirtschaft!)

— Nein, das ist ein Irrtum von Ihnen! Die kleine Landwirtschaft hat gerade von den Maßnahmen, die bisher bei der Milchwirtschaft getroffen worden sind, am meisten profitiert. Ähnliche Möglichkeiten sind nach meiner Meinung auch bei einer Einwirkung auf den Käsemarkt gegeben. Die allzu frühe Liberalisierung des Käses hat auch den Käsemarkt zum Zusammenbruch gebracht. Ich glaube also, daß man hier auf diesem Wege etwas erreichen könnte.
Eine dritte Anregung geht dahin, daß es notwendig ist, auf ein ungerechtfertigtes Preisgeschehen Einfluß zu nehmen, weil die Endpreise unserer Erzeugnisse uns letzten Endes bei den Verbrauchern psychologisch belasten. Diese psychologische Belastung können wir heute nicht mehr vertragen; wir haben schon zuviel davon hinnehmen müssen.
In diesem Zusammenhang möchte ich ein ernstes Wort zum heutigen Brotpreis sagen. Die Mehlsubventionen sind fortgefallen. Die Reports sind etwas höher geworden, und auch die Getreidepreise wurden um 10 DM je Tonne erhöht. Ich habe die Zahlen mit Angehörigen des Backgewerbes besprochen, und ich möchte vorausschicken, daß ich in meinen Überlegungen mit sehr vielen Leuten aus diesem Gewerbe absolut konform gehe. Um so notwendiger ist es vielleicht, diesen Gedankengängen zu folgen. Wir haben eine Verteuerung für den Sack Mehl von 3,20 DM bekommen; dazu sind dann gewisse Aufschläge gemacht worden, um Lohnerhöhungen, Kostenerhöhungen usw. abzufangen. Die Mühlen durften bei ihrer Lieferung an die Bäcker 5,10 DM pro Doppelzentner mehr nehmen. Das bedeutet, daß. wenn aus einem Doppelzentner Mehl 130 bis 133 kg Brot gebacken werden, dieses Brot um 4 Pf teurer werden muß. Man hat 6 Pfennig zugestanden, um gewisse andere Kosten-



Köhler
erhöhungen gleich mit abzufangen. Nun wurde aber in einigen großen Städten der Brötchenpreis von 7 auf 8 Pf erhöht, und jetzt soll Presseberichten zufolge ganz generell noch einmal der Brotpreis erhöht werden. Die Brötchenpreiserhöhung um 1 Pf bedeutet eine Mehreinnahme von 25 bis 28 DM pro Doppelzentner Mehl bei einer reellen Verteuerung von 5,10 DM. Diese Dinge hier einmal in aller Öffentlichkeit anzusprechen, scheint mir notwendig zu sein.
Eine weitere Anregung bezieht sich auf den Kapitalmarkt. Es wird doch niemand ernstlich behaupten wollen, daß auf diesem Gebiet bisher auch nur das Allerbescheidenste geschehen ist. Man soll doch nicht auf die vielen gezielten Kredite hinweisen, die in die Landwirtschaft geflossen sind. Sie sind in ihrer Höhe noch nicht einmal so bedeutungsvoll wie in ihrer Zahl. Man hat mir gesagt, es seien weit über hundert. Ich weiß es nicht, jedenfalls sind es sehr viele, und es sind wahrscheinlich weit über hundert verschiedene Zins- und Amortisationsbedingungen damit verbunden. Diese sogenannten gezielten Kredite wurden nach Beratung von allen möglichen Stellen — hierauf komme ich noch einmal zurück — in die Landwirtschaft hineingepumpt. Man kann nicht behaupten, daß sie in allen Fällen, obgleich sie gezielt waren, richtig gewesen sind. Weil man dem Bauern selbst die Entscheidung weitgehend genommen hat, über die Mittel zu verfügen, die er unbedingt investieren muß, hat er zuweilen zu Mitteln für Sonderzwecke gegriffen, die er sonst, wenn er frei hätte verfügen können, nicht gewählt hätte. Er hätte sehr oft und sehr gern etwas anderes und sehr viel Wichtigeres mit den Mitteln gemacht.

(Beifall rechts.)

Bei den Mitteln, die in die Landwirtschaft hineingeflossen sind, handelt es sich nicht um das ruhige, sichere, langfristige Geld, das sie braucht. Der Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß weit über die Hälfte unserer Verschuldung kurzfristiger Art ist. Es sind teure Gelder, die Landwirtschaft ist vom Kapitalmarkt absolut ausgeschlossen.

(Abg. Richarts: Gestatten Sie eine Frage, Herr Kollege?)

— Bitte sehr.

Hans Richarts (CDU):
Rede ID: ID0301402200
Herr Kollege Köhler, Sie sprechen von dem Mangel an langfristigem Geld für die Landwirtschaft. Ist Ihnen bekannt, daß Ihre Fraktion einen Antrag gestellt hat, die langfristige Vorratslagerhaltung mit 5 Milliarden DM zu kreditieren? Wäre es nicht zweckmäßiger gewesen, diesen Antrag für die Landwirtschaft zu stellen?

Otto Köhler (FDP):
Rede ID: ID0301402300
Wir haben einen Antrag gestellt. Darauf komme ich noch gleich zu sprechen. Aber wenn man das eine tut, braucht man ja das andere nicht unbedingt zu lassen.

(Heiterkeit bei der FDP.)

Wie dem auch sei, die Landwirtschaft ist vom Kapitalmarkt abgehängt worden. Das wissen wir alle. Der Kapitalmarkt wurde ausschließlich ausgenutzt und beansprucht vom sozialen Wohnungsbau, von den Ländern, von der Großindustrie mit ihren Anleihen. Für die Landwirtschaft blieb nichts übrig. Wir haben schon seit Jahren darauf hingewiesen, daß es doch wohl notwendig wäre, einmal zu prüfen, ob man nicht zu attraktiven Pfandbriefen übergehen sollte, ob man nicht die Kapitalsammelstellen anweisen sollte, einen Teil ihrer liquiden Mittel auch einmal wieder in ersten Hypotheken anzulegen. Nun, das ist vorbei. Man hat unsere Anregung nicht reagiert. Man hat auch, als man die 7erGruppe noch besonders kultivierte, als man die 7c- und 7d-Gruppe schuf, vergessen, auch noch eine 7e-Gruppe zu schaffen. Wenn man das getan hätte, wären vielleicht auch auf diese Weise einige Mittel in die Landwirtschaft geflossen. Aber wie gesagt, das ist vorbei. Wir haben eingedenk der Worte des Herrn Bundeskanzlers — was der Herr Bundeskanzler sagt, vergessen wir so leicht nicht wieder;

(Lachen bei der SPD)

manchmal behalten wir viel zu lange, was er gesagt hat — —

(Abg. Kriedemann: Kritik können Sie nur betreiben, wenn Sie es schnell vergessen!)

— Nein, wir bewahren seine Worte in unserem Herzen,

(Lachen bei der CDU/CSU)

und deshalb haben wir einen Antrag eingebracht — er ist dem Hohen Hause schon bekannt —, der sich eben auf diese Investitionshilfe bezieht. Sicher ist das nicht der Weisheit letzter Schluß. Wir würden uns freuen, wenn noch andere, bessere Anträge gestellt würden. Aber vorläufig ist das der einzige Weg, der aufgezeigt worden ist, der Landwirtschaft zu langfristigem Geld zu verhelfen.

(Beifall bei der FDP.)

Ich halte diese Kapitalmangellage deshalb für so ernst, weil, wie wir alle wissen, der Bedarf in der Landwirtschaft so ungeheuer groß ist, daß das, was sich da bisher anzeigt, nur einen Tropfen auf einen heißen Stein bedeutet. Ich darf daran erinnern, daß das Gros der landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude hundert Jahre und älter, oftmals viel älter ist, daß es an allen Ecken und Enden fehlt und daß einfach die Mittel fehlen, heute Handwerker mit einem Stundenlohn von 4,20 DM und ähnlichen Sätzen in größerem Umfange einzusetzen. Daraus können Sie schon herleiten, welche ungeheuren Mittel wir brauchen.
Herr Professor Brandt war kürzlich von Amerika hier und hat uns erzählt, daß in Amerika von 1940 bis jetzt in die dortigen Familienbetriebe 53 000 Dollar pro Vollarbeitskraft investiert wurden und daß jetzt noch ein Bedarf von etwa 10 000 bis 12 000 Dollar bleibt. Das sind märchenhafte Zahlen im Vergleich zu dem, was wir auch nur zu hoffen wagen. Von Thüngen hat kürzlich in einem sehr aufschlußreichen Artikel dargelegt, daß sich der Be-



Köhler
darf auf mindestens die doppelte Höhe der Einheitswerte beziffert. Meine Damen und Herren, ermessen Sie bitte diese Zahlen, und prüfen Sie dann die Zahlen, die im Grünen Bericht stehen. Ich glaube, Sie werden mir dann folgen, wenn ich sage, daß wir kapituliert haben. Die Landwirtschaft hat vor der Situation auf dem Kapitalmarkt einfach kapituliert.
Ich glaube nicht, daß wir so in den Wettbewerb mit den anderen Ländern in den Gemeinsamen Markt gehen können. Ich brauche nur an die Niederlande zu erinnern, die es zur Zeit ihres großen Reichtums verstanden haben, ungeheure Mittel in ihre Landwirtschaft hineinzustecken. Es wird nicht ganz leicht sein, mit diesen Ländern zu konkurrieren, wenn wir jedes Jahr eine Milliarde D-Mark Schulden mehr bekommen, ja, es ist unvorstellbar. Wir konkurrieren dort unter Bedingungen, die heute zwar noch kein Mensch genau weiß, die aber einschließen, daß dort Klima- und Bodenverhältnisse in vielen Gebieten sehr viel günstiger als bei uns sind. Die deutsche Landwirtschaft wird vor diesen Schwierigkeiten und vor den neuen Aufgaben nicht resignieren. Ihr Selbstbehauptungswille, Herr Bundesernährungsminister, ist so groß, daß sie sich auch an diese Aufgabe heranwagen wird. Aber man soll die deutsche Landwirtschaft nicht überfordern.
Noch ein weiteres Wort zur Kapitalmarktlage. Ich habe neulich einen Artikel von einem sehr bekannten Leiter eines größeren, mit der Landwirtschaft verbundenen Kreditinstituts gelesen. Darin wird gesagt, erst wenn das ländliche Bildungsniveau ausreichend gehoben sei, könnten sich die Fähigkeiten entwickeln, daß der heute so gefürchtete Agrarkredit der Landwirtschaft zum Segen gereiche. Wenn das am grünen Holz geschieht, dann brauchen wir uns über das andere nicht so zu wundern. Alle sind so besorgt um das Bildungsniveau der Landwirtschaft. Bei keinem Etat, in dem Mittel für die Bildungsmöglichkeiten angefordert werden, spricht jemand dagegen. Das ist gut und richtig. Man kann nicht genug Bildung haben, und die Landwirtschaft ist in Kenntnis dieser Umstände und angesichts der vorgebrachten Kritik sich darüber klar, daß auch bei ihr einiges nachzuholen ist. Sie wehrt sich aber dagegen, das tagtäglich in den Zeitungen lesen zu müssen. Wir meinen, daß das sehr plump und sehr taktlos ist und daß auch Takt in einem Verhältnis zu dem Bildungsstand steht.

(Beifall bei der FDP.)

Nun lassen Sie mich noch einiges über die Agrarstruktur sagen. Kein vernünftiger Mensch kann etwas gegen die Maßnahmen haben, wie sie sich draußen in der Wandelhalle sehr plastisch abzeichnen. Jeder kann nur begrüßen, daß die Flur bereinigt wird, daß aus der Dorfenge ausgesiedelt wird. Man kann im Prinzip weiß Gott nichts dagegen haben, daß aus Kleinbetrieben größere werden, vor allem dann nicht — und das ist bei uns der Fall —, wenn es auf freiwilliger Grundlage geschieht. Ich möchte sogar sagen, daß in den Realteilungsgebieten vielleicht noch mit verstärktem Tempo etwas geschehen müßte, daß dort Schwerpunkte gebildet werden müßten.
Ich möchte hier einmal eine Überlegung einfließen lassen, die vielleicht Widerspruch hervorrufen wird, die ich aber deswegen doch nicht unterlassen möchte. Soweit Aufstockung von Kleinbetrieben nur aus Rentabilitätsgründen — das „nur" unterstreiche ich — erfolgt, sollte man sich die Dinge überlegen. Ich möchte feststellen, daß die Kleinbauern in Deutschland immer und zu allen Zeiten zufrieden gewesen sind, ausgekommen sind mit den Preisen, die für die übrige Landwirtschaft auskömmlich waren. Wir haben seit 1949 160 000 Kleinbauernbetriebe unter 10 ha weniger und haben dafür 20 000 über 10 ha mehr bekommen. Mit diesen Kleinbauern gehen immerhin Kräfte verloren, die ich Ihnen zu Gefallen, Herr Kollege Kriedemann, nicht mit Blut und Boden und diesen schönen Sprüchen einer vergangenen Zeit belasten will.

(Abg. Kriedemann: Nicht mir zu Gefallen, der Landwirtschaft zu Gefallen!)

— Ich bin so pietätvoll, daß ich das gar nicht tue. Aber Sie werden mir zugeben, daß das noch eine Kehrseite hat, auf die ich aufmerksam machen möchte. Diese Menschen, die von den Kleinbetrieben weggehen müssen, gehen in die Großstadt. Sie werden, zu einem großen Teil jedenfalls, abgeworben, auch von der industriellen Wirtschaft. Der hohe Lohn lockt sie an. Wenn es immer weiter bergauf geht — ich sprach vorhin schon davon —, mag das richtig sein. Wenn man aber davon ausgeht, daß auch da einmal die Kurve überschritten wird, daß man auch dort vielleicht weniger Menschen braucht — und mir scheint, hier und da ist das bereits der Fall —, dann besteht immerhin die Gefahr, daß diese Menschen, die zuletzt in die Stadt gekommen sind, die von der Industrie angezogen worden sind, die ersten sein werden, die wieder arbeitslos werden. Sie sind dann weitgehend entwurzelt. Ich glaube nicht, daß das gut und richtig ist. Ich will hier gar nicht schwarzmalen, aber wenn man darüber hinaus die Entwicklung in den Vereinigten Staaten verfolgt — ich las kürzlich darüber in den Zeitungen —, wenn man weiß, daß die Automation dort in einer geradezu rasanten Weise vorwärtsschreitet, und wenn man unterstellt, daß das auch bei uns der Fall sein wird — wir werden und wir müssen sogar versuchen nachzukommen —, dann bedeutet auch das einen sehr stark verminderten Bedarf an menschlichen Arbeitskräften in den großen Zentren, wo diese heute zusammengeballt sind.
Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen — nur als Anregung, nicht als Vorwurf gemeint — sollte man sich überlegen, ob man nicht hier und da, nicht überall, vielleicht doch einmal etwas kürzertreten sollte. Wie gesagt, nur eine Anregung.

(Abg. Kriedemann: Und wie wollen Sie den Lebensstandard dieser Leute sichern?)

— Ich sage ja, Herr Kollege Kriedemann: sichern Sie den Lebensstandard der übrigen Landwirtschaft, dann sind diese Leute auch gesichert.

(Beifall bei der FDP. — Lachen bei der SPD.)




Köhler
— Das Rezept ist vielleicht zu einfach, aber es ist richtig.

(Abg. Kriedemann: Es ist leider nicht so einfach!)

— Dann müssen wir uns gemeinsam bemühen.

(Abg. Kriedemann: Nein, auf diesem Wege geht das nicht gemeinsam!)

— Das wollen Sie nicht? Das muß ich sehr bedauern. Ich möchte jedenfalls nicht, daß hier durch Strukturmaßnahmen von dem Rentabilitätsproblem abgelenkt wird. Die Strukturmaßnahmen werden in allen Zeitungen und überall vorn hingestellt, und wer dagegen auch nur leise Einwendungen macht, wie ich es soeben getan habe, wird angegriffen. Ich werde vielleicht morgen schon die Quittung in der Presse bekommen; das soll mich aber nicht weiter erschüttern, weil ich meine, daß meine Überlegungen doch der Betrachtung wert sind.
Man soll, wie gesagt, die Dinge nicht allzu einseitig nur von der strukturellen Seite aus ansehen. Um das zu untermauern, darf ich Ihnen aus meiner engeren Heimat eine Zahl nennen, die sehr aufschlußreich ist. In Schleswig-Holstein haben — ich zitiere unser eigenes Bauernblatt, das wird ja bestimmt richtig sein —

(Heiterkeit)

5300 buchführende landwirtschaftliche Betriebe eine Auswertung erfahren. Das sind fast alles Betriebe über 30 ha, Betriebe mit 40, 50 und mehr Hektar, also Betriebe, die strukturell, abgesehen von Streulagen, vielleicht der Größe nach bestimmt gesund
sind. Diese 5300 Betriebe, d. h. 89 % von ihnen, haben eine Durchschnittsverschuldung von 975 DM pro ha. Sie haben diese Verschuldung nicht, weil sie übermäßig viel investiert haben. Sie sind sehr bescheiden gewesen, sie haben durchweg nur 200 DM pro ha investiert. Das ganze liquide Guthaben dieser 5300 Betriebe — alle über 30 ha — beträgt 12 DM pro Hektar. Meine Damen und Herren, ich glaube, es erübrigen sich weitere Ausführungen.
Noch ein paar Worte über die Landflucht. Angedeutet habe ich dieses Problem vorhin schon. Die Zahlen sind Ihnen bekannt. Ich bin davon überzeugt, daß die Landflucht in Kürze abnehmen wird, nicht etwa weil die Ursachen für diese Landflucht weggefallen sind, sondern weil inzwischen schon so viele Menschen vom Lande weggeströmt sind, daß es zwangsläufig weniger werden müssen. Zu wundern brauchen wir uns darüber nicht. Die eigentliche Ursache für die Landflucht besteht nach wie vor weiter. Der Grüne Bericht bringt deutlich zum Ausdruck, daß der Lohn eines vergleichbaren Industriearbeiters rund 2,40 DM pro Stunde beträgt, während der Landarbeiter für die bloße Arbeit — darin ist ein Deputat usw. enthalten — etwa 1,35 DM pro Stunde erhält. Ich sagte schon, daß die mitarbeitenden Familienmitglieder einschließlich Wohnung und Kost ganze 75 Pf pro Stunde bekommen. Wen wundert es da, daß die eigenen Söhne und Töchter die väterliche Scholle verlassen? Wenn wir nun in nächster Zeit zur 5-Tage-Woche, zur 40-Stunden-Woche kommen
— diese Entwicklung mag Bedeutung haben, nur nicht auf dem Lande — und bei uns immer länger gearbeitet werden muß, weil wir immer weniger Menschen haben, braucht sich niemand zu wundern, wenn denen, die auf dem Land bleiben müssen, zuletzt einmal der Kragen platzt, wie man so sagt.

(Beifall bei der FDP.)

Man sollte die Entlohnung der mitarbeitenden Familienangehörigen nicht damit abtun, daß man sagt: Die tun eben nicht ganz soviel wie die fremden Arbeitskräfte. Auch dafür ein Beispiel! Mir scheint, daß die Beispiele am meisten überzeugen. Ich wohne in einem Dorf, das gute Böden hat und in dem es keinen Betrieb unter 20 ha gibt. Es gibt dort 14 Betriebe, die groß und gut sind. In 13 dieser Betriebe melken die Bauersfrauen seit Generationen selbst, sie melken auch jetzt noch selbst und werden es auch in Zukunft tun müssen, weil niemand mehr da ist, der das tun will. Der vierzehnte Betrieb —in dem das nicht geschieht — ist mein eigener, und hier geschieht es deshalb nicht, weil ich in die Politik hineingeraten bin und meine Frau andere Dinge tun muß.

(Heiterkeit.)

Aber ist es nicht sehr aufschlußreich, daß eine solche Arbeit mit 75 Pf pro Stunde bewertet wird? Ich wiederhole, es ist nicht mehr vertretbar, dagegen müssen wir uns mit aller Deutlichkeit aussprechen.
Ich habe vorhin gesagt, daß es nach meiner Oberzeugung möglich ist, breite Schichten der Verbraucherschaft für unsere Ideen, für unsere berechtigten Belange zu gewinnen. Ich sage das, weil ich hier meine Erfahrungen habe. Wenn ich vor Hausfrauen der großen Städte gesprochen habe, bin ich mit einer starken Animosität empfangen worden. Der Bauer hat nicht mehr das große Ansehen, das er vielleicht in früheren Zeiten einmal zu besitzen glaubte. Er ist durch die ganze Entwicklung, die ich aufgezeigt habe, durch viele falsche Äußerungen und Maßnahmen psychologisch sehr stark belastet worden. Aber ich habe immer wieder festgestellt, daß man, wenn man die Dinge offen und frei anspricht, auch bei diesen Verbraucherschichten Gehör findet. Das sollte in Zukunft viel mehr als bisher getan werden. Die Einsicht wird dann immer weiter wachsen.
Ich habe kürzlich in der „Welt" einen Artikel von Herrn Fried gelesen, in dem in so verständiger Weise davon gesprochen wurde, daß die Landwirtschaft sich seit 1913 bereits unter Ausnahmerecht befinde, daß sie seit 1948 mit ihren Preisen habe stillhalten müssen und daß es nun langsam an der Zeit sei, die Preise in wohlüberlegter Weise auszugleichen. Sehen Sie, mehr wollen wir ja auch nicht. Diese Erkenntnis wird noch unterstrichen von einer anderen des Herrn Dombrowski in der Frankfurter Allgemeinen, der aus Anlaß der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers sagte: Der einzige wirklich notleidende Berufsstand ist heute noch der Bauer. Dem haben wir kaum noch etwas hinzuzufügen.



Köhler
Wir könnten lediglich noch einmal, um nicht mißverstanden zu werden, die Frage aufwerfen: mußte es wirklich sein, daß jetzt noch, im Jahre 1958, im soundsovielten Jahre nach Beginn des Wirtschaftswunders der Landwirt, der Bauer der einzige Notleidende ist? Mußte das sein? Wenn man diese Frage verneinen muß — und wir verneinen sie —, dann ist das eine Anklage gegen die Agrarpolitik; daran läßt sich leider nichts ändern. Ich sage noch einmal: wenn es in dieser Zeit —das kann nicht oft genug gesagt werden — des Aufstiegs der Wirtschaft nicht möglich war, der Landwirtschaft ihren Platz einzuräumen, ihr den Anschluß zu sichern, wann soll es dann noch möglich sein? Es gehört viel Optimismus dazu, zu glauben, daß die Agrarpolitik, die so viel versäumt hat und fast immer zu spät gekommen ist, es in Zukunft noch schaffen wird, diesen Anschluß an die allgemeine Wirtschaftslage wieder zu finden. Der Weg durch das Tal der Tränen, Herr Bundesernährungsminister, von dem Sie kürzlich bei der Grünen Woche so richtig, sinnig und poesievoll sprachen, ist schon sehr lang, und er sollte nach Möglichkeit nicht ohne Not noch weiter verlängert werden. Wir müssen mit der Landwirtschaft heraus aus der Diskriminierung durch die Subventionen. Wir müssen versuchen, wieder zur Preiswahrheit zu kommen. Wir müssen versuchen, Verständnis in den übrigen Schichten der Bevölkerung zu gewinnen. Ein mutiges Bekenntnis dahin, daß auch wir Anspruch darauf haben, daß unsere Arbeit ehrlich entlohnt wird, muß die Leitschnur für unser künftiges Wirken sein.
Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei läßt durch mich erklären, daß ihre Oppositionsstellung sie nicht daran hindern wird, an der Gestaltung der Agrarpolitik auch in Zukunft verantwortlich mitzuarbeiten. Die Freie Demokratische Partei betrachtet ihren Einsatz für die Landwirtschaft als einen Teil ihrer Aufgaben für den Mittelstand überhaupt.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301402400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rehs.

Reinhold Rehs (SPD):
Rede ID: ID0301402500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich als krasser Außenseiter in dieser Diskussion der agrarpolitischen Fachleute das Wort erbeten habe, so nicht deshalb, um quasi als agrarischer Sonntagsjäger auf den grünen Weidegründen dieser Fachleute zu jagen. Ich möchte nur einige Bemerkungen zu einem Kapitel des Grünen Plans machen, das auf den Seiten 6 und 7 im Abschnitt A behandelt ist. Ich möchte als Anwalt der vertriebenen Bauern zu diesem Abschnitt einige Ausführungen machen und bitte hierzu um Ihre wohlwollende Aufmerksamkeit.
Die vertriebenen Landwirte sind mit Genugtuung darüber erfüllt, daß in diesem Grünen Plan erstmalig auch ihre Situation behandelt worden ist. Ich brauche in diesem Augenblick keine großen Ausführungen darüber zu machen, daß es sich bei der Eingliederung dieser Bevölkerungsgruppe nicht nur um eine wirtschaftspolitische, sondern schlechthin um eine politische, um eine staatspolitische und eine besondere menschliche Aufgabe handelt. Es kommt nicht darauf an, w o Konsequenzen aus dem Teil des Berichts gezogen werden, der sich jetzt auch erstmalig im Grünen Plan findet. Es kommt nur darauf an, d a ß Konsequenzen gezogen werden.
Wenn Sie sich die Eingliederungsbilanz bei dieser Bevölkerungsgruppe vergegenwärtigen — die ursprüngliche Größenordnung mag umstritten sein, ob 700 000 oder 400 000, auch diese Zahl ist hoch genug — und die Ergebniszahlen des jetzigen Berichts nehmen, müssen Sie doch die Frage als berechtigt ansehen, ob wirklich alles Menschenmögliche getan worden ist, um diese bäuerlichen Kräfte, soweit es irgend ging, wieder mit dem Boden zu verwurzeln, und ob insbesondere dieser Aufgabe die Dringlichkeit eingeräumt worden ist, die ihr sachlich, menschlich und politisch zukommt. Aus dieser Perspektive entstehen allerdings beim Lesen der Seiten 6 und 7 des Grünen Plans Zweifel, ob das dort gezeichnete Bild vollständig und infolgedessen richtig ist. Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen; lassen Sie mich nur folgendes dazu feststellen.
Es wird von einem Programm von insgesamt 17 000 Stellen für das Jahr 1957 gesprochen. Aber wir haben Erfahrungen in dieser Hinsicht. Ich würde es als offener und klarer angesehen haben, wenn die Bundesregierung an dieser Stelle die Plan- und die Effektivziffern der vergangenen Jahre in Vergleich gestellt hätte. Dann hätte sich nämlich ergeben, daß die Eingliederung der vertriebenen Bauern tatsächlich von Jahr zu Jahr abgenommen hat. 1954 waren es noch 14 562 Stellen, 1955 waren es 14 395 Stellen, 1956 nur mehr 13 353 Stellen, und für 1957 kann, soweit ich unterrichtet bin, schätzungsweise nur mit etwa 12 500 Stellen gerechnet werden. Wenn man in den Ländern nach den Aussichten für 1958 fragt, dann hört man mit beträchtlicher Resignation die Zahl von nur etwa 10 000 Stellen. Das ist nur gerade die Hälfte dessen, was das Hohe Haus bei den Beratungen zum Bundesvertriebenengesetz im Jahre 1953 nach langen Überlegungen und an Hand sehr konkreter Unterlagen und Berichte zugrunde gelegt hat. Flächenmäßig ist das Eingliederungsergebnis noch wesentlich stärker zurückgegangen, als es in der Stellenzahl zum Ausdruck kommt.
Ich hoffe, daß sich an dieser Stelle nicht das trübe Schwarze-Peter-Spiel zwischen Bund und Ländern wiederholt, das wir gestern bei einem anderen Thema in diesem Hause erlebt haben. Ich möchte sehr herzlich darum bitten, Herr Minister Lübke, daß die Bundesregierung nicht versucht, in diesem Punkte die Verantwortung auf die durchführenden Länder abzuschieben. Ich darf feststellen, daß die Bundesregierung und nicht die Länder gemäß § 46 des Bundesvertriebenengesetzes das Siedlungsprogramm aufzustellen und daß die Bundesregierung und nicht die Länder nach derselben Bestimmung die Mittel — ich wiederhole: d i e Mittel und nicht nur: Mittel, wie es im Grünen Plan heißt — für die



Rehs
Durchführung der Siedlung, die Eingliederung der vertriebenen Bauern bereitzustellen hat.

Dr. Heinrich Lübke (CDU):
Rede ID: ID0301402600
Wird sie der gesetzlichen Verpflichtung auf Bereitstellung der Mittel nachkommen, die für die Eingliederung der vertriebenen Bauern im Haushaltsjahr 1958 erforderlich sind, und wird sie insbesondere diese Verpflichtung so rechtzeitig erfüllen, daß die Planung auch tatsächlich realisiert werden kann?
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang noch einen weiteren kurzen Hinweis! Seit drei Jahren werden von der Bundesregierung Maßnahmen zur Vereinfachung der Siedlungsfinanzierung angekündigt. Ich habe mir aus Schleswig-Holstein sagen lassen, daß sich in diesem Punkte praktisch bis heute noch nicht das geringste geändert hat: Immer noch eine Vielzahl von Geldquellen, eine Vielzahl — unausbleiblich daher — von Gläubigern und Schuldnergruppen, von Zahlungsterminen, ein höherer Verwaltungsaufwand usw., der natürlich in einzelnen Fällen entsprechende Verzögerungen im Gefolge hat.
Ich möchte daher in diesem Zusammenhang die sehr dringende Bitte an die Bundesregierung richten, hier nun einmal wirklich zu einer durchgreifenden Lösung zu kommen, damit Ihre Glaubwürdigkeit, meine Herren von der Bundesregierung, in den Ländern in dieser Hinsicht wiederhergestellt wird.
Lassen Sie mich zu der wirtschaftlichen Lage der vertriebenen Bauern noch eine weitere Bemerkung machen! Auch insoweit bedarf der Teil des Berichts hier in dem Grünen Plan einer Ergänzung, zum Teil auch einer Berichtigung. Ich halte es für einen gefährlichen Trugschluß, wenn von der Zahlungsmoral der Vertriebenen auf ihre wirtschaftliche Lage geschlossen wird. Daß sich diese Menschen bis auf das äußerste selber auspumpen, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen, ist kein Beweis für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebs, sondern ausschließlich ein persönlicher, charakterlicher und moralischer Pluspunkt. Durch die Einschränkungen, die der Bericht bezüglich der Flüchtlingspächter macht, wird meines Erachtens dieses Problem nicht genügend scharf herausgestellt. Der Herr Bundesernährungsminister hat die Situation der Flüchtlingspächter nur allgemein als unbefriedigend bezeichnet.
Erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, daß, soweit ich unterrichtet bin, in einem Untersuchungsbericht der Treuhandstelle für Agrarkredit in Schleswig-Holstein vom August 1957 — es wurden damals von 1200 Flüchtlingspachtbetrieben 260 auf ihre wirtschaftliche Lage untersucht — als Ergebnis festgestellt wird, daß 31 % dieser Betriebe keine wirtschaftlich gesicherte Existenz darstellen und zum Teil sogar als akut gefährdet anzusprechen sind. Im Schnitt dürften nach diesen Feststellungen alle Vertriebenenpachtbetriebe in Schleswig-Holstein über die Belastung durch die regulären Siedlungskredite hinaus mit rund 400 DM pro Hektar kurzfristig verschuldet sein. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß bei dem dadurch sich ergebenden Zinsverlust betriebliche Rücklagen usw. völlig ausgeschlossen sind.
Noch ein anderes Beispiel! Von 154 Flüchtlingsbetrieben in Schleswig-Holstein sind nach den Feststellungen der Treuhandstelle für Agrarkredit 62 % über ihre finanzielle Leistungsgrenze hinaus belastet. Das wird wahrscheinlich in den anderen Ländern nicht viel anders sein. Ich glaube also, daß man bei einer solchen Sachlage nicht nur davon sprechen kann, daß die Situation unbefriedigend sei, sondern daß man hier offen und deutlich erklären muß, daß hier mehr geschehen, daß hier mehr als bisher geholfen werden muß und auch geholfen werden soll.
Es ist natürlich richtig, wenn in dem Grünen Plan in diesem Zusammenhang auf § 13 des Bundesvertriebenengesetzes hingewiesen wird. Aber dieser Hinweis darf nicht nur von den erntegeschädigten Betrieben sprechen; dadurch wird ein falsches Bild hervorgerufen. Die Lage ist ganz allgemein bei den landwirtschaftlichen Vertriebenenbetrieben in der von mir geschilderten Weise problematisch. Auch der Herr Bundesvertriebenenminister — er ist vor kurzem weggegangen — sollte sich als für die Vertriebenenprobleme zuständige Ressortminister mit dieser Frage besonders befassen.
Nun noch einige Worte zu dem angekündigten neuen Siedlungsgesetz. Nach all dem, was mir als Nichtfachmann, aber als innerlich anteilnehmender Leidensgefährte dieser Menschen über diese Dinge bekannt ist, muß ich sagen, daß es für die Eingliederung der vertriebenen Bauern nicht so sehr neuer Gesetze als vielmehr der Menschen bedarf, die die schon bestehenden Möglichkeiten zugunsten der vertriebenen Bauern unbürokratisch und im Sinne einer wirklichen Eingliederung in die westdeutsche Landwirtschaft ausnutzen. Es scheint mir deshalb dringend erforderlich zu sein, daß sich die Planungen und Absichten, die hinsichtlich des neuen Siedlungsgesetzes bestehen, nicht nachteilig auf die Fortführung der bisherigen, ja schon als unzulänglich dargestellten Eingliederungsmaßnahmen auswirken dürfen. Es ist unbedingt notwendig, daß die Eingliederung unberührt von diesen Planungen nach dem Bundesvertriebenengesetz weitergeführt wird.
Aus den Ausführungen zu diesem wenig erfreulichen Kapitel im Grünen Plan hat die Bundesregierung Schlußfolgerungen nicht gezogen; sie sind



Rehs
jedenfalls nicht erkennbar. Angesichts der großen Sorgen und der vielen Befürchtungen, die infolgedessen in den betroffenen Kreisen herrschen, bitte ich Sie daher, Herr Minister Dr. Lübke, mir die folgenden Fragen noch im Rahmen dieser Debatte zu beantworten.
1. Werden die Siedlungsmittel für 1958 rechtzeitig und im erforderlichen Umfang den Ländern zur Verfügung gestellt werden?
2. Werden im Haushalt 1958 besondere Zuschüsse für die wirtschaftliche Festigung von landwirtschaftlichen Flüchtlingsbetrieben eingesetzt werden?
3. Wird die wirtschaftliche Lage der vertriebenen Landwirte in den künftigen Berichten gemäß § 4 des Landwirtschaftsgesetzes besonders dargestellt und mit der der Betriebe der einheimischen Landwirtschaft bezüglich ihrer Rentabilität und Produktivität verglichen werden? In diesem Punkte — das darf ich noch bemerken— bestehen gerade angesichts der Auswirkungen der außer jedem Zweifel notwendigen Agrarstrukturverbesserungsmaßnahmen bei den vertriebenen Landwirten erhebliche Sorgen.
Und 4. Wird die Eingliederung der vertriebenen Landwirte durch das beabsichtigte Siedlungsgesetz nachteilig beeinflußt werden, und wird, wenn diese Gefahr besteht, die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß dies verhindert wird?
Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Minister Lübke, wenn Sie mir hierauf eine positive Antwort erteilten und damit die grüne Farbe, die ja das Symbol der Hoffnung ist, auch für die vertriebenen Bauern, die ostdeutschen vertriebenen Landwirte, hier zu diesem hoffnungsvollen Sinnbild machten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Eugen Gerstenmaier (CDU):
Rede ID: ID0301402700
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Preiß.

Dr. Ludwig Preiß (CDU):
Rede ID: ID0301402800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute nachmittag ist schon sehr viel über den Grünen Bericht und den Grünen Plan gesagt worden, und meine Kollegen werden mir die Kritik nicht verargen, wenn ich sage: weit darüber hinaus vieles erörtert worden, was eigentlich nur einer vertieften Beratung im Ausschuß vorbehalten bleiben kann. Wir können unmöglich im Rahmen dieser Generaldebatte jedes einzelne Erzeugnis der Landwirtschaft durchgehen und untersuchen, wo, auf welchem Wege, in welcher Weise wir eine Änderung herbeiführen können. Lassen Sie mich deshalb nur auf die wichtigsten Kernpunkte eingehen. Ich war zunächst auch geneigt, die Dinge etwas aus der jüngsten historischen Entwicklung darzustellen. Ich glaube aber doch, mit Rücksicht darauf, daß schon so viel gesprochen worden ist und noch vieles ansteht, darauf verzichten zu sollen.
Herr Minister, Sie brachten bei der Einbringung des Berichts vor vierzehn Tagen zum Ausdruck, daß sich nach dem Bericht die Ertragslage der Landwirtschaft in dem dem Bericht zugrunde liegenden Wirtschaftsjahr leicht verbessert habe. Bezüglich der Leistungssteigerungen, die Herr Kollege Lücker so eindeutig hier aufgezeigt hat, stimmt das ohne weiteres, bezüglich der Erfolgschancen keineswegs. Denn ich finde zwar eine Zunahme der Einnahmen um 700 Millionen DM, demgegenüber aber auch eine Zunahme der Ausgaben um 880 Millionen DM, was immerhin ein Minus von 180 Millionen DM für den Bereich ergibt, der für die Entlohnung der familieneigenen Arbeitskräfte oder für die anderen diversen kalkulatorischen Posten zur Verfügung stehen sollte. Wenn man beim Vergleichslohn im ganzen zu dem Ergebnis kommt, daß nur 50 bis 85 Prozent des gewerblichen Vergleichslohns erzielt werden konnten, so ist — um es mit Ihren Worten noch einmal zu bekräftigen — dieser Disparitätsbetrag außerordentlich hoch, ja beängstigend.
In der Öffentlichkeit ist nun schon wieder um diese Zahl allerlei Diskussion aufgekommen. Von der einen Seite werden die landwirtschaftlichen Lohnzahlen als zu niedrig, als frisiert hingestellt, von der anderen Seite der gewerbliche Lohn als zu niedrig. Eins kann man aber doch wohl mit aller Sicherheit feststellen: wenn man den als Gewerbelohn genommenen Vergleichslohn mit dem vergleicht, was als Durchschnittseinkommen aus unselbständiger Arbeit im Statistischen Jahrbuch bereits für das Jahr 1956 ausgewiesen ist, erscheint hier der gewerbliche Vergleichslohn als zu gering. Das hat vor allem seine Gründe darin, wie schon Herr Kollege Bauknecht ausführte, daß man Pendlerzeiten als Nichtarbeitszeiten hier mit einkalkuliert bzw. abgesetzt hat und daß auf der anderen Seite im Vergleich zum vorausgegangenen Jahr eine sehr beachtliche Anhebung der Naturalentlohnung bei der Landwirtschaft erfolgt ist, wodurch der Betrag doch eine recht beachtliche Steigerung erfahren hat. So kann man zum mindesten, ohne sich darauf versteifen zu wollen, sagen, es liegt in der Diskrepanz wahrscheinlich noch etwas ärger, als daß sie etwa zu eng zusammengedrängt wäre. Wenn man einen Verdacht äußern wollte, dann doch wohl eher nach anderer Richtung. Aber das sei mir fern.
Daß der Grüne Bericht im ganzen ein nachdrückliches Lob verdient, das festzustellen, ist wohl eine Ehrenpflicht, und ich möchte mich hier den Danksagungen anschließen, die bereits an den Herrn Minister wie an alle seine Mitarbeiter ergangen sind. Der Bericht ist weit über den vorjährigen Bericht hinaus vervollständigt und in der Auswertung des ja viel größeren Materialanfalls auch noch solider durchgearbeitet worden.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Jaeger)

Ich habe Sie, verehrter Herr Kollege Kriedemann, durchaus richtig dahin verstanden, daß Sie nicht den Bericht als solchen in seinem Aussagewert schmälern wollten. Wie in jedem repräsentativen Untersuchungswerk stecken darin durchaus Mängel gegenüber exakten wissenschaftlichen Untersuchungen. Aber wir haben ja gestern erlebt, daß bereits von anderer Seite eine Sonderausgabe einer Zeitschrift erschienen ist, die darauf abstellt, dem Be-



Dr. Preiß
richt fast jeden Aussagewert streitig zu machen und ihm tendenziöse Darstellung zu unterstellen.

(Abg. Kriedemann: Und so was lesen Sie? So was nehmen Sie in die Hand? Aber hören Sie mal!)

— Ja, Herr Kriedemann, ich bin gewohnt, mich mit allen Anschauungen und Auffassungen auseinanderzusetzen.

(Abg. Kriedemann: Zumindest das Abonnement abbestellen!)

— Ich habe es nicht im Abonnement, Herr Kriedemann, sondern ich habe die Sondernummer genau wie Sie und die anderen Kollegen bekommen.
Ich möchte nur die Bitte aussprechen, daß der Herr Minister — oder wahrscheinlich wird es der sehr geschätzte Herr Padberg sein, dessen Arbeit hier ja so stark angegriffen wird — mit aller Eindeutigkeit derartige Versuche schon in den nächsten Tagen zurückweisen möge. Wir sehen ja heute schon in einer großen Tageszeitung, welche Auswirkungen derartige Versuche — ich kann fast sagen: Diskriminierungsversuche — haben können.

(Abg. Kriedemann: Zurückweisen ohne Rücksicht auf das Geschäft, das die Leute damit machen wollen!)

— Schönen Dank! Ich stimme vollkommen mit Ihnen überein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist müßig, sich darüber zu streiten, ob die Diskrepanz in dem Gesamtbetrag das ausmacht, was jetzt, ich glaube, vom Deutschen Bauernverband — aber unter Verwendung dieses Materials — ermittelt worden ist, oder wenn man den Stundenlohnvergleich heranzieht, den Kollege Lücker mit 1 DM Differenz schon gegenüber den tarifentlohnten Kräften der Landwirtschaft erwähnt hat, die noch in verhältnismäßig großem Abstand von den familieneigenen Arbeitskräften stehen, und dabei die seit Jahren unterstellte und anerkannte Jahresstundenleistung von 2700 mit der auch verknappten Zahl von 2,88 Millionen Vollarbeitskräften multipliziert; dann ist sie eben um das Dreifache größer.
Was soll für unsere praktische Arbeit, die das Anliegen hat, dem Bauerntum das Leben zu erhalten, der Streit darum, wo diese Zahl letztlich liegt? Wo immer sie liegen mag, sie ist so erschreckend hoch und verrät einen so gewaltigen Abstand von der gesamten Aufwärtsentwicklung unserer Wirtschaft, daß einem angst und bange werden kann bei der Überlegung, wie wir diesen Abstand einmal aufholen wollen. Meine Damen und Herren, es ist eben nicht dabei geblieben, daß dieser Teil unseres Volkes, das Landvolk, in seinem selbständigen wie unselbständigen Teil Jahr für Jahr diesen Abstand hingenommen hätte, darüber vielleicht gejammert hätte und auch laut Klage geführt hätte, sondern es sind, wie es nicht anders zu erwarten war, sehr nachdrückliche Konsequenzen gezogen worden. Es sind, wie der Bericht auch angibt, insgesamt 1,5 Millionen Menschen aus der Landwirtschaft abgewandert, und 160 000 Betriebe haben ihre Selbständigkeit aufgegeben.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bei diesem Punkt, der mir einer der wichtigsten der heutigen Diskussion zu sein scheint, einen Augenblick verbleiben. Es sind vornehmlich Betriebe in der Größenordnung unter 5 ha aufgegeben worden, und das Land ist vornehmlich in die Größengruppenordnung über 10 ha hinübergewechselt. Hier ist doch die Frage berechtigt: sind die Verhältnisse in der Betriebsgrößengruppe über 10 ha so gesund, daß man diesen Strukturwandel als eine Gesundung auf Dauer ansprechen könnte, daß diese sehr aufwendigen Maßnahmen der Strukturverbesserung — Aufstockung in diesem Falle — auch Dauerbestand haben werden? Wer wollte das angesichts der hier schon so breit diskutierten, unbefriedigenden Rentabilitätslage und starken Disparitätslage bejahen?
Und wenn man sagt, der Wert der Bundeslandwirtschaft dürfte etwa mit 90 Milliarden veranschlagt werden und knapp 10 Milliarden bis jetzt für alle diese Dinge in Anspruch genommene Fremdmittel seien ja nur eine Verschuldung von etwa 10%, also nicht sehr drückend, und es müßten noch viele, viele Milliarden hinzugenommen werden, um alles das, was an Rückstand vorhanden ist, nachzuholen — ich bejahe den Rückstand, auch den Umfang der erforderlichen Aufwendungen —, dann muß doch wohl bedacht werden, daß sich diese knapp 10 Milliarden gleich 10% nicht auf die einzelnen Betriebe gleichmäßig verteilen, sondern daß wir schon sehr viele Betriebe mit einer infolge von Nachholungsmaßnahmen sehr beachtlichen Verschuldungshöhe haben. Man darf nun wohl auch einmal die Frage wieder anschneiden, ob man überhaupt einen Maßstab für die Zinsleistungsfähigkeit hat, die man ja in Einheitswerten und Betriebswerten durchaus irgendwie messen könnte,

(Abg. Kriedemann: An den Einnahmen muß man sie messen!)

damit verhindert wird, daß es zu einer Überschuldung und dann schließlich zu Zusammenbrüchen kommt und alle jahrelang vorgenommenen großen Mühewaltungen vergeblich gewesen sind.
Ich habe einen besonderen guten Grund, auf diese Dinge hinzuweisen; denn ich habe schon einmal als sehr junger Mensch eine starke Kreditwelle in der Landwirtschaft erlebt. Das war die Zeit von 1926 bis 1929. Dann habe ich wieder erlebt, daß diejenigen, die in dieser Zeit eine besonders große Kreditfreudigkeit an den Tag legten, so um die Wende 1932/33 sich zu einer Entschuldung mit hohen Opfern sowohl für die öffentliche Hand wie vieler anständiger privater Gläubiger verstanden. Das Nachholen, das Modernisieren, das im ganzen Aktivieren der Betriebe durch Inanspruchnahme von Fremdmitteln muß irgendwo eine Grenze haben. Das Wort „Kredit" klingt sehr schön, die eigentliche Bezeichnung „Schulden" hat meist schon etwas viel anderes an schreckhafter Wirkung im Gefolge.
Noch ein paar Worte zu der Abwanderung. Der Herr Minister sagte bei der Einbringung seines Be-



Dr. Preiß
richts, es vollziehe sich in der Landwirtschaft ein fast revolutionärer Umbruch. Man wird fast an die Zeit der großen Auswanderung nach Amerika erinnert. Ja, sie lag eigentlich etwas vorher, und es war sehr schmerzlich für unser Volk, damals überwiegend Landwirtschaft gehabt zu haben mit keiner Möglichkeit, den natürlichen Geburtenüberschuß in einer ausreichenden gewerblichen Wirtschaft verkraften zu können. Es wurde als ein Glück empfunden, als diese Zeit beendet war und nach 1870/71 mit Beginn der großen Gründungswelle der Industrie der Geburtenüberschuß in den Städten und der gewerblichen Wirtschaft Aufnahme finden konnte. Ich habe eigentlich noch nie von jemandem, der sich mit Agrar- und Wirtschaftsgeschichte oder mit Soziologie beschäftigt hat, gehört, daß er diesen natürlichen Vorgang der Absorption überzähliger Bevölkerungsgruppen in der Landwirtschaft oder in ländlichen Gegenden durch die Stadt und die gewerbliche Wirtschaft als etwas Unangenehmes oder gar etwas Schlechtes empfunden hätte. Was hier jetzt zur Diskussion steht, ist eine weit über diesen Überbestand hinausgehende Abwanderung, die tief in die Substanz vieler Betriebe und ganzer Betriebsgruppen eingegriffen hat. Von daher ist die Zuspitzung gekommen und gilt noch die Betriebsaufgabe bei vielen, wenn auch schweren Herzens, als die einzige Ausweichmöglichkeit.
Ein Weiteres in diesem Zusammenhang. Es wurde erwähnt, daß es viel besser sei, denen, die zu kleine Existenzbasen haben, Nebenerwerbsmöglichkeiten in der Nähe durch. Dezentralisation gewerblicher Wirtschaft zu beschaffen. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß in dieser Richtung durchaus ernste Bemühungen gemacht worden sind. Ich darf mich zu denen zählen, die seit 1949 gleich nach Beginn der hiesigen Arbeit diese Zielsetzungen mitgetragen haben, und zwar mit recht beachtlichem Erfolg in meiner engeren Umgebung. Aber das steht ja, wenn es auch hier und da in begrüßenswerter Weise geschehen und vorangekommen ist, in keinem Verhältnis zu dem großen, breiten Problem, das hier zur Diskussion steht.
Aber es geht auch nicht so, daß man einfach sagt: Weil dort die Existenz zu klein ist und wir ihnen von der Einnahmeseite her sowieso nicht helfen können, ist nicht viel dabei, wenn sie weggehen. Aber — und auch das wurde, glaube ich, schon gesagt — der Entvölkerung des flachen Landes und der ländlichen Gemeinden steht ja im gleichen Ausmaß die Anhäufung von Bevölkerungsteilen und Wirtschaftskraft gegenüber. Es mag jedem überlassen bleiben, sich auszudenken, welche Folgen das, wie auch schon angedeutet, bei einmal nachlassender Konjunktur haben muß, und es sind durchaus Anzeichen dafür da. Es braucht vielleicht nicht einmal von dorther zu kommen, sondern auch schon die fortschreitende Automation kann erhebliche Konsequenzen für die zuvor entwurzelten Menschen haben.
Meine Damen und Herren, wie soll diese Lage denn nun eine Änderung erfahren? Wie soll denn diese zunehmende Unruhe, diese Sorge um die Zukunft und die künftige Existenzerhaltung nicht nur
von den kleinsten, sondern auch von Betrieben bis weit hinein in die Mittelbetriebe genommen werden? Darf ich dazu nur ganz strichartig zeichnen. Wir haben die Tatsache festzustellen, daß wir 1951 letztmals nach einer kraß verschobenen PreisKosten-Lage mit Zustimmung einer starken Mehrheit des Bundestages eine Anhebung des landwirtschaftlichen Preisniveaus vollzogen haben. Von da an ist die Diskussion um das Paritätsgesetz, um das Landwirtschaftsgesetz und nun schon im dritten Jahr um die Grünen Pläne gegangen. Wir haben immer geglaubt, die Dinge nur im Wege der sehr zu begrüßenden Strukturverbesserungsmaßnahmen und eines Subventionsbetrages abfangen zu können, obwohl sich auf allen anderen, uns umgebenden und auf uns zurückwirkenden Wirtschaftsgebieten nicht dieser Stillstand, sondern sogar eine sehr beachtliche Dynamik vollzog. Um diesen Gesichtspunkt geht es mir mehr als um all die vielen Einzelheiten, die wir hier nur ansprechen und stundenlang diskutieren können. Wie soll denn der verantwortliche Minister mit seinen Plänen — das haben Sie auch selber so nachdrücklich betont, Herr Minister — zu einem sichtbaren Erfolg kommen, wenn er einen Schritt mit einem Grünen Plan vorwärts tut und die anderen, die unsere Kostenelemente bedingen, zwei oder zweieinhalb Schritte in der gleichen Zeit vorwärts getan haben? Im Zusammenhang mit der Debatte über den Grünen Plan muß dieses Grundübel doch wohl einmal angesprochen werden. Es ist nicht nur die Sorge der Landwirtschaft, es ist die Sorge der weitesten Mittelstandsbereiche der Wirtschaft, daß sie sich diesem Phänomen des dauernden Davoneilens der Löhne und der anderen Kostenelemente einfach nicht mehr gewachsen fühlen und zunehmend verschulden oder die Existenz leid werden und aufgeben, den Nachwuchs verlieren, oder was Sie mehr an sehr ernsten Konsequenzen aufzeigen wollen.
Wie konnte es denn dazu kommen? Ich darf an den Dienstantritt von Herrn Minister Lübke im Herbst 1953 erinnern und daran, daß er, sicher aus guten Erwägungen, erklärte: Von irgendwoher muß ja nun angefangen werden mit einer Stabilhaltung, mit einer Ordnung der Gesamtwirtschaft, und mein Bemühen soll es sein, darum besorgt zu sein, daß die Lebensmittelpreise sich nicht verändern, und das, was hier für die Landwirtschaft notwendig ist — wir hatten ja damals schon eine sehr sichtbare Diskrepanz —, das will ich versuchen durch Kostensenkung herbeizuführen. — Herr Minister, nur insofern hatten wir uns im vorigen Jahr mißverstanden, als ich erklärte, sie sei ausgeblieben bei allen noch so redlichen Bemühungen von seiten der Produzenten unserer Produktionsmittel. Daß sie durch die getroffenen Verbilligungsmaßnahmen gekommen ist, kann selbstverständlich nicht bestritten werden, aber doch entfernt nicht in einem Ausmaß und mit einem Entlastungseffekt, daß echte Familienbetriebe, die seit Generationen ihre Existenzgrundlage gehabt haben und ohne sichtbaren Strukturschaden dastehen, heute etwa sagen könnten: Na ja, wir kommen mit dem Preis-KostenVerhältnis zu Rande. Nein, meine Damen und Herren, das ist eben leider nicht der Fall. Ich habe die



Dr. Preiß
große Sorge, daß, wenn — ich will das einmal rein theoretisch unterstellen — die Betriebe bis 5 ha aufgäben und, mit Milliardenaufwendungen, die größeren Einheiten von über 10 ha strukturverbessert würden und wir an diesem Grundübel des dauernden Davonlaufens der Kostenelemente nichts zu ändern vermögen, dann dieselben Argumentationen bezüglich Nichtlebensfähigkeit bei dieser Gruppe gebraucht würden, wie sie jetzt schon seit Jahren gegenüber den noch kleineren Gruppen gang und gäbe sind.
Das ist gar nicht eine bloße Vermutung von mir oder eine bloß theoretische Unterstellung. Sie können fortgesetzt von sogar sehr klugen Herren, von Professoren und von weltweit erfahrenen, weitgereisten Wirtschaftskapitänen lesen und Sie können sie bei Ansprachen sich äußern hören, daß es das Ziel sei, mit einer Vollarbeitskräftebesetzung von fünf bis höchstens sechs je 100 ha auszukommen. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß wir schon vor einigen Jahren in Expertenkreisen einmal sehr heftig miteinander gefeilscht haben, was wohl die richtige VA-Zahl sei, die man als Maßstab annehmen müsse. Nach langem Hin und Her, nach zunächst sehr hartem Streit ist man auf die Zahl 21 verfallen, wobei jedem geläufig sein mag, daß es weite Kreise gibt, die eine sehr viel höhere Zahl auf Grund der Struktur oder der noch starken Rückstände in der Modernisierung nötig haben. Würde das angestrebt, würde das in die Praxis umgesetzt, unsere Landwirtschaft in der Bundesrepublik auf der Grundlage von fünf bis höchstens sechs VA auf 100 ha zu betreiben, wer wollte mir
dann widersprechen, wenn ich sage, daß das die totale Liquiditation des deutschen Bauerntums voraussetzt?! Das kann man dann nur noch in Farmbetrieben oder meinetwegen in Kolchosen bewerkstelligen.

(Sehr gut! rechts.)

Um nicht weniger als um diese ernste Frage geht es auch bei der Diskussion des Grünen Berichts von 1958. Ich möchte den Minister sehr herzlich bitten, sich zu der Frage zu äußern, welche Betriebsgröße von seinem Standpunkt aus das künftige Leitbild sein soll, das bei nachgeholtem Rückstand aus eigener Kraft und ohne dauernden Subventions- bedarf ein Auskommen zu finden vermag.
Daß darunter dann eine erschreckend hohe Zahl von kleineren Betrieben bleibt, wer will das bestreiten? Auch daß heute die Zahl derer, die mit dem Erwerb aus der eigenen Scholle allein nicht auszukommen vermögen, größer ist als vor 10, 15 oder 20 Jahren und laufend wächst, sei ebenfalls unbestritten. Aber die Möglichkeiten, einen Nebenerwerb zu finden, sind doch heute angesichts der so gewachsenen Gesamtwirtschaft bedeutend mannigfaltiger und leichter ausfindig zu machen als in den hinter uns liegenden Zeiten. Deshalb werden die Kräfte nicht ohne weiteres davongehen, wenn es einmal vorübergehend mit einem Nebenverdienst nicht klappt.
Neben den wirtschaftlichen Überlegungen muß die Frage gestellt werden — und diese Frage muß so oder so beantwortet werden —, ob nicht die
menschliche, die bäuerliche Seite ein starkes Gewicht bei der Bewertung der Dinge haben muß. Ich verkenne gar nicht, daß das deutsche Bauerntum, wenn man die Dinge nur vom liberalistischen Wirtschaftsstandpunkt, nur vom Laissez-faire und den wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten aus sieht, in der Form, wie es auf unsere Zeit überkommen ist, keine Daseinsberechtigung und keine Zukunft mehr hat. Dann muß es diesen wirtschaftlichen Gesetzen einfach weichen. Das mag ein Standpunkt bestimmter Menschen sein. Ich will gar nicht einmal mit ihnen rechten. Ich gehöre nur zu den anderen.
Herr Kollege Kriedemann, ich weiß nicht, auf wen im Kreise Ihrer Kollegenschaft Sie immer münzen, wenn Sie an Blut und Boden, Blutquell der Nation usw. erinnern. Wir bemühen uns doch nun weiß Gott seit mehr als acht Jahren um die Dinge, und Sie gehen an die schwierige Seite der Dinge genauso gewissenhaft heran wie wir alle. Ich zitiere ja auch nicht Vorgänger mit Ihrem politischen Vorzeichen aus der Zeit vor 70 oder 80 Jahren.

(Abg. Kriedemann: Wir haben hier auch keine Versammlung!)

— Nein, aber es gehört wohl auch in den Rahmen einer Parlamentsdebatte, die Dinge einmal von diesem Kern her anzusprechen. Wer nur die wirtschaftlichen Gesetze, die letzten rationellen, wirtschaftlichen Effekte gelten lassen will, der kommt zu dem Ergebnis: diese überkommene bäuerliche Struktur ist antiquiert und muß diesen Gesetzen eben weichen.
Wer jedoch der Meinung ist, daß das Bauerntum, auch wenn es nur noch 13 % des Gesamtvolkes ausmacht, in allen seinen Strukturbereichen einen nicht unbedeutenden Volksanteil repräsentiert, und wer anerkennt, daß das Bauerntum unbestreitbar die Lebensgrundlage jeder dörflichen Gemeinde ist, auf der dann doch andere aufbauen — und nicht umgekehrt —, der wird auch für eine möglichst weitgehende und eine optimale Erhaltung des Bestandes des Bauerntums eintreten, sei es in Richtung auf den rein landwirtschaftlichen Beruf oder in Richtung auf den gemischten Beruf.

(Beifall bei der DP.)

Wenn man zu dieser Grundentscheidung kommt, muß man die Frage stellen — und diese Frage muß beantwortet werden —: Was ist zu tun? Hier befinde ich mich in völliger Übereinstimmung mit dem, was mein Herr Vorredner, der Kollege Köhler, hier vorhin ausgeführt hat. Ausschließlich mit Strukturverbesserungsmaßnahmen und mit — im nächsten Jahr wahrscheinlich gegenüber diesem Jahr und gegenüber den vergangenen Jahren schon erheblich gekürzten — Subventionen ist dem Problem einer wirklichen Wiedergesundung nicht beizukommen. Vielmehr muß man an das Preis-KostenVerhältnis heran. Vorausgehen müßte aber endlich eine Beruhigung der jetzt bereits jahrelang bestehenden Unruheherde in anderen Teilen der Wirtschaft, die den ganzen Mittelstand in verhängnisvolle Schwierigkeiten bringen.

(Beifall bei der DP.)




Dr. Preiß
Es hätte mancherlei Möglichkeit gegeben — der festen Überzeugung bin ich —, in den früheren Jahren starke Sonderkonjunkturgewinne etwas in Form von Preissenkungen an die Allgemeinheit weiterzugeben und in den jüngsten Jahren mindestens ebenso beachtliche Produktivitätsgewinnsteigerungen. Das ist leider nicht erfolgt. Im Gegenteil, man ist uns noch weiter vorausgeeilt. Erst wenn dort wieder Beruhigung und Rücksichtnahme auf das Ganze eingetreten sind, haben Anstrengungen von der Art, wie sie der Grüne Plan darstellt, insbesondere wenn sie auch von der preislichen Seite her verstärkt werden, wieder Aussicht auf einen Gesamt- und Dauererfolg.
Ich weiß, daß das die Frage nach der Belastbarkeit der breiten Verbraucherschichten aufwirft.

(Abg. Kriedemann: Ja, das war die konkrete Frage nach den Preisen!)

— Jawohl, ich bin schon dabei, Herr Kollege Kriedemann. Ich habe nämlich über das Material des Grünen Berichts hinaus das uns gerade vor wenigen Tagen ausgehändigte Statistische Jahrbuch etwas näher durchgearbeitet und gesehen, was genau schon voriges Jahr festzustellen war, daß in einem weiteren Jahr der Anteil der Ausgaben für die Nahrungsmittel wieder um ein volles Prozent gesunken und die Ausgaben für den Luxusverbrauch, für die Güter des gehobenen Verbrauchs um ein volles Prozent gestiegen sind. Das hat man jetzt schon seit Jahr und Tag als eine Gesetzmäßigkeit in einem Industriestaat bei wachsendem Massen-
einkommen dargestellt und als unumstößlich und unumgänglich betrachtet. Wieso eigentlich? Dieses Schwab-Engelsche Gesetz hat ursprünglich einen ganz anderen Sinn, indem es Kategorien von Einkommensschichten unterscheidet und sagt, daß selbstverständlich jemand mit geringem Einkommen mehr für die Nahrung ausgeben muß als derjenige mit höherem Einkommen. Aber jetzt hat es diese sonderbare Ausweitung bekommen. Davon wissen die Herren Schwabe und Engel nichts, daß überhaupt, wenn Kaufkraft wächst — jetzt seien Sie mir nicht böse —, für Nebensächlichkeiten unbedingt mehr Geld ausgegeben werden muß als für die lebenswichtigsten Dinge; und das ist doch wohl unbestreitbar die Nahrung. Dahinter steht noch die soeben erörterte Frage, ob man einen Volksteil wie das Bauerntum erhalten soll oder ob man zusehen soll, wie es untergeht und man diese Produkte, wie es hier auch in diesem Elaborat gesagt wird, lieber in den Entwicklungsländern kauft. Dazu noch einige Gedanken nachher.
Wenn es so ist, daß innerhalb der letzten fünf Jahre die Ausgaben für die Nahrungsmittel im durchschnittlichen Verbraucherhaushalt mit vier Köpfen um volle 6% gesunken sind und dort schon ein verbrauchsfähiges Einkommen von 528 DM im Monat ausgewiesen ist, können Sie sich sehr leicht ausrechnen, daß das je Kopf im Monat schon ein Betrag ist, der, wenn man ihn für das ganze Jahr mit zwölf multipliziert, genau zu der Zahl führt, die jetzt in der Öffentlichkeit zur Erörterung gestanden hat, nämlich zu einer Zahl von über 1 Milliarde DM mehr Einnahmen für die Landwirtschaft. Dabei ist selbstverständlich vorausgesetzt, daß das Geld an sie weitergelangt. Wenn von dieser Seite her, Kollege Kriedemann, endlich ein Anfang zur Entlastung gemacht ist, ist es auch leichter, auf Ihre durchaus richtigen Anregungen einzugehen und zu untersuchen, wo diese zunächst angewandten Globalmaßnahmen eine Korrektur mehr in Richtung auf gezielten Nachholbedarf erfahren können. Ich werde durchaus mit mir reden lassen, weil ich die Dinge auch sehe, weil ich weiß, daß man mit diesen Teilhilfen und Krediten den Menschen zusätzlich zu viel abfordert, besonders wenn es ganze Gemeinden betrifft mit Rückstand an Elektrifizierung und Wasserversorgung und anderem mehr. Da sind ja die Hilfen, gemessen an dem, was sie aus eigener Kraft aufbringen sollen, Bagatellen. Sie müssen es übernehmen und aus eigener Kraft zahlen.

(Abg. Kriedemann: Welchen konkreten Anfang schlagen Sie vor?)

— Ich habe grundsätzlich gesagt, Herr Kollege Kriedemann, daß wir nicht darum herumkommen, das Preisproblem anzufassen, weil wir nach jahrelangem Zuwarten haben sehen müssen, daß von anderer Seite kein Entgegenkommen zu verzeichnen war.

(Abg. Kriedemann: Haben Sie denn konkrete Vorschläge?)

— O ja, bringen Sie mich hier nicht in Verlegenheit; ich werde nicht dem Versuch verfallen, Ihnen jetzt die 46 oder 52 landwirtschaftlichen Erzeugnisse vorzuführen und zu sagen, wo nach meiner Meinung mit Pfennigen oder Groschen etwas zu machen ist. Ich möchte Ihnen aber generell sagen, daß unter Handhabung der Einfuhr- und Vorratsgesetze und unter Inanspruchnahme des § 1 des Landwirtschaftsgesetzes, der der Regierung ganz klar, meine ich, bindende Auflagen erteilt, die Verhältnisse wesentlich besser gestrafft werden können, mit dem Ergebnis besserer Preise für Veredelungserzeugnisse, als es bisher der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der DP. — Abg. Kriedemann: Dann dreht es sich nicht um 64 Produkte, sondern um die Produkte der Marktordnung, bei denen Preisfestsetzung möglich ist!)

— Nein, Sie wissen, daß ich für Dirigismus oder gar so weitgehende Dinge wie Planung bis zum letzten Betrieb gar nicht zu haben bin.

(Abg. Kriedemann: Ich auch nicht! Aber wie wollen Sie es denn machen?)

Ich glaube, daß mit marktkonformen Mitteln eine Marktsteuerung möglich ist, die derartige Preiseinbrüche, wie wir sie in jüngster Zeit und in den letzten Jahren in Abständen immer wieder zu verzeichnen gehabt haben, vermeiden könnte. Damit ist schon eine ganze Menge gewonnen.

(Abg. Kriedemann: Darf ich eine Frage an Sie richten?)

— Bitte schön!




Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301402900
Das Wort zu einer Zwischenfrage hat der Abgeordnete Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301403000
Haben Sie eine konkrete Vorstellung darüber, wie man z. B. den Schweinepreis in etwa fixieren sollte, und sind Sie bereit, das zu sagen? Das würde ja zur Beruhigung der Gemüter beitragen.

Dr. Ludwig Preiß (CDU):
Rede ID: ID0301403100
Natürlich, Herr Kriedemann, wir haben schon vor drei, vier Jahren Monate hindurch einen Schweinepreis von 1,30 DM, 1,35 DM gehabt, und es ist kein Unglück passiert. Seitdem ist die Kaufkraft, das verfügbare Masseneinkommen um Milliarden gestiegen, und wir haben im Augenblick 1,02 DM. Ich bin also der Meinung, daß durch eine straffere Handhabung der handelspolitischen, der einfuhr- und vorratspolitischen Möglichkeiten ein Erfolg zu erzielen wäre. Sie kennen diese Dinge ja, Sie haben die Bestimmungen selber mit formuliert. Dann brauchte ein solcher Einbruch bis hinunter auf 1,02 DM nicht zu passieren.
Noch eines, Herr Kriedemann! Ich glaube, daß es eine Möglichkeit gibt, es erst gar nicht zu einem solchen Schweineberg kommen zu lassen, wenn man sich futterpolitikmäßig entsprechend einstellt.

(Abg. Kriedemann: Darf ich noch eine Frage stellen?)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301403200
Das Wort zu einer weiteren Zwischenfrage hat der Abgeordnete Kriedemann.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301403300
Sie ernnern sich, Herr Kol- lege Preiß, daß wir einmal einen Versuch gemacht haben, auf diese Preisfragen einzugehen und zu einer klaren Antwort zu kommen. Wollen Sie nicht einmal — Sie sind ja Mitglied der Regierungskoalition — den Versuch machen, die Regierung dazu zu verpflichten, einen bestimmten Preis, sozusagen einen Garantiepreis oder einen Von-Bis-Preis für Schweine durchzusetzen?

Dr. Ludwig Preiß (CDU):
Rede ID: ID0301403400
Genau ein Vorschlag, Herr Kriedemann, der in meine Richtung zielt. Ich bin durchaus der Meinung, daß man in der bewährten Weise, wie wir es eine Zeitspanne von ein paar Jahren gehabt haben, wenn auch nachher in der Folgezeit nicht mehr, vorgehen kann und daß der Von-Bis-Preis, beispielsweise bei Getreide, den Wert seiner Pegelfunktion durchaus bewiesen hat. Das wäre auch durchaus ein Vorschlag für Veredelungsprodukte. Wenn nämlich der Von-Preis erreicht würde, müßte sofort mit energischen Maßnahmen eingegriffen werden, wie auch umgekehrt, wenn der Preis sich dem Bis-Preis nähert.

(Abg. Kriedemann: Wollen Sie einen solchen Antrag stellen?)

— Ich habe vorhin gesagt: es ist doch nicht möglich, Herr Kriedemann, für alle einzelnen Produkte Einzelmaßnahmen vorzuschlagen.
Ich will summarisch sagen: wir wissen, daß die Etatlage in diesem Jahre eine höhere Dotierung
des Grünen Planes nicht zuließ, wir sind deshalb auch mit den grob untergegliederten Pauschalbeträgen durchaus zufrieden. Es ist nun eine Aufgabe von uns allen, die Unterteilung nach der größeren Zweckmäßigkeit vorzunehmen.
Eines bin ich Ihnen noch schuldig, Herr Kollege Kriedemann! Sie wissen, daß ich mit Ihnen darin übereinstimme, wenn Sie sagen, daß Dänemark uns weit voraus ist in puncto moderner, um nicht zu sagen, modernster Landwirtschaft, von der Ausbildung des Betriebsinhabers und seiner Mitarbeiter bis zur Maschinenausstattung, bis zur rationellsten Fütterung und so fort. Wir haben uns lange über die Gründe unterhalten, die das glücklichere Dänemark dazu brachten, auf all diesen Gebieten voranzukommen und stärker voranzukommen als wir. Aber, Herr Kriedemann, wenn wir jetzt eine Empfehlung aussprächen, etwa hinsichtlich der Produktion, das dänische Beispiel nachzuahmen, würde das bei dem Tatbestand, daß Dänemark derzeit bei 41/2 Millionen Einwohnern knapp 5 Millionen Schweine hat, heißen, daß wir 551/2 Millionen Schweine halten müßten. Nun, dann müßten wir nachts noch zweimal aufstehen und ein Kotelett verdrücken. Der Schweineberg würde aber auch dadurch noch nicht beseitigt werden können.

(Abg. Kriedemann: So einen törichten Vorschlag hat noch keiner gemacht!)

— Herr Kriedemann, ich kenne Sie. Viele kennen Sie nicht, vor allem die Öffentlichkeit nicht. Man kann nicht sagen, wenn man es so wie die Dänen machte, wäre man aus allem heraus.

(Abg. Kriedemann: Nein, nein! So töricht ist die Öffentlichkeit nicht!)

— Schön, wenn Sie das zugestehen!
Noch ein abschließendes Wort zu der grundsätzlich entscheidenden Frage. Handelt es sich hier nur um eine wirtschaftliche Frage, oder ist mit ihr eine sehr wichtige, ja eine eminent wichtige menschlich-familiäre Frage verbunden? Nehmen wir das nicht so leicht mit der Strukturänderung in dem Sinne: Na, die Kleinen mögen ruhig aufgeben, dann stocken wir die anderen auf! Es geht in der Regel um Familien, die seit Generationen unter kargen und dürftigen Verhältnissen ihre Heimat-, Boden-und Schollenverwurzelung haben. Das nenne man nicht Romantik oder Gefühlsduselei. Vielleicht bin ich berechtigt, zu sagen: Entweder hat man Gefühl dafür oder man hat es nicht. Danach richtet sich die Beantwortung der Grundsatzfrage. Wenn man sie bejaht hat, dann auch Mut zur Entscheidung!

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Kriedemann: Das finden wir auch!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301403500
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt (Gellersen).

Dr. R. Martin Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0301403600
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur zu einigen speziellen Fragen der Agrarstruktur sprechen, und zwar zu den Fragen der Flurbereinigung, der Aufstockung und der Aussiedlung. In den vergan-



Dr. Schmidt (Gellersen)

genen Jahren haben wir kaum zu diesen Fragen Stellung genommen. Wir haben uns damit begnügt, das im allgemeinen für richtig zu halten und es dabei zu belassen. Nach einigen Jahren Erfahrung ist es, glaube ich, an der Zeit, daß man auch dazu einiges sagen muß. Wenn ich hier einige kritische Bemerkungen anfüge, dann nicht um der Kritik willen, sondern aus der Sorge um eine gesunde Entwicklung in diesem Strukturprogramm. Wir bejahen das, und wir lassen uns in dem guten Willen von niemandem hier in diesem Hause übertreffen. Ich glaube, wir haben in den letzten acht Jahren zur Genüge bewiesen, daß wir es ehrlich um diese Frage meinen. Wir haben Jahr für Jahr Anträge gestellt. Sie haben sie uns zum größten Teil abgelehnt. Aber wir werden uns nicht davon abhalten lassen, wiederum neue Anträge zu stellen. Ich habe daher auch die Aufgabe, die beiden Anträge Umdrucke 15 und 16 gleichzeitig mit zu begründen.
Lassen Sie mich zuerst einiges zur Flurbereinigung sagen. Ich brauche über die Bedeutung kein Wort mehr zu verlieren. Sie ist genügend ausgesprochen worden. Ich möchte feststellen, daß wir steigende Zahlen zu verzeichnen haben. Wir müssen das mit Befriedigung feststellen. Von 100 000 ha im Jahre 1950 sind wir auf 200 000 ha im Jahre 1956 gekommen. Das gleiche Ergebnis wird im Jahre 1957 erwartet werden dürfen. Aber im letzten Jahre, so habe ich mir sagen lassen, hätten es mehr sein können. Wir wissen aus den Ländern, daß die Kapazitäten nicht ausgenutzt worden sind. Ich möchte an den Herrn Minister die Frage stellen, ob es angesichts der großen Flächen, die noch bereinigt werden müssen, verantwortet werden kann, daß man die Kapazität nicht ausnutzt. Wir sollten jedenfalls alles tun, um damit so schnell wie möglich zu Rande zu kommen.
Die Maßnahmen der Flurbereinigung — das sehen Sie auch draußen in der Ausstellung — sind die wirkungsvollsten aller Strukturmaßnahmen. Sie erhöhen am ehesten die Produktivität und die Rendite; sie sind am schnellsten wirksam. Bei ihnen ist am ehesten ein Ende abzusehen. Der Flurbereinigung ist auch deshalb der Vorrang einzuräumen, weil bei ihrer Durchführung gleichzeitig Aufstockungen und Aussiedlungen vorgenommen werden können. Die Flurbereinigung verdient also die größtmögliche Förderung.
Bis zum Jahre 1953 hatten wir im Haushalt einen Erinnerungsposten von einer Million D-Mark stehen. Das hat sich inzwischen geändert. Ich glaube, sagen zu können, daß es auch unserem Mitwirken zu danken ist, daß wir heute bei wesentlich größeren Summen angelangt sind. Heute haben wir 37 Millionen DM im Haushalt und 60 Millionen DM nach dem Grünen Plan für die Flurbereinigung zur Verfügung. Diese 97 Millionen DM sollen als Zuschüsse verwandt werden. Wenn ich aber annehme, daß die Verwendungsrichtlinien weitergelten sollen, dann fehlen neben diesen Zuschüssen natürlich auch entsprechende Kredite in Höhe von 60 Millionen DM. Diese sind nirgends eingesetzt. Ich muß also annehmen, daß die Richtlinien
geändert werden. Das bedauere ich im Interesse der Sache sehr.
Für uns stellt sich die Frage: nutzen wir mit diesen 97 Millionen DM die Kapazität aus? Wir wissen alle aus den Angaben der Flurbereinigungsbehörden, daß sie in der Lage sind, 300 000 bis 350 000 ha im Jahr zu verkraften,; bisher wurden nur 200 000 ha bereinigt. Wenn Sie es bei 97 Millionen DM belassen, dann kann die Flurbereinigung für nicht mehr als 200 000 ha durchgeführt werden. Das würden wir sehr bedauern.
Um die vorhandenen Kapazitäten der Behörden auszunutzen, haben wir einen Antrag gestellt. Wir wollen, daß 50 % der Aufwendungen aus Bundesmitteln bestritten werden. Die Bundesmittel sollen auf 70 v. H. erhöht werden, wenn es sich um Notstandsgebiete handelt.
Wir haben in unserem Antrag noch etwas anderes vorgesehen. Wir wollen, daß die weiteren Mittel— abgesehen von den Ländermitteln —, also die Mittel, die der Landwirt selber aufbringen muß, vorfinanziert werden. Wie ist es bisher gewesen? Wenn wir draußen in den Gemeinden Widerstand gehabt haben, dann deshalb, weil der Landwirt zuerst etwas vorstrecken soll. Er sieht noch gar nichts, die Maßnahmen sind noch nicht eingeleitet. Um diesen Widerstand zu brechen, schlagen wir Ihnen vor, daß die übrigen Aufwendungen durch den Bund vorfinanziert werden. Es soll den Landwirten die Sache leichter gemacht und ihnen ermöglicht werden, diese Mittel in Form einer 15 oder 20 Jahre laufenden Rente abzutragen. Das ist ein sehr praktikabler Weg. Holland und Frankreich beschreiten ihn auch. Ich sehe nicht ein, warum wir im Interesse der Sache die Dinge nicht leichter machen sollen.
Darüber hinaus stellen wir in Umdruck 15 den Antrag, für all diese Maßnahmen ein Zehnjahresprogramm vorzulegen. Dieses Zehnjahresprogramm ist deshalb notwendig, weil wir aus dem jährlichen Hin und Her um die Bewilligung der Positionen herausmüssen. Zu diesem Zehnjahresplan gehört ein Finanzierungsplan. Sagen Sie nicht, das ginge nicht. Wir haben uns z. B. mit dem Emslandprogramm eine ähnliche Aufgabe gestellt. Das sollte auch bei der Flurbereinigung, bei der Aufstockung und bei der Aussiedlung möglich sein.
Nun lassen Sie mich noch einiges zu den Fragen der Aufstockung und der Aussiedlung sagen. Beide werden auch im Rahmen der Flurbereinigungsmaßnahmen durchgeführt. Sie finden auf Seite 5 der Drucksache zu 200 eine Aufstellung, wieviel Aussiedlungen und Aufstockungen in den letzten zwei Jahren durchgeführt worden sind, nämlich 2100 Aussiedlungen und 9400 Aufstockungen. Dabei stellen wir die Tendenz fest, daß die Zahl im Rahmen des behördlichen Siedlungs- und Flurbereinigungsverfahrens geringer ist, während die meisten Erfolge im Rahmen des außerbehördlichen Verfahrens zu verzeichnen sind. Ein Fachmann hat einmal vor wenigen Wochen — ich glaube, es war in Berlin — gesagt, daß im Bundesgebiet noch ungefähr 300 000 Betriebe auszusiedeln und 350 000 Betriebe aufstockungsbedürftig seien. Ich will die Zahlen nicht nachprüfen. Aber an diesem Umfang sehen



Dr. Schmidt (Gellersen)

Sie schon, daß Sie es mit einer sehr langwierigen Arbeit zu tun haben werden.
Die Frage der Aufstockung ist natürlich auch eine Frage des Landes. Woher soll man das Land nehmen? Diese Frage ist nicht immer klar beantwortet worden. Wir wollen es jedenfalls allein auf dem Wege der Freiwilligkeit versuchen. Wir sind also auf die Neigung zum Landverkauf angewiesen, und die Neigung zum Landverkauf ist natürlich auch an unsere gesamte Wirtschaftslage gebunden. Sobald es mit der Wirtschaft ein bißchen kriselt, wird auch der Mann, der sonst in die Fabrik gehen würde, sein Land behalten und gar nicht daran denken, es herzugeben. Wir haben schon einige solcher Fälle erlebt. Vor anderthalb Jahren, glaube ich, als im Stuttgarter Raum bei den Mercedes-Werken einige hundert Arbeiter entlassen wurden, stoppten sofort der Verkauf und auch die Verpachtung von Land. Wir sind also unmittelbar auf die Wirtschaftskonjunktur angewiesen, wenn wir in der Frage der Aufstockung dauerhaften Erfolg haben wollen. Es ist ein langsamer Prozeß.
Es kommt auch sehr darauf an, daß wir das anfallende Land sehr sorgsam behandeln. Das heißt nicht, daß ich es irgendeiner Siedlungsgesellschaft allein übergeben wollte. Ich will den Gütermakler dabei gar nicht ausschalten. Aber das Land kann doch nur dort hingelangen, wo es notwendig ist. Ich bin mir nicht sicher, ob wir das heute erreicht haben. Jedenfalls kommt in diesem Punkt dem Grundstücksverkehrsgesetz erhöhte Bedeutung zu. Wir werden also sehr darauf achten müssen, daß mit Hilfe dieses Gesetzes das Land in die Hände gerät, die es nötig haben.
Die Aufstockungen haben noch eine unangenehme Begleiterscheinung; auch das will ich nicht ganz verschweigen. Die Bodenpreise haben sich nämlich in vielen Gebieten teilweise sehr erhöht, so daß das Land für weitere Aufstockungen immer teurer werden und auch immer schwieriger zu bekommen sein wird.
Die Aussiedlung ist sicher ein sehr wichtiges Problem. Sie wird auch im Rahmen der Flurbereinigung mit erledigt und ist nach meiner Meinung vorrangig mit Finanzmitteln zu bedienen. Ein Teil der im Etat und auch im Grünen Plan eingesetzten Mittel wird in einem Verfahren ausgegeben, das als sogenanntes außerbehördliches Verfahren bezeichnet wird. Herr Minister Lübke hat dieses Ventil geöffnet, um den Willen zur Selbsthilfe draußen zu fördern, und das ist sicher gut gewesen. Dabei sind bestimmte Träger eingeschaltet. Die Finanzierung wird durch die landwirtschaftliche Rentenbank nach bestimmten Richtlinien des vergangenen Sommers abgewickelt.
Dabei gibt es eine Einschränkung. Jedes Aussiedlungsverfahren kann als außerbehördliches Verfahren durchgeführt werden, wenn die Flurbereinigungsbehörde sagt, daß sie innerhalb der nächsten drei Jahre dort keine Flurbereinigung betreiben will. Diese Frist reicht einfach nicht aus, um falsche Anlagen zu verhindern, die nachher im Wege stehen und doppelte Unkosten verursachen.
Die Richtlinien, die der Herr Minister herausgegeben hat — vom 14. Juli 1957, glaube ich —, bringen auch sonst noch Möglichkeiten für Aussiedlungen, die man nicht unbedingt als vordringlich bezeichnen kann. Jedenfalls habe ich manches Aussiedlungsverfahren gesehen, das nicht überzeugen kann. Ich habe Aussiedlungsverfahren besichtigt, bei denen der Hof nur 100 m von der alten Hofstelle entfernt angelegt worden ist, obwohl es sich gar nicht um ein enges Dorf gehandelt hat. Wir haben hier einen Bericht der Forschungsstelle für bäuerliche Familienwirtschaft über die ersten Erfahrungen in der Aussiedlung und Aufstockung nach diesem außerbehördlichen Verfahren vorliegen. Die Zahlen, die in diesem Bericht stehen, und auch die Abbildungen sprechen eine deutliche Sprache, und es wäre wünschenswert, wenn wir daraus die Konsequenzen auch bezüglich der Richtlinien zögen. Der Herr Minister wäre also gut beraten, wenn er diese Richtlinien überprüfte und vielleicht auch an einigen Stellen änderte.
Noch etwas anderes! Diese Aussiedlungen und Aufstockungen im Rahmen des außerbehördlichen Verfahrens unterliegen keinen Beschränkungen bezüglich der Teilbarkeit und der Veräußerung. Der Betriebsleiter kann also den Betrieb nach Aussiedlung und Aufstockung verkaufen, er kann ihn teilen, kann ihn parzellieren, kann also damit spekulieren. Ich meine, die Mittel für solche Zwecke sind doch nur dann sinnvoll verwandt, wenn wir dauerhaft lebensfähige Betriebe schaffen. Es wäre daher wünschenswert — das möchte ich hier als Anregung sagen —, diese außerbehördlichen Verfahren auch an gewisse Auflagen zu binden, damit die Mißbräuche ausgeschaltet werden. Die Kreditbestimmungen der Banken genügen dafür keineswegs.
Für die Aufstockung und Aussiedlung im Rahmen dieses Verfahrens sind die bisherigen Richtlinien für den Betrieb, der davon Gebrauch macht, sehr günstig gewesen. Sie werden aber, wie ich gestern erfahren habe, mit dem 1. März außerordentlich erschwert. So werden z. B. Kredite für die Aufstockung ab 1. März nicht mehr aus Haushaltsmitteln gegeben, sondern nur noch über den Kapitalmarkt. Ich meine, die Bedingungen im Rahmen dieser Aussiedlungs- und Aufstockungsverfahren sind sehr verschieden. Es gibt verschiedene Konditionen bei den Aussiedlungen und Aufstockungen im gelenkten Verfahren, im ungelenkten Verfahren und im Siedlungsverfahren. Wenn wir so weitermachen, kommen wir vor dieselbe Situation wie in der Siedlungsfinanzierung. Da haben wir x Töpfchen mit x Konditionen, und das erschwert das ganze Programm. Im Grünen Plan dieses Jahres sind die Mittel für die Aufstockung und die Aussiedlung erhöht — die Haushaltsmittel von 150 Millionen auf 175 Millionen DM, also sehr beachtlich, und gleichzeitig sind noch 75 Millionen DM aus dem Kapitalmarkt zu nehmen. Was ist dazu zu sagen? Ich glaube, hier stehen wir vor einer besonderen Situation. Der Kapitalmarkt ist ja noch sehr labil. Heute ist er sehr flüssig, morgen kann er wieder verstopft sein. Die Folge davon, daß ein großer Prozentsatz nunmehr auf den Kapitalmarkt abgedrängt wird, wird sein, daß wir erhöhte Konditio-



Dr. Schmidt (Gellersen)

nen haben werden, daß darüber hinaus natürlich nur derjenige aussiedeln und aufstocken kann, der mehr eigene Mittel hat als bisher. Das heißt, daß der kleine und mittlere Betrieb ausgeschaltet wird, daß also der größere Betrieb, der in der Lage ist, mehr eigene Mittel aufzubringen, eher zum Zuge kommen wird. Ich glaube, das kann nicht der Sinn der Sache sein. Ich hoffe, daß dieser Anfang gleichzeitig auch das Ende ist, daß wir also im nächsten Jahr mit solchen Vorschlägen nicht mehr zu rechnen brauchen. Der Hinweis auf den Kapitalmarkt ist nicht der Weisheit letzter Schluß, und wir müssen uns doch die Frage stellen, ob wir überhaupt bei der labilen Situation dann die Wechsel einlösen können, die wir hier ausgestellt haben.
Nun lassen Sie mich abschließend und zusammenfassend noch einige allgemeine Bemerkungen zur Agrarstruktur machen. Das Strukturprogramm wird sehr verschieden beurteilt. Es gibt Menschen, die es ablehnen, und es gibt Menschen, die es mit blindem Enthusiasmus begrüßen. Daß wir es bejahen, ist, glaube ich, schon genügend gesagt. Wir bejahen es aus vielen Gründen. Aber wir sollten dabei nicht vergessen, die realen Lebensverhältnisse ins Auge zu fassen. Man sollte keine Wunder erwarten, auch nicht im Rahmen der Aufstockungen und der Aussiedlung. Das einzige, was wir in einer absehbaren Frist, nämlich in 12 bis 15 Jahren erledigen können, ist die Flurbereinigung. Alles andere muß man sicher auf mehr als 15 Jahre verteilen. Wenn man sich darüber klar ist, dann braucht man keine neue Institution zu schaffen, dann braucht man auch keinen Bundeskommissar zu bestellen, wie ihn, glaube ich, Herr Kollege Lücker neulich einmal vorgeschlagen hat. Das würde nur eine neue Bürokratie bedeuten, ohne daß wir in der Sache vorankämen. Wichtig ist allein, daß wir uns einig sind und in dem ganzen Programm klar sehen.
Es steht auch fest, daß die Ergebnisse besser hätten sein können. Es ist nicht unsere Schuld, wenn wir nicht weitergekommen sind. Seit acht Jahren predigen wir in diesem Hause für diese Flurbereinigung und diese Verbesserung der Agrarstruktur.' Als Herr Minister Lübke dieses Programm hier vor fünf Jahren verkündete — lassen Sie mich auch das ausdrücklich sagen —, lagen besondere Widerstände draußen in der Landwirtschaft vor; die landwirtschaftlichen Organisationen hielten es nicht für so vordringlich. Nun, Herr Lübke hat mit diesen Organisationen einen Streit gehabt. Der Streit legt sich jetzt anscheinend, und es ist nur zu hoffen, daß die bessere Zusammenarbeit nicht auf Kosten des Strukturprogramms geht. Wir sind jedenfalls bereit, für dieses Programm mehr zu tun. Wir halten es für eine Aufgabe einer ganzen Generation. Wir wollen nur nicht, daß wegen schneller Augenblickserfolge die Gründlichkeit und die Qualität der Maßnahmen leiden.
Mit großer Freude ist heute wie in den vergangenen Jahren über die Veränderungen in den Betriebsgrößen gesprochen worden. Ich gebe zu, daß man diesen Schrumpfungsprozeß sehr genau beobachten muß. Ich bin aber gezwungen, noch einmal die Zahlen darzulegen. In den Jahren 1949 bis 1957 haben wir ein Mehr von 15 500 Betrieben in der Größe von 10 bis 20 ha, von 4000 Betrieben in der Größe von 20 bis 50 ha und von 600 Betrieben in der Größe von 50 bis 100 ha, demgegenüber ein Weniger von 130 000 Betrieben in der Größe von 2 bis 10 ha. Aber diese Betriebe muß man auch noch nach der Landfläche untersuchen, die sie als Zulage bekommen haben. Dabei wird das Bild sehr interessant. Die Betriebe bis 10 ha haben eine Landfläche von 500 000 ha verloren. Demgegenüber haben Gott sei Dank die echten Familienbetriebe von 10 bis 20 ha um 230 000 ha zugenommen. Die Be- triebe von 20 bis 50 ha haben um 115 000 ha zugenommen, und die Betriebe von 50 bis 100 ha haben um 40 000 ha zugenommen. Nun, ich muß ein bißchen Wasser in den Wein der Freude gießen. Es sind nicht alles dauerhafte Existenzen, deren Landfläche hier vergrößert worden ist. Ich mache darauf aufmerksam, daß sehr viele Betriebe, die heute in einer größeren Betriebsstufe rangieren, nur Land gepachtet haben und daß dieses gepachtete Land jederzeit zurückgegeben werden kann. Es ist also nicht ein dauerhafter Erfolg; zumindest muß es nicht einer sein.
Es macht mich gar nicht froh, wenn ich sehen muß, daß Tausende und aber Tausende kleiner Betriebe auf Land warten, während sich Betriebe, die in Zahlen und Flächen größer sind als Familienbetriebe, um Entscheidendes verbessert haben. Das ist nicht unsere Politik. Das ist Ihre Politik, die Sie auch eines schönen Tages werden verantworten müssen. Ich meine, es ist keine gesunde Entwicklung.
Noch etwas zu den Auffassungen über die Betriebsgrößen. Ich möchte mich vor allen Dingen gegen die extreme Auffassung wenden, daß ein ordentlicher Betrieb erst ab hundert Morgen anfängt. Das hat es nicht gegeben, und das wird es auch nicht geben. Es gibt dabei kein EntwederOder. Im übrigen ist das Betriebsgrößenproblem schon Jahrzehnte alt. Schon vor achtzig Jahren hat man über das gleiche Problem diskutiert. Ich meine, daß die Existenzsicherung von Betrieben nicht ausschließlich eine Frage der Größe ist. Die Existenzsicherung ist in erster Linie eine Frage der Qualität der Betriebswirte. Das sollte einmal ausdrücklich festgehalten werden.
Ein bekannter, von allen Seiten anerkannter Wissenschaftler hat vor kurzem zu den Fragen der Betriebsgröße einmal Stellung genommen. Ich erlaube mir, ihn zu zitieren. Er sagt:
Für die Entwicklung zeitgemäßer landwirtschaftlicher Betriebsformen kommt es auf eine Syn- these der divergierenden Kräfte an, die sich aus der biologischen, technischen und sozialen Entwicklung ergeben. Der hochmechanisierte Fruchtwechselbetrieb der europäischen Landbauzonen darf als bisher beste Möglichkeit einer Verbindung hoher Produktivität mit nachhaltiger Sicherung der Fruchtbarkeit gelten. Dabei gewinnt die soziale Verfassung zunehmend an Bedeutung, und nur für bestimmte Betriebsformen bestehen infolgedessen — außer



Dr. Schmidt (Gellersen)

den nebenberuflich bewirtschafteten Kleinstbetrieben — noch echte Zukunftschancen. Erstens Familienbetriebe mit Flächen, die der Arbeitskapazität und den Lebensansprüchen einer Bauernfamilie genügen, zweitens Guts-betriebe, die Arbeitsverhältnisse nach Art der gewerblichen Wirtschaft bieten können.
Dann noch eine wesentliche Bemerkung, der ich vollkommen zustimme:
Es ist ein aussichtsloses Bemühen, wenn der Bauer der allgemeinen Produktivitätsentwicklung durch immer weitere Betriebsvergrößerungen folgen wollte. Im Streben nach wachsender Flächenausdehnung liegt nicht immer ein wirtschaftlicher Sinn; es wird oft nur durch unrealistische Ideologien über die Auswirkungen der Technik oder durch überholte Vorstellungen von einem durch Besitz erhöhten sozialen Prestige mitbestimmt. Infolgedessen gilt es aufzupassen,
— und das möchte ich besonders unterstreichen —
daß nicht einzelne die Situation ausnutzen, mehr Land in die Hand bringen, als sinnvoll zu nutzen ist, und durch eine Art Amoklauf die Struktur zerstören und schließlich entvölkerte Dörfer und durch extensiven Raubbau verschlechterte Böden hinterlassen.
Davor sollten wir unser Volk bewahren.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301403700
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Dr. Heinrich Lübke (CDU):
Rede ID: ID0301403800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einer Debatte von ungefähr 5 3/4 Stunden ist es nicht so ganz einfach, das Grundsätzliche, die großen Fragen herauszunehmen und das einzelne wegzulassen. Grundsätzlich darf ich sagen, daß sich natürlich jeder Minister freut, wenn die Arbeit seines Hauses gelobt wird oder man sich immerhin damit zufrieden erklärt. Ich danke für die verschiedenen Erklärungen in dieser Richtung, die außer von unserer Fraktion auch noch von der einen oder anderen Seite erfolgt sind. Wir haben auf dem agrarpolitischen Gebiet ja das erstaunliche Schauspiel, daß sämtliche Fraktionen zum gleichen Ziel zusammenziehen. Bei allen möglichen Verschiedenheiten in der Auffassung im einzelnen und bei sehr scharfen gegenseitigen Auseinandersetzungen hat es bisher immer noch dazu gereicht, alle Fraktionen in Richtung auf das eine Ziel zusammenzuhalten. Ich glaube, das dürfte man als Erfreuliches wohl als erstes feststellen. Unter diesen Umständen werden Sie sich denken können, daß ich nicht eine kämpferische Debatte führen werde.
Ich darf jetzt aber doch auf einige Besonderheiten eingehen. Die Voraussage, die Herr Lücker gab, daß nämlich die Versachlichung der Diskussion auf diesem Gebiet eintreten werde, hat sich bestätigt. Er hat also erfreulicherweise damit recht gehabt.

(Abg. Kriedemann: Es haben noch nicht alle geredet, Herr Minister!)

— Es haben noch nicht alle geredet, aber wir wollen hoffen, daß die kommenden Geschlechter unser Geschlecht nachahmen.
Die Ausführungen des Herrn Kollegen Kriedemann zeigten, mit welch ungeheurem Fleiß er hinter dem Grünen Plan hergewesen ist, um das Gute und das Schlechte herauszuholen. Er hat sich eine Mühe gegeben, die vorbildlich ist. Ich möchte hoffen und wünschen, daß alle Kollegen im Hause sich so eingehend damit befassen. Was er aber angeführt hat, war für unser Haus nicht immer sehr schmeichelhaft. Wenn er die Seiten ganz gelesen hätte,

(Abg. Kriedemann: Das hat er!)

dann wäre er auch auf Darlegungen gestoßen, die ihn etwas vorsichtiger gemacht hätten.

(Abg. Kriedemann: Die reichen mir eben nicht!)

Er hat z. B. das auf Seite 127 des Grünen Berichts angegebene Arbeitseinkommen der Futterbaubetriebe Süddeutschlands über 50 ha von 2826 DM beanstandet, und zwar mit Recht; denn das ist ein Druckfehler.

(Abg. Kriedemann: Aber recht peinlich, gerade in dieser entscheidenden Tabelle!)

Aber die in der dritten Querspalte angegebene Größe von 3439 DM ist die Endsumme aus einer früheren Untersuchung. Auf Seite 123 ist unter der Überschrift „Die Entwicklung der Ertragslage landwirtschaftlicher Betriebe verschiedener Bodennutzungssysteme in den Wirtschaftsjahren 1953/54 bis 1956/57" aber eingehend ausgeführt, die Vergleichbarkeit der Zahlen für die aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahre werde dadurch vermindert, daß die Zahl der verfügbaren Buchführungsergebnisse in den einzelnen Betriebsgruppen, insbesondere in den kleineren Betrieben, in den letzten Jahren zahlenmäßig stark zugenommen hat; ihre Repräsentation konnte wesentlich verbessert werden. Tatsächlich haben wir im letzten Jahre statt 6000 8000 Betriebe untersucht. Wir haben außerdem eine ganze Reihe von Betrieben ausgewechselt, wie uns das von den zuständigen Stellen angeraten war. Diese Auswechslung wird auch weiter in bescheidenem Umfang stattfinden, damit der Aussagewert verbessert wird.
Diese Frage ist noch einmal auf Seite 64, und zwar auf einer vollen halben Spalte, behandelt, woraus man sieht, daß diese Dinge von dem Verfasser selbst auch erwartet worden sind.
Nun zu Seite 117, wo die gelb-rote Darstellung die Ergebnisse der Betriebssysteme wiedergibt. Auf Seite 119 sind die Dinge in einer anderen graphischen Darstellung einfacher wiedergegeben. Die Darstellung ist hier zu einem übersichtlichen Bild zusammengefaßt worden.

(Abg. Kriedemann: Herr Minister, dieser eine Satz hat mir eben nicht ausgereicht!)




Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
— Man sieht also, Sie hätten Ihr Studium noch intensivieren müssen.

(Abg. Kriedemann: Nein, ich habe ihn wohl gelesen. Er hat mir nur nicht ausgereicht. Sie werden bemerken, daß man nicht von den Sätzen und unvergleichbaren Tabellen redet und daraus falsche Schlüsse zieht!)

Dann zu der Frage: Die Landwirtschaft würde doch ganz anders gestellt sein, wenn die Kaufkraft in den letzten Jahren nicht in diesem Umfang gestiegen wäre. Daran ist sehr viel Richtiges. Ich habe aber in meinen Ausführungen zum Grünen Plan vor vierzehn Tagen eingewendet, daß in den letzten Jahren nicht nur bei den Bodenerzeugnissen, sondern seit dem Jahre 1956/57 auch bei der Veredlungsproduktion die Verkaufserlöse der Landwirtschaft gegenüber der steigenden Kaufkraft stark zurückgefallen sind.

(Abg. Kriedemann: Das ist ein Naturgesetz!)

Sie sehen die Dinge auf Seite 8 aufgeführt. Wenn Sie das durchlesen, werden Sie, glaube ich, die Gründe ermessen können, die uns dazu veranlassen, auch die Vorderen bei dem Wettrennen um die höheren Löhne etwas zu bremsen. Denn es ist nicht so, daß der Leistungswettbewerb bei der Steigerung der Löhne etwa das ausschlaggebende Moment ist. Ich denke, Herr Kollege Kriedemann, Sie werden mit mir nicht daran glauben, daß der Arbeitnehmer, der sich um die höchste Leistung bemüht, auch den höchsten Lohn hat, sondern Sie werden auch der Meinung sein, daß es bei der Lohnsteigerung doch wohl noch einige Momente gibt, die in andere Richtung weisen.

(Abg. Kriedemann: Welche, Herr Minister?)

— Na, z. B. die Gewerkschaften mit ihren Streikdrohungen. Daß dann diejenigen Gewerkschaften, die auf diesem Gebiet besonders aktiv sind, auch besonders viel erreichen, ist ja nun nicht unbedingt den Bemühungen des einzelnen Mitglieds zuzuschreiben.
Es handelt sich zwischen uns nur um die Frage des Leistungswettbewerbs.

(Abg. Kriedemann: Aber die Sache fängt ja nicht mit der Streikdrohung an, Herr Minister!)

— Nein, sicher nicht, man fängt mit einer friedlichen Verhandlung an.

(Abg. Kriedemann: Nein, es fängt damit an, daß in der Wirtschaft so viel drinsitzt, daß es herausgeholt werden muß, damit die Landwirtschaft genügend Schweinefleischesser hat, Herr Minister!)

Dann wurde gesagt: Der Grüne Plan ist ja ganz gut, aber das Geld ist immer an die falschen Stellen geflossen. — Wir haben zwei große Beträge in unserem Etat. Das ist ein Betrag von etwa 300 Millionen DM für die Verbilligung von Handelsdünger und ein Betrag von 400 Millionen DM für die Milchprämien. Diese sollen also draußen nicht richtig angekommen sein. Ich habe die Unterlagen
dafür hier und darf Ihnen zunächst einmal sagen
— diese Drucksache bekommen Sie auch, die wird Ihnen morgen in die Schubfächer gelegt werden —,

(Zuruf von der Mitte: Ist schon da!)

daß in den Betrieben unter 20 ha der Anteil der Kühe an der Gesamtzahl der gehaltenen Kühe 75,8% beträgt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Daraus können Sie ersehen — da wir die Betriebe unter 20 ha ja doch wohl zu den kleinen Betrieben rechnen müssen —, daß die Masse der Kühe in den kleinen Betrieben steckt und daß diese Subventionen, wie sie genannt werden — ich nenne sie „Milchprämien", weil sie auf die Qualität besonderen Einfluß nehmen —, also den kleinen Betrieben zugute gekommen sind.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Abg. Kriedemann: Das ändert aber nichts daran, daß auch Leute Geld bekommen, die es nicht brauchen!)

— Wissen Sie, dann müßte man die Bedürftigkeitsprüfung einführen. Aber das macht man nicht einmal bei der Rentenversicherung.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kriedemann: Die Bedürftigkeitsprüfung haben Sie im Grünen Plan, Herr Minister!)

Dann zu der Frage: Wieviel Kühe stehen in Ställen von Betrieben mit bis zu 5 Kühen? Das sind 64 °/e, also rund zwei Drittel aller Kühe, Wenn Sie sich zu dieser Zahl dann noch überlegen, daß die Reserven aus der Milchablieferung hauptsächlich aus den Bezirken mit den kleinen Betrieben gekommen sind, dann werden Sie mir zugeben, daß gerade auf diesem Gebiet die besten Ergebnisse erzielt werden mußten, einfach weil die kleinen Betriebe da im Vordergrund des Interesses standen. Ich kann Ihnen außerdem auch noch die Zahlen über die Auswirkung der Milchprämie für die verschiedenen Betriebsgrößen geben. Die Betriebe unter 10 ha haben in Norddeutschland 46 DM, in Süddeutschland 29 DM, im ganzen Bundesgebiet 38 DM je ha als Milchprämie bekommen. Die Betriebe von 10 bis 20 ha haben 34 DM und die über 50 ha haben 24 DM erhalten.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301403900
Wie sieht die Sache nun aus, wenn man es nicht auf den Betrieb, sondern auf die in dem Betrieb beschäftigten Leute abstellt? Wenn Sie das eine dividieren durch den Arbeitskräftebesatz in den größeren Betrieben und das andere dividieren durch den Arbeitskräftebesatz in den kleineren Betrieben?

Dr. Heinrich Lübke (CDU):
Rede ID: ID0301404000
Das wird wohl eine etwas künstliche Rechnung sein, Herr Kriedemann.

(Abg. Kriedemann: Nein!)

— Das hat beides nichts miteinander zu tun.

(Abg. Kriedemann: Doch! Aber sicher! — Weiterer Zuruf von der SPD: Es geht um die Menschen, die davon leben wollen!)




Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
— Wir wissen doch alle darüber Bescheid, daß ein entsprechendes Arbeitseinkommen auch in den kleinen Betrieben auf die Dauer nur dann erreicht werden kann, wenn die Zahl der Arbeitskräfte heruntergeht.

(Abg. Kriedemann: Natürlich!)

Daß wir hier aber besondere Prämien ausschreiben sollen für die Erhaltung der Arbeitskräfte in diesen Betrieben, das geht, glaube ich, doch wohl an der Sache vorbei.
Nun noch etwas zum Kunstdünger. Das ist eine wesentlich schwierigere Angelegenheit. Im Grünen Plan haben wir an Förderungsbeiträgen für alle Betriebe unter 20 ha — diese machen 65 % der Fläche aus — 158 Millionen DM und für die Betriebe über 20 ha 98 Millionen DM, zusammen also 256 Millionen DM bereitgestellt. Für 65 % der Fläche haben wir also eine Summe von 158 Millionen und für 35 % eine Summe von 98 Millionen DM aufgewandt. Das entspricht sich ungefähr. Die Vergleichszahlen beweisen, daß die Behauptung, die von anderer Seite, nicht hier im Hause, aufgestellt worden ist, diese Prämien machten die Reichen reicher und die Armen ärmer, unhaltbar ist.
Auch hinsichtlich der Verteilung der Düngerzuwendungen ist unser Ziel erreicht worden. Denn in den Ländern mit den kleinen Betrieben, also in Hessen, in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg und in Bayern, sind die Steigerungen größer als in den norddeutschen Ländern..

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.)

Während wir z. B. bei Stickstoff in Schleswig-Holstein eine Zunahme von 15,9 %, in Niedersachsen eine Zunahme von 7,7% und in Nordrhein-Westfalen eine Zunahme von 10 °/o zu verzeichnen haben, beträgt die Zunahme in Hessen 17 %, in Rheinland-Pfalz 13,5%, in Baden-Württemberg 20,2 % und in Bayern 17,7 %. Ähnlich sind die Steigerungen bei Phosphordünger und bei Kalidünger, wie Sie in Ihren Unterlagen nachprüfen können.

Herbert Kriedemann (SPD):
Rede ID: ID0301404100
Beweist das nicht eigentlich, daß z. B. in Niedersachsen eine Maßnahme zur Förderung des Kunstdüngerverbrauchs offenbar nicht nötig gewesen ist?

Dr. Heinrich Lübke (CDU):
Rede ID: ID0301404200
In Niedersachsen hat man früher auch schon sehr intensiv gedüngt. Infolgedessen hat der Düngerverbrauch dort weniger zunehmen können als in anderen Bezirken.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wenn ich eine optimale Düngung gebe, kann ich praktisch durch den Förderungsbeitrag nicht mehr angereizt werden. Wenn wir diese Leute aber heraussuchen wollten, brauchten wir einen DiplomLandwirt als Betriebsberater für jeden einzelnen Betrieb. Wir haben uns bei der Beratung des ersten Grünen Plans darüber unterhalten, wie man diese Schwierigkeit ausschalten könnte. Wenn ein vernünftiger Vorschlag gekommen wäre, wäre er doch sicher befolgt worden. Da ist vorgeschlagen worden, wir sollten ein Düngekataster aufstellen. Wenn wir das hätten aufstellen wollen, hätten wir bis heute noch keine Düngerförderungsbeiträge bezahlen können.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Kriedemann: So haben die Leute in Niedersachsen wenigstens inzwischen Geld gekriegt!)

Über die Roggenanbauprämie, Herr Kriedemann, bestanden keine ganz klaren Vorstellungen, vielleicht auch nicht bei anderen Teilen des Hauses. Wir haben im letzten Jahre 3,8 Millionen t Roggen geerntet. Roggenlieferprämien sind im ganzen nur für 1,7 Millionen t, also etwas über 40% der Gesamternte, beantragt worden. Ich habe einmal nachzuprüfen versucht, woher diese Roggenmengen kommen. Wahrscheinlich — ich kann es im einzelnen noch nicht nachweisen; ich gehe den Dingen aber weiter nach — aus denjenigen Gebieten, wo nicht der leichte Boden, sondern ein mittlerer oder guter Boden vorhanden ist, wo also die Roggenlieferprämie gar nicht so dringend war.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Im Münsterland und im Emsland z. B. wird praktisch überhaupt keine Roggenlieferprämie bezahlt. Roggenlieferprämien sind bezahlt worden in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern. Die anderen Länder sind davon fast unberührt.

(Zuruf des Abg. Kriedemann.)

Diese Roggenlieferprämie soll nun fallen, in zwei Raten sozusagen. Was dafür eingesetzt ist und welche Summe Geld übrigbleibt — es handelt sich da nicht nur um Prämien für den Rapsanbau —, darüber ist noch gar nicht endgültig gesprochen und verhandelt worden. Sondern es sind Maßnahmen vorgesehen, die die Verluste, die eventuell durch den Roggenanbau auf leichtem Boden entstehen können, wieder wettzumachen. Da haben wir Auswahlmöglichkeiten nach allen Richtungen. Über diese Dinge kann eingehend gesprochen werden.

(Abg. Kriedemann: Gott sei Dank!)

Es würde sehr schwer sein, den Verbrauch von Margarine zur Butter überzuleiten. Zum erstenmal seit Jahren ist dies im Vorjahre etwas gelungen. Wir haben im Vorjahr 15 000 t Margarineproduktion weniger und einen entsprechenden Verbrauch an Butter mehr gehabt. Ich glaube, das ist auch ein Beweis dafür, daß die Stabilität der Butterpreise und auch die Preiswürdigkeit der Butter durchaus entsprechend sind; sonst wäre die Zunahme nicht eingetreten.
Die Vorschläge, die Kollege Bauknecht hier im einzelnen gemacht hat, werden uns wahrscheinlich bei den Beratungen im Ausschuß im einzelnen noch beschäftigen. Ich will der vorgeschrittenen Zeit wegen auf diese Dinge jetzt im einzelnen nicht eingehen, ebenfalls nicht auf die Vorschläge, die Herr Kollege Lücker gemacht hat.
Herr Köhler aus Bühnsdorf beschwerte sich darüber, daß ich den Selbsterhaltungswillen der



Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
Bauernschaft bezweifelt hätte. Herr Kollege Köhler, wenn ich dieser Meinung wäre, würde ich gar nicht den Optimismus haben, diese Maßnahmen in den Stiel zu stoßen. Wenn die Bauernschaft diesen Selbsterhaltungswillen nicht hätte, dann brauchten wir diese Arbeiten gar nicht zu beginnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und vereinzelt bei der SPD.)

Dann zur Frage der Gesamtparität. Herr Kollege, die Gesamtparität lag Ihnen so sehr am Herzen. Ich habe bei meinen Ausführungen vor etwa zehn Tagen erklärt, warum wir auf diesen Wunsch vieler Bauern nicht eingegangen sind. Einfach deswegen nicht, weil wir in der Praxis der Gestaltung des Hilfsprogramms mit dieser Globalzahl gar nichts anfangen können und weil es zweitens sehr naheliegt, daß sich unkundige Leute darunter vorstellen, das sei eine Summe, auf die sie einen Rechtsanspruch hätten. Der Rechtsanspruch ist nirgendwo und an keiner Stelle in irgendeinem Paragraphen des Landwirtschaftsgesetzes festgelegt. Wollen Sie bitte mal nachsehen.
Ich glaube, die Bundesregierung hat recht daran getan, diese Globalberechnung nicht anzustellen; denn schon auf die erste Kunde hin, daß im Bauernverband daran gerechnet wurde, haben sich schon wieder Leute gefunden, die besser rechnen können und wesentlich mehr ausgerechnet haben. Der Optimismus, daß damit der Streit um die Höhe der Disparität aufhören würde, hat sich nicht bestätigt. Wenn wir uns alle darin einig sind, daß wir mehr Wert auf die Durchführung und auf die Größe der Hilfsmaßnahmen legen als auf die Feststellung einer großen Disparität, dann würden wir alle produktivere Arbeit für das Bauerntum leisten als durch die Berechnung einer Disparität.

(Beifall in der Mitte.)

Der Schuldenstand von 9,3 Milliarden DM, so wurde gesagt, sei entstanden, ohne daß man irgend etwas investiert hätte. Kollege Lücker hat von den Investitionen im landwirtschaftlichen Betrieb gesprochen. Hinzu kommen die Investitionen auf den Gebieten der Wasserwirtschaft, des Wegebaus und der Elektrifizierung. Insgesamt sind im vorigen Jahr 4 Milliarden DM investiertworden, wenn man die 2,3 Milliarden DM, die Herr Lücker schon nannte, einschließt. In diesen 4 Milliarden DM sind praktisch von den öffentlichen Stellen, also von Bund, Ländern und Gemeinden, 851 Millionen DM an Zuschüssen und außerdem nicht ganz 11/2 Milliarden DM Mittel vom Kapitalmarkt enthalten. Daran, daß man sich heute überlegt, wie man die Investitionen steigert — soweit sie sinnvoll sind —, können Sie sehen, daß auf diesem Gebiete einiges geschehen soll. Es könnte natürlich gesteigert werden. Ich halte es aber für ungesund, es willentlich besonders zu überstürzen. Das würde nur zu einer vielleicht etwas leichtfertigen oder nicht voll durchdachten Verschuldung führen, und dafür sind Sie doch auch nicht.
Wenn wir also hier eine Maßnahme ergriffen — die Dinge werden uns ja noch im Ausschuß beschäftigen —, bei der der Bund mit einem Schlage 5 Milliarden Bürgschaft geben müßte — es hat uns bisher an Bürgschaften noch gar nicht gefehlt —, dann würde das wahrscheinlich eine sehr schnelle Verschuldung bewirken.
Sie fragten: Wie war es nun möglich, daß trotzdem noch vieles geschehen ist? Es seien sehr viele und sehr zweckmäßige und sehr gute Maßnahmen dabei gewesen, und trotzdem sei es nicht besser geworden. Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß es besser geworden ist,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

und zwar auch spürbar, wenn auch nicht so, daß man sagen könnte, es sei etwa aufregend besser geworden. Ich habe darauf hingewiesen, wie groß die Disparität allein im Arbeitseinkommen ist. Aber wenn Sie nur den Schuldenstand und die Investitionen im letzten Jahre — was ja zur Debatte stand — betrachten, wenn Sie die Investitionen von 2,3 Milliarden DM mit der Schuldenzunahme von 943 Millionen DM vergleichen, erkennen Sie, daß wir schon wesentlich besser dastehen als in den beiden letzten Jahren. Ich könnte Ihnen noch viele andere Dinge nennen.
Aber warum ist es nicht besser geworden? Sie sagten — das will ich scherzhaft hinzufügen —, solange Ihre Partei dabeigewesen sei, sei es einigermaßen richtig gelaufen. Wir bedauern ja alle, daß Sie nicht mehr dabei sind!

(Lachen bei der FDP.)

Aber es ist seitdem jedenfalls nicht schlechter gegangen.

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU. — Zuruf von der FDP.)

— Ja, das will ich Ihnen gar nicht bestreiten!
Dann sagten Sie, der grundlegende Fehler bestehe in der Vernachlässigung des Preises. Wenn das die Bauern draußen in den Versammlungen hören, sagen sie: Was muß das für ein verhängnisvoller Ernährungs- und Landwirtschaftsminister sein, der sich um die Preise nicht viel kümmert. Es ist Ihnen bei Ihren Nachforschungen vielleicht entgangen, daß wir von 1953 bis 1957 eine Preissteigerung für landwirtschaftliche Produkte in Höhe von 14 % gehabt haben.

(Zuruf rechts: Wenn Sie die Indices vergleichen!)

— Nein, das sind keine Indicesvergleiche; das können Sie an Hand der Produktenpreise nachweisen, wenn Sie sich in dem verbleibenden Teil des Winters die Zeit nehmen wollen. Ich glaube, wir kommen in dieser Frage überein.
Da nun die Preise nicht ausreichen, müssen Subventionen helfen. Das hat Herr Kollege Preiß sehr richtig dargestellt. Als ich 1953 mein Amt antrat, habe ich gesagt, wir wollten versuchen, die Unkosten herunterzudrücken. Ich habe mich darum bemüht. Wir haben mindestens das eine erreicht, daß wir auf dem Gebiete der Versorgung mit landwirtschaftlichen Maschinen, insbesondere mit Schleppern, auf einem sehr preiswerten Niveau geblieben



Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
sind. Auf diesem Gebiete wird sich ja' hoffentlich in nächster Zeit auch noch einiges ändern. Aber da ich damit nun nicht weiter kam, weil in den folgenden Jahren, was ich beklage, der Produktivitätszuwachs nur in die Löhne ging, konnten wir von uns aus nichts anderes tun als versuchen, über den Bund und über die Länder die Unkosten zu vermindern. Das haben wir mit dem Handelsdünger getan, das haben wir mit den Steuern getan, mit der Umsatzsteuer, mit der Einkommensteuer usw., das haben wir mit dem Dieselkraftstoff getan. Sowohl die Unkostensenkung wie auch die Preiserhöhung sind in einem gewissen, vielleicht nicht ausreichenden, aber in einem gewissen fühlbaren Maße Tatsache geworden. Außerdem meine ich, daß man das ominöse Wort „Subventionen" überhaupt vermeiden sollte, wenn man es für so schwerwiegend hält, daß bei dieser Situation der Landwirtschaft Subventionen gezahlt werden. Ich habe schon in meiner Rede damals mit Recht aufgezeigt, daß wir Milchprämien zahlen und daß die Bauern nicht Subventionen für den Kunstdüngerbezug bekommen, sondern für Förderungsmaßnahmen, die seine Anwendung erhöhen. Das ist eingetreten.
Wenn wir dann zuviel produzierten, sagte Herr K ö h l e r, müßte man an einem bestimmten Punkt Schluß machen. Als er dann auf diesen Schluß aufmerksam gemacht wurde, sagte er: Natürlich müßten diese 4 Pf weitergezahlt werden.

(Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

Die Landwirtschaft sei vom Kapitalmarkt abgehängt worden, wurde gesagt. Meine Damen und Herren, ich kann mich erinnern — ich kenne die Zahl aus dem Kopf —: Wir haben allein an zinsverbilligten Darlehen vom Kapitalmarkt in der Zeit von Mitte 1954 bis 1957 1 2/3 Milliarden DM bekommen. Darüber hinaus hat die Landwirtschaft noch so viel vom Kapitalmarkt bekommen, daß sie in jedem der Jahre einen Schuldenzuwachs von einer Milliarde DM hatte. Abgehängt war sie also jedenfalls nicht. Aber die hohen Zinsen haben sie gedrückt.

(Sehr richtig! rechts.)

Für alle die Maßnahmen, die wir als besonders dringend angesehen haben, haben wir die Zinsverbilligung erreicht und eingeführt.

(Zuruf rechts: Und die kurzfristigen Gelder, Herr Minister?)

— Und die kurzfristigen Gelder. Dabei muß ich aber darauf hinweisen, daß unsere mittel- und langfristigen Schulden zur Zeit 5,3 Milliarden DM betragen, die kurzfristigen 3,5 Milliarden DM. Die Dinge haben sich in der letzten Zeit stark verändert.
Meine Damen und Herren, Herr Rehs hat für die Siedler ein gutes Wort eingelegt. Ich will ihm seine Fragen beantworten. Die erste Frage: „Werden für das Siedlungsprogramm 1958 die erforderlichen Mittel den Ländern rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung gestellt?" beantworte ich: sie werden in der Höhe des Vorjahres beschleunigt zur Verfügung gestellt. Die zweite Frage lautete:
„Werden im Haushalt 1958 Zuschüsse zur wirtschaftlichen Festigung der eingegliederten Heimatvertriebenen vorgesehen?" Wir haben eine ständige Wirtschaftsberatung draußen, und es wird von den Ländern ständig kontrolliert, wo Betriebe sind, die vielleicht nicht genügend gesund sind und die Hilfe brauchen. Für die wird gesorgt. Wir werden die Beratung auf diesem Gebiet ausdehnen. Wir werden Ihnen im nächsten Jahr auch einen entsprechend eingehenden Bericht über die Lage der Siedler im Grünen Bericht vermitteln.
Herr Dr. Preiß wollte

(Zuruf rechts: Schweineberg!) den Schweineberg besiegen.


(Heiterkeit.)

Darauf komme ich noch.
Versuchen, wie sie heute in der „Welt" zum Vorschein gekommen sind, nämlich den Grünen Bericht zu diskreditieren, sollte man rechtzeitig entgegentreten. Ich glaube, das wird wohl geschehen. Der betreffende Herr, um dessen Artikel es sich hier handelt, war mehrfach im Landwirtschaftsministerium gewesen. Er konnte aber von der Richtigkeit des Grünen Berichts nicht überzeugt werden. Da kann man nur sagen: Man kann ihm nicht helfen.

(Heiterkeit.)

Wenn er diese Dinge schreibt, dann werden wir in der Presse, in der Tagespresse sowohl wie in den Wochenschriften darauf hinweisen, wo bei ihm der Irrtum liegt. Vielleicht kommt er auf diese Art dahinter.
Herr Preis wollte auch das Leitbild für die Betriebe haben, wie sie nun aus der Agrarstruktur hervorgehen sollen. Sie kennen vielleicht den Ratgeber für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur, der in der Schriftenreihe der Gesellschaft zur Förderung der inneren Kolonisation herausgegeben worden ist. Da steht unter „Leitbilder für bäuerliche Familienbetriebe" — das ist von unserem Hause gebilligt —:
Die Verbesserung der Agrarstruktur ist in ihrem Kern auf das Ziel der Herausbildung gesunder bäuerlicher Betriebe gerichtet. Als Leitbild dafür können Betriebe gelten, die geeignet sind, einer Familie volle Beschäftigung und ein angemessenes Einkommen allein aus der Landwirtschaft zu bieten.
Sie werden darin die Größe vermissen. Glauben
Sie, daß es richtig wäre, hier eine Größe zu nennen?

(Zurufe von der Mitte: Nein!)

Sollen wir sagen: 10 ha, 7 ha, 5 ha? Das hängt doch von der Absatzlage, von der Bodenqualität und von dem Betriebsleiter ab. Die Formulierung, die wir gewählt haben, ist die einzige, die wirklich Bestand haben kann.
Auf die anderen Dinge, die hier gesagt worden sind, will ich nicht eingehen, weil sie im einzelnen noch beraten werden können.



Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
Mit marktkonformen Mitteln könnte ein Schweinepreis wie zum Beispiel vor zwei Jahren gehalten werden. Dort haben wir den sehr günstigen Schweinepreis von 1,30 DM, 1,31 DM und 1,34 DM gehabt. Damals haben viele Leute aus der Bauernschaft gesagt — ich sehe hier einige davon vor mir sitzen —, daß ein solcher Schweinepreis sobald nicht wiederkehren würde. Aber auch damals wurde geklagt, daß der Preis zu niedrig sei; wir sollten auf 1,40 DM hinauf.
Als die Sozialdemokraten damals die Frage stellten, was wir uns bei den Preisen vorstellten, habe ich gerade die Schweinepreise als Beispiel dafür genommen, daß man sich da nicht festlegen kann; denn wenn man versucht, sie zu halten, geht man in die Pleite. Das ist überall so gewesen. Die holländischen Bauern wollten ihren früheren Minister Manshold zwingen, ihnen Festpreise für die Schweine zu geben. Er hat es abgelehnt. Sie haben ihm dann den Vorschlag gemacht, sie wollten für eine bestimmte Ablieferungszahl einen sicheren Preis haben, und das übrige wollten sie über den Export in den Orkus werfen. Das ist ein Verfahren, das wir uns nicht erlauben können.
Weil ich die vorübergehende Flaute in den Schweinepreisen im vorigen Jahr unterschätzt habe, habe ich mehrere hunderttausend Schweine aus dem Markt genommen. Das Ergebnis war, daß der Schweinepreis immer weiter sank, nämlich auf 1,12 DM pro Pfund Lebendgewicht am Markt; das war für den Bauern etwa 1,00 DM bis 1,02 DM. Das war wirklich nicht begeisternd. Es trat von dem Lande her eine Überbeschickung der großen Märkte ein. Wir zogen, weil wir auf den großen Märkten die Preise künstlich hielten, die Schweine weg, die dann einfach auf dem Lande für die kleinen Städte geschlachtet wurden. Wir kamen damals in eine völlig künstliche Situation hinein. Mit diesen Maßnahmen ist also bei einem so hohen Angebot an Schweinen nichts zu machen.

(Abg. Kriedemann: Ich möchte nur, daß das Gerede über die Preise aufhört, ohne daß die Leute sagen, was sie wollen!)

— Von mir haben sie noch nichts gehört.

(Abg. Kriedemann: Ich habe Sie auch nicht gefragt!)

— Ich bin etwas vorsichtig veranlagt. (Abg. Kriedemann: Das weiß ich!)

Herr Schmidt (Gellersen) hat von der Agrarstruktur, der Flurbereinigung, der Aufstockung und der Aussiedlung gesprochen. Er meinte, daß für die Flurbereinigung im Vorjahr 75 Millionen DM zur Verfügung gestanden hätten und daß es in diesem Jahr 97 Millionen DM seien. Herr Kollege Schmidt, das stimmt nicht. Für die Flurbereinigung sind in diesem Jahre 120 Millionen DM vorgesehen. Es werden aber nun von Ihnen und auch von Hessen aus — von Hessen geht der Zehnjahresplan aus —190 Millionen DM verlangt, damit jede Zusammenlegung vorfinanziert werden kann. Das heißt den Ländern die Sache wirklich zu bequem machen. Es ist nicht zu verantworten, vom Bund allein derartige Summen zu geben. Als Sie Ihre 190 Millionen DM forderten, habe ich mir das Gesicht des Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Herrn Kollegen Schoettle, angesehen. Er lachte sehr weise vor sich hin. Ich glaube, er hat sich dabei gedacht: Ihr habt gut fordern; wir müssen es nachher bewilligen.
Wenn wir dieses Verfahren einschlagen, könnten wir vielleicht 80 % der Zusammenlegung der jetzt vorhandenen Fläche vorfinanzieren. Das können wir vielleicht ein Jahr machen. Dann werden wir schon 250 Millionen DM und dann 400 Millionen DM ausgeben müssen, weil es dann keine Kunst mehr ist, zusammenzulegen. Dann weigert man sich, den eigenen Beitrag zu leisten.
Ich habe neulich in einer Versammlung, in der ein etwas unterentwickelter Beteiligter dabeisaß, folgenden Scherz erlebt. Er verlangte, 90 % der ganzen Flurbereinigungskosten müsse der Bund vorschießen. Da wurde ihm aus der Versammlung Widerstand geleistet: Das sei unberechtigt, bisher sei noch keine Flurbereinigung an dem Mangel an Mitteln gescheitert. „Ja", sagte der dann, „der Staat will ja, daß wir zusammenlegen. Wir wollen das ja gar nicht."

(Heiterkeit.)

Das war die Begründung für die 90 %!
Wir wollen die Dinge nicht so leicht machen. Wir haben für unsere Behörden so viel Arbeit, daß wir gar nicht durchkommen. Zu den 120 Millionen DM im Jahre, die der Bund zahlt, geben die Länder 90 Millionen DM; sie setzen sich zusammen aus 50 Millionen DM Verwaltungskosten und 40 Millionen DM an Sachkosten. Diesen Betrag haben die Länder auch noch nicht weiter erhöht. Wir müssen doch auch sehen, daß die Länder mitziehen.
Über den 10-Jahres-Plan werden wir uns, glaube ich, im Ausschuß leicht einig. Ich bin immer davon ausgegangen, daß das 15 Jahre dauern wird; Herr Kriedemann hat eben noch darauf aufmerksam gemacht. Wenn jetzt drei Jahre herum sind, dann bleiben noch 12 Jahre, und dann werden wir uns leicht auf 10 einigen können. An Plänen hat es uns in den letzten Jahren noch nicht gefehlt; wir sollten mit Plänen besser etwas zurückhaltend sein.

(Abg. Kriedemann: Aber am Tempo, Herr Minister!)

— Das Tempo ist von uns, soweit es ging, mit Fleiß gesteigert worden, auch dadurch, daß wir, was alle Leute zunächst für unmöglich hielten, sogar die Flurbereinigung, die Aufstockung und die Aussiedlung aus dem behördlichen Fahrwasser herausgenommen haben.

(Abg. Kriedemann: Sehr schön!)

Wenn wir uns, wie jetzt gesagt worden ist, nach dem Tempo der Anforderungen richten sollten, kämen wir, wenn wir damit rechnen, daß ungefähr 300 000 Betriebe auszusiedeln sind, und 15 Jahre dafür ansetzen, auf 20 000 Gehöfte im Jahr. Das ist, von der Baukapazität in Deutschland aus gesehen, bestimmt leicht möglich; das ist gar kein Kunststück.



Bundesernährungsminister Dr. h. c. Lübke
Wenn die Gehöfte so praktisch und so sinnvoll gebaut werden, wie es heute bei den neuen Gehöften tatsächlich geschieht, dann ist es eine Freude, sie draußen zu sehen, und es ist für die Bauern ein sehr zweckmäßiges und sehr rationelles Arbeiten in diesen Gehöften.
Meine Damen und Herren, wir haben, wie ich vorhin schon sagte, an diesen Fragen gemeinsam gearbeitet. Wir haben versucht, in der Agrarpolitik eine gemeinsame Linie zu finden, wenn wir auch in manchen Einzelheiten auseinandergehen. Solange wir hier im Bundestag dieses Verfahren behalten, daß wir eine einzige klare Front für die Festlegung der Agrarpolitik haben, wird die Agrarpolitik auf die Dauer in der gesamten Bevölkerung eine derartige Autorität genießen, daß sie meines Erachtens für die nächsten Jahrzehnte Bestand haben wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301404300
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.

Detlef Struve (CDU):
Rede ID: ID0301404400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegen von verschiedenen Fraktionen noch Anträge vor. Mit Rücksicht auf die fortgeschrittene Zeit haben die Kollegen dankenswerterweise auf eine Begründung verzichtet. Ich darf das Hohe Haus daher bitten, die Anträge Umdruck 15, 16, 17, 20 und 21 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Mit Zustimmung der antragstellenden Fraktionen darf ich bitten, auf dem Antrag Umdruck 20 in der Überschrift das Wort „Entschließungs" zu streichen. Es heißt also nur „Antrag".

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0301404500
Ausgangspunkt sind die Aufzeichnungen, die Buchführung von 7000 bis 8000 Bauern unserer Bundesrepublik; ihnen gebührt unser aller Dank. Es steckt aber auch eine ungeheure Arbeit darin, die vor allen Dingen von Wissenschaftlern gefördert wurde, wenn der diesjährige Grüne Bericht zum erstenmal Spezialuntersuchungen über die Fragen des Gartenbaues und des Weinbaues und über die besondere Lage der Pachtbetriebe enthält. Wir können gar nicht genug nach dieser Richtung tun, um die Beweiskraft, den Aussagewert — wie hier schon von Kollegen zum Ausdruck gebracht wurde — immer mehr zu erhöhen. Auch die zuständigen Herren des Ministeriums, die zusammen mit Praktikern und Wissenschaftlern an diesem Bericht erneut ein ganzes Jahr gearbeitet haben, verdienen den Dank des Hohen Hauses. Ich glaube aber auch, die Debatte hat erneut bewiesen, daß in den zurückliegenden acht Jahren das Hohe Haus, aber auch die Bundesregierung nichts unterlassen haben, um die schwierige Lage der deutschen Landwirtschaft zu bessern. Dies ist gerade bei den drei Grünen Plänen besonders zum Ausdruck gekommen. Ich möchte hier, vor allen Dingen im Namen der Regierungskoalition, der Bundesregierung den Dank abstatten und möchte insbesondere Ihnen, Herr Bundesminister Dr. Lübke, mit Ihren Mitarbeitern für diese Vorlage herzlich danken.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Wenn in der Debatte hier und da, vor allem in der Frage der Preise und Löhne, aber auch in anderen Fragen die Meinungen recht lebhaft wurden, dann wird, glaube ich, oft vergessen, was hier in den zurückliegenden nunmehr acht bis neun Jahren geleistet worden ist. Wir haben eine Umwandlung innerhalb unserer deutschen Wirtschaft durchmachen müssen, ein Tempo ist uns vorgezeichnet worden. Damit haben wir eine Aufgabe gehabt, wie sie wohl noch nie einem deutschen Parlament gestellt worden ist.

(Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

Wenn wir feststellen, daß von Jahr zu Jahr mehr Arbeiter und Angestellte zwar in unselbständige Arbeit, aber doch in befriedigender Weise in Arbeit und Brot gebracht worden sind, dann dürfen wir nicht die großen Spannungen verkennen, die auf der anderen Seite für den selbständigen Mittelstand und hier insbesondere für die Landwirtschaft entstanden sind. Ich möchte hier den Wunsch des Herrn Bundesministers unterstreichen; ich bin der Auffassung, daß wir unbekümmert um Grüne Pläne unsere Anstrengungen fortsetzen müssen, damit diese schwierige Lage der Landwirtschaft auch in Zukunft gemeistert wird. Wenn in diesem Zusammenhang auch hier wiederholt ein Appell sowohl an Unternehmer als auch an andere Gruppen, nicht zuletzt auch an Arbeitnehmer, gerichtet wurde, dann glaube ich, er kann nicht falsch verstanden werden, wenn man sich der großen Aufgabe bewußt wird, die nicht einseitig im Wirtschaftlichen, sondern nach meiner Meinung auch im Gebiete des Sozialen liegt. Jahrhundertelang ist in der deutschen Landwirtschaft durch immer weitere Teilung in kleinere Einheiten eine Entwicklung vor sich gegangen, wie sie auch in der Ausstellung draußen in der Vorhalle zum Ausdruck kommt, unter der Überschrift: Vor der Flurbereingung sah es im Dorf so aus — nach der Flurbereinigung so. Ich glaube, daß allein durch ein solches Bild jedem Außenstehenden klar wird, eine wie große Aufgabe Parlament und Regierung noch vor sich haben, um hier die Selbsthilfe der Bauern mit der notwendigen Staatshilfe zu unterstützen. Ich bin der Auffassung, daß das noch lange Jahre notwendig sein wird. Denn darüber müssen wir uns völlig klar sein, was in Jahrhunderten entstanden ist, soll, am liebsten unter Hinweis auf die Europäische Wirt-



Struve
schaftsgemeinschaft, beinahe in einem Jahrzehnt wieder in eine andere Richtung gebracht werden. Diese Aufgabe ist nicht nur wirtschaftlich, nicht nur politisch schwer, sondern sie stellt auch die größten Ansprüche an die betroffenen Menschen.
Wir müssen uns völlig darüber klar sein, daß diese Dinge nicht etwa mit einseitigen parteipolitischen Gesichtspunkten zu meistern sind, sondern wir werden hier geschlossen zusammenstehen müssen, um das Leben auf dem Lande lebenswert zu gestalten, aber auch lebenswert zu erhalten. Wenn wir uns hier auch in der Feststellung einig sein können, daß alles, was über die Preise zu machen ist, getan werden soll und muß, dann sollten wir nicht verkennen, daß auch große Förderungsbeiträge notwendig sein werden, um dieses wichtige Anliegen für die Zukunft sicherzustellen. Wir sind deshalb der Auffassung, daß alles,• was unter der Überschrift „Verbesserung der Arbeits- und Lebensverhältnisse der Bevölkerung auf dem Lande" getan wird, gut angelegt ist. Trotz aller Hinweise auf notwendige Einsparungen meine ich, daß das Landwirtschaftsgesetz uns nicht nur die Pflicht auferlegt, darauf hinzuweisen, sondern daß wir aus ihm auch das Recht ableiten können, diese für die Landwirtschaft notwendigen Beträge auch für die Zukunft sicherzustellen. Wenn zur Verbesserung der Einkommensverhältnisse nicht alles über Preise, über handelspolitische, über zollpolitische Maßnahmen hereinzubringen ist, wollen wir uns auch nicht scheuen, Beträge des Staates einzusetzen, um hier ergänzend einzugreifen.
Ich darf nun noch darauf hinweisen, daß auch der Antrag Drucksache 138 (neu) dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — federführend — und dem Haushaltsausschuß — zur Mitberatung — überwiesen werden muß.
Nunmehr darf ich dem Hohen Hause den folgenden Entschließungsantrag zur Annahme empfehlen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundestag hat den Bericht der Bundesregierung über die Lage der Landwirtschaft gemäß §§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes zur Kenntnis genommen und stimmt den vorgeschlagenen Maßnahmen im Grundsatz zu. Er erwartet, daß die Richtlinien zu ihrer Durchführung im Benehmen mit den Ländern umgehend erlassen werden.
Die Bundesregierung wird ersucht, ihre Anstrengungen im Rahmen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zu verstärken, um im Sinne des Landwirtschaftsgesetzes den Ausgleich zwischen Ertrag und Aufwand in den landwirtschaftlichen Betrieben zu erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0301404600
Meine Damen und Herren, die weiteren Wortmeldungen sind zurückgezogen worden.

(Beifall und Zuruf: Gott sei Dank!)

Es liegt also keine Wortmeldung mehr vor; ich schließe die Aussprache.
Ich stelle fest, daß bei dem Umdruck 20 die Überschrift „Entschließungsantrag" in ,,Antrag" der Abgeordneten Mauk und Genossen geändert worden ist.
Ich komme zur Abstimmung. Es ist beantragt, den Umdruck 15, Antrag der Fraktion der SPD, den Umdruck 16, Antrag der Fraktion der SPD, den Umdruck 17, Antrag der Abgeordneten Höcherl, Bauer (Wasserburg), Fuchs, Krug, Lücker (München) und Genossen, den Umdruck 20, Antrag der Abgeordneten Mauk und Genossen, und den Umdruck 21, Antrag der Abgeordneten Mauk und Genossen, dem Ernährungsausschuß — federführend — und dem Haushaltsausschuß — mitberatend — zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Der Umdruck 19, Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, kommt zur
Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen.
Zu Punkt 2 b ist beantragt, die Drucksache 138 (neu) an den Ernährungsausschuß — federführend — und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Wir stehen am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag, den 28. Februar, 9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.