Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung sind zwei Ergänzungsanträge zu bescheiden. Nach einer Vereinbarung des Ältestenrates vom 18. Januar soll die heutige Tagesordnung erweitert werden erstens um die Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betreffend berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend und zweitens um die Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen (23. Ausschuß) über den Entwurf einer Einundfünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung — 2. Teil) (Drucksachen 2037, 2026). Ist das Haus einverstanden, daß die Tagesordnung in der Weise, wie beantragt, ergänzt wird? — Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. Ich werde diese beiden Punkte erst gegen Schluß der Sitzung aufrufen, weil die Vorlagen noch nicht alle ausgedruckt vorliegen.
Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde .
Frage 1 betrifft Überbesetzung der Züge im Berufsverkehr auf der Strecke Leonberg—Stuttgart. Die Frage ist von Herrn Abgeordneten Pusch gestellt:
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß die Züge im Berufsverkehr auf der Strecke Leonberg—Stuttgart bis zu 200 % überbesetzt sind, und was gedenkt die Deutsche Bundesbahn zu tun, um zu erreichen, daß die Berufstätigen ausgeruht an ihre Arbeitsplätze kommen?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berufszüge der Strecke Leonberg—Stuttgart sind, wie der Vorstand der Deutschen Bundesbahn mir berichtet hat, in den Hauptverkehrszeiten bis zu 150 % besetzt. In Schlechtwetterperioden ist gelegentlich eine stärkere Besetzung festgestellt worden, sie soll aber niemals 200 % erreicht haben. Da Stuttgart Kopfbahnhof ist, ergibt es sich aus der bekannten Einstellung des Publikums, daß stets bei ankommenden Zügen die ersten und bei abgehenden Zügen die letzten Wagen überfüllt sind, da gerade im Berufsverkehr die Menschen den kürzesten Zu- und Abgang bevorzugen. Eine dadurch eintretende besondere Überfüllung gerade dieser Wagen vermag das Zugpersonal nicht zu verhindern.
Ich habe mir bereits früher erlaubt, darauf hinzuweisen, daß der Deutschen Bundesbahn zu einer zufriedenstellenden Bedienung des Berufsverkehrs etwa 3000 Personenwagen fehlen, die die Bundesbahn infolge ihrer bedrängten finanziellen Lage leider nicht in Auftrag geben konnte. Ich habe weiter darauf hingewiesen, daß sich die Bundesbahn dadurch geholfen hat, daß sie von den im Berufsverkehr eingesetzten dreiachsigen Wagen bisher 2700 Wagen durch Umbau modernisiert hat und daß dieses Umbauprogramm fortgesetzt wird. Nach dem Umbau der dreiachsigen Wagen werden auch die vierachsigen Wagen in gleicher Weise umgebaut werden. Dieser Umbau führt nicht nur zur Verbesserung der Fahreigenschaften, sondern auch zu einer wesentlichen Erhöhung der Zahl der angebotenen Sitzplätze.
Andererseits wächst der Berufsverkehr zahlenmäßig dank der Vollbeschäftigung, so daß nach wie vor eine starke Besetzung der Berufszüge auf einzelnen Strecken nicht zu vermeiden sein wird. Eine nachhaltige Besserung kann erst dann eintreten, wenn die finanzielle Lage der Bundesbahn es gestattet, ein großzügiges Neubauprogramm für Nahverkehrswagen durchzuführen.
Wird eine Zusatzfrage gewünscht? — Bitte!
Ist Ihnen bekannt, Herr Minister, daß ein Teil der Schwierigkeiten auf die zwar neuen, aber ungeeigneten Wagen zurückzuführen ist, die zu wenig und zu schmale Türen haben?
Die Türen sind jedenfalls besser, als sie vorher gewesen sind.
Was gedenkt die Bundesbahn zu tun, um den Anforderungen gerecht zu werden, die durch die ständig zunehmende Besiedlung des Kreises Leonberg und der Randgebiete von Stuttgart entstehen? Wann wird die Strecke LeonbergStuttgart drei- oder viergleisig ausgebaut?
Vorläufig jedenfalls nicht, sondern erst dann, wenn das nötige Geld vorhanden ist.
Danke schön!
Frage 2 des Herrn Abgeordneten Ritzel. Die Frage betrifft zwischenstaatliche Vereinbarungen zur Linderung der Not der unehelichen Besatzungskinder und ihrer Mütter:
Was beabsichtigt die Bundesregierung zu tun, um zur Linderung der Not der unehelichen Besatzungskinder und ihrer Mütter zwischenstaatliche Vereinbarungen herbeizuführen, die den Lebensunterhalt der Kinder, deren Väter Besatzungssoldaten sind, sichern?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Zeit der Geltung des Besatzungsrechts waren Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft und Unterhaltsklagen von Kindern, von besonders gelagerten Einzelfällen in der früheren französischen Besatzungszone abgesehen, nicht möglich. Die Bundesregierung hat in langwierigen Verhandlungen erreicht, daß mit Wiedererlangung der deutschen Souveränität am 5. Mai 1955 deutsche Gerichte für Unterhaltsklagen allgemein insoweit zuständig geworden sind, als Unterhalt für die Zeit nach Inkrafttreten der Bonner Verträge verlangt wird. Nach dieser Regelung können Klagen gegen Truppenangehörige der Stationierungsmächte dann erhoben werden, wenn der Beklagte sich zur Zeit der Klageeerhebung im Inland befindet. Die Bundesregierung hat in den erwähnten Verhandlungen ohne Erfolg versucht, eine günstigere Regelung zu erreichen; insbesondere wurde der deutsche Vorschlag, Unterhaltsklagen auch für die Vergangenheit, also für die Zeit vor dem 5. Mai 1955, zuzulassen, abgelehnt.
Der Bundesregierung war die unerfreuliche Lage der Besatzungskinder stets ein Gegenstand ernster Sorge. Sie ist sich auch darüber klar, daß die Regelung, die durch die Bonner Verträge erreicht wurde, berechtigten deutschen Wünschen noch in keiner Weise entspricht. Insbesondere besteht auch nach der gegenwärtig geltenden Regelung meistens nicht die Möglichkeit, den erstrittenen Titel später auch im Ausland zu vollstrecken, wenn das Mitglied der Streitkräfte Deutschland wieder verlassen hat. Die Bundesregierung wird diesen unbefriedigenden Rechtszustand stets im Auge behalten und, sobald sich eine Gelegenheit bietet, in Verhandlungen mit den beteiligten Staaten eine Verbesserung zu erreichen suchen.
Im Rahmen der UNO sind bereits Bemühungen im Gange, die Erwirkung von Unterhaltstiteln im Ausland zu ermöglichen. Die Bundesregierung wird der Förderung dieser Arbeiten gerade auch im Hinblick auf die Lage der unehelichen Besatzungskinder in Deutschland ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden.
Eine weitere Frage? — Bitte!
Ist es richtig, Herr Bundesjustizminister, daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika das Unterhaltsverlangen in solchen Fällen als eine unzulässige politische Maßnahme ansehen?
Das kann ich im Moment nicht beantworten, Herr Abgeordneter Ritzel, weil diese Verhandlungen über das Auswärtige Amt geleitet werden.
Noch eine Zusatzfrage.
Herr Bundesjustizminister, ich darf noch fragen: Hat ein Land, das Besatzungssoldaten nach Deutschland geschickt hat, sich bisher bereit erklärt, nach Feststellung der Vaterschaft auf Staatskosten für diese Kinder zu sorgen, und welche Haltung nimmt die Bundesrepublik selbst in bezug auf die Kinder deutscher Väter aus der Zeit der Besetzung europäischer Staaten durch deutsches Militär ein?
Ich bin gern bereit, Ihnen die Stellungnahme dazu schriftlich mitzuteilen, Herr Abgeordneter Ritzel. Ich kann im Augenblick nicht darüber Auskunft geben, mit welchen Ländern bereits derartige Abkommen getroffen sind.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundesverteidigungsminister muß in wenigen Minuten nach Andernach fahren. Ich ziehe deswegen die Frage 12, die er zu beantworten hat, vor. Diese -Frage des Abgeordneten Arnholz betrifft die Erklärung eines Angehörigen des Bundesverteidigungsministeriums auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Mülheim:
Rede von: Unbekanntinfo_outline
,,. . Es gibt auch keine Weigerung, auf den eigenen Vater zu schießen . . .', und billigt der Herr Bundesminister diese Auffassung?
Das Wort hat der Herr Verteidigungsminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Angehöriger des Bundesministeriums für Verteidigung hat auf einer Tagung der Evangelischen Akademie in Mülheim, die am 18. und 19. Juni 1955 unter dem Thema „Wehrdienst und Gewissen" stattfand, über das Recht der Kriegsdienstverweigerung gesprochen. Nach dem Manuskript des Referats ist der angegriffene Satz, es gebe keine Weigerung, auf den eigenen Vater zu schießen, nicht gefallen. Auch in der nachfolgenden Diskussion hat der Referent etwas Derartiges nicht gesagt.
Zusatzfrage!
Ist dem Herrn Minister nicht bekannt, daß dieser Wortlaut in der Presse veröffentlicht worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist mir nicht bekannt. Ich bin erst durch Ihre Frage, Herr Abgeordneter, darauf aufmerksam gemacht worden, daß die Presse, wie so häufig, darüber falsch berichtet hat.
Eine weitere Zusatzfrage?
Ist der Herr Minister nicht auch der Meinung, daß die Tatsache, daß er in seinem Hause auf eine so wichtige Pressemeldung nicht
aufmerksam gemacht worden ist, auf einen bedenklichen Geist im Bundesverteidigungsministerium schließen läßt? Und ist er nicht der Meinung, daß ihn mindestens das große Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hierauf hätte aufmerksam machen müssen und daß es notwendig gewesen wäre, eine so wichtige, die sittlichen Dinge und die Befolgung des vierten Gebotes betreffende Pressenotiz irgendwie richtigzustellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Tatsache, daß der Bundesverteidigungsminister nicht in der Lage ist, die aus seinem Hause vorgelegten Presseauszüge auch nur zu übersehen, geschweige denn zu lesen, läßt keinen Rückschluß auf den Geist in seinem Hause zu.
— Ich möchte den nicht mit Ihrem in Verbindung bringen.
Frage 3 des Abgeordneten Dr. Czaja betreffend wohnraummäßige Unterbringung der zu erwartenden deutschen Aussiedler aus Polen:
Mit welchen Maßnahmen wird die wohnraummäßige Unterbringung der auf Grund des Abkommens zwischen dem Polnischen und dem Deutschen Roten Kreuz zu erwartenden monatlich 800 bis 1000 deutschen Aussiedler innerhalb angemessener Frist und unter Berücksichtigung ihrer bisherigen schweren Erlebnisse sichergestellt, und ist bei der Einreihung solcher Aussiedler in die örtlichen Dringlichkeitslisten der Wohnungsuchenden die Anrechnung ihrer bisherigen Zwangslage gewährleistet?
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Frage des Herrn Abgeordneten Czaja habe ich folgendes zu antworten. Die Aussiedler aus Polen und den unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Gebieten werden zunächst in Durchgangslagern untergebracht. Zur dauernden wohnraummäßigen Unterbringung dieser vorübergehend aufgenommenen Personen sind im Etat 1956 zunächst 15 Millionen DM zugunsten der Länder für den Wohnungsbau eingesetzt. Für 1957 ist noch einmal der gleiche Betrag in Aussicht genommen. Eine Bindungsermächtigung über diesen Betrag ist bereits gegeben worden; er müßte also notfalls vorfinanziert werden.
Der Betrag, der bis jetzt zur Verfügung steht, ist zur wohnraummäßigen Unterbringung derjenigen bestimmt, die sich bis zum 31. März 1955 — wohlgemerkt 1955 — bereits im Bundesgebiet befunden haben. Jedoch ist bei der Verwendungsbestimmung ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Länder auch jeden andersgearteten Dringlichkeitsfall berücksichtigen, d. h. also auch die jetzt ankommenden Aussiedler aus Polen wohnraummäßig unterbringen können. Für die ab 1. April 1956 eintreffenden Aussiedler sind die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern über die Bereitstellung weiterer Beträge zur Zeit im Gange. Darüber kann ich im Augenblick noch nichts sagen.
Ebenso wie bei der Unterbringung der Sowjetzonenflüchtlinge sind für die Aussiedler aus Polen die Länder darüber hinaus nach den Bestimmungen in der Lage, im Wege des Tausches schon jetzt freigewordene oder freiwerdende Wohnungen in diesen Dringlichkeitsfällen zu belegen und die aus den Mitteln erstellten Wohnungen dann später anderweitig zu vergeben. Auch diese zweite Möglichkeit ist, wie ich ausdrücklich bemerke, gegeben.
Ich darf drittens darauf hinweisen, daß nach § 17 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes, dessen Handhabung allerdings eine reine Länderangelegenheit ist, die Länderwohnraumbewirtschaftungsbehörden jederzeit die Auflage zur bevorzugten Einweisung dieser Menschen mit ihrem besonders harten Schicksal machen können. Sie haben auf Grund des § 80 des Bundesvertriebenengesetzes mit der generellen Anweisung die notwendige Handhabe, daß diese Wohnraumfälle vordringlich sind. Ich kann nur wünschen und hoffen, daß überall den Aussiedlern aus Polen das notwendige Verständnis für ihr besonders schweres Schicksal auch in der wohnraummäßigen Unterbringung, wenn die beiden anderen Möglichkeiten nicht sofort Platz greifen können, entgegengebracht wird.
Zusatzfrage!
Ist der Herr Bundesminister bereit, Verhandlungen über eine Erhöhung der genannten Summe von 15 Millionen DM aufzunehmen, nachdem die 15 Millionen DM ja für die Aufnahme von 35 000 volksdeutschen Aussiedlern aus Jugoslawien bestimmt waren? Ist der Herr Bundesminister ferner bereit, Verhandlungen mit den obersten Landes- und Siedlungsbehörden zu pflegen, um die Frage der Dringlichkeitsliste auch ihnen nahezubringen?
Herr Abgeordneter Czaja, wie ich bereits erklärte, sind die Verhandlungen über weitere Mittelbereitstellungen für die Fälle ab 1. April 1956, also praktisch über den gesamten vorausschaubaren Komplex von unterzubringenden Aussiedlern und Rücksiedlern im Gange. Ich werde versuchen, zusammen mit den Ländern in diesem Sinne die erforderliche Deckung für die benötigten Mittel zu erreichen.
Frage 4 — ebenfalls Herr Abgeordneter Dr. Czaja — betrifft Erlernung der deutschen Sprache durch Kinder, Jugendliche, Schüler und Studenten der deutschen Aussiedler aus Polen:
Welche Vorkehrungen wurden getroffen, um allen Kindern, Jugendlichen, Schülern und Studenten der jetzt eintreffenden deutschen Aussiedler aus Polen und aus den polnisch verwalteten Gebieten sowie aus anderen Staaten — sofern dies deren Eltern wünschen — zur angemessenen Erlernung der deutschen Sprache und Ergänzung ihrer schulischen Kenntnisse Hilfe angedeihen zu lassen? Wird hierbei für deren Einführung in freiheitliches Denken durch geeignete Erzieher mit dem nötigen Einfühlungsvermögen Sorge getragen?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident, ich möchte dem Herrn Kollegen folgendes antworten.
Die Vorsorge dafür, daß die deutschen Aussiedler angemessene Möglichkeiten zur Erlernung der deutschen Sprache und Ergänzung ihrer Schulkenntnisse erhalten, fällt in die Zuständigkeit der Kultusminister der Länder.
Das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder hat mir mitgeteilt, daß in Hamburg eine Sonderschule mit 112 Kindern besteht und in Nordrhein-Westfalen eine Flüchtlingsschule in Espelkamp für 144 Jungen und 68 Mädchen mit Internat eingerichtet worden ist.
Der Schulausschuß der Ständigen Konferenz der Kultusminister hat sich in seiner Sitzung vom
17. und 18. Januar dieses Jahres von neuem mit der Frage der aus Polen und den polnisch verwalteten Gebieten eintreffenden Schüler befaßt und allen Länderkultusverwaltungen empfohlen, entsprechend den in Hamburg gemachten Erfahrungen Vorkehrungen zu treffen.
Keine weitere Frage?
Frage 5 - Herr Abgeordneter Seidel — betrifft die Verweigerung des Einreisevisums für die Fußballmannschaft „Vöfrös Lobogo" aus Budapest:
Welche Gründe haben das Bundesinnenministerium veranlaßt, der Fußballmannschaft „Vöfrös Lobogo" das Einreisevisum für die Gastspiele gegen den 1. FC Nürnberg am 1. Januar 1956 in Nürnberg, am 6. Januar 1956 gegen FC Bayern in München und am 8. Januar 1956 gegen KFC Mühlburg in Karlsruhe nicht zu erteilen?
Wird von seiten des Bundesinnenministeriums eine Einreisesperre für alle osteuropäischen Vereinssportmannschaften erwogen?
Ist es richtig, daß in Zukunft jeder ausländische Sportler, der in die Bundesrepublik einreisen will, vom Bundesinnenministerium sorgfältig politisch überprüft wird?
Herr Präsident, ich darf die Frage wie folgt beantworten.
Den ersten Teil der Frage betreffend die Verweigerung des Einreisevisums für die Fußballmannschaft — entschuldigen Sie, Herr Präsident, des Ungarischen bin ich nicht ganz sicher!
Ich weiß nur, daß man die erste Silbe betont, auch wenn es falsch ist!
Ich bin gern bereit, mich in der ungarischen Sprache belehren zu lassen. Ich will sagen, was der Name dieser Fußballmannschaft auf deutsch heißt: „Rote Fahne". Für die Verweigerung des Einreisevisums für diese Fußballmannschaft waren folgende Gründe maßgebend.
Das in der letzten Zeit gezeigte ungewöhnliche Interesse der Ostblockstaaten an der Entsendung von Sportmannschaften in das Bundesgebiet ließ deutlich die Absicht einer kommunistischen Infiltration über den Sport erkennen, über den Sport, der in totalitären Staaten als Instrument der Politik bekanntlich staatlich gelenkt und beaufsichtigt ist. Allein für die Weihnachts- und Neujahrszeit waren 16 Spiele von Ostblockmannschaften im Bundesgebiet vorgesehen. Dies mußte um so mehr auffallen, als im gleichen Zeitraum sportlich bedeutsame Begegnungen mit Mannschaften aus der freien Welt nicht stattfanden. Hinzu kam, daß der Antrag auf Einreisegenehmigung für das am Neujahrstag geplante Spiel erst am 28. Dezember beim Bundesministerium des Innern eingegangen war und nicht einmal die notwendigsten Personalangaben für die Erteilung des Visums an die Mannschaft und die 18 Begleitpersonen enthielt. Wie sehr durch die Verweigerung der Einreise die kommunistischen Absichten durchkreuzt wurden, geht aus einem in seinen hetzerischen Ausfällen nicht mehr zu überbietenden Flugblatt hervor, das die KPD wegen des Einreiseverbots in Nürnberg verbreitet hat.
Zu Ihrer zweiten Frage bemerke ich folgendes: Bei der Gefahr kommunistischer Infiltration durch das Mittel von Sportveranstaltungen ist verständlich, daß wir eine Einschränkung solcher Veranstaltungen anstreben müssen, sofern es sich nicht um offizielle internationale Sportveranstaltungen, d. h. Länderkämpfe, Europameisterschaften, Weltmeisterschaften, oder um solche Spiele handelt, die der Vorbereitung solcher internationaler Begegnungen dienen.
Ihre dritte Frage, Herr Kollege, ist schon deshalb zu verneinen, weil die Bundesrepublik Deutschland den Reiseverkehr weitgehend liberalisiert hat und ein Visumzwang für die Angehörigen vieler Staaten nicht mehr besteht. Insoweit findet bei keinem Einreisenden, also auch nicht bei Sportlern, eine politische Überprüfung statt.
Anders ist die Sachlage bei Angehörigen der Ostblockstaaten. Diese sind noch visumpflichtig und müssen daher Einreiseanträge stellen, die geprüft werden. Wie notwendig eine solche Prüfung ist, zeigt, daß bereits in mehreren Fällen als Sportler getarnte Agenten festgestellt werden konnten.
Eine Zusatzfrage.
Warum konnte der Bundesinnenminister erst heute diese ausführliche Erklärung für die Öffentlichkeit abgeben, und ist die Bundesregierung der Meinung, daß durch den internationalen Sportverkehr zwischen West und Ost das politische und soziale Gefüge der Bundesrepublik zerrüttet wird?
Herr Kollege, was den zweiten Teil Ihrer Frage angeht, ist er in meiner Antwort erschöpfend beantwortet.
Zu 1) habe ich zu sagen, daß alle notwendigen Aufklärungen selbstverständlich sofort gegeben sind. Ihre Frage, Herr Kollege, konnte schwerlich eher beantwortet werden, da sie erst heute auf der Tagesordnung steht.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Bundesinnenminister, Sie sprachen im Zusammenhang der Antwort von einer östlichen Sportoffensive, die um den Jahreswechsel deutlich geworden sei. Können Sie angeben, wieviele Gastspiele von Mannschaften des Ostblocks bei westdeutschen Fußballvereinen im Jahre 1955 stattgefunden haben, und hat der Bundesinnenminister bei seiner Entscheidung auch die eventuellen Gegenmaßnahmen einkalkuliert, die im Ernstfall zu einer Verweigerung der Austragung von Europa- und Weltmeisterschaftskämpfen in der Bundesrepublik führen könnten?
Herr Kollege, die genaue Zahl, nach der Sie im ersten Teil Ihrer zweiten Frage gefragt haben, kann ich nicht aus dem Stegreif nennen.
Für den zweiten Teil gilt voll die Antwort, die ich zu 1) erteilt habe.
Frage 6 — Herr Abgeordneter Dr. Mommer — betreffend Visen an Staatsangehörige der Ostblockstaaten zur Einreise in die Bundesrepublik:
Nach welchen Grundsätzen gewährt und versagt die Bundesregierung Visen zur Einreise in die Bundesrepublik an Staatsangehörige der Ostblockstaaten?
Ich darf, Herr Präsident, dem Herrn Kollegen Mommer folgendes antworten:
Die Grundsätze, nach denen Einreiseanträge von Angehörigen der Ostblockstaaten behandelt werden, ergeben sich aus der Vorschrift des § 9 in Verbindung mit § 7 des deutschen Paßgesetzes. Hiernach ist der Sichtvermerk insbesondere dann zu versagen, wenn der Antragsteller die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland oder eines deutschen Landes gefährdet. Nach diesen Grundsätzen sind Einreiseanträge von Angehörigen der Ostblockstaaten zur Teilnahme an Sport- oder Kulturveranstaltungen, an wissenschaftlichen Kongressen oder Tagungen, an Wirtschaftsbesprechungen und anderen Veranstaltungen behandelt worden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Minister, Sie wissen am besten, daß es bei solchen Bestimmungen auf die Auslegung ankommt. Ist es richtig, daß Sie die dort eingebauten Bestimmungen über Sicherungsmaßnahmen eng auslegen?
Herr Kollege, Fragen der Staatssicherheit — und über die sprechen wir — können nur eine einzige Auslegung haben, nämlich die der Staatssicherheit dienliche.
Darf ich fragen, Herr Minister, ob die Bundesregierung es für falsch gehalten hat, daß bei der Genfer Konferenz der Versuch 1 gemacht wurde, auf diesem Gebiet den Kalten Krieg ein wenig abzubauen und die Kontakte zwischen Ost und West zu verstärken?
Herr Kollege, ich will meine Antwort möglichst im Rahmen meiner eigenen Zuständigkeit halten, da ein großer Teil der Frage, glaube ich, in den Bereich meines Kollegen des Auswärtigen fallen dürfte. Ich meine — Sie haben gehört, was ich Herrn Kollegen Seidel auf seine Frage gesagt habe —, daß wir bei unserer Einstellung alle internationalen Notwendigkeiten gebührend berücksichtigen, andererseits auch internationale Notwendigkeiten aus der Perspektive unserer eigenen Sicherheit betrachtet werden müssen.
Herr Minister, betrachten Sie mit mir bei solchen Begegnungen den Bazillus der Freiheit für gefährlicher als den der Diktatur?
Herr Kollege, die Antwort darauf müßte mehr ein Kolleg sein. Was die Freiheit angeht, so ist es leider so, daß man sie besonders dann schätzen lernt, wenn man sie verloren hat, und deswegen ist es sehr gut, daß auch in diesem Zusammenhang der Wert der Freiheit nachdrücklich herausgestrichen wird.
Frage 7 — Abgeordneter Schmitt — betrifft Bezüge des Vorstandes und des Aufsichtsrates der Lastenausgleichsbank:
Warum ist es der Lastenausgleichsbank nicht zumutbar, die Bezüge des Vorstandes und des Aufsichtsrates anzugeben?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Lastenausgleichsbank wurde nach der Umwandlung aus einer Aktiengesellschaft in eine Anstalt des öffentlichen Rechts eine neue Satzung gegeben. Diese wird gemäß dem Errichtungsgesetz nach Anhörung des Verwaltungsrates von der Hauptversammlung beschlossen. Sie bedarf der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde. Bei Vorbesprechungen hatte der Bundesrechnungshof angeregt, in die Satzung die Bestimmung des § 128 Abs. 2 Nr. 7 des Aktiengesetzes aufzunehmen, nach der die Gesamtbezüge der Mitglieder des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder einer ähnlichen Einrichtung im Geschäftsbericht anzugeben sind.
Der Verwaltungsrat hat hierzu einstimmig erklärt, daß die Bank selbstverständlich die Veröffentlichung der Vorstandsbezüge usw. vornehmen wird, wenn alle öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute hierzu verpflichtet werden; es sei aber nach Ansicht des Verwaltungsrates der Lastenausgleichsbank nicht zuzumuten, diese Veröffentlichung als einzige öffentlich-rechtliche Körperschaft vorzunehmen. Dieser Stellungnahme des Verwaltungsrates ist die Hauptversammlung beigetreten und hat die Satzung entsprechend beschlossen. Mit Schreiben vom 1. Juni 1955 hat der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte dem Bundesrechnungshof die Auffassung des Verwaltungsrates mitgeteilt.
Ob die Publikationsverpflichtung im Wege der Anstaltsaufsicht ausgesprochen werden kann, ist rechtlich sehr umstritten. Die Frage wird zur Zeit im Bundesjustizministerium geprüft. Dia sich der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte als dienstaufsichtsführender Minister nicht in der Lage sah, allein wegen dieser rechtlich strittigen Frage die Zustimmung zur Satzung auf unbestimmte Zeit zu verweigern, hat er am 30. Juni 1955 die ordnungsgemäß beschlossene Satzung genehmigt.
Der Bundesminister ist allerdings der Auffassung, daß die Lastenausgleichsbank keine Sonderstellung einnehmen sollte. Die Voraussetzung für die auch von ihm erstrebte Veröffentlichung müßte jedoch durch die Ausdehnung der Verpflichtung auf die anderen öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten geschaffen werden.
Dine Zusatzfrage?
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, wenn das Ergebnis der Prüfung des Bundesjustizministeriums vorliegt, uns darüber Mitteilung zu machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Selbstverständlich.
Dann darf ich auf die Frage später noch einmal zurückkommen. Danke schön.
Frage 8 - Abgeordneter Bazille — betrifft Abteile der Deutschen Bundesbahn für Schwerbeschädigte:
Ist dem Herrn Bundesverkehrsminister bekannt, daß die Deutsche Bundesbahn die Einrichtung besonderer Abteile für Schwerbeschädigte nicht mehr im früheren Umfange aufrechterhält?
Ist der Herr Bundesverkehrsminister bereit, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die frühere Übung wiederherzustellen, wonach entsprechende Zugabteile an sämtlichen Abteilfenstern als „Nur für Schwerbeschädigte" gekennzeichnet sind, der Zugschaffner die Einhaltung dieser Vorschrift laufend überwacht und die Zugansage den Stand des Schwerbeschädigtenabteils vor Einlaufen des Zuges bekanntgibt?
Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den zur Zeit geltenden innerdienstlichen Bestimmungen der Deutschen Bundesbahn soll jeder Reisezug mit Wagen 3. Klasse mindestens ein besonders gekennzeichnetes Abteil für Schwerbeschädigte enthalten, dessen Lage im Zug möglichst beim Einlaufen des Zuges bekanntzugeben ist.
Im Interesse der Schwerbeschädigten prüft die Deutsche Bundesbahn zur Zeit, ob es nicht zweckmäßiger ist, wenn in den Zügen des Berufsverkehrs in -jedem Wagen 3. Klasse mindestens vier Plätze für Schwerbeschädigte bereitgehalten und entsprechend gekennzeichnet werden. Sie möchte bei den kurzen Aufenthalten der Berufszüge auf den Bahnhöfen den Schwerbeschädigten die Möglichkeit geben, für sie reservierte Plätze einzunehmen, ohne daß sie erst das Sonderabteil aufsuchen müssen. Durch das neue Verfahren wird die Zahl der Plätze, die für Schwerbeschädigte reserviert wird, wesentlich erhöht. Das Verfahren, nicht geschlossene Abteile, sondern Einzelplätze für Schwerbeschädigte zu reservieren, hat sich auch bei anderen öffentlichen Verkehrsmitteln wie Straßenbahn, Omnibus usw. durchaus bewährt.
Der Großvensuch geht zurück ,auf eine Umstellung des Nahverkehrs im Raum Frankfurt, bei der unter anderem die Aufenthaltszeiten für Berufszüge verringert werden mußten. Er erstreckt sich dort auf alle Züge, die ganz aus Wagen des Umbauprogramms gebildet werden. Diese Züge laufen auch in anderen Direktionen. Bei Zügen mit Wagen verschiedener Bauart verbleibt es zunächst bei der Einrichtung von Einzelabteilen für Schwerbeschädigte. Ausgenommen von dem Versuch sind auch alle Berufszüge, die aus älteren D- oder Eilzugwagen gebildet werden.
Über diesen Großversuch der Deutschen Bundesbahn mit der geschilderten Verteilung von Sonderplätzen für Schwerbeschädigte liegen mir abschließende Ergebnisse noch nicht vor. Neben ablehnenden Stimmen wird die Neuregelung dort, wo sie versuchsweise eingeführt wird, von den Schwerbeschädigten vielfach auch anerkannt und begrüßt.
Die Ergebnisse des Großversuchs, der sich über längere Zeit erstrecken muß, bleiben abzuwarten. Von ihnen hängt ab, ob von der bisherigen Regelung in allen Zügen zugunsten der Neuregelung abgegangen werden soll oder nicht.
Keine Zusatzfrage; danke schön.
Frage 9 des Abgeordneten Dr. Arndt. Die Frage betrifft Vorschüsse auf die sich gegen das Deutsche Reich richtenden Rechtsansprüche aus der sogenannten Dritten Masse:
Ist die Bundesregierung bereit, auf die Rechtsansprüche aus der sogenannten Dritten Masse, die sich gegen das Deutsche Reich richten, in Einzelfällen alsbald angemessene Vorschüsse zu bewilligen und auszuzahlen?
Sind solche Vorschüsse haushaltsrechtlich möglich, oder welche Regelung müßte im Bundeshaushalt für 1956/57 getroffen werden, um solche Vorschüsse rechtlich und tatsächlich zu ermöglichen?
Das Wort hat der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rückerstattungsrechtliche Geldansprüche gegen das Deutsche Reich — sogenannte DritteMasse-Ansprüche — können erst nach Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung befriedigt werden, die in Art. 134 Abs. 4 des Grundgestzes und in § 5 dies Gesetzes vom 21. Juli 1951 vorbehalten ist. Diese Regelung soll durch ein Gesetz zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reichs erfolgen. Die Vorarbeiten hierzu sind abgeschlossen. Der Gesetzentwurf soll noch im Laufe dieses Monats dem Kabinett vorgelegt werden. Wir möchten hoffen, daß das Gesetz dann im Sommer dieses Jahres in Kraft treten kann. Vorher besteht noch keine Rechtsgrundlage für Leistungen auf solche Ansprüche.
Um aber die Zeit bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zu überbrücken, gewährt die Bundesrepublik schon seit dem Jahre 1952 an solche Rückerstattungsberechtigte, die einen rechtskräftig festgestellten oder im Vergleichswege rechtsgültig anerkannten rückerstattungsrechtlichen Geldanspruch gegen das Reich haben, unverzinsliche Darlehen, die mit den Ansprüchen nach der gesetzlichen Regelung dann zu verrechnen sein werden. Die Darlehen werden gewährt, wenn der Berechtigte entweder das 60. Lebensjahr vollendet hat oder durch Krankheit oder Gebrechen in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 % gemindert oder bedürftig ist. Die Darlehen können von der Oberfinanzdirektion bis zum Betrage von 5000 DM, jedoch nicht über 50 % der Gesamtforderung des Rückerstattungsberechtigten hinaus bewilligt werden. Über diesen Betrag von 5000 DM, jedoch gleichfalls nicht über 50 % der Gesamtforderung des Rückerstattungsberechtigten hinaus, können mit Genehmigung des Bundesministers der Finanzen Darlehen dann gewährt werden, wenn der Betrag von 5000 DM zur Beseitigung einer Notlage des Rückerstattungsberechtigten nicht ausreicht.
Das Verfahren der Darlehensgewährung, durch das die Darlehensempfänger, wirtschaftlich gesehen, Vorleistungen auf die künftige gesetzliche Regelung erhalten haben oder erhalten können, die im Verhältnis zu ihrer Gesamtforderung zum Teil erheblich sind und nicht selten bis zu 50 % der Gesamtforderung betragen, soll bis zum Inkrafttreten des demnächst vorliegenden Gesetzentwurfs beibehalten werden. Die dafür erforderlichen Beträge können aus den in den Bundeshaushaltsplänen 1955 und 1956 bei Kap. 08 04 Tit. 350 vorgesehenen Mitteln entnommen werden.
Nach Inkrafttreten des von mir erwähnten Gesetzes besteht grundsätzlich kein Bedürfnis für solche Darlehensgewährungen, weil dann die Leistungen selbst in dem im Gesetz vorgesehenen Rahmen erbracht werden. In Einzelfällen, in denen diese Leistungen zur Beseitigung einer dringenden Notlage nicht ausreichen, sollen nach dem Gesetzentwurf neben den planmäßigen Leistungen Vor-
schösse bis zur Höhe von 50 v. H. der Gesamtansprüche des Berechtigten aus dem genannten Etattitel gewährt werden.
Danke!
Keine Zusatzfrage.
Frage 10 — Herr Abgeordneter Arnholz —betrifft die Qualität der Mauersteine:
In wie vielen Fällen sind - in Wiederholung des vom
Herrn Bundesminister für Wohnungsbau nicht beantworteten Teils meiner früheren Frage — aus dem erschütternd schiechten Gütestand von Mauersteinen strafrechtliche Folgerungen gezogen worden, und in welchem Ausmaße? Welche Fortschritte sind seit Mitte August 1955 erzielt worden in der vom Herrn Bundesminister „angestrebten", von der Industrie durchzuführenden Selbstüberwachung, deren Entwicklung er „nach Möglichkeit zu beschleunigen sich bemühen" wollte?
Das Wort zur Beantwortung der Frage hat der Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Frage, die Sie wieder aufgenommen haben, Herr Kollege Arnholz, darf ich folgendes sagen. Strafrechtliche Maßnahmen, die nur auf Grund der §§ 230, 330 und 367 Ziffern 14 und 15 des Strafgesetzbuchs eingeleitet werden können, können nicht vom Bundesminister für Wohnungsbau oder der Bundesregierung, sondern ausschließlich von den Baupolizeibehörden der Länder eingeleitet werden. Bisher habe ich — ich muß sagen: leider
Berichte, daß so etwas geschehen ist, noch nicht erhalten. Allerdings glaube ich, daß man jetzt doch eine Änderung in der Aktivität der Baupolizeibehörden der Länder erwarten kann. Denn ich habe bei den Beratungen über die Einsatzrichtlinien 1956 die Länder noch einmal ausdrücklich gebeten, bei Verstößen gegen die Richtlinien durch Verwendung nicht normgerechter Baustoffe einzuschreiten und bei schweren Verstößen auch die öffentlichen Mittel zurückzuziehen. Erstmals ist nunmehr das Land Schleswig-Holstein mit der Federführung einer laufenden Überprüfung von seiten der Baupolizeibehörden der Länder beauftragt worden. Sie soll insbesondere der Überwachung der Baustoffe und des Tragens der amtlichen Gütezeichen dienen, die auf Grund der freiwilligen Unterwerfung unter die Prüfungsverträge mit den Materialprüfungsämtern gewährt werden. Ich hoffe also, daß wir in absehbarer Zeit einige Fortschritte auch von dieser Seite her beim „Einschreiten" erreichen.
Im übrigen sind zusammen mit dem Bundesminister für Wirtschaft auf Grund der letztjährigen Ergebnisse, die von unserer Seite zu den Beanstandungen geführt hatten, nochmals Besprechungen mit allen in Frage kommenden Wirtschaftszweigen aufgenommen warden, um auch dort den Gedanken des freiwilligen Güteschutzes und des Abschlusses der Überprüfungsverträge mit den Materialprüfungsämtern voranzutreiben. Selbstverständlich kann ich im gegenwärtigen Augenblick hierüber noch keine Erfolgsmeldungen vorlegen. Es hat aber den Anschein, als ob der Gedanke der freiwilligen Unterwerfung unter die Materialprüfung und der freiwilligen Güteschutzvereinbarungen doch endlich gezündet hat. Wir werden auf Grund der mit verstärkten Mitteln und auf verstärkter Grundlage durchgeführten Stichprobenprüfungen des Jahres 1956 dann hier berichten können. Ich hoffe, dieser Bericht läßt schon erkennen, daß die Anstrengungen und der Aufruf an die
Öffentlichkeit und insbesondere an ,die Bauherren selbst nicht vergeblich geblieben sind.
Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, bitte!
Ist der Herr Minister nach dem Ergebnis der Untersuchungen über das furchtbare Frankfurter Unglück, über das am 24. Dezember in der Presse berichtet worden ist, noch der Meinung, daß mit dem bisherigen System der Selbstüberwachung der Baumaterialienindustrien die notwendige Sicherung der Menschen und der volkswirtschaftlichen Werte erreicht werden kann, der volkswirtschaftlichen Werte, an denen, wie ja nach dem Bulletin feststeht, jährlich 400 Millionen DM vermeidbare Ausfälle entstehen? Ist der Herr Minister bereit, entsprechend dem Wunsche des Forschungsbeirates seines Ministeriums vom März 1954 sich nunmehr sehr nachdrücklich angelegen sein zu lassen, das Güteschutzverfahren für alle Baustoffe gleichwertig durchzuführen und es obligatorisch zu machen? Ist der Herr Minister nicht auch der Meinung, daß das Güteschutzverfahren in der Selbstverwaltung in dem bisherigen Umfange nur dann belassen werden kann, wenn es tatsächlich die Sicherheit der Menschen und die normale Lebensdauer der Bauwerke gewährleistet und nicht etwa im Ergebnis dazu dient, amtliche Stellen mehr oder weniger auszuschalten und einen wirksamen Güteschutz zu umgehen, um sich unberechtigte Vermögensvorteile zu verschaffen, selbst unter Gefährdung der Sicherheit und der Verkürzung der Lebensdauer der Bauwerke?
Herr Abgeordneter Arnholz, hierzu möchte ich zwei Bemerkungen machen. Ob die freiwillige Güteschutzkontrolle ausreichen wird, werden wir erstmalig an dem Ausmaß der Verbesserungen 1956 absehen können. Zum zweiten: Daß eine amtliche Überwachung wesentlich bessere Ergebnisse zeitigt, scheint mir nach dem bisherigen vergeblichen Bemühen von seiten der Bundesregierung, die Baupolizeibehörden der Länder in allen Fällen zu einem wirksamen Eingreifen zu veranlassen, zur Zeit leider noch nicht erwiesen. Ich werde versuchen, auf beiden Wegen im Interesse nicht nur der Güte der Bauwerke, sondern auch der Sicherheit der Bewohner unserer Wohnungen das Bestmögliche herauszuholen.
Frage 11, Abgeordneter Arnholz. Die Frage betrifft Einschränkungen der Rechte der Arbeitnehmer der Grenzkraftwerke Albbruck-Dogern, Reckingen und Rheinfelden:
Welche Einschränkungen der sich aus dem Aktien- und Betriebsverfassungsgesetz ergebenden Rechte der Arbeitnehmer der auf deutschem Boden liegenden Grenzkraftwerke Albbruck-Dogern, Reckingen und Rheinfelden sind — falls es zutrifft, daß das Auswärtige Amt einen entsprechenden Staatsvertrag mit der Schweiz vorbereitet — vorgesehen und aus welchen Gründen?
Das Wort hat der Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die deutsch-schweizerischen Grenzkraftwerke Albbruck-Dogern, Reckingen und Rheinfelden beschäftigen insgesamt 305 deutsche und 33 Schweizer Arbeitnehmer. Sie sind als Ak-
tiengesellschaften deutschen Rechts errichtet, haben jedoch einen völkerrechtlichen Sonderstatus, da sie auf der Grundlage zwischenstaatlicher Verträge und darauf beruhender Wasserrechtskonzessionen gebildet sind. Diese Konzessionen verpflichten die Gesellschaften, den Aufsichtsrat je zur Hälfte aus Angehörigen der Schweiz und des Deutschen Reichs zusammenzusetzen. Das erscheint mit den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes über die Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nicht vereinbar. Der schweizerische Bundesrat hat in einer Note vom 8. Oktober 1954 den Wunsch geäußert, daß der Sonderstatus der Grenzkraftwerke auch in diesem Punkte unberührt bleibt. Die Schweiz selbst hat diesem Status wiederholt loyal Rechnung getragen, so durch Nichtanwendung entgegenstehender Vorschriften des Schweizer Obligationenrechts, im Rahmen der Schuldenregelungen nach 1945 und bei anderen Gelegenheiten. Die Bundesregierung konnte sich ebenso wie die Regierung des beteiligten Landes Baden-Württemberg dem nicht verschließen, daß die Förderung der freundnachbarlichen Beziehungen auf diesem Gebiete gerade wegen des geplanten Ausbaus weiterer Kraftwerke am Rhein dringend erforderlich sei, zumal ein erheblicher Teil des Kapitals in der Schweiz aufgebracht werden müßte. Andererseits war sie nicht bereit, einer ersatzlosen Außerkraftsetzung der einschlägigen Vorschriften zuzustimmen. Nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen gelang es, die schweizerische Seite dafür zu gewinnen, die beratende Teilnahme von Arbeitnehmervertretern an den Sitzungen des Aufsichtsrats zuzugestehen. In dem am 6. Dezember 1955 unterzeichneten Staatsvertrag hat sich die Bundesrepublik vorbehalten, entsprechende Vorschriften zu erlassen. Dieser Vorbehalt wird im Entwurf eines Ratifikationsgesetzes voll ausgeschöpft werden, der in Kürze mit einer ausführlichen Begründung diesem Hohen Hause zugeleitet werden wird. Die sonstigen Rechte der Arbeitnehmer aus dem Betriebsverfassungsgesetz bleiben voll erhalten.
Eine Zusatzfrage! Vizepräsident Dr. Schmid: Eine Zusatzfrage!
Ist dem Herrn Staatssekretär bekannt und kann er mitteilen, welche interessierten Gruppen hinter dem Wunsch des Schweizer Bundesrates stehen und ob auf deutscher Seite die zuständige Gewerkschaft als Vertreterin der Arbeitnehmerinteressen zu diesem Komplex gehört worden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wer hinter der Meinung des Schweizer Bundesrates steht, kann ich Ihnen nicht sagen. Es ist eine Meinung, die in der Schweiz allgemein vertreten ist. Sie wissen ja, daß auf dem Gebiete des Mitbestimmungsrechts in den Aktiengesellschaften in Deutschland wesentlich andere Auffassungen bestehen als, ich möchte beinahe sagen, fast in der ganzen übrigen Welt.
Was die Beteiligung unserer Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen angeht, so sind sie gehört worden. Ich kann hinzufügen, daß sie selbstverständlich diese Regelung nicht bejahen, sondern wünschen, daß nach Möglichkeit die deutschen Rechtsvorschriften auch bei diesen zwischenstaatlichen Gesellschaften Anwendung finden.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Fragestunde erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Ubersicht 15 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen nach dem Stand vom 31. Dezember 1955 .
Diese Übersicht liegt Ihnen gedruckt vor. Ich glaube nicht, daß eine mündliche Berichterstattung erforderlich sein wird. Ist das Haus damit einverstanden, daß ohne Aussprache entschieden wird?
— Ich höre keinen Widerspruch. Dann lasse ich abstimmen. Wer für die Annahme der Übersicht 15 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir können nunmehr die heute neu auf die Tagesordnung gesetzten Punkte behandeln, und zwar zunächst den
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP betreffend Berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend .
Wird hier auf Begründung verzichtet?
Die Fraktionen haben sich entsprechend verständigt. Es soll auch keine Aussprache stattfinden. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieses interfraktionellen Antrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf den zweiten zusätzlich auf die Tagesordnung gesetzten Punkt:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Einundfünfzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Konjunkturpolitische Zollsenkung —2. Teil) (Drucksachen 2037, 2026).
Es liegt ein Schriftlicher Bericht*) des Herrn Berichterstatters Dr. Serres vor.
Verzichtet das Haus auf mündliche Berichterstattung?
Der Herr Berichterstatter selbst hat es getan. Es wird auch auf Aussprache verzichtet. Wir stimmen ab. Wer für die Annahme des Ausschußantrags auf Drucksache 2037 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des zivilen Luftschutzes .
Das Wort zur Begründung der Vorlage hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über den zivilen Luftschutz, dessen Entwurf jetzt
1 Siehe Anlage 2.
in erster Lesung beraten wird, leitet in Deutschland den Aufbau des zivilen Luftschutzes ein. Ich weiß, er ist nicht populär. Die deutsche Presse hat sich zwar der Fragen des Luftschutzes sehr positiv angenommen, aber dennoch ist es für weite Kreise der Bevölkerung ein gespenstischer Gedanke, jetzt, da die Wunden des Bombenkrieges noch nicht geschlossen sind, sich erneut mit den Fragen des zivilen Luftschutzes zu befassen. Es sind nicht nur die vielen bösen Erinnerungen, die mit den Begriffen Warndienst, Schutzraum und Luftschutzwart aufsteigen, es ist vor allem die erschreckende Entwicklung der Atomwaffen, angesichts derer viele unter uns versucht sein mögen, die Hände müde und resigniert zurücksinken zu lassen: Es hat ja doch alles keinen Sinn! Die Frage, ob und welche Schutzmaßnahmen gegenüber den Atomwaffen möglich sind, wird demnach zunächst beantwortet werden müssen.
Zum Studium dieses Problems ist, wie ich schon bei früherer Gelegenheit mitgeteilt habe, im Rahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine wissenschaftliche Kommission, die sogenannte Schutzkommission, gebildet worden. Dieser Kommission, die von Professor Dr. Riezler geleitet wird, gehören zahlreiche deutsche Gelehrte an. Im Rahmen dieser Schutzkommission sind die Probleme und die Wirkungen der Atomwaffen sehr gründlich untersucht worden.
Vor eineinhalb Jahren ist ferner, wie Sie wissen, eine deutsche Delegation zum Studium dieser Fragen in den Vereinigten Staaten gewesen. Dieser Abordnung haben drei deutsche Physiker angehört: Professor Dr. Gentner von der Universität Freiburg, Professor Dr. Haxel von der Universität Heidelberg und Professor Dr. Riezler von der Universität Bonn. Die Delegation kam auf Grund der in den Vereinigten Staaten gewonnenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis: Auch gegenüber den Atomwaffen sind Schutzmaßnahmen möglich, wenn sie rechtzeitig und ausreichend vorbereitet werden.
Hier möchte ich noch einen anderen Bericht erwähnen, den Bericht eines Ausschusses der britischen Labour Party über die Zivilverteidigung. Dieser Bericht stammt vom 29. März des vergangenen Jahres. Auch dieser Bericht, in dem die Wirkungen der modernen Atomwaffen sehr gründlich untersucht worden sind, betont mit Nachdruck, daß Luftschutzmaßnahmen möglich und notwendig sind. Die Auffassung, daß doch nichts zu machen sei, wird als defätistisch abgelehnt. Der Bericht schlägt Evakuierungsmaßnahmen und Schutzraumbauten vor.
Diesen Vorschlägen entspricht auch der Grundgedanke der deutschen Luftschutzplanung. Die Notwendigkeit des zivilen Luftschutzes ist im Ausland allgemein anerkannt. Seit Jahren werden dart Luftschutzmaßnahmen vorbereitet und dafür große finanzielle Opfer gebracht. Wir haben diese Luftschutzmaßnahmen studiert. Vertreter der Bundesregierung waren in den Vereinigten Staaten, in England, in Schweden, in Holland und in der Schweiz. Deutsche Vertreter arbeiten in den Ausschüssen der NATO für Zivilverteidigung mit, wo u. a. ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch stattfindet.
Um Ihnen, meine Damen und Herren, einen Überblick über den Luftschutz im Ausland zu geben, habe ich Ihnen eine Sondernummer der Zeitschrift „Ziviler Luftschutz" zugeleitet, die über diese Anstrengungen des Auslands berichtet.
Nach sorgfältiger wissenschaftlicher Prüfung der Probleme und nach genauem Studium der Luftschutzmaßnahmen im Auslande sind wir also zu dem Ergebnis gekommen, daß auch gegenüber den Atomwaffen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung möglich sind. Daraufhin haben wir ein vorläufiges Luftschutzprogramm für die nächsten drei Jahre ausgearbeitet. Dieses Programm hat in vollem Umfang die Billigung der deutschen Schutzkommission und des Beraters der NATO für Zivilverteidigung gefunden. Dieses Programm sieht folgende acht Hauptmaßnahmen vor:
Erstens: die Einrichtung eines auf Draht und Funk eingerichteten vollautomatischen Warndienstes, der auch bei den sehr hohen Fluggeschwindigkeiten und den sich daraus ergebenden kurzen Warnzeiten eine Warnung der Bevölkerung ermöglicht. Dieser Warndienst soll in bundeseigener Verwaltung durchgeführt werden.
Zweitens: die Einrichtung eines örtlichen Alarmdienstes. Träger dieses Alarmdienstes sollen die Gemeinden werden.
Drittens: die Aufstellung, Ausbildung und Ausrüstung eines Luftschutzhilfsdienstes. Dieser Luftschutzhilfsdienst gliedert sich in den Brandschutzdienst, den Bergungs- und Instandsetzungsdienst, den Sanitäts- und Veterinärdienst, den Entgiftungsdienst, den Luftschutzbetreuungsdienst und den Fernmeldedienst. Die Aufstellung des Luftschutzhilfsdienstes soll zunächst auf die besonders gefährdeten Städte beschränkt werden. Er wird insgesamt eine Personalstärke von 260 000 freiwilligen Kräften haben. Davon werden 30 000 für die überörtlichen Verbände benötigt. Aufgabe der Gemeinden wird es sein, den örtlichen Luftschutzhilfsdienst aufzustellen. Träger der überörtlichen Verbände werden die Länder sein.
Die Errichtung von Luftschutzräumen bei Neubauten in grundsätzlich allen Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern ist der vierte Punkt, der fünfte die Instandsetzung der noch geeigneten Bunker und die Errichtung von neuen öffentlichen Sammelschutzräumen.
Sechstens: die Anlage eines ausreichenden Arzneimittelvorrats zur Sicherstellung der ersten Versorgung von Verletzten.
Siebtens: die Aufklärung der Bevölkerung über die Erfordernisse des modernen Luftschutzes und die Organisation des Selbstschutzes der Bevölkerung durch den Bundesluftschutzverband.
Achtens: die Förderung der Forschung und der technischen Entwicklung und den Ausbau der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz, der besonders auch die Ausbildung der Führungskräfte auf dem Gebiet des Luftschutzes obliegt.
Meine Damen und Herren, für die Durchführung dieses vorläufigen Dreijahresprogramms sind öffentliche Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden DM erforderlich, die auf den gesamten Zeitraum so verteilt werden sollen, daß in der Anlaufzeit zunächst geringere Beträge und späterhin entsprechend höhere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dieser Gesamtbetrag von 1,2 Milliarden DM für öffentliche Luftschutzzwecke würde, umgerechnet auf jeden Einwohner der Bundesrepublik, einen Aufwand von jährlich 8 DM ergeben. Diese Zahl verträgt durchaus den Vergleich mit den in anderen Staaten verausgabten Beträgen.
Wie schon gesagt, enthält das Acht-Punkte-Luftschutzprogramm nur die Planung für einen ersten Abschnitt. Es ist ein vorläufiges Programm und umfaßt nur die Maßnahmen, die zur Verwirklichung reif erscheinen. Ich halte es für zweckmäßiger, zunächst mit einem vorläufigen Programm anzufangen, das die vordringlichsten Maßnahmen enthält, als jetzt ein umfassendes Programm vorzulegen, das eventuell wegen Finanzierungsschwierigkeiten zurückgestellt wird. Das endgültige, umfassende Luftschutzprogramm, das besonders auch den Schutzraumbau im vorhandenen Wohnungsbestand und den Industrieluftschutz regeln soll, wird jetzt in Zusammenarbeit mit den anderen Bundesressorts und den Ländern vorbereitet und aufgestellt werden.
Der dem Hohen Hause heute vorliegende Gesetzentwurf behandelt im wesentlichen sechs Punkte: erstens die verwaltungsorganisatorischen Grundlagen, die für die Inangriffnahme der nach dem Luftschutzprogramm vorgesehenen Maßnahmen geschaffen werden müssen, .zweitens die Einrichtung eines Luftschutzwarn- und -alarmdienstes und eines Luftschutzhilfsdienstes, drittens die Mitarbeit von freiwilligen Helfern aus der Bevölkerung in den für den öffentlichen Luftschutz einzurichtenden Diensten, viertens die Verpflichtung der Bauherren zu baulichen Luftschutzmaßnahmen bei Neubauten, fünftens die Verpflichtung der Gemeinden zur Instandsetzung von Bunkern und zur Errichtung von öffentlichen Luftschutzbauten im Rahmen der örtlichen Luftschutzplanung, sechstens die Aufteilung der Kosten für die nach dem Gesetz zu treffenden öffentlichen Luftschutzmaßnahmen auf die Träger des öffentlichen Luftschutzes, d. h. auf Bund, Länder und Gemeinden.
Ich darf davon absehen, die vorgeschlagene gesetzliche Regelung im einzelnen zu erläutern, und beschränke mich darauf, die wichtigsten Probleme hervorzuheben. In seinem Ersten Abschnitt regelt der Entwurf die Grundlagen für den Aufbau der Verwaltungsorganisation des Luftschutzes. Ähnlich wie in anderen föderativen Staaten, z. B. in den Vereinigten Staaten von Amerika, sollen die Aufgaben des Luftschutzes grundsätzlich von den Ländern und Gemeinden durchgeführt werden. Eine bundeseigene Verwaltung ist nur für den Luftschutzwarndienst und für die zentrale Ausbildung der Führungskräfte des Luftschutzes vorgesehen. Der Entwurf geht von dem Grundsatz der Einheit der Verwaltung aus und lehnt eine Luftschutzsonderverwaltung ab. Die innere Verwaltung in den Ländern und Gemeinden soll die Aufgaben des Luftschutzes übernehmen. Durch diese Regelung wird nicht nur eine zweckmäßige, sondern, wie wir hoffen, auch eine sparsame Verwaltung erreicht. Nach dem Grundgesetz ist derzeit die Durchführung des Luftschutzes grundsätzlich eine eigene Angelegenheit der Länder. Auf dem Gebiete des Luftschutzes wird aber eine zentrale und einheitliche Lenkung durch die Bundesregierung nicht entbehrt werden können. Es ist daher nötig, bei einer Ergänzung des Grundgesetzes für den zivilen Luftschutz eine Bundesauftragsverwaltung vorzusehen.
Der Schwerpunkt aller öffentlichen Luftschutzmaßnahmen liegt bei den Gemeinden und hier vor allem bei den deutschen Großstädten. Bei der weit über die Gemeindegrenzen hinausgreifenden Wirkung möglicher Luftangriffe ist es notwendig, daß die Luftschutzmaßnahmen, die von den Gemeinden vorbereitet und durchgeführt werden, von den Ländern einheitlich und planmäßig gelenkt sind. Deshalb sollen — das sieht der Gesetzentwurf vor — die Gemeinden beim Vollzug des Gesetzes nach den Weisungen der Länder handeln. Örtlicher Luftschutzleiter wird der leitende Gemeindebeamte und nicht mehr, wie im zweiten Weltkrieg, der Polizeiverwalter. Für unsere Regelung spricht, daß der Schwerpunkt der öffentlichen örtlichen Luftschutzmaßnahmen ganz überwiegend im Rahmen der kommunalen Verwaltung liegt. Die öffentlichen Luftschutzbauten werden unter Leitung des städtischen Bauamtes durchgeführt. Der Luftschutzsanitätsdienst soll in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt organisiert werden. Der soziale Betreuungsdienst wird in Zusammenarbeit mit dem Wohlfahrtsamt eingerichtet werden. Für die Aufgaben des Luftschutzes müssen bei der Feuerwehr zahlreiche Ergänzungskräfte vorgesehen werden. Auch — um das nur zu erwähnen — in England ist der leitende Gemeindebeamte der örtliche Luftschutzleiter.
Die Länder sind sachlich mit den Luftschutzmaßnahmen einverstanden. Der Bundesrat hat aber trotzdem Einwendungen erhoben, da er in der bundesgesetzlichen Regelung einen Eingriff in die Kommunalhoheit der Länder erblickt. Er will die Regelung der Landesgesetzgebung vorbehalten. Die Bundesregierung dagegen hält diese Bestimmungen im Interesse eines einheitlichen Vollzugs des Luftschutzes für notwendig. Sie hofft, die nach Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes erforderliche Zustimmung des Bundesrates zu gewinnen.
Der Entwurf legt weiterhin den Ländern und den Gemeinden bestimmte Verpflichtungen auf. So schreibt er vor, daß die Länder die überörtlichen Verbände des Luftschutzhilfsdienstes aufzustellen und Arzneimittelvorräte anzulegen haben. Er bestimmt ferner, daß die Gemeinden den örtlichen Alarmdienst und den örtlichen Luftschutzhilfsdienst einrichten sollen und daß sie im Rahmen der örtlichen Luftschutzplanung die vorhandenen öffentlichen Bunker instand setzen und neue Sammelschutzräume einrichten sollen.
Der Bundesrat erhebt auch hier verfassungspolitische Bedenken. Er wendet sich dagegen, daß durch Bundesgesetz den Gemeinden Verpflichtungen zu bestimmten Maßnahmen auferlegt werden. Er ist der Meinung, daß diese Regelung durch Landesgesetz erfolgen sollte. Die Bundesregierung hält jedoch eine einheitliche Regelung für notwendig und ist — ebenfalls aus verfassungspolitischen Erwägungen — der Ansicht, den Gemeinden im Interesse des Gemeinwohls gewisse Aufgaben, die sich aus der örtlichen Verantwortung der Gemeinden ergeben, unmittelbar aufzuerlegen; das Jugendwohlfahrtsgesetz und das Erste Wohnungsbaugesetz sind Beispiele solcher bundesgesetzlicher Regelungen. Die kommunalen Spitzenverbände — das möchte ich hier hervorheben — stimmen der Auffassung der Bundesregierung zu.
— Herr Kollege Lücke, ich bemühe mich gerade, diese Sache so eindeutig und plastisch wie möglich vorzutragen. Ich freue mich, daß das Ihre volle Aufmerksamkeit gefunden hat. Trotzdem haben Sie mich in diesem Punkte mißverstanden. Darauf komme ich nämlich gerade jetzt erst.
Die umstrittenste Frage — und damit komme ich zu dem, was Herr Kollege Lücke schon vorweg bemerkt hat — ist die der Finanzierung.
— Meine Damen und Herren, ich freue mich doch, daß es gelingt, nach Vorausgehen der allgemeinen Betrachtung das Interesse des Hauses wenigstens mit dem Stichwort „Finanzierung" zu finden.
Ebenso wie das Luftschutzprogramm sieht der Gesetzentwurf grundsätzlich vor, daß bei den Aufgaben, die in bundeseigener Verwaltung durchgeführt werden, der Bund die Kosten in vollem Umfange trägt.
— Ja, meine Damen und Herren, ich bitte, auf jedes Wort zu hören, dann geht, wie ich fürchte, die mit dem Bravo ausgedrückte Zustimmung wieder etwas zurück. — Bei den anderen Aufgaben, die von den Ländern und Gemeinden durchgeführt werden, leistet der Bund Zuschüsse in Höhe von einem Drittel der Kosten. Der Bundesrat hat auch hier Einwendungen erhoben. Er ist der Ansicht, daß die Hauptlast der Kosten vom Bund getragen werden müsse, da der Luftschutz zu den Verteidigungsaufgaben des Bundes gehöre.
Der Bundesrat schlägt vor, daß von den gemeinsamen Luftschutzausgaben 80 % vom Bund und nur 20 % von den Ländern übernommen werden. Die kommunalen Spitzenverbände — und nun komme ich wieder auf Herrn Lücke, der da eine hervorragende Rolle spielt — haben überhaupt jede Beteiligung der Gemeinden an den Kosten des Luftschutzes abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, ich würde Sie bitten, sich hier noch nicht vorzeitig durch Zurufe festzulegen. Das wird sicher noch sehr schwierige Verhandlungen erfordern.
Zunächst möchte ich dazu für die Bundesregierung folgendes sagen. Nach den Grundsätzen unseres bundesstaatlichen Finanzrechts folgt aus der Verwaltungsverantwortung auch die Pflicht zur Beteiligung an der Kostenlast. Jedem Träger von Verwaltungsaufgaben fallen die daraus entstehenden Kosten zu; er muß diese Kosten aus seinen allgemeinen Finanzmitteln bestreiten. Wegen der Größe der finanziellen Belastung für die Aufgabenträger durch den Luftschutz sind aber im Gesetzentwurf Zuschüsse des Bundes in Höhe von einem Drittel der Kosten vorgesehen. Dazu kommen die vom Bund ausschließlich zu tragenden Kosten wie die Kosten des Luftschutzwarndienstes, der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz, der Forschung und der technischen Entwicklung.
Da wir die Schwierigkeiten der Auseinandersetzungen über diesen Punkt kennen, haben wir auch hinsichtlich der Kostenverteilung die Verhältnisse im Ausland sorgfältig studiert. Das Ergebnis besagt, daß in Bundesstaaten die Kosten zwischen dem Gesamtstaat, den Gliedstaaten und den Gemeinden, in Einheitsstaaten zwischen dem Staat und den Gemeinden aufgeteilt werden. In den Vereinigten Staaten z. B., die in die erste Kategorie gehören, betrugen im Haushaltsjahr 1954 die Ausgaben des Bundes für den Luftschutz 21 %, die der Länder und Gemeinden 79 %.
Nun verkenne ich sicher nicht, daß die deutschen Gemeinden, die schwer an den Kriegsfolgen zu tragen haben und die sich besonders auch durch die Probleme des modernen Verkehrs vor hohe finanzielle Aufwendungen gestellt sehen, mit großer Sorge der neuen, sich aus dem Luftschutzgesetz ergebenden Ausgabenlast entgegensehen. Ich weiß, daß in dieser Hinsicht die weniger finanzstarken Under ebenfalls schwere Sorgen haben. Hier muß der Finanzausgleich helfen.
Für den Bund aber möchte ich doch darauf hinweisen, daß von den Gesamtausgaben des vorläufigen Luftschutzprogramms in Höhe von 1,2 Milliarden der Bund 626 Millionen und die Länder und Gemeinden zusammen 605 Millionen DM tragen sollen. Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, daß der Bund mehr als die Hälfte der Kosten für die Durchführung des ersten Luftschutzprogramms aufbringen soll.
Oft ist hervorgehoben worden, daß die finanziellen Schwierigkeiten leichter zu lösen wären, wenn es gelänge, die Luftschutzkosten der Bundesrepublik auf den NATO-Beitrag anzurechnen. Die NATO-Regelung sieht zur Zeit vor, daß die Kosten der zivilen Verteidigung von den einzelnen Staaten selbst aufzubringen sind. Die Bundesregierung hat bereits in den zuständigen NATO-Gremien vorgetragen — und sie wird das erneut tun —, daß die Bundesrepublik angesichts der schweren Belastung durch die Folgen des zweiten Weltkrieges und in ihrer besonderen Lage als die vorderste Bastion des NATO-Verteidigungssystems eine Anrechnung der Kosten der zivilen Verteidigung, insbesondere des Luftschutzes, auf ihren NATO-Beitrag beantragen müsse. Bisher hatten diese Bemühungen keinen Erfolg.
Es ist verständlich, daß das Problem der Finanzierung der privaten Schutzraumbauten in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit findet. Schutzräume der Klasse A, die in den am meisten gefährdeten Großstädten nötig sind und für die eine Betonumfassung von 60 cm vorgesehen ist, erfordern pro Kopf der Belegung einen Kostenmehraufwand von 520 DM, Schutzräume der Klassen B und C mit einer Betondecke von 40 und 30 cm einen Mehraufwand von 330 bzw. 165 DM. Selbstverständlich können diese Kosten nicht dem Gebäudeeigentümer — in der Regel den Wohnungsbaugesellschaften — aufgebürdet werden, wenn die Zahl der Neubauten aufrechterhalten werden soll. Es sind daher für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau Mittel bereitzustellen, um die Zahl der neu zu erbauenden Wohnungen nicht zu verringern und um den Kampf gegen die Wohnungsnot weiterhin erfolgreich fortsetzen zu können.
— Herr Lücke, auf diesen Zwischenruf hatte ich gewartet; ich bedanke mich ausdrücklich dafür.
Es mußte ferner — das ist sicherlich schmerzlich
— für diese Neubauwohnungen eine Überschreitung der Mietrichtsätze in dem Ausmaß vorgesesehen werden, das notwendig ist, um die Verzinsung und Tilgung der für die Schutzräume aufgewendeten Kosten zu sichern. Die dadurch erforderliche Mietanhebung wird sich in maßvollen Grenzen bewegen.
Beim Bau von öffentlich geförderten Wohnungen, die Bevölkerungsschichten mit geringerem Einkommen vorbehalten werden, soll der Bau von Luft-
schutzräumen mit öffentlichen Mitteln derart gefördert werden, daß eine Erhöhung der Miete nicht eintritt.
Die Schaffung von Schutzräumen im Altwohnhausbestand ist im vorläufigen Luftschutzprogramm und damit auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf noch nicht vorgesehen. Die hierfür erforderlichen baulichen Maßnahmen sind technisch und finanziell schwieriger. Aber auch dieses Problem wird gelöst werden; denn im Zeitalter der Atomwaffen ist der Schutzraum eine notwendige Einrichtung.
Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn das ganze Haus und nicht nur diejenigen, die diesem Problem ein spezielleres Interesse entgegenbringen. doch anhören würde, was ich jetzt zum Schluß sagen möchte. Es ist das Schicksal unserer Generation. daß sie in das Atomzeitalter hineingeboren ist. Keine Macht der Welt kann uns die volle Gewißheit geben, daß uns die Schrekken eines Atomkrieges erspart bleiben. Dieser unbarmherzigen Wahrheit muß ein verantwortungsbewußtes Parlament und muß eine verantwortungsbewußte Exekutive Rechnung tragen. Der Generalsekretär des schwedischen Landesverbandes für Zivilverteidigung hat kürzlich bei einem Vortrag in der Schweiz das Wort geprägt:
Mit dem zivilen Schutz steht und fällt die gesamte Landesverteidigung eines Landes. Mit dem zivilen Schutz allein kann man keinen Krieg gewinnen, ohne zivilen Schutz wird man ihn aber bestimmt verlieren.
Wir können dieses Wort dahin ergänzen. daß unser Volk mit seinem dicht besiedelten Staatsgebiet im Zeitalter der Atomwaffen ohne ausreichenden Luftschutz einen Krieg auf dem europäischen Schauplatz nicht einmal überleben würde.
Die theoretische Vorarbeit ist geleistet. Wir müssen nunmehr alles daran setzen. so rasch wie möglich auch praktisch einen wirksamen Luftschutz aufzubauen. Voraussetzung hierfür ist das baldige Inkrafttreten des ersten Luftschutzgesetzes. Die Bundesregierung würde es daher dankbar begrüßen, wenn der dem Hohen Hause vorliegende Gesetzentwurf schnell verabschiedet würde.
Lassen Sie mich mit folgenden Worten schließen. Die Sicherheit verlangt Opfer, sie verlangt Opfer von jedem einzelnen. Das ist ein geschichtliches Gesetz. Auch bei dieser Entscheidung geht es um die Bewährung unseres Willens zur Selbstbehauptung. Die Bundesregierung hat ihre Auffassung dargelegt und konkrete Vorschläge gemacht. Das Wort, meine Damen und Herren, hat nunmehr der Bundestag.
Die Vorlage ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache in erster Lesung, wobei ich darauf hinweisen möchte, daß nach der Geschäftsordnung Ausführungen zu Einzelbestimmungen unterlassen werden sollten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höck.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister des Innern hat den Entwurf eines ersten Luftschutzgesetzes, den die Bundesregierung hier eben dem Hohen Hause zugeleitet hat, sehr eingehend und, wie mir scheint, mit einleuchtenden Argumenten begründet. Wenn früher an dieser Stelle hier über den Luftschutz gesprochen wurde, dann handelte es sich bisher nur um die Bereitstellung bescheidener Mittel für diese Zwecke.
— Einen Moment! — Ich glaube, die Bundesregierung hat recht daran getan, die Einbringung des Gesetzentwurfs zum Anlaß dafür zu nehmen, der Öffentlichkeit das Problem des zivilen Luftschutzes in seiner ganzen Größe und Problematik hier aufzuzeigen.
— Einen Augenblick; ich komme darauf, Herr Kollege Menzel. Damit lösen wir das Problem ja nicht, daß wir jetzt in Ressentiments machen.
Nach zehn Jahren wieder von Luftschutz zu sprechen, ist eine Tatsache, an der wir nicht vorbeigehen können. Sicherlich sind psychologische Schwierigkeiten zu überwinden, gerade auch bei denjenigen, die früher einmal aktiv im Luftschutz tätig waren. Wurde es doch vor einigen Jahren noch fast als ein Verbrechen angesehen, im Dienste des zivilen Luftschutzes gestanden zu haben. Aber niemand wird die Notwendigkeit heute verkennen können, daß gerade die Bundesrepublik zur zivilen Selbsthilfe im Rahmen des Luftschutzes aufruft. Aus diesem Gesichtspunkt heraus darf ich vielleicht auch anmerken, daß das Gesetz eigentlich etwas zu spät kommt.
Aber wir waren in der Vergangenheit nicht immer frei in unseren Entscheidungen.
Im Rahmen einer ersten Beratung des Gesetzes möchte ich mich auf einige grundsätzliche Bemerkungen hier beschränken.
Luftschutzfragen sind in der letzten Zeit, insbesondere nach dem Bekanntwerden des Luftschutzprogramms der Bundesregierung, in der öffentlichen Meinung in steigendem Maße erörtert worden. Diese Erörterungen waren nicht immer von profunder Sachkenntnis getragen, und in ihnen klangen immer wieder die Zweifel an, ob der Aufbau und Ausbau eines Luftschutzes angesichts der modernen Massenvernichtungsmittel überhaupt noch einen Sinn habe, mit anderen Worten, ob es noch vernünftig sei, hierfür Millionen- oder Milliardenbeträge auszugeben und zur Verfügung zu stellen.
Meine politischen Freunde sind ebenso wie die Bundesregierung der Auffassung, daß solche Vorbereitungen zum Schutz der Zivilbevölkerung nicht nur einen Sinn haben, sondern daß sie dringend notwendig sind. Sie haben ihren Wert nicht nur für den Fall, daß — was Gott verhüten möge — eine kriegerische Auseinandersetzung mit den sogenannten konventionellen Waffen, d. h. den Spreng- und Brandbomben des zweiten Weltkriegs, ausgetragen werden müßte, sondern auch in dem ungleich schrecklicheren Falle, daß die Menschheit in einen Atomkrieg hineingerissen würde. Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist allerdings, daß die vorgesehenen Maßnahmen, deren Verwirk-
lichung sich über Jahre hinziehen wird, so elastisch gestaltet werden daß sie in dem einen wie in dem andern Falle auch Schutz bieten.
Ich habe bisher immer die Betonung auf das Wort „zivil" gelegt, und mit Absicht. Wenn man nämlich den Gesetzentwurf sorgfältig durchliest, muß man feststellen, daß hier der Luftschutz als Selbsthilfe im zivilen Sektor und in zivilen Händen liegt und nicht in militärischen Händen liegen soll. Ich glaube, dieses Moment ist doch von ausschlaggebender Bedeutung für den jetzt angelaufenen Luftschutz und sollte bei der Beratung in den Ausschüssen Beachtung finden.
Es hat bisher im Gegensatz zu den geäußerten Zweifeln über den Sinn von Luftschutzmaßnahmen auch nicht an Kritik daran gefehlt, daß die Bundesregierung mit der Bekanntgabe ihres Luftschutzprogramms und ihrer Luftschutzkonzeption und mit dem ersten Schritt in die Gesetzgebung hinein so lange gezögert hat. Wir halten diese Kritik nicht in allen Fällen für berechtigt. Wir sind uns wohl alle darüber im klaren, daß ein wirksamer Luftschutz — dieses vorläufige Programm und dieses erste Luftschutzgesetz sind ja nur ein Anfang — Milliardenbeträge erfordern wird. Es war sicherlich richtig, daß die Bundesregierung alle Möglichkeiten sachverständiger Beratung erschöpft hat, wie der Herr Minister hier eben auch erläutert hat, bevor sie mit einer so schwierigen und, ich möchte auch sagen: keineswegs populären Materie an die Öffentlichkeit getreten ist.
Ich möchte hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Eines dürfte jedoch feststehen: ,daß der Aufbau eines zivilen Luftschutzes und erst recht seine Führung im Ernstfalle einer Lenkung nach einheitlichen Gesichtspunkten bedürfen. Wir würden es deshalb nicht für glücklich halten, die mannigfaltigen verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen, die insbesondere das Verhältnis des Bundes zu den Ländern und zu den Gemeinden betreffen, bei der Behandlung des Gesetzentwurfs zu überspitzen.
Von grundsätzlicher Bedeutung wird in dieser Hinsicht der Verlauf der Verhandlungen über eine zweite Ergänzung des Grundgesetzes sein. Ich denke hier an den Entwurf des Art. 32 a, der dem Bund die Möglichkeit geben soll, auch bei der zivilen Verteidigung, also dem Schutz der Zivilbevölkerung, eine Auftragsverwaltung gegenüber den Ländern zu begründen. Wir werden es uns bei der weiteren parlamentarischen Behandlung des Entwurfs überlegen müssen, ob nicht auch der heute zu erörternde Gesetzentwurf von dieser Möglichkeit Gebrauch machen sollte, wenn die verfassungsmäßigen Voraussetzungen hierfür rechtzeitig vorliegen.
Die Opposition hat auch in diesem Hause an der Planung des zivilen Luftschutzes mehrmals scharfe Kritik geübt und wird es sicherlich auch an diesem Gesetzentwurf wieder tun. Das darf ich im voraus feststellen. Wir hören diese Worte allerdings auch nicht zum ersten Male. Schon früher ist uns bei den Haushaltsberatungen entgegengehalten worden, daß man für den Schutz der Zivilbevölkerung doch Mindestbeträge bereitstellen müsse, die in einer gewissen Relation zu den Ausgaben für die militärische Verteidigung ständen. Finanztechnisch sollte man hier wohl im Interesse unserer Zivilbevölkerung zu einer ganz klaren Scheidung von zivilen Verteidigungsausgaben und militärischen Verteidigungsausgaben kommen.
Erst kürzlich wurde in einer Ausschußsitzung in diesem Hohen Hause behauptet, daß andere Staaten der freien Welt höhere Aufwendungen für den Schutz ihrer Bevölkerung machten. Aus amtlichem Zahlenmaterial, das mir zugänglich war, geht hervor, daß im vorigen Rechnungsjahr, also im Rechnungsjahr 1954, auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet, die Vereinigten Staaten von Amerika 4,76 DM, Großbritannien 8,87 DM, Belgien, das unserer Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur am ähnlichsten ist, 2,23 DM, Norwegen 4,96 DM und Schweden 4,62 DM ausgegeben haben. Wir hier in der Bundesrepublik stehen erst am Anfang. Aber bei einem Gesamtvolumen des Luftschutzprogramms, wie es eben hier vorgetragen worden ist, von 1,2 Milliarden, d. h. 400 Millionen im Jahresdurchschnitt, entfallen an öffentlichen Aufwendungen, wozu noch die Aufwendungen der Industrie und anderer Stellen kommen, in der Bundesrepublik also rund 8 DM auf den Kopf der Bevölkerung.
— Ich komme darauf. Man könnte gegen diesen Vergleich einwenden, daß die anderen Staaten, die ich soeben erwähnte, schon jahrelang Luftschutzkosten in dieser Höhe aufgebracht haben. Aber man kann von uns nicht ohne weiteres erwarten, daß wir im Anfangsstadium des Aufbaus den gesamten Nachholbedarf auf einmal bewältigen. Ich glaube, es ist gar nicht so schlimm, daß wir nunmehr aufholen, nachdem doch in der Entwicklung der atomaren Waffen Erkenntnisse zutage getreten sind, die wir uns jetzt bei dem Neuaufbau des Luftschutzes — auch bei den Bauten — sehr zugute halten und anwenden können. Sehr viel wichtiger erscheint uns, daß jetzt an Stelle einer reinen Planung der Beginn der praktischen Verwirklichung von Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung tritt. Das ist in diesem Gesetzentwurf doch wohl angedeutet.
Eine ganz andere Frage ist es, wie die öffentlichen Luftschutzkosten zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden sollen. Der Gesetzentwurf geht davon aus, daß die gemeinsam zu lösende Aufgabe auch eine gemeinsame Finanzierung von Bund, Ländern und Gemeinden verlangt. Der Bund soll an diesen Kosten mit einem Drittel beteiligt werden, während der Umfang der Heranziehung der Gemeinden, was finanzverfassungsrechtlich sicher zutreffend ist, dem Länderfinanzausgleich überlassen bleibt. Ihnen ist, so nehme ich an — der Herr Minister hat es auch angedeutet —, der lebhafte Widerspruch nicht nur des Bundesrats, sondern auch der kommunalen Spitzenverbände gegen eine solche Lastenverteilung bekannt. Die Durchführung einer Auftragsangelegenheit war und ist für die Kommunen ein Greuel, weil sie dabei immer finanziell Haare lassen müssen.
In der Nachkriegszeit haben die Städte enorme finanzielle Opfer für den Wiederaufbau geleistet. Zum andern wurden für die Lösung all der Verkehrsangelegenheiten und anderer Aufgaben immer größere Ausgaben verlangt.
Ureigenste kommunale Aufgaben — ich komme nicht auf den Wohnungsbau, Herr Kollege Lücke, aber auf Schulbau und Krankenhausbau — kommen und kamen dabei zu kurz. Ich meine, daß wir
gerade die Frage der Finanzierung des Luftschutzes in den Ausschußberatungen sehr gründlich zu prüfen haben. Grundsätzlich möchte ich aber heute schon zum Ausdruck bringen, daß dabei die durch den Krieg und seine Folgeerscheinungen hervorgerufene schwierige Finanzlage der Gemeinden gebührend berücksichtigt werden muß. Wir sind an sich — das darf man doch wohl auch ausdrücken —dem Herrn Minister dankbar, daß ihm nach dieser Richtung auch Gedanken gekommen sind und daß er das Problem angeschnitten hat. Wir sind davon überzeugt, daß dieser Gesetzentwurf bei allen Schwierigkeiten der darin berührten Rechts- und Finanzprobleme angesichts der einmütigen Anerkennung der Notwendigkeit und Dringlichkeit des zivilen Luftschutzes — das darf ich wohl voraussetzen - von allen Fraktionen dieses Hauses eine Fassung erhalten wird, der auch der Bundesrat zustimmen kann, und daß das Gesetz bei seiner Verkündung eine brauchbare Grundlage für die Durchführung Ihrer Planung zum Schutze der Zivilbevölkerung bilden wird. Ich brauche hier wohl nicht zu betonen, daß meinen politischen Freunden wie mir selbst die Erhaltung des Friedens als der beste Schutz erscheint.
Namens meiner Fraktion beantrage ich die Überweisung der Drucksache 1978 an den Ausschuß für innere Verwaltung als federführenden Ausschuß und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß und die Ausschüsse für Kommunalpolitik und für Finanz- und Steuerfragen.
Das Wort 'hat der Abgeordnete Dr. von Buchka.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus dem großen Luftschutzkuchen, den uns der Herr Bundesinnenminister präsentiert hat, will ich nur eine Rosine herauspicken. Im allgemeinen sind ja Rosinen wohl ganz wohlschmeckend. Ob das, was ich herauspicken will, nämlich die Finanzierungsfrage, denselben guten Geschmack hat, weiß ich nicht und erscheint mir zweifelhaft,
— ob gerade Gift darin ist, will ich nicht behaupten.
Meine Damen und Herren, zur Finanzierungsfrage und gerade im Hinblick auf die Gemeinden folgendes. Es ist zweifellos richtig — wie auch der Herr Bundesinnenminister ausgeführt hat —, daß der Schwerpunkt der Arbeit bei den Gemeinden und gerade bei den Großstädten auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes liegen wird. Die Kosten, die dabei entstehen, sind aber so groß, daß die Gemeinden in dieser Hinsicht mit allergrößter Sorge in die Zukunft blicken. Ich habe mit Befriedigung vom Herrn Bundesinnenminister gehört, daß auch er sich darüber bereits Gedanken gemacht hat. Das ist um so notwendiger, als wir ja erst am Anfang stehen. Wer weiß, was alles sonst noch an Luftschutzaufgaben für die Gemeinden kommen wird, die ohnedies seit dem Zusammenbruch von 1945, weiß Gott, keine leichte Zeit gerade auch in finanzieller Hinsicht gehabt haben. Ich verstehe es also suhr wohl, wenn die kommunalen Spitzenverbände ein Nein ausgesprochen haben.
Es obliegt mir im Augenblick nicht, eine endgültige Regelung vorzuschlagen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß der Bundesrat hinsichtlich der
Finanzierung offenbar einen Mittelweg zwischen der völlig ablehnenden Haltung der kommunalen Spitzenverbände und der Regierungsvorlage gehen will, indem er, ich möchte es mal so nennen, eine Interessenquote vorschlägt, aus dem Gedanken heraus, daß es immer etwas für sich hätte, wenn die Gemeinden wenigstens finanziell dabei interessiert wären. Darüber läßt sich reden. In welcher Höhe allerdings eine derartige Interessenquote festzusetzen sein würde, bedarf noch sehr eingehender Beratungen in den Ausschüssen. Auf alle Fälle aber bitte ich schon jetzt, bei diesem zweifellos unbedingt notwendigen Gesetz die Belange der Gemeinden nicht zu vergessen, ihnen also nicht etwa die Last aufzuerlegen, wie es nach dem Regierungsentwurf offensichtlich geschehen soll. Aus allen diesen Gesichtspunkten halte auch ich es für notwendig, daß der Ausschuß für Kommunalpolitik bei diesem Gesetzentwurf mitberatend beteiligt wird.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß endlich ein Gesetz für den zivilen Luftschutz erlassen werden soll. Wir sind keineswegs der Meinung, daß ziviler Luftschutz heutzutage unnötig ist. Die atomaren Waffen werden vielleicht, ja, wir wollen es hoffen, überhaupt nicht eingesetzt werden. Wir werden uns, wenn einmal das Unglück eines Krieges über uns hereinbrechen sollte, in erster Linie gegen die klassischen Waffen zu schützen haben. Wir alle, die wir den vorigen Krieg und die furchtbaren Angriffe miterlebt haben, wissen doch, daß die damals noch sehr primitiven Luftschutzmaßnahmen vielen Menschen das Leben gerettet haben. Sollte aber einmal ein Unglück über Europa kommen und sollten wir, die wir den Krieg als Angriffskrieg in jeder Form ablehnen, überhaupt nicht aktiv am Kriege beteiligt sein, so wissen wir — das hat uns die Erfahrung des letzten Krieges gezeigt —, daß auch neutrale Mächte vor den Gefahren des Luftkriegs nicht verschont bleiben. Das haben wir bei den Bombenabwürfen in der Schweiz erlebt. Wieviel mehr werden angrenzende neutrale Gebiete bei Anwendung nuklearer Waffen gefährdet, wo man nicht mehr weiß, wohin der Wind die Strömung treibt! Also ist es notwendig, daß wir alles tun, um uns in Friedenszeiten, in normalen Zeiten auf einen eventuellen Notstand vorzubereiten.
Nun sind wir ein wenig traurig darüber, daß dieses Gesetz so spät kommt und trotz allem gutem Willen und aller guten Pläne, die der Innenminister uns hier in seiner Rede dokumentiert hat, doch auch noch recht unvollkommen ist. Wir erkennen an, daß es nicht leicht war, unter den Beschränkungen, die uns von der Besatzungsmacht auferlegt worden sind, schon vorher Maßnahmen zu treffen. Aber, Herr Innenminister, ich bin der Meinung, man hätte vielleicht schon manche Vorbereitungen gesetzgeberischer Art treffen können, um nach Wegfall der Hemmnisse ein etwas ausführlicheres Gesetz aus der Schublade zu ziehen, so daß die Regelung, die hier im Ersten Luftschutzgesetz vorgesehen ist, bereits umfassender sein könnte. Es ist hier doch nur ein relativ kleiner Teil der Aufgaben des Luftschutzes herausgegriffen
worden. Viele Gebiete: das Sanitätswesen, die Bevorratung mit Nahrungsmitteln, das sehr, sehr wichtige Gebiet der Evakuierung der Bevölkerung — die ja immer noch die sicherste Schutzmaßnahme ist —, ja auch eine gewisse Vorbereitung des Arbeitseinsatzes in Katastrophenfällen, sind nicht geregelt. Die sind vielleicht in der Begründung angedeutet, aber im Gesetzentwurf selbst ist eine Regelung noch nicht vorgesehen. Herr Minister, auf diesen Gebieten haben wir doch schon heute Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung, die uns noch nicht einmal sehr viel kosten, so daß wir dafür heute nicht viele Mittel in unseren angespannten Etat einsetzen müssen.
Wir sollten diesen Dingen ganz besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Wir verkennen nicht, daß z. B. bezüglich der Evakuierung schon gewisse Ansätze da sind, indem man eine Art strategische Evakuierung durch Auflockerung der Bebauung vorgesehen hat. Aber es reicht nicht aus, wenn wir in unserem Gesetz nur eine solche Anregung geben; denn ein Zwang steht nicht dahinter und kann wohl auch nicht dahinterstehen, daß lebenswichtige und eventuell für den Krieg wichtige Betriebe nicht zusammengeballt in den Städten anzulegen sind, sondern daß man den Notwendigkeiten schon bei der Anlage und bei der Ansiedlung-Rechnung trägt. Es ist ein Anfang, aber es ist noch viel zuwenig. Man sollte in bezug auf die allgemeine strategische Evakuierung etwas entschiedener vorgehen und schon heute die Maßnahmen etwas genauer überlegen und gesetzgeberisch regeln.
Die Frage der Finanzierung, die ich soeben angeschnitten habe, tritt ganz evident bei der Durchführung der Luftschutzbauten in Erscheinung. Da bedrückt uns ganz besonders die Sorge, daß der soziale Wohnungsbau gefährdet werden könnte. Wir dürfen bei der Beratung dieses Gesetzes unter gar keinen Umständen dazu kommen, daß bei Neubauten infolge irgendwelcher Auflagen bezüglich des Luftschutzes die Mieten gesteigert werden. Herr Minister, Sie sagten, sie würden nur unwesentlich erhöht werden. Aber nach den bisher erfolgten Mietsteigerungen ist die Bevölkerung schon recht empfindlich geworden,
wenn von einer möglichen Mietsteigerung die Rede ist. Wir werden also in dieser Beziehung sehr vorsichtig sein und uns sehr genau überlegen müssen, ob nicht auch bei anderen Bauvorhaben bezüglich des Luftschutzraums — auch bei privaten Bauvorhaben, bei Bauvorhaben in Altbauten — höhere Zuschüsse, als sie vielleicht jetzt vorgesehen sind, gewährt werden müssen, um eben keine wirklich nennenswerte Mietsteigerung hervorzurufen.
Aber die Mittel, die jetzt für die erste, dann auch für die zweite und dritte Phase vorgesehen sind, erscheinen uns viel zu niedrig. Wir sind der Meinung, daß allein für den sozialen Wohnungsbau zusätzlich noch mindestens ungefähr eine Viertelmilliarde in den Etat eingesetzt werden müßte.
Ich glaube, wir sollten da auch an den Herrn Finanzminister einen Appell richten, daß er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln etwas größere Beträge locker macht.
Ich möchte auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs nicht eingehen, aber doch noch auf einen Punkt hinweisen, der mir etwas problematisch erscheint. Ich meine die Frage, ob man die Durchführung von Maßnahmen auf dem Gebiete des Luftschutzes privaten Organisationen, z. B. der Industrie, überlassen sollte. Sicherlich bedeutet das eine Entlastung für den Staat, und sicherlich ist Selbstverwaltung auf vielen Gebieten gut. Aber es kann dann unter Umständen zu Spannungen zwischen einzelnen Organisationen kommen, die für die Allgemeinheit sicherlich nicht sehr gut sind. Hier gilt es doch, das Interesse der Allgemeinheit über vielleicht vorhandene private Belange zu stellen. In jedem Falle sollte man für eine gewisse Aufsicht sorgen, und ,die Organisationen der privaten Wirtschaft sollten mit dem Bundesluftschutzverband sehr eng zusammenarbeiten. Hier sollte auf alle Fälle etwas erreicht werden.
Dann habe ich noch eine große Bitte gerade an die Kreise, denen man jetzt eine Selbstverwaltung auf diesem Gebiet gewähren will. Von dieser Seite sollte ein großes Verständnis für die Notwendigkeit der Beurlaubung der Hilfskräfte aufgebracht werden. Der Einsatz kann — abgesehen von den Fällen des Luftschutzes — auch schon bei anderen Katastrophen erforderlich sein, die ja leider nicht ausbleiben. Ich denke da an große Brände und an große Überschwemmungen. Für solche Fälle ist die Ausbildung einer sehr großen Anzahl von Menschen in erster Hilfe, Sanitätsdienst und ähnlichen Dingen notwendig. Diese Ausbildung kommt uns sowohl im Luftschutz als auch bei anderen Katastrophen zugute. Deshalb sollten gerade von seiten der Betriebe, von seiten der Arbeitgeber möglichst viele Kräfte freigestellt werden — es kommt den Betrieben auch zugute —, damit auf möglichst breiter Basis ein Hilfsdienst aufgebaut werden kann. Wir werden im Ausschuß über diese Fragen noch zu sprechen haben. Beim Aufbau des Luftschutzes wird auch das Verkehrswesen eine Rolle spielen. Es wird zu überlegen sein — ich möchte das beantragen —, ob wir nicht auch diese Frage im Verkehrsausschuß behandeln; denn gerade beim Luftschutz wird das Verkehrsproblem — ich denke an eine plötzliche Evakuierung der Städte oder Betriebe — von erheblicher Bedeutung sein. Ich möchte also darum bitten, den Gesetzentwurf auch diesem Ausschuß zu überweisen.
Im übrigen werden wir uns bemühen, so schnell und so gut wie möglich an diesem Gesetz mitzuarbeiten. Wir hoffen, daß sich bei der Bearbeitung des Gesetzes vielleicht noch eine Ausweitung seines Bereichs ergibt und daß noch einige Probleme, deren gesetzliche Regelung bis jetzt noch nicht vorgesehen ist, mit berücksichtigt werden können.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, das Haus hat Verständnis dafür, daß ich das, was die Redner vor allem der CDU/CSU hier nicht so deutlich gesagt haben, für die sozialdemokratische Fraktion etwas deutlicher anspreche. Zunächst möchte ich aber auf einige Ausführungen des Kollegen Dr. Höck eingehen, von dem man sagen kann, daß er hier mit Zahlen trefflich gestritten hat. Er hat dabei jedoch etwas Wesentliches vergessen: er hat nur die Zahlen von 1954 genannt. Er hätte auch die Zahlen der zurückliegenden Jahre nennen und hinzufügen müssen, daß wir in Deutschland natürlich einen Nachholbedarf auf dem Gebiete des Luftschutzes
haben. Wenn man das überlegt, erscheinen Ihre Zahlen, Herr Dr. Höck, in einem völlig anderen Licht und zeigen, daß die Mittel, die bisher von der Regierung und der Mehrheit des Hauses bereitgestellt wurden, unzureichend waren.
Die sozialdemokratische Fraktion hat seit Jahren feststellen müssen, daß die Anstrengungen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Luftschutzes in einem umgekehrten Verhältnis zu ihrer Beurteilung der militärisch-politischen Lage und vor allem zu ihren Anstrengungen bei der Wiederaufrüstung stehen.
Weil, wie an dieser Stelle schon öfter mit Recht gesagt worden ist, jede Verteidigung ihren Sinn nur in der Verteidigung der Heimat und der Zivilbevölkerung hat, hätte es doch auf diesem Gebiet dringend stärkerer Anstrengungen bedurft.
Wenn es schon infolge der Nachkriegsmaßnahmen der Alliierten schwer ist, heute der Bevölkerung die Notwendigkeit von Luftschutzmaßnahmen klarzumachen, so hat die Art, wie die Bundesregierung das Problem angepackt hat, die Verwirrung und das Mißtrauen der Bevölkerung nur noch verstärkt.
Viele Menschen sagen: Na, wenn die Regierung schon seit Jahren nicht viel oder nichts tut, dann wird es auch gar nicht nötig sein. Oder sie sagen: Wenn nur halbe Maßnahmen geschehen, dann hat die Regierung wahrscheinlich selbst das Gefühl, daß es gar nicht so notwendig ist. Und wenn man sich überlegt, daß wir nun glücklich bei dem Bau eines Versuchswarnamtes angekommen sind, und wenn man bedenkt, daß sich der Deutsche Bundestag seit Jahren mit Verteidigungsproblemen bebeschäftigt, dann muß man sich doch fragen: Ist hier alles geschehen, was hätte geschehen müssen und hätte geschehen können?
Gerade die Regierung hätte infolge der von ihr immer wieder betonten Bedrohung sich doch veranlaßt sehen müssen, sich ernsthaft mit den Problemen des Luftschutzes zu beschäftigen. Wir haben hier erleben müssen — und ich habe das dem Herrn Kollegen Dr. Höck in einem Zwischenruf eben klarzumachen versucht —, daß die Notwendigkeit der Mittel, die wir bei den Haushaltsberatungen beantragt haben, anerkannt wurde. Wir mußten dann aber erleben, daß die Bereitstellung der Mittel abgelehnt wurde. In letzter Konsequenz geschah nichts.
Wie soll aber das Volk draußen glauben, daß der Luftschutz nützt, wenn es sieht, daß die Regierung weiterhin nur — und das ist auch durch die Ausführungen der Diskussionsredner hindurchgegangen unvollständige und unzureichende Vorschläge macht?
Wenn nun die Bevölkerung noch in den Zeitungen — ich habe gerade eine Zeitung von gestern hier — Meldungen wie die folgende liest — da erklärt ein Luftmarschall, der Chef eines kanadischen Luftwaffenverbandes, daß der moderne Krieg nur noch sieben Stunden dauert, daß wenige Atombombenabwürfe das gesamte Leben lähmen und vernichten —, dann fragen sich doch draußen die Menschen mit Recht: Ja, wie ist eigentlich die Wirkung der Atomwaffen, und welche Bedeutung hat der Luftschutz überhaupt noch? Ich will das Beispiel über die Wirkung der modernen Atomwaffen, das der Kollege Mende hier am 7. Dezember in der 116. Sitzung des Hauses angeführt hat und das vor allem den Mitgliedern des Hauses, die sich schon länger mit Luftschutzfragen beschäftigen, bekannt ist, nicht wiederholen. Ich will auch nicht bezweifeln, daß die Herren, die der Herr Minister in seine wissenschaftlichen Kommissionen berufen hat, von ihrer Sicht aus auf dem letzten Stand der Entwicklung sind. Aber es ist die Frage, ob wir in Deutschland überhaupt den letzten Stand der Entwicklung bereits kennen. Da hat der Bundesrat mit Recht dringend gefordert, angesichts der Entwicklung der Atomwaffe zu prüfen, ob ein Schutz und welcher Schutz der Bevölkerung im Falle eines Atomkrieges möglich und wirksam ist. Wir sind mit dem Bundesrat der Auffassung, daß dies das erste und entscheidende Anliegen ist: Ist nach dem neuesten Stand der Entwicklung überhaupt und wie Sicherheit gegeben? Es war Herr Dr. Mende, der hier in der Sitzung am 7. Dezember mit Recht gesagt hat, daß wir diese Frage ohne Panikmacherei prüfen müssen. Aber ich habe manchmal das Gefühl, daß die Bundesregierung die satte Sicherheit, die mit Recht angegriffen wird, ganz gerne hat, weil dadurch ihre Inaktivität nicht so klar zum Vorschein kommt. Wir wünschen deshalb in diesem entscheidenden Punkt volle Klarheit unter Berücksichtigung des letzten Standes der militärischen Entwicklung und nicht zuletzt auch der NATO-Luftmanöver, die uns in diesem Hause schon in mehreren Diskussionen beschäftigt haben.
Es genügt auch nicht, daß wir uns damit trösten, daß auch in anderen Ländern Luftschutzmaßnahmen in dieser oder jener Richtung in den vergangenen Jahren durchgeführt worden sind; denn wir können uns mit der Luftschutzlage anderer Länder leider nur bedingt vergleichen. Die USA und Schweden besitzen z. B. weite Räume zum Ausweichen. Es ist sicher ohne Schwierigkeiten eine teilweise Evakuierung möglich, obwohl gerade in Schweden in letzter Zeit hiergegen Bedenken geltend gemacht worden sind. Wenn wir uns dann die Masse der Menschen im Rhein-Ruhr-Gebiet vorstellen, — wohin sollen diese Menschen ausweichen? Auch eine Teilverlagerung der Industrie, die in den USA ohne Schwierigkeiten möglich ist, ist hier nur sehr bedingt durchführbar.
Man kann es sich beim Luftschutz nicht so leicht machen, wie es sich der Herr Bundeskanzler in seiner Rede zu den Pariser Verträgen hier gemacht hat. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wörtlich zitieren. Der Bundeskanzler sagte damals:
Solange wir nicht zur NATO gehören, sind wir im Falle eines heißen Krieges zwischen Sowjetrußland und den Vereinigten Staaten das Schlachtfeld. Wenn wir in den Atlantikpakt eintreten, dann sind wir dieses Schlachtfeld nicht mehr.
Auf den Luftschutz übertragen würde das heißen: Wenn wir erst einmal das Luftschutzgesetz haben, sind wir geschützt, und dann ist alles in Ordnung. So einfach kann man es nicht machen und dürfen wir es nicht machen.
Leider hat die Bundesregierung die konkrete Frage des Bundesrates nicht genügend beantwortet.
Vor allem ist auch das Dunkel um die Gesamtplanung und die Gesamtbelastung des Luftschutzes noch nicht genügend erhellt. Wir haben heute von
dem Herrn Minister einiges von dem gehört, was auf uns zukommen wird. Überschrift und Begründung des Gesetzentwurfs zeigen — und der Herr Minister hat das auch heute ausdrücklich betont —, daß wir es nur mit ersten Maßnahmen zu tun haben. Sachverständige haben einmal die Kosten der Mindestmaßnahmen geschätzt, und es sind Zahlen zwischen 10 und 20 Milliarden herausgekommen. Der Bundesrat hat bedauert, daß wir heute nur vor einem Teilstück des Luftschutzes stehen und daß ein Teil des Luftschutzproblems vorweggenommen werden soll, ohne daß das Gesamtvorhaben der Bundesregierung auf diesem Gebiet genügend dargelegt und bekannt ist. Wenn man aber die Probleme und die Tragweite des zivilen Luftschutzes beurteilen soll, ist es notwendig, daß wir über eine solche Gesamtplanung und eine Gesamtkostenaufstellung der Regierung verfügen. Hier gilt eigentlich dasselbe, was verschiedene Sprecher meiner Fraktion schon bei anderen Gelegenheiten zu der Frage der Verteidigungslasten ausgeführt haben: daß die Regierung uns immer nur bruchstückweise die volle Auswirkung der Kosten darlegt. Deshalb müssen wir auch heute wieder verlangen, daß über die Kosten, die auf uns zukommen, völlige Klarheit geschaffen wird.
Zum Beispiel ist Ihnen, meine Damen und Herren, bekannt, daß der vorliegende Entwurf den Bau von Luftschutzräumen in Städten über 10 000 Einwohner zunächst nur bei Neubauten vorsieht. Also der gesamte Altbau ist, wie der Herr Minister auch gesagt hat, nicht berücksichtigt.
Frau Kollegin Dr. Ilk hat die Frage der Erhöhung der Mieten angesprochen. Der Herr Staatssekretär hat uns schon konkrete Zahlen in der
Frage der Mieterhöhung genannt. Ich habe das Gefühl, daß die Bundesregierung die volle Tragweite der Mieterhöhung dem Hause und der Öffentlichkeit mit Absicht nicht mitteilt, weil die Beratungen um das Wohnungsbaugesetz und die Gesetzgebung von Herrn Minister Dr. Preusker in der breiten Öffentlichkeit ohnehin eine ungeheure Beunruhigung hervorgerufen haben.
— Nein, nein, durch die Tatsachen, Herr Kollege Lücker
Wenn man weiter bedenkt, daß eine Dienstverpflichtung in gewissem Umfang vorgesehen ist, und wenn man überlegt, daß auch die deutsche Industrie, falls sie einen wirksamen Luftschutz aufbauen soll, größere Mittel bereitstellen muß und dazu auch wahrscheinlich Steuervergünstigungen verlangen wird, dann begreift man dieses Versteckspielen. Aber es ist nicht zu verantworten, und wir wünschen — das betone ich noch einmal mit aller Klarheit —, daß hier die Karten auf den Tisch gelegt werden.
Ich kann in diesem Zusammenhang nur noch einmal wiederholen, daß unabhängig, Herr Kollege Dr. Höck, von der Frage der haushaltsmäßigen Verrechnung selbstverständlich die Fragen des Bereichs der zivilen und militärischen Verteidigungslasten eine Einheit bilden und nicht isoliert gesehen werden können. Wenn man sonst Milliarden hat, darf man beim Luftschutz nicht mit den Millionen geizen.
Das müssen wir an die Adresse des Herrn Finanzministers einmal mit aller Deutlichkeit sagen.
Nun ist in den vergangenen Jahren überhaupt noch nicht einmal ein finanzieller Grundstein gelegt worden. Wir alle waren froh, als kürzlich mit den Auseinandersetzungen um den Finanzausgleich wenigstens dieses Kapitel ein vorläufiges Ende gefunden hat. Es ist zwar nicht befriedigend, aber immerhin, es ist zunächst einmal ein Ende. Nun werden diese Auseinandersetzungen erneut beginnen, denn der vorliegende Gesetzentwurf versucht doch — und das ist hier schon ausführlich dargelegt worden —, die Lasten auf die Länder und die Gemeinden weiterzuverteilen. Die Bundesregierung hat zu der Kostenfrage in ihrer Stellungnahme zu der Einwendung des Bundesrates darauf hingewiesen, daß nach ihrer Auffassung über die Hälfte der öffentlichen Kosten von der Bundesregierung getragen werden. Nun, meine Damen und Herren, ich habe mir einmal die Mühe gemacht, das Gesetz daraufhin durchzusehen, was an Belastungen vor allem auf die Gemeinden zukommt und was nach dem bisherigen Gesetzentwurf ohne Kostenersatz von den Gemeinden getragen werden soll.
Nach dem Gesetz sind es zunächst einmal die Kosten für die Beschaffung und Bereitstellung der örtlichen Alarmeinrichtungen — § 8 —, die von den Gemeinden getragen werden müßten. Ein vorläufiger Kostenüberschlag sieht dafür 27 Millionen vor. Nun sind aber eine Reihe von Kosten, die auf die Gemeinden zukommen, noch vorgesehen, die nach dem Luftschutzprogramm der Regierung zu erwarten sind und die nach meiner Meinung in der Kostenverteilung überhaupt nicht berücksichtigt sind. Da sind z. B. die Entschädigungen wegen luftschutzbedingter Baubeschränkungen. Da sind die Erhöhungen der gemeindlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau für die Bevölkerungsschicht mit geringerem Einkommen über den Satz des § 23 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes hinaus. Da sind die baulichen Luftschutzmaßnahmen bei gemeindeeigenen Gebäuden, bei Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen usw. Da sind die Luftschutzmaßnahmen bei Betriebsanlagen der Energie- und Wasserversorgung, bei gemeindlichen Verkehrsanlagen, und nicht zuletzt das große Gebiet der Haftung der Gemeinden überhaupt bei Luftschutzmaßnahmen. Der Luftschutz ist aber unbestritten ein Teil des Gesamtsystems des Schutzes der Bundesrepublik und daher wie die militärische Verteidigung keine gemeindliche Aufgabe, sondern eine Aufgabe des Bundes.
Nun ist mit Recht schon heute morgen — ich glaube, von dem Kollegen Dr. Höck — darauf hingewiesen worden, daß niemand weiß, wie sich die Luftschutzgesetzgebung noch entwickelt, und da zahlreiche Kostenpositionen bei diesen Aufstellungen noch nicht berücksichtigt sind, ist es wesentlich, daß, bevor über eine Verteilung überhaupt gesprochen werden kann, völlige Klarheit über die Gesamtkosten besteht. Der Herr Minister hat zur Rechtfertigung des Vorschlags der Bundesregierung auf die Kostenverteilung im Ausland hingewiesen. Herr Minister, ich bezweifle nicht, daß die Kostenverteilung im Ausland so ist. Aber ich weiß nicht, wie die Verteilung der Steuerquellen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Ausland ist,
und das ist doch die entscheidende Frage. Ich kann keine Kostenregelung — —
— Ausgezeichnet, Herr Minister! Wir werden im Ausschuß gern diese Untersuchung durchführen, denn von der Frage der Steuerquellen und der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern nach den Kompetenz-Artikeln 73 und 74 des Grundgesetzes hängt ja, auch in Verbindung mit dem Finanzverfassungssystem der Bundesrepublik, die Kostenverteilung ab.
Nun ist hier schon einiges über die Finanzlage der Gemeinden, der Länder und des Bundes gesagt worden. Es ist aber doch unbestreitbar — Herr Kollege Lücke wird mir sicher hier zustimmen —, daß die Finanzkraft unserer Gemeinden in einer Weise überfordert ist, wie das eigentlich in keiner Generation bisher der Fall war.
Bei der von der Bundesregierung vorgesehenen Verteilung — das scheint mir ein entscheidendes Problem zu sein — werden die Gemeinden sehr unterschiedlich belastet, Herr Minister.
Vor allem die Gemeinden, die die größten Aufgaben beim Wiederaufbau haben, weil sie durch die Kriegsfolgen so stark belastet sind, befinden sich jetzt wieder, weil sie natürlich besondere Gefahrenpunkte sind, in der Lage, daß sie die erhöhten Ausgaben nach diesem Gesetz für den Luftschutz leisten müssen. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist Ihr Vorschlag über die Kostenverteilung unmöglich. Gerade die Gemeinden, die durch die Schäden des letzten Krieges am stärksten belastet sind, werden jetzt wieder am ersten für Luftschutzmaßnahmen herangezogen.
Schließlich möchte ich auch noch darauf hinweisen, Herr Minister, daß das vorgesehene Erstattungsverfahren die Gemeinden auch wieder viel Geld kostet. Sie müssen zunächst einmal die Beträge vorlegen; das bindet Mittel. Außerdem bringt natürlich ein solches Verfahren, wie wir alle von anderen derartigen Verfahren wissen, auch einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich.
Nun ist hier auch die Frage des Eingriffs in das kommunale Verfassungsrecht angeschnitten worden. Wir haben schon bei der Beratung des Bundesleistungsgesetzes feststellen müssen, daß hier nicht nur organisatorische Bestimmungen getroffen werden, sondern daß es sich einwandfrei um einen Eingriff in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder und in das Gemeindeverfassungsrecht handelt. Ich bin auch der Meinung, Herr Minister, daß eine solche Forderung, wie sie die Bundesregierung hier aufstellt, unlogisch ist. Es ist ein Widerspruch in sich selbst, daß die Bundesregierung auf der einen Seite eine möglichst umfangreiche Kontrolle in der Hand haben will und daß sie auf der andern Seite die Kosten entweder überhaupt nicht oder nur zu einem Teil tragen will. Ich wäre dankbar, wenn wir im Ausschuß eine Regelung fänden, die auch den Interessen der Gemeinden und dem kommunalen Verfassungsrecht gerecht wird.
Im Rahmen einer ersten Lesung ist es natürlich schwer, alles das anzuführen, was uns verbesserungsbedürftig und dringend erforderlich erscheint. Ich möchte nur noch, wie Frau Kollegin Dr. Ilk das schon getan hat, auf den § 6 hinweisen, der eine sehr merkwürdige Fassung hat. Ich möchte annehmen, daß er allen Mitgliedern des Hauses bekannt ist. So wichtig es ist, daß die gewerbliche Wirtschaft und ihre Spitzenorganisationen, aber auch die Vertreter der Arbeitnehmer, die hier ganz offensichtlich ausgelassen worden sind, in Fragen des Industrieluftschutzes beratend tätig werden, so haben wir doch gegen die vorgeschlagene Regelung erhebliche Bedenken. Wenn diese Organisationen erst einmal stehen und ihre Richtlinien und Planungen herausgeben, dann wird es doch so sein, daß nachher die einzelnen Unternehmungen daran gebunden sind. Praktisch haben dann diese Organisationen eine Art Hoheitsbefugnis, die ihnen auf Grund ihrer privatrechtlichen Struktur gar nicht zukommt. Es besteht schließlich auch die Gefahr, daß die Unternehmungen, die nicht beitreten wollen, mit einem mehr oder weniger sanften Nachhelfen „eingegliedert" werden. Deshalb möchten wir unter allen Umständen eine Änderung des § 6. Wir sind überzeugt, daß es auch andere Möglichkeiten gibt, die Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft an der Vorbereitung des Industrieluftschutzes zu beteiligen.
Ich habe schon sehr bedauert, daß der Luftschutzwarndienst in seiner Entwicklung immer noch in den Kinderschuhen steckt. Ein Meisterstück behördlichen Denkens scheint mir zu sein, was hier in § 7 Abs. 3 gesagt wird. Da heißt es:
Die Behörden des Luftschutzwarndienstes haben folgende Ausgaben:
1. die Leitung, die Organisation und den Einsatz des Luftschutzwarndienstes.
Man kommt hier wohl nicht zu Unrecht auf den Gedanken, daß in dem Kopf des Verfassers dieses Entwurfs die Leitung und Organisation von Behörden zu deren wesentlicher Eigenschaft geworden ist.
— Wir werden unschwer, Herr Minister, im Ausschuß eine glücklichere Formulierung finden.
Ich habe in der Begründung zu § 7 noch einen etwas merkwürdigen Satz gelesen, von dem mir bei einer Unterhaltung mit Herren, die über größere militärische Erfahrungen als ich verfügen, gesagt worden ist, daß er offensichtlich nicht ganz glücklich sei. Da heißt es nämlich, Herr Minister, daß Sie ermächtigt werden, „einen Luftbeobachtungsdienst einzurichten, der durch Auge- und Ohrbeobachtung die Ergebnisse des Flugmeldedienstes ergänzt und notfalls auch ersetzen kann". Ich weiß nicht, wie man sich das in einem modernen Krieg denkt. Aber ich habe das Gefühl, daß hier der Verfasser des Entwurfs noch von Vorstellungen beherrscht wird, wie sie im ersten und höchstens in den Anfangstagen des zweiten Weltkrieges zutreffend waren.
— Nein, ich glaube, darauf kann man überhaupt nicht verzichten.
Was nun die baulichen Luftschutzmaßnahmen betrifft, so habe ich schon festgestellt, daß sie zunächst einmal nur für die Gemeinden über 10 000 Einwohner in Kraft treten. Hier ergibt sich auch in Fragen des Baurechts eine Menge von Kompetenzschwierigkeiten. Entscheidend ist aber, daß die Regierung klarlegt, was mit den Altbauten und schließlich, was mit der Bevölkerung auf dem flachen Lande geschieht. Man kann ja von niemandem verlangen, sich evakuieren zu lassen, wenn sich die Regierung darüber ausschweigt, was auf dem flachen Land, wohin evakuiert werden soll, luftschutzmäßig geplant ist. Davon muß man Kenntnis erlangen.
Ähnliches gilt für den Luftschutzhilfsdienst, der zunächst einmal für Schwerpunktorte vorgesehen ist. Wir hätten im Ausschuß gerne Näheres darüber gehört, wie der weitere Ausbau geschehen soll. Das gehört alles in den Rahmen des Gesamtprogramms, über das ich hier schon gesprochen habe.
Schließlich möchten wir auch Klarheit über die Kosten der Schutzräume und über die dadurch entstehende Belastung der Mieten haben. Ich habe mir einmal angesehen, was im Bundesrat über diese Kosten gesagt worden ist. Der Vertreter von Hamburg hat die Zahlen, die der Herr Minister heute morgen hier genannt hat und die damals auch schon im Bundesrat vorgetragen worden sind, sehr stark bezweifelt. Er hat zu dem Ausmaß der Verpflichtungen darauf hingewiesen, daß bei 300 000 im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zu fördernden Wohnungen etwa 195 000 auf Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern entfallen und daß bei Wohnungen mit vier oder mehr Personen zunächst einmal Kosten zwischen 660 und 2080 DM, je nach dem Schutzraumtyp, anfallen. Diese Zahlen sind bei ihm geprüft worden. Dabei hat man festgestellt, daß sie überholt und zu niedrig seien.
— Na also, darüber besteht kein Zweifel.
Selbst unter Berücksichtigung der alten Zahlen würden sich folgende Kosten ergeben, wenn man bei dem öffentlich geförderten Wohnungsbau die Kosten dem Mieter nicht aufbürden will. Bei 17 000 geförderten Wohnungen handelt es sich um eine Größenordnung von 60 bis 70 Millionen DM. Wenn man solche Zahlen hört und überhaupt die Größenordnung des sozialen Wohnungsbaus betrachtet, so erkennt man, daß sich hier sehr große Gefahren für die Weiterentwicklung des sozialen Wohnungsbaus ergeben. Es dürfte sicher gut sein, unsere besondere Aufmerksamkeit gerade diesen mit dem Wohnungsbaugesetz im Zusammenhang stehenden Fragen zu widmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich kann mich heute auf diese kurzen Ausführungen beschränken. Ich möchte nur noch folgendes sagen. Das Entscheidende für die weitere Beratung ist, daß wir wissen müssen, ob überhaupt und wie Schutz möglich ist und wie das Gesamtprojekt der Bundesregierung auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes ist. Wir werden bei den Ausschußberatungen alles daransetzen, um zu fruchtbaren Ergebnissen zu kommen.
Ich erkläre mich im Namen meiner Fraktion mit der Überweisung an den Ausschuß für innere Angelegenheiten als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung einverstanden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem die sehr ernsten Probleme des Luftschutzes im Wohnungsbau, namentlich im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau, hier eben angesprochen und vorhin auch schon von meiner Fraktionskollegin Frau Ilk berührt worden sind, darf ich wegen der weittragenden Bedeutung noch einige kurze Bemerkungen machen.
Soweit es sich um die rein bautechnischen Fragen handelt, bemühen wir uns seit langem, die neuesten Erkenntnisse zu berücksichtigen. Die Bundesregierung hat sie auch bereits der Bevölkerung und allen interessierten Kreisen längst vor der Einbringung dieses Gesetzes zugänglich gemacht und zur Beachtung und Anwendung, wo es irgend möglich ist, empfohlen. Schon im August 1955 sind bekanntlich die „Richtlinien über den baulichen Luftschutz" erschienen.
— Sie wissen, seit wann wir erst wieder in der Lage sind, auf diesem Gebiet selbständig für unsere innere Sicherheit zu sorgen. Sie kennen das Datum des 5. Mai 1955. Zwischen den beiden Daten und der notwendigen — —
— Ich glaube, daß die Dinge dort zum Teil wohl noch etwas länger dauern werden als hier. — Soweit zum Technischen.
Wir werden uns weiterhin bemühen, die Anerkennung für diese Anstrengungen, die uns von seiten der NATO schon ausgesprochen worden ist, auch im Innern zu verdienen.
Beim zweiten Problem handelt es sich um die Ausdehnung, nämlich um die Frage, warum nur Städte oder Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern von diesen Bestimmungen erfaßt werden, und um die Frage, warum nur Neubauten, warum nicht sofort auch die Altbauten hierfür in Frage kommen. Ich glaube, daß die Ausschüsse noch sehr viel Zeit auf die Prüfung der Frage werden verwenden müssen, wie weit man in der sofortigen vollen Schutzausstattung gehen kann.
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Wir haben diese Überlegungen nicht aus der hohlen Hand heraus gemacht, sondern die Bundesregierung glaubt, daß das, was sie hier vorschlägt, zur Zeit das Maximum des ersten Schrittes ist, also das, was sowohl nach der Zahl der Arbeitskräfte wie nach der Leistungsfähigkeit unserer gesamten Wirtschaft auch auf dem finanziellen Gebiet vollbracht werden kann. Wenn wir in der Lage sein sollten, gleich noch einen Schritt weiterzugehen, und wenn wir nach der Seite der Kapazität Möglichkeiten hierzu finden, dann ist es wohl eine Selbstverständlichkeit, daß wir bis an die Grenze des jeweils Möglichen gehen.
Ich komme nun zu den Zusammenhängen mit der Mietgestaltung. Das ist die Hauptfrage, wegen der ich mich zum Wort gemeldet hatte. Hier sind im Zusammenhang mit den Beratungen über das Zweite Wohnungsbaugesetz in der letzten Zeit in der Öffentlichkeit leider sehr beunruhigende Meldungen verbreitet worden,
die — das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen — in jeder Hinsicht einer sachlichen Grundlage entbehren.
Das wird bis zur Verabschiedung des Gesetzes in einer solchen Deutlichkeit klargestellt werden müssen, daß sicherlich diejenigen, die voreilig solche beunruhigenden Meldungen verbreitet haben, nachher nicht sehr glücklich über den Schaden sein werden, den sie sich damit selber zugefügt haben.
Im Luftschutzgesetz steht ausdrücklich, daß „beim Bau von öffentlich geförderten Wohnungen, die Bevölkerungsschichten mit geringerem Einkommen vorbehalten werden, der Bau von Luftschutzmaßnahmen mit öffentlichen Mitteln derart gefördert werden soll, daß eine Erhöhung der ohne die Luftschutzmaßnahmen sich ergebenden Miete nicht eintritt". Der Kreis dieser Bevölkerungsschichten soll im Einvernehmen mit dem Bundesrat genau festgelegt werden.
Wir sind uns klar darüber, daß das zwischen den Städten und ländlichen Gemeinden unter Umständen einer Differenzierung bedarf, daß man also nicht von vornherein mit fixen Zahlen hat arbeiten können. Die Größenordnung an zusätzlichen Mitteln in Höhe von rund 60 Millionen DM, die Sie angegeben haben und die notwendig wären, um für die minderbemittelten Schichten keine Mieterhöhung eintreten zu lassen, entspricht voll und ganz den Vorstellungen der Bundesregierung hierüber.
Wir sind uns auch darüber klar, daß — ich zitiere
aus der Begründung zu § 23 —, wenn das Gesamtvolumen an öffentlich geförderten Wohnungen gehalten werden soll — das mindestens ist unser gemeinsames Anliegen —, die für bauliche Luftschutzmaßnahmen erforderlichen öffentlichen Mittel von Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden zusätzlich bereitgestellt werden müssen. Es ist auch in § 23 Abs. 3 vorgesehen, daß die Mittel, soweit sie vom Bund zur Verfügung gestellt werden, nicht auf die von ihm nach den Vorschriften des Ersten Wohnungsbaugesetzes und des Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus zur Verfügung zu stellenden Mittel anzurechnen sind. Das heißt also, diese Mittel für Schutzmaßnahmen dürfen nicht etwa auf die Mittel, die bis jetzt für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden, angerechnet werden.
Sie fragen: woher sollen sie aufgebracht werden? Nun, das zu prüfen, ist eben die Aufgabe, die wir jetzt mit Ihnen bei der Beratung dieses Gesetzes haben. Aus der Notwendigkeit, diese Mittel aufzubringen, ohne daß irgendwelche Schäden erwachsen, ergibt sich der Rahmen, der für dieses erste Luftschutzgesetz materiell gezogen ist.
Sie haben die Zahlen über die Kosten zitiert, die, für vier Personen zusammengerechnet, also für eine Wohnung, in etwa entstehen können, und zwar für die Typen A, B, und C mit 2080, 1320 und 660 DM.
Ich teile mit Ihnen die Auffassung, daß diese Kosten, die natürlich auf den Stand bei der Verabschiedung und Ingangsetzung des Gesetzentwurfs berechnet waren, wahrscheinlich um ein Geringes höher sein werden, insbesondere auch schon aus gewissen technischen, luftschutztechnischen Überlegungen, die sich inzwischen als neue Erkenntnisse auf Grund der letzten Entwicklung der Versuche mit atomaren Waffen ergeben haben. Aber ich glaube, daß man, wenn man die Zahlen umrechnet, trotzdem wird sagen können, daß, wenn die Schutzräume für die Bevölkerung mit einem geringeren Einkommen völlig neutral gehalten werden sollen — und das ist ja durch den Gesetzentwurf auch klar als Wille der Bundesregierung zum Ausdruck gekommen —, dann die Verteuerungen, die sich daraus für den Kreis der Bevölkerung ergeben, der durchaus in der Lage ist, einen gewissen eigenen Anteil von vielleicht bis zu 60 % an den Kosten zu übernehmen, tatsächlich niedriger sind als diejenigen, die sich etwa aus einer 1 %igen Verteuerung der gesamten Kapitalmarktmittel ergeben würden. Es wird unser ganzes Bemühen sein, mit Ihnen in den Ausschüssen zu überlegen, wie man diese notwendigen Aufwendungen im Wohnungsbau, also insbesondere in den oberen Regionen des sozialen Wohnungsbaues, noch tragbarer gestalten kann.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage?
Bitte!
Herr Minister, sind Sie nicht auch der Meinung, daß das Gesetz auch dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen überwiesen werden sollte?
Ich glaube, daß der Kollege Schröder gegen die Mitüberweisung des Teiles, der den sozialen Wohnungsbau betrifft, an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen nichts einzuwenden haben wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Feller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich, wenn man am Ende einer so langen Rednerliste steht, schwer, in dem Luftschutzkuchen, von dem Herr Kollege von Buchka sprach, noch Rosinen zu finden, die man herauspicken könnte. Aber lassen Sie mich doch noch auf einige Fragen des uns vorliegenden Gesetzentwurfs eingehen und zunächst noch einmal auf den psychologischen Hintergrund zu sprechen kommen, mit dem wir es bei dem ganzen Unternehmen zu tun haben werden.
Es ist zwar im Interesse der Sache erfreulich, aber eigentlich doch verwunderlich, daß wir hier zu einer wirklichen Kontroverse darüber, ob ein Luftschutz überhaupt noch sinnvoll ist, nicht gekommen sind. Ich möchte diese Kontroverse zwar keines-
wegs heraufbeschwören, aber sie läge doch in der Sache insofern angelegt, als wir, wenn die Stimmung, die wir im Volke draußen, in der öffentlichen Meinung haben, sich hier im Parlament naturgetreu widerspiegelte, zu einer solchen Kontroverse unabweislich hätten kommen müssen, nämlich zur Erörterung der Frage, ob es in der gegebenen Situation und im Hinblick auf die noch möglichen Entwicklungen der atomaren Kriegführung überhaupt noch einen Sinn hat, jetzt, im Jahre 1956, die Aufgabe des Luftschutzes neu anzupacken.
Es wäre sicherlich ganz verkehrt, wenn wir hier die in der Öffentlichkeit weit verbreitete negative Stimmung in dieser Frage nun damit abtun würden, zu sagen: Das sind Leute, die mit allen Dingen, die mit der Aufrüstung zusammenhängen, ohnehin nichts zu tun haben wollen. Das ist keineswegs der Fall. Es gibt durchaus Leute, die auf dem Standpunkt stehen, daß eine Aufrüstung unumgänglich ist, und trotzdem die Frage nach dem Zweck von Luftschutzmaßnahmen stellen. Es wäre auch falsch, das mit Ausdrücken wie „Nihilismus" abzutun; denn es läßt sich nicht verkennen, daß sich hinter einer solchen Auffassung durchaus seriöse und ernstzunehmende Argumente finden. Zu denen, die es grundsätzlich ablehnen, sich an irgendwelchen Luftschutzmaßnahmen zu beteiligen, gehören z. B. die Stadtväter der englischen Stadt Coventry, jener Stadt, die vor 15 Jahren nahezu völlig zerstört worden ist — um nicht das bekannte anmaßende und schauderhafte Wort vom „ausradieren" zu gebrauchen. Sie werden sich doch bei ihrer Ablehnung etwas gedacht haben! Es ist uns bekannt, daß es auch Argumente und Aussagen von Fachleuten und Wissenschaftlern gibt, mit denen ein derartiger Standpunkt untermauert werden kann.
Ich will auch die Seriosität der Motive des Herrn bayerischen Innenministers keineswegs in Frage stellen, die ihn veranlaßt haben, im Bayerischen Landtag zu sagen — ich darf es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren —:
Man kann doch nicht Milliarden in den Luftschutzbau stecken und Hunderte von Millionen für einen Warndienst ausgeben, wenn diese Maßnahmen in zwei Jahren bereits völlig veraltet sein können.
Die modernen Massenvernichtungsmittel wie die russische Wasserstoffbombe, die kürzlich hinter dem Ural explodiert ist, sind so furchtbar, daß es dagegen keinen Schutz gibt.
Nun, meine Damen und Herren, wir teilen diesen Standpunkt nicht, und es bedeutet wirklich eine erfreuliche Vereinfachung für unsere Gesetzgebungsarbeit, daß schon am 7. Dezember in der Debatte über das Manöver „Carte blanche" und auch heute von den Sprechern aller Fraktionen dieses Hauses höchste Anstrengungen von Staat und Regierung auf dem Gebiete des Luftschutzes gefordert worden sind. Meine politischen Freunde and ich teilen auch die Kritik, die insofern geübt worden ist, als man bemängelt hat, daß die Vorlage dieses Gesetzes und damit das Anlaufen der praktischen Maßnahmen zur Durchführung des Luftschutzes reichlich spät kommen. Aber ganz einfach wird unsere Arbeit jedenfalls nicht sein, wenn wir uns den vorliegenden Gesetzentwurf und lie vielen damit verbundenen Probleme einmal näher ansehen.
Ich werde noch auf einzelne Fragen zurückkommen. Was ich jedoch zu Anfang als Auffassung politisch an verantwortlicher Stelle stehender Leute im In- und Ausland angezogen habe, das ist auch symptomatisch für eine gewisse Grundstimmung die in der Bevölkerung herrscht. Die psychologischen Hemmnisse sind sicherlich das größte Hindernis, das bei einem Aufbau eines neuen Luftschutzwesens zu überwinden sein wird. Dieser stimmungsmäßigen Abneigung in der richtiger Weise zu begegnen, wird für die Wirksamkeit des Gesetzes überhaupt eine unabdingbare Voraussetzung sein, und wenn wir es nicht schaffen, diese Abneigung in eine allgemeine Bereitschaft zur Mitarbeit zu verwandeln, dann werden uns auch die perfektesten Gesetze nicht zu dem erwünschten Ziele bringen.
Deshalb begrüßen wir das in dieser Vorlage enthaltene Prinzip der Freiwilligkeit, das so weit wie möglich angewendet werden sollte. Besser eine geringe Zahl von Helfern und Mitarbeitern, die vom Sinn ihrer Tätigkeit überzeugt sind und diese Überzeugung auch weitergeben, als eine Anzahl Gezwungener und Widerwilliger, die sich gegenseitig die Lust an der Sache verderben! Das bedeutet keineswegs die Beschränkung auf einen kleinen Kreis von sachverständigen oder berufsmäßigen Luftschützern; im Gegenteil, wir müssen -- und wir alle werden dabei mitzuhelfen haben — die gesamte Bevölkerung zur freiwilligen Teilnahme an diesen Maßnahmen bringen, aber wir müssen sie dafür gewinnen. Es ist zu hoffen, daß auch von dieser Aussprache eine Anregung an alle Organe der öffentlichen Meinungsbildung ergeht, in Zukunft den Fragen des Luftschutzes noch stärkere Aufmerksamkeit zu widmen, als das bisher geschehen ist. Denn so sehr, wie Sie meinten, Herr Innenminister, hat sich auch die Presse noch nicht mit der Frage befaßt. Sie haben uns, Herr Minister, auf unsere Schreibtische eine Reihe von Heften einer ausgezeichneten Fachzeitschrift in einer äußerst anspruchsvollen Aufmachung legen lassen. Bitte, ich will nicht gegen die Zeitschrift polemisieren, auch nicht gegen die Hofberichterstattung, die darin enthalten ist, sondern ich wollte nur eines sagen: Es ist notwendig, daß solche Fachzeitschriften erscheinen, wobei ich unterstellen darf, daß sie mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, trotz des hohen Bezugspreises von 3 DM pro Heft, durch den der Kauf auf sehr kleine Kreise beschränkt bleiben wird, — aber wie sieht es denn draußen in der Bevölkerung, in den Haushaltungen, bei dem einzelnen Mann aus? Was hat er denn bisher über die geplanten Maßnahmen erfahren, und was hat man getan, um die Maßnahmen, die nun notwendigerweise einzusetzen haben, in einem größeren Umfang populär zu machen? Ich meine, man sollte das eine tun und das andere nicht lassen. Aber man sollte sofort damit beginnen, eine Aufklärungskampagne über die Notwendigkeit des Luftschutzes mit einer möglichsten Breitenwirkung in der Bevölkerung zu unternehmen, ohne dabei wieder wie in vergangenen Zeiten in einen falschen Heroismus zu verfallen.
Nun noch einige Worte zu dem Gesetz selbst. Wäre es nicht gerade unter dem Gesichtspunkt, den ich eben berührt habe, bei diesem reichlich umfänglichen und komplizierten Komplex mit den 36 oft seitenlangen Paragraphen gescheiter gewesen — ich möchte diese Anregung von mir aus
geben —, die organisatorischen Fragen — und was ist da nicht alles hineingepackt: Luftschutzverband, Luftschutzanstalt, Finanzierung im Verhältnis von Bund, Ländern und Gemeinden usw. — in einem Gesetz zu regeln und die Fragen, die den einzelnen Mitarbeiter oder Helfer, der im Luftschutz tätig ist, angehen, d. h. die Rechtsverhältnisse des einzelnen usw., in ein anderes Gesetz zu bringen? Das wäre' dann ein Gesetz, das einem jeden in die Hand gegeben und von jedem gelesen und verstanden werden könnte. Und das sollte man sich bei der Beratung auch noch aus einem anderen Grunde überlegen. Bei der gesetzlichen Regelung der Rechtsverhältnisse, die sich für den einzelnen ergeben, werden keine großen Probleme auftauchen. Das ist eine Sache, die in wenigen Wochen erledigt sein kann und dann die Voraussetzung für den Beginn der Ausbildungsmaßnahmen und auch der Aufbaumaßnahmen, soweit es sich nicht um konkrete sachliche Dinge handelt, bildet, während auf der andern Seite bei den schon von meinem Vorredner eingehend behandelten Fragen, insbesondere der Finanzierung, eine Reihe von Komplikationen auftreten werden, die erhebliche Auseinandersetzungen erwarten lassen, vor allen Dingen Auseinandersetzungen mit dem Bundesrat, d. h. den Ländern. Nichts würde aber einem schnellen Anlaufen hinderlicher sein, als daß hier nun ein endloses Tauziehen in den Finanzierungsfragen begänne. Ich bin der Auffassung, und mit mir meine politischen Freunde, daß der Bund — das richtet sich an den Herrn Innenminister, der sicher mit mir darin einer Meinung ist — unter allen Umständen daran festhalten sollte, die für einen einheitlichen Vollzug des ganzen Luftschutzes erforderlichen Bestimmungen uneingeschränkt, so wie sie vorgesehen sind, durchzusetzen, während andererseits — das richtet sich an den Herrn Bundesfinanzminister, der nicht da ist, aber sicherlich nicht damit einverstanden wäre —
— ja, drückend! —
der Bund zu einer sehr großzügigen Regelung, wie sie hier schon vorgeschlagen worden ist, in den Fragen der Verteilung der finanziellen Lasten kommen müßte.
Ich sprach vorhin von den psychologischen Hemmungen, die in der Bevölkerung und nicht nur in der Bevölkerung, sondern sicherlich auch in den Rathäusern und Verwaltungen vorhanden sein werden.
— Sicherlich, Herr Kollege Schoettle, aber wir sind uns wenigstens darin einig, daß wir sagen: es ist notwendig und unumgänglich, daß schnellstens etwas geschieht. Hingegen könnten die Menschen draußen, meinetwegen in den Rathäusern, wenn sie ihre Vorbehalte in finanzielle Fragen einwickeln, natürlich erst recht das Anlaufen der Maßnahmen auf den unteren Ebenen damit doch erheblich verzögern. Nichts wäre schlimmer, als wenn hier ein Gesetz auf dem Papier geschaffen würde, das doch nicht rasch und völlig durchgeführt würde.
Das Kapitel über die baulichen Luftschutzmaßnahmen ist schon ausführlich behandelt worden. Ich kann nicht im einzelnen darauf eingehen, denn ich gehöre nicht zu den Bauexperten. Aber Herr Kollege Lücke hatte mich vorhin schon gebeten — deshalb wiederhole ich es —, hier zu beantragen, auch in seinem Namen, daß das Gesetz, wenigstens hinsichtlich des Abschnittes, der die baulichen Luftschutzmaßnahmen berührt, auch an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zur Mitberatung überwiesen wird.
In diesem Zusammenhang möchte ich doch einmal die grundsätzliche Überlegung anstellen, ob es angesichts der gegenüber dem letzten Krieg völlig veränderten Art des Luftkrieges noch zweckvoll ist, für jedes einzelne Haus, für jeden einzelnen Neubau einen Luftschutzraum zu fordern. Denn wenn wir es so machen, werden diese Räume — wenn die finanzielle Belastung nicht allzu hoch werden soll — notwendigerweise recht primitiv und schwach sein und dem Zweck sicherlich nicht immer in vollem Umfange entsprechen. Es wäre zu überlegen, ob man beim Bau von Luftschutzräumen das Schwergewicht nicht auf den Bau von größeren Gemeinschaftsräumen legen sollte, die doch einen sehr viel stärkeren Schutz bieten würden, bessere Versorgungs- und sanitäre Anlagen und auch sicherere Verbindungen nach außen haben könnten. Gewiß läßt sich der Einwand erheben, daß damit eine größere Belastung der öffentlichen Hand verbunden sei, als wenn man die Mehrkosten einfach auf die Einzelbauherren abwälzt. Aber der Bau öffentlicher Schutzräume wäre auch im Hinblick auf die Belastung des ohnehin gefährdeten Wohnungsbaus und die eintretenden Mieterhöhungen vorzuziehen, von denen hier gesprochen worden ist. Die Regierung bemüht sich wohl, sie als ungefährlich hinzustellen; aber ganz werden sie sich auf keinen Fall vermeiden lassen.
— Natürlich, dafür haben wir auch Verständnis, Herr Schmitt! — Man würde, glaube ich, bei einer Bevorzugung des Baues von Gemeinschaftsräumen letzten Endes, volkswirtschaftlich gesehen, sogar billiger wegkommen.
— Herr Kollege, wenn es so schnell geht, dann kommen Sie auch nicht mehr in den Keller.
Man gewinnt überhaupt aus dem ganzen Gesetzentwurf den Eindruck, daß er sehr stark auf dem aufbaut, was bis 1945 an Erfahrungen und Bestimmungen vorhanden war. Im nächsten Krieg, wenn er einmal kommen sollte, wird jedenfalls kaum Zeit sein, nach Kriegsbeginn und im weiteren Verlauf — wie es das letzte Mal der Fall war — noch weitere Erfahrungen zu sammeln. Die Entwicklung auf dem Gebiet der Luftkriegführung ist
— hier muß man sagen: „leider" — seit 1945 ein erhebliches Stück vorangeschritten. Darüber ist heute und am 7. Dezember ausführlich gesprochen worden. Dabei ist so viel Unerfreuliches zum Ausdruck gekommen, daß ich es mir ersparen kann, noch weitere Einzelheiten hinzuzufügen.
Aber noch das: Alle Luftschutzmaßnahmen und die dafür notwendigen gesetzlichen Bestimmungen haben nur dann einen Sinn, wenn sie alle Erfordernisse der atomaren Luftkriegführung berücksichtigen. Tun sie es nicht, dann wäre es unverant-
wortlich, die Bevölkerung zu den hier in dem Gesetzentwurf geforderten Anstrengungen zu veranlassen und sie im Glauben an eine nicht vorhandene Sicherung von Leben und Gesundheit zu wiegen.
Wenn wir Anstrengungen unternehmen, die sich in einigen Jahren als überflüssig erweisen sollten, da wir davon keinen Gebrauch zu machen brauchen, weil die Menschheit ihre Vernunft bewahrt und auf das Kriegführen verzichtet hat, dann werden wir das gerne in Kauf nehmen. Wenn wir jedoch Maßnahmen durchführen, die sich im Ernstfall als falsch oder unzulänglich herausstellen, dann werden wir alle hier mit der Verantwortung dafür belastet werden. Sorgen wir also bei der Beratung des Gesetzes dafür, daß, was auf diesem Gebiet geschieht, auch sinnvoll und zweckmäßig geschieht! Vergessen wir aber dabei nicht, daß der allerbeste Luftschutz darin besteht, einen Krieg zu verhüten!
Das Wort hat der Abgeordnete Kortmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch ein paar ganz kurze Bemerkungen aus den Erfahrungen, die der Luftschutz im letzten Kriege uns gebracht hat. Das Luftschutzproblem hat zwei Seiten. Auf der einen stehen die sachlichen Maßnahmen, die zum Schutze der Bevölkerung notwendig sind. Darüber ist hier schon sehr eingehend gesprochen worden, so daß ich nichts davon zu wiederholen brauche. Die zweite Seite ist die psychologische; es ist notwendig, in der Bevölkerung für die Maßnahmen Verständnis und persönliche Bereitwilligkeit zur Mithilfe zu wecken. Ich befinde mich da in Übereinstimmung mit den Ausführungen, die mein verehrter Herr Vorredner in diesem Zusammenhang gemacht hat. In der Tat ist diese psychologische Vorbereitung das Kernstück des ganzen Luftschutzproblems; darüber müssen wir uns klar sein.
— Nicht à la Erhard; ich glaube, das hat mit Herrn Erhard gar nichts zu tun.
— Sie werden das auch mitmachen, Herr Kollege, weil es notwendig ist.
— Richtig, aber alle Maßnahmen sachlicher Art, die eingeleitet werden, haben nur dann eine volle Auswirkung, wenn dieses psychologische Verständnis in der Bevölkerung vorhanden ist.
— Ich komme darauf.
Ich denke zurück an die Erfahrungen, die wir alle im letzten Weltkrieg gemacht haben. Ich glaube, es ist eine Ehrenpflicht, auch von dieser Stelle aus ein Wort des Dankes an die Tausende von Volksfreunden aus allen Lagern zu sagen, die in den schwersten Bombenangriffen des letzten Krieges im Luftschutz ihren Mann gestanden haben. Ich denke an die Kräfte des Selbstschutzes, die auf den Dachböden gegen Brandbomben, Brandkanister usw. gekämpft haben.
Ich denke an die Angehörigen der Einsatztrupps, die in dunklen Nächten über zerwühlten Straßen ihre Kräfte zum Einsatz brachten,
um Menschen das Leben zu retten. Wir alle haben die Verpflichtung, auch einmal ein Wort des Dankes an diese Kräfte zu sagen.
Das möchte ich hiermit getan haben.
Warum ich das sage, meine Damen und Herren? Weil. der Erfolg unserer Luftschutzmaßnahmen, die wir nun wieder einleiten, davon abhängt, ob wir im ganzen genügend freiwillige Kräfte für diesen Luftschutzhilfsdienst finden werden. Wir haben schon davon gehört, daß diese Luftschutzmaßnahmen nach den Erfahrungen der Vergangenheit sehr unpopulär sind. Zudem ist es heute äußerst selten, daß sich jemand für einen öffentlichen Dienst freiwillig zur Verfügung stellt. Ob wir beim Luftschutz ganz mit Freiwilligkeit auskommen können, müßte sich noch zeigen. Das Personal, das in Zukunft für die Luftschutzhilfstrupps gewonnen werden soll, muß nicht nur für die Ausbildung in Friedenszeiten zur Verfügung stehen, sondern gerade dann, wenn es einmal ernst wird. Das ist wesentlich, und es ist notwendig, daß beim Aufbau von vornherein darauf Rücksicht genommen wird.
Wie gesagt, die psychologische Vorbereitung ist das Kernstück des Ganzen. Zunächst muß man der Bevölkerung die Frage beantworten: Ist Luftschutz möglich? Ich bin sehr dankbar, daß gerade diese Frage heute in aller Breite zur Sprache gekommen ist. Die Antwort auf diese Frage kann nur die gleiche sein wie die Antwort auf die Frage, ob eine wirksame Verteidigung gegen einen feindlichen Angriff überhaupt möglich ist. Hier dürften für uns zwei Erkenntnisse, von denen wir hier heute gehört haben, maßgebend sein. Einmal die Erkenntnis, daß nicht jeder Konfliktfall — vor dem uns das Schicksal bewahren möge; das sage ich hier ausdrücklich — unbedingt ein Atomkrieg sein muß, und zweitens die Erkenntnis — die auf den Erfahrungen anderer Länder beruht —, daß es selbst in einem solchen Falle Möglichkeiten des Schutzes gibt. Die psychologische Vorbereitung, die die Voraussetzung für einen Erfolg der ganzen Angelegenheit ist, muß darin bestehen, dem Volke gegenüber von dieser Erkenntnis in aller Offenheit und in aller Ehrlichkeit zu sprechen. Der Erfolg wird davon abhängen, ob und wieweit es uns gelingen wird, dem Volke diese Erkenntnis in richtiger Form nahezubringen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß nur noch ganz wenige Bemerkungen
machen. Wenn ich die Gesamttendenz der Debatte richtig verstanden habe, so läßt sie doch wohl erwarten, daß die Förderung dieses Gesetzes ohne irgendeine mehr oder weniger parteipolitisch gefärbte Kontroverse erfolgen wird.
Ich wünsche sehr, daß das Ganze erstens in diesem Sinne und zweitens mit großer Beschleunigung verläuft.
Es ist hier der Wunsch geäußert worden, daß ein Gesamtüberblick gegeben, daß ein Plan für die gesamte Finanzierung — auch von Maßnahmen, die vielleicht noch recht lange auf sich warten lassen werden — schon jetzt im einzelnen vorgelegt wird. Meine Damen und Herren, man kann nicht gleichzeitig beides tun. Man kann nicht gleichzeitig die Bundesregierung tadeln, daß sie das und das nicht schnell genug gemacht habe — ich komme darauf gleich noch einmal —, aber dann schon etwas haben wollen, was erst in einer Entwicklung von Jahren drinliegt. Wenn wir an eine solche Riesenaufgabe herangehen, dann werden wir gut daran tun, nicht schon heute etwa das perfektionistische Schlußbild zu zeichnen, dann sollten wir dabei nicht Ziffern zu entwickeln versuchen, die ins Gigantische zu reichen scheinen. Das wäre keine realistische Behandlung des Problems. Seine Lösung kann nicht Gegenstand einer großen Schreibtischarbeit sein. Hier geht es wirklich um eine Frage, die für unser Volk zu ernst ist, als daß sie in papierenen Theorien ersticken dürfte. Deswegen habe ich die Bitte, an das heranzugehen, was man heute wirklich tun kann, und ich glaube, der Vorschlag der Bundesregierung ist so nüchtern und praktisch und realistisch, wie man es sich nur wünschen kann.
Aber nun, meine Damen und Herren, noch einmal ein Wort über Verzögerung! Vielleicht machen sich die wenigsten von Ihnen eine plastische Vorstellung davon, wie lange es bei unserem mehr als komplizierten Verfassungssystem dauert, in dieses Hohe Haus überhaupt erst einmal eine für die erste Beratung diskussionsreife Vorlage hineinzubringen. Als ich ins Amt kam, — —
— Lieber Herr Kollege Schmitt , meine Damen und Herren, ich denke, Sie werden an der Frage interessiert genug sein, um sich einmal den Bericht über die Leiden eines Ministers anzuhören.
Das sind meine Leiden heute, und vielleicht trifft es den einen oder anderen von Ihnen morgen, und deswegen will ich Ihnen das gleich noch einmal etwas auseinandersetzen.
—Herr Feller, Sie wird es genau so interessieren, ohne Rücksicht auf eigene Aktualität, aber es ist eine grundsätzlich sehr wichtige Sache.
Als ich ins Amt kam, fand ich schon die Skizze eines nach meiner Meinung im Grunde brauchbaren Entwurfs vor. Ich habe mich damals auch wesentlich optimistischer über die Zeiträume ausgedrückt, die zur Verwirklichung zur Verfügung stünden. Aber, meine Damen und Herren, überhaupt erst einmal in langen, langen Verhandlungen mit all den Stellen, die hier interessiert sind und interessiert sein können, die Grundlage für die Kabinettsreife zu schaffen, ist eine sehr mühselige Sache.
Dabei kommen wir nun auch gleich einmal auf den Bundesrat und die Beteiligung der Länder. Im Grundgesetz steht so sehr schön, daß der Bundesrat berechtigt ist, innerhalb der Dreiwochenfrist Stellung zu nehmen, daß er die Möglichkeit, also eine Chance hat, seine Meinung zu äußern. Wer sich aber unsere Gesetzgebung ansieht, wie sie wirklich vor sich geht, der weiß, daß schon monatelang, bevor die Sache überhaupt ins Kabinett kommt, die kompliziertesten Verhandlungen mit den Ländern voraufgegangen sind. Es ist oft sehr merkwürdig: ich selbst behandle manchmal gewisse Dinge noch als sehr vertraulich, und es kommt vor, daß der eine oder andere Kollege mich bittet, ihm einmal einen Entwurf zur Verfügung zu stellen,
— den ich also noch als ganz vertraulich ansehe. Und dann schreibt er mir zurück — übrigens ein Kollege von dieser Seite des Hauses —: „Ja, ich bin bereit, die Sache, da Sie es wünschen, vertraulich zu behandeln; ich darf Ihnen aber im übrigen mitteilen, daß ich denselben Entwurf schon von zwei anderen Seiten bekommen habe."
Das ist ein Erlebnis aus der Praxis, und es zeigt
— um es einmal deutlich zu machen —, daß, bevor eine Sache kabinettsreif und für das erste Stadium im Bundesrat reif wird, bereits ein monatelanger, manchmal sogar jahrelanger Prozeß vorhergegangen ist, bis es so weit war.
— Lieber Herr Kollege Schmitt , der Gesetzgeber — das muß man einmal ganz klarmachen; ich freue mich, daß Sie mich darin unterstützen wollen — ist dieses Hohe Haus.
— Lieber Herr Kollege Schoettle, ich gehöre diesem Haus so lange an wie Sie, auf den Tag genau so lange wie Sie, und das, was ich sage, sage ich in fairer Abwägung der Chancen beider Seiten.
— Ich habe es auch nicht anders aufgefaßt.
Aber ich meine etwas sehr Ernstes. Dieses Haus ist der Gesetzgeber, und manchmal frage ich mich wirklich, ob der Voraufwand, den wir in die Auseinandersetzung mit anderen Stellen investieren, immer gerechtfertigt ist.
Manchmal ist es vielleicht besser, mit einer Vorlage hierherzukommen, — mag sie unvollkommen sein, letztlich wird das Hohe Haus darüber beschließen, wie sie aussehen wird. Wir binden uns selbst zu sehr, meine ich, und ich freue mich, die Gelegenheit zu haben, das einmal zu sagen.
Wir legen uns manchmal selbst Fesseln an, die die Effektivität unserer Arbeit außerordentlich mindern.
Herr Minister, darf ich eine Zwischenbemerkung machen? Wenn Sie bei der Einbringung eines solchen unvollständigen Entwurfs hinzusetzen, daß Sie selber keine Gottähnlichkeit für die Verwaltung beanspruchen, wäre die Sache einfacher.
Lieber Herr Kollege Schoettle, Gottähnlichkeit der Verwaltung! Nun, Sie kennen die Verwaltung, ich kenne sie aus mehreren Zeiträumen, und ich habe manchmal meine Last damit. Ich glaube, ich schätze sie richtig ein, und ich glaube, daß ich die Qualität der Verwaltung einigermaßen beurteilen kann. Sie hat manches sehr Hervorragende, und sie hat manches sehr Unzulängliche. Das pflegt im Leben oft sehr dicht beieinander zu wohnen. Aber das habe ich nie gesagt und käme gar nicht auf die Idee, die Verwaltung als gottähnlich anzusehen. In dieser Betrachtung stimmen wir ohne eine weitere Diskussion überein.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch etwas hinzufügen. Natürlich bedarf es auch in diesem Hause des Versuchs, die Arbeit möglichst zu konzentrieren, und das bringt mich auf ein zweites, sehr ernstes Problem. Herr Kollege Lücke — ich kann gleichzeitig sagen: mein Freund Lücke, um ihm in seinem Anliegen soweit wie möglich entgegenzukommen — meint, daß diese Vorlage zweckmäßigerweise auch seinem Ausschuß überwiesen werden sollte. Für gewisse Teile des Entwurfs ist das vielleicht sogar sehr praktisch. Aber ich hätte trotzdem die Bitte, zu überlegen, ob es nicht ausreicht, daß der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung unter dem Vorsitz von Herrn Kollegen Maier diesen Entwurf in erster Linie behandelt, und ob man nicht die speziellen Gesichtspunkte des anderen Ausschusses möglichst effektvoll und schnell dort mitberücksichtigen kann; denn jede Überweisung an einen weiteren Ausschuß, darüber muß man sich klar sein, ist keine zeitsparende, sondern eine zeitraubende Sache. Ich sage das mit aller Zurückhaltung in diesem Punkte. Ich habe gerade sehr offen geschildert, welche Schwierigkeiten vor Einbringung der Gesetzesvorlage liegen, und natürlich habe ich auch den Wunsch — obwohl das nicht im Rahmen meiner Verantwortung liegt —, daß die Zeit, die in diesem Hause darauf verwendet werden kann, möglichst gut ausgefüllt und die Arbeit konzentriert sein möge.
Meine Damen und Herren, nun noch wenige Bemerkungen zu Einzelausführungen in der Debatte. Das Problem der Finanzierung ist sicherlich eines der entscheidenden Probleme. Aber es ist wirklich eine Frage, in der es sich um Willensentscheidungen handelt. Das sind ganz klar politische Entscheidungen. Wie man die Lasten verteilen will, läßt sich nicht mit mehr oder weniger viel Theorie bestimmen.
— Ja sicher, aber was das Grundgesetz angeht, so habe ich vorhin sehr sorgfältig ausgeführt, wie es danach zu sein hat oder sein könnte. Alle weiteren Entscheidungen sind Willensentscheidungen in diesem Hohen Hause.
Es ist von der Beteiligung der Gewerkschaften an verschiedenen Gremien gesprochen worden.
Diese ist selbstverständlich vorgesehen. Ich brauche darüber nichts mehr zu sagen.
Nun noch die Frage, ob man all diese Dinge wirklich nur unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung betrachten sollte, die einen, indem sie in dem Sinne etwa abschrecken: Um Himmels willen, dieses Geld läßt sich überhaupt nicht aufbringen! und die anderen, indem sie abschreckend fragen: Hat es denn überhaupt einen Zweck, selbst wenn man das Geld aufbringt? Meine Damen und Herren, ich habe in meiner Rede vorhin dargelegt: Wenn wir in dieses Atomzeitalter hineingeboren sind, sind wir natürlich auch in alle seine Anfangsschwierigkeiten hineingeboren. Jedes neue Stück technischer Entwicklung löst Betrachtungen und Spekulationen aus. Dem Menschen erscheinen in einem solchen Augenblick die Gefahren viel schwerer zu bewältigen, als die nächste Entwicklung unter Umständen als richtig erweist. Nehmen Sie Kriegstheorien nach irgendeiner großen Auseinandersetzung, nehmen Sie die Kriegstheorien nach dem ersten Weltkrieg! Da werden viele, viele Dinge an die Wand gemalt, die unter Umständen gar nicht Wirklichkeiten späterer Auseinandersetzungen sind. Deswegen sollte man in einer Abschrekkungsbetrachtung nicht von einem isolierten Atomkrieg allein ausgehen, sondern man sollte realistisch das tun, was man tun kann, um sich in dieser Welt gegen die möglichen Gefahren zu sichern, und nichts anderes steht in unserer Möglichkeit, nichts anderes wird vorgeschlagen.
Herr Kollege Feller hat — und damit möchte ich zum Schluß kommen — die Stadt Coventry erwähnt und hat die Gemeindeväter von Coventry zitiert. Ja, Herr Kollege Feller, Sie wissen, daß inzwischen Coventry beim Luftschutz mitmacht und daß inzwischen die britische Labour Party, ein bißchen später als unsere Freunde von der linken Seite des Hauses hier, doch ein sehr umfassendes positives Programm entwickelt hat. Ich habe das schon im einzelnen zitiert. In England sind also die Leute in Coventry mit ihrer Auffassung mehr oder weniger allein geblieben, wir können sie uns daher schwerlich etwa als Vorbild wählen. Ich habe sehr sorgfältig auseinandergelegt, daß wir den Versuch gemacht haben, uns wirklich auf internationale Erfahrungen und Autoritäten zu stützen. Deswegen kann ich den von Ihnen angeführten Fall wirklich nur als einen auch in jenem Land nicht mehr relevanten Einzelfall ansehen.
Was meinen lieben Kollegen aus München angeht, der sich mit diesem Problem beschäftigt hat, so ist er, wie ich glaube, etwas dieser Milliardenabschreckung verfallen. Im Grunde können Sie sagen: Es hat kein Mensch etwas gegen Luftschutz einzuwenden, wenn er nichts kostet. Das ist doch der springende Punkt! Ich habe nicht ohne Grund meine Rede vorhin damit geschlossen, daß ich gesagt habe: Sicherheit verlangt Opfer, sie verlangt Opfer von jedem einzelnen. Und dieses Hohe Haus ist dazu da, zu bestimmen, wieviel Opfer jeder einzelne zu diesem Zweck bringen soll und wie die Opfer richtig verteilt werden sollen auf die Gesamtheit aller Deutschen, so wie sie organisiert sind in Bund, Ländern und Gemeinden.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Es sind mehrere Überweisungsanträge gestellt. Federführend soll sein der Ausschuß für Angele-
genheiten der inneren Verwaltung, mitberatend sollen sein die Ausschüsse für Wiederaufbau und Wohnungswesen, für Kommunalpolitik und für Verkehr. Das sind vier Ausschüsse. Ich bitte Sie zu überlegen, ob Sie die Sache tatsächlich einer so großen Anzahl von Ausschüssen überweisen wollen. Ich darf zuerst festhalten, daß Einmütigkeit darüber besteht, daß der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung federführend sein wird.
Wir kommen dann zu dem Antrag, den Gesetzentwurf zur Mitberatung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zu überweisen. Wer dafür stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe weiter auf den Antrag, den Entwurf zur Mitberatung auch an den Ausschuß für Kommunalpolitik zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen dann zu dem letzten Antrag, den Entwurf zur Mitberatung auch an den Ausschuß für Verkehr zu überweisen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nunmehr auf Punkt4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Kühlthau, Frau Welter , Graaff (Elze), Dr. Elbrächter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den freien Halbtag im Einzelhandel (Drucksache 1943).
Soweit mir bekannt ist, wird auf Begründung und Aussprache verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — mitberatend — vor. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Ausführung des Abkommens vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden ;
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Drucksache 1979).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Schwarzhaupt. Ich nehme an, sie verweist auf den Schriftlichen Bericht.*)
Ich darf dann in zweiter Beratung aufrufen Art. I, — II, — III, — Einleitung und Überschrift. Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine
*) Siehe Anlage 3. Aussprache. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem in der Schlußabstimmung der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Leistung von Zuschüssen an die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen sowie über die Versicherungspflicht ihrer Mitglieder in der Sozialversicherung ;
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (Drucksache 1985).
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich in der Berichterstattung auf verhältnismäßig wenige Ausführungen beschränken. Der zur Verabschiedung stehende Gesetzentwurf geht auf einen Auftrag zurück, den der Bundestag in seiner ersten Legislaturperiode am 18. Juni 1952 der Bundesregierung gegeben hat. An der Beratung des Gesetzentwurfs waren der Haushaltsausschuß als federführender und der Sozialpolitische Ausschuß als mitberatender Ausschuß sowie durch einen nachträglichen Auftrag der Ausschuß für Arbeit beteiligt.
Der Gesetzentwurf kann in zwei Teile gegliedert werden. In dem ersten Teil handelt es sich um Fragen der Sanierung der Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen — es werden davon die heute vorhandenen Rentner betroffen —, und in dem zweiten Teil handelt es sich um die Sozialversicherungspflicht der derzeitigen Mitglieder der Pensionskasse nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes. Ich darf wegen der Einzelheiten auf den ursprünglichen Gesetzentwurf auf Drucksache 1124 verweisen, insbesondere auf die dort gegebene Begründung, aus der im einzelnen hervorgeht, warum dieser Gesetzentwurf notwendig geworden ist. Der Gesetzentwurf war dadurch notwendig geworden, daß der Bundesgerichtshof die Pensionskasse verpflichtet hatte, die Leistungen 1 : 1, also genau so wie die gesetzliche Sozialversicherung, auszuzahlen.
Der Bundestag hatte damals der Bundesregierung gleichzeitig den Auftrag gegeben, in der Zeit bis zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes durch Bundeszuschüsse dafür zu sorgen, daß die Pensionskasse in der Lage blieb, ihre Leistungsverpflichtungen zu erfüllen. Diese Zuschüsse sind geleistet worden. In der Drucksache 1124 finden Sie auf den Seiten 6 und 7 alle Einzelheiten, die Sie zur Beurteilung brauchen. Sie finden hier einen statistischen Teil über die beteiligten Bahnen und sonstige Verkehrsunternehmen, den Mitgliederbestand, die Beiträge, die Leistungen, die laufenden Renten, die Zuweisungen aus öffentlichen Mitteln und über die wahrscheinliche Entwicklung des Zuschußbedarfs der Kasse.
Der Haushaltsausschuß als der federführende Ausschuß hat sich bei seiner Beratung, soweit sie den zweiten Teil der Fragen, also die Sozialversicherungspflicht der heute vorhandenen Mitglieder, die noch keine Rentner sind, betraf, auf die Voten der mitberatenden Ausschüsse, nämlich des Sozialpolitischen Ausschusses und des Ausschusses für Arbeit, gestützt und von sich aus keine grund-
sätzlichen Änderungen gegenüber der Stellungnahme dieser beiden Ausschüsse vorgenommen. Ich darf Sie auf Drucksache 1985, den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses, verweisen. Sie finden darin einen neuen Paragraphen, der vor den bisherigen § 1 der Vorlage gesetzt ist. In diesem neuen Paragraphen wird einmal der Rechtscharakter der Kasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts herausgestellt und zum zweiten die Frage der Aufsicht geregelt. Die Kasse unterstand bisher den zuständigen Aufsichtsbehörden des Landes Nordrhein-Westfalen. Weil jetzt der Bund durch seine Zuschüsse maßgeblich an der Sanierung der Kasse beteiligt ist, hat es der Haushaltsausschuß für richtig gehalten, als Aufsichtsbehörde von nun an den Bundesminister der Finanzen vorzusehen. Das ist in dem neugeschaffenen § 1 enthalten.
In den übrigen Paragraphen ist der Ausschuß in einigen Punkten im wesentlichen den Vorschlägen des Bundesrats gefolgt, denen die Bundesregierung zugestimmt und die auch der Haushaltsausschuß, wie gesagt, für zweckmäßig und gut befunden hat.
Nach Inkrafttreten dieses Gesetzes werden also die derzeitigen Mitglieder der Kasse nicht mehr von der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht befreit sein, sondern sowohl der gesetzlichen Pflicht zur Rentenversicherung als auch zur Krankenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung unterworfen. Was die gesetzlichen Rentenversicherungen angeht, so sind von der Kasse her, die dazu auch die notwendigen satzungsgemäßen Vorkehrungen getroffen hat, die Beiträge vom Zeitpunkt der Versicherung in der Pensionskasse an nachzuzahlen, und zwar jeweils die Beitragssätze, die zu zahlen gewesen wären, wenn das Mitglied nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit gewesen wäre.
Im übrigen sind besondere Bemerkungen von Wichtigkeit zu der Ausschußvorlage, wie sie Ihnen gedruckt vorliegt, kaum zu machen. Ich darf wiederholen, daß die Änderungen, die der Ausschuß vorgenommen hat, von einigen wenigen Einzelheiten abgesehen, mit den Vorschlägen übereinstimmen, die der Bundesrat zu diesem Entwurf gemacht und denen die Bundesregierung zugestimmt hat.
Ich darf noch zwei Bemerkungen hinzufügen. Die Ausschußvorlage bedarf in drei Punkten einer kleinen Berichtigung*). Ich bitte Sie, in dem neuen, vor § 1 gesetzten Paragraphen in der zweiten Zeile hinter dem Wort „Straßenbahnen" in Klammern das Wort „Pensionskasse" einzufügen und dafür in dem ursprünglichen § 1 die Worte „Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen " in der fünften und sechsten Zeile zu streichen. Diese kleine Korrektur ist notwendig, weil das, was in dem neu eingeschobenen Paragraphen gesagt ist, in dem alten § 1 stand und eine zweimalige Formulierung nicht erforderlich ist.
Drittens ist im Ausschuß übersehen worden, daß der Bundesrat hinsichtlich der Berlin-Klausel einen ergänzenden Vorschlag gemacht hat, dem die Bundesregierung ebenfalls zugestimmt hat. Ich darf Ihnen vorschlagen, dem § 7 der Ausschußvorlage einen Abs. 2 mit folgendem Wortlaut anzufügen:
Bei der Anwendung des Gesetzes in Berlin treten an Stelle der in § 1 Abs. 3 und 5 bezeichneten umstellungsrechtlichen Vorschriften die entsprechenden im Lande Berlin gültigen Bestimmungen.
*) Umdruck 498. Mit der Zustimmung zu dieser Ergänzung entsprechen wir einem, wie gesagt, übereinstimmenden Vorschlag des Bundesrates und der Bundesregierung.
Schließlich darf ich bemerken, daß dem Haus unter dem Datum des 20. April 1955 mit der Drucksache 1346 schon einmal ein Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses vorgelegen hat, der sich mit der Drucksache 815 befaßt hat; das war der damalige Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Zahlung einer Teuerungszulage an die Rentner dieser Pensionskasse. Der Mündliche Bericht Drucksache 1346, der damals von der Tagesordnung abgesetzt wurde, wird heute durch die Verabschiedung dieser Gesetzesvorlage endgültig überholt. Sie werden deshalb in dem Antrag des Ausschusses gebeten, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Drucksache 815 für erledigt zu erklären. Er kann für erledigt erklärt werden, weil die Kasse die hier damals geforderten Teuerungszulagen in der Zwischenzeit durch eine entsprechende Satzungsänderung bereits vollzogen hat und der Aufwand für diese Leistungserhöhung von den Arbeitgebern, also von den Bahnen selber, aufgebracht wird. Im übrigen erfährt die Pensionskasse in der Gesamtheit dieser Zusammenhänge ihre Entschädigung durch die vom Bunde auch im laufenden Haushalt gewährten Zuschüsse.
Ich darf Sie also bitten, meine verehrten Damen und Herren, dem Mündlichen Bericht Drucksache 1985 mit der hinzugefügten Berichtigung, die ich dem Herrn Präsidenten hiermit überreichen darf, Ihre freundliche Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich stelle fest, daß Grundlage unserer Beratungen die beiden formellen Änderungen in den beiden ersten Paragraphen sowie der neue Abs. 2 des § 7 sind. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe auf in zweiter Beratung den Paragraphen vor § 1 sowie die §§ 1 bis 8, Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem in der Schlußabstimmung der dritten Beratung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Wir haben noch zu befinden über den zweiten Punkt des Antrags des Ausschusses Drucksache 1985, einen unter der Drucksache 815 eingebrachten Antrag der Fraktion der SPD durch die Beschlußfassung, die wir soeben getan haben, für erledigt zu erklären. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Pfändungsfreigrenze .
Der Ältestenrat schlägt vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vor. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Leiske, Schmidt , Dr.-Ing. Drechsel, Schneider (Bremerhaven) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung über Vergünstigungen für Kriegsbeschädigte im öffentlichen Personenverkehr (Drucksache 1975).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag dem Haushaltsausschuß — federführend — und den Ausschüssen für Verkehrswesen, für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen und für Kommunalpolitik zur Mitberatung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Lastenausgleich vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Kreyssig, Schoettle, Dr. Schöne und Fraktion der SPD betreffend Berechnung des Sozialprodukts und der Steuern für den Haushalt 1956 .
Wird der Antrag begründet? — Herr Abgeordneter Dr. Kreyssig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in dem Antrag gewünscht, daß die Bundesregierung durch das Parlament aufgefordert wird, dem Bundestag .die Berechnungen und die Schätzungen des Sozialprodukts und die statistischen Unterlagen für die Errechnung der Steueraufkommen, die dem Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 zugrunde gelegt worden sind, bekanntzugeben. An sich wird damit etwas gewünscht, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte; denn dem Parlament sollten, ohne daß ein besonderer Antrag dazu notwendig ist, von der Regierung alle jene Unterlagen gegeben weden, die es ihm ermöglichen, sich ein wirkliches klares Bild über die Art zu machen, wie die Bundesregierung ihre Steuerberechnung aufstellt und ihre Berechnungen zum Sozialprodukt angestellt hat.
Ich darf darauf hinweisen, daß wir nur verlangen, dem Parlament das bekanntzugeben, was die Bundesregierung z. B. der Organisation für europäische Zusammenarbeit in Paris seit langem gibt.
Eine lange Begründung wäre also überflüssig. Aber vielleicht hat der eine oder andere der Kollegen die Weihnachtspause benutzt, um sich mit dem umfangreichen Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1956 zu beschäftigen. Ich habe es getan und habe bei den Darlegungen, die der Herr Bundesfinanzminister zu den ordentlichen Haushaltseinnahmen im Einzelplan 60 gemacht hat, doch einige Feststellungen getroffen, die ich hier kurz erwähnen möchte.
Der Herr Bundesfinanzminister erklärt, daß im Jahre 1955 „bei einigen Steuerarten" der ursprüngliche Voranschlag überschritten wird. Man könnte zu dem Eindruck kommen, daß dies das erste Mal geschieht. Er fügt hinzu: „Die Entwicklung erklärt sich aus dem Anstieg des Bruttosozialprodukts, der in diesem Ausmaß von keiner Seite erwartet wurde." Nun, meine Damen und Herren: wenn ich mich recht entsinne, haben alle Haushalte, die der Herr Bundesfinanzminister bisher vorgelegt hat, immer die Erscheinung gehabt, daß am Ende des Jahres erheblich mehr Steuern von ihm vereinnahmt worden waren, als er im Haushalt veranschlagt hatte. Wir alle wissen, daß der Herr Bundesfinanzminister im Jahre 1955, das im März zu Ende geht, etwa 2000 Millionen DM mehr an Steuern vereinnahmt, als im Haushaltsplan vorgesehen sind. Ich will ganz vorsichtig sein, um mir nicht eine Rüge des Herrn Präsidenten zuzuziehen; aber ich glaube, daß diese Tatsache doch gleichbedeutend damit ist, daß der Herr Bundesfinanzminister einen „unerlaubten Griff" in die Taschen jedes Bürgers und jedes Steuerzahlers der Bundesrepublik getan hat.
Die Schätzungen, die der Herr Bundesfinanzminister anstellt, haben also nicht die Sicherheit, daß sie einigermaßen zutreffen. Und nun darf ich noch auf etwas hinweisen, was im Vorwort zum Einzelplan 60 gesagt ist. Der Herr Bundesfinanzminister erklärt, obwohl diesmal durch die Entwicklung des Sozialprodukts alle seine Schätzungen mehr oder minder erheblich überholt worden sind: „Was dagegen die Schätzungsmethode angeht, so ist diese als solche durch die jüngste Entwicklung in ihrer Zuverlässigkeit nicht erschüttert worden." Nun, das möchten wir gern prüfen, und daher unser Anliegen an die Bundesregierung.
Ich darf zur weiteren Begründung lediglich ein einziges Beispiel anführen, weil ich Sie heute nicht lange aufhalten will. Es wird erklärt, daß bei gleichbleibenden Preisen unter Zugrundelegung der Preise des Jahres 1953 mit einem Wachstum des Bruttosozialprodukts um 9 bis 10 v. H. im Kalenderjahr 1955 und um mindestens 7 v. H. im Kalenderjahr 1956 gerechnet wird. Daß die Rechnung, die im Bundesfinanzministerium angestellt worden ist, für das Jahr 1955 inzwischen überholt ist, ist bekanntgeworden aus den Veröffentlichungen, die inzwischen über das Sozialprodukt 1955 vorliegen.
Es wird weiter gesagt, daß für die Steuerschätzungen allerdings die jeweiligen Preise zugrunde gelegt werden müssen, und dabei ergäben sich dann die Einnahmeschätzungen, wie sie im Kap. 60 01 enthalten sind. Sonst wird von der Bundesregierung bzw. dem Bundesfinanzministerium nichts über die Berechnung gesagt. Aber jeder, der das liest, kommt zu der Überzeugung — und das ist der Ausgangspunkt —, daß eine Zuwachsrate von 7 % für die Berechnung, die der Herr Bundesfinanzminister für seine Einnahmeseite aufstellt, einkalkuliert ist. Er sagt: Die Umsatzsteuer sei mit einer Aufkommensschätzung von 11,7 Milliarden DM um 1,6 Milliarden DM höher als im Vorjahr, und darin spiegele sich in ganz besonderem Maße die Erwartung für den weiterhin günstigen wirtschaftlichen Verlauf. Nun, meine Damen und Herren, wenn man 7 % Zuwachs des Bruttosozialprodukts dem Haushalt und allen Berechnungen zu-
grunde legt, dann kommt man, wenn man sich einen Augenblick mit der Umsatzsteuer befaßt, zu einer höchst merkwürdigen Feststellung. Im Jahre 1955 hatte der Bundesfinanzminister 10,1 Milliarden DM Umsatzsteuer eingesetzt; im Jahre 1956 sind es 11,7 Milliarden DM. Die Mehreinnahme, die er erwartet, beträgt 1,6 Milliarden DM. Das ist aber — bei einer mit 7 % angesetzten Zunahme des Sozialprodukts — auf das Vorjahr bezogen eine Erhöhung der Einnahme um 15,31%.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben alle Ursache und guten Grund, zu verlangen, daß uns die Unterlagen und die Berechnungen vorgelegt werden. Ich darf abschließend noch auf etwas verweisen, was ich besonders merkwürdig finde und was besonders auffällig ist. Fast alle unsere Forschungsinstitute befassen sich mit der Entwicklung des Sozialprodukts und mit dessen Berechnung, sowie mit Fragen der gesamtwirtschaftlichen Rechnung und dergleichen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hat nicht einen Zuwachs des Sozialprodukts um 7 % angenommen, sondern um 9 % wahrscheinlich realistischer gesehen. Was aber verblüffend ist, ist die Tatsache, daß sowohl der Bundesfinanzminister wie das Institut, obwohl die Zuwachssrate um 2 % differiert, im Aufkommen der Steuern zu fast den gleichen Ergebnissen kommen.
Dies alles möchten wir aufgeklärt haben. Ich glaube, es ist ohnehin längst das selbstverständliche Recht des Parlaments, alle diese Unterlagen zu bekommen. Unser Antrag datiert, wie Sie wissen, bereits vom 7. Dezember. Wir sind auch schon mitten in den Beratungen des Haushaltsausschusses. Ich glaube, es wird sich nicht lohnen, noch Zeit zu verlieren. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag Drucksache 1928 heute anzunehmen und nicht erst einem Ausschuß zu überweisen. Ich bitte Sie um die Annahme dieses Antrages mit der Maßgabe, daß die Unterlagen, die wir von der Bundesregierung verlangen, dem Ausschuß für Steuern und Finanzen, dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dem Haushaltsausschuß vorgelegt werden.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, mir zu erlauben, zunächst zur materiellen Frage einige Worte zu sagen. In dem Antrag Drucksache 1928 ist, glaube ich, zutreffend unterschieden zwischen den Berechnungen und Schätzungen des Sozialprodukts einerseits und den statistischen Unterlagen für die Errechnung der Steueraufkommen andererseits. Nachdem nicht nur heute in diesem Hohen Hause, sondern auch in der Öffentlichkeit so häufig über die Steuerschätzungen des Bundesfinanzministers gesprochen worden ist, darf ich vielleicht versuchen, einmal die Verantwortlichkeit für diese beiden Gebiete zu klären.
Die amtliche Berechnung des Bruttosozialprodukts wird nicht vom Bundesfinanzminister vorgenommen, sondern durch das Statistische Bundesamt. Es stützt sich bei seinen Arbeiten auf den Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Bilanzen", der unter der Leitung des Präsidenten des Statistischen Bundesamtes steht und dem verschiedene Bundesressorts angehören. Daneben ist noch ein besonderer Fachausschuß da, in dem auch die Statistischen
Landesämter und die Wirtschaftsforschungsinstitute vertreten sind. In dem Arbeitskreis hat das Bundesfinanzministerium also nur eine Stimme; die maßgebenden Feststellungen werden von dem Arbeitskreis als Ganzem getroffen. Es wurde ja gestern der Antrag der Fraktion der SPD bezüglich der Unterlagen und Berichte, die die Bundesregierung der OEEC in Paris gibt, beraten. Herr Abgeordneter Dr. Schöne hatte hier den Wunsch seiner Fraktion begründet. Auch der Bericht, der an die OEEC geht, wird von diesem Arbeitskreis erarbeitet. Es handelt sich also hierbei nicht um eine Einzelleistung des Bundesfinanzministeriums.
Davon abzuheben ist die Frage der Steuerschätzungen. Wenn dieser Arbeitskreis zu einer einheitlichen oder mehrheitlichen Meinung über die zu schätzende Höhe des Sozialprodukts gekommen ist, werden im Bundesfinanzministerium die Steuerschätzungen, die sich daraus ergeben, erarbeitet. Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß natürlich nicht, wenn das Sozialprodukt um 7% steigt, bei der Gesamtheit der Steuereinnahmen eine Steigerung um 7 % auch nur möglich ist. Das ist bei jeder einzelnen Steuerart verschieden; bei der einen wird es mehr, bei der anderen wird es weniger sein.
Ich darf annehmen, daß den Herren Antragstellern vor allem daran liegt, den Gang dieser Steuerschätzungen im einzelnen kennenzulernen. Wir sind gern bereit, die Berichte, die nach der Präzisierung des Antrags den drei genannten Ausschüssen des Bundestags zugehen sollen, so schnell wie möglich abzugeben. Vielleicht ist es außerdem zweckmäßig — ich weiß nicht, wie sich die drei Ausschüsse darüber verständigen können —, daß man einmal in einem gemeinsamen Unterausschuß diese Spezialfrage untersucht. Wir haben hier gar nichts zu verheimlichen. Und wenn durch eine solche Zusammenarbeit der drei Ausschüsse mit unseren Spezialisten in Zukunft eine Verfeinerung der Methoden möglich wäre, würde sich niemand mehr darüber freuen als wir selbst.
Wird noch das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Im Ältestenrat war die Überweisung an den Haushaltsausschuß vorgesehen. Der Herr Kollege Dr. Kreyssig hat sich gegen die Überweisung ausgesprochen: — Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dieser sicher auch von meiner Fraktion begrüßten Äußerung des Herrn Staatssekretärs scheint es mir nicht nötig zu sein, diesen Antrag an einen Ausschuß zur Beratung zu überweisen. Wenn das Ministerium selber bereit ist, diesem Antrag so weit zu entsprechen, wie es der Herr Staatssekretär angekündigt hat, wird es doch genügen, daß das Haus die genannten Ausschüsse, die sachlich daran interessiert sind, die Unterlagen zu ihrer eigenen Urteilsfindung zu haben, beauftragt, diese Unterlagen entgegenzunehmen. Dann wird sich eine Methode finden, mit der wir das praktische Resultat erarbeiten. Ich würde vorschlagen, daß man den Haushaltsausschuß, der kraft seiner eigenen Funktion am stärksten interessiert ist, mit der Federführung beauftragt. Das bedeutet in diesem Falle nicht irgendwie eine Art von Prärogative, sondern einfach die Verpflichtung, die Ausschüsse entweder in Form eines Unterausschusses oder in irgendeiner anderen geeigneten Art zusammenzubringen, damit sie etwas
Vernünftiges schaffen. Ich schlage vor, auf die Überweisung zu verzichten und einfach hier zu beschließen.
Die Vereinbarung im Ältestenrat ist demgemäß gegenstandslos. Ich frage: wird von irgendeiner Seite Ausschußüberweisung beantragt? — Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Sachabstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 1928 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen über den Entwurf einer Neunundvierzigsten Verordnung über Zollsatzänderungen (Vinylchlorid-VinylidenchloridMischpolymerisat und Spinnkabel) (Drucksachen 2035, 1992).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Löhr. Er hat das Wort.
— Sie beziehen sich auf einen Schriftlichen Bericht*), Herr Abgeordneter! — Wird das Wort zur
Aussprache gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2035 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung des bebauten Grundstücks in Berlin-Lankwitz, Mühlenstr. 46-54, an den Filmkaufmann Ernst Wolff, BerlinLichterfelde, Boothstr. 19, im Tausch gegen dessen Grundstücke in Berlin-Charlottenburg, Kaiser-Friedrich-Str. 17 a, und in Berlin SO 36, Köpenicker Str. 11/12 .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 13 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Veräußerung bundeseigener Grundstücke auf Markung Zuffenhausen an die Stadt Stuttgart im Wege eines Tausches gegen stadteigene Grundstücke auf Markung Bad Cannstatt und Markung Sillenbuch (Drucksache 1942).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
*) Siehe Anlage 4. Ich rufe Punkt 14 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen auf Verkauf des ehemaligen Wehrmachtlagerhaus I in Deggendorf an die Firma Autohaus Deggendorf, Lesser KG .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 15 auf:
Beratung des Antrags des Bundesministers für Wohnungsbau auf Zustimmung zur Überlassung junger Anteile an andere Bezieher als den Bund; hier: Kapitalbeteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen an der Deutschen Bau- und Bodenbank AG, Frankfurt (Drucksache 2000).
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Haushaltsausschuß vor. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 16:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Verschmutzung der See durch Öl, 1954 .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 17:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen Nr. 10 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 16. November 1921 über das Alter für die Zulassung von Kindern zur Arbeit in der Landwirtschaft .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und an den Ausschuß für Jugendfragen zur Mitberatung zu überweisen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 18:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Lohnstatistik .
Auf Begründung und Aussprache wird verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Arbeit vor. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Damit stehen wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste, die 126. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Donnerstag, den 2. Februar, 14 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.