Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über den zivilen Luftschutz, dessen Entwurf jetzt
1 Siehe Anlage 2.
in erster Lesung beraten wird, leitet in Deutschland den Aufbau des zivilen Luftschutzes ein. Ich weiß, er ist nicht populär. Die deutsche Presse hat sich zwar der Fragen des Luftschutzes sehr positiv angenommen, aber dennoch ist es für weite Kreise der Bevölkerung ein gespenstischer Gedanke, jetzt, da die Wunden des Bombenkrieges noch nicht geschlossen sind, sich erneut mit den Fragen des zivilen Luftschutzes zu befassen. Es sind nicht nur die vielen bösen Erinnerungen, die mit den Begriffen Warndienst, Schutzraum und Luftschutzwart aufsteigen, es ist vor allem die erschreckende Entwicklung der Atomwaffen, angesichts derer viele unter uns versucht sein mögen, die Hände müde und resigniert zurücksinken zu lassen: Es hat ja doch alles keinen Sinn! Die Frage, ob und welche Schutzmaßnahmen gegenüber den Atomwaffen möglich sind, wird demnach zunächst beantwortet werden müssen.
Zum Studium dieses Problems ist, wie ich schon bei früherer Gelegenheit mitgeteilt habe, im Rahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine wissenschaftliche Kommission, die sogenannte Schutzkommission, gebildet worden. Dieser Kommission, die von Professor Dr. Riezler geleitet wird, gehören zahlreiche deutsche Gelehrte an. Im Rahmen dieser Schutzkommission sind die Probleme und die Wirkungen der Atomwaffen sehr gründlich untersucht worden.
Vor eineinhalb Jahren ist ferner, wie Sie wissen, eine deutsche Delegation zum Studium dieser Fragen in den Vereinigten Staaten gewesen. Dieser Abordnung haben drei deutsche Physiker angehört: Professor Dr. Gentner von der Universität Freiburg, Professor Dr. Haxel von der Universität Heidelberg und Professor Dr. Riezler von der Universität Bonn. Die Delegation kam auf Grund der in den Vereinigten Staaten gewonnenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis: Auch gegenüber den Atomwaffen sind Schutzmaßnahmen möglich, wenn sie rechtzeitig und ausreichend vorbereitet werden.
Hier möchte ich noch einen anderen Bericht erwähnen, den Bericht eines Ausschusses der britischen Labour Party über die Zivilverteidigung. Dieser Bericht stammt vom 29. März des vergangenen Jahres. Auch dieser Bericht, in dem die Wirkungen der modernen Atomwaffen sehr gründlich untersucht worden sind, betont mit Nachdruck, daß Luftschutzmaßnahmen möglich und notwendig sind. Die Auffassung, daß doch nichts zu machen sei, wird als defätistisch abgelehnt. Der Bericht schlägt Evakuierungsmaßnahmen und Schutzraumbauten vor.
Diesen Vorschlägen entspricht auch der Grundgedanke der deutschen Luftschutzplanung. Die Notwendigkeit des zivilen Luftschutzes ist im Ausland allgemein anerkannt. Seit Jahren werden dart Luftschutzmaßnahmen vorbereitet und dafür große finanzielle Opfer gebracht. Wir haben diese Luftschutzmaßnahmen studiert. Vertreter der Bundesregierung waren in den Vereinigten Staaten, in England, in Schweden, in Holland und in der Schweiz. Deutsche Vertreter arbeiten in den Ausschüssen der NATO für Zivilverteidigung mit, wo u. a. ein gegenseitiger Erfahrungsaustausch stattfindet.
Um Ihnen, meine Damen und Herren, einen Überblick über den Luftschutz im Ausland zu geben, habe ich Ihnen eine Sondernummer der Zeitschrift „Ziviler Luftschutz" zugeleitet, die über diese Anstrengungen des Auslands berichtet.
Nach sorgfältiger wissenschaftlicher Prüfung der Probleme und nach genauem Studium der Luftschutzmaßnahmen im Auslande sind wir also zu dem Ergebnis gekommen, daß auch gegenüber den Atomwaffen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung möglich sind. Daraufhin haben wir ein vorläufiges Luftschutzprogramm für die nächsten drei Jahre ausgearbeitet. Dieses Programm hat in vollem Umfang die Billigung der deutschen Schutzkommission und des Beraters der NATO für Zivilverteidigung gefunden. Dieses Programm sieht folgende acht Hauptmaßnahmen vor:
Erstens: die Einrichtung eines auf Draht und Funk eingerichteten vollautomatischen Warndienstes, der auch bei den sehr hohen Fluggeschwindigkeiten und den sich daraus ergebenden kurzen Warnzeiten eine Warnung der Bevölkerung ermöglicht. Dieser Warndienst soll in bundeseigener Verwaltung durchgeführt werden.
Zweitens: die Einrichtung eines örtlichen Alarmdienstes. Träger dieses Alarmdienstes sollen die Gemeinden werden.
Drittens: die Aufstellung, Ausbildung und Ausrüstung eines Luftschutzhilfsdienstes. Dieser Luftschutzhilfsdienst gliedert sich in den Brandschutzdienst, den Bergungs- und Instandsetzungsdienst, den Sanitäts- und Veterinärdienst, den Entgiftungsdienst, den Luftschutzbetreuungsdienst und den Fernmeldedienst. Die Aufstellung des Luftschutzhilfsdienstes soll zunächst auf die besonders gefährdeten Städte beschränkt werden. Er wird insgesamt eine Personalstärke von 260 000 freiwilligen Kräften haben. Davon werden 30 000 für die überörtlichen Verbände benötigt. Aufgabe der Gemeinden wird es sein, den örtlichen Luftschutzhilfsdienst aufzustellen. Träger der überörtlichen Verbände werden die Länder sein.
Die Errichtung von Luftschutzräumen bei Neubauten in grundsätzlich allen Gemeinden von mehr als 10 000 Einwohnern ist der vierte Punkt, der fünfte die Instandsetzung der noch geeigneten Bunker und die Errichtung von neuen öffentlichen Sammelschutzräumen.
Sechstens: die Anlage eines ausreichenden Arzneimittelvorrats zur Sicherstellung der ersten Versorgung von Verletzten.
Siebtens: die Aufklärung der Bevölkerung über die Erfordernisse des modernen Luftschutzes und die Organisation des Selbstschutzes der Bevölkerung durch den Bundesluftschutzverband.
Achtens: die Förderung der Forschung und der technischen Entwicklung und den Ausbau der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz, der besonders auch die Ausbildung der Führungskräfte auf dem Gebiet des Luftschutzes obliegt.
Meine Damen und Herren, für die Durchführung dieses vorläufigen Dreijahresprogramms sind öffentliche Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden DM erforderlich, die auf den gesamten Zeitraum so verteilt werden sollen, daß in der Anlaufzeit zunächst geringere Beträge und späterhin entsprechend höhere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Dieser Gesamtbetrag von 1,2 Milliarden DM für öffentliche Luftschutzzwecke würde, umgerechnet auf jeden Einwohner der Bundesrepublik, einen Aufwand von jährlich 8 DM ergeben. Diese Zahl verträgt durchaus den Vergleich mit den in anderen Staaten verausgabten Beträgen.
Wie schon gesagt, enthält das Acht-Punkte-Luftschutzprogramm nur die Planung für einen ersten Abschnitt. Es ist ein vorläufiges Programm und umfaßt nur die Maßnahmen, die zur Verwirklichung reif erscheinen. Ich halte es für zweckmäßiger, zunächst mit einem vorläufigen Programm anzufangen, das die vordringlichsten Maßnahmen enthält, als jetzt ein umfassendes Programm vorzulegen, das eventuell wegen Finanzierungsschwierigkeiten zurückgestellt wird. Das endgültige, umfassende Luftschutzprogramm, das besonders auch den Schutzraumbau im vorhandenen Wohnungsbestand und den Industrieluftschutz regeln soll, wird jetzt in Zusammenarbeit mit den anderen Bundesressorts und den Ländern vorbereitet und aufgestellt werden.
Der dem Hohen Hause heute vorliegende Gesetzentwurf behandelt im wesentlichen sechs Punkte: erstens die verwaltungsorganisatorischen Grundlagen, die für die Inangriffnahme der nach dem Luftschutzprogramm vorgesehenen Maßnahmen geschaffen werden müssen, .zweitens die Einrichtung eines Luftschutzwarn- und -alarmdienstes und eines Luftschutzhilfsdienstes, drittens die Mitarbeit von freiwilligen Helfern aus der Bevölkerung in den für den öffentlichen Luftschutz einzurichtenden Diensten, viertens die Verpflichtung der Bauherren zu baulichen Luftschutzmaßnahmen bei Neubauten, fünftens die Verpflichtung der Gemeinden zur Instandsetzung von Bunkern und zur Errichtung von öffentlichen Luftschutzbauten im Rahmen der örtlichen Luftschutzplanung, sechstens die Aufteilung der Kosten für die nach dem Gesetz zu treffenden öffentlichen Luftschutzmaßnahmen auf die Träger des öffentlichen Luftschutzes, d. h. auf Bund, Länder und Gemeinden.
Ich darf davon absehen, die vorgeschlagene gesetzliche Regelung im einzelnen zu erläutern, und beschränke mich darauf, die wichtigsten Probleme hervorzuheben. In seinem Ersten Abschnitt regelt der Entwurf die Grundlagen für den Aufbau der Verwaltungsorganisation des Luftschutzes. Ähnlich wie in anderen föderativen Staaten, z. B. in den Vereinigten Staaten von Amerika, sollen die Aufgaben des Luftschutzes grundsätzlich von den Ländern und Gemeinden durchgeführt werden. Eine bundeseigene Verwaltung ist nur für den Luftschutzwarndienst und für die zentrale Ausbildung der Führungskräfte des Luftschutzes vorgesehen. Der Entwurf geht von dem Grundsatz der Einheit der Verwaltung aus und lehnt eine Luftschutzsonderverwaltung ab. Die innere Verwaltung in den Ländern und Gemeinden soll die Aufgaben des Luftschutzes übernehmen. Durch diese Regelung wird nicht nur eine zweckmäßige, sondern, wie wir hoffen, auch eine sparsame Verwaltung erreicht. Nach dem Grundgesetz ist derzeit die Durchführung des Luftschutzes grundsätzlich eine eigene Angelegenheit der Länder. Auf dem Gebiete des Luftschutzes wird aber eine zentrale und einheitliche Lenkung durch die Bundesregierung nicht entbehrt werden können. Es ist daher nötig, bei einer Ergänzung des Grundgesetzes für den zivilen Luftschutz eine Bundesauftragsverwaltung vorzusehen.
Der Schwerpunkt aller öffentlichen Luftschutzmaßnahmen liegt bei den Gemeinden und hier vor allem bei den deutschen Großstädten. Bei der weit über die Gemeindegrenzen hinausgreifenden Wirkung möglicher Luftangriffe ist es notwendig, daß die Luftschutzmaßnahmen, die von den Gemeinden vorbereitet und durchgeführt werden, von den Ländern einheitlich und planmäßig gelenkt sind. Deshalb sollen — das sieht der Gesetzentwurf vor — die Gemeinden beim Vollzug des Gesetzes nach den Weisungen der Länder handeln. Örtlicher Luftschutzleiter wird der leitende Gemeindebeamte und nicht mehr, wie im zweiten Weltkrieg, der Polizeiverwalter. Für unsere Regelung spricht, daß der Schwerpunkt der öffentlichen örtlichen Luftschutzmaßnahmen ganz überwiegend im Rahmen der kommunalen Verwaltung liegt. Die öffentlichen Luftschutzbauten werden unter Leitung des städtischen Bauamtes durchgeführt. Der Luftschutzsanitätsdienst soll in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt organisiert werden. Der soziale Betreuungsdienst wird in Zusammenarbeit mit dem Wohlfahrtsamt eingerichtet werden. Für die Aufgaben des Luftschutzes müssen bei der Feuerwehr zahlreiche Ergänzungskräfte vorgesehen werden. Auch — um das nur zu erwähnen — in England ist der leitende Gemeindebeamte der örtliche Luftschutzleiter.
Die Länder sind sachlich mit den Luftschutzmaßnahmen einverstanden. Der Bundesrat hat aber trotzdem Einwendungen erhoben, da er in der bundesgesetzlichen Regelung einen Eingriff in die Kommunalhoheit der Länder erblickt. Er will die Regelung der Landesgesetzgebung vorbehalten. Die Bundesregierung dagegen hält diese Bestimmungen im Interesse eines einheitlichen Vollzugs des Luftschutzes für notwendig. Sie hofft, die nach Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes erforderliche Zustimmung des Bundesrates zu gewinnen.
Der Entwurf legt weiterhin den Ländern und den Gemeinden bestimmte Verpflichtungen auf. So schreibt er vor, daß die Länder die überörtlichen Verbände des Luftschutzhilfsdienstes aufzustellen und Arzneimittelvorräte anzulegen haben. Er bestimmt ferner, daß die Gemeinden den örtlichen Alarmdienst und den örtlichen Luftschutzhilfsdienst einrichten sollen und daß sie im Rahmen der örtlichen Luftschutzplanung die vorhandenen öffentlichen Bunker instand setzen und neue Sammelschutzräume einrichten sollen.
Der Bundesrat erhebt auch hier verfassungspolitische Bedenken. Er wendet sich dagegen, daß durch Bundesgesetz den Gemeinden Verpflichtungen zu bestimmten Maßnahmen auferlegt werden. Er ist der Meinung, daß diese Regelung durch Landesgesetz erfolgen sollte. Die Bundesregierung hält jedoch eine einheitliche Regelung für notwendig und ist — ebenfalls aus verfassungspolitischen Erwägungen — der Ansicht, den Gemeinden im Interesse des Gemeinwohls gewisse Aufgaben, die sich aus der örtlichen Verantwortung der Gemeinden ergeben, unmittelbar aufzuerlegen; das Jugendwohlfahrtsgesetz und das Erste Wohnungsbaugesetz sind Beispiele solcher bundesgesetzlicher Regelungen. Die kommunalen Spitzenverbände — das möchte ich hier hervorheben — stimmen der Auffassung der Bundesregierung zu.
— Herr Kollege Lücke, ich bemühe mich gerade, diese Sache so eindeutig und plastisch wie möglich vorzutragen. Ich freue mich, daß das Ihre volle Aufmerksamkeit gefunden hat. Trotzdem haben Sie mich in diesem Punkte mißverstanden. Darauf komme ich nämlich gerade jetzt erst.
Die umstrittenste Frage — und damit komme ich zu dem, was Herr Kollege Lücke schon vorweg bemerkt hat — ist die der Finanzierung.
— Meine Damen und Herren, ich freue mich doch, daß es gelingt, nach Vorausgehen der allgemeinen Betrachtung das Interesse des Hauses wenigstens mit dem Stichwort „Finanzierung" zu finden.
Ebenso wie das Luftschutzprogramm sieht der Gesetzentwurf grundsätzlich vor, daß bei den Aufgaben, die in bundeseigener Verwaltung durchgeführt werden, der Bund die Kosten in vollem Umfange trägt.
— Ja, meine Damen und Herren, ich bitte, auf jedes Wort zu hören, dann geht, wie ich fürchte, die mit dem Bravo ausgedrückte Zustimmung wieder etwas zurück. — Bei den anderen Aufgaben, die von den Ländern und Gemeinden durchgeführt werden, leistet der Bund Zuschüsse in Höhe von einem Drittel der Kosten. Der Bundesrat hat auch hier Einwendungen erhoben. Er ist der Ansicht, daß die Hauptlast der Kosten vom Bund getragen werden müsse, da der Luftschutz zu den Verteidigungsaufgaben des Bundes gehöre.
Der Bundesrat schlägt vor, daß von den gemeinsamen Luftschutzausgaben 80 % vom Bund und nur 20 % von den Ländern übernommen werden. Die kommunalen Spitzenverbände — und nun komme ich wieder auf Herrn Lücke, der da eine hervorragende Rolle spielt — haben überhaupt jede Beteiligung der Gemeinden an den Kosten des Luftschutzes abgelehnt.
— Meine Damen und Herren, ich würde Sie bitten, sich hier noch nicht vorzeitig durch Zurufe festzulegen. Das wird sicher noch sehr schwierige Verhandlungen erfordern.
Zunächst möchte ich dazu für die Bundesregierung folgendes sagen. Nach den Grundsätzen unseres bundesstaatlichen Finanzrechts folgt aus der Verwaltungsverantwortung auch die Pflicht zur Beteiligung an der Kostenlast. Jedem Träger von Verwaltungsaufgaben fallen die daraus entstehenden Kosten zu; er muß diese Kosten aus seinen allgemeinen Finanzmitteln bestreiten. Wegen der Größe der finanziellen Belastung für die Aufgabenträger durch den Luftschutz sind aber im Gesetzentwurf Zuschüsse des Bundes in Höhe von einem Drittel der Kosten vorgesehen. Dazu kommen die vom Bund ausschließlich zu tragenden Kosten wie die Kosten des Luftschutzwarndienstes, der Bundesanstalt für zivilen Luftschutz, der Forschung und der technischen Entwicklung.
Da wir die Schwierigkeiten der Auseinandersetzungen über diesen Punkt kennen, haben wir auch hinsichtlich der Kostenverteilung die Verhältnisse im Ausland sorgfältig studiert. Das Ergebnis besagt, daß in Bundesstaaten die Kosten zwischen dem Gesamtstaat, den Gliedstaaten und den Gemeinden, in Einheitsstaaten zwischen dem Staat und den Gemeinden aufgeteilt werden. In den Vereinigten Staaten z. B., die in die erste Kategorie gehören, betrugen im Haushaltsjahr 1954 die Ausgaben des Bundes für den Luftschutz 21 %, die der Länder und Gemeinden 79 %.
Nun verkenne ich sicher nicht, daß die deutschen Gemeinden, die schwer an den Kriegsfolgen zu tragen haben und die sich besonders auch durch die Probleme des modernen Verkehrs vor hohe finanzielle Aufwendungen gestellt sehen, mit großer Sorge der neuen, sich aus dem Luftschutzgesetz ergebenden Ausgabenlast entgegensehen. Ich weiß, daß in dieser Hinsicht die weniger finanzstarken Under ebenfalls schwere Sorgen haben. Hier muß der Finanzausgleich helfen.
Für den Bund aber möchte ich doch darauf hinweisen, daß von den Gesamtausgaben des vorläufigen Luftschutzprogramms in Höhe von 1,2 Milliarden der Bund 626 Millionen und die Länder und Gemeinden zusammen 605 Millionen DM tragen sollen. Aus diesen Zahlen ist zu ersehen, daß der Bund mehr als die Hälfte der Kosten für die Durchführung des ersten Luftschutzprogramms aufbringen soll.
Oft ist hervorgehoben worden, daß die finanziellen Schwierigkeiten leichter zu lösen wären, wenn es gelänge, die Luftschutzkosten der Bundesrepublik auf den NATO-Beitrag anzurechnen. Die NATO-Regelung sieht zur Zeit vor, daß die Kosten der zivilen Verteidigung von den einzelnen Staaten selbst aufzubringen sind. Die Bundesregierung hat bereits in den zuständigen NATO-Gremien vorgetragen — und sie wird das erneut tun —, daß die Bundesrepublik angesichts der schweren Belastung durch die Folgen des zweiten Weltkrieges und in ihrer besonderen Lage als die vorderste Bastion des NATO-Verteidigungssystems eine Anrechnung der Kosten der zivilen Verteidigung, insbesondere des Luftschutzes, auf ihren NATO-Beitrag beantragen müsse. Bisher hatten diese Bemühungen keinen Erfolg.
Es ist verständlich, daß das Problem der Finanzierung der privaten Schutzraumbauten in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit findet. Schutzräume der Klasse A, die in den am meisten gefährdeten Großstädten nötig sind und für die eine Betonumfassung von 60 cm vorgesehen ist, erfordern pro Kopf der Belegung einen Kostenmehraufwand von 520 DM, Schutzräume der Klassen B und C mit einer Betondecke von 40 und 30 cm einen Mehraufwand von 330 bzw. 165 DM. Selbstverständlich können diese Kosten nicht dem Gebäudeeigentümer — in der Regel den Wohnungsbaugesellschaften — aufgebürdet werden, wenn die Zahl der Neubauten aufrechterhalten werden soll. Es sind daher für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau Mittel bereitzustellen, um die Zahl der neu zu erbauenden Wohnungen nicht zu verringern und um den Kampf gegen die Wohnungsnot weiterhin erfolgreich fortsetzen zu können.
— Herr Lücke, auf diesen Zwischenruf hatte ich gewartet; ich bedanke mich ausdrücklich dafür.
Es mußte ferner — das ist sicherlich schmerzlich
— für diese Neubauwohnungen eine Überschreitung der Mietrichtsätze in dem Ausmaß vorgesesehen werden, das notwendig ist, um die Verzinsung und Tilgung der für die Schutzräume aufgewendeten Kosten zu sichern. Die dadurch erforderliche Mietanhebung wird sich in maßvollen Grenzen bewegen.
Beim Bau von öffentlich geförderten Wohnungen, die Bevölkerungsschichten mit geringerem Einkommen vorbehalten werden, soll der Bau von Luft-
schutzräumen mit öffentlichen Mitteln derart gefördert werden, daß eine Erhöhung der Miete nicht eintritt.
Die Schaffung von Schutzräumen im Altwohnhausbestand ist im vorläufigen Luftschutzprogramm und damit auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf noch nicht vorgesehen. Die hierfür erforderlichen baulichen Maßnahmen sind technisch und finanziell schwieriger. Aber auch dieses Problem wird gelöst werden; denn im Zeitalter der Atomwaffen ist der Schutzraum eine notwendige Einrichtung.
Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn das ganze Haus und nicht nur diejenigen, die diesem Problem ein spezielleres Interesse entgegenbringen. doch anhören würde, was ich jetzt zum Schluß sagen möchte. Es ist das Schicksal unserer Generation. daß sie in das Atomzeitalter hineingeboren ist. Keine Macht der Welt kann uns die volle Gewißheit geben, daß uns die Schrekken eines Atomkrieges erspart bleiben. Dieser unbarmherzigen Wahrheit muß ein verantwortungsbewußtes Parlament und muß eine verantwortungsbewußte Exekutive Rechnung tragen. Der Generalsekretär des schwedischen Landesverbandes für Zivilverteidigung hat kürzlich bei einem Vortrag in der Schweiz das Wort geprägt:
Mit dem zivilen Schutz steht und fällt die gesamte Landesverteidigung eines Landes. Mit dem zivilen Schutz allein kann man keinen Krieg gewinnen, ohne zivilen Schutz wird man ihn aber bestimmt verlieren.
Wir können dieses Wort dahin ergänzen. daß unser Volk mit seinem dicht besiedelten Staatsgebiet im Zeitalter der Atomwaffen ohne ausreichenden Luftschutz einen Krieg auf dem europäischen Schauplatz nicht einmal überleben würde.
Die theoretische Vorarbeit ist geleistet. Wir müssen nunmehr alles daran setzen. so rasch wie möglich auch praktisch einen wirksamen Luftschutz aufzubauen. Voraussetzung hierfür ist das baldige Inkrafttreten des ersten Luftschutzgesetzes. Die Bundesregierung würde es daher dankbar begrüßen, wenn der dem Hohen Hause vorliegende Gesetzentwurf schnell verabschiedet würde.
Lassen Sie mich mit folgenden Worten schließen. Die Sicherheit verlangt Opfer, sie verlangt Opfer von jedem einzelnen. Das ist ein geschichtliches Gesetz. Auch bei dieser Entscheidung geht es um die Bewährung unseres Willens zur Selbstbehauptung. Die Bundesregierung hat ihre Auffassung dargelegt und konkrete Vorschläge gemacht. Das Wort, meine Damen und Herren, hat nunmehr der Bundestag.