Rede von
Dr.
Hermann
Schmitt
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, das Haus hat Verständnis dafür, daß ich das, was die Redner vor allem der CDU/CSU hier nicht so deutlich gesagt haben, für die sozialdemokratische Fraktion etwas deutlicher anspreche. Zunächst möchte ich aber auf einige Ausführungen des Kollegen Dr. Höck eingehen, von dem man sagen kann, daß er hier mit Zahlen trefflich gestritten hat. Er hat dabei jedoch etwas Wesentliches vergessen: er hat nur die Zahlen von 1954 genannt. Er hätte auch die Zahlen der zurückliegenden Jahre nennen und hinzufügen müssen, daß wir in Deutschland natürlich einen Nachholbedarf auf dem Gebiete des Luftschutzes
haben. Wenn man das überlegt, erscheinen Ihre Zahlen, Herr Dr. Höck, in einem völlig anderen Licht und zeigen, daß die Mittel, die bisher von der Regierung und der Mehrheit des Hauses bereitgestellt wurden, unzureichend waren.
Die sozialdemokratische Fraktion hat seit Jahren feststellen müssen, daß die Anstrengungen der Bundesregierung auf dem Gebiet des Luftschutzes in einem umgekehrten Verhältnis zu ihrer Beurteilung der militärisch-politischen Lage und vor allem zu ihren Anstrengungen bei der Wiederaufrüstung stehen.
Weil, wie an dieser Stelle schon öfter mit Recht gesagt worden ist, jede Verteidigung ihren Sinn nur in der Verteidigung der Heimat und der Zivilbevölkerung hat, hätte es doch auf diesem Gebiet dringend stärkerer Anstrengungen bedurft.
Wenn es schon infolge der Nachkriegsmaßnahmen der Alliierten schwer ist, heute der Bevölkerung die Notwendigkeit von Luftschutzmaßnahmen klarzumachen, so hat die Art, wie die Bundesregierung das Problem angepackt hat, die Verwirrung und das Mißtrauen der Bevölkerung nur noch verstärkt.
Viele Menschen sagen: Na, wenn die Regierung schon seit Jahren nicht viel oder nichts tut, dann wird es auch gar nicht nötig sein. Oder sie sagen: Wenn nur halbe Maßnahmen geschehen, dann hat die Regierung wahrscheinlich selbst das Gefühl, daß es gar nicht so notwendig ist. Und wenn man sich überlegt, daß wir nun glücklich bei dem Bau eines Versuchswarnamtes angekommen sind, und wenn man bedenkt, daß sich der Deutsche Bundestag seit Jahren mit Verteidigungsproblemen bebeschäftigt, dann muß man sich doch fragen: Ist hier alles geschehen, was hätte geschehen müssen und hätte geschehen können?
Gerade die Regierung hätte infolge der von ihr immer wieder betonten Bedrohung sich doch veranlaßt sehen müssen, sich ernsthaft mit den Problemen des Luftschutzes zu beschäftigen. Wir haben hier erleben müssen — und ich habe das dem Herrn Kollegen Dr. Höck in einem Zwischenruf eben klarzumachen versucht —, daß die Notwendigkeit der Mittel, die wir bei den Haushaltsberatungen beantragt haben, anerkannt wurde. Wir mußten dann aber erleben, daß die Bereitstellung der Mittel abgelehnt wurde. In letzter Konsequenz geschah nichts.
Wie soll aber das Volk draußen glauben, daß der Luftschutz nützt, wenn es sieht, daß die Regierung weiterhin nur — und das ist auch durch die Ausführungen der Diskussionsredner hindurchgegangen unvollständige und unzureichende Vorschläge macht?
Wenn nun die Bevölkerung noch in den Zeitungen — ich habe gerade eine Zeitung von gestern hier — Meldungen wie die folgende liest — da erklärt ein Luftmarschall, der Chef eines kanadischen Luftwaffenverbandes, daß der moderne Krieg nur noch sieben Stunden dauert, daß wenige Atombombenabwürfe das gesamte Leben lähmen und vernichten —, dann fragen sich doch draußen die Menschen mit Recht: Ja, wie ist eigentlich die Wirkung der Atomwaffen, und welche Bedeutung hat der Luftschutz überhaupt noch? Ich will das Beispiel über die Wirkung der modernen Atomwaffen, das der Kollege Mende hier am 7. Dezember in der 116. Sitzung des Hauses angeführt hat und das vor allem den Mitgliedern des Hauses, die sich schon länger mit Luftschutzfragen beschäftigen, bekannt ist, nicht wiederholen. Ich will auch nicht bezweifeln, daß die Herren, die der Herr Minister in seine wissenschaftlichen Kommissionen berufen hat, von ihrer Sicht aus auf dem letzten Stand der Entwicklung sind. Aber es ist die Frage, ob wir in Deutschland überhaupt den letzten Stand der Entwicklung bereits kennen. Da hat der Bundesrat mit Recht dringend gefordert, angesichts der Entwicklung der Atomwaffe zu prüfen, ob ein Schutz und welcher Schutz der Bevölkerung im Falle eines Atomkrieges möglich und wirksam ist. Wir sind mit dem Bundesrat der Auffassung, daß dies das erste und entscheidende Anliegen ist: Ist nach dem neuesten Stand der Entwicklung überhaupt und wie Sicherheit gegeben? Es war Herr Dr. Mende, der hier in der Sitzung am 7. Dezember mit Recht gesagt hat, daß wir diese Frage ohne Panikmacherei prüfen müssen. Aber ich habe manchmal das Gefühl, daß die Bundesregierung die satte Sicherheit, die mit Recht angegriffen wird, ganz gerne hat, weil dadurch ihre Inaktivität nicht so klar zum Vorschein kommt. Wir wünschen deshalb in diesem entscheidenden Punkt volle Klarheit unter Berücksichtigung des letzten Standes der militärischen Entwicklung und nicht zuletzt auch der NATO-Luftmanöver, die uns in diesem Hause schon in mehreren Diskussionen beschäftigt haben.
Es genügt auch nicht, daß wir uns damit trösten, daß auch in anderen Ländern Luftschutzmaßnahmen in dieser oder jener Richtung in den vergangenen Jahren durchgeführt worden sind; denn wir können uns mit der Luftschutzlage anderer Länder leider nur bedingt vergleichen. Die USA und Schweden besitzen z. B. weite Räume zum Ausweichen. Es ist sicher ohne Schwierigkeiten eine teilweise Evakuierung möglich, obwohl gerade in Schweden in letzter Zeit hiergegen Bedenken geltend gemacht worden sind. Wenn wir uns dann die Masse der Menschen im Rhein-Ruhr-Gebiet vorstellen, — wohin sollen diese Menschen ausweichen? Auch eine Teilverlagerung der Industrie, die in den USA ohne Schwierigkeiten möglich ist, ist hier nur sehr bedingt durchführbar.
Man kann es sich beim Luftschutz nicht so leicht machen, wie es sich der Herr Bundeskanzler in seiner Rede zu den Pariser Verträgen hier gemacht hat. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten wörtlich zitieren. Der Bundeskanzler sagte damals:
Solange wir nicht zur NATO gehören, sind wir im Falle eines heißen Krieges zwischen Sowjetrußland und den Vereinigten Staaten das Schlachtfeld. Wenn wir in den Atlantikpakt eintreten, dann sind wir dieses Schlachtfeld nicht mehr.
Auf den Luftschutz übertragen würde das heißen: Wenn wir erst einmal das Luftschutzgesetz haben, sind wir geschützt, und dann ist alles in Ordnung. So einfach kann man es nicht machen und dürfen wir es nicht machen.
Leider hat die Bundesregierung die konkrete Frage des Bundesrates nicht genügend beantwortet.
Vor allem ist auch das Dunkel um die Gesamtplanung und die Gesamtbelastung des Luftschutzes noch nicht genügend erhellt. Wir haben heute von
dem Herrn Minister einiges von dem gehört, was auf uns zukommen wird. Überschrift und Begründung des Gesetzentwurfs zeigen — und der Herr Minister hat das auch heute ausdrücklich betont —, daß wir es nur mit ersten Maßnahmen zu tun haben. Sachverständige haben einmal die Kosten der Mindestmaßnahmen geschätzt, und es sind Zahlen zwischen 10 und 20 Milliarden herausgekommen. Der Bundesrat hat bedauert, daß wir heute nur vor einem Teilstück des Luftschutzes stehen und daß ein Teil des Luftschutzproblems vorweggenommen werden soll, ohne daß das Gesamtvorhaben der Bundesregierung auf diesem Gebiet genügend dargelegt und bekannt ist. Wenn man aber die Probleme und die Tragweite des zivilen Luftschutzes beurteilen soll, ist es notwendig, daß wir über eine solche Gesamtplanung und eine Gesamtkostenaufstellung der Regierung verfügen. Hier gilt eigentlich dasselbe, was verschiedene Sprecher meiner Fraktion schon bei anderen Gelegenheiten zu der Frage der Verteidigungslasten ausgeführt haben: daß die Regierung uns immer nur bruchstückweise die volle Auswirkung der Kosten darlegt. Deshalb müssen wir auch heute wieder verlangen, daß über die Kosten, die auf uns zukommen, völlige Klarheit geschaffen wird.
Zum Beispiel ist Ihnen, meine Damen und Herren, bekannt, daß der vorliegende Entwurf den Bau von Luftschutzräumen in Städten über 10 000 Einwohner zunächst nur bei Neubauten vorsieht. Also der gesamte Altbau ist, wie der Herr Minister auch gesagt hat, nicht berücksichtigt.
Frau Kollegin Dr. Ilk hat die Frage der Erhöhung der Mieten angesprochen. Der Herr Staatssekretär hat uns schon konkrete Zahlen in der
Frage der Mieterhöhung genannt. Ich habe das Gefühl, daß die Bundesregierung die volle Tragweite der Mieterhöhung dem Hause und der Öffentlichkeit mit Absicht nicht mitteilt, weil die Beratungen um das Wohnungsbaugesetz und die Gesetzgebung von Herrn Minister Dr. Preusker in der breiten Öffentlichkeit ohnehin eine ungeheure Beunruhigung hervorgerufen haben.
— Nein, nein, durch die Tatsachen, Herr Kollege Lücker
Wenn man weiter bedenkt, daß eine Dienstverpflichtung in gewissem Umfang vorgesehen ist, und wenn man überlegt, daß auch die deutsche Industrie, falls sie einen wirksamen Luftschutz aufbauen soll, größere Mittel bereitstellen muß und dazu auch wahrscheinlich Steuervergünstigungen verlangen wird, dann begreift man dieses Versteckspielen. Aber es ist nicht zu verantworten, und wir wünschen — das betone ich noch einmal mit aller Klarheit —, daß hier die Karten auf den Tisch gelegt werden.
Ich kann in diesem Zusammenhang nur noch einmal wiederholen, daß unabhängig, Herr Kollege Dr. Höck, von der Frage der haushaltsmäßigen Verrechnung selbstverständlich die Fragen des Bereichs der zivilen und militärischen Verteidigungslasten eine Einheit bilden und nicht isoliert gesehen werden können. Wenn man sonst Milliarden hat, darf man beim Luftschutz nicht mit den Millionen geizen.
Das müssen wir an die Adresse des Herrn Finanzministers einmal mit aller Deutlichkeit sagen.
Nun ist in den vergangenen Jahren überhaupt noch nicht einmal ein finanzieller Grundstein gelegt worden. Wir alle waren froh, als kürzlich mit den Auseinandersetzungen um den Finanzausgleich wenigstens dieses Kapitel ein vorläufiges Ende gefunden hat. Es ist zwar nicht befriedigend, aber immerhin, es ist zunächst einmal ein Ende. Nun werden diese Auseinandersetzungen erneut beginnen, denn der vorliegende Gesetzentwurf versucht doch — und das ist hier schon ausführlich dargelegt worden —, die Lasten auf die Länder und die Gemeinden weiterzuverteilen. Die Bundesregierung hat zu der Kostenfrage in ihrer Stellungnahme zu der Einwendung des Bundesrates darauf hingewiesen, daß nach ihrer Auffassung über die Hälfte der öffentlichen Kosten von der Bundesregierung getragen werden. Nun, meine Damen und Herren, ich habe mir einmal die Mühe gemacht, das Gesetz daraufhin durchzusehen, was an Belastungen vor allem auf die Gemeinden zukommt und was nach dem bisherigen Gesetzentwurf ohne Kostenersatz von den Gemeinden getragen werden soll.
Nach dem Gesetz sind es zunächst einmal die Kosten für die Beschaffung und Bereitstellung der örtlichen Alarmeinrichtungen — § 8 —, die von den Gemeinden getragen werden müßten. Ein vorläufiger Kostenüberschlag sieht dafür 27 Millionen vor. Nun sind aber eine Reihe von Kosten, die auf die Gemeinden zukommen, noch vorgesehen, die nach dem Luftschutzprogramm der Regierung zu erwarten sind und die nach meiner Meinung in der Kostenverteilung überhaupt nicht berücksichtigt sind. Da sind z. B. die Entschädigungen wegen luftschutzbedingter Baubeschränkungen. Da sind die Erhöhungen der gemeindlichen Mittel für den sozialen Wohnungsbau für die Bevölkerungsschicht mit geringerem Einkommen über den Satz des § 23 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes hinaus. Da sind die baulichen Luftschutzmaßnahmen bei gemeindeeigenen Gebäuden, bei Schulen, Krankenhäusern, Altersheimen usw. Da sind die Luftschutzmaßnahmen bei Betriebsanlagen der Energie- und Wasserversorgung, bei gemeindlichen Verkehrsanlagen, und nicht zuletzt das große Gebiet der Haftung der Gemeinden überhaupt bei Luftschutzmaßnahmen. Der Luftschutz ist aber unbestritten ein Teil des Gesamtsystems des Schutzes der Bundesrepublik und daher wie die militärische Verteidigung keine gemeindliche Aufgabe, sondern eine Aufgabe des Bundes.
Nun ist mit Recht schon heute morgen — ich glaube, von dem Kollegen Dr. Höck — darauf hingewiesen worden, daß niemand weiß, wie sich die Luftschutzgesetzgebung noch entwickelt, und da zahlreiche Kostenpositionen bei diesen Aufstellungen noch nicht berücksichtigt sind, ist es wesentlich, daß, bevor über eine Verteilung überhaupt gesprochen werden kann, völlige Klarheit über die Gesamtkosten besteht. Der Herr Minister hat zur Rechtfertigung des Vorschlags der Bundesregierung auf die Kostenverteilung im Ausland hingewiesen. Herr Minister, ich bezweifle nicht, daß die Kostenverteilung im Ausland so ist. Aber ich weiß nicht, wie die Verteilung der Steuerquellen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Ausland ist,
und das ist doch die entscheidende Frage. Ich kann keine Kostenregelung — —
— Ausgezeichnet, Herr Minister! Wir werden im Ausschuß gern diese Untersuchung durchführen, denn von der Frage der Steuerquellen und der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern nach den Kompetenz-Artikeln 73 und 74 des Grundgesetzes hängt ja, auch in Verbindung mit dem Finanzverfassungssystem der Bundesrepublik, die Kostenverteilung ab.
Nun ist hier schon einiges über die Finanzlage der Gemeinden, der Länder und des Bundes gesagt worden. Es ist aber doch unbestreitbar — Herr Kollege Lücke wird mir sicher hier zustimmen —, daß die Finanzkraft unserer Gemeinden in einer Weise überfordert ist, wie das eigentlich in keiner Generation bisher der Fall war.
Bei der von der Bundesregierung vorgesehenen Verteilung — das scheint mir ein entscheidendes Problem zu sein — werden die Gemeinden sehr unterschiedlich belastet, Herr Minister.
Vor allem die Gemeinden, die die größten Aufgaben beim Wiederaufbau haben, weil sie durch die Kriegsfolgen so stark belastet sind, befinden sich jetzt wieder, weil sie natürlich besondere Gefahrenpunkte sind, in der Lage, daß sie die erhöhten Ausgaben nach diesem Gesetz für den Luftschutz leisten müssen. Schon unter diesem Gesichtspunkt ist Ihr Vorschlag über die Kostenverteilung unmöglich. Gerade die Gemeinden, die durch die Schäden des letzten Krieges am stärksten belastet sind, werden jetzt wieder am ersten für Luftschutzmaßnahmen herangezogen.
Schließlich möchte ich auch noch darauf hinweisen, Herr Minister, daß das vorgesehene Erstattungsverfahren die Gemeinden auch wieder viel Geld kostet. Sie müssen zunächst einmal die Beträge vorlegen; das bindet Mittel. Außerdem bringt natürlich ein solches Verfahren, wie wir alle von anderen derartigen Verfahren wissen, auch einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich.
Nun ist hier auch die Frage des Eingriffs in das kommunale Verfassungsrecht angeschnitten worden. Wir haben schon bei der Beratung des Bundesleistungsgesetzes feststellen müssen, daß hier nicht nur organisatorische Bestimmungen getroffen werden, sondern daß es sich einwandfrei um einen Eingriff in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder und in das Gemeindeverfassungsrecht handelt. Ich bin auch der Meinung, Herr Minister, daß eine solche Forderung, wie sie die Bundesregierung hier aufstellt, unlogisch ist. Es ist ein Widerspruch in sich selbst, daß die Bundesregierung auf der einen Seite eine möglichst umfangreiche Kontrolle in der Hand haben will und daß sie auf der andern Seite die Kosten entweder überhaupt nicht oder nur zu einem Teil tragen will. Ich wäre dankbar, wenn wir im Ausschuß eine Regelung fänden, die auch den Interessen der Gemeinden und dem kommunalen Verfassungsrecht gerecht wird.
Im Rahmen einer ersten Lesung ist es natürlich schwer, alles das anzuführen, was uns verbesserungsbedürftig und dringend erforderlich erscheint. Ich möchte nur noch, wie Frau Kollegin Dr. Ilk das schon getan hat, auf den § 6 hinweisen, der eine sehr merkwürdige Fassung hat. Ich möchte annehmen, daß er allen Mitgliedern des Hauses bekannt ist. So wichtig es ist, daß die gewerbliche Wirtschaft und ihre Spitzenorganisationen, aber auch die Vertreter der Arbeitnehmer, die hier ganz offensichtlich ausgelassen worden sind, in Fragen des Industrieluftschutzes beratend tätig werden, so haben wir doch gegen die vorgeschlagene Regelung erhebliche Bedenken. Wenn diese Organisationen erst einmal stehen und ihre Richtlinien und Planungen herausgeben, dann wird es doch so sein, daß nachher die einzelnen Unternehmungen daran gebunden sind. Praktisch haben dann diese Organisationen eine Art Hoheitsbefugnis, die ihnen auf Grund ihrer privatrechtlichen Struktur gar nicht zukommt. Es besteht schließlich auch die Gefahr, daß die Unternehmungen, die nicht beitreten wollen, mit einem mehr oder weniger sanften Nachhelfen „eingegliedert" werden. Deshalb möchten wir unter allen Umständen eine Änderung des § 6. Wir sind überzeugt, daß es auch andere Möglichkeiten gibt, die Spitzenverbände der gewerblichen Wirtschaft an der Vorbereitung des Industrieluftschutzes zu beteiligen.
Ich habe schon sehr bedauert, daß der Luftschutzwarndienst in seiner Entwicklung immer noch in den Kinderschuhen steckt. Ein Meisterstück behördlichen Denkens scheint mir zu sein, was hier in § 7 Abs. 3 gesagt wird. Da heißt es:
Die Behörden des Luftschutzwarndienstes haben folgende Ausgaben:
1. die Leitung, die Organisation und den Einsatz des Luftschutzwarndienstes.
Man kommt hier wohl nicht zu Unrecht auf den Gedanken, daß in dem Kopf des Verfassers dieses Entwurfs die Leitung und Organisation von Behörden zu deren wesentlicher Eigenschaft geworden ist.
— Wir werden unschwer, Herr Minister, im Ausschuß eine glücklichere Formulierung finden.
Ich habe in der Begründung zu § 7 noch einen etwas merkwürdigen Satz gelesen, von dem mir bei einer Unterhaltung mit Herren, die über größere militärische Erfahrungen als ich verfügen, gesagt worden ist, daß er offensichtlich nicht ganz glücklich sei. Da heißt es nämlich, Herr Minister, daß Sie ermächtigt werden, „einen Luftbeobachtungsdienst einzurichten, der durch Auge- und Ohrbeobachtung die Ergebnisse des Flugmeldedienstes ergänzt und notfalls auch ersetzen kann". Ich weiß nicht, wie man sich das in einem modernen Krieg denkt. Aber ich habe das Gefühl, daß hier der Verfasser des Entwurfs noch von Vorstellungen beherrscht wird, wie sie im ersten und höchstens in den Anfangstagen des zweiten Weltkrieges zutreffend waren.
— Nein, ich glaube, darauf kann man überhaupt nicht verzichten.
Was nun die baulichen Luftschutzmaßnahmen betrifft, so habe ich schon festgestellt, daß sie zunächst einmal nur für die Gemeinden über 10 000 Einwohner in Kraft treten. Hier ergibt sich auch in Fragen des Baurechts eine Menge von Kompetenzschwierigkeiten. Entscheidend ist aber, daß die Regierung klarlegt, was mit den Altbauten und schließlich, was mit der Bevölkerung auf dem flachen Lande geschieht. Man kann ja von niemandem verlangen, sich evakuieren zu lassen, wenn sich die Regierung darüber ausschweigt, was auf dem flachen Land, wohin evakuiert werden soll, luftschutzmäßig geplant ist. Davon muß man Kenntnis erlangen.
Ähnliches gilt für den Luftschutzhilfsdienst, der zunächst einmal für Schwerpunktorte vorgesehen ist. Wir hätten im Ausschuß gerne Näheres darüber gehört, wie der weitere Ausbau geschehen soll. Das gehört alles in den Rahmen des Gesamtprogramms, über das ich hier schon gesprochen habe.
Schließlich möchten wir auch Klarheit über die Kosten der Schutzräume und über die dadurch entstehende Belastung der Mieten haben. Ich habe mir einmal angesehen, was im Bundesrat über diese Kosten gesagt worden ist. Der Vertreter von Hamburg hat die Zahlen, die der Herr Minister heute morgen hier genannt hat und die damals auch schon im Bundesrat vorgetragen worden sind, sehr stark bezweifelt. Er hat zu dem Ausmaß der Verpflichtungen darauf hingewiesen, daß bei 300 000 im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zu fördernden Wohnungen etwa 195 000 auf Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern entfallen und daß bei Wohnungen mit vier oder mehr Personen zunächst einmal Kosten zwischen 660 und 2080 DM, je nach dem Schutzraumtyp, anfallen. Diese Zahlen sind bei ihm geprüft worden. Dabei hat man festgestellt, daß sie überholt und zu niedrig seien.
— Na also, darüber besteht kein Zweifel.
Selbst unter Berücksichtigung der alten Zahlen würden sich folgende Kosten ergeben, wenn man bei dem öffentlich geförderten Wohnungsbau die Kosten dem Mieter nicht aufbürden will. Bei 17 000 geförderten Wohnungen handelt es sich um eine Größenordnung von 60 bis 70 Millionen DM. Wenn man solche Zahlen hört und überhaupt die Größenordnung des sozialen Wohnungsbaus betrachtet, so erkennt man, daß sich hier sehr große Gefahren für die Weiterentwicklung des sozialen Wohnungsbaus ergeben. Es dürfte sicher gut sein, unsere besondere Aufmerksamkeit gerade diesen mit dem Wohnungsbaugesetz im Zusammenhang stehenden Fragen zu widmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich kann mich heute auf diese kurzen Ausführungen beschränken. Ich möchte nur noch folgendes sagen. Das Entscheidende für die weitere Beratung ist, daß wir wissen müssen, ob überhaupt und wie Schutz möglich ist und wie das Gesamtprojekt der Bundesregierung auf dem Gebiet des zivilen Luftschutzes ist. Wir werden bei den Ausschußberatungen alles daransetzen, um zu fruchtbaren Ergebnissen zu kommen.
Ich erkläre mich im Namen meiner Fraktion mit der Überweisung an den Ausschuß für innere Angelegenheiten als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Kommunalpolitik zur Mitberatung einverstanden.