Rede von
Dr.
Gerhard
Schröder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zum Schluß nur noch ganz wenige Bemerkungen
machen. Wenn ich die Gesamttendenz der Debatte richtig verstanden habe, so läßt sie doch wohl erwarten, daß die Förderung dieses Gesetzes ohne irgendeine mehr oder weniger parteipolitisch gefärbte Kontroverse erfolgen wird.
Ich wünsche sehr, daß das Ganze erstens in diesem Sinne und zweitens mit großer Beschleunigung verläuft.
Es ist hier der Wunsch geäußert worden, daß ein Gesamtüberblick gegeben, daß ein Plan für die gesamte Finanzierung — auch von Maßnahmen, die vielleicht noch recht lange auf sich warten lassen werden — schon jetzt im einzelnen vorgelegt wird. Meine Damen und Herren, man kann nicht gleichzeitig beides tun. Man kann nicht gleichzeitig die Bundesregierung tadeln, daß sie das und das nicht schnell genug gemacht habe — ich komme darauf gleich noch einmal —, aber dann schon etwas haben wollen, was erst in einer Entwicklung von Jahren drinliegt. Wenn wir an eine solche Riesenaufgabe herangehen, dann werden wir gut daran tun, nicht schon heute etwa das perfektionistische Schlußbild zu zeichnen, dann sollten wir dabei nicht Ziffern zu entwickeln versuchen, die ins Gigantische zu reichen scheinen. Das wäre keine realistische Behandlung des Problems. Seine Lösung kann nicht Gegenstand einer großen Schreibtischarbeit sein. Hier geht es wirklich um eine Frage, die für unser Volk zu ernst ist, als daß sie in papierenen Theorien ersticken dürfte. Deswegen habe ich die Bitte, an das heranzugehen, was man heute wirklich tun kann, und ich glaube, der Vorschlag der Bundesregierung ist so nüchtern und praktisch und realistisch, wie man es sich nur wünschen kann.
Aber nun, meine Damen und Herren, noch einmal ein Wort über Verzögerung! Vielleicht machen sich die wenigsten von Ihnen eine plastische Vorstellung davon, wie lange es bei unserem mehr als komplizierten Verfassungssystem dauert, in dieses Hohe Haus überhaupt erst einmal eine für die erste Beratung diskussionsreife Vorlage hineinzubringen. Als ich ins Amt kam, — —
— Lieber Herr Kollege Schmitt , meine Damen und Herren, ich denke, Sie werden an der Frage interessiert genug sein, um sich einmal den Bericht über die Leiden eines Ministers anzuhören.
Das sind meine Leiden heute, und vielleicht trifft es den einen oder anderen von Ihnen morgen, und deswegen will ich Ihnen das gleich noch einmal etwas auseinandersetzen.
—Herr Feller, Sie wird es genau so interessieren, ohne Rücksicht auf eigene Aktualität, aber es ist eine grundsätzlich sehr wichtige Sache.
Als ich ins Amt kam, fand ich schon die Skizze eines nach meiner Meinung im Grunde brauchbaren Entwurfs vor. Ich habe mich damals auch wesentlich optimistischer über die Zeiträume ausgedrückt, die zur Verwirklichung zur Verfügung stünden. Aber, meine Damen und Herren, überhaupt erst einmal in langen, langen Verhandlungen mit all den Stellen, die hier interessiert sind und interessiert sein können, die Grundlage für die Kabinettsreife zu schaffen, ist eine sehr mühselige Sache.
Dabei kommen wir nun auch gleich einmal auf den Bundesrat und die Beteiligung der Länder. Im Grundgesetz steht so sehr schön, daß der Bundesrat berechtigt ist, innerhalb der Dreiwochenfrist Stellung zu nehmen, daß er die Möglichkeit, also eine Chance hat, seine Meinung zu äußern. Wer sich aber unsere Gesetzgebung ansieht, wie sie wirklich vor sich geht, der weiß, daß schon monatelang, bevor die Sache überhaupt ins Kabinett kommt, die kompliziertesten Verhandlungen mit den Ländern voraufgegangen sind. Es ist oft sehr merkwürdig: ich selbst behandle manchmal gewisse Dinge noch als sehr vertraulich, und es kommt vor, daß der eine oder andere Kollege mich bittet, ihm einmal einen Entwurf zur Verfügung zu stellen,
— den ich also noch als ganz vertraulich ansehe. Und dann schreibt er mir zurück — übrigens ein Kollege von dieser Seite des Hauses —: „Ja, ich bin bereit, die Sache, da Sie es wünschen, vertraulich zu behandeln; ich darf Ihnen aber im übrigen mitteilen, daß ich denselben Entwurf schon von zwei anderen Seiten bekommen habe."
Das ist ein Erlebnis aus der Praxis, und es zeigt
— um es einmal deutlich zu machen —, daß, bevor eine Sache kabinettsreif und für das erste Stadium im Bundesrat reif wird, bereits ein monatelanger, manchmal sogar jahrelanger Prozeß vorhergegangen ist, bis es so weit war.
— Lieber Herr Kollege Schmitt , der Gesetzgeber — das muß man einmal ganz klarmachen; ich freue mich, daß Sie mich darin unterstützen wollen — ist dieses Hohe Haus.
— Lieber Herr Kollege Schoettle, ich gehöre diesem Haus so lange an wie Sie, auf den Tag genau so lange wie Sie, und das, was ich sage, sage ich in fairer Abwägung der Chancen beider Seiten.
— Ich habe es auch nicht anders aufgefaßt.
Aber ich meine etwas sehr Ernstes. Dieses Haus ist der Gesetzgeber, und manchmal frage ich mich wirklich, ob der Voraufwand, den wir in die Auseinandersetzung mit anderen Stellen investieren, immer gerechtfertigt ist.
Manchmal ist es vielleicht besser, mit einer Vorlage hierherzukommen, — mag sie unvollkommen sein, letztlich wird das Hohe Haus darüber beschließen, wie sie aussehen wird. Wir binden uns selbst zu sehr, meine ich, und ich freue mich, die Gelegenheit zu haben, das einmal zu sagen.
Wir legen uns manchmal selbst Fesseln an, die die Effektivität unserer Arbeit außerordentlich mindern.