Rede von
Dr.
Herta
Ilk
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß endlich ein Gesetz für den zivilen Luftschutz erlassen werden soll. Wir sind keineswegs der Meinung, daß ziviler Luftschutz heutzutage unnötig ist. Die atomaren Waffen werden vielleicht, ja, wir wollen es hoffen, überhaupt nicht eingesetzt werden. Wir werden uns, wenn einmal das Unglück eines Krieges über uns hereinbrechen sollte, in erster Linie gegen die klassischen Waffen zu schützen haben. Wir alle, die wir den vorigen Krieg und die furchtbaren Angriffe miterlebt haben, wissen doch, daß die damals noch sehr primitiven Luftschutzmaßnahmen vielen Menschen das Leben gerettet haben. Sollte aber einmal ein Unglück über Europa kommen und sollten wir, die wir den Krieg als Angriffskrieg in jeder Form ablehnen, überhaupt nicht aktiv am Kriege beteiligt sein, so wissen wir — das hat uns die Erfahrung des letzten Krieges gezeigt —, daß auch neutrale Mächte vor den Gefahren des Luftkriegs nicht verschont bleiben. Das haben wir bei den Bombenabwürfen in der Schweiz erlebt. Wieviel mehr werden angrenzende neutrale Gebiete bei Anwendung nuklearer Waffen gefährdet, wo man nicht mehr weiß, wohin der Wind die Strömung treibt! Also ist es notwendig, daß wir alles tun, um uns in Friedenszeiten, in normalen Zeiten auf einen eventuellen Notstand vorzubereiten.
Nun sind wir ein wenig traurig darüber, daß dieses Gesetz so spät kommt und trotz allem gutem Willen und aller guten Pläne, die der Innenminister uns hier in seiner Rede dokumentiert hat, doch auch noch recht unvollkommen ist. Wir erkennen an, daß es nicht leicht war, unter den Beschränkungen, die uns von der Besatzungsmacht auferlegt worden sind, schon vorher Maßnahmen zu treffen. Aber, Herr Innenminister, ich bin der Meinung, man hätte vielleicht schon manche Vorbereitungen gesetzgeberischer Art treffen können, um nach Wegfall der Hemmnisse ein etwas ausführlicheres Gesetz aus der Schublade zu ziehen, so daß die Regelung, die hier im Ersten Luftschutzgesetz vorgesehen ist, bereits umfassender sein könnte. Es ist hier doch nur ein relativ kleiner Teil der Aufgaben des Luftschutzes herausgegriffen
worden. Viele Gebiete: das Sanitätswesen, die Bevorratung mit Nahrungsmitteln, das sehr, sehr wichtige Gebiet der Evakuierung der Bevölkerung — die ja immer noch die sicherste Schutzmaßnahme ist —, ja auch eine gewisse Vorbereitung des Arbeitseinsatzes in Katastrophenfällen, sind nicht geregelt. Die sind vielleicht in der Begründung angedeutet, aber im Gesetzentwurf selbst ist eine Regelung noch nicht vorgesehen. Herr Minister, auf diesen Gebieten haben wir doch schon heute Möglichkeiten einer gesetzlichen Regelung, die uns noch nicht einmal sehr viel kosten, so daß wir dafür heute nicht viele Mittel in unseren angespannten Etat einsetzen müssen.
Wir sollten diesen Dingen ganz besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Wir verkennen nicht, daß z. B. bezüglich der Evakuierung schon gewisse Ansätze da sind, indem man eine Art strategische Evakuierung durch Auflockerung der Bebauung vorgesehen hat. Aber es reicht nicht aus, wenn wir in unserem Gesetz nur eine solche Anregung geben; denn ein Zwang steht nicht dahinter und kann wohl auch nicht dahinterstehen, daß lebenswichtige und eventuell für den Krieg wichtige Betriebe nicht zusammengeballt in den Städten anzulegen sind, sondern daß man den Notwendigkeiten schon bei der Anlage und bei der Ansiedlung-Rechnung trägt. Es ist ein Anfang, aber es ist noch viel zuwenig. Man sollte in bezug auf die allgemeine strategische Evakuierung etwas entschiedener vorgehen und schon heute die Maßnahmen etwas genauer überlegen und gesetzgeberisch regeln.
Die Frage der Finanzierung, die ich soeben angeschnitten habe, tritt ganz evident bei der Durchführung der Luftschutzbauten in Erscheinung. Da bedrückt uns ganz besonders die Sorge, daß der soziale Wohnungsbau gefährdet werden könnte. Wir dürfen bei der Beratung dieses Gesetzes unter gar keinen Umständen dazu kommen, daß bei Neubauten infolge irgendwelcher Auflagen bezüglich des Luftschutzes die Mieten gesteigert werden. Herr Minister, Sie sagten, sie würden nur unwesentlich erhöht werden. Aber nach den bisher erfolgten Mietsteigerungen ist die Bevölkerung schon recht empfindlich geworden,
wenn von einer möglichen Mietsteigerung die Rede ist. Wir werden also in dieser Beziehung sehr vorsichtig sein und uns sehr genau überlegen müssen, ob nicht auch bei anderen Bauvorhaben bezüglich des Luftschutzraums — auch bei privaten Bauvorhaben, bei Bauvorhaben in Altbauten — höhere Zuschüsse, als sie vielleicht jetzt vorgesehen sind, gewährt werden müssen, um eben keine wirklich nennenswerte Mietsteigerung hervorzurufen.
Aber die Mittel, die jetzt für die erste, dann auch für die zweite und dritte Phase vorgesehen sind, erscheinen uns viel zu niedrig. Wir sind der Meinung, daß allein für den sozialen Wohnungsbau zusätzlich noch mindestens ungefähr eine Viertelmilliarde in den Etat eingesetzt werden müßte.
Ich glaube, wir sollten da auch an den Herrn Finanzminister einen Appell richten, daß er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln etwas größere Beträge locker macht.
Ich möchte auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs nicht eingehen, aber doch noch auf einen Punkt hinweisen, der mir etwas problematisch erscheint. Ich meine die Frage, ob man die Durchführung von Maßnahmen auf dem Gebiete des Luftschutzes privaten Organisationen, z. B. der Industrie, überlassen sollte. Sicherlich bedeutet das eine Entlastung für den Staat, und sicherlich ist Selbstverwaltung auf vielen Gebieten gut. Aber es kann dann unter Umständen zu Spannungen zwischen einzelnen Organisationen kommen, die für die Allgemeinheit sicherlich nicht sehr gut sind. Hier gilt es doch, das Interesse der Allgemeinheit über vielleicht vorhandene private Belange zu stellen. In jedem Falle sollte man für eine gewisse Aufsicht sorgen, und ,die Organisationen der privaten Wirtschaft sollten mit dem Bundesluftschutzverband sehr eng zusammenarbeiten. Hier sollte auf alle Fälle etwas erreicht werden.
Dann habe ich noch eine große Bitte gerade an die Kreise, denen man jetzt eine Selbstverwaltung auf diesem Gebiet gewähren will. Von dieser Seite sollte ein großes Verständnis für die Notwendigkeit der Beurlaubung der Hilfskräfte aufgebracht werden. Der Einsatz kann — abgesehen von den Fällen des Luftschutzes — auch schon bei anderen Katastrophen erforderlich sein, die ja leider nicht ausbleiben. Ich denke da an große Brände und an große Überschwemmungen. Für solche Fälle ist die Ausbildung einer sehr großen Anzahl von Menschen in erster Hilfe, Sanitätsdienst und ähnlichen Dingen notwendig. Diese Ausbildung kommt uns sowohl im Luftschutz als auch bei anderen Katastrophen zugute. Deshalb sollten gerade von seiten der Betriebe, von seiten der Arbeitgeber möglichst viele Kräfte freigestellt werden — es kommt den Betrieben auch zugute —, damit auf möglichst breiter Basis ein Hilfsdienst aufgebaut werden kann. Wir werden im Ausschuß über diese Fragen noch zu sprechen haben. Beim Aufbau des Luftschutzes wird auch das Verkehrswesen eine Rolle spielen. Es wird zu überlegen sein — ich möchte das beantragen —, ob wir nicht auch diese Frage im Verkehrsausschuß behandeln; denn gerade beim Luftschutz wird das Verkehrsproblem — ich denke an eine plötzliche Evakuierung der Städte oder Betriebe — von erheblicher Bedeutung sein. Ich möchte also darum bitten, den Gesetzentwurf auch diesem Ausschuß zu überweisen.
Im übrigen werden wir uns bemühen, so schnell und so gut wie möglich an diesem Gesetz mitzuarbeiten. Wir hoffen, daß sich bei der Bearbeitung des Gesetzes vielleicht noch eine Ausweitung seines Bereichs ergibt und daß noch einige Probleme, deren gesetzliche Regelung bis jetzt noch nicht vorgesehen ist, mit berücksichtigt werden können.