Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister des Innern hat den Entwurf eines ersten Luftschutzgesetzes, den die Bundesregierung hier eben dem Hohen Hause zugeleitet hat, sehr eingehend und, wie mir scheint, mit einleuchtenden Argumenten begründet. Wenn früher an dieser Stelle hier über den Luftschutz gesprochen wurde, dann handelte es sich bisher nur um die Bereitstellung bescheidener Mittel für diese Zwecke.
— Einen Moment! — Ich glaube, die Bundesregierung hat recht daran getan, die Einbringung des Gesetzentwurfs zum Anlaß dafür zu nehmen, der Öffentlichkeit das Problem des zivilen Luftschutzes in seiner ganzen Größe und Problematik hier aufzuzeigen.
— Einen Augenblick; ich komme darauf, Herr Kollege Menzel. Damit lösen wir das Problem ja nicht, daß wir jetzt in Ressentiments machen.
Nach zehn Jahren wieder von Luftschutz zu sprechen, ist eine Tatsache, an der wir nicht vorbeigehen können. Sicherlich sind psychologische Schwierigkeiten zu überwinden, gerade auch bei denjenigen, die früher einmal aktiv im Luftschutz tätig waren. Wurde es doch vor einigen Jahren noch fast als ein Verbrechen angesehen, im Dienste des zivilen Luftschutzes gestanden zu haben. Aber niemand wird die Notwendigkeit heute verkennen können, daß gerade die Bundesrepublik zur zivilen Selbsthilfe im Rahmen des Luftschutzes aufruft. Aus diesem Gesichtspunkt heraus darf ich vielleicht auch anmerken, daß das Gesetz eigentlich etwas zu spät kommt.
Aber wir waren in der Vergangenheit nicht immer frei in unseren Entscheidungen.
Im Rahmen einer ersten Beratung des Gesetzes möchte ich mich auf einige grundsätzliche Bemerkungen hier beschränken.
Luftschutzfragen sind in der letzten Zeit, insbesondere nach dem Bekanntwerden des Luftschutzprogramms der Bundesregierung, in der öffentlichen Meinung in steigendem Maße erörtert worden. Diese Erörterungen waren nicht immer von profunder Sachkenntnis getragen, und in ihnen klangen immer wieder die Zweifel an, ob der Aufbau und Ausbau eines Luftschutzes angesichts der modernen Massenvernichtungsmittel überhaupt noch einen Sinn habe, mit anderen Worten, ob es noch vernünftig sei, hierfür Millionen- oder Milliardenbeträge auszugeben und zur Verfügung zu stellen.
Meine politischen Freunde sind ebenso wie die Bundesregierung der Auffassung, daß solche Vorbereitungen zum Schutz der Zivilbevölkerung nicht nur einen Sinn haben, sondern daß sie dringend notwendig sind. Sie haben ihren Wert nicht nur für den Fall, daß — was Gott verhüten möge — eine kriegerische Auseinandersetzung mit den sogenannten konventionellen Waffen, d. h. den Spreng- und Brandbomben des zweiten Weltkriegs, ausgetragen werden müßte, sondern auch in dem ungleich schrecklicheren Falle, daß die Menschheit in einen Atomkrieg hineingerissen würde. Voraussetzung für ihre Wirksamkeit ist allerdings, daß die vorgesehenen Maßnahmen, deren Verwirk-
lichung sich über Jahre hinziehen wird, so elastisch gestaltet werden daß sie in dem einen wie in dem andern Falle auch Schutz bieten.
Ich habe bisher immer die Betonung auf das Wort „zivil" gelegt, und mit Absicht. Wenn man nämlich den Gesetzentwurf sorgfältig durchliest, muß man feststellen, daß hier der Luftschutz als Selbsthilfe im zivilen Sektor und in zivilen Händen liegt und nicht in militärischen Händen liegen soll. Ich glaube, dieses Moment ist doch von ausschlaggebender Bedeutung für den jetzt angelaufenen Luftschutz und sollte bei der Beratung in den Ausschüssen Beachtung finden.
Es hat bisher im Gegensatz zu den geäußerten Zweifeln über den Sinn von Luftschutzmaßnahmen auch nicht an Kritik daran gefehlt, daß die Bundesregierung mit der Bekanntgabe ihres Luftschutzprogramms und ihrer Luftschutzkonzeption und mit dem ersten Schritt in die Gesetzgebung hinein so lange gezögert hat. Wir halten diese Kritik nicht in allen Fällen für berechtigt. Wir sind uns wohl alle darüber im klaren, daß ein wirksamer Luftschutz — dieses vorläufige Programm und dieses erste Luftschutzgesetz sind ja nur ein Anfang — Milliardenbeträge erfordern wird. Es war sicherlich richtig, daß die Bundesregierung alle Möglichkeiten sachverständiger Beratung erschöpft hat, wie der Herr Minister hier eben auch erläutert hat, bevor sie mit einer so schwierigen und, ich möchte auch sagen: keineswegs populären Materie an die Öffentlichkeit getreten ist.
Ich möchte hier nicht auf Einzelheiten eingehen. Eines dürfte jedoch feststehen: ,daß der Aufbau eines zivilen Luftschutzes und erst recht seine Führung im Ernstfalle einer Lenkung nach einheitlichen Gesichtspunkten bedürfen. Wir würden es deshalb nicht für glücklich halten, die mannigfaltigen verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen, die insbesondere das Verhältnis des Bundes zu den Ländern und zu den Gemeinden betreffen, bei der Behandlung des Gesetzentwurfs zu überspitzen.
Von grundsätzlicher Bedeutung wird in dieser Hinsicht der Verlauf der Verhandlungen über eine zweite Ergänzung des Grundgesetzes sein. Ich denke hier an den Entwurf des Art. 32 a, der dem Bund die Möglichkeit geben soll, auch bei der zivilen Verteidigung, also dem Schutz der Zivilbevölkerung, eine Auftragsverwaltung gegenüber den Ländern zu begründen. Wir werden es uns bei der weiteren parlamentarischen Behandlung des Entwurfs überlegen müssen, ob nicht auch der heute zu erörternde Gesetzentwurf von dieser Möglichkeit Gebrauch machen sollte, wenn die verfassungsmäßigen Voraussetzungen hierfür rechtzeitig vorliegen.
Die Opposition hat auch in diesem Hause an der Planung des zivilen Luftschutzes mehrmals scharfe Kritik geübt und wird es sicherlich auch an diesem Gesetzentwurf wieder tun. Das darf ich im voraus feststellen. Wir hören diese Worte allerdings auch nicht zum ersten Male. Schon früher ist uns bei den Haushaltsberatungen entgegengehalten worden, daß man für den Schutz der Zivilbevölkerung doch Mindestbeträge bereitstellen müsse, die in einer gewissen Relation zu den Ausgaben für die militärische Verteidigung ständen. Finanztechnisch sollte man hier wohl im Interesse unserer Zivilbevölkerung zu einer ganz klaren Scheidung von zivilen Verteidigungsausgaben und militärischen Verteidigungsausgaben kommen.
Erst kürzlich wurde in einer Ausschußsitzung in diesem Hohen Hause behauptet, daß andere Staaten der freien Welt höhere Aufwendungen für den Schutz ihrer Bevölkerung machten. Aus amtlichem Zahlenmaterial, das mir zugänglich war, geht hervor, daß im vorigen Rechnungsjahr, also im Rechnungsjahr 1954, auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet, die Vereinigten Staaten von Amerika 4,76 DM, Großbritannien 8,87 DM, Belgien, das unserer Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur am ähnlichsten ist, 2,23 DM, Norwegen 4,96 DM und Schweden 4,62 DM ausgegeben haben. Wir hier in der Bundesrepublik stehen erst am Anfang. Aber bei einem Gesamtvolumen des Luftschutzprogramms, wie es eben hier vorgetragen worden ist, von 1,2 Milliarden, d. h. 400 Millionen im Jahresdurchschnitt, entfallen an öffentlichen Aufwendungen, wozu noch die Aufwendungen der Industrie und anderer Stellen kommen, in der Bundesrepublik also rund 8 DM auf den Kopf der Bevölkerung.
— Ich komme darauf. Man könnte gegen diesen Vergleich einwenden, daß die anderen Staaten, die ich soeben erwähnte, schon jahrelang Luftschutzkosten in dieser Höhe aufgebracht haben. Aber man kann von uns nicht ohne weiteres erwarten, daß wir im Anfangsstadium des Aufbaus den gesamten Nachholbedarf auf einmal bewältigen. Ich glaube, es ist gar nicht so schlimm, daß wir nunmehr aufholen, nachdem doch in der Entwicklung der atomaren Waffen Erkenntnisse zutage getreten sind, die wir uns jetzt bei dem Neuaufbau des Luftschutzes — auch bei den Bauten — sehr zugute halten und anwenden können. Sehr viel wichtiger erscheint uns, daß jetzt an Stelle einer reinen Planung der Beginn der praktischen Verwirklichung von Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung tritt. Das ist in diesem Gesetzentwurf doch wohl angedeutet.
Eine ganz andere Frage ist es, wie die öffentlichen Luftschutzkosten zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden sollen. Der Gesetzentwurf geht davon aus, daß die gemeinsam zu lösende Aufgabe auch eine gemeinsame Finanzierung von Bund, Ländern und Gemeinden verlangt. Der Bund soll an diesen Kosten mit einem Drittel beteiligt werden, während der Umfang der Heranziehung der Gemeinden, was finanzverfassungsrechtlich sicher zutreffend ist, dem Länderfinanzausgleich überlassen bleibt. Ihnen ist, so nehme ich an — der Herr Minister hat es auch angedeutet —, der lebhafte Widerspruch nicht nur des Bundesrats, sondern auch der kommunalen Spitzenverbände gegen eine solche Lastenverteilung bekannt. Die Durchführung einer Auftragsangelegenheit war und ist für die Kommunen ein Greuel, weil sie dabei immer finanziell Haare lassen müssen.
In der Nachkriegszeit haben die Städte enorme finanzielle Opfer für den Wiederaufbau geleistet. Zum andern wurden für die Lösung all der Verkehrsangelegenheiten und anderer Aufgaben immer größere Ausgaben verlangt.
Ureigenste kommunale Aufgaben — ich komme nicht auf den Wohnungsbau, Herr Kollege Lücke, aber auf Schulbau und Krankenhausbau — kommen und kamen dabei zu kurz. Ich meine, daß wir
gerade die Frage der Finanzierung des Luftschutzes in den Ausschußberatungen sehr gründlich zu prüfen haben. Grundsätzlich möchte ich aber heute schon zum Ausdruck bringen, daß dabei die durch den Krieg und seine Folgeerscheinungen hervorgerufene schwierige Finanzlage der Gemeinden gebührend berücksichtigt werden muß. Wir sind an sich — das darf man doch wohl auch ausdrücken —dem Herrn Minister dankbar, daß ihm nach dieser Richtung auch Gedanken gekommen sind und daß er das Problem angeschnitten hat. Wir sind davon überzeugt, daß dieser Gesetzentwurf bei allen Schwierigkeiten der darin berührten Rechts- und Finanzprobleme angesichts der einmütigen Anerkennung der Notwendigkeit und Dringlichkeit des zivilen Luftschutzes — das darf ich wohl voraussetzen - von allen Fraktionen dieses Hauses eine Fassung erhalten wird, der auch der Bundesrat zustimmen kann, und daß das Gesetz bei seiner Verkündung eine brauchbare Grundlage für die Durchführung Ihrer Planung zum Schutze der Zivilbevölkerung bilden wird. Ich brauche hier wohl nicht zu betonen, daß meinen politischen Freunden wie mir selbst die Erhaltung des Friedens als der beste Schutz erscheint.
Namens meiner Fraktion beantrage ich die Überweisung der Drucksache 1978 an den Ausschuß für innere Verwaltung als federführenden Ausschuß und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß und die Ausschüsse für Kommunalpolitik und für Finanz- und Steuerfragen.