Protokoll:
2038

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 38

  • date_rangeDatum: 9. Juli 1954

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:06 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:16 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954 1773 38. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1773 D, 1821 A, 1834 C, 1843 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 74 und 78 (Drucksachen 605, 680; 619, 679) 1774 A Änderungen der Tagesordnung . . 1805 D, 1820 C, 1842 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FPD betr. Nahzonenregelung in grenznahen Gebieten nach § 2 Abs. 4 Güterkraftverkehrsgesetz (Drucksachen 392) 1774 A, 1821 A, 1828 D Rademacher (FDP), Anfragender . . 1774 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1774 C Erste Beratung des Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 573) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs durch Entlastung der Straßen (Straßenentlastungsgesetz) (Drucksache 574), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr (Drucksache 611), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 612), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrswege (Drucksache 613), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 614), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Koordinierung der Verkehrsträger (Drucksache 615), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Maßnahmen im Verkehrswesen (Drucksache 616) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) (Drucksache 678) 1776 A, 1805 D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1776 B, 1829 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1789 C Müller-Hermann (CDU/CSU), Antragsteller 1793 B Dr. Leiske (CDU/CSU) 1805 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 1811 D Rademacher (FDP) 1821 A Donhauser (CDU/CSU) 1832 C Jahn (Frankfurt) (SPD) 1837 A Weiterberatung vertagt 1842 D Hochwasserkatastrophe in Südbayern, Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP (Drucksache 693), Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 694), Antrag der Fraktion der CDU/CSU (Drucksache 695): Vizepräsident Dr. Jaeger 1820 C Ritter von Lex, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . 1828 C Vizepräsident Dr. Schneider . 1828 D, 1843 A Anträge Drucksachen 693 und 694 durch Erklärung der Bundesregierung für erledigt erklärt 1828 D Nächste Sitzung, — zur Geschäftsordnung: Vizepräsident Dr. Schneider . . . 1843 B, D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 1843 C Dr. Krone (CDU/CSU) 1843 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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Gesamtes Protokol
Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0203800000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 38. Sitzung des Deutschen Bundestages. Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten zu verlesen.

August Berlin (SPD):
Rede ID: ID0203800100
Der Herr Präsident hat für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Kurl-


(Berlin)

baum, Seuffert, Scheppmann, Frau Schroeder (Berlin), Dr. Gülich, Morgenthaler, Euler, Brandt (Berlin), Neuburger und Dr. Keller.
Der Präsident hat für die heutige Sitzung Urlaub erteilt den Ageordneten Frau Dr. Rehling, Voß, Oetzel, Frau Dr. Steinbiß, Dr. Dr. h. c. Pünder, Wullenhaupt, Lenze (Attendorn), Ehren, Illerhaus, Dr. Middelhauve, Dr. von Merkatz, Dr. Siemer und Frau Niggemeyer.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0203800200
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 6. Juli 1954 die Kleine Anfrage 74 der Abgeordneten Brück und Genossen betreffend Personalüberhang im höheren Dienst bei der Deutschen Bundesbahn — Drucksache 605 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 680 vervielfältigt werden.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 7. Juli 1954 die Kleine Anfrage 78 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Erhöhung der Grundrenten in der Kriegsopferversorgung — Drucksache 619 — beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 679 vervielfältigt werden.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Nahzonenregelung in grenznahen Gebieten nach § 2 Abs. 4 Güterkraftverkehrsgesetz (Drucksache 392).
Ich erteile das Wort zur Begründung der Großen Anfrage dem Abgeordneten Rademacher.
Rademacher (FDP), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Güterkraftverkehrsgesetzes fanden eingehende Überlegungen über die Abgrenzung zwischen Nah-und Fernverkehr statt. Man ist dann im Grundsatz dabei geblieben, die Grenze bei 50 km zu belassen, wie es auch in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Man war sich aber bei dieser Beratung darüber klar ,daß es Gebiete in der deutschen Bundesrepublik geben könnte, für die diese Regelung allzu starr sei, insbesondere für die Zonengrenzgebiete. Daher wurde in § 2 Abs. 4 des Gesetzes eine Ausnahmebestimmung geschaffen, die folgendermaßen formuliert wurde:
Für grenznahe Gebiete kann der Bundesverkehrsminister durch Rechtsverordnung Ausnahmen von Absatz 2 zulassen.
Dieses Gesetz ist am 17. Oktober 1952 in Kraft getreten.
Seitdem sind auf Grund dieses Paragraphen eine Reihe von Anträgen aus diesen zonennahen Gebieten eingegangen, von denen aber bedauerlicherweise noch nicht einem einzigen entsprochen worden ist. Wir haben uns daher — auch ausgehend von der großen Debatte, die in diesem Hause über die besonderen Notstände stattgefunden hat, die in den Grenzgebieten herrschen — erlaubt, dem Herrn Bundesverkehrsminister diese Große Anfrage vorzulegen. Wir können nicht ganz verstehen, warum nach mehr als anderthalb Jahren noch keinem einzigen derartigen Antrag entsprochen worden ist, um so weniger, als in diesem § 2 Abs. 4 ausdrücklich gesagt wird, daß eine entsprechende Anordnung durch eine einfache Rechtsverordnung, also ohne Zustimmung des Bundesrats, erfolgen kann. Ich bin sehr gespannt darauf, was der Herr Bundesverkehrsminister zu dieser Tatsache zu sagen hat. Wenn es sich darum handeln sollte, mit den Ländern zunächst zu verhandeln, dann hätte ich allerdings die Frage zu stellen: warum hat man nicht in einer gewissen Ermächtigung den Ländern unter Hinweis auf diesen Paragraphen die Erlaubnis gegeben, überall dort, wo es nach den wirtschaftlichen Bedürfnissen — und die können nicht bestritten werden -- erforderlich ist, die Zonengrenze für den Nahverkehr über 50 km auszudehnen?

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0203800300
Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage hat der Herr Bundesverkehrsminister.

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0203800400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, bevor ich die drei in der Drucksache 392 gestellten Fragen beantworte, einige kurze grundlegende Ausführungen.
Wir unterscheiden, wie Sie wissen, im Güterkraftverkehr auf der Straße zwischen Nahverkehr und Fernverkehr, eine Regelung, die seit dem Jahre 1935 gilt. Nahverkehr ist die Güterbeförderung auf der Straße innerhalb eines Umkreises von 50 km Luftlinie um den Standort des befördernden Fahrzeuges. Dieser Umkreis umfaßt normalerweise eine Fläche von '7850 qkm. Fernverkehr dagegen ist jede Güterbeförderung auf der Straße über diesen Umkreis hinaus oder außerhalb dieses Umkreises. Sie erinnern sich, daß der Unternehmer des Verkehrsgewerbes im Fernverkehr Festtarifen unterworfen ist und diesen Verkehr nur mit Fahrzeugen durchführen kann, für die er eine besondere Konzession erhalten hat. Die Zahl der im gewerblichen Güterfernverkehr insgesamt eingesetzten Fahrzeuge ist für die einzelnen Länder begrenzt und kann nicht erhöht werden. Diese Zahl wird im Laufe der nächsten Jahre nach den bestehenden Bestimmungen ständig vermindert werden. Im Nahverkehr sind solche Beschränkungen unbekannt. Es gelten nur Höchsttarife, keine Festtarife. Nur für den Güterliniennahverkehr sind Beschränkungen vorgeschrieben.
Auch bezüglich der Beförderungssteuer unterscheiden wir zwischen Fern- und Nahverkehr. Die Transporte im Fernverkehr sind beförderungssteuerpflichtig, die Transporte im Nahverkehr sind zur Zeit noch von der Beförderungssteuer befreit. Alle Nahverkehrsbetriebe sind deshalb sehr interessiert daran, eine möglichst ungeschmälerte Nahverkehrszone zu haben. Entsprechendes gilt für den Werknah- und Werkfernverkehr.
Die Einteilung in Nah- und Fernverkehr hat seit der Zerreißung Deutschlands und der Festsetzung der Zonengrenzen eine besondere zusätzliche Bedeutung erhalten, da bei der stark verminderten Breite der Bundesrepublik von durchschnittlich knapp 250 km die Bedeutung der Nahverkehrszone in ost-westlicher Richtung erheblich gestiegen ist. Seit Beginn der Unterscheidung in Nah- und Fernverkehr haben sich die in den Grenzzonen liegenden Betriebe um eine Ausdehnung der Nahverkehrszone in den Grenzgebieten bemüht. Wir müssen in Deutschland heute vier Arten von Grenzen unterscheiden: die natürlichen Grenzen, die durch das Meer gesetzt sind, die Grenzen zu unseren Nachbarländern im Norden, Westen und Süden, die zur Welt der freien Völker gehören, die Grenze zu unserem Nachbarland im Osten, das zum sowjetischen Machtbereich gehört, und die Trennungslinien, die quer durch Deutschland gezogen wurden und deutsche Gebiete voneinander scheiden, wie die


(Bundesminister Dr. Seebohm)

Grenze gegenüber dem Saargebiet und der Eiserne Vorhang. Daher haben wir natürliche Grenzgebiete, die immer bestehenbleiben werden, und unnatürliche Grenzgebiete, die eines Tages — hoffentlich bald — aufgesaugt werden.
Nach der früheren gesetzlichen Regelung war es möglich, daß die oberste Landesverkehrsbehörde für bestimmte Gebiete einen angenommenen Ortsmittelpunkt festsetzte, um die Beschränkungen der Nahverkehrszone für die Grenzbereiche zu mildern. Von dieser Möglichkeit haben die Länder sehr unterschiedlich Gebrauch gemacht. Sie ist deshalb durch das Güterkraftverkehrsgesetz vom 17. Oktober 1952 fortgefallen. Zum Ausgleich dafür hat das Güterkraftverkehrsgesetz den Bundesminister für Verkehr ermächtigt, in grenznahen Gebieten vom System des 50-km-Umkreises abzugehen und die Nahzone durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats anderweitig festzusetzen. Der Herr Kollege Rademacher zieht aus dem Text des § 2 Abs. 4 den Schluß, daß die Worte „durch Rechtsverordnung" hier bedeuten, daß der Bundesrat nicht zu befragen sei. Ich muß ihn aber auf das Grundgesetz verweisen. Danach muß beim Erlaß der Rechtsverordnung auf Grund der Ermächtigung dieses Gesetzes der Bundesrat selbstverständlich eingeschaltet werden, zumal es sich um ein Zustimmungsgesetz handelt.
Der 1. Bundestag hat es bei der Verabschiedung dieses Gesetzes ausdrücklich abgelehnt, die Kannvorschrift dieser Ermächtigung in eine Sollvorschrift umzuwandeln. Damit ist festgelegt, daß es sich um eine Ausnahme handelt, von der nur sparsam Gebrauch gemacht werden sollte.
Ich darf mich nun der Beantwortung der drei gestellten Fragen zuwenden und zu Frage 1 folgendes bemerken:
Nachdem das Güterkraftverkehrsgesetz Ende 1952 in Kraft getreten ist, haben im Laufe des Frühjahrs 1953 die Länder Bayern, Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein Ausnahmeregelungen für ihre Grenzgebiete beantragt. Nach Vorliegen der Anträge sind verschiedene Möglichkeiten für die technische Durchführung einer Ausnahmeregelung untersucht und den obersten Verkehrsbehörden der Länder in einer Sondersitzung im August 1953 Vorschläge des Bundesministers für Verkehr unterbreitet worden, die ausführlich erörtert worden sind. Bei dieser Besprechung hat die Mehrzahl der Ländervertreter jedoch grundsätzliche Bedenken gegen jede Erweiterung der Nahzone geltend gemacht. Es hat sich gezeigt, daß die Mehrzahl der Länder der Auffassung zuneigte, lieber jede Ausnahmeregelung abzulehnen, als für bestimmte, besonders betroffene Gebiete wie etwa die Zonenrandgebiete eine Ausnahmeregelung zuzulassen, wie sie von den genannten vier Ländern beantragt worden war. Die Vertreter der Länder, die keine Anträge gestellt hatten, haben ausdrücklich betont, daß sie gleichfalls Ausnahmeregelungen für ihre Grenzgebiete in Anspruch nehmen müßten, falls in anderen Ländern die Nahzone entlang der Grenze erweitert werden sollte.
Unter diesen Umständen erschien es aussichtslos, für eine Rechtsverordnung im Sinne der voneinander abweichenden Anträge der Länder Bayern, Niedersachsen, Hessen und Schleswig-Holstein die Zustimmung des Bundesrats zu erhalten. Dieser Weg ist deshalb zunächst nicht weiter verfolgt worden, da nach der Neubildung der Bundesregierung die Frage einer grundsätzlichen Regelung der verkehrspolitischen Gesamtprobleme die Möglichkeit geboten hat, auch die Ausnahmeregelung im Sinne des § 2 Abs. 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes abschließend zu ordnen.
Zu Frage 2: Der Bundesminister für Verkehr hat daher beabsichtigt, diese Frage bei Behandlung des Entwurfes des Straßenentlastungsgesetzes im Bundesrat erneut zur Erörterung zu stellen. Dies ist geschehen. Der Bundesrat hat am 7. Mai 1954 vorgeschlagen, in das Straßenentlastungsgesetz eine Bestimmung aufzunehmen, durch die die obersten Landesverkehrsbehörden ermächtigt werden, für die anerkannten Zonenrandgebiete der Bundesrepublik und für die Saarrandzone eine Erweiterung der Nahzone zuzulassen. Der Vorschlag sieht vor, daß Unternehmen, die in diesen beiden Bereichen bereits am 1. April 1954 ihren Sitz hatten, für ihre Fahrzeuge angenommene Standorte erhalten können, die bis zu 40 km von der Grenze und von dem Sitz des Unternehmens entfernt liegen dürfen. Diesem Vorschlag des Bundesrats ist die Bundesregierung mit der Abänderung beigetreten, daß die Randzone des Saargebiets, in der Unternehmen für ihre Fahrzeuge einen angenommenen Standort erhalten können, nicht 40 km, sondern nur 20 km breit ist. Wird diese Regelung Gesetz, so wird in der ganzen Länge des Bundesgebiets von Flensburg bis Passau ein Streifen von 90 km Tiefe gebildet, in dem diese besondere Nahzonenbegrenzung gilt. Der Streifen gleichen Rechtszustandes entlang des Saargebiets wäre 70 km tief.
Eine Ausdehnung der Nahzonen auch an der Nord-, West- und Südgrenze in ähnlicher Weise wird nach der Auffassung der Bundesregierung praktisch einer allgemeinen Erweiterung der Nahzone sehr nahekommen. Es bleibt dann nur noch in der Mitte der Bundesrepublik ein schmaler Streifen übrig, der von der Erweiterung der Nahzone nicht betroffen wird. Damit werden die Grundlagen angegriffen, auf denen seit 20 Jahren die Ordnung im Straßengüterverkehr aufgebaut wird, da die Erweiterung der Nahzone stets auf Kosten des Nachbargebiets, in das hinein die Nahzone erweitert wird, erfolgt. Es liegen deshalb aus diesen Nachbargebieten bereits Proteste vor, die um so berechtigter sind, wenn diese Gebiete selbst mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, wie z. B. in Schleswig-Holstein.
Man darf auch nicht vergessen, daß die in einer Grenzzone liegenden Unternehmen wohl einen geringeren Raum für ihre Tätigkeit zur Verfügung haben, daß ihnen aber andererseits aus dem Raum, den sie wegen der Grenze nicht befahren können, auch innerhalb der Nahverkehrszone keine Konkurrenz gemacht werden kann. Jede Erweiterung der Nahzone verschiebt aber vor allem das Verhältnis zwischen dem Güterverkehr auf der Straße und der Eisenbahn und führt zu einer weiteren Abwanderung von Ladegut von der Eisenbahn auf die Straße, die unter den jetzigen Verhältnissen gegenüber der Eisenbahn allein schon durch die in der Nahzone nicht erhobene Beförderungsteuer sowohl im gewerblichen wie im Werkverkehr überlegen ist. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, daß mit Einfügung der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung in den Entwurf des Straßenentlastungsgesetzes der alte § 2 Abs. 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes in Fortfall kommen sollte.
Zu Frage 3. Mit Rücksicht auf die Entscheidung des Bundesrats zum Straßenentlastungsgesetz wird


(Bundesminister Dr. Seebohm)

von dem Einbringen einer entsprechenden Rechtsverordnung im Bundesrat zweckmäßigerweise so lange abzusehen sein, bis der Bundestag über das Straßenentlastungsgesetz entschieden hat.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0203800500
Die Große Anfrage ist beantwortet. Soll in eine Besprechung eingetreten werden?

(Zurufe von der SPD: Nein!)

Wünscht niemand die Besprechung? — Dann ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 573);
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs durch Entlastung der Straßen (Straßenentlastungsgesetz) (Drucksache 574);
c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller-Hermann, Donhauser und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr (Drucksache 611);
d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller-Hermann, Donhauser und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 612);
e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller-Hermann, Donhauser und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrswege (Drucksache 613);
f) Erste Beratung des von den Abgeordneten Müller-Hermann, Donhauser und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache Nr. 614);
g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Müller-Hermann, Donhauser und Genossen betreffend Koordinierung der Verkehrsträger (Drucksache 615);
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Müller-Hermann, Donhauser und Genossen betreffend Maßnahmen im Verkehrswesen (Drucksache 616).
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.

Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0203800600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 31. März 1954 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 und den Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes angenommen. Der Bundesrat hat am 7. Mai beide Gesetzentwürfe mit geringen Änderungsvorschlägen gebilligt. Diese beiden Gesetzentwürfe werden heute in erster Lesung beraten. Außerdem hat die Bundesregierung am 1. Juni den Entwurf eines Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande, das sogenannte Personenbeförderungsgesetz, angenommen. Auch ihm hat der Bundesrat am 2. Juli mit Änderungen zugestimmt, durch die allerdings der verkehrspolitische Kern des Entwurfes nicht betroffen wird.
Das ist aber durchaus nicht alles, denn diese drei Gesetze sind nur Bausteine, wenn auch wichtige, eines Gesamtplanes, der für unser Verkehrswesen nicht nur Ordnung schaffen, sondern ihm auch eine feste Grundlage für seine zukünftige Entfaltung gewährleisten soll. Das Bundeskabinett hat neben diesen Gesetzentwürfen weitere verkehrspolitische Vorschläge gebilligt, die folgenden Zwecken dienen:
1. der Hebung der Verkehrssicherheit auf den Straßen;
2. der harmonischen Aufgabenteilung zwischen Schiene, Straße und Binnenschiffahrt;
3. der Gesundung der Deutschen Bundesbahn;
4. der Zusammenarbeit zwischen Bundesbahn und Bundespost im Kleingut- und Kraftlinienverkehr;
5. der Sicherung der Wirtschaftlichkeit des gewerblichen Güterkraftverkehrs und insbesondere seiner mittelständischen Existenzen.
Nur wenn man die vorgelegten Gesetzentwürfe in Zusammenhang mit diesen Beschlüssen der Bundesregierung prüft, kann man zu einem abschließenden Urteil gelangen. Man wird sie deshalb nicht isoliert betrachten dürfen.
Bei der Vorbereitung des verkehrspolitischen Gesamtplans sind Sachverständige der Wissenschaft, der gewerblichen Wirtschaft, der Landwirtschaft und des Verkehrswesens gehört worden. Mit dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn, den Verbänden der Binnenschiffahrt, der Verkehrsbetriebe und des gewerblichen Kraftverkehrs, mit den Spitzenorganisationen der Wirtschaft, der Gemeinden und Gemeindeverbände ist der Gedankenaustausch nie abgerissen. Die Bundesregierung erkennt die Hilfe der Sachverständigen dankbar an. Zwar haben sich nicht alle auf einen gemeinsamen, umfassenden Plan einigen können, der den drei Inlands-Verkehrsträgern gleichmäßig gerecht wird. Ihre Anregungen haben aber dazu beigetragen, die Arbeit des Kabinetts zu unterstützen. Die Beratungen innerhalb der Bundesregierung und mit den Sachverständigen sind über eine Reihe von Monaten intensiv geführt worden. Die Bundesregierung hat sich dabei bemüht, das Wohl des gesamten Volkes und nicht die Interessen einzelner Gruppen ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Dabei hat sie vor allem an die Fußgänger gedacht, diese „Normalverbraucher" des Verkehrs, und an die Kinder. Sie hat die bäuerliche Bevölkerung ebensowenig vergessen wie die Radfahrer. Sie hat an den Mittelstand im Straßenverkehr und in der Binnenschifffahrt gedacht, an die Hunderttausende von Menschen, die bei unseren Eisenbahnen, auf der Straße und auf der Wasserstraße in harter, verantwortungsvoller Arbeit stehen, und an die vielen Unternehmen und Arbeiter der Industrie, des Handels und des Handwerks, die für die drei Inlands-Verkehrsträger arbeiten. Sie hat an die verladende Wirtschaft gedacht, an die Verbindungen zur Seeschiffahrt und Luftfahrt. Sie hat vor allem an alle die Menschen gedacht, die täglich den vielfältigen Gefahren des Verkehrs ausgesetzt sind. Für sie steht im Mittelpunkt des Verkehrs die Sorge um Leben und Gesundheit der Menschen. Es sind viele Grundsätze ins Treffen geführt worden. Die Bundesregierung hat sich aber vor allem an die Tatsachen gehalten, die ein rasches, durchgreifendes Handeln erzwingen. Die Tatsachen sind unsere Freunde gewesen. Sie werden, davon bin ich überzeugt, auch die Freunde des Bundestages bei seinen verantwortungsbewußten Beschlüssen sein, zu denen er jetzt aufgerufen wird.
Die verkehrswirtschaftliche Lage bestimmen gegenwärtig folgende Tatsachen:


(Bundesminister Dr. Seebohm)

Einmal die hohe Leistung der Verkehrsträger auf der Schiene, der Straße und der Wasserstraße. Sie sichern uns eine ausreichende Verkehrsbedienung.
Zum anderen die beträchtlichen Verzerrungen und Spannungen innerhalb des Verkehrswesens.
Die Leistungen der binnenländischen Verkehrsträger sind in den letzten Jahren beträchtlich gewachsen. Trotz der durch die Verhältnisse bedingten, leider viel zu geringen Mittel, die zur Verfügung standen, sind die schweren Kriegsschäden weitgehend behoben. Der wachsenden Nachfrage nach Verkehrsleistungen aller Art konnte stets entsprochen werden. Auch der Spitzenverkehr in den Herbstmonaten ist in jedem Jahr bewältigt worden.
Gleichzeitig aber hat sich die Struktur im binnenländischen Verkehrswesen beträchtlich verändert. Das hat zu erheblichen Disproportionen, zu Spannungen geführt, einmal zwischen dem schnell wachsenden Kraftverkehr und dem Straßenbau, ferner zwischen den gemeinwirtschaftlichen Lasten der Bundesbahn und ihren Betriebseinnahmen, endlich zwischen dem Eigenverkehr der Firmen in Handel und Produktion, dem sogenannten Werkverkehr, und den öffentlichen und den privaten Verkehrsunternehmen.
Der Wettbewerb zwischen Schiene und Straße ist immer härter, schließlich ruinös geworden. Bundesbahn und Binnenschiffahrt hingegen haben gut zusammengearbeitet.
Wenn es nicht gelingt, diese Spannungen zu beseitigen, sind sehr bald ernste Rückwirkungen auf die reibungslos laufende Verkehrsbedienung der Wirtschaft und der Bevölkerung zu befürchten. Ich denke dabei vor allem an die Rand- und Grenzgebiete und an den Sozialverkehr.
Die Disproportionen im Verkehrswesen sind nicht marktwirtschaftlich entstanden. Sie können daher auch nicht mit sogenannten marktkonformen Mitteln beseitigt werden. Die Verkehrspolitik muß hier eigene Wege suchen. Sie muß die strukturellen Verzerrungen zu beseitigen suchen, um wieder gesunde Relationen zu schaffen.
In der öffentlichen Debatte ist dieser komplexe Tatbestand viel zu sehr vereinfacht worden. Man hat von einer „kranken" Bundesbahn gesprochen und ihr den „gesunden" Straßenverkehr gegenübergestellt. Man hat unterstellt, die Bundesregierung wolle nur das Defizit der Bundesbahn beseitigen und die neuen Verkehrsgesetzentwürfe dienten allein diesem Zweck. Das ist falsch. Alle Vereinfachungen dieser und ähnlicher Art sind abwegig. Stets ist es das oberste Anliegen der Bundesregierung gewesen, die Bundesbahn, den Straßenverkehr und die Binnenschiffahrt als gleichermaßen unentbehrlich für unser Volk und unsere Wirtschaft anzusehen und zu würdigen. Ihr zu unterstellen, sie wolle das Rad der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung zurückdrehen und etwa den Schienenverkehr dort verordnen, wo der moderne Omnibus oder der leistungsfähige Lastkraftwagen wirklich nötig sind, ist widersinnig.
Aus dieser skizzierten verkehrswirtschaftlichen Problematik, aus ihren zwingenden Notwendigkeiten sind die Beschlüsse der Bundesregierung erwachsen. Diesen Gesamtplan möchte ich mir erlauben kurz darzulegen.
Im Straßenbau und im Straßenverkehr steht, wie es in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 20. Oktober 1953 heißt, „vor allen wirtschaftlichen Erwägungen die Frage der Sicherheit für den Menschen in dem ständig wachsenden Verkehr". Auf diesen Gebieten ist der Bund im wesentlichen nur Gesetzgeber. Die Ausführung seiner Gesetze und Verordnungen, die Überwachung des Straßenverkehrs und damit der direkte Kampf mit den Unfallgefahren auf der Straße obliegt den Ländern. Die Zunahme der Verkehrsunfälle auf den deutschen Straßen hat viele Ursachen. Große Sorgen macht der Bundesregierung nach wie vor die mangelnde Disziplin der Verkehrsteilnehmer. Die meisten Unfälle wären wohl bei gewissenhafter Beachtung der geltenden Verkehrsvorschriften vermeidbar. Wie kann eine bessere Beachtung der Verkehrsvorschriften erreicht werden? Welche Sicherheitsvorkehrungen müssen zusätzlich noch getroffen werden?
Es haben, wie Sie wissen, zwei Straßenverkehrssicherheits-Konferenzen stattgefunden. Beide haben wichtige Entschließungen gefaßt, die heute an die Mitglieder des Hohen Hauses verteilt wurden, so daß ich auf Einzelheiten nicht einzugehen brauche. In enger Zusammenarbeit mit den zuständigen Bundes- und Länderressorts und den sonstigen zuständigen Stellen bin ich bemüht, die Ergebnisse auszuwerten. Auch darüber habe ich Ihnen Material heute vorlegen lassen. Sie werden daraus ersehen, daß unser Sicherheitsprogramm umfangreich und vielseitig ist. Die Straßenverkehrssicherheits-Konferenzen sollen in angemessenen Zeitabständen wiederholt werden. Von den Ländern und von der Justiz wird es abhängen, ob sich die Fahrdisziplin auf den deutschen Straßen bessert und die erlassenen Sicherheitsvorschriften gewissenhaft beachtet werden.
Nicht weniger wichtig für das Anschwellen der Unfallzahlen ist die wachsende Straßenbelastung, die Verkehrsdichte auf unseren Straßen. Die Straßenbelastung können wir leider noch nicht statistisch so exakt erfassen, wie wir es uns wünschen. Wir berechnen wohl die Zahl der Fahrzeuge je Kilometer klassizifierter Straßen, das sind die Bundesautobahnen, die Bundesstraßen und die Landstraßen I. und II. Ordnung. Daraus ergibt sich aber nur eine ungefähre Vorstellung von der Straßenbelastung und der Verkehrsdichte, denn die ständig steigenden Fahrleistungen der Kraftfahrzeuge, bezogen auf die Zeiteinheit, sei es nun Tag, Monat oder Jahr, werden dabei nicht berücksichtigt. Die Belastung der Straßen ist im Vergleich zu früher heute wesentlich stärker, als etwa aus dem Vergleich des Fahrzeugbestandes mit der Länge der Straßen in den vergangenen Jahren hervorgeht. Unter diesem Vorbehalt möchte ich folgende Zahlenreihen nennen:
Im Vorkriegsjahr 1938 entfielen auf je 1 km klassifizierter Straßen 14,6 Kraftfahrzeuge, 1950 waren es schon 17 Kraftfahrzeuge, 1953 28,4 Kraftfahrzeuge, und im Sommer dieses Jahres werden wir mehr als 32 erreichen.
Es handelt sich dabei um Kraftfahrzeuge, die sich im Betrieb befinden. Die ausländischen Kraftfahrzeuge sind dabei nicht berücksichtigt, da sie nur vorübergehend unsere Straßen befahren. Vergleichen Sie bitte damit die Zahlen der Unfalltoten und Verletzten im Straßenverkehr: Sie betrugen im Jahre 1938 12,7 Tote und 296 Verletzte täglich, 1950 war diese Zahl auf 17,6 Tote und 418,6 Verletzte gestiegen, im Jahre 1953 betrug diese Tagesquote leider 30,4 Tote und 827,5 Verletzte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ab 1953 die Erhebungs-


(Bundesminister Dr. Seebohm)

methode dem internationalen Verfahren angepaßt wurde: Die innerhalb von 30 Tagen nach dem Unfall an den Unfallfolgen Verstorbenen werden zu den Unfalltoten hinzugezählt. In diesem Jahr wird diese bedrückende Zahl einer neuen Menschheitsplage weiter hinaufschnellen. Unser Straßennetz ist, vor allem in seinen Hauptlinien — und auf diese Hauptlinien als Flaschenhälse kommt es an — dem schnell anwachsenden Kraftverkehr nicht mehr gewachsen. Großbritannien z. B. hat bei etwa gleicher Bevölkerungszahl wie die Bundesrepublik einen größeren Kraftfahrzeugbestand. Die Zahl der im Straßenverkehr 1953 Getöteten beträgt jedoch in Großbritannien nur 5090, in der Bundesrepublik hingegen 10 954, also mehr als das Doppelte. Darin prägt sich nicht etwa ein besseres Straßensystem aus — die Straßen in Großbritannien haben zwar eine gute Decke, sind aber schmal und folgen den Geländewellen; Autobahnen gibt es in Großbritannien nicht und große Kraftfahrzeugdurchgangsstraßen auch nicht —, sondern es prägt sich hier eine höhere Disziplin und eine wesentlich niedrigere Benutzungsdauer je Fahrzeug aus.
Man hört oft, die Bundesrepublik sei in der Motorisierung hinter anderen Ländern zurückgeblieben. Als Beweis dafür wird die Tatsache angeführt, daß die Zahl der Kraftfahrzeuge auf je 1000 Einwohner in der Bundesrepublik erheblich unter der Vergleichszahl anderer Länder liege. Man vergißt dabei, daß die Einwohnerzahl in der Bundesrepublik im Vergleich zu ihrer Fläche außerordentlich hoch ist. Der Vergleich, die Zahl der Kraftfahrzeuge auf je 1000 Einwohner zu rechnen, sagt deswegen nichts über die Verkehrsdichte und über die Straßenbelastung aus. Vergleicht man dagegen die Zahl der Kraftfahrzeuge mit dem Quadratkilometer Fläche — und man bemißt ja auch die Bevölkerungsdichte nach der Zahl der auf 1 qkm Fläche lebenden Menschen —, so ergibt sich folgendes Bild: Auf 1 qkm Fläche entfielen 1952 in der Bundesrepublik 12,1 Kraftfahrzeuge aller Art, in Frankreich nur 4,7 und in den Vereinigten Staaten 6,6. Nun ist bekanntlich in der Bundesrepublik der Anteil der Motorräder besonders groß. Aber auch wenn man nur die Lastkraftwagen nimmt, zählt unser Land mit 2,0 Lastkraftwagen je qkm mehr als Frankreich mit 1,7 und die USA mit 1,1. Das Land Nordrhein-Westfalen z. B. hat, bezogen auf seine Gesamtfläche, weitaus die größte Anzahl an Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Motorrädern, nämlich 22,5 je qkm. Selbst ein so dicht besiedeltes Land wie Belgien weist nur 20,5 Fahrzeuge dieser drei Kategorien auf.
Aus diesen Zahlen wird das Mißverhältnis zwischen Straßenkapazität und Kraftverkehr noch nicht einmal in seinem ganzen Ausmaß erkennbar. Denn auch der bauliche Zustand unseres Straßennetzes ist dem schnell wachsenden Verkehr und insbesondere den Fahrzeugen mit hohem Gesamtgewicht nicht mehr gewachsen. Von den Bundesstraßen, die neben den Autobahnen die Hauptlast des Fernverkehrs tragen, haben noch 77,4 % leichte, mittelschwere und kopfsteingepflasterte Decken. Schwere Decken besitzen also nur 22,6 % aller Bundesstraßen. Nur 19,3 % der Bundesstraßen sind mehr als 61/2 m und nur 7,4 % mehr als 71/2 m breit, haben also das Ausmaß der sogenannten Europastraßen. Bei den Landstraßen I. und II. Ordnung, für deren Erhaltung und Ausbau die Länder zuständig sind — und ihre Ausdehnung beträgt weit über 100 000 km, zu denen noch über 100 000 km
Gemeinde- und Stadtstraßen kommen —, liegen die Verhältnisse noch ungünstiger.
Dieses bedrohliche Mißverhältnis zwischen Kraftverkehr und Straßennetz zwingt zu einer großzügigen Förderung des Straßenbaues. Das ist aber in erster Linie eine Finanzierungsaufgabe. Sie ist von außerordentlichem Ausmaß. Bei einem nicht zu schwierigen Gelände betragen die Baukosten einer zweibahnigen Autobahn je km 2 Millionen DM, bei den übrigen Bundesstraßen je nach den Geländeschwierigkeiten je Kilometer 300 000 bis 600 000 DM, bei schwierigem Gelände noch mehr. Wir stehen also vor einer gewaltigen Investitionsaufgabe, falls wir unser Straßennetz so ausbauen wollen, daß die Verkehrsdichte etwa der der Vorkriegszeit wieder entspricht.
Die Bundesregierung hat die Möglichkeiten, wie die Mittel aufgebracht werden können, sehr sorgfältig geprüft. Der Bundeshaushalt kann keine höheren Beiträge leisten. Der Aufnahme von Anleihen auf dem Kapitalmarkt sind sicher verhältnismäßig enge Grenzen gesetzt. Es muß bezweifelt werden, daß der Kapitalmarkt Jahr für Jahr größere langfristige Anleihen mit entsprechendem Zinssatz für den Straßenbau hergeben kann, insbesondere wenn für diese Anleihen keine Vorzugs-, sondern nur Normalkonditionen gewährt werden können, wie dies ja jetzt wiederholt öffentlich gefordert worden ist. Ich erinnere dabei an die Anforderungen, die Wirtschaft, Wohnungsbau und Schiffbau an den Kapitalmarkt stellen, insbesondere an die dringenden Investitionen für die Wasserversorgung und die Abwässerbeseitigung, die allein mehrere Milliarden DM in den nächsten Jahren erfordern werden, usw. Wir können den Kapitalmarkt also nur in begrenztem Umfange für den Straßenbau in Anspruch nehmen. Wer diese nüchternen Tatsachen übersieht, gibt sich Illusionen hin.
Daher muß zur Finanzierung der motorisierte Straßenverkehr stärker herangezogen werden. Diesem Zweck dient das Verkehrsfinanzgesetz. Selbstverständlich setzen auch hier die Tatsachen unseren Wünschen enge Grenzen. Kraftfahrzeugsteuer und Mineralölsteuer, die beiden Sondersteuern für den Kraftverkehr, sollen angehoben werden. Die Drucksache mit den Steuersätzen liegt Ihnen vor. Bei vorsichtiger Schätzung erwarten wir aus der Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer ein Mehraufkommen von 60 Millionen DM, da ja gleichzeitig eine Verminderung der Steuer für die Personenkraftwagen vorgesehen ist. Dieses Mehraufkommen von 60 Millionen DM fließt den Ländern für ihren Straßenbau zu. Aus der Erhöhung der Mineralölsteuer wird ein Mehraufkommen von etwa 160 Millionen DM erwartet, das dem Bund zur Verfügung steht. Ich bemerke, daß die Mineralöizölle nicht als Sondersteuer für den Kraftverkehr gelten können und daß bei einer Erhöhung der Mineralölsteuer auch Verbraucher zur vermehrten Steuerleistung mit herangezogen werden, die nicht zum Kraftverkehr gehören. Nach Abschnitt IV des Regierungsentwurfs soll eine Finanzierungsgesellschaft für den Autobahnbau gegründet werden. Diese Finanzierungsgesellschaft soll mindestens 80 Millionen DM vom Bund erhalten und außerdem berechtigt sein, Schuldverpflichtungen einzugehen. Der Herr Bundesminister der Finanzen soll ermächtigt werden, für diese Schuldverpflichtungen Bürgschaften bis zum Betrage von 500 Millionen DM zu übernehmen. Die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes


(Bundesminister Dr. Seebohm)

für diese Zwecke hält sich also in den gebotenen Grenzen; so kann mit Sicherheit angenommen werden, daß die hierfür erforderlichen Beträge auch aufgebracht werden können.
Zur Finanzierung des Autobahnbaues können weiter die im Gesetzentwurf vorgesehenen Gebühren für die Benutzung der Autobahnen oder ersatzweise Zahlungen des Herrn Bundesministers der Finanzen in Höhe geschätzter Gebühreneinnahmen verwandt werden. Aus den dem Bund zufließenden Mitteln des Verkehrsfinanzgesetzes sind ferner weitere 20 Millionen DM zusätzlich für den Ausbau der Bundesstraßen vorgesehen, für welche die bisher im Haushalt vorgesehenen Mittel keine Kürzung erfahren. Außerdem sollen weitere noch nicht zweckgebundene Mittel aus dem Verkehrsfinanzgesetz zur Verfügung gestellt werden. Der Bundesrat hat vorgeschlagen, hiervon für den Bau von Ortsumgehungsstraßen, Ortsdurchfahrten und für die Beseitigung von schienengleichen Übergängen weitere 20 Millionen DM bereitzustellen. Der Herr Bundesminister der Finanzen wird zum Verkehrsfinanzgesetz noch Näheres ausführen.
Die Anforderungen, welche der Regierungsentwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes an den Kraftverkehr stellt, können nicht als überhöht bezeichnet werden. Nur eine Steigerung des Straßenbaus sichert dem Kraftverkehr eine Zukunft. Alle Kraftfahrzeuge bilden als straßengebundene Verkehrsmittel mit dem gesamten Straßennetz zusammen eine Betriebseinheit. Dieser Zusammenhang wird in der Öffentlichkeit zu wenig gewürdigt. Die Bundesbahn trägt die Kosten für ihr gesamtes Schienennetz mit Bahnhöfen, Brücken, Stellwerken, Signalanlagen und Schranken selbst; sie sorgt dafür, daß Zahl und Gewicht ihrer Fahrzeuge mit der Aufnahmefähigkeit ihrer ortsfesten Anlagen, insbesondere ihrer Gleise, genau übereinstimmen. Dementsprechend muß sich auch der Straßenverkehr gefallen lassen, daß ihm der auf ihn entfallende Anteil an der Erhaltung, der Erneuerung und dem Ausbau des Straßennetzes und an den Kosten für die Verwaltung und die Verkehrspolizei in einer volkswirtschaftlichen Bilanz angerechnet werden. Auch müssen Zahl und Gewicht der Kraftfahrzeuge in einem vernünftigen Verhältnis zum Straßenzustand stehen. Es erscheint für die Zukunft nicht mehr vertretbar, daß etwa der Fußgänger oder der Radfahrer weiter dazu angehalten werden, z. B. auf dem Umweg über die Lohnsteuer oder andere Steuern, dem Kraftfahrer einen Teil der Wegekosten abzunehmen, also den motorisierten Verkehr zu subventionieren. Aber auch auf die verschiedenen Fahrzeugtypen muß die Belastung gerecht verteilt werden.
In der Öffentlichkeit sind die Meinungen geteilt, wie hoch die Wegekosten sind, die volkswirtschaftlich dem Kraftverkehr zugerechnet werden müssen. Zur Erarbeitung möglichst einwandfreier Unterlagen wurde, wie dem Hohen Haus bekannt ist, der Selbstkostenausschuß ins Leben gerufen. Die Arbeiten des Unterausschusses Straßenbaukosten im Selbstkostenauschuß werden aber erst nächstes Jahr brauchbare Ergebnisse erbringen. Deshalb wurde am 29. Juli 1953 nach längerer Vorbereitung der Wissenschaftliche Beirat bei dem Bundesminister für Verkehr beauftragt, sich über das Problem der Wegekosten gutachtlich zu äußern. Der Wissenschaftliche Beirat hat uns im April die erste Fassung seines Gutachtens zugestellt. Dieses Gutachten ist inzwischen mit verschiedenen Instanzen abgeglichen und wird in Kürze im Druck vorliegen und den Mitgliedern des Hohen Hauses zugeleitet werden. Bei der Würdigung dieses Gutachtens ist allerdings zu berücksichtigen, daß der Beirat vielfach auf Schätzungen angewiesen war, weil, wie gesagt, die exakten statistischen Unterlagen noch erarbeitet werden müssen. Es ist aber gelungen, die schwierige Problematik in diesem Gutachten grundsätzlich zu durchleuchten. Nach der Auffassung des Wissenschaftlichen Beirats setzen sich die Wegekosten bei einer volkswirtschaftlichen Vergleichsrechnung aus der Verzinsung des investierten Kapitals nach dem Jetztwert, aus den Aufwendungen für Erneuerung und Unterhaltung der Straßen und aus den Aufwendungen für Verkehrssicherheit, Planung und Verwaltung zusammen. Auf eine Amortisation des investierten Kapitals wird verzichtet. Die nach dieser Rechnung sich ergebenden Kosten erreichen nach den Ermittlungen des Wissenschaftlichen Beirats eine Höhe von erheblich mehr als 2 Milliarden DM im Jahr; davon sind nur etwa 1,3 Milliarden DM durch die bisherigen Sonderlasten des Straßenverkehrs, also durch die Einnahmen aus Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer, gedeckt. Rund 1 Milliarde DM jährlich bleiben bei dieser Rechnung ungedeckt. Die Berechnungsmethode des Wissenschaftlichen Beirats entspricht übrigens grundsätzlich auch den Überlegungen der Revisions- und Treuhand-A.G., die ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen mit der praktischen Ermittlung der Selbstkosten im Verkehrswesen auf der Grundlage der vom Selbstkosten-ausschuß erarbeiteten Systematik beauftragt habe. Die Einzelheiten des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats und seine Ergebnisse werden uns bei den Beratungen in den Ausschüssen sicher noch sehr beschäftigen.
Wie müßten nun die vom Kraftverkehr verursachten Wegekosten auf die einzelnen Fahrzeugtypen verteilt werden? Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Verkehr hat bestätigt, daß der Lastkraftwagen im Vergleich zu den Personenkraftwagen einen viel zu geringen Beitrag zu den Straßenbaukosten leistet. Die Lastkraftwagen sind seit Jahren in jeder Beziehung steuerlich begünstigt worden. Ich hatte eine Beschränkung dieser Begünstigung schon 1952 vorgeschlagen. Sie war auch in den Beschlüssen der Bundesregierung auf Grund der Kabinettsvorlagen vom April 1953 enthalten. Der erste Bundestag hat vor einem Jahr den ihm vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung der Kraftfahrzeugsteuer jedoch leider nicht mehr verabschieden können. Die Neuregelung ist inzwischen immer dringender geworden. Das sei an einigen Zahlen über die Belastung der einzelnen Fahrzeugtypen nachgewiesen. Es kommen, wie gesagt, als Sondersteuern, deren Ertrag auf die Wegekosten des Kraftfahrzeugs anrechenbar erscheinen, nur die Kraftfahrzeug- und die Mineralölsteuer in Betracht, dagegen nicht der Mineralölzoll, der ein allgemeiner Schutzzoll ist. An Kraftfahrzeug- und an Mineralölsteuer müssen nach den heute geltenden Steuersätzen je 100 BruttoTonnenkilometer — das ist die Grundlage, auf der diese Dinge zu berechnen sind — entrichten: ein Volkswagen 2,37 DM, ein Mercedes-Benz 170 S 2,29 DM, ein Opel-Kapitän 3,02 DM. Demgegenüber entrichten je 100 Brutto-Tonnenkilometer ein 8,5-t-Lastzug nur 37 Pfennige,

(Hört! Hört! bei der SPD)



(Bundesminister Dr. Seebohm)

ein 16-t-Lastzug nur 21 Pfennige und ein 30-t-Lastzug nur 18 Pfennige.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ein Volkswagen muß also, bezogen auf seine Beförderungsleistung, heute noch das 13fache eines 30-Tonners an Kraftfahrzeugsteuer und Mineralölsteuer zahlen. Dieser Zustand verlangt zwingend nach einem Ausgleich. Gerecht würde es sein, wenn die einzelnen Fahrzeugtypen jeweils d e n Anteil an den gesamten Wegekosten übernähmen, den sie tatsächlich verursachen. Der schwere Lastkraftwagen beansprucht die Straße, vor allem die Straßendecke, stärker als der Personenkraftwagen. Daher ist auch eine Progression in der Kraftfahrzeugsteuer erforderlich. Der Entwurf des Verkehrsfinanzgesetzes sieht deshalb für Fahrzeuge von mehr als 15 t Gesamtgewicht einen erhöhten Steuersatz für das 15 t übersteigende Gesamtgewicht vor. Die Belastung der Straße ergibt sich nicht nur aus dem Gewicht des Fahrzeuges, sondern ist eine Funktion aus Gesamtgewicht und Geschwindigkeit. Für die Straßenbeanspruchung ist es unerheblich, ob das Fahrzeug sich selbst antreibt oder gezogen wird. Daher muß der Anhänger, vom Standpunkt der von ihm verursachten Straßenabnutzung aus, nach den gleichen Grundsätzen zur Deckung der Wegekosten herangezogen werden wie der Lastkraftwagen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Allerdings wird durch das Verkehrsfinanzgesetz das Mißverhältnis in der Besteuerung der Personenkraftwagen und der Lastkraftwagen nur gemildert, aber nicht ausgeglichen. Die Bundesregierung glaubt mit Rücksicht auf den gewerblichen Mittelstand im Straßenverkehr ein weiteres Anziehen der Steuerschraube für Lastkraftwagen und Omnibusse über das im Entwurf des Verkehrsfinanzgesetzes vorgesehene Maß hinaus jetzt nicht vorschlagen zu sollen. Ein voller steuerlicher Ausgleich der Wegekosten im allgemeinen und im besonderen wird also durch das Gesetz nicht erreicht, ein Ergebnis, das insbesondere für die Besitzer der Personenkraftwagen und Motorräder wenig befriedigt, da ihre Abgaben weiterhin die Lastkraftwagen subventionieren werden.
Das Straßenbau-Programm der Bundesregierung, das im Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes festgelegt worden ist, ist, meine Damen und Herren, realistisch. Vielleicht wird es gerade deshalb vielfach als ungenügend bezeichnet. Es überfordert den Kapitalmarkt nicht und läßt auch die Belastung des Straßenverkehrs in steuerlicher Hinsicht in noch gerade erträglichen Grenzen. Es wird sich mit Sicherheit verwirklichen lassen. Das ist das Entscheidende. Die neuen Mittel aus dem Verkehrsfinanzgesetz für den Autobahnbau sollen in der Hauptsache für die Fertigstellung solcher Strecken verwandt werden, auf denen die Bauarbeiten bereits vor dem Kriege begonnen waren. Nach Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes und nach Freigabe der ersten Baumittel kann auf mehreren Autobahnteilstrecken mit den Bauarbeiten unverzüglich begonnen werden. Soweit in Abänderung früherer Entwürfe neue Teilstrecken zum Bau vorgesehen sind, sind auch hier die erforderlichen Vorarbeiten entsprechend gefördert, so daß selbst hier nach Freigabe der Mittel mit dem Bau begonnen werden kann. Dabei sollen die Mittel so angesetzt werden, daß möglichst bald fertige Teilstrecken dem Verkehr zur Verfügung gestellt werden können.
Der Bundesminister für Verkehr ist, wie Sie wissen, meine Damen und Herren, nur für die Bundesstraßen und Autobahnen zuständig. Nur für sie kann er im Einvernehmen mit den Ländern ein Bauprogramm aufstellen. Er hält jedoch die Pflege und den Ausbau der Landstraßen I. und II. Ordnung sowie auch der Gemeindestraßen für ebenso wichtig wie den Ausbau der Bundesstraßen und der Autobahnen.

(Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

Die Bedeutung, insbesondere der Landstraßen II. Ordnung, die den Landkreisen gehören, ist nach dem Kriege erheblich gewachsen. Die wirtschaftliche und soziale Struktur der Landkreise hat sich geändert — denken Sie allein an die Aufnahme so zahlreicher heimatvertriebener Menschen — und der Kraftverkehr auf dem Lande immer mehr entwickelt. Aber die Landkreise sind ebenso wie viele Gemeinden finanziell nicht stark genug, um die wachsenden Straßenbauaufgaben zu bewältigen. Da das gesamte Straßennetz eine verkehrswirtschaftliche Einheit bildet, erscheint es sehr notwendig, das gesamte Investitionsproblem im Straßenbau nach einem von allen Beteiligten gemeinsam aufgestellten übergeordneten Plan zu lösen.

(Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

Die Verhältnisse werden dazu früher oder später zwingen.
Mit den Mitteln, die nach der Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes zur Verfügung stehen, lassen sich leider nur 569 km Autobahnen bauen, nicht aber die 900 km, die vor allem von der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Autobahnen gefordert wurden. Um bis zu 900 km in dem gleichen Zeitraum zu bauen. müßten die Mineralölabgaben zusätzlich um 1 bis 2 Pf je Liter Kraftstoff erhöht werden. Daran ist nichts abzuhandeln oder abzustreichen. Höhere Kredite sind auf dem Kapitalmarkt schwerlich unterzubringen. Es hat daher keinen Zweck, Projekte zu schmieden, die praktisch gar nicht oder nur unter nicht zumutbaren Einschränkungen auf anderen Wirtschaftsgebieten durchführbar sind. Es ist gesagt worden, es müßten jährlich 21/2 Milliarden DM im Straßenbau investiert werden; dazu kommen dann noch fast 11/2 Milliarden für die Unterhaltung. Aber woher sollen wir Mittel dieses Ausmaßes nehmen? Hinzu kommt, daß der Straßenbau nicht nur Kapital, sondern auch Land verschlingt. Das wird leicht übersehen. Ein km neue Autobahn erfordert im Durchschnitt 5 ha Land. Das wiegt in einem so dicht bevölkerten Lande, wie es die Bundesrepublik ist, doppelt. Umgehungsstraßen vernichten oft Siedlungsland, Schrebergärten usw. 200 000 Heimatvertriebene und Sowjetzonen-Flüchtlinge bewerben sich um bäuerliche Siedlungen oder Kleinsiedlungen, sogenannte Nebenerwerbsstellen. Sehr hohe Summen geben wir jährlich aus, um neues Bauernland bereitzustellen, Ödland zu kultivieren oder Land dem Meer abzugewinnen. Mit dem vorhandenen Grund und Boden muß also — das dürfte wohl allen klar sein — sehr sparsam umgegangen werden. Wenn auf neu zu bauenden Straßen, die erhebliches Kapital und Hergabe von Land erfordern, nur Transporte durchgeführt werden, die praktisch ebensogut, manchmal sogar besser auf dem vorhandenen Schienennetz oder auf unseren Flüssen und Kanälen gefahren werden können, so ist das volkswirtschaftlich und auch sozial kaum zu verantworten. Schiene und Binnenwasserstraße sind keineswegs voll ausgenützt oder ausgelastet.


(Bundesminister Dr. Seebohm)

Ihre Mehrbelastung erfordert jedenfalls keine zusätzlichen Wegekosten und erfordert kein Land. Es handelt sich hier auch nicht allein um den Grund und Boden, der dem Gärtner, dem Bauern oder Kleinsiedler für den Straßenbau genommen wird oder nicht kultiviert werden kann. Durch den Bau neuer Straßen, insbesondere Autobahnen, werden vielfach Wirtschaftseinheiten zerschnitten, die Bestellung erschwert und die Restteile des Grundeigentums im Wert gemindert. Vertreter der Landwirtschaft und des davon betroffenen Mittelstandes haben mich mit Nachdruck auf diese Tatsachen hingewiesen. Ich möchte die Sorgen dieser Kreise deshalb nicht verschweigen.
Aber selbst wenn alle Möglichkeiten für den Straßenaus- und -neubau restlos ausgeschöpft werden, selbst wenn erheblich größere finanzielle Mittel eingesetzt werden könnten, kann nach Auffassung der Bundesregierung doch den schnell wachsenden Anforderungen des Kraftverkehrs im Laufe der nächsten Jahre nicht entsprochen werden. Die Kluft zwischen dem Geld, das für die Beschaffung von Transportgefäßen im Kraftverkehr ausgegeben wird, und dem Kapital, das für den Straßenbau nötig wäre, können wir nicht schließen. Die Investitionen im Kraftverkehr werden von privatwirtschaftlichen Überlegungen bestimmt; ihr Wachstumskoeffizient ist außerordentlich hoch, zumal die Kraftfahrzeuge in der Regel aus laufenden Einnahmen gekauft werden. In den Monaten April und Mai dieses Jahres sind fast 200 000 neue Kraftfahrzeuge zugelassen worden. Für die Investitionen der öffentlichen Hand im Straßenbau dagegen sind langfristige Mittel zu niedrigen Zinssätzen erforderlich. Im günstigsten Falle werden wir erreichen, daß die Kluft zwischen diesen beiden komplementären Investitionen nicht noch größer wird. Vorläufig verbreitert und vertieft sich diese Kluft von Monat zu Monat in einer beängstigenden Weise. In gleichem Maße sinkt die Verkehrssicherheit auf den Straßen. Die Unfallgefahren steigen durch die größere Verkehrsdichte, der der Zustand der Straßen immer weniger gewachsen ist. Das alles sind Tatsachen. An sie knüpft der Regierungsentwurf eines Straßenentlastungsgesetzes an. Niemand ist über die Notwendigkeit dieser Lösung glücklich. Aber noch hat sich keiner gefunden, der gezeigt hätte, wie wir sie vermeiden und doch eine Entlastung der Straße und — das unterstreiche ich besonders — zugleich eine Verminderung der uns alle belastenden Straßenkosten erreichen könnten. Solange das Straßennetz nicht dem motorisierten Verkehr angepaßt werden kann, solange es trotz aller Bemühungen nicht angepaßt sein wird, so lange muß versucht werden, den motorisierten Verkehr dem Straßennetz anzupassen. Das gilt insbesondere, solange der motorisierte Verkehr nur einen Bruchteil der auf ihn entfallenden Wegekosten aufbringt, wie dies ja auch nach Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes nicht anders sein wird. Von dieser Konsequenz befreien uns weder Verzögerungsversuche noch Finanzierungsausschüsse.
Der Regierungsentwurf des Straßenentlastungsgesetzes sieht in seinem Kernstück das Gebot vor, bestimmte Massengüter im Fernverkehr auf der Straße nicht mehr zu befördern. Durch eingehende Prüfung seiner Bestimmungen durch die zuständigen Ressorts ist ihre Vereinbarkeit mit Art. 12 des Grundgesetzes festgestellt worden, der das Recht der freien Berufswahl sichert.
Der Nahverkehr wird durch das Gesetz nicht berührt. Die Bundesregierung ist davon ausgegangen, daß beim Ferntransport von Massengütern die Schnelligkeit des Transports, der Faktor Zeit, im allgemeinen keine Rolle spielt oder durch rechtzeitige Dispositionen ausgeglichen werden kann. Die in die Verbotsliste aufgenommenen Güter vertragen meist auch ohne besondere Verpackung ein mehrmaliges Umladen, oder sie können in Behältern transportiert werden und daher ohne volkswirtschaftlichen Schaden von der überlasteten Straße genommen werden. Die Liste dieser Güter wird im einzelnen zu beraten sein. Bekanntlich bedient sich der Fernverkehr auf der Straße, zumal beim Transport bestimmter Massengüter, vorwiegend der schwersten Fahrzeuge mit der größten Ladefläche. Ein Fortfall der Transporte von Massengütern im Fernverkehr muß daher zu einer beträchtlichen Verringerung der Straßenbelastung mit schweren und großen Fahrzeugen führen.
Das ist von wesentlicher Bedeutung für die Verkehrssicherheit, ist von wesentlicher Bedeutung für die Erhaltung unserer Straßen und ist von wesentlicher Bedeutung für die aufzuwendenden Wegekosten. Bei allen Verwaltungen, die für die Straßen zu sorgen haben, gibt es darüber nur eine Meinung. Bund, Länder, Kreise und Gemeinden stemmen sich gegen den „Raubbau am Volksgut Straße". In kurzer Zeit sind Straßendecken in den letzten Jahren reparaturbedürftig geworden, die Jahrzehnte halten sollten und entsprechendes Kapital erfordert hatten.
Unter dem Zwang dieser Entwicklung hat sich die Bundesregierung, hat sich der Bundesrat zu dieser Vorlage entschlossen. Ich weise mit Nachdruck darauf hin, daß auch die Landkreise, die Eigentümer und Baulastträger der Landstraßen zweiter Ordnung, durch ihre berufenen Vertreter in einer Straßenentlastung dieser Art zur Zeit den einzigen Ausweg sehen. Ihnen haben sich Städtetag, Städtebund und Landgemeinden angeschlossen, die als Baulastträger unter den Straßenbaulasten zusammenzubrechen drohen und deshalb wichtigste andere Aufgaben, wie z. B. Schulbauten, zurückstellen müssen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Auch sie sind, wie die Bundesregierung, alarmiert durch das Ausmaß der Straßenabnutzung. Die meisten Straßendecken sind nicht für die starke Druck-und Sogwirkung der schweren Lastkraftwagen gebaut, besonders nachdem diese ihre Geschwindigkeit laufend gesteigert haben. Die Wirkung wird dadurch noch schlimmer, daß trotz Verbots viele Fahrzeuge noch immer beträchtlich überladen werden, so daß Federung und Reifen ihre Aufgaben gegenüber der Straßendecke nicht erfüllen können. Die Gesamtlänge der Bundesautobahnen beträgt rund 2200 km. Sie sind praktisch erst seit relativ kurzer Zeit vollbelastet in Betrieb. Trotzdem sind heute schon rund 1000 km Autobahn reparaturbedürftig.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Neben rückständiger Unterhaltung in den Kriegs-und ersten Nachkriegsjahren haben dazu gerade die schweren Lastzüge beigetragen. Die Reparaturkosten je Kilometer Autobahn betragen bis zu 300 000 DM. Für 1000 km stehen also Reparaturanforderungen in einer Höhe von 200 bis 300 Millionen DM an.
Nun sind, wie Sie wissen, die Autobahnen ja eigens für den Kraftverkehr gebaut, und man hat


(Bundesminister Dr. Seebohm)

seinerzeit geglaubt, Lastzüge bis zu 40 t bei Geschwindigkeiten bis zu 30-35 km ohne weiteres auf diesen Fahrbahnen fahren lassen zu können. Man hat aber nicht mit Lastzügen gerechnet, die 70 und 80 und noch mehr Stundenkilometer leisten. Wenn aber die Autobahnen bereits derart in Anspruch genommen werden, um wieviel größer müssen die Schäden bei den Landstraßen sein, die zum größten Teil noch leichte Fahrbahndecken haben, und um wieviel schneller werden die reparierten Strekken erneut zerstört! Um wieviel werden die Reparaturkosten steigen, wenn nicht durch Entlastung diesem Steigen der Kosten Einhalt geboten wird!
Am 23. April 1951 habe ich in Frankfurt vor der Automobilindustrie vor dieser Entwicklung mit allem Ernst gewarnt. Ich habe damals auf der ersten Automobilausstellung nach dem Kriege dazu aufgerufen, Maß zu halten, Beschränkung nach Typen und Zahlen gefordert, gefordert, die Geschwindigkeiten den Straßenverhältnissen anzupassen, habe den Schutz der Sicherheit des Lebens und des Gutes höher gestellt als die Gewerbefreiheit.

(Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

Ich sagte am Schluß dieser Rede:
Gehen Sie, meine Herren, aber einen anderen, einen ,egozentrischen . Weg, dann allerdings werden Sie durch staatliche Entscheidungen gezwungen werden, das für die Zukunft Richtige zu tun.
Das war am 23. April 1951. Für jeden Verkehrsträger, meine Damen und Herren, bleibt Über allem Freiheitsstreben das Gesetz gültig, das ihm durch das Optimum der Zahl, durch das Optimum der Größe und durch das Optimum der Geschwindigkeit der Verkehrsgefäße vorgeschrieben ist.
Wird der Verkehr mit schweren Lastkraftwagen eingeschränkt, so wird auch der Verkehrsfluß erleichtert und die Unfallgefahr vermindert. Das langsamste und größte Fahrzeug bestimmt die Aufnahmefähigkeit oder die Schluckfähigkeit einer Straße, für die die Gesetze der Strömungslehre entsprechend gelten. Um das langsame, große Fahrzeug entwickelt sich, besonders bei Steigungen, eine Traube; denn hinter jedem Fahrzeug dieser Art stauen sich die leichteren Kraftfahrzeuge. Das Überholen wird schwierig und gefährlich, um so gefährlicher, je länger der Überholungsvorgang dauert, je schneller also gefahren wird und je größer das zu überholende Fahrzeug ist. Bei der Auflösung einer Traube häufen sich diese Überholvorgänge auf wenigen Kilometern. Der prozentual größte Anteil an allen Straßenverkehrsunfällen ereignet sich bei solchen Überhol- und Ausweichvorgängen. So gibt in manchen Fällen der Lastkraftwagen mittelbar und ohne daß es von der Statistik erfaßt werden kann, Anlaß zu Unglücksfällen, meist zu schweren Unglücksfällen.
Es hat in der letzten Zeit nicht an Versuchen gefehlt, mit Hilfe von Zahlen zu beweisen, daß der Lastkraftwagen die wahre „Unschuld auf der Straße" sei. Dazu sagt aber die Statistik folgendes: 1953 waren 56 948 Lastkraftwagen mit Anhängern — also Lastzüge — an Verkehrsunfällen beteiligt, das sind 6,6 °/o aller an den Verkehrsunfällen beteiligten Kraftfahrzeuge. Dieser Prozentsatz erhöht sich aber bereits auf 9,3 °/o, wenn bei den unfallbeteiligten Kraftfahrzeugen die Kraftfahrzeuge der Besatzungsmacht abgezogen werden. Diese Subtraktion ist notwendig, weil uns wohl die Zahl der unfallbeteiligten Fahrzeuge der Besatzungsmacht bekannt ist, nicht aber der Fahrzeugbestand der Besatzungsmächte. An Unfällen beteiligt waren 1953 insgesamt 609 587 Fahrzeuge ausschließlich der Kraftfahrzeuge der Besatzungsmacht. Rechnet man die unfallbeteiligten Lastkraftwagen mit Anhänger, also die unfallbeteiligten Lastzüge, und die unfallbeteiligten Lastkraftwagen ohne Anhänger zusammen, so ergibt sich eine Zahl von 152 823 an Unfällen statistisch nachweisbar beteiligten Lastkraftwagen, und das sind 25,1 °/o der obengenannten Zahl von 609 587 an Unfällen überhaupt beteiligten Kraftfahrzeugen. Der Anteil der Lastkraftwagen am Gesamtbestand der im Verkehr befindlichen Kraftfahrzeuge — ohne die uns in ihrer Zahl nicht bekannten Besatzungsfahrzeuge — betrug demgegenüber am 1. Juli 1953 12,4 °/o, d. h. also beteiligt an Unfällen waren 25,1 °/o, beteiligt an der Gesamtzahl der vorhandenen Kraftfahrzeuge waren 12,4 °/o; der Faktor beträgt also fast 2. Bei diesem Vergleich sind jedoch die hohen Fahrleistungen der Lastkraftwagen nicht berücksichtigt. Selbst wenn jedoch die hohe jährliche Fahrleistung der Lastkraftwagen gegenüber den Personenkraftwagen berücksichtigt wird, bleibt nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamts die Unfallquote der Lastkraftwagen immer noch etwas höher als ihr Anteil an der gesamten Fahrleistung aller Kraftfahrzeuge.
Das bestätigt auch ein weiterer Zahlenvergleich. Im Jahre 1953 war von den im Verkehr befindlichen Fahrzeugen jeder 2,8te Lastkraftwagen, jeder 3,8 te Personenkraftwagen und jedes 9,6te Kraftrad an Unfällen beteiligt. Daß der Lastkraftwagen bei diesem Vergleich an der Spitze der unfallgefährlichen Kraftfahrzeuge steht, ist allein eine Folge seiner hohen Fahrleistung. Meine Damen und Herren, das sind statistisch erwiesene Tatsachen, an denen nicht achtlos vorbeigegangen werden darf. Wer sich nur die günstigsten Werte aus der Statistik fischt, lebt leicht an den Tatsachen vorbei.
Der Bundesregierung ist nun entgegengehalten worden, daß das Verbot des Ferntransports bestimmter Massengüter die vorhandenen schweren Fahrzeuge in den Nahverkehr abdrängen werde. Dadurch würden sich die Unfallgefahren in den geschlossenen Ortschaften noch weiter erhöhen. Eine merkwürdige Argumentation! Unser Autobahnnetz ist, wie Sie alle wissen, leider ein Torso. Transporte, die nur die Autobahn benutzen, sind selten. Deshalb rollt heute ein sehr großer Teil des Fernverkehrs über Bundesstraßen und Landstraßen, nicht nur über Autobahnen. Bundesstraßen und Landstraßen aber führen durch geschlossene Ortschaften. Ein Ferntransport über 200 oder 300 km Bundesstraßen und klassifizierte Landstraßen wird häufig 20, 30 und mehr geschlossene Ortschaften zu durchfahren haben. Umgehungsstraßen fehlen, wie Sie wissen, vielfach ebenso wie verkehrsgemäße Durchfahrtsstraßen. Welche Plage bilden diese Durchfahrten für die kleinen Orte! Man hört allenthalben darüber Klagen. Die Unfälle, die hier, besonders soweit Kinder betroffen werden, weit zahlreicher sind als in den größeren Städten, der betäubende Lärm, die gestörte Nachtruhe, die Erschütterung der Häuser und die dadurch verursachten Anliegerschäden, die Behinderung der landwirtschaftlichen Arbeiten usw. sind es, die die Menschen dort tatsächlich auf das ärgste beschweren.


(Bundesminister Dr. Seebohm)

Ich will Ihnen zu dieser Frage nur ein Beispiel bringen. Im Hafen Emden löschte der Dampfer „Eliza Hübel" 7616 t Getreide. Davon wurden 4939 t in Partien zu 15 t durch Lastkraftwagen abgefahren, und zwar bis nach Hessen und nach Bayern. Die Bestimmungsorte der Lastkraftwagen sind uns bekannt. Wir haben die Reiseroute der Fahrzeuge auf der Karte verfolgt. Selbst bei weitgehender Autobahnbenutzung ergab sich, daß insgesamt 17 208 Ortschaften durchfahren werden mußten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Werden auch die Anfahrten nach Emden — zum Teil leer, zum Teil beladen — berücksichtigt, verdoppelt sich diese Zahl: es waren also 30- bis 35 000 Ortsdurchfahrten mit schweren Lastkraftwagen notwendig, um ganze 4939 t Getreide von Emden mit Lastkraftwagen abzufahren.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Kann wohl augenfälliger gezeigt werden, wie durch das Verbot des Ferntransports bestimmter Güter auf der Straße gerade der Ortsverkehr entlastet und die Unfallgefahr in den Gemeinden vermindert wird?
Sollten schwere Fahrzeuge, die im Fernverkehr mit Massengütern nicht mehr eingesetzt werden können, in den Nahverkehr hinüberwechseln, so wird der Nahverkehr dadurch keineswegs verstärkt. Der Transportraumbedarf in einer Nahverkehrszone hängt doch im wesentlichen von dem Umfang der Produktion und dem Bedarf der Bevölkerung in diesem Gebiet ab, also vom Anfall an Transportgut und nicht von dem Angebot an Lastfahrzeugen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Werden Fernverkehrsfahrzeuge für den Nahverkehr frei, so kann es vielleicht zu Umschichtungen bei den Verkehrsbetrieben kommen, die wir im Interesse des gewerblichen Nahverkehrs sorgfältig zu beobachten haben werden. Nie aber können derartige Verlagerungen zu vermehrten Transporten in einer Ortschaft oder ihrer Umgebung, also in einer Nahverkehrszone führen. Auch der heutige Ferntransport von Gütern, der über die Straße erfolgt, endet in einer Nahverkehrsstrecke. Sie wird im allgemeinen sogar länger sein als jene Strecke, die das zu befördernde Gut zwischen Bahnhof oder Hafen und endgültigem Bestimmungsort bei einem Fernverkehr, der mit Bahn oder Schiff erfolgt, im Lastkraftwagen zurückzulegen hat. Durch vermehrte Ausnützung der vorhandenen Anschluß-gleise wird sicherlich sogar eine gewisse Verminderung der Belastung im Nahverkehr eintreten.
Ein Verbot des Ferntransports bestimmter Massengüter kann also nicht zu vermehrtem Nahverkehr führen, kann nicht die Unfallgefahr in den Ortschaften erhöhen, sondern wird im Gegenteil Städte und Landgemeinden von den Durchfahrten des Fernverkehrs erheblich entlasten und daher zur Sicherheit auf der Straße wesentlich beitragen.
Zudem — ich darf es nochmals unterstreichen — wird ein erheblicher Teil des Verkehrs sich künftig wieder der Anschlußgleise des altbewährten Haus-Haus-Verkehrs der Deutschen Bundesbahn bedienen, im Straßenverkehr also völlig ausfallen. Ich denke dabei insbesondere an das Ruhrgebiet, für das eine Entlastung der Straßen allmählich zu einer Lebensfrage wird.
Der Bundesregierung sind nun einige bemerkenswerte Vorschläge gemacht worden, die sowohl der Schonung der Straßen als auch der Unfallverhütung dienen sollen. So wurde angeregt, bei den Lastzügen die Gesamtlänge von 20 m auf 18 m oder sogar auf 15 m und das Gesamtgewicht von 40 t auf 32 t oder noch weniger zu vermindern und die Achsdrucke auf 6 t herabzusetzen.
Der Landkreistag hat nachdrücklich das Verbot der Anhänger gefordert, denen wir, wie Sie wissen, auf den Straßen unserer Nachbarländer nur selten begegnen. Ich erinnere daran, daß eine ähnliche Anregung des inzwischen leider verstorbenen Abgeordneten von Rechenberg im 1. Bundestag erörtert und abgelehnt wurde.
Diese Vorschläge werden jetzt von uns im Einvernehmen mit den Nachbarländern sehr ernst geprüft. Es wird angestrebt, innerhalb Europas zu einheitlichen Maßen und Gewichten der Lastkraftwagen zu gelangen. Die Verhandlungen mit unseren Nachbarländern sind eingeleitet; wahrscheinlich werden sich die Maße und Gewichte dem vorgeschlagenen Rahmen für den internationalen Verkehr annähern. So hat z. B. Belgien, mit dessen Verkehrsminister ich kurz vorher noch eine Verhandlung hatte, durch Verordnung vom April 1954 das Höchstgewicht der Lastzüge auf insgesamt 28 t heruntergesetzt.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Die Frage steht auf der nächsten europäischen Verkehrsministerkonferenz, die für Oktober geplant ist, an.
Änderungen in den Abmessungen der Fahrzeuge brauchen aber leider Zeit für die Umstellung. Sie können uns daher keine schnelle und ausreichende Hilfe bringen. Der Kraftfahrzeugindustrie und den Kraftfahrzeugbesitzern muß eine angemessene Übergangszeit zugebilligt werden. Gefordert werden dafür fünf Jahre. Man kann dabei auch vom Sankt-Nimmerleins-Tag sprechen. Können wir so lange warten? Ich persönlich würde allerdings zwei Jahre für ausreichend halten. Aber auch so lange kann bei der ständigen Zunahme der Kraftfahrzeuge nicht gewartet werden. Allein deswegen kann also dieser Vorschlag das Straßenentlastungsgesetz nicht ersetzen. Auch würde auf diese Weise kaum erreicht, daß auch nur ein Fahrzeug weniger auf der Straße verkehrt. Es ist im Gegenteil sehr wohl möglich, daß die Beschränkung des Transportraumes des einzelnen Fahrzeuges oder Lastzuges, ohne daß gleichzeitig eine Beschränkung der Transportgutarten eintritt, sogar zu einer Vermehrung der Gesamtzahl der Fahrzeuge, vor allem im Werkverkehr führen würde.
übrigens gehört die Maßnahme auch in die Liste der Verbote. Meine Damen und Herren, sie ist ebenso dirigistischer Art wie die Mehrzahl der auf den Straßen geltenden Sicherheitsvorschriften wie z. B. die Festlegung von Einbahnstraßen, wie Überholverbote usw. All das stellt Verbote oder Gebote dar, ist also seiner Art nach grundsätzlich wohl nichts anderes als das Straßenentlastungsgesetz.
Ein anderer Vorschlag, für bestimmte Lastkraftwagen bei Gefällstrecken mit mehr als 5 % Neigung ein Überholverbot einzuführen, ist zum Teil schon geltendes Recht; denn nach § 10 Abs. 2 Satz 2 der Straßenverkehrs-Ordnung dürfen Lastkraftwagen und Lastzüge einander nur überholen, wenn die Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges wesentlich höher ist als die des zu überholenden Wagens. Der Vorschlag, ein Überholver-


(Bundesminister Dr. Seebohm)

bot für alle Lastkraftwagen einzuführen, bietet allerdings manche Vorteile und wird in meinem Hause sorgfältig geprüft. Dagegen spricht die dann vermehrt zu erwartende Kolonnenbildung mit ihren Gefahren für überholende Personenkraftwagen.
Ferner wurde angeregt, die Bundesstraßen, die nach Breite und Fahrbahndecke für Schwertransporte ungeeignet sind, für Lastkraftwagen von einem bestimmten Gesamtgewicht an zu sperren. Das muß jedoch den Verkehr auf andere Straßen abdrängen und wird dort, gerade in den „Flaschenhälsen", die Überlastung steigern und die Zahl der Unfälle hinauftreiben, würde auch manche Verkehrsbedienung, die wirtschaftlich notwendig ist, unmöglich machen oder sehr erschweren. Die Erfahrungen bei den notwendigen Straßensperren in der Tauperiode zur Verhinderung von Frostaufbrüchen, die doch nur ganz kurzfristig und in diesem Jahr zum erstenmal durchgeführt worden sind, belegen diese Erkenntnis.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203800700
Die Kontingentierung im gewerblichen Güterfernverkehr auf der Straße, insbesondere die allmähliche Verminderung der Zahl der Konzessionen, und zwar im Güterfernverkehr von 14 788 auf 11 850 Kraftfahrzeuge, davon 11 000 im Bundesgebiet, der Rest in Berlin, im Bezirksfernverkehr von ca. 6000 auf 4000 Kraftfahrzeuge, im Möbelfernverkehr auf 3635 Kraftfahrzeuge einschließlich Anhänger.
Zweitens erinnere ich Sie an das Verbot des zweiten und dritten Anhängers im Kraftwagenverkehr und an die Verminderung der Lastzuglängen auf 20 m. Wenn heute vielfach gesagt wird, das sei ja gar nicht wesentlich gewesen, so darf ich demgegenüber darauf hinweisen, welcher Kämpfe es bedurft hat, um in über dreijähriger Arbeit dieses Verbot des zweiten Anhängers durchzusetzen. Wie würden wohl unsere Straßen aussehen, wenn wir in gleichem Maße mit der Zunahme des Verkehrs heute Lastzüge von zwei und mehr Anhängern an Stelle der Lastzüge mit einem Anhänger und mit einer Länge von 26 m statt
20 m hätten?
Drittens darf ich erinnern an die Errichtung der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr zur Kontrolle des gewerblichen Güterfernverkehrs und erstmalig auch des Werkfernverkehrs durch Tarifkontrolle, Kontrolle der Beförderungssteuer, Ausmerzung des unechten Werkverkehrs, erstmalige Erarbeitung statistischer Unterlagen für weitere Maßnahmen.
Viertens erinnere ich an die Einführung eines Erlaubnisverfahrens im allgemeinen Güternahverkehr und eines Erlaubnis- und Genehmigungsverfahrens im Güterliniennahverkehr.
Fünftens darf ich verweisen auf zahlreiche weitere, in diesem Jahr eingefügte neue Einzelbestimmungen, die im Straßenverkehrssicherheitsgesetz, in der Straßenverkehrs- und der Straßenverkehrszulassungs-Ordnung enthalten sind und die aufzuzählen zu weit führen würde.
All das diente und dient gleichzeitig oder ausschließlich einer Begrenzung des Straßenverkehrs und damit der Entlastung der Straße. Der Bundesminister für Verkehr setzt also seine bisherige Arbeit auf diesem Gebiet mit dem Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes durchaus folgerichtig fort. Wahrscheinlich wäre es gut gewesen, die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen schon früher zu treffen. Das war in der ersten Legislaturperiode jedoch — ich erwähnte es bereits — leider nicht mehr möglich. Auch habe ich lange genug gehofft, es sei möglich, mit weniger einschneidenden Bestimmungen auszukommen. Jetzt kann ich nur die Hoffnung ausdrücken, daß diese Vorschläge ihren Zweck erfüllen. Aber das ist vor allem eine Frage möglichst baldigen und möglichst ungeschmälerten Inkrafttretens dieser Gesetze.
Den Inhalt des Straßenentlastungsgesetzes brauche ich im einzelnen nicht darzulegen. Ich verweise auf die Bundestagsdrucksache und die Begründung. Erwähnen möchte ich aber, daß der Gesetzentwurf zur Vermeidung von Schwierigkeiten eine Reihe von Ausnahmebestimmungen vorsieht, die ich aufzählen möchte, und zwar:
a) Kraftfahrzeuge des gewerblichen Straßenverkehrs in Berlin sollen im unmittelbaren Verkehr zwischen Berlin und dem Bundesgebiet von dem Beförderungsverbot unberührt bleiben.
b) Diejenigen Unternehmer des gewerblichen Güterfernverkehrs, die im Jahre 1953 mindestens zwei Drittel ihrer Frachteinnahmen aus dem Transport von Massengütern im Fernverkehr gezogen haben, sollen auf Antrag von dem Beförderungsverbot ausgenommen werden. Hierin liegt vor allem ein wirksamer Schutz für den gewerblichen Mittelstand im Güterfernverkehr.
c) Die Bundesregierung hat dem Vorschlag des Bundesrats zugestimmt, eine Sonderregelung für Fälle eines Verkehrsnotstandes im Gesetz vorzusehen. Die obersten Verkehrsbehörden der Länder sollen das Recht erhalten, bei Verkehrsnotständen befristete Ausnahmegenehmigungen für die Beförderung bestimmter Massengüter zu erteilen, längstens für die Dauer eines Jahres. Verkehrsnotstand ist nur dann gegeben, wenn die Verkehrsbedienung durch Eisenbahn oder Binnenschiffahrt nicht möglich oder vorübergehend verhindert ist. Ich erinnere Sie z. B. an die Verhältnisse im Oberharz oder im oberfränkischen Gebiet von Tettau oder an ähnlichen Stellen.
d) Eine Sonderregelung ist auf Vorschlag des Bundesrates auch in den Zonenrandgebieten und im Saarrandgebiet vorgesehen. Hier soll die Nahzone in begrenztem Umfang erweitert werden, um den dort am 1. April 1954 ansässigen Unternehmern einen Ausgleich für die Randlage ihrer Betriebe zu gewähren, die nicht auf einer natürlichen, sondern auf einer widernatürlichen Grenze beruht. Verkehrspolitisch ist diese Ausnahmeregelung gewiß nicht unbedenklich. Ich habe in Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP heute schon darauf hinweisen können. Die verkehrspolitischen Bedenken sind aber hinter den übergeordneten politischen Erfordernissen einer großzügigen Förderung der Zonenrandgebiete zurückgestellt worden, vor allem mit Rücksicht darauf, daß diese Sonder-


(Bundesminister Dr. Seebohm)

regelung in Wegfall kommt, wenn — hoffentlich bald -- diese Zonengrenzen fallen.
Weitere Ausnahmen zuzulassen, ist nicht beabsichtigt. Es ist also nicht richtig, davon zu sprechen, daß dieses Gesetz durch zahlreiche Ausnahmen durchlöchert werde.
Gegen den Regierungsentwurf eines Straßenentlastungsgesetzes wird vor allem der schwere Vorwurf erhoben, es bedrohe die Existenz zahlreicher Unternehmen des konzessionierten Güterfernverkehrgewerbes und werde zum Zusammenbruch kleiner und mittlerer Betriebe führen. Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Eine große Anzahl von Fahrzeugen des gewerblichen Güterfernverkehrs wird auf Grund der Ausnahmeregelung bis zum Ablauf ihrer Konzession weiterhin Massengüter fahren. Ihre Zahl wird auf etwa 3500 von insgesamt rund 15 000 Fern- und rund 5800 Bezirkskonzessionen geschätzt. Die Unternehmen, die solche Ausnahmegenehmigung für ein Fahrzeug erhalten, werden sich wirtschaftlich sogar verbessern; denn sie erhalten für die Dauer ihrer Konzession im Ferntransport von Massengütern auf der Straße eine sehr gesicherte Stellung. Schwierig könnte nur die Lage jener Unternehmer werden, die weniger als zwei Drittel ihrer Einnahmen aus dem MaaQengutverkehr bezogen haben, die also keine Ausnahmegenehmigung erhalten können. Die Zahl der Fahrzeuge, die bisher ein Drittel bis zwei Drittel ihrer Einnahmen aus dem Massenguttransport bezogen haben, wird auf rund 3000 geschätzt. Insgesamt ist also die Zahl der Fahrzeuge, die zu mehr als einem Drittel ihre Einnahmen aus dem Massengutverkehr bezogen haben, mit 6500 anzunehmen, bei insgesamt 15 000 Fern- und 5000 Bezirkskonzessionen. Die Bundesregierung ist an den Schwierigkeiten, die sich für diese Betriebe ergeben, natürlich nicht vorbeigegangen. Sie konnte das um so weniger, als sie in ihrer Regierungserklärung die Förderung des gewerblichen Mittelstandes als ein besonders wichtiges Anliegen herausgestellt hat.
Hier kann man aber nur gerecht urteilen, wenn man den inneren Zusammenhang des von der Bundesregierung vorgeschlagenen verkehrspolitischen Gesamtplanes nicht aus dem Auge verliert. Es handelt sich dabei um folgendes.
Ein Hauptziel der verkehrspolitischen Gesamtkonzeption der Bundesregierung ist die Eindämmung des Werkverkehrs. Solange sich der Werkverkehr, vor allem der Werkfernverkehr, völlig frei entwickeln kann, solange die Abschreibungsvorschriften in der Einkommen- und Körperschaftsteuer sogar für die Firmen einen besonderen Anreiz bieten, eigene Lastkraftwagen zu kaufen und zu betreiben, muß jeder Versuch scheitern, den gewerblichen Verkehrsunternehmungen angemessene Beförderungsentgelte zu sichern und durch Tarife zu einer organischen Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern zu gelangen. Der Werkverkehr, der Eigenverkehr auf der Straße, ist der große Favorit im Wettkampf mit den privaten und öffentlichen gewerblichen Verkehrsbetrieben. Mit einer Politik, die nach marktwirtschaftlichen Prinzipien ausgerichtet ist, kann hier keinesfalls Wandel geschaffen werden; denn der Werkverkehr ist nicht kostenorientiert, sondern mit vielfältigen Fazilitäten ausgestattet. Darüber habe ich in meiner Rede vor dem Hohen Hause am 12. Februar eingehend gesprochen. Zur Eindämmung des Werkfernverkehrs sieht der Regierungsentwurf des Verkehrsfinanzgesetzes eine Erhöhung der Beförderungsteuer auf 5 Dpf/tkm für den Werkfernverkehr vor. Der Bundesrat hat sich in diesem entscheidenden Punkt nach eingehender Prüfung der Meinung der Bundesregierung angeschlossen. Der Steuersatz von 5 Dpf/tkm wird nach den überschläglichen Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums in etwa gerade genügen, um einen Schutzwall aufzurichten, hinter dem wir eine Ordnung im Verkehrswesen und eine Gesundung der gewerblichen Verkehrsträger erreichen können. Bedenken Sie bitte, meine Damen und Herren, daß die Beförderungsteuer als eine den Gewinn mindernde Steuer gilt, also Unkostenfaktor ist und bei der Körperschaftsteuer, der Einkommensteuer, der Gewerbesteuer und beim Notopfer Berlin nicht mitversteuert wird. Die effektive Belastung eines Werkfernverkehr betreibenden Unternehmens durch die erhöhte Beförderungsteuer wird also demnach nicht 5 Dpf/tkm betragen, sondern je nach der Lage des Unternehmens nicht unbeträchtlich niedriger liegen. Diese wesentliche Seite des Problems ist in der öffentlichen Diskussion kaum beachtet worden. Trotz dieser neuen steuerlichen Belastung bleibt also der Werkverkehr im Spiel, aber zu wesentlich gerechteren Startbedingungen. Honte ist er beim Start mit den gewerblichen Verkehrsträgern bereits kurz vor dem Ziel, wenn Eisenbahn, Straßenverkehr und Binnenschiffahrt erst gerade an den Start gehen. Durch die Eindämmung des Werkfernverkehrs werden dem gewerblichen Güterfernverkehr wieder Transporte hochtarifierter Güter zufallen, die er in den letzten Jahren an den Werkverkehr verloren hat. Hier liegt ein Ausgleich für das Gewerbe, ein Tätigkeitsfeld, dem sich vor allem diejenigen Betriebe zuwenden können, die keine Ausnahmegenehmigung auf Grund des Straßenentlastungsgesetzes zu erwarten haben. Diese Betriebe haben auch früher in erster Linie hochwertige Güter gefahren. Mit Zunahme des Werkverkehrs sind die hochwertigen Güter auf den Werkverkehr abgewandert, und diese Betriebe haben sich deshalb zur Ausnutzung ihrer Kapazität den Massengütern zugewendet. Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß es im wesentlichen der Werkverkehr war, der diese, in ihren Auswirkungen auch für die Bundesbahn so ungünstige Entwicklung hervorgerufen hat.
Die möglichen Auswirkungen der erhöhten Beförderungsteuer im Werkfernverkehr auf das Preisniveau sind in der Öffentlichkeit außerordentlich übertrieben worden. Sie wurden an Hand der vom Statistischen Bundesamt aufgestellten Preistabellen durchgerechnet. Selbst unter der wenig wahrscheinlichen Voraussetzung, daß nicht die Effektivbelastung der Firma mit der Beförderungsteuer, sondern die vollen 5 Dpf/tkm abgewälzt werden, ergäben sich beispielsweise bei den Preisen wichtiger Nahrungsmittel, mittlere Versandweiten angenommen, nur Bruchteile von Prozenten des Verkaufspreises. Im übrigen steht es jeder Firma natürlich frei, die öffentlichen Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen, wenn ihr eigener Werkfernverkehr nicht mehr lohnend ist. Es ist zu erwarten, daß davon im Interesse der Straßenentlastung Gebrauch gemacht wird, besonders auch dort, wo Anschlußgleise vorhanden sind.
Im Straßenentlastungsgesetz ist überdies noch eine Einschränkung des Werkverkehrsbegriffs vorgesehen. Zur Zeit darf ein Unternehmen des Werkverkehrs im Fernverkehr nicht nur eigene


(Bundesminister Dr. Seebohm)

Transporte durchführen, sondern auch Transporte für andere Unternehmen, wenn zwischen beiden Unternehmen eine Kapitalbeteiligung von mehr als 75 °/o besteht. Diese Begünstigung des sogenannten Konzernverkehrs soll in Zukunft wegfallen. Auch das liegt im Interesse der öffentlichen Verkehrsträger und der Straßenentlastung.
Die von der Bundesregierung angestrebte volkswirtschaftlich sinnvolle Verkehrsteilung zwischen den Eisenbahnen, dem Straßenverkehr und der Binnenschiffahrt wird auch dem mittelständischen Straßenverkehrsgewerbe zugute kommen. Diese Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern ist ein wesentlicher Teil des verkehrspolitischen Gesamtprogramms der Bundesregierung. Keineswegs ist an eine mechanische oder starre, sondern durchaus an eine flexible Lösung dieses schwierigen Koordinierungsproblems gedacht, dessen Grundgedanken ja in der Öffentlichkeit weitgehend bekannt und von mir wiederholt dargelegt worden sind. Es handelt sich dabei darum, daß die Ferntransporte in erster Linie der Eisenbahn und der Binnenschiffahrt, die Nahtransporte dem Kraftwagen zustehen. Es handelt sich ferner darum, daß hochwertige Güter auch im Fernverkehr vom Kraftwagen transportiert werden, während für Massengüter der Vorrang der beiden andern Verkehrsmittel gegeben ist. Das sind Teilungen, die sich aus der Natur der Sache ergeben. Die beabsichtigte Gütertarifreform wird bei der Erreichung dieser Verkehrsteilung von wesentlicher Bedeutung sein. Dabei könnte erforderlichenfalls auch berücksichtigt werden, daß sich durch Änderung der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer die Betriebskosten des gewerblichen Kraftverkehrs erhöhen werden. Nur andeuten möchte ich in diesem Zusammenhang — aber das ist eine wichtige Frage, die uns im Ausschuß sicher sehr eingehend beschäftigen wird —, daß wir bei allen diesen Entscheidungen daran denken müssen, daß der Produktionsanfall an Dieseltreibstoff sich nicht über ein bestimmtes Maß erhöhen läßt, ohne das ganze Preisgefüge der weißen Produkte zu erschüttern und diese selbst im Preis zu steigern. Das muß bei Fragen der Ablösung der Treibstoffsteuer gründlich bedacht werden. Das ist auch eine Frage, die mit dem Einsatz vermehrten Luftverkehrs in Deutschland deswegen wichtig ist, weil gerade der Antriebsstoff der Strahltriebwerke aus der Fraktion des Diesels einen erheblichen Teil hinwegziehen wird.
Bevor ich jedoch auf das sogenannte Koordinierungsproblem, also auf die Aufgabenteilung und die Tarifreform eingehe, noch ein kurzes Wort zur Bundesbahn.
Die Ursachen der finanziellen Schwierigkeiten der Bundesbahn sind bekannt. Ihre Ausgaben sind gewachsen, insbesondere durch Steigerung der Kohle- und Stahlpreise und durch die sozial notwendigen Erhöhungen der Bezüge des Personals. Demgegenüber sind die Einnahmen aus dem Güterverkehr im Jahre 1953 um fast 7 % niedriger gewesen als im Jahre 1952. Dieser Rückgang konnte auch durch die Erhöhung der Einnahmen im Personenverkehr um 5,4 % nicht ausgeglichen werden. Eine ähnliche Entwicklung zeigt leider auch 1954. Offensichtlich dringt also der Kraftverkehr in die Verkehrsrelationen und die Transporte immer weiter ein, die der Bundesbahn die notwendigen Überschüsse bringen müssen, damit sie die verkehrsarmen und verkehrsschwachen Gebiet bedienen und ihre gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Daran ist vor allem der hypertrophisch sich entwickelnde Werkverkehr, der ja auch den gewerblichen Güterverkehr auf der Straße in wachsendem Maße bedrängt, beteiligt.
Folgende Maßnahmen des verkehrspolitischen Gesamtprogramms der Bundesregierung werden sich nun mittelbar und unmittelbar zugunsten der Bundesbahn auswirken:
1. Das Gebot, bestimmte Massengüter auf der Straße im Fernverkehr nicht zu befördern, wird viele Güter dieser Art wieder der Schiene und der Binnenschiffahrt zuführen, die derartige Transporte ebenso gut durchführen können. Mit einem Rückstrom von Transporten dieser Art zur Schiene ist zu rechnen. Von der Bundesregierung ist niemals bestritten worden, daß das Straßenentlastungsgesetz, das allerdings deshalb vorgeschlagen ist, um der unfallvermindernden und die Fahrbahn schonenden Straßenentlastung, also der Ermäßigung der Straßenkosten im volkswirtschaftlichen Sinne zu dienen, auch diese verkehrspolitisch und verkehrswirtschaftlich erwünschten Nebenwirkungen haben wird. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat nach sorgfältiger Prüfung erklärt, daß die Deutsche Bundesbahn den erforderlichen Transportraum zur Verfügung stellen kann und daß ebenfalls ihre Ladeeinrichtungen und Gleisanlagen dem Mehrverkehr auch im Spitzenverkehr gewachsen sein werden.
2. Die Eindämmung des Werkfernverkehrs durch eine Erhöhung der Beförderungsteuer wird zwar vorwiegend dem gewerblichen Güterfernverkehr zugute kommen, in manchen Verkehrsrelationen, bei einigen Güterarten und vorhandenen Anschlußgleisen voraussichtlich aber auch der Bundesbahn.
3. Die sehr unterschiedlichen Wettbewerbsvoraussetzungen zwischen der Schiene und der Straße werden einander angeglichen, und zwar vor allem dadurch, daß der Straßenverkehr in höherem Grade als bisher zu den Wegekosten herangezogen wird, wenn er sie auch bei weitem nicht decken wird. Heute kann der Straßenverkehr, eben weil er zu seinen Wegekosten noch viel weniger beiträgt, erheblich billiger fahren und unterbieten oder Differentialgewinne erzielen. Die Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer wird hier gerechtere Relationen gewährleisten.
4. Im Verkehrsfinanzgesetz ist vorgesehen, auch die bisher beförderungsteuerfreien Transporte von Gütern mit Kraftfahrzeugen in der Nahzone der Beförderungsteuerpflicht zu unterwerfen. Die vorgeschlagenen Steuersätze beim Werknahverkehr und beim gewerblichen Nahverkehr sind aus steuertechnischen Gründen unterschiedlich; es wird darauf zu achten sein, daß beide Verkehrsarten gleichmäßig belastet werden. Der gewerbliche Mittelstand im Nahverkehr muß erhalten bleiben; sein Wunsch, im Nahverkehr Festpreise einzuführen, wird vom Bundesminister für Verkehr verständnisvoll unterstützt. Der Straßengüterverkehr in der Nahzone war bisher begünstigt, wesentlich zum Nachteil der Eisenbahn, da sie auch für den Nahverkehr Beförderungsteuer berechnen und bezahlen muß.
5. Der Herr Bundesminister der Finanzen ist durch Kabinettsbeschluß vom 1. Juni 1954 beauftragt worden, das dem Bund zufließende Steueraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz, soweit es nicht für den Bau von Autobahnen und Bundes-


(Bundesminister Dr. Seebohm)

straßen in Anspruch genommen wird, für Zwecke der Bundesbahn zu verwenden. Sonderlasten für den Straßenverkehr sind, wie ich vorher ausgeführt habe, nur die Kraftfahrzeug- und die Mineralölsteuer; das Aufkommen aus diesen Steuern wird im wesentlichen der Deckung der zusätzlichen Straßenbaukosten zu dienen haben. Die Erträge aber aus der im Entwurf eines Verkehrsfinanz-gesetzes vorgesehenen Änderung der Beförderungsteuer kann der Herr Bundesminister der Finanzen also ohne Benachteiligung des Straßenverkehrs und des Straßenbaues für andere Verkehrszwecke verwenden. Die Mittel könnten vor allem dazu dienen, der Bundesbahn soweit wie möglich die sogenannten betriebsfremden Personallasten abzunehmen. Der Kabinettsbeschluß vom 1. Juni 1954 sieht weiterhin vor, daß die Notwendigkeit der von mir mit großer Dringlichkeit beantragten Abnahme der betriebsfremden Lasten von den Bundesministern der Finanzen, für Verkehr und des Innern beschleunigt geprüft werden soll. Diese Prüfung ist bereits eingeleitet; den beiden anderen Ressorts wurden die erforderlichen Unterlagen zugesandt. Falls erforderlich, soll die als notwendig ermittelte Abnahme dieser Lasten auf gesetzgeberischem Wege geschehen.
6. Die Bundesbahn erhält aus dem Bundeshaushalt ein Darlehen in Höhe von 250 Millionen DM jährlich, also in Höhe des Betrages, den sie an den Bund an Beförderungsteuer abzuführen hat. Es ist in erster Linie für Zwecke der Oberbauerneuerung gedacht.
7. In dem verkehrspolitischen Gesamtplan ist, anschließend an das Bundesbahnprogramm vom 16. April 1953, eine weitgehende Rationalisierung der Bundesbahn vorgesehen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden beschleunigt durchgeführt. Einen neuen Zwischenbericht über die Ergebnisse dieser Arbeit der Deutschen Bundesbahn habe ich Ihnen heute als Material vorlegen lassen, und ich darf es Ihrer freundlichen Beachtung empfehlen. Lassen Sie mich dabei nur auf eine Tatsache hinweisen: Der Personalbestand der Bundesbahn ist seit 1948, ohne daß Entlassungen erfolgt sind, um über 100 000 Menschen vermindert worden.

(Hört! Hört! links.)

Eine weitere Verminderung um rund 30 000 Menschen ist vorgesehen. Damit wird der Personalbestand der Deutschen Bundesbahn innerhalb von rund 7 Jahren um annähernd 140 000 Menschen oder um über 20 % des Personalbestandes von 1948 vermindert sein. Selbst wenn gesagt werden kann, daß damals, 1948, der Personalbestand überhöht war, so muß es den nüchternen Beobachter doch überraschen, daß eine solche negative Rationalisierung bei den gegenüber 1948 vielfach gesteigerten Leistungen der Deutschen Bundesbahn überhaupt möglich war. Allein die Achstonnenkilometerleistung ist in der gleichen Zeit um über 30 % gestiegen. Diese Methoden, meine Damen und Herren, müssen dort ihre Grenze finden, wo die Sicherheit des Betriebs, die Gesundheit der immer stärker beanspruchten Mitarbeiter und der Altersaufbau der Belegschaft sie mit Nachdruck setzen.

(Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

Die Bediensteten der Bundesbahn haben die Belastungen und Entbehrungen, die diese Rationalisierung für sie mit sich gebracht hat, im Interesse der Erhaltung des Betriebes auf sich genommen. Dafür und für die trotz dieser Belastung erzielten
großen Aufbauerfolge verdienen sie alle unseren aufrichtigen Dank.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)

Gestatten Sie mir dazu noch eine Bemerkung: Wer in der verladenden Wirtschaft in seinem eigenen Betrieb nicht Ähnliches erreicht hat, also 30 % Leistungssteigerung bei 20 % Belegschaftsabbau, sollte es sich versagen, der Bundesbahn vorzuwerfen, sie habe auf dem Gebiet der Rationalisierung und des Personalabbaues nicht Genügendes geleistet. Denn diese Leistung steht!

(Allgemeiner Beifall.)

Hier drängt sich mir noch ein interessanter Vergleich auf. Im gesamten Güterkraftverkehrsgewerbe, das mit rund 70 000 Fahrzeugen im Nahverkehr und mit rund 20 000 Fahrzeugen im Bezirks-und Fernverkehr tätig ist, werden rund 150 000 Menschen direkt beschäftigt. Der Anteil des Güterfernverkehrs ist nicht genau zu ermitteln, dürfte aber mit 70 000 nicht zu tief gegriffen sein. Die Deutsche Bundesbahn hat also mit ihrer negativen Rationalisierung, ihrem Personalabbau, in sieben Jahren doppelt so viel Arbeitsplätze eingespart, als der gewerbliche Güterfernverkehr überhaupt Menschen beschäftigt. Diese Eisenbahnerarbeitsplätze sind endgültig vernichtet. Ich glaube, der Hinweis auf diese Tatsache genügt, um einer gewissen, noch dazu keineswegs begründeten Argumentation entgegenzutreten, nach der die Bundesbahn zu Lasten dieses Gewerbes bevorzugt wurde oder in Zukunft besonders gefördert werden soll. Von einem Sachverständigengremium unter Leitung des Präsidenten des Hauptprüfungsamtes soll gemäß Kabinettsbeschluß vom 1. Juni ferner geprüft werden, ob über die bisherigen Vorschläge und Maßnahmen hinaus noch weitere betriebswirtschaftliche und personelle Maßnahmen angebracht wären, um eine anhaltende Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn zu gewährleisten. Herr Präsident Ottmann vom Hauptprüfungsamt hat diesen Auftrag bereits von mir erhalten und seine Arbeiten aufgenommen. Ihm werden dabei erfahrene, mit den Bundesbahnverhältnissen vertraute Wirtschaftsprüfer zur Seite stehen.
8. Die beiden großen Betriebsverwaltungen des Bundes, die Bundesbahn und die Bundespost, werden hinfort im Kleingutverkehr — das sind der Expreßgutverkehr und der Postpaketverkehr — sowie auf dem Gebiet des Linienverkehrs mit Straßenomnibussen eng zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit im Kleingutverkehr hat bereits begonnen. Das Bundeskabinett hat ferner einer Anhebung der Regeltarife im Kraftlinien-Verkehr der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost zugestimmt, um zu erreichen, daß dieser Regeltarif künftig über dem Regelsatz der 3. Klasse des Eisenbahnfahrpreises vom 6,9 Pf/km zu liegen kommt. Auch eine Angleichung der Beförderungsbedingungen zwischen Post und Bahn im Omnibusverkehr ist vorgesehen. Konkurrierende Linien sollen in Zukunft gemeinsam betrieben werden.
9. Schließlich werden die Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern und die diesem Ziele dienende Tarifpolitik auch für die Bundesbahn förderlich sein. Auf diese wichtige Frage möchte ich abschließend eingehen. Entgegen einer vielverbreiteten Ansicht steht nämlich die sogenannte Koordinierung nicht am Anfang, sondern am Schluß jeder Phase der Verkehrspolitik.


(Bundesminister Dr. Seebohm)

Wenn alle diese Maßnahmen, die ich Ihnen hier dargelegt habe — bei der riesigen Fülle des Stoffes in aphoristischer Kürze und Schnelligkeit, jedoch nicht in einem „Kolossalgemälde" — durchgeführt werden, sind auch die unerläßlichen Voraussetzungen für die sogenannte Koordinierung der Verkehrsträger geschaffen. Ober diese Koordinierung gehen die Vorstellungen schroff auseinander. Der eine denkt an die Sozialisierung des gesamten Verkehrswesens, also auch der Binnenschifffahrt und des Straßenverkehrs. Der andere wünscht das gesamte Verkehrswesen dem gemeinwirtschaftlichen Prinzip zu unterwerfen, also auch den Straßenverkehr nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen zu entwickeln. Dazu braucht er allerdings eine tragfähige Organisation des Kraftverkehrs, der er die Beförderungs- und Betriebspflicht auferlegen kann. Eine derartige Organisation muß sehr straff sein; damit geht aber der weitaus größte Teil der unternehmerischen Initiative verloren. Von hier bis zur Sozialisierung ist es dann nicht mehr weit. Mit sogenannten „marktkonformen" Mitteln allein wäre das Problem aber auch nicht zu lösen. Ich habe in einem Vortrag in Köln im April dargelegt, daß man in der Verkehrspolitik mit marktwirtschaftlichen Prinzipien allein nicht auskommt. Der Vortragstext ist Ihnen zugegangen. Ich kann mich daher auf meine damaligen Ausführungen beziehen. Die Disproportionen im Verkehrswesen sind, wie gesagt, nicht marktwirtschaftlich entstanden, sie können daher auch nicht mit marktkonformen Mitteln im strengen Wortsinne beseitigt werden. Verkehrskonforme Mittel sind erforderlich. Von dieser Ansicht geht das verkehrspolitische Gesamtprogramm der Bundesregierung aus. Staatliche Ordnungsmaßnahmen sind die unentbehrliche Voraussetzung für die Wirksamkeit tarifpolitischer Mittel und für die Wirksamkeit freiwilliger Vereinbarungen der gewerblichen Verkehrsträger mit dem Ziel einer Verkehrsteilung. Eisenbahn, Kraftverkehr und Binnenschiffahrt ergänzen sich gegenseitig auf Grund ihrer technischen Eigenheiten und der Unterschiedlichkeit ihrer Leistungen. Eine Zusammenarbeit in vernünftiger Aufgabenteilung bietet sich hier von selbst an.
Die Bundesregierung geht bei diesen Maßnahmen von folgenden Leitsätzen aus. Erstens: Das gemeinwirtschaftliche System der Deutschen Bundesbahn wird beibehalten, insbesondere im Interesse der revierfernen Gebiete. Zweitens: Die Wettbewerbsbedingungen von Schiene und Straße werden soweit wie möglich einander angeglichen. Drittens: Ein echter Leistungswettbewerb wird gewährleistet. Viertens: Eine freie Preisbildung auf dem Gebiet des Verkehrs bleibt ausgeschlossen.
Die Bundesregierung hat am 1. Juni 1954 den Bundesminister für Verkehr beauftragt, nach diesen Leitsätzen in Zusammenarbeit mit den beteiligten Ressorts und nach Anhörung der Verkehrsträger und der verladenden Wirtschaft tarifpolitische Maßnahmen so vorzubereiten, daß sie, soweit möglich, im Rahmen des verkehrspolitischen Gesamtprogramms alsbald nach Anlaufen des Straßenentlastungs- und des Verkehrsfinanzgesetzes wirksam werden können.
Die Arbeit an dieser Tarifreform hat bereits begonnen. Ich habe einen Sachverständigenausschuß einberufen, der mir in völliger Unabhängigkeit von meinem Ministerium ein Gutachten über eine allgemeine Gütertarifreform erstatten soll. Dazu wird er das bekannte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats als Grundlage benutzen. Sein Gutachten wird e i n wichtiger Baustein für die konkret zu treffenden tarifpolitischen Maßnahmen sein. Für den Fall, daß die Sachverständigen ihre Arbeiten nicht rechtzeitig abschließen, ist ein tarifpolitisches Sofortprogramm in Aussicht genommen. Sobald das Gutachten vorliegt, wird es mit den zuständigen Gremien der verladenden Wirtschaft und den Verkehrsträgern durchgearbeitet. Dann dürfte es auch reif zur Durchführung sein.
Die tarifpolitischen Bestrebungen der Bundesregierung sind durch eine Entschließung des Bundesrates nachdrücklich unterstützt worden. Diese Entschließung lautet:
Die Bundesregierung wird gebeten, im Rahmen des verkehrspolitischen Gesamtprogramms baldigst Tarifmaßnahmen vorzuschlagen, die neben dem Straßenentlastungsgesetz und dem Verkehrsfinanzgesetz wirksam werden sollen. Diese Tarifmaßnahmen, die zusammen mit den zu beteiligenden Stellen auszuarbeiten sind, sollen einerseits die mit den Verkehrsgesetzen angestrebte sinnvolle Verkehrsteilung zwischen Schiene und Straße fördern und andererseits allen Verkehrsträgern angemessene Beförderungsentgelte sichern. Dabei werden die Interessen der Verkehrsträger und der verladenden Wirtschaft sorgfältig miteinander abgestimmt werden müssen. Die Durchführung der Tarifmaßnahmen
— sagt die Entschließung des Bundesrates —
ist nur möglich, wenn beide Verkehrsgesetze in Kraft treten.
Die Bundesregierung hat zu der Entschließung des Bundesrats wie folgt Stellung genommen:
Der Entschließung des Bundesrates wird zugestimmt. Sie entspricht der Auffassung und den Absichten der Bundesregierung. Der Bundesminister für Verkehr ist beauftragt, das Erforderliche zu veranlassen.
Die Verbände des Kraftverkehrsgewerbes habe ich schon im März zur Zusammenarbeit aufgefordert und um Vorschläge für eine Verkehrsteilung und für die sich daraus ergebende Tarifpolitik gebeten. Sobald diese Vorschläge eingehen — bisher sind nur allgemeine Ausführungen abgegeben worden —, werden unter meiner Leitung die Gespräche zwischen dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn und den berufenen Vertretern des gewerblichen Kraftverkehrs und der Binnenschiffahrt über die künftigen Formen der Zusammenarbeit und der Arbeitsteilung unverzüglich aufgenommen. Die Tarifreform soll klare und gesunde Verhältnisse schaffen. Gleichzeitig soll sie den Verkehrsträgern angemessene Beförderungsentgelte, mit anderen Worten, einen auskömmlichen Ertrag für ihre mühevolle Arbeit sichern. Die Beförderungsentgelte, meine Damen und Herren, sind, wie Sie wissen, hinter der Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus erheblich zurückgeblieben. Nach einer Indexberechnung mit dem Basisjahr 1938 gleich 100 hatten im November 1953 der Eisenbahn-Personentarif einen Stand von durchschnittlich 173, der Eisenbahn-Wagenladungstarif einen Stand von durchschnittlich 209 erreicht; demgegenüber lag aber der Preisindex für Steinkohle bei 327, für


(Bundesminister Dr. Seebohm)

Stabstahl bei 355, für Schnittholz bei 274 und für Roheisen bei 459.
Es ist allerdings nicht beabsichtigt, die Tarife für die Grundstoffe anzuheben, wenn die Gesetze in Kraft treten. Das unterstreiche ich mit Nachdruck. Die Bundesregierung ist sich bewußt, wie stark die Verkehrspolitik mittelbar oder unmittelbar auf die gesamte Wirtschaft wirkt. Was w i r wollen, ist ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der verladenden Wirtschaft und denen des Verkehrswesens. Wollte man nur den Weg gehen, die Bundesbahnausgaben über Einnahmen aus der Kundschaft auszugleichen, so müßte ja eine Tariferhöhung von einem Ausmaß vorgenommen werden, das die Wirtschaft außerordentlich belasten würde. Das Ausmaß würde sicherlich nicht niedriger als 25 % sein können.
Auch die technischen und betrieblichen Möglichkeiten sollen ausgenutzt werden, um eine gute Zusammenarbeit der Verkehrsträger zu erreichen. Ich denke dabei z. B. an die Zusammenarbeit im HausHaus-Verkehr, im Stückgutverkehr, im Behälterverkehr und an die weitere Entwicklung der Zweiwege-Fahrzeuge. Auch die Transporte von Lastkraftwagen-Anhängern auf der Schiene, eine Abart der sogenannten „Rollenden Landstraße", sollen erprobt werden. In den Vereinigten Staaten ist diese Zusammenarbeit von Schiene und Straße ebenso wie in Frankreich, allerdings auf der Basis der Sattelschlepper, verbreitet und erfolgreich. Man nennt sie dort recht treffend „Huckepack-Verkehr". In allernächster Zeit beginnen die jetzt vorbereiteten Versuchsverkehre dieser Art auch bei uns. Wenn der Versuch gelingt, dann ergäben sich neue Möglichkeiten für die Wirtschaft, ihre Kraftfahrzeug-Anhänger nutzbringend einzusetzen. Vielleicht wird dann auch bei uns der Sattelschlepper größere Bedeutung gewinnen. Das wäre in vielerlei Hinsicht zu begrüßen.
Meine Damen und Herren, die Bundesregierung erwartet, daß die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen zu einer stabilen Ordnung im Verkehrswesen führen und die Sicherheit auf den Straßen ebenso erhöhen wie die Straßenerhaltungskosten herabsetzen werden. Für die Ausschußberatungen werden Ihnen der Herr Bundesminister der Finanzen und ich noch ausreichendes Material, vor allem statistischer Art, zur Verfügung stellen.
Die erstrebten Ziele sind nicht zu erreichen, wenn nicht alle Beteiligten dazu nach besten Kräften beitragen. Mit halben Maßnahmen ist wahrlich nichts getan. Allzu zaghafte Lösungsversuche sind und bleiben unfruchtbar. Wir müssen handeln, denn was wir heute in dieser Sache nicht tun, wird morgen noch schwerer zu tun sein und wird zweifellos noch größere Opfer von uns fordern.
Die im Verkehrsprogramm der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen der Verwaltung, insbesondere die Rationalisierung der Bundesbahn, die Gütertarifreform und die Verkehrsteilung, können nur auf der Grundlage der drei Verkehrsgesetze erfolgreich durchgeführt werden. Die Bundesregierung übergibt Ihnen heute zwei dieser Verkehrsgesetze in Form von Entwürfen. Das dritte, das Personenbeförderungsgesetz, wird Ihnen nach den Ferien zugeleitet. Die Bundesregierung hat diese Entwürfe in eingehender Beratung erarbeitet. Sie bittet Sie um Ihre baldige Entscheidung, weil dies nach Lage der Sache notwendig ist. Die Verantwortung für diese Entscheidung und für den Zeitablauf ist sehr groß. Der Streit der Meinungen in der Öffentlichkeit hat die vor Ihnen liegende schwierige Arbeit kaum erleichtert. Es sind nicht immer die besten Argumente, die am lautesten vorgetragen werden, und nur wer über erhebliche Mittel verfügt, hat es leicht, Propaganda zu treiben.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, prüfen Sie bitte die Ihnen von der Bundesregierung vorgelegten Entwürfe vorurteilsfrei. Lassen Sie die Tatsachen auf sich wirken und denken Sie bitte an das Ganze. Von Ihren Beschlüssen hängt es ab, ob das Verkehrswesen in der Bundesrepublik in den nächsten Jahren gesund und leistungsfähig sein wird. Auf Sie aber blicken vor allem vertrauensvoll die deutschen Menschen, die täglich den Gefahren des Verkehrs, vor allem auf der Straße, ausgesetzt sind.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0203800800
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0203800900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes hat bereits lange, bevor er diesem Hohen Hause zugestellt worden ist, Anlaß zu heftigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit gegeben. Das Kraftfahrgewerbe hat in zahlreichen Protestversammlungen die in dem Entwurf vorgesehenen steuerlichen Belastungen des Kraftwagens als unerträglich bezeichnet und die Vernichtung zahlreicher Transportunternehmen vorausgesagt. Aber auch Kreise der Industrie haben sich mit Entschiedenheit gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs gewandt. Eine Gruppe von Interessenten hat mit erheblichem Aufwand einen Inseratenfeldzug gegen die Regierungsentwürfe eingeleitet, für den sogar der Erzengel St. Raphael herhalten mußte.

(Heiterkeit.)

Fast übereinstimmend ist von diesen Kreisen behauptet worden, daß das aus diesem Entwurf zu erwartende Mehraufkommen von, wie ich schätze, etwa 350 Millionen DM auch ohne so tiefgreifende Maßnahmen erzielt werden könne, um damit Mittel für den Straßenbau und die Erneuerung und Verbesserung der Anlagen der Deutschen Bundesbahn zu gewinnen.
Dabei sind sich wohl alle Kreise unseres Volkes darüber einig, daß unsere Straßen der gewaltigen Zunahme des Kraftverkehrs nicht mehr gewachsen sind und daß es notwendig ist, für den Ausbau der Straßen aller Art — von den Bundesautobahnen bis zu den Landstraßen erster und zweiter Ordnung sowie den Ortsdurchfahrten — wesentlich mehr Haushaltsmittel bereitzustellen, als es die öffentlichen Haushalte bisher gestatteten. Die Mehrheit der am Verkehr von Berufs und Erwerbs wegen Beteiligten dürfte auch darin einig sein, daß es notwendig ist, der Bundesbahn, die bereits seit den ersten Tagen des „Dritten Reiches" vernachlässigt und dann vom Krieg aufs schwerste betroffen wurde, Investitionsmittel zur Wiederherstellung und Verbesserung ihrer Anlagen und ihres rollenden Materials zuzuführen.
In diesem Zusammenhang setzt aber 'bereits die Kritik ein. Das private Kraftfahrgewerbe und die Kraftwagenindustrie nebst Zulieferbetrieben beanstanden, daß 'der Lastkraftwagen angeblich untragbar belastet werde, um, wie sie meinen, dem


(Bundesfinanzminister Schiffer)

„Konkurrenten Bundesbahn" Mittel zuzuführen. Dazu wird vielfach die Auffassung vertreten, daß das Problem Bundesbahn „mit der leichten Hand" gelöst werden könne, nämlich teils durch innere Rationalisierung ihres Betriebs unter gleichzeitiger Zuführung von Investitionsmitteln, teils durch eine stärkere Belastung der Mineralölsteuer auf Vergaserkraftstoff, also im wesentlichen durch Heranziehung der bereits stark belasteten Personenkraftwagen.
Hiermit wird jedoch die eigentliche Zielsetzung des Entwurfs verlassen. So wichtig das erwartete Mehraufkommen für die Bereitstellung von Investitionsmitteln gerade für den Bundeshaushalt ist, liegt doch eine ungleich größere Bedeutung in dem Versuch, der Bundesbahn die Einnahmen wieder zuzuführen, die sie für die Aufrechterhaltung ihres Betriebes benötigt. Das Bundesbahnproblem ist nämlich — und hier liegt nämlich ein weit verbreiteter Irrtum — nicht in erster Linie eine Investitionsfrage. Sicher wären Investitionen von 2 bis 3 Milliarden DM für die Bundesbahn von größter Bedeutung, um ihren Nachholbedarf zu decken und die Kriegsschäden zu beseitigen. Dieses schwierige Finanzierungsproblem konnte bisher nur in Teilstücken gemeistert werden. Von der Haushaltsseite unlösbar wird das BundesbahnProblem jedoch dadurch, daß der Lastkraftwagen mit zunehmender Transportleistung das Tarifsystem, das von der Deutschen Reichsbahn überkommen ist, so stark unterhöhlt hat, daß die Bundesbahn nicht mehr, wie das Bundesbahngesetz voraussetzt, ihre Ausgaben aus den Einnahmen decken kann. Alle Befürworter einer „weichen Lösung", die den Lastkraftwagen nicht fühlbar beeinträchtigt, übersehen, daß der Vorteil des Lastkraftwagens nicht nur in seiner technischen Überlegenheit liegt, nicht nur darin, daß er die Güter von Haus zu Haus bringen kann und nicht wie die Bundesbahn an die Schiene gebunden ist. Weit entscheidender ist, daß der Kraftwagen gegenüber der Bundesbahn in seiner Wettbewerbsstellung dadurch bevorzugt ist, daß er nicht, wie die Bundesbahn, bei seinen Transporten an Zeit, Menge und Ziel gebunden ist. Das einzelne Transportunternehmen kann sich die Transporte aussuchen, die ihm nach der Zeit der Ausführung, der zu befördernden Menge und dem Bestimmungsort zusagen. Die Bundesbahn muß dagegen einen riesigen Apparat vorhalten, um jede, auch die kleinste Menge zu jeder Zeit an jeden gewünschten Ort zu bringen. Das private Kraftverkehrsgewerbe und der Werkverkehr überlassen der Bundesbahn alle Transporte, die ihnen keine wirtschaftlichen Vorteile bringen. Die Bundesbahn hat daher wahrhaftig nur das „Monopol des unrentablen Transports". Diese Unterlegenheit ergibt sich nicht aus mangelnder Rationalisierung, sondern aus dem Fehlen der Voraussetzungen eines echten Wettbewerbs. Sie kann infolgedessen auch nicht durch noch so umfangreiche Investitionen, die die Leistungsfähigkeit der Bundesbahn erhöhen, verbessert oder womöglich beseitigt werden, da die Bundesbahn die Transportmengen gar nicht erst erhält, die sie zur rationellen Ausnutzung ihrer Anlagen benötigt.
Hierin liegt die eigentliche Ursache für die Schwierigkeiten, mit denen wir heute zu kämpfen haben. Zu ihrer Lösung bieten sich theoretisch drei Wege:
1. die Verlagerung der Kosten für die Erhaltung der nicht ausgenutzten Bundesbahn auf den Bundeshaushalt.
Dieser Weg wäre nicht nur wegen der großen Reibungsverluste der schlechteste. Seine Wahl würde zu einer Dauerbelastung des Bundeshaushalts von zur Zeit rund 800 Millionen DM mit steigender Tendenz führen. Das würde einem Verzicht auf jede fühlbare Steuersenkung gleichkommen. Hierüber sind sich die Befürworter einer Verlagerung der sogenannten politischen Lasten der Bundesbahn auf den Bund, wie es stark vereinfacht heißt, offenbar nicht im klaren.
2. Übergang der Bundesbahn zu echten Kostentarifen.
Hierbei würde sich die Überlegenheit der Bundesbahn über den Lastkraftwagen auf den großen, stark benutzten Strecken zeigen. Der Ausgleich auf diesem Wege müßte aber durch eine starke Verteuerung der Transporte auf allen wenig benutzten Nebenstrecken erkauft werden. Das würde die Wirtschaft in den abgelegenen Gebieten des Bundesgebiets zum Erliegen bringen.

(Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

3. Belastung der Wirtschaft mit den echten Kosten des Verkehrs.
Die heutigen Kosten des Güterverkehrs auf der Straße beruhen auf der Beförderungspflicht der Bundesbahn nach gleichmäßig aufgebauten Tarifen. Wenn der Kraftwagen die Güter ohne Rücksicht auf Beförderungszeit und Menge transportieren müßte, wäre es ihm unmöglich, mit den an die Bundesbahntarife angeglichenen Reichskraftwagentarifen auszukommen. Es wäre durchaus gerechtfertigt, wenn die Wirtschaft dafür einen Ausgleich zahlte, falls die Bundesbahn einzig aus diesem Zusammenhang der Tarife heraus ihre Ausgaben nicht aus Einnahmen decken kann.
Außerdem hat der Lastkraftwagen bisher keinen angemessenen Beitrag zu den Straßenkosten geleistet. Gerade die schwersten Wagen, die die Straße am stärksten beanspruchen, genossen bisher einen Tarifvorteil, der vom „Dritten Reich" aus Rüstungsgründen eingeführt worden war. Alle Berechnungen, die über die Aufbringung der Straßenkosten aufgemacht worden sind, lassen unberücksichtigt, daß zwei Drittel der Kraftfahrzeugsteuer von den Personenwagen aufgebracht werden, die die Straßen kaum abnutzen. Außerdem sind in keiner der Rechnungen, die von seiten des Kraftwagens aufgestellt sind, die Kapitalkosten — Verzinsung und Tilgung — für das in den Straßen investierte Kapital berücksichtigt. Würde man alle Kosten, die der Lastwagen hinsichtlich der Straßen verursacht, ihm entsprechend anlasten, so würde nach den vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen der Lastwagentarif so hoch sein müssen, daß der wettbewerbsmäßige Ausgleich mit der Schiene bereits von der Kostenseite her erreicht würde.
Das eigentliche Ziel des Entwurfs ist deshalb, einen ersten — und wie wir hoffen — wirkungsvollen Schritt in die Richtung eines echten Kostenausgleichs zu tun. Der Lastkraftwagen soll stärker als bisher entsprechend seiner Einwirkung auf die Straße zur Kraftfahrzeugsteuer herangezogen werden.
Bei der Beförderungssteuer soll der Nahverkehr auf der Straße dem Schienenverkehr gleichgestellt werden. Der Werkfernverkehr, der seine Transporte auf die Bedürfnisse des Betriebes ausrichtet,


(Bundesfinanzminister Schiffer)

soll erstmalig durch stärkere Heranziehung zur Beförderungsteuer einen Ausgleich dafür zahlen, daß die Bundesbahn mit ihren Einrichtungen alle Transporte durchführt, die der Werkfernverkehr aus wirtschaftlichen Gründen nicht übernehmen will. In Richtung eines Kostenausgleichs wirkt auch die stärkere Erhöhung der Mineralölsteuer auf Dieselöl. Finanz- und verkehrswirtschaftlich gesehen ist in diesen Fällen der eigentliche Steuertatbestand der Beitrag zur Straßenbaulast und die Ausnutzung des gegenwärtigen Tarif- und Beförderungspflichtsystems der Bundesbahn für die unrentablen Transporte, während die auch für die Bundesbahn kostendeckenden Transporte mit Kraftwagen durchgeführt werden.
Der einzig durchschlagende Einwand gegen den Entwurf kann meines Erachtens nur sein, daß die Maßnahmen nicht weitgehend genug sind. Als Beispiel darf ich anführen, daß der Leiter des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Köln, Prof. Dr. Berkenkopf, eine volle Belastung des Lastkraftwagens mit Straßenkosten erst bei einer Erhöhung der Besteuerung des Dieselkraftstoffes um 30 bis 40 Pf. als erreicht ansieht. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Prof. Dr. Schmitt von der Universität Freiburg. Das private Kraftfahrzeuggewerbe wird hierzu sagen, daß dann jeder Kraftverkehr auf der Straße aufhören müßte. Dieser Einwand erscheint aber nicht stichhaltig; denn es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, daß die Kraftwagentarife erforderlichenfalls angehöht werden müssen, damit der Kraftwagenunternehmer seine Kosten decken kann. Dem Verfrachter muß es aber jeweils überlassen werden auszuwählen, ob er bei dieser Sachlage die Eisenbahn oder den gegenüber jetzt dann teureren Lastkraftwagen benutzen will, der dafür eine Transportleistung erbringt, die die Wünsche des Auftraggebers stärkerberücksichtigen kann.
Deshalb müssen alle Vorschläge, die auf eine Abwälzung der steuerlichen Mehrbelastung des Lastkraftwagens auf den Personenwagen hinauslaufen, für die Verkehrslage völlig wirkungslos bleiben. Der Entwurf wäre dann nur noch ein Fiskalgesetz, das auf das Wettbewerbsverhältnis Straße/Schiene ohne Auswirkung ist. Das bedeutet, daß auf eine Lösung der Verkehrsnot durch eine Neuordnung des Verkehrs überhaupt verzichtet wird. Das muß ich insbesondere zu den sicher gut gemeinten Gegenvorschlägen des Herrn Kollegen Müller-Hermann sagen, da er nicht die finanzwirtschaftlichen Folgerungen aus dem Verzicht auf jede Steuerung des Verkehrs zieht. Das aus dem Entwurf zu erwartende Mehraufkommen, das Herr Kollege Müller-Hermann auf andere Weise erzielen will, ist dann allerdings viel zu gering. Mit den 290 Millionen DM, die etwa dem Bund jährlich zufließen dürften, könnten die Kosten der Fehlentwicklung des Verkehrsapparats bei weitem nicht gedeckt werden. Die Subventionierung des Verkehrs über die Bundesbahn dürfte für die kommenden Rechnungsjahre mit 1 Milliarde DM eher zu niedrig als zu hoch veranschlagt sein, wenn die steigenden laufenden Straßenkosten mit berücksichtigt werden. Daneben müßten für Investitionen bei der Bundesbahn und für die Bundesstraßen die auch jetzt vorgesehenen Mittel zusätzlich aufgebracht werden, da die erwähnte Milliarde DM für konsumtive Zwecke verwendet werden müßte und nur dazu dienen würde, die heutigen Zustände aufrechtzuerhalten, die in diesem Hohen Hause wiederholt als untragbar bezeichnet worden sind. Ob diese Subventionierung als betriebsfremde oder als gemeinwirtschaftliche Lasten der Bundesbahn firmiert, ändert ebensowenig ihren Charakter wie die Notwendigkeit, sie durch ein künftiges Anziehen der Steuerschraube aufzubringen. Ich habe unter den zahlreichen Vorschlägen, die als „Verkehrskonzeption" angeboten wurden, keinen gefunden, der diesen Gegebenheiten Rechnung trägt.
Dabei wäre die dann unerträglich hohe neue Steuerbelastung nicht einmal das größte Unglück. Viel schlimmer ist, daß hierdurch eine Lösung der Verkehrsfrage auch für die Zukunft auf unabsehbare Zeit verbaut würde.
Der Plan der Bundesregierung geht nämlich davon aus, daß die Ertragskraft der Bundesbahn durch die Verbesserung ihrer Wettbewerbslage in wenigen Jahren so gestärkt wird, daß für den Straßenbau wesentlich größere Mittel frei gemacht werden können. Das gilt insbesondere dann, wenn die Bundesbahn ihren Kreditbedarf wieder selbst decken kann. Mit dieser Möglichkeit ist nicht zu rechnen, wenn der Bundeshaushalt mit rund 1 Milliarde DM Subventionsmittel jährlich belastet bleibt. Daneben dürfte es kaum möglich sein, aus dem Bundeshaushalt zusätzliche Mittel für den Ausbau der Verkehrswege frei zu machen.
An diesen harten Tatsachen kommt niemand vorbei. Sie werden von den Verfechtern einer „weichen Lösung" aus Gründen, die ich dahingestellt sein lasse, übersehen. Ich verkenne nicht, daß Vorschläge, die harte Maßnahmen vermeiden, lieber angehört werden als der Vorschlag solcher harten Tatsachen. Es ist eine alte Erfahrung, daß man sich den Pelz nicht gerne naß machen läßt. Auch im täglichen Leben ziehen viele einen Wunderdoktor vor. Sie laufen dabei allerdings Gefahr, zum operativen Eingriff, der dauernde Heilung versprochen hätte, zu spät zu kommen. Vor dieser Entscheidung stehen wir heute auf dem Gebiet des innerdeutschen Verkehrswesens. Durch Herumkurieren an einigen Symptomen kann der eigentliche Krisenherd nur auf kurze Zeit verdeckt werden. Die Katastrophe wird dann um so verhängnisvoller in Erscheinung treten, und zwar zu einem Zeitpunkt, der von uns nicht mehr bestimmt werden kann.
Eine Gesundung des Verkehrs kann nur erreicht werden, wenn die Wirtschaft für die Gesamtheit der Transporte den echten Preis zahlt.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Dies ist eine so selbstverständliche Forderung, daß gerade die Wirtschaft sich ihr nicht verschließen sollte.
Zu den einzelnen Abschnitten des Entwurfs habe ich kurz folgendes zu bemerken:
Zu Abschnitt I — Änderung der Kraftfahrzeugsteuer. Lastkraftwagen, Anhänger und Kraftomnibusse wurden bisher nach dem Eigengewicht, Zugmaschinen nach Brems-PS besteuert. Ausgehend von dem Grundgedanken, daß die Besteuerung der Abnutzung der Straßen besser angepaßt werden soll, soll die Steuer nunmehr nach dem zulässigen Gesamtgewicht bemessen werden.
Der Steuersatz für Lastkraftwagen und Omnibusse beträgt jetzt je 200 kg Eigengewicht 45 DM. Jedoch verringert sich die Steuer auf 15 DM je 200 kg Eigengewicht, soweit das Eigengewicht 2400 kg übersteigt. Der Entwurf sieht eine Be-


(Bundesfinanzminister Schäffer)

Steuerung mit 22,50 DM je 200 kg Gesamtgewicht vor, wodurch der unerfreuliche Knick bei 2400 kg Eigengewicht beseitigt wird. Der Übergang zur Gesamtgewichtsbesteuerung bei gleichzeitiger Halbierung des Steuersatzes führt bei leichten Fahrzeugen, insbesondere den Lieferwagen, zu einer Senkung der Steuer und bei den schweren Fahrzeugen zu einer Erhöhung. Wenn damit die schweren Fahrzeuge auch noch keineswegs in dem Umfang zur Steuer herangezogen werden, wie sie Straßenkosten verursachen, so enthält die Änderung jedenfalls die gesunde Tendenz, denjenigen stärker heranzuziehen, der die Straße stärker abnutzt. Aus diesem Grunde ist für die schwersten Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 15 000 kg ein Steuersatz von 51 DM je 200 kg vorgesehen. Dieser höhere Steuersatz soll sich jedoch nur auf das 15 000 kg übersteigende Gewicht erstrecken und erst ab 1. Januar 1955 in Kraft treten.
Die Anhänger, die bisher steuerlich begünstigt sind, sollen den gleichen Sätzen unterworfen werden. Das ist insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil bei Anhängern die Nutzlast etwa doppelt so hoch ist wie bei gleich schweren Lastkraftwagen, während sie die Straßen in gleicher Weise abnutzen wie die Motorwagen.
Die Personenkraftwagen sind bisher im Verhältnis zu den Lastkraftwagen unverhältnismäßig stärker zur Steuer herangezogen worden. Aus diesem Grunde ist eine Senkung der Steuer um 20 % für Personenkraftwagen vorgesehen. Eine weitergehende Senkung ist wegen des zu erwartenden Steuerausfalls nicht vertretbar. So würde eine Senkung um 40 % einen Steuerausfall von fast 100 Millionen bedeuten. Andererseits ist ein Ausgleich des Steuerausfalls durch Erhöhung der Mineralölsteuer schon deshalb bedenklich, weil sich dadurch im Bundesgebiet Treibstoffpreise ergeben würden, die die Preise des benachbarten Auslands überstiegen.
Der Gesetzentwurf enthält außerdem Vergünstigungen für Fahrzeuge Körperbehinderter und für Oberleitungsomnibusse. Die Kombinationskraftwagen sollen nach dem Entwurf den Lastkraftwagen gleichgestellt werden, weil sie hauptsächlich der Güterbeförderung und nur gelegentlich der Personenbeförderung dienen.
Zu Abschnitt II — Änderung der Beförderungssteuer. Der Entwurf sieht eine Ausdehnung der Beförderungssteuer auf den gewerblichen und den Werknahverkehr vor, die bisher von der Beförderungsteuer befreit waren. Für den gewerblichen Verkehr bedeutet diese Änderung praktisch eine Erhöhung von 4 % auf 7 %, da der gewerbliche Verkehr bisher der Umsatzsteuer unterlag, die in Zukunft wegfällt. Zur Vermeidung von Verwaltungsschwierigkeiten ist in Aussicht genommen, die Beförderungssteuer des Werknahverkehrs in geeigneter Weise zu pauschalieren. Von der Besteuerung des Werkverkehrs soll Abstand genommen werden, wenn Güter innerhalb einer Betriebsstätte des Unternehmens oder mit Kraftfahrzeugen bis zu 750 kg Nutzlast befördert werden. Besondere Vergünstigungen sind im Interesse der Land-und Forstwirtschaft vorgesehen.
Die Beförderung von Kohlen aller Art ist bisher von der Beförderungsteuer befreit gewesen. Diese Befreiung soll für die Beförderung im Straßenverkehr aufgehoben werden, um die Straßen von diesem ausgesprochenen Massengut zu entlasten. Für den Werkfernverkehr ist ein Steuersatz von 5 Pf. je t/km in Aussicht genommen. Mit dieser Erhöhung der Steuer soll ein Ausgleich für die zahlreichen wirtschaftlichen Vorteile geschaffen werden, die der Werkfernverkehr bietet. Dieser Vorteil liegt in erster Linie darin, daß der Werkfernverkehr sich jederzeit nur die vorteilhaften Transporte aussucht und im übrigen die Güter dem gewerblichen Verkehr und den Eisenbahnen überläßt. Diese Erhöhung ist gerechtfertigt.
Abschnitt III — Änderung der Mineralölsteuer. Parallel zur Begünstigung des Lastkraftwagens gegenüber dem Personenkraftwagen bei der Kraftfahrzeugsteuer läuft bisher eine Steuervergünstigung für Dieselkraftstoff gegenüber dem Benzin im Mineralölsteuergesetz. Diese unterschiedliche Besteuerung der beiden Kraftstoffe hat wesentlich dazu beigetragen, die Wettbewerbsverhältnisse gegenüber den Eisenbahnen zugunsten des Lastkraftwagens zu verschieben. Ein Beispiel, das die Zahlen des Herrn Kollegen Seebohm unterstützt, möge das erläutern. Ein Volkswagen ist bei einem Verbrauch von 7,6 1 Benzin heute mit 1,26 Pf. je Bruttotonnenkilometer belastet. Demgegenüber bringt ein 6-t-Lastkraftwagen bei einem Verbrauch von 22,3 1 Dieselkraftstoff nur 0,11 Pf. Mineralölsteuer je Bruttotonnenkilometer auf. Ein 30-t-Lastzug mit einem Verbrauch von 47,3 1 Dieselkraftstoff zahlt sogar nur eine Mineralölsteuer von 0,057 Pf. je Bruttotonnenkilometer.
Der Gesetzentwurf sieht deshalb eine Annäherung der bisherigen Unterschiede in der Besteuerung der verschiedenen Kraftstoffe vor. Der Dieselkraftstoff soll um 7 Pf. je Liter erhöht werden. Wenn gleichzeitig eine Erhöhung der Benzinsteuer um 1 Pf. je Liter vorgesehen ist, wird das deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil die Kraftfahrzeugsteuer um 20 °/o gesenkt werden soll und weil durch diese Erhöhung um 1 Pf. dem Bund zusätzliche Mittel für den Ausbau der Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen zufließen.
Abschnitt IV — Finanzierung des Baues von Bundesautobahnen. Von den einzelnen Teilen des Entwurfs ist der Abschnitt IV über den Bau von Bundesautobahnen am wenigsten umstritten. Die Bestimmungen sollen den Bau von rund 600 km Bundesautobahnen durch Ausnutzung privatwirtschaftlicher Finanzierungsmöglichkeiten sicherstellen. Die vorgesehene Gesellschaft dient nur als Kreditträger, der für den Bund eine Geschäftsbesorgung ausführt. Die Abwicklung der Bauvorhaben liegt unverändert bei der Auftragsverwaltung der Länder, wie das Grundgesetz es vorsieht.
Als Kreditgrundlage dient ein gesetzlich festgelegter Betrag, der im Entwurf auf 80 Millionen DM beziffert ist und der der Gesellschaft 14 Jahre lang zufließen soll. Für weitere Einnahmen der Gesellschaft ist eine Ermächtigung zur Erhebung von Autobahnbenutzungsgebühren vorgesehen. Hiergegen hat sich eine Reihe von Stimmen erhoben, die die Erhebung von' Gebühren teils als verkehrshemmend ansehen, teils der Meinung sind, daß es Aufgabe des Bundes sei, die Bundesautobahnen aus allgemeinen Haushaltsmitteln herzustellen. Die Art der Erhebung der Gebühren kann gegenwärtig offenbleiben. An der Notwendigkeit, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, wird jedoch kaum vorbeizukommen sein, da der feste Jahresbetrag von 80 Millionen DM allein nicht ausreicht, die Strecken


(Bundesfinanzminister Schäffer)

I. Dringlichkeitsstufe in wesentlich kürzerer Zeit als 14 Jahren fertigzustellen. Nach der Haltung des Bundesrates können die Gebühren im übrigen nur mit dessen Billigung festgesetzt werden.
Wenn alle Finanzierungsmöglichkeiten ausgenutzt werden, bin ich überzeugt, daß bereits in wenigen Jahren fühlbare Fortschritte beim Autobahnbau erzielt werden können.
Zum Abschluß darf ich nochmals unterstreichen, daß dieser Entwurf von ganz entscheidender Bedeutung für die künftige Entwicklung nicht nur unseres Verkehrswesens, sondern auch unserer gesamten öffentlichen Finanzwirtschaft ist. Wenn wir das Gebot der Stunde verkennen und vor der zweifellos großen Verantwortung zurückschrecken, das Notwendige zu tun, bin ich überzeugt, daß wir noch in dieser Legislaturperiode vor schier unüberwindlichen finanzwirtschaftlichen Problemen stehen werden, in die uns die um sich greifende Verkehrsnot zwangsläufig hineinzieht. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen, wenn Sie den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 einer eingehenden Prüfung unterziehen. Wenn es nicht schon zu spät ist, so entscheiden wir uns doch in allerletzter Minute.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Die Lage der Bundesbahn hat sich so zugespitzt, daß nur noch schnelles Handeln rechtzeitig Hilfe bringen kann. Ich appelliere daher an das Hohe Haus, unmittelbar nach den Parlamentsferien den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 in der Fassung, die Ihnen die Bundesregierung vorgelegt hat, mit möglichst großer Beschleunigung zu verabschieden.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0203801000
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Müller-Hermann (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Herren Minister!

(Zurufe links: Nanu!)

Sehr geehrte Damen und Herren! Erwarten Sie bitte von mir keine rhetorischen Kunststücke, und erwarten Sie von mir nicht, daß ich etwa hier mit Pathos spreche. Denn es handelt sich bei der Materie, mit der wir uns heute zu beschäftigen haben, um ein außerordentlich ernstes Problem, das keine Weltanschauungsfrage ist, sondern ausschließlich eine wirtschaftspolitische Frage, bei der, um mit den Worten von Herrn Minister Seebohm zu sprechen, die lautesten Argumente nicht immer die besten sind. Wir haben alle die Aufgabe, das Problem nüchtern bis zu Ende zu durchdenken. Das ist der einzige Weg, auf dem wir zu klaren und vernünftigen Ergebnissen kommen können. Es scheint mir daher auch falsch zu sein, wie es leider in der öffentlichen Diskussion vielfach geschieht, daßwir mit Schlagworten operieren, mit den Worten verkehrskonform und marktkonform, Dirigismus usw. Diese Schlagworte dienen häufig mehr zur Vernebelung der wahren Tatbestände und zur Erregung des Gemüts als zur Erhellung der Materie. Und auch mit dem Gebrauch von Statistiken müssen wir außerordentlich vorsichtig sein, denn wir haben allen Anlaß, bei allen Zahlenunterlagen, die uns heute zur Verfügung stehen, zunächst einmal sorgfältig zu prüfen, welche Tendenzen hinter den Statistiken stehen.
Es hat auch keinen Zweck, daß wir das Verkehrsproblem — das Stichwort ist in der letzten Debatte im Februar gefallen — aus einer Eisenbahnerweltanschauung oder aus einer Ideologie der Kraftverkehrswirtschaft betrachten oder nur noch ein Herz für den Zement haben oder nur noch Bretter vor den Augen sehen. Der Bundestag hat die Verantwortung, daß eine Lösung des Problems gefunden wird, die in erster Linie den Menschen und unserer gesamten Volkswirtschaft dient.

(Abg. Altmaier: Dem Menschenleben!)

Es ist selbstverständlich, daß es Interessentenvertretungen gibt und daß diese ihre Meinung in Broschüren, Denkschriften, Resolutionen vorlegen, von denen wir eine ganze Fülle auf unseren Schreibtischen haben oder in die Papierkörbe gelegt haben. Vielleicht wäre es wünschenswert, daß die enormen Mittel, die von allen Interessentengruppen für Propaganda in dieser Richtung ausgegeben werden — das gilt auch für diejenigen Verkehrsträger, die heute sehr viel von ihrer großen Notlage sprechen —, dazu verwendet würden, daß der Normalverbraucher, der Endabnehmer auch im Bereich des Verkehrs davon profitiert. Wenn wir schon von Interessentenvertretungen sprechen, dann haben wir Bundestagsabgeordnete meines Erachtens vor allem die Pflicht, diejenigen Bevölkerungsgruppen als die Interessenten zu betrachten, für die wir in erster Linie verantwortlich sind, die sonst keine Interessentenvertretung haben; damit meine ich insbesondere die Fußgänger.
Meine Damen und Herren! Es ist zuweilen ein gewisser Unmut darüber laut geworden, daß aus den Reihen der Koalition eine Alternative zu einer Materie vorgelegt worden ist, die auch bereits die Bundesregierung bearbeitet hat. Früher hat man davon gesprochen, daß Räder für den Sieg rollen müssen. Heute werden nach gewissen Äußerungen die Augen dafür gebraucht. Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist einmal ein offenes Wort am Platze.
Meine politischen Freunde, die die Alternativvorlagen unterschrieben haben,

(Abg. Lenz [Brühl]: Das haben wir ja nicht getan!)

und ich, wir sind in jeder Beziehung loyale Unterstützer der Politik der Bundesregierung und des Bundeskanzlers und respektieren die Minister dieses Kabinetts und auch den Herrn Bundesverkehrsminister. Aber wir müssen uns vor dem Vorwurf der Öffentlichkeit hüten, daß wir hier eine Uniformierung der Meinungen anstreben oder gutheißen. Nicht jede Vorlage, die von irgendeinem Ministerium erarbeitet wird, und auch nicht jede Vorlage des Kabinetts ist für uns Bundestagsabgeordnete unfehlbar.

(Beifall rechts und bei Abgeordneten der SPD. — Abg. Welke: Das sind ja ganz neue Gedanken! — Abg. Baur [Augsburg]: Trifft das bei anderer Gelegenheit auch zu?)

Wir erleben eine zum Teil bedenkliche Verlagerung des Schwergewichts in der gesetzgeberischen Arbeit von der Legislative zur Exekutive. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß die Materien, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, so diffizil sind, daß eben eine sehr große Sachkenntnis dazu erforderlich ist, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Daraus ergibt sich ein nicht immer erfreulicher, wachsender Einfluß der Bürokratie. Ohne hier irgendwie zu verallgemeinern, meine Damen und Herren, müssen wir uns doch als


(Müller-Hermann)

Volksvertretung energisch zur Wehr setzen gegen die Gleichgültigkeit oder zuweilen auch die Respektlosigkeit der Ministerialbürokratie gegenüber der Volksvertretung.

(Allgemeiner Beifall.)

Auch in diesem Falle sind die Vorlagen erarbeitet worden, ohne daß die Fraktionen der Koalition bei den Vorarbeiten mit eingeschaltet worden sind.

(Aha-Rufe bei der SPD.)

Aber, meine Damen und Herren, die Verantwortung in der Öffentlichkeit tragen für alle diese Vorlagen die Parteien der Koalition und in erster Linie wir als Christlich-Demokratische Union. Wir als Parlament werden mehr und mehr zwischen die Szylla und die Charybdis der Ministerialbürokratie auf der einen und der Interessentenvertretungen auf der anderen Seite gedrängt, und es gehört schon in der heutigen Situation für einen Abgeordneten eine sehr große Energie dazu, sich ein selbständiges und unabhängiges Urteil zu erarbeiten und zu erhalten. Wir können aber als Parlament auf das Recht zur gesetzgeberischen Initiative nicht verzichten, und dieses Recht darf nicht nur auf dem Papier stehen und darf auch nicht nur auf die Opposition beschränkt bleiben. Die Koalitionsparteien haben die Pflicht, gegenüber der Regierung das Gewissen der Wählerschaft zu sein, die diesen Parteien ihr Vertrauen ausgesprochen hat.
Im Falle der Verkehrsvorlagen scheint mir diese Notwendigkeit insbesondere festzustehen nach der ungünstigen Aufnahme, die vor allem die Verbotsgesetzgebung des Bundesverkehrsministeriums in der Öffentlichkeit gefunden hat, die in einem zweifellosen Widerspruch zu bisherigen Erklärungen sowohl der Bundesregierung als auch des Bundesverkehrsministers steht. Ich glaube, bereits die Tatsache, daß eine Alternative erarbeitet und vorgelegt worden ist — man spricht von der neuen 131er-Gesetzgebung —, hat in der Öffentlichkeit zu einer Beruhigung der Gemüter geführt und den Menschen, die an den Verkehrsproblemen auf der einen oder andern Seite interessiert sind, die Gewähr dafür gegeben, daß die Materie tatsächlich von allen Seiten sorgfältig durchdacht und geprüft wird.
Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang notwendig festzustellen, daß die sechs Alternativvorlagen nur in einem Falle sich in einer Konkurrenz zu den Regierungsvorlagen befinden, und zwar im Falle des Verkehrsfinanzgesetzes, das Herr Bundesfinanzminister Schäffer eben hier begründet hat. Ich stehe nicht an zu erklären, daß wir dieses Verkehrsfinanzgesetz der Bundesregierung als eine geeignete Diskussionsgrundlage betrachten. Aus diesem Grunde ist auch die Alternativvorlage in Form und Inhalt dem Verkehrsfinanzgesetz der Bundesregierung so angepaßt, daß es sich praktisch nur im einzelnen um Abänderungsvorschläge handelt.
Meine Freunde und ich nehmen nicht in Anspruch, daß die Alternativvorlagen etwa in jeder Beziehung der Stein der Weisen seien; wir nehmen aber für uns in Anspruch, daß diese Vorlagen — um hier einmal mit den Worten einer neutralen Organisation, nämlich des „Bundes der Steuerzahler", zu sprechen — eine sehr umfassende und sorgfältig durchdachte Arbeit sind, die Anspruch darauf hat, neben den Regierungsvorlagen in den Ausschüssen gleichberechtigt und gleichwertig behandelt zu werden.
Nun hat der Herr Bundesverkehrsminister, nachdem die zwei Gesetzentwürfe dem Hause vorgelegt worden sind, uns zu verstehen gegeben, daß es sich hier nur um einen ersten Teil einer Gesamtkonzeption handelt, und hat versucht, diese Gesamtkonzeption hier heute näher zu beschreiben. Wir haben bisher von dieser Gesamtkonzeption nichts im Detail gehört, sondern nur die Ankündigung, daß eine solche vorliege. Wir haben aber in der Zwischenzeit einen gewissen Vorgeschmack bekommen, wie eine solche Gesamtkonzeption aussehen könnte, und zwar durch das auch vorgelegte Personenbeförderungsgesetz. Dieses Personenbeförderungsgesetz ist zweifellos eine eindeutige Parteinahme des Bundes zugunsten der staatlichen Regiebetriebe und zu Lasten der mittelständischen Existenzen und für uns nur ein erneuter Anlaß, in allen Fragen der Verkehrsgesetzgebung die uns von den Wählern aufgetragene Wachsamkeit zu üben.
Es ist dann der Vorwurf erhoben worden, durch das Einbringen von Alternativvorschlägen würde eine Verabschiedung der Verkehrsgesetzgebung verzögert. Ich glaube, daß das Gegenteil der Fall ist. Entscheidend ist ja die Reihenfolge, in der wir uns an die Bearbeitung der Materie begeben, und ich bin mit dem Herrn Bundesfinanzminister der Meinung, daß wir an die erste Stelle das Verkehrsfinanzgesetz setzen und uns dann über die Frage der Unfallbekämpfung und die Frage der Verkehrswegefinanzierung unterhalten sollen. Ich fürchte nur, daß der Zeitverlust in der Bearbeitung der ganzen Vorlagen nicht durch das Vorhandensein von Alternativvorschlägen hervorgerufen wird, die doch eine Beschleunigung der Arbeit in den Ausschüssen ermöglichen, weil bereits ganz andere Materien in Gesetzesform behandelt werden, sondern daß der Zeitverlust durch das Fehlen geeigneter, sorgfältig analysierter Unterlagen eintreten wird, auf deren Fehlen von diesem Hause seit langem hingewiesen worden ist.
Bevor ich nun auf die Problematik im einzelnen eingehe und in einer Auseinandersetzung mit den Vorschlägen oder den Gedanken des Bundesverkehrsministeriums die Alternativgedanken entwickle, darf ich vielleicht noch auf das Klima der Verkehrspolitik zu sprechen kommen. Es ist noch nie so schlecht gewesen wie zur Zeit. Die Fronten: Wirtschaft — Verkehrsträger — Ministerien, stehen sich wie die Kampfhähne gegenüber. Wir haben aber als Bundestag gar kein Interesse daran, etwa die Eisenbahner gegen die im Kraftverkehr tätigen Menschen oder den einen Teil gegen die Wirtschaft oder gegen die politischen Organe auszuspielen, sondern wir haben bei aller natürlichen Überschneidung der Interessen nur das eine Anliegen, daß wir diese Kräfte, auf die wir alle angewiesen sind, zusammenführen und mit ihrer gemeinsamen Arbeit ein vernünftiges Ergebnis auf dem Gebiete des Verkehrs erreichen.

(Abg. Dr. Orth: Sehr gut!)

Dafür ist es notwendig, daß die Wirtschaft und die im Straßenverkehr tätigen Betriebe möglichst bald Klarheit erhalten über den weiteren Gang der Dinge, über ihre Rechte und ihre Pflichten, über ihre Belastung, und dazu ist notwendig, daß auch die Eisenbahner, für deren Leistungen in den Nachkriegsjahren wir, meine Damen und Herren, nur die größte Hochachtung aufbringen können, das Bewußtsein erhalten können, daß ihre Existenz dadurch gesichert ist, daß wir die Bundesbahn zu einem natürlicherweise gesunden Unternehmen machen, und nicht dadurch, daß die Bundesbahn weiter ein Koloß auf tönernen Füßen ist.


(Müller-Hermann)

In der Verkehrsdebatte im Februar habe ich in der Begründung der Großen Anfrage an den Herrn Bundesverkehrsminister die Bitte gerichtet, seinen ganzen Einfluß darauf zu richten, daß nach Möglichkeit zur Ordnung des Verkehrswesens eine freie Vereinbarung der Beteiligten zustande kommt. Die Einsicht, daß Opfer gebracht werden müssen, ist zweifellos auf allen Seiten vorhanden. Man muß aber nach dem Stand der Dinge den Eindruck bekommen, daß das Hauptgewicht leider nicht darauf gelegt ist, die Leute zusammenzubringen, sondern darauf, sie gegeneinander auszuspielen und den Versuch zu machen, ein am grünen Tisch erarbeitetes Konzept oder Rezept, das vielleicht mit einer Seite abgesprochen worden ist — ich weiß es nicht — allen Beteiligten wie einen zu großen Hut über den Kopf zu stülpen. Die Folge jedenfalls ist eine Tatsache, die wir nicht übersehen können: daß über die Art der Verhandlungsführung eine allgemeine Unzufriedenheit bei den Beteiligten zum Ausdruck kommt, eine Unzufriedenheit, meine Damen und Herren, die sich auf die gesamte Regierung und auf die gesamte Koalition auswirkt. Unsere Bemühung in den Ausschußberatungen wird zunächst einmal darauf gerichtet sein müssen, hier das Klima zu bereinigen, und ich fürchte, daß auch das mit zu einem Zeitverlust führen könnte.
Ich habe aber noch eine sehr große Bitte, meine Damen und Herren: daß sich das schlechte Klima der Verkehrspolitik nicht noch auf die parlamentarische Ebene verlagert. Das Problem ist viel zu ernst, als daß Dogmen oder persönliche und Prestigefragen oder Fragen der Rechthaberei eine Rolle spielen sollten.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Ich bin der Meinung, das Bundesverkehrsministerium hätte vielleicht sogar Anlaß, froh zu sein, daß nicht nur Anregungen kommen, sondern daß auch Probleme einmal in einer Form angepackt werden, die das Bundesverkehrsministerium mit Rücksicht auf benachbarte Ministerien in der gleichen Form oder in der gleichen Zielsetzung nicht so energisch anpacken kann. Statt dessen scheint mir völlig unnötigerweise eine persönliche Verärgerung eingetreten zu sein. Ich weiß z. B., daß eine Anweisung gegeben worden ist, ein Sachbearbeiter dürfte an einer Tagung, zu der er eingeladen worden war, nicht teilnehmen, weil Herr Müller-Hermann dort zufällig das Referat hielt. Ich mußte dann den Herrn Sachbearbeiter, nachdem er am folgenden Tag auf der Tagung erschienen war, erst fragen, ob er wohl die Erlaubnis aus dem Hause habe, mir die Hand zu geben. Wir sind gegen eine Uniformierung der Meinungen nicht nur im Parlament, sondern auch in den Ministerien. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, daß meine Freunde und ich den Willen haben, mit allen Ministerien, mit allen Ministern zu einer sachlichen Zusammenarbeit zu kommen, daß wir für jede Kritik an den Alternativvorlagen aufgeschlossen sind, weil uns an nichts anderem liegt, als zur bestmöglichen Lösung beizutragen. Aber auch der Herr Minister muß sich damit zurechtfinden, daß gelegentlich außer ihm selbst vielleicht auch einmal ein anderer zufällig einen vernünftigen Gedanken haben kann,

(Beifall in der Mitte — Zuruf von der SPD: Das wird ihm schwerfallen!)

wenn es sich auch, wie man hörte, um einen „her-
gelaufenen Journalisten" handelt. Auch Journalisten sind wie die Bergassessoren durchaus honorige Menschen, die sich mit Fleiß in eine Materie hineinzuarbeiten verstehen.

(Abg. Schoettle: Hört! Hört!)

Wie ist nun die heutige Situation auf dem Gebiet des Verkehrs entstanden? Ich glaube, wir müssen das einmal analysieren, wenn wir zu klaren Ergebnissen kommen wollen. Meines Erachtens sind in erster Linie drei Gesichtspunkte hierbei entscheidend: erstens der Krieg mit seinen Folgeerscheinungen, mit den Zerstörungen und dem Mangel an Investitionsmöglichkeiten sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße; zum zweiten ein natürlicher Trend zur Straße, der sich im Zuge einer technischen Entwicklung vollzieht. Wir erleben es daher, daß das Problem Schiene-Straße nicht nur in der Bundesrepublik besteht, sondern sich auch in allen Staaten der Welt zeigt. Ohne hier über Zahlen streiten oder Vergleiche anstellen zu wollen, kann ich sagen: sicher ist jedenfalls, daß die Motorisierung in der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Ländern noch zurücksteht. Aber die Motorisierung hat in der Bundesrepublik wie sonst in der Welt ja nicht nur Nachteile gebracht. Sie hat ein zusätzliches Verkehrsvolumen geschaffen, sie hat ein neues Wachstum hervorgerufen, sie hat zu einer Auflockerung der Städte und der Industriegebiete beigetragen. Wir wissen, welche Bedeutung gerade nach dem verlorenen Krieg, wo wir gezwungen waren, 10 Millionen Menschen zusätzlich in der Bundesrepublik aufzunehmen, der Möglichkeit zukam, Industrie vermehrt auch in ländlichen Bezirken anzusiedeln. Auf diese Weise sind gerade in den letzten Jahren viele Industrien unabhängig von den Bahnlinien, die in den früheren Jahrzehnten wegweisend für die Ansiedlung von Industrien waren, entstanden, eben indem sie sich damit begnügt haben, eine günstige Straßenverbindung zu haben. Diese ganze Entwicklung hat zu einem in der Tendenz durchaus gesunden neuen Gleichgewicht zwischen Stadt und Land beigetragen.
Es ist vielleicht auch bezeichnend, daß trotz des Einbruchs des Kraftwagens das Verkehrsaufkommen der Bundesbahn eine Steigerung erfahren hat. 1952 hatte die Bundesbahn im Vergleich zu 1938 einen Beförderungsindex von 120, der im Jahre 1953 leicht rückläufig gewesen ist, aber in erster Linie wohl durch die Entwicklung auf dem Montanmarkt. Herr Minister Seebohm selbst hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß sich die Achs-Tonnen-Leistung der Bundesbahn seit 1948 um 30 % gesteigert hat.
Noch ein dritter Tatbestand hat zu der heutigen Situation auf dem Gebiete des Verkehrs mit beigetragen. Das sind die Auswirkungen, aber zum Teil auch die Fehler der Verkehrs-, Steuer- und Tarifpolitik der letzten Jahre. Ich frage mich, meine Damen und Herren, warum wir eigentlich nicht, bevor wir jetzt so einschneidende, starre Maßnahmen wie eine Verbotsgesetzgebung ergreifen, zuerst einmal darangehen, den Versuch zu machen, durch eine Berichtigung der bisher falschen Steuer-, Tarif- und Verkehrspolitik das gleiche Ziel zu erreichen, und erst, wenn das nicht möglich ist, als ultima ratio den Versuch machen — wenn es dann noch notwendig sein sollte —, mit Verbotsmaßnahmen zu arbeiten, die einfach nicht in unsere allgemeine politische und wirtschaftspolitische Landschaft passen.


(Müller-Hermann)

Die Auswirkungen der sozialen Marktwirtschaft auf die Wirtschaft sind bekannt. Zweifellos hat der Verkehr und haben gerade auch die Leistungen der Eisenbahn und der Eisenbahner nicht minder als die Leistungen des Kraftverkehrs zu dem gewaltigen Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre beigetragen. Hier liegt eine Wechselwirkung vor. Die Motorisierung half der Wirtschaft in ihrem Aufschwung, und auf der andern Seite half der wirtschaftliche Aufschwung bei der Stärkung der Motorisierung. Diese Motorisierung ist zum Teil aus sehr gesunden, zum Teil aber auch, wie wir erkannt haben, aus unrichtigen Überlegungen heraus systematisch gefördert worden, besonders in Richtung auf die schweren Fahrzeuge, die wir heute als die Ungetüme auf den Landstraßen von dort möglichst verbannt wissen wollen. Ich denke nur an den sogenannten Knick in der Kraftfahrzeugbesteuerung, durch den gerade den schweren Fahrzeugen eine besondere steuerliche Begünstigung eingeräumt wurde. Ich denke an die Abschreibungsmöglichkeiten für die Lastwagen bei der Einkommensteuer, die zu einer enormen Vermehrung des Werkverkehrs geführt haben. Ich denke daran -- das wollen wir alle jetzt ja abstellen —, daß die anlastbaren Straßenkosten beim Straßenverkehr, beim Kraftverkehr, eben viel zu gering gewesen sind. Ich möchte auch darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß sowohl durch Maßnahmen des Bundestages als auch durch Rechtsverordnungen des Bundesverkehrsministeriums die zulässigen Gewichte in den letzten Jahren auf 40 t erhöht und die Lastzuglängen auf 20 m festgelegt worden sind. Meine Damen und Herren, es hat keinen Zweck, jetzt moralische Entrüstung darüber zu spielen, daß die Wirtschaft gesetzliche Möglichkeiten legal ausgenutzt hat.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir müssen uns vielmehr zunächst einmal an die eigene Brust schlagen und sehen, wo wir in den letzten Jahren gesündigt haben. Wir tragen wohl auch eine gewisse Verantwortung für die Existenzen, vor allem für die mittelständischen Existenzen, die im Vertrauen auf diese zwar falsche, aber tatsächliche Politik in den letzten Jahren aufgebaut worden sind.

(Beifall in der Mitte.)

Wenn ich etwas über die Politik der letzten Jahre auf dem Gebiet des Verkehrs sage, so muß ich anfügen, daß nicht nur der Straßenverkehr einseitig begünstigt worden ist, sondern daß man auch auf der andern Seite dem Rückgrat unserer Verkehrs-. bedienung, der Bundesbahn, nur sehr wenig Hilfe hat angedeihen lassen und daß man aus Gründen, die meines Erachtens respektiert werden müssen, nämlich infolge des Fehlens finanzieller Möglichkeiten, den Straßenbau nicht so vorantreiben konnte, wie es vor allem in Anbetracht der vordrängenden und systematisch geförderten Motorisierung notwendig gewesen wäre. In dieser Diskrepanz, meine Damen und Herren — darüber müssen wir uns zunächst einmal Klarheit verschaffen —, liegt der wesentliche Grund für die Unfallsituation, die wir alle so beklagen. Das Kennzeichen der Verkehrspolitik der letzten Jahre ist eben gewesen, daß man sich nicht Klarheit über die Gesamtheit der Materie verschafft hat und die Dinge mehr oder weniger hat treiben lassen, daß man nicht einmal an die Beseitigung of fen-sichtlicher Übelstände und Ungerechtigkeiten herangegangen ist. Denn die sogenannte Knickbeseitigung hätte doch schon längst erfolgen können und erfolgen sollen.

(Abg. Körner: Sehr richtig!)

Man hat auch nicht einmal in den Vorarbeiten zur Erarbeitung des Unterlagenmaterials das Nötige getan, so daß wir jetzt erst darangehen müssen, uns dieses Material zu erarbeiten, was sich auf die Ausschußberatungen zweifellos nicht förderlich auswirken wird.
Wir stehen nunmehr alle vor der Frage, was in dieser durch Krisenjahre gewachsenen und zum Teil künstlich geschaffenen Situation geschehen kann. Ich möchte zunächst auf das Einigende in der Zielsetzung hinweisen. Wir wollen uns hier ja doch nicht auseinanderreden, sondern wollen eine Synthese finden, wie wir am vernünftigsten zum Ziel kommen. Wir sind uns darin einig, daß Ordnung in das heutige Durcheinander und Gegeneinander gebracht werden muß, eine Ordnung, durch die der Verkehr in die Lage versetzt wird, seine Funktion als Teil der Wirtschaft und als Diener der Menschheit zu erfüllen. Wir wollen keine einseitige Interessenausrichtung, und zwar keine einseitige Ausrichtung zugunsten der öffentlichen Verkehrsbetriebe wie auch keine zugunsten der privaten Verkehrsbetriebe. Wir wollen eine Erhöhung der Verkehrssicherheit. Wir wollen eine Gesundung der Bahn, die auch in Zukunft das Rückgrat der Verkehrsbedienung bleiben soll. Wir wollen eine leistungsfähige Wirtschaft, und wir wollen eine Stärkung der selbständigen und mittelständischen Existenzen. Meinungsverschiedenheiten über Einzelheiten der Lösung wollen wir nicht verwischen, sondern sachlich austragen. Diese Meinungsverschiedenheiten gehen ja quer durch dieses Parlament. Ich weiß, daß die Meinungen in einer Frage, die nichts mit Weltanschauung zu tun hat, sondern ein nüchtern-sachliches Problem ist, natürlicherweise in allen Fraktionen nicht einhellig sind. Aber wir müssen diese Meinungsverschiedenheiten sachlich bereinigen.
Nun bietet das Bundesverkehrsministerium eine bequeme und, wie mir scheint, zum Teil verlokkende Lösung an, indem es nämlich sagt: Wir vollen den vorhandenen Verkehrskuchen durch den Staat aufteilen, indem wir für bestimmte Beförderungen ein Transportverbot aussprechen und zum andern den Werkverkehr nahezu prohibitiv besteuern. Damit würde zwangsweise eine Zuführung von Transporten zur Bahn erfolgen, und wir hätten als Ergebnis eine finanzielle Gesundung der Bahn und zugleich eine Entlastung der Straße sowie eine erhöhte Verkehrssicherheit. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß es meines Erachtens das Logischste gewesen wäre, ehe man einen solch unorganischen Eingriff in die Wirtschaft vorschlug, zunächst einmal Dinge zu berichtigen, die in den letzten Jahren offensichtlich falsch gewesen sind, und sich einen solchen Eingriff nur als äußersten Notbehelf aufzusparen. Vor allem müssen wir uns bei der Lösung dieser Fragen davor hüten, die Motive und die Zielsetzung miteinander zu verquicken. Wir müssen offen und logisch sein. Dann werden wir zu dem Ergebnis kommen, daß die Sanierung der Bahn und die Erhöhung der Verkehrssicherheit zwei getrennte Fragenkomplexe sind, die nichts miteinander zu tun haben und die man auch nicht unnötigerweise miteinander verquicken soll;

(Abg. Dr. Orth: Sehr richtig!)



(Müller-Hermann)

denn das führt immer zu Unaufrichtigkeiten, die wir vermeiden sollen.
Ich will mich jetzt nicht in eine Debatte darüber einlassen, inwieweit gerade die Verbotsgesetzgebung eine Sünde wider den Geist unserer Wirtschaftspolitik ist; das möchte ich anderen überlassen. Ich möchte auch nicht die Frage vertiefen, wieweit diese Verbotsgesetzgebung mit dem Grundgesetz vereinbar ist; darüber sollen sich die Rechtsgelehrten auseinandersetzen. Hier interessiert nur die nüchterne Überlegung: Welche Auswirkungen hat die Verbotsgesetzgebung, und werden die beiden Hauptziele, die dem Bundesverkehrsministerium vorschweben, nämlich Erhöhung der Sicherheit und Sanierung der Bundesbahn, auf diesem Wege erreicht? Sicher ist zunächst einmal, daß die Verbotsgesetzgebung natürlicherweise zu einer weiteren Stärkung der Bürokratie führen wird, denn Verbote erfordern eine Überwachung. Mir ist nicht ganz klar, wie man diese Überwachung durchführen soll, es sei denn, man setzt auf jeden Lkw gleich auch einen Polizisten, der aufpaßt, was der Mann auf dem Lastwagen hat. Verbote erfordern natürlicherweise Ausnahmen, und die Ausnahmen erfordern einen Apparat, aber, was mir noch wichtiger erscheint, sie erfordern, daß irgendwie ein Bürokrat darüber entscheidet, ob eine Ausnahme in einem wirtschaftlichen Vorgang gemacht werden soll oder nicht. Ich behaupte, daß ein Bürokrat — das ist kein Schimpfwort, das Wort Bürokrat droht ja schon manchmal als ein Schimpfwort aufgefaßt zu werden — zunächst einmal nicht die erforderliche Sachkenntnis hat, um darüber entscheiden zu können, ob ein Straßentransport aus wirtschaftlichen Gründen als Ausnahme notwendig ist oder nicht. Außerdem werden zweifellos die mittelständischen Existenzen des Kraftverkehrs durch diese Beförderungsverbote wenn nicht vernichtet, so doch schwer getroffen.

(Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt den Vorsitz.)

Zudem liegt ganz zweifellos eine Benachteiligung der wirtschaftsschwachen und der revierfernen Gebiete vor, die eben weniger mit Eisenbahnlinien erschlossen sind als andere Gebiete. Auf diese Art und Weise werden aber die bisherigen Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Wirtschaft zum Teil grundlegend geändert und verfälscht. Mein Kollege Donhauser wird gerade auf diese Frage noch näher eingehen. Die Wettbewerbsverhältnisse werden nicht nur gebietsmäßig grundlegend verändert, sondern auch innerhalb verschiedener Wirtschaftszweige, weil in Zukunft in viel stärkerem Maße, als es zur Zeit der Fall ist, die bahngünstige Lage auch für den Endpreis entscheidend sein wird. Es gibt gar keinen Zweifel, daß auf wichtigen Gebieten unserer Wirtschaft durch die Beförderungsverbote erhebliche Verteuerungen im Endpreis eintreten müssen.

(Abg. Dr. Orth: Sehr richtig!)

Ich glaube, daß diese Frage bisher noch in keiner Weise genügend durchdacht und geklärt worden ist.
Inzwischen sind nun wohl solche Überlegungen auch bei denen angestellt worden, die sich zunächst sehr intensiv für die Verbotsgesetzgebung eingesetzt haben und sie als das Allheilmittel bezeichnen. Wir erleben es heute, daß — möchte ich einmal sagen — „Handlungsreisende in Verbotsgesetzen" herumfahren und überall den Versuch machen, die
Verbotsgesetzgebung dadurch schmackhaft zu machen, daß sie Tauschgeschäfte anbieten. Das gilt zunächst für die rein politische Ebene im Hinblick auf die einzelnen Länder. Da gibt es immer verschiedene Möglichkeiten, darauf hinzuweisen, was man alles für ein Land tun könne, wenn —. Das gilt auch, meine Damen und Herren, für die Bundesbahn selbst, die heute darangeht, verschiedenen Randbezirken und auch verschiedenen Wirtschaftszweigen Ausnahmetarife anzubieten, wenn sie sich im Grundsatz mit der Verbotsgesetzgebung einverstanden erklären, oder die darangeht, Großbestellungen an die Industrie vorzunehmen, um eben das Klima auf Landesebene etwas zu ändern.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Ich glaube nur, daß das keine Gesichtspunkte für eine Verkehrspolitik sind. Vor allem sind wir im Gegensatz zum Herrn Bundesverkehrsminister der Meinung, daß die Tarifpolitik nicht am Ende der Verkehrspolitik zu stehen hat, sondern ein integrierender Bestandteil einer vernünftigen Verkehrspolitik ist.

(Sehr gut! links.)

Ich frage mich: Wie denkt man sich eine vernünftige Tarifgebarung, wenn man jetzt aus politischen Gründen unabhängig von den noch zu ermittelnden Erfordernissen der künftigen Verkehrs- und Tarifpolitik Zugeständnisse macht, die zweifellos in das Gesamtbild der zukünftigen Tarifpolitik nicht hineinpassen werden.
Und nun zu den beiden wichtigen Fragenkomplexen Bundesbahnsanierung durch die Verbote und Verkehrssicherheit. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten den Herrn Bundesverkehrsminister zitieren, der am 11. Februar 1954 ausführte:
Ich darf . . . das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, daß die Deutsche Bundesbahn im Schnitt der Jahre 1949 bis 1952 einen Ausgleich ihrer Betriebsausgaben durch die Betriebseinnahmen aufweist und daß in diesen vier Jahren, also im ganzen gerechnet, kein Defizit entstanden ist, das sich aus dem Verhältnis der Betriebseinnahmen zu den Betriebsausgaben, also aus der reinen Betriebsrechnung, ergab. Die Verluste, die im Jahre 1953 eingetreten sind, sind im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß wir durch gesetzliche Maßnahmen eine Erhöhung der Gehälter, denen eine Erhöhung der Löhne folgte, gehabt haben und daß die Eisen- und Kohlenpreise für die Bundesbahn nicht unerheblich gestiegen sind, Mehrbelastungen, die ich insgesamt pro Jahr mit 600 bis 700 Millionen DM beziffere, die also praktisch jenem Defizit entsprechen, das im letzten Jahr ausgewiesen worden ist.
Wir müssen der Bundesbahn helfen; aber, meine Damen und Herren, woher nehmen wir die moralische Berechtigung, dies einseitig zu Lasten eines anderen Verkehrsträgers zu tun, der, um mit dem Herrn Bundesverkehrsminister zu argumentieren, dieses Defizit nicht verschuldet hat?
Vielleicht ist es auch sehr aufschlußreich, Äußerungen des Vorstands der Bundesbahn selbst zu dieser Sache zu hören. Nach der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" äußerte sich Herr Präsident Frohne dieser Tage in bezug auf das Verbotsgesetz


(Müller-Hermann)

folgendermaßen: „Die Entlastung der Straße ist der entscheidende Gesichtspunkt. Kein anderes Verkehrsmittel werde sich also so wirtschaftlich wie die Bundesbahn erweisen, wenn ihr die politischen Lasten abgenommen und Mittel für die Beseitigung der Kriegsschäden und die Instandsetzung der Anlagen gegeben würden. Dem Kraftverkehr müßten endlich seine vollen Wegekosten in Form höherer Sonderabgaben aufgebürdet werden".
Danach erklärte das Vorstandsmitglied Herr Dr. Hilpert: „Als Voraussetzung für ihre Gesundung" — nämlich die Gesundung der Bahn — „sehe die Bahn an, daß ihr ein Teil des auf die Straße abgewanderten Verkehrs zurückgegeben werde. Das Straßenentlastungsgesetz sei ein Schritt auf diesem Wege". Entschieden verneinte Präsident Dr. Hilpert die Frage — darauf komme ich später noch —, ob die Bundesbahn schon fertige Pläne zur Erhöhung der Massengütertarife „in der Tasche habe".
Darauf äußerte sich als letzter Präsident Dr. Schelp und meinte: „Die Mehreinnahmen, die der Bundesbahn auf Grund der geplanten Verbote für den Massengutverkehr auf der Strecke entstünden, seien roh geschätzt mit etwa 70 Millionen DM jährlich zu veranschlagen.

(Hört! Hört!)

Im Hinblick auf das zu erwartende Defizit von rund 800 Millionen DM im Jahre 1954 sei das ein geringer Betrag, und man sehe daraus, daß die Verkehrsverbote die Bundesbahn nicht sanieren könnten".
Soweit die Herren Präsidenten der Bundesbahn. Man könnte meinen, es seien hier offensichtlich starke Meinungsverschiedenheiten vorhanden — was durchaus gesund sein kann —; aber vielleicht sind sie auch ein Beweis für die Richtigkeit unseres Vorschlags, daß man, um solchen Meinungsverschiedenheiten auszuweichen, doch besser einen verantwortlichen Generaldirektdr an die Spitze der Bundesbahn stellen sollte. Im Augenblick interessiert mich aber lediglich die Tatsache, daß eine Gesundung der Bundesbahn zweifellos durch diese Verbotsgesetzgebung nicht erreicht wird.
Nun die Frage der Verkehrssicherheit! Wir ärgern uns alle über die Ungetüme auf der Landstraße. Aber Ärger ist noch kein Gesichtspunkt. Wir kennen die Unfallstatistiken. Danach ereignen sich 80°/o der Unfälle in geschlossenen Ortschaften, und die Fernverkehrsstraßen stehen heute noch relativ am günstigsten in der Unfallstatistik da. Ich kann der Argumentation des Herrn Ministers Seebohm nicht ganz folgen, sondern für mich ist es ein vollkommen logischer Vorgang, daß in dem Augenblick, in dem ich einem Ferntransportunternehmer verbiete, Massengüter über eine Entfernung von 50 km zu befördern, dieser Unternehmer den energischen Versuch machen wird, seine Existenz dort zu suchen, wo er eine Erlaubnis dafür hat; d. h. er wird in die Nahzone hineingehen und wird — davon bin ich überzeugt — seine Existenzmöglichkeit finden, indem er eben noch mehr der Bundesbahn die Transporte in der Nahzone abjagt.

(Abg. Dr. Orth: Sehr richtig!)

Wir werden also ganz zweifellos zu einer weiteren
Massierung der schweren Fahrzeuge gerade in den
Ortschaften und ihrer näheren Umgebung kommen.

(Abg. Rademacher: Und zwar auf 100 km im Durchmesser praktisch!)

— Das kommt dazu; da haben Sie recht.
Ein weiteres, meines Erachtens doch sehr Bedenken verursachendes Argument gegen die Verbotsgesetzgebung ist das folgende: Ich sagte, wir wollen uns davor hüten, mit Schlagworten zu arbeiten; aber es liegt nun einmal auf der Hand, daß ,die Bundesbahn durch das Beförderungsverbot eine Art Monopolstellung in der Beförderung bestimmter Güter auf bestimmten Entfernungen bekommt, auch wenn in manchen Bereichen der Konkurrent Binnenschiffahrt erhalten bleibt.
Nun besteht natürlich die Gefahr, daß eine solche Monopolstellung, die die Bahn wieder bekommen wird, auch dazu benützt würde, einseitige tarifarische Maßnahmen zu ergreifen. Diese Möglichkeit ist in sehr vorsichtigen Formulierungen von der Bundesbahn abgestritten worden. Wir nehmen das dankbar zur Kenntnis. Wir müssen aber auch sehen — und vor allem sieht es die Öffentlichkeit —, daß in den ursprünglichen Vorlagen des Bundesverkehrsministeriums, in der sogenannten Milchbarvorlage, die ja kein Geheimdokument mehr ist, ein sehr eindeutiger Hinweis darauf enthalten ist, nicht nur das Ob zu prüfen, sondern daß man nach einer Verbotsgesetzgebung in Erwägung ziehen müsse, die Massenguttarife der Bundesbahn zur Erzielung von Mehreinnahmen bei der Bundesbahn anzuheben. Wir sind der Meinung, daß wir auch dieser Versuchung widerstehen sollten. Wir wünschen nicht, daß die Bundesbahn den Ausweg aus ihrer Krise darin sieht — ich komme auf die Fragen der Tarifgebarung noch im einzelnen zu sprechen —, unberechtigte Tariferhöhungen vorzunehmen, nur weil sie eine Monopolstellung besitzt, anstatt das Schwergewicht ihrer Bemühungen auf eine stärkere Rationalisierung zu legen.

(Abg. Dr. Orth: Sehr richtig!)

Nachdem jetzt jahrelang im Bereich des Verkehrs eine Politik getrieben worden ist, die den Kraftverkehr begünstigt hat, sollten wir uns davor hüten, nunmehr in das gegenteilige Extrem zu verfallen und hier eine Kur à la Dr. Eisenbahn oder à la Dr. Eisenbart vorzunehmen. Man kann einen Personenwagen nicht aus dem dritten Gang einfach in den Rückwärtsgang überschalten, sondern man muß Gas wegnehmen; andernfalls geht das Getriebe kaputt, und der Wagen geht über den Kopf. Es ist nicht gut — und darin sehen meine Freunde und ich die Hauptgefahr —, daß der Staat unmittelbare Eingriffe in den Wirtschaftsablauf vornimmt, die immer zu Störungen führen müssen. Wir wissen auch nicht, wo das aufhört, wenn wir einmal damit anfangen. Wir wünschen, daß die freie Konsumwahl auch im Bereich des Verkehrs aufrechterhalten bleibt, und sind deswegen der Meinung, daß man auch nicht an der Verbotsliste herumkurieren soll. Nicht der Staat soll bestimmen, welches Verkehrsmittel für einen bestimmten Transport das Gegebene ist, sondern der Dispositionsberechtigte. Wir müssen durch vernünftige steuerliche, tarifpolitische und auch technische Regelungen dafür sorgen, daß der Dispositionsberechtigte zu einer viel schärferen Kalkulation gezwungen wird, als das heute der Fall ist, und daß wir auf diesem Wege zu dem gleichen Ziel


(Müller-Hermann)

kommen, nämlich zu einer Entlastung der Straße von den schweren Ungetümen und zu einer Zuführung von Massenguttransporten zu der Bundesbahn über weite Entfernungen.

(Zustimmung in der Mitte.)

Vielleicht darf ich mir erlauben, als Fürsprecher dieser Argumentation den Herrn Bundesverkehrsminister selbst zu zitieren. Er erklärte im Juni 1953 mit Recht:
Ich habe stets mit Nachdruck hervorgehoben, daß wir in der Binnenschiffahrt, im Straßenverkehr und in der Küsten- und Seeschiffahrt noch einen gesunden selbständigen Mittelstand besitzen. Die Existenz dieses Mittelstandes muß unbedingt erhalten werden. Wir sollten nach Möglichkeit alles tun, um ihn zu fördern und zu pflegen. Ferner müssen wir auch bedenken, daß der Verkehr weit stärker als viele andere Gewerbezweige dem Gesetz des technischen Fortschritts unterworfen ist. Es bestimmt als ehernes Gesetz die Entwicklung des Verkehrs. Ein Irrtum ist daher, wenn man vorschlägt, etwa den Straßenverkehr, den Luftverkehr oder gar die weitere Motorisierung abzudrosseln in der Erwartung, damit der Binnenschiffahrt oder der Eisenbahn zu helfen. Eine Regierung ist schlecht beraten, die versucht, den Fortschritt zu hemmen und die private Initiative, diesen stärksten Motor aller Entwicklung und jedes sozialen und wirtschaftlichen Aufstiegs, in Fesseln zu schlagen. Wer dem durch die technische Entwicklung bedingten Verlust der früheren Monopolstellung nachweint, muß sich sagen lassen, daß ein ähnlicher Zustand nur erreicht werden kann, wenn alle Binnenverkehrsmittel verstaatlicht und einer Leitung unterstellt, also staatssozialisiert werden. Die Erfahrungen, die man auf diesem Gebiet in England gemacht hat, schrekken.
Und an anderer Stelle sagte er von der Bundesbahn:
Der Verkehr ist viel zu dynamisch und viel zu empfindlich abhängig von der immer noch stürmisch fortschreitenden Entwicklung, als daß seine Probleme durch staatliche Maßnahmen wie Gesetze oder Verordnungen auf die Dauer gültig geregelt werden können. Alle Verkehrsgesetze müssen deshalb so angelegt werden, daß sie der lebendigen Entwicklung nicht im Wege stehen, und sie müssen in ständiger Übereinstimmung mit dem technischen Fortschritt laufend weiter entwickelt werden.
So weit der Herr Bundesverkehrsminister.
Wir, die wir die Alternativvorlagen eingebracht haben, sind der Auffassung, daß das gleiche oder ein ähnliches Ziel, wie es dem Herrn Bundesverkehrsminister vorschwebt, durch elastische, geschmeidige und einen nun einmal gewachsenen Verkehrs- und Wirtschaftsablauf nicht unterbrechende, sondern ihn allmählich in neue Bahnen leitende Maßnahmen, die ineinandergreifen, erreicht werden kann. Wir wünschen, daß zugleich eine Ergänzung dieser Entwicklung mit Maßnahmen vorgenommen wird, die zu einer wirklich wirksamen Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen können, sowie mit einer energisch betriebenen Forcierung des Straßenbaus.
Der Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist, daß nur mit einem gesunden Leistungswettbewerb ein Anreiz zu ständig wachsenden Leistungen der Verkehrsträger gegeben und unser Verkehrsapparat wirklich rationalisiert werden kann und zum andern, meine Damen und Herren, ein Leistungswettbewerb nur möglich ist, wenn für die Verkehrsträger gleiche Startbedingungen bestehen.

(Abg. Dr. Orth: Sehr richtig!)

Das ist eine Erkenntnis, die in einem Grundsatzprogramm der CDU ihren Niederschlag gefunden hat und einer sehr klaren Konzeption entspringt, die unter der maßgeblichen Führung von Herrn Präsidenten Brand aus Oldenburg der Wirtschaftspolitische Ausschuß und der Verkehrspolitische Ausschuß der CDU entwickelt haben. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß der CDU hat diese Konzeption noch in diesem Jahr damit erhärtet, daß er ausdrücklich feststellte, daß auch im Bereiche des Verkehrs der Wettbewerb unangetastet bleiben soll.
Nun bedeutet nach unserer Auffassung Wettbewerb nicht Kampf bis aufs Messer und auch nicht einen Verzicht auf Regulative, die ein gewisses Gleichgewicht zwischen Schiene und Straße herstellen und vor allem die arteigenen Vorzüge der Verkehrsträger — hier muß besonders auch an die Binnenschiffahrt gedacht werden — entwickeln helfen. Als Regulative bieten sich nach unserer Auffassung die Steuerpolitik und die Tarifgebarung an.
Zunächst einmal ein Wort zu der Frage: Sind wir Fürsprecher eines ungehemmten Wettbewerbs im Verkehr? — Das wäre unsinnig; denn das würde bedeuten, daß sich die Ordnung des Verkehrs über Angebot und Nachfrage regeln müßte. Wis wissen, daß bei Verwirklichung einer solchen Vorstellung die verkehrsentfernten, die verkehrsschwachen Gebiete und die schwächeren Wirtschaftszweige in außerordentliche Bedrängnis kämen. Es besteht ein gesamtpolitisches Interesse daran, daß alle Gebiete in gesunder Weise durchblutet sind und insbesondere auch die schwächeren, aber lebensnotwendigen Wirtschaftszweige gefördert werden. Das gilt insbesondere für die Zonenrandgebiete. Wir haben eine solche Politik auch und nicht zuletzt im Hinblick auf die Wiedervereinigung Deutschlands zu betreiben. Wir haben ein Interesse daran, daß in den heutigen Zonengrenzgebieten das gesunde wirtschaftliche Leben erhalten bleibt und nicht beeinträchtigt wird.

(Beifall.)

Dieser Tendenz dient in der heutigen Tarifgebarung die Entfernungsstaffel, die Wertstaffel oder die Einschaltung von Ausnahmetarifen, und ihr hat auch das zu dienen, was wir heute unter Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn verstehen: die Beförderungs- und Betriebspflicht und der Tarifzwang.
Lassen Sie mich ausdrücklich feststellen, daß meine Freunde und ich die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn erhalten wissen wollen. Aber wir stellen die Frage: Wissen wir denn wirklich, was diese Gemeinwirtschaftlichkeit heute effektiv bedeutet? Die Bahn behauptet, sie sei eine exorbitant schwere Belastung, und der Kraftverkehr, der nach dem Selektionsprinzip arbeiten könne, picke sich nur die Rosinen aus dem Kuchen. Wo ist hier Mythos, wo Wahrheit?, — eine Kardinalfrage, die geklärt werden muß. Denken Sie bitte daran, daß die gemeinwirtschaftlichen Pflichten der Bahn aus einer Zeit stammen, in der die Bahn eine Monopol-


(Müller-Hermann)

stellung innehatte. Damals war die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung in erster Linie ein Schutz der Verkehrsnutzer dagegen, daß die Bahn ihre natürliche Monopolstellung mißbrauchte. Inzwischen besitzt die Bahn eine Monopolstellung nicht mehr, und wir wollen im Interesse unserer gesamten Volkswirtschaft auch mit aller Energie verhüten, daß sie wieder eine erhält. Die Monopolstellung ist nicht nur durch den Ausbau der Wasserstraßen und durch den Straßenverkehr beseitigt, sondern auch dadurch, daß heute Energie durch Überlandleitungen und neuerdings auch durch Pipelines befördert wird. Nur hat früher ein Einklang zwischen der Gemeinwirtschaftlichkeit und der Eigenwirtschaftlichkeit der Bahn bestanden. Die Bahn war in der Lage, Überschüsse an den Staat abzuführen.
Heute stehen wir vor den Fragen: Wie verhalten sich in der heutigen Situation Eigenwirtschaftlichkeit und Gemeinwirtschaftlichkeit bei der Bahn? Inwieweit können gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen abgebaut werden, indem sich die Bahn der veränderten Verkehrsstruktur anpaßt? Inwieweit können auch durch den Kraftverkehr gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen übernommen werden? Und: Welche effektiven Vorteile stehen der Gemeinwirtschaftlichkeit der Bahn durch steuerliche Begünstigung gegenüber? Wir können in diesen Fragen nur zu einer Klarheit kommen, wenn uns endlich einmal eine Analyse der Selbstkosten der Bundesbahn vorgelegt wird. Wir haben vom Herrn Bundesverkehrsminister gehört, daß die Arbeiten auf diesem Gebiet noch längst nicht abgeschlossen sind. Wir wenden uns aber mit Entschiedenheit dagegen, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip und seine praktische Nutzanwendung mit Starrheit und Sturheit dort aufrechterhalten bleiben, wo mit dem Abbau der Gemeinwirtschaftlichkeit und ihrer Anpassung an die veränderten Strukturverhältnisse der gleiche volkswirtschaftliche Effekt billiger und rationeller erzielt werden kann.
Wir müssen mit der gleichen Energie daran arbeiten, daß unter Aufrechterhaltung notwendiger gemeinwirtschaftlicher Verkehrsbedienungen wieder eine größere Angleichung von Gemeinwirtschaftlichkeit und Eigenwirtschaftlichkeit erreicht wird. Wir können es uns einfach nicht leisten, daß wir alte Investitionen durch immer neue Zuschüsse lebensfähig erhalten, sondern wir müssen auch einmal eine Entscheidung dahingehend treffen, daß Investitionen, die veraltet und nicht mehr zu halten sind, abgeschrieben werden. Voraussetzungen dafür sind auf der einen Seite der gute Wille der Bahn, auf der andern Seite aber auch, daß man der Bahn die Möglichkeit gibt, ihren guten Willen zu realisieren. Mit anderen Worten: die Bundesbahn muß ihre Transportleistungen konzentrieren und das Schwergewicht ihrer Beförderungen auf den Massenverkehr und auf den Knotenverkehr legen. Hier liegen die natürlichen Vorzüge der Bahn, hier liegt ihre Überlegenheit, und hier wird sie immer billiger als der Kraftverkehr bleiben.
Die Leistungsfähigkeit der Bahn auf diesen speziellen Gebieten muß auch ihren Ausdruck in einer Tarifgestaltung finden, die den Selbstkosten angenähert ist. Andererseits muß damit eine Stillegung von unrationellen Anlagen und Nebenstrecken sowie eine Einschränkung des Stückgut- und des Eilgutverkehrs Hand in Hand gehen, für die heute erhebliche Zuschüsse geleistet werden. Vor allem müssen Strecken stillgelegt werden, für die mehr
Fahrpersonal benötigt wird, als Fahrgäste vorhanden sind. Gegenüber dem Wehklagen von Landräten, Bürgermeistern, Landtags- und Bundestagsabgeordneten müssen wir der Bahn auch eine Gewähr dafür geben, daß sie dort, wo eine solche rationelle Beschneidung ihrer Verkehrsanlagen notwendig ist, diese auch durchsetzen kann.
Gegenüber diesen Vorzügen der Bahn stehen die Vorzüge der Straße im Zubringerdienst, im Verteilerdienst, im Einzeltransport, in der Maßarbeit, durch Pünktlichkeit überall dort, wo Verderblichkeit in Frage steht, wo eine schonende Behandlung notwendig ist. Es bleibt zwischen Schiene und Straße ein weiter Bereich in Entfernung und Gewicht, wo eine gleichwertige Verkehrsbedienung möglich ist. Wir müssen die Konkurrenzfähigkeit der Bahn stärken, indem wir ihr die Möglichkeiten dazu schaffen, ihren Behälter- und ihren Gleisanschlußverkehr zu verbessern. Es bleibt ein weiter Bereich, wo Ergänzungen und eine Zusammenarbeit der Verkehrsträger möglich und nötig sind, vor allem in der Bedienung der Nebenstrecken, im Stückgut- und im Eilgutverkehr.
Hier vor allem liegt auch ein Feld für die Übernahme gemeinwirtschaftlicher Dienste durch den Kraftverkehr. Wir werden aber der arteigenen Verkehrsbedienung durch Schiene und Straße nicht gerecht, wenn beide Verkehrsträger in schablonenhafter Gleichheit gemeinwirtschaftliche Pflichten übernehmen sollen. Der Kraftverkehr soll sich nach unserer Auffassung organisieren, um neben den anderen Verkehrsträgern wirklich verhandlungsfähig zu sein. Aber wir wünschen keine Zwangsorganisation, wir wünschen keinen neuen MammutRegiebetrieb und kein Verkehrskolchos als Auftakt zur Sozialisierung.

(Abg. Schmidt [Hamburg] : Herr Kollege Müller-Hermann, lesen Sie einmal die Richtlinien Ihres CDU-Verkehrsausschusses, die Sie soeben zitiert haben! Da steht nämlich etwa das drin, was Sie als Kolchos angegriffen haben. Ich werde es Ihnen nachher vorlesen.)

— Nein, durchaus nicht; da steht nichts von einer Zwangsorganisation drin, Herr Kollege Schmidt. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß ein solcher Zusammenschluß auf privatwirtschaftlicher Basis erfolgen sollte, und zwar je schneller, desto besser.
Ich glaube, daß, wenn wir diesen ganzen Fragenkomplex der Gemeinwirtschaftlichkeit einmal wirklich analysiert und geprüft und das Für und Wider an Belastungen gegeneinander ausgewogen haben, auf seiten der Schiene wahrscheinlich nur noch ein kleiner Rest an unzumutbarer Last übrigbleiben wird, der ausgeglichen werden muß.
Noch ein Wort zu der Tarifgebarung, die meines Erachtens im Mittelpunkt einer Verkehrspolitik stehen muß. Die heutige Tarifgestaltung bewegt sich im luftleeren Raum. Wir haben es erlebt, daß die Bundesbahn im vergangenen Jahr als eine Kampfmaßnahme für bestimmte Güter die Tarife gesenkt hat, mit der Konsequenz, daß nicht nur die Schiene, sondern auch die Straße erhebliche Verluste einstecken mußte. Der Gewinner und Nutznießer war die Wirtschaft. Die Wirtschaft war in diesem Fall von vornherein sogar dagegen, weil sie die Unsinnigkeit dieser Maßnahme von vornherein eingesehen hat. Wir sind der Meinung, daß diese Abtarifierung rückgängig gemacht und endlich ein Tarifgefälle zwischen den Eisenbahngütertarifen


(Müller-Hermann)

und den Kraftverkehrstarifen geschaffen werden sollte, das der Leistung und der Leistungsfähigkeit der Verkehrsträger entspricht. Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat mit Recht einen sehr wichtigen Satz ausgesprochen: „Die Wirtschaft muß einen echten Preis für die Transporte zahlen."
Anderenfalls werden über kurz oder lang die Verkehrsträger auf dem Wege über Subventionen, die dann von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssen, die Kostgänger des Staates.
Wir stehen vor der Frage, eine volkswirtschaftlich richtige Abstimmung der Transportpreise zwischen den drei Verkehrsträgern und der Wirtschaft zu finden, so daß eine optimale Entfaltung der Wirtschaft möglich ist. Wir sind der Auffassung, daß, wenn eine Annäherung der Tarife an die Selbstkosten vorgenommen wird, schon nach rein physikalischen Gesetzen die Bundesbahn in der Bewegung großer Massen einen natürlichen und erheblichen Vorsprung haben wird und daß auf diese Weise durch organische Maßnahmen eine Eindämmung des Lkw-Verkehrs dort eintreten wird, wo seine Betätigung volkswirtschaftlich unzweckmäßig ist. Dafür wird eine Heranleitung des Kraftverkehrs an eine Betätigung erfolgen, in der er konstruktiv tätig sein kann. Die Tarifpolitik muß, wenn sie an die Selbstkosten geht, auch berücksichtigen, daß der Straßenverkehr einen HausHaus-Dienst leistet, während die Bundesbahn nur von Station zu Station befördert. Die Tarifpolitik muß die natürlichen Vorteile mit einkalkulieren, die der Kraftverkehr dadurch gewährt, daß er Einsparung an den Verpackungskosten verursacht und geringere Beschädigung oder geringere Verluste hervorruft. Die Tarifgestaltung ist in allen Staaten der Welt das den Gegebenheiten des Verkehrs und der Wirtschaft gemäße Mittel für die Ordnung des Wettbewerbs und für eine Verteilung der Aufgaben zwischen den Verkehrsträgern.
Ein letztes Wort zu der Frage der Tarifpolitik. Es wird eingewandt, sie sei nicht anwendbar, weil der Straßenverkehr nie tariftreu sei. Meine Damen und Herren, ich glaube, die Tarifuntreue, die auf beiden Seiten vorkommen soll, wird nicht zuletzt dadurch hervorgerufen, daß die Tarife heute so kostenunecht sind. Früher brauchten wir eine Preisüberwachung zum Schutz gegen eine Preisüberforderung. Heute rufen wir nach einer Überwachung, um gegen Unterschreitung der Tarife gesichert zu sein. Schon dadurch allein zeigt sich die völlige Perversion in der heutigen Tarifgestaltung.
Nun der zweite Fragenkomplex: Wettbewerb, dann aber gleiche Startbedingungen — wie können wir sie erreichen? Einmal durch eine Entlastung der Bahn. Das gilt vor allem für die Abnahme der betriebsfremden Lasten. Ich glaube, daß der Bundestag in dieser Frage sogar völlig einmütig ist. Leider fehlt eine Vorlage der Regierung zu diesem Thema. Ich habe Verständnis dafür, daß der Herr Bundesfinanzminister Bedenken hat, das Defizit der betriebsfremden Lasten, deren Höhe in den Mitteilungen schwankt, zu übernehmen. Mein Kollege Jahn hat in der Februardebatte einen Betrag von 270 Millionen DM genannt, die Bundesbahn nennt 500 Millionen DM. Das muß also noch geprüft werden. Der Finanzminister fragt natürlich, wo denn diese Mittel herkommen sollen. Wenn der Bund aber ohnehin die Verpflichtung hat, ein Defizit der Bundesbahn zu übernehmen, dann scheint es mir doch sehr viel vernünftiger zu sein, daß der Bund von vornherein den Teil des
Defizits übernimmt, der zweifellos bei der Bundesbahn eine kaufmännische Betriebsführung unmöglich macht,

(Abg. Dr. Orth: Sehr richtig!)

und damit einen Anspruch an die Leitung der Bundesbahn erhält, ihren Betrieb nach kaufmännischen Gesichtspunkten auszurichten. Vor allem aber können wir es, glaube ich, vor der Öffentlichkeit schlecht verantworten, daß der Bund sich einer Verpflichtung entzieht und nun eine Sanierung der Bundesbahn dadurch gesucht wird, daß man andere Verkehrsträger belastet.
Außerdem müssen wir nach der Auffassung meiner Freunde der Bundesbahn eine Sicherung in die Hand geben, indem sie einen Schutz vor Auflagen von exogener Seite erhält. Heute muß die Bundesbahn Lohn- und Gehaltserhöhungen schlukken, ob sie sie verkraften kann oder nicht. Sie wird nicht danach gefragt und sie muß eventuell auch Tarife schlucken, ohne daß sie danach gefragt wird. In den Alternativvorlagen ist der Vorschlag gemacht worden, eine neutrale Instanz in Form eines Bundesbahngerichts zu schaffen, das nicht eigene Verkehrs- oder Wirtschaftspolitik zu betreiben, sondern lediglich als ein neutraler Treuhänder darüber zu entscheiden hat, ob eine solche Belastung für die Bundesbahn zumutbar ist und wer bei der Unzumutbarkeit die finanziellen Auswirkungen zu tragen hat. Wir glauben, daß allein das Vorhandensein eines Gerichts, das im übrigen einen Vorgänger hat in Gestalt des früheren Reichsbahngerichts, wahrscheinlich genügen wird, manche unverantwortlichen Forderungen an die Bahn abzuwehren.
Wir wünschen außerdem — was, wie ich höre, die Bundesregierung bereits von sich aus auch getan hat — die Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission, die die Rationalisierungsmöglichkeiten bei der Bahn überprüft.
Wir sind ferner der Meinung, daß die Bundesbahn bei der Wiederherstellung des Oberbaus unterstützt werden muß, nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern weil das auch notwendig ist, um die Bahn leistungs- und konkurrenzfähig zu machen. Wir haben aus diesem Grunde vorgeschlagen, daß im Verkehrswegegesetz auch die Bundesbahn ihren Teil erhält, um in einem kurzfristigen Programm zunächst einmal ihren Oberbau in Ordnung zu bringen.
Entscheidend aber für alle Rationalisierungsmaßnahmen ist der unseres Erachtens zu große Apparat der Bahn. Vor allem gilt das für manchen Wildwuchs in den oberen Regionen der Bundesbahn. Wir sind der Auffassung, daß ein Personalabbau ohne soziale Härten erfolgen muß, und würden wünschen, daß man bei der Bundesbahn das Angebot aus den Reihen der Wirtschaft an die Bahn, Kräfte an die Wirtschaft abzugeben, aber die Pensionsverpflichtungen und die Altersversorgung für diesen Personenkreis bei der Bundesbahn zu erhalten, sorgfältig überprüft. Wir sind der Auffassung, daß die Bundesbahn ihren Apparat verkleinern muß und daß nur auf diese Weise auf lange Sicht eine wirkliche Existenzsicherung gerade der kleineren Bediensteten bei der Bundesbahn möglich ist. Wir haben volles Verständnis für ein berechtigtes Kollegialitätsgefühl unter den Eisenbahnern. Aber überall dort, wo sich die künstliche Zählebigkeit eines nicht produktiv und konstruktiv tätigen Apparats zeigt, und überall dort,


(Müller-Hermann)

wo eine weitere Aufblähung des Regiebetriebs durch Einbeziehung auch ihr „betriebsfremder" Aufgaben erfolgt, sollten die Eisenbahner aus eigenem Interesse energischer als bisher Front machen.
Im übrigen schlagen die Alternativvorlagen vor, daß eine stärkere Verantwortlichkeit an der Spitze der Bundesbahn durch Einsetzung eines Generaldirektors geschaffen wird und eine Überprüfung der Funktionen des Verwaltungsrats der Bundesbahn erfolgt. Ich möchte mich dabei auf die allgemeine Bemerkung beschränken, daß wir diese Anderung des Bundesbahngesetzes nicht als die dringlichste Aufgabe einer Verkehrsordnung betrachten.
Nun zu der Frage: gleiche Startbedingungen über die Besteuerung des Kraftverkehrs. Das Ziel ist, eine der Beanspruchung der Straße entsprechende Verteilung der Steuerlast nach Maßgabe der tatsächlichen Straßenabnutzung zu finden. Ich glaube, daß wir uns da in weitgehender Übereinstimmung im Prinzip sowohl mit dem Bundesverkehrsministerium als auch mit dem Bundesfinanzministerium befinden. Was bisher fehlt, ist eine klare Feststellung über das, was „anlastbare Straßenkosten" sind. Der Herr Bundesverkehrsminister hat auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats hingewiesen. Es liegt uns leider bisher nicht vor; es liegt wohl nur in den Schubladen des Ministeriums. Es ist aber bekannt, daß sich in diesem Zusammenhang das Problem ergibt, wieweit der Zinsendienst für das Straßennetz angelastet werden muß, und daß der Wissenschaftliche Beirat zu dem Ergebnis kommt, auch der Zinsendienst müßte dem Straßenverkehr angelastet werden. Ich habe zu diesem Thema hier eine Stellungnahme eines hervorragenden Verkehrsfachmannes, die ich mit Erlaubnis des Präsidenten kurz zitieren darf. Es heißt dort:
Man kann nur immer wieder feststellen, daß eine Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrswege, wie sie wiederholt gefordert wird, eine contradictio in adjecto ist. Niemals kann ein Verkehrsträger das in die für seinen Ablauf notwendigen Wege investierte Kapital amortisieren und verzinsen durch den Betrieb, den er auf diesem Verkehrsweg durchführt. Wenn man diese Forderung aufnimmt und den Standpunkt vertritt, die erforderlichen Verkehrswege sollten nicht als Gesamtleistung des Volkes für seine Volkswirtschaft erstellt werden, sondern die Verkehrsträger selbst müßten diese Verkehrswege eigenwirtschaftlich erstellen und erhalten, dann verfehlt man die Aufgabenstellung, die sich für die richtige Gestaltung von Wirtschaft und Verkehr ergibt.
Auf diesem Wege würden wir überhaupt niemals zu neuen Verkehrswegen, zu einem Ausbau des Verkehrsnetzes kommen. Es ist nicht richtig, wenn immer behauptet wird, die Eisenbahn hätte ihre Verkehrswege selbst erstellt. Das Kapital für die Erstellung der Eisenbahnverkehrswege ist seinerzeit zum geringsten Teil aus privaten Quellen, größtenteils aber aus Steuergeldern geflossen. Das neue Bundesbahngesetz stellt eindeutig klar, daß die Eisenbahn kein Anlagekapital für ihre Verkehrswege zu amortisieren und zu verzinsen hat. Dieser Grundsatz muß auch für die übrigen Verkehrsträger gelten. Ganz anders verhält es sich mit der Frage der Unterhaltung der Ver-
kehrswege. Es ist eindeutig, daß die Verkehrswege von den Verkehrsträgern, die sie benutzen, zu unterhalten sind, schon um der Verkehrssicherheit willen. Nur wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß allein die Unterhaltung der Verkehrswege, nicht aber die Erstellung von dem zugehörigen Verkehrsträger getragen werden muß, dann kommt man zu einer vernünftigen steuerlichen Belastung der Verkehrsträger und zu einer vernünftigen Gestaltung der Verkehrstarife.
Dieser Verkehrsfachmann war Herr Bundesverkehrsminister S e e b oh m.
Nun, meine Damen und Herren, in den beiden Verkehrsfinanzgesetzen, sowohl in dem der Regierung als auch in dem der Alternative, sind lediglich angenommene Werte. Wir wollen uns heute nicht über die Höhe dieser Werte streiten. Wir sind uns nur über das Prinzip klar, daß der Straßenverkehr das aufbringen soll, was er an Straßenunkosten verursacht. Wir sind allerdings der Meinung, daß nicht an die Stelle der bisherigen Degression der Besteuerung der Kraftfahrzeuge eine Progression treten sollte, da sie nach dem heutigen Stand der technischen Kenntnisse mir nicht gerecht' fertigt zu sein scheint.
Ein besonderes Problem ist auch, ob man die Anhänger gleichmäßig wie die Antriebwagen besteuern soll. Ich bin der Meinung, daß sich in allen diesen Fragen eine Annäherung erzielen lassen wird.
Wir werden auch das Problem zu prüfen haben, ob es zweckmäßiger ist, die Kraftfahrzeuge in Zukunft ausschließlich über die Treibstoffe zu besteuern. Vieles spricht dafür. Ich möchte aus Zeitgründen das Thema heute nicht vertiefen. Es spricht auch manches dagegen, vor allem im Interesse der revierfernen Gebiete. Eine ausschließliche Besteuerung über die Treibstoffe würde zweifellos nicht zuletzt zu einem erheblichen Zuwachs an Personenkraftwagen führen, was gerade bei dem heutigen Stand des Straßennetzes wieder zu einer größeren Verkehrsunsicherheit beitragen müßte. Aus diesem Grunde sind nach sehr sorgfältigen Überlegungen in den Alternativvorlagen Kompromißvorschläge in der Richtung gemacht worden, daß die Kraftfahrzeugsteuer für Personenkraftwagen und Krafträder um 400/0 gesenkt wird und dafür eine Erhöhung des Benzinpreises um 4 Pf. und des Dieselpreises um 7 Pf. eintritt. Wir sind nur der Meinung, meine Damen und Herren, daß das, was der Straßenverkehr an zusätzlicher Belastung aufbringt, effektiv auch zur Intensivierung des Baues der Verkehrswege verwandt werden muß.
Zum Thema der Steuern nur noch einige kurze Erklärungen. Der Nahverkehr soll nach der Regierungsvorlage durch Einführung der Beförderungsteuer besteuert werden. Wir sind der Auffassung, daß eine Kontrolle des Nahverkehrs — auch nach dem Urteil des Verwaltungsrats der Bundesanstalt — undurchführbar ist, und wünschen deshalb keine Beförderungsteuer im Nahverkehr. Was den Personennahverkehr betrifft, so wünschen wir, daß eine Beförderungsteuer bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben, vor allem bei den Straßenbahnen, nicht erhoben wird, daß also die bisherige Regelung, die auf eine Notverordnung aus dem Jahre 1931 gestützt wird, erhalten bleibt, weil die Konsequenz der Einführung einer Beförderungsteuer


(Müller-Hermann)

im Nahverkehr zweifellos eine Anhebung der Tarife im Straßenbahnverkehr sein müßte und damit nicht nur soziale Härten verursacht würden, sondern auch durch eine Abwanderung von Straßenbahnbenutzern zum Moped, Kraft- und Fahrrad wieder ein erhöhtes Unsicherheitsmoment auf den Straßen geschaffen würde.
Ein Wort noch über das Thema Werkverkehr. Die Bundesregierung und das Bundesverkehrsministerium erklären praktisch den Werkverkehr zum Staatsfeind Nr. 1. Er bekommt eine Beförderungsteuer von 5 Pf pro Tonnenkilometer aufgebrummt, und man hofft, daß ihm damit die Puste ausgeht. Auch hier sollte man sich vor Verallgemeinerungen hüten.

(Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Sie auch!)

Wir sind überzeugt, daß schon allein durch den Wegfall der Abschreibungsmöglichkeiten sehr viele Einschränkungen im Werkverkehr erfolgen werden. Durch eine von uns vorgeschlagene An- derung des Güterkraftverkehrsgesetzes soll vor allem auch der unechte Werkverkehr endlich einmal beschnitten werden. Wir können uns aber mit einem Beförderungsteuersatz von 5 Pf pro Tonnenkilometer nicht einverstanden erklären, weil er für verschiedene Wirtschaftszweige nahezu prohibitiv wirken würde. Bei Anwendung dieses Satzes würde die Beförderungsteuer für bestimmte Güter ungefähr den gleichen Betrag ausmachen wie sonst die Frachtrate. Es gibt gar keinen Zweifel, daß bestimmte Wirtschaftszweige sowohl aus Standortgründen als auch aus betrieblichen Gründen auf den Straßenverkehr und speziell auf den Werkverkehr angewiesen sind. Für bestimmte Bereiche der Bauwirtschaft, der Ernährungswirtschaft, der holzverarbeitenden Industrie, des Mühlengewerbes, der export- und importintensiven Industrie und des Handels würden sich katastrophale Auswirkungen ergeben. Wir halten es deshalb für notwendig, daß man sich über den Satz der Beförderungsteuer, der zweifellos eine nicht unerhebliche Anhebung erfahren muß, noch sehr eingehend Gedanken macht. Wir schlagen zunächst einen Satz von 21/2 Pf pro Tonnenkilometer vor.
Ich bin auch nicht der Auffassung des Herrn Bundesverkehrministers, daß der Werkverkehr bei hochwertigen Gütern zwar berechtigt sei, aber nicht bei den niedrig tarifierten Gütern, und daß die Erhöhung der Beförderungsteuer bei den hochwertigen Gütern auch ohne weiteres verkraftet werden könne. Ich weise beispielsweise nur auf die Mineralwasserindustrie, auf die ganze Getränkeindustrie, den Bierhandel usw. hin, wo sich schon auf Grund des Gewichts der Verpackung außerordentlich ungünstige Konsequenzen ergeben müßten. In diesem Zusammenhang erscheint es vielleicht seltsam, aber doch bezeichnend, daß der Werkverkehr der Hoheitsträger im Gegensatz zum Werkverkehr der Wirtschaft nach den Wünschen des Verkehrsministeriums von den Beförderungsverboten ausgeschlossen werden soll.
Nun die Frage der fiskalischen Auswirkungen! Auch hier läßt sich über Zahlen trefflich streiten. Nach vorsichtigen Schätzungen meiner Freunde ist damit zu rechnen, daß durch die Senkung der Kraftfahrzeugsteuer bei Pkws und Krädern und auf der anderen Seite durch die Anhebung der Steuern bei den Lastwagen und Anhängern im Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer, das den Ländern zufließt, keine Änderung eintreten wird, daß aber beim Bund durch die Erhöhung der Mineralölsteuer ein Mehraufkommen von 285 Millionen und durch die Anhebung der Beförderungsteuer ein Mehraufkommen von 60 Millionen DM zu erwarten ist, also ein Gesamtbetrag von 345 Millionen DM, ohne daß ich mich heute in eine Auseinandersetzung mit dem Herrn Finanzminister einlassen möchte, wieweit diese Ansätze im einzelnen berechtigt sind. Das sind Dinge, die wir sehr genau prüfen wollen und müssen. Wir werden wesentlich zur Beruhigung der Öffentlichkeit beitragen, wenn wir wirklich von der Erklärung des Herrn Staatssekretärs Hartmann vor dem Bundesrat ausgehen können, daß das Mehraufkommen aus den Steuern des Kraftverkehrs in Zukunft den Verkehrswegen tatsächlich zugeführt werden soll.
Verkehrssicherheit! Die erschütternde Zahl von 30 000 Toten legt uns eine große Verpflichtung auf, etwas auf diesem Gebiet zu tun, aber etwas Entscheidendes und Wirksames zu tun. Wir sind bereit, jede vernünftige und zweckdienliche Maßnahme in dieser Richtung zu unterstützen. Auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit hat der Staat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, mit durchgreifenden Maßnahmen auf den Plan zu treten. Hier möchte ich das Schlagwort „Dirigismus" durchaus für berechtigt halten. Ich darf einige in dem „Gesetz zur Erhöhung der Verkehrssicherheit" gemachten Vorschläge kurz im einzelnen aufzählen: Die Einführung eines Schutzhelms für die Motorradfahrer, die — das ist vielleicht interessant — 20 % der Unfallbeteiligten, aber 36 % der Unfalltoten und 40 % der Unfallverletzten ausmachen.

(Abg. Dr. Orth: Was soll man denn gegen tollwütige Motorradfahrer machen!)

Täglich werden 2700 neue Führerscheine ausgegeben. Hier muß eine genauere Vorschrift über die Ausbildung der Fahrer erlassen werden, es muß ein vorläufiger Führerschein ausgegeben werden, der erst dann durch einen endgültigen bestätigt wird, wenn eine Anlauffrist durchschritten ist, ohne daß der Inhaber straffällig geworden ist. Wir müssen auch an eine systematische Ausmerzung der Verkehrssünder herangehen. 30 % der Verkehrsunfälle werden heute durch 8 % der Verkehrsnutzer hervorgerufen. Der Überholvorgang muß durch neue Vorschriften geregelt werden, durch verbesserte Blinkzeichen vor allem an den Lastkraftwagen, durch den Zwang zur Abweichanzeige auch auf den Autobahnen, durch ein Überholverbot für Lkws bei Ansteigungen. Ganz gleich, ob solche Vorschläge bereits gemacht worden sind oder nicht, wir erheben nicht den Anspruch, das Erstgeburtsrecht zu haben. Wir wünschen nur, daß diese Dinge geprüft werden, daß vor allem örtlich mehr als bisher von den Geschwindigkeitsbeschränkungen Gebrauch gemacht wird und daß der Versuch gemacht wird, eine Erhöhung der Verkehrsdisziplin zu erreichen. Daß die Zahl der Verkehrsunfälle sowohl relativ als auch absolut z. B. in Frankreich wesentlich geringer als bei uns ist, hängt sicherlich auch etwas mit der besseren Reaktionsfähigkeit der Romanen im Vergleich zu den Deutschen zusammen. Ohne gewisse schärfere polizeiliche Maßnahmen, schärfere Verwarnungen, eine Beschleunigung der Strafverfahren in Verkehrssachen und vielleicht eine Strafrechtsreform für Verkehrsdelikte überhaupt wird es in Zukunft nicht gehen.


(Müller-Hermann)

Auch eine Beschränkung der Fahrzeuggewichte und der Fahrzeuglängen wird zu einer Entlastung der Straßen, zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit wesentlich beitragen. Wir können uns zwar nicht der Argumentation anschließen, daß ein Lastzug mit 40 t Maschinenteilen größere Schäden oder eine größere Verkehrsunsicherheit als ein Lastzug mit 40 t Zucker hervorrufe, aber die Dimensionen der Fahrzeuge müssen zweifellos unseren Straßenverhältnissen angepaßt werden. Auch hier wollen wir keine neuen Übertreibungen, nachdem man noch in den letzten Jahren Übertreibungen gemacht hat, sondern eine Anpassung an die internationalen Regelungen. Vielleicht ist es auch wichtig, hier einzuflechten, daß eine solche Beschränkung der Gefäße die wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit des Lastwagens wesentlich beeinträchtigen wird.
Eine Erhöhung der Verkehrssicherheit ohne Straßenbau ist aber eine große Illusion.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir verdanken unseren Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre nicht zuletzt langfristigen und weitsichtigen Maßnahmen der Regierung, vor allem unseres Herrn Finanzministers und des Herrn Wirtschaftsministers. Als besondere Beispiele dienen hier die Leistungen auf dem Gebiete des Wohnungsbaues und auch des Schiffbaues. Gleiche Versuche einer langfristigen und weitsichtigen Planung müssen auch auf dem Gebiete des Straßenbaues und des Verkehrswegebaues angestellt werden.
Unser Vorschlag geht deshalb dahin, daß der Herr Bundesverkehrsminister durch das Verkehrswegegesetz veranlaßt werden soll, einen zunächst auf sieben Jahre befristeten Verkehrswegeplan aufzustellen, und zwar in Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden. Ich bitte, sich einmal zu vergegenwärtigen, daß heute fast 50 % der Straßen durch die Gemeinden zu unterhalten sind,

(Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

diese Gemeinden aber nur den vierundzwanzigsten Teil des vom Kraftverkehr aufgebrachten Steueranteils erhalten. Hier liegt meines Erachtens ein sehr großes Dilemma. Wir sind der Auffassung, daß die Länder und Gemeinden, in erster Linie aber die Gemeinden, beim zukünftigen Ausbau des Straßennetzes mitberücksichtigt werden müssen. Gerade wenn wir das Steueraufkommen bei der Kraftverkehrsteuer, das den Ländern zufließt, nicht heraufsetzen, ergibt sich eine Verpflichtung für den Bund, Länder und Gemeinden stärker als bisher zu beteiligen.
Wir sind ferner der Auffassung, daß die aufkommenden Mittel dort eingesetzt werden sollten. wo man mit dem geringsten Aufwand den größten Effekt erzielen kann,

(Sehr richtig! in der Mitte)

d. h. daß die Mittel zunächst einmal vordringlich dort eingesetzt werden sollten, wo sich nach dem Stande der Unfallhäufigkeit der dringendste Bedarf zu einer Verbesserung der Verkehrswege herausgestellt hat. Im Gegensatz zur Auffassung des Herrn Bundesverkehrsministers sind wir nicht der Meinung, daß das Schwergewicht des Ausbaus des Straßenetzes auf den Autobahnen liegt, wenn man auch den Ausbau der Autobahnen nicht aus den Augen verlieren darf. Gerade im Interesse einer erhöhten Verkehrssicherheit ist es notwendig, daß wir zunächst einmal daran gehen, die Ortsdurchfahrten zu verbessern, Ortsumgehungen zu schaffen, den Zustand unserer Brücken in Ordnung zu bringen und Radfahrwege anzulegen.
Meine Damen und Herren, wir stehen in wenigen Jahren vor der Alternative — das müssen wir uns immer wieder überlegen —, entweder unsere gesamte Automobilproduktion mit allen arbeitsmarktpolitischen, sozialen und auch exportbedingten Konsequenzen mit großer Rücksichtslosigkeit zu drosseln oder aber jetzt bereits energisch den Bau des Straßennetzes zu betreiben. Denken Sie daran, daß wir einen jährlichen Zuwachs von etwa 600 000 Kraftfahrzeugen haben! Davon nehmen die Kräder 48 % in Anspruch, Pkw's 30 %, Zugmaschinen 12 % und Lkw's etwa 5 %. Also mit der Verbannung der Lkw's allein ist es nicht getan. Wir werden vielmehr auch mit den Personenkraftwagen und Krädern zu einer völligen Verstopfung der Straßen kommen, wenn wir nicht sofort auf diesem Gebiet mehr als bisher tun und uns den Vorbildern anschließen, die uns andere, und zwar nicht nur reiche Staaten gegeben haben. Selbst das kleine und schwache Finnland hat in einem Zehnjahresprogramm immense Mittel für den Straßenbau eingesetzt.
Nun möchte ich zur Beruhigung des Herrn Bundesfinanzministers sagen, daß unser Verkehrswegegesetz zwar bestimmte Zahlen enthält, wir aber davon ausgehen und das auch als unser Prinzip hier feststellen wollen, daß wir in den nächsten Jahren ohne Inanspruchnahme zusätzlicher Haushaltsmittel, d. h. nur unter Einsatz der jetzt im Bundeshaushalt für diesen Zweck bereits vorgesehenen Mittel, lediglich das Mehraufkommen aus den Steuern den Verkehrswegen zugeführt wissen wollen. In diesem Zusammenhang wird man sich auch über die Frage unterhalten müssen, ob und inwieweit eine Verkehrsanleihe, die wir im Verkehrswegegesetz mit einem Betrag von 11/2 Milliarden DM eingeplant haben, möglich ist. Wir kleben nicht an Zahlen, aber wir verzichten nicht auf eine langfristige Planung im Straßenbau.
Daneben sind unseres Erachtens auch andere Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen. Das gilt z. B. für den Bau von Autobahnen auf der Basis privatwirtschaftlicher Finanzierung. In Amerika ist das mit gutem Erfolg gelungen, und ich bin der Meinung, prüfen sollten wir es auch in Deutschland. Dort, wo Autobahnbau privatwirtschaftlich finanziert wird, scheint es uns auch gerechtfertigt, Gebühren für die Benutzung dieser Straßen zu erheben. Wir sind aber der Auffassung, daß Autobahngebühren nicht dort erhoben werden sollten, wo der Staat in Erfüllung einer Pflicht gegenüber dem Staatsbürger aus Steuermitteln Autobahnbau betreibt. Wir lehnen daher den Vorschlag ab, Autobahngebühren auf staatlich finanzierten Autobahnen zu erheben.
Daneben wünschen wir, daß man sich dem Ausbau des Europastraßennetzes zuwendet, und hoffen, daß aus einem Fonds, der bereits geplant ist, auch Mittel für deutsche Durchgangsstraßen zur Verfügung stehen werden. Wir bitten auch darum, daß man sich bei Gelegenheit — ich bin überzeugt, es geschieht bereits — einmal Gedanken über die strategische Wichtigkeit der Verkehrswege macht und daraus eventuell in der Weise Konsequenzen zieht, daß man aus dem aufgelaufenen Verteidigungsfonds auch Mittel für die Verkehrswege frei macht.


(Müller-Hermann)

In der Begründung des Straßenentlastungsgesetzes des Bundesverkehrsministeriums heißt es, daß die Straßen aus der Zeit des Pferdefuhrwerks stammen, ein Ausbau der Straßen in erforderlichem Umfang aber nicht durchführbar ist. Ich glaube, das ist eine zu schwache Entschuldigung dafür, daß wir von dieser großen Aufgabe eines Ausbaus des Straßennetzes kapitulieren. Der Herr Bundesverkehrsminister hat heute in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß der Ausbau des Straßennetzes zu Lasten der Landwirtschaft gehen würde, und in einem Artikel des Herrn Ministers Dr. Seebohm, den ich in der „Norddeutschen Volkszeitung" gelesen habe, heißt es:
Für den neuen Autobahnbau wird also eine Bodenfläche benötigt, auf der etwa, rein rechnerisch, rund 190 Vollbauern oder 5600 Nebenerwerbssiedler angesetzt werden könnten. Wir haben also alle Veranlassung, bei Straßenbauplänen Maß zu halten. Eine verantwortungsbewußte Staatsführung kann es nicht zulassen, daß wertvolles Acker- und Gartenland für einen aufwendigen Straßenbau beansprucht wird, um auf diesen Straßen dann Transporte durchzuführen, die ebensogut oder besser auf der Schiene oder Flüssen oder Kanälen ohne zusätzliche Landinanspruchnahme gefahren werden könnten.
Nun, ich weiß nicht, ob man sich bei dem Ausbau der Flugplätze diese Zahlen auch immer wieder zu Gemüte führt. Aber ich frage: Was sollen solche Argumente und solche Zahlen angesichts der erschütternden und unvergleichlich größeren Zahlen an Unfalltoten und -verletzten bei uns in Deutschland? Ich kann mich nur auf ein Schreiben beziehen, das mir der Deutsche Landkreistag dieser Tage geschickt hat, in dem es heißt:
Als das A und O zur Behebung der jetzigen Verkehrsmisere müssen wir
— der Deutsche Landkreistag —
nach unseren Erfahrungen in der Nachkriegszeit die Verbesserung der Verkehrswege ansehen.
Ich kann mich diesen Ausführungen des Deutschen Landkreistages nur voll und ganz anschließen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, ich habe damit versucht, Ihnen das Problem in wesentlichen Teilen zu umreißen. Wir ringen alle um die beste Lösung. Wir wünschen ein fair play unter uns, wie wir ein fair play im Bereiche des Verkehrs wünschen. Dann werden wir auch gemeinsam einen Weg finden. Wir haben viele Fehler der Vergangenheit gutzumachen. Hüten wir uns davor, daß wir jetzt unter Zeitdruck oder durch Oberflächlichkeit neue Fehler machen und damit dauerhafte, organische, dem Menschen und der Wirtschaft dienende Maßnahmen blockieren! Wir stehen auch bei dieser Beratung vor der Entscheidung, ob wir krampfhaft das Rad der technischen Entwicklung zurückdrehen oder ob wir nach sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte neue Wege beschreiten wollen, wie sie in allen größeren Staaten der Welt heute ebenso wie bei uns gesucht oder bereits beschritten werden und wie wir sie zum Vorbild für viele Teile der Welt auf anderen Gebieten unseres Wirtschaftslebens bereits mit Erfolg beschritten haben. Das Verkehrswesen hat zweifellos seine Eigengesetzlichkeit. Wir wissen es und wollen es berücksichtigen. Wir wollen und dürfen aber vor den Schwierigkeiten nicht kapitulieren. Die Schwierigkeit der besonderen Situation der Bundesrepublik auf dem Gebiete des Verkehrs erfordert den Mut, statt den Rückwärtsgang einzuschalten — um bei dem Beispiel von vorhin zu bleiben —, mit Energie einen Durchbruch nach vorne zu wagen. Diesem Ziel wollen wir, meine Freunde und ich, mit unseren Alternativvorschläden dienen.

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203801100
Meine Damen und Herren, die Abgeordneten Rademacher, Dr. Dehler und Fraktion haben einen Antrag betreffend Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vorgelegt. Ist er schon im Haus verteilt worden?

(Zurufe: Nein!)

Dann darf ich Ihnen den Wortlaut vorlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Güterkraftverkehrsgesetzes vorzulegen, der die seit Inkrafttreten festgestellten Lücken beseitigt, insbesondere mit dem Ziel, die Betriebstrennung für den gewerblichen Fernverkehr einzuführen, Scheintatbestände im Werkfernverkehr und in der Abfertigungsspedition zu verhindern und das die Ordnung störende ungesetzliche Maklerwesen bei der Vermittlung von Ladegut und Laderaum zu beseitigen.
Die Antragsteller bitten, den Antrag heute noch als zusätzlichen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, damit er mit den anderen Anträgen an die Ausschüsse überwiesen werden kann. Ich nehme an, daß dagegen kein Widerspruch erfolgt. — Dann darf ich als zusätzlichen Punkt 2i der Tagesordnung aufrufen:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rademacher, Dr. Dehler und Fraktion betreffend Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (Drucksache 678).
Wir treten nunmehr in die Aussprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Leiske.

Dr. Walter Leiske (CDU):
Rede ID: ID0203801200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die CDU/CSU-Fraktion habe ich in der ersten Beratung der beiden Vorlagen der Bundesregierung betreffend Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes, Drucksache 573, und betreffend Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes, Drucksache 574, die Berichterstattung übernommen. Mein Bericht kann bei dem gegenwärtigen, noch völlig offenen Stand der Beratungen in meiner Fraktion nur ein persönlicher Bericht sein. In dieser Beziehung sei mir die persönliche Bemerkung gestattet, daß ich mich seit langem sehr bemüht habe und auch noch weiterbemühen werde, gegenüber der zunehmenden Kraftverkehrweltanschauung und gegenüber der anscheinend abnehmenden Eisenbahnweltanschauung meine gedankliche Unabhängigkeit zu bewahren, zu bewahren trotz der Flut der Drucksachen und Informationen aller Art, die seit Monaten Tag für Tag auf die Mitglieder des Bundestagsausschusses für Verkehrswesen, also auch auf mich, eingestürmt sind.
Ich muß ein wenig ausholen. In der 3. Plenarsitzung des 2. Deutschen Bundestages am 20. Oktober vorigen Jahres hat der Herr Bundeskanzler, wie Sie sich noch erinnern werden, in der Er-


(Dr. Leiske)

klärung der Bundesregierung auch zu den drängenden Fragen der Verkehrspolitik Stellung genommen.
Nachdem in den vergangenen Jahren
— so führte damals der Herr Bundeskanzler aus — die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen auf dem Gebiet des Verkehrswesens geschaffen worden sind, wird es nunmehr die vordringlichste verkehrspolitische Aufgabe der Bundesregierung sein, die Bereiche der einzelnen Verkehrsträger aufeinander abzustimmen. Das Ziel wird sein müssen, Eisenbahn- und Straßenverkehr, Binnen- und Seeschiffahrt und künftigen Luftverkehr so zu ordnen, daß bestehende Werte erhalten bleiben und zugleich der höchste Nutzen mit dem geringsten Kostenaufwand erreicht wird. Vor allen wirtschaftlichen Erwägungen steht aber für die Bundesregierung
— so wurde damals gesagt —
die Frage der Sicherheit für den Menschen in dem ständig wachsenden Verkehr. Die steigenden Unfallziffern des Straßenverkehrs werden uns
— sagte der Herr Bundeskanzler —
eine ernste Mahnung sein müssen, dem Zustand der Straßen unsere besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden sowie die getroffenen Sicherungsmaßnahmen immer wieder auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und weiter auszubauen.
Soweit die grundlegende Erklärung der Bundesregierung, die sich schon damals zum Ordnungsprinzip in der Verkehrspolitik bekannt hat. Der Altmeister Goethe, der mir als Frankfurter Abgeordnetem ja besonders nahesteht,

(Zurufe)

soll das schon zu seiner Zeit mit den treffenden Worten umschrieben haben: Man kann in wahrer Freiheit leben und doch nicht ungebunden sein.

(Abg. Rümmele: Sehr gut!)

Die steigenden Unfallziffern des Straßenverkehrs müssen uns allen in der Tat eine ernste Mahnung sein. Ich wiederhole nochmals die Zahlen. Im Jahre 1953 sind bei insgesamt 445 000 Straßenverkehrsunfällen rund 11 000 Unfalltote und rund 300 000 Unfallverletzte zu beklagen gewesen. Wir müßten Tag für Tag 30 Särge aufbahren, wenn wir die ganze Schwere dieser Verluste ermessen wollen. Dabei kann zunächst dahingestellt bleiben, auf welche Ursachen und auf welche Fahrzeuge diese Unfälle zurückzuführen sind. Zu diesen erschütternden Zahlen, die leider die Tendenz zum weiteren Anstieg in sich tragen — die Zahlen, die ich nannte, beziehen sich auf 1953; die Zahlen von 1954 haben eine steigende Tendenz —, muß ich mit Betonung sagen, daß sie einen nationalen Notstand von ganz besonderer Tragik enthüllen. Ich bin sicher, daß wir alle in diesem Hohen Hause durch alle Fraktionen hindurch die Verpflichtung empfinden, diesen Notstand mit allen nur irgendwie erfolgversprechenden Mitteln und mit äußerster Beschleunigung auf ein geringstes Maß zurückzuführen.
Nun hat sich der Bundestag zuletzt mit dem Verkehrsproblem in der 14. Plenarsitzung am 11. Februar dieses Jahres befaßt. Damals haben zu den Großen Anfragen der Fraktionen der SPD und der CDU/CSU unsere Verkehrsexperten Stellung genommen. Die Kollegen Dr. Bleiß, MüllerHermann, Rümmele, Rademacher, Schmidt (Hamburg), Schneider (Bremerhaven), Morgenthaler, Jahn (Frankfurt), Scheuren, Dr. Bucerius, Baur (Augsburg) haben damals alle Verkehrsregister aufgerollt. Rückblickend sind damals allerhand Vorwürfe wegen der verkehrspolitischen Versäumnisse in den vergangenen Jahren erhoben worden, Vorwürfe gegen den 1. Bundestag, gegen seinen Verkehrsausschuß, gegen die Bundesregierung und ihren Verkehrsminister, der sich natürlich lebhaft zur Wehr gesetzt hat. Ich halte aus dieser langen und sehr gründlichen Verkehrsdebatte von damals nur einige treffende Worte meines Fraktionskollegen Dr. Bucerius fest, als er an das Hohe Haus mit dem Bekenntnis appellierte: „Wir sollten uns alle an unsere Brust schlagen und sagen: Wir sind allzumal Sünder!" Und Herr Kollege Dr. Bucerius kam damals zu dem Ergebnis, daß radikale und einschneidende Maßnahmen auf diesem wirtschaftlichen Gebiet unerläßlich sind. Welche Maßnahmen unerläßlich sind, ist damals leider nicht gesagt worden. Man kann ja stundenlang über verkehrspolitische Reformen diskutieren, ohne dabei zu einer wirklich gangbaren Reform vorzudringen.
Die Bundesregierung hat am 4. Juni den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes und den Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes eingebracht, und zwar, wie wir gehört haben, mit den vom Bundesrat in seiner 122. Sitzung am 7. Mai beschlossenen Änderungsvorschlägen. Ich glaube, das Hohe Haus wird mir einmütig beipflichten, wenn ich sage, daß diese Vorlagen wirklich nicht nur von sehr großer verkehrswirtschaftlicher, sondern auch volkswirtschaftlicher Bedeutung sind. Ihre Beratung und beschleunigte Verabschiedung wird von uns allen höchste Verantwortung beanspruchen. Die Begründungen der beiden Entwürfe verweisen auf die Gefahr, daß die sehr hohe Zahl der Unfälle, insbesondere die Zahl der Unfalltoten, weiter steigt, wenn nicht wirksame und einschneidende Maßnahmen zur Abhilfe ergriffen werden.
Beide Gesetzentwürfe haben starke Kritik ausgelöst, und zwar zunächst unter dem besonderen Gesichtspunkt, daß sie eine Gesamtkonzeption der Bundesregierung zur Ordnung des Verkehrs, insbesondere des Problems Schiene-Straße, vermissen lassen. Insoweit aber hat der Herr Bundeskanzler neuerdings gebeten, die beiden Gesetzentwürfe nicht isoliert, sondern als Teil eines verkehrspolitischen Gesamtprogramms zu betrachten. Die Bundesregierung habe, ausgehend von den Darlegungen zur Verkehrspolitik in der Regierungserklärung am 20. Oktober vorigen Jahres, in monatelangen, sehr sorgfältigen Beratungen einen Gesamtvorschlag zur Lösung der Verkehrsprobleme erarbeitet. Dabei seien auch Sachverständige aus der Wissenschaft, wie das schon Minister Seebohm ausgeführt hat, aus der gewerblichen Wirtschaft, der Landwirtschaft und dem Verkehrswesen angehört worden. Das Straßenentlastungsgesetz und das Verkehrsfinanzgesetz würden durch eine Reihe von Maßnahmen, auch tarifpolitischer Art, ergänzt werden, die folgenden Zwecken dienen sollen: erstens der Hebung der Verkehrssicherheit auf den Straßen, zweitens der Aufgabenteilung zwischen Schiene und Straße und Binnenschiffahrt, drittens der Gesundung der Deutschen Bundesbahn, viertens der Sicherung der Wirtschaftlichkeit des gewerblichen Güterkraftverkehrs und insbesondere seiner mittelständischen Betriebe und


(Dr. Leiske)

fünftens der Zusammenarbeit zwischen Bundesbahn und Bundespost im Kleingutverkehr und im Straßenomnibusverkehr. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen, so betonte der Herr Bundeskanzler, habe das Bundeskabinett in seiner Sitzung vom 1. Juni beschlossen. Sie ständen im engsten Zusammenhang mit den beiden vorliegenden Verkehrsgesetzen und könnten nach Ansicht der Bundesregierung nur nach Annahme dieser Gesetze mit Erfolg durchgeführt werden. Der Herr Bundeskanzler hat noch einmal auf die große Dringlichkeit der vom Bundestag zu treffenden Entscheidungen hingewiesen, weil er durchgreifende Maßnahmen für unerläßlich hält, wenn Leben und Gesundheit der Menschen im Straßenverkehr wirksam geschützt und geordnete Verhältnisse im Verkehrswesen geschaffen werden sollen.
Ich sagte schon, beide Gesetzentwürfe, besonders aber das Straßenentlastungsgesetz, haben starke Kritik ausgelöst. Unendlich groß ist die Zahl der Denkschriften und der Resolutionen, die von den beteiligten Verkehrs- und Wirtschaftsgruppen auf den Bundestag und besonders auf seinen Ausschuß für Verkehrswesen niedergeprasselt sind. Die Tagespresse und die Fachpresse haben seit langen Monaten das Für und Wider — ich muß vielleicht richtiger sagen: das Wider und Für — geradezu mit Leidenschaft erörtert. Der stark interessierte Abgeordnete konnte wirklich neben seinen sonstigen parlamentarischen Verpflichtungen kaum noch folgen. Man kann die ungezählten Kritiker — abgesehen von ihren spezifischen Gruppeninteressen — wohl in zwei große Lager einteilen. Auf der einen Seite stehen die Verfechter einer schrankenlosen Wettbewerbswirtschaft im Verkehrswesen, die jede Ordnung und jede Koordinierung von vornherein als dirigistisch ablehnen und dabei gern auf den Herrn Bundeswirtschaftsminister als ihren Apostel verweisen. Auf der anderen Seite stehen die Anhänger der Ordnung und der Koordinierung des Verkehrswesens, die das gemeinwirtschaftliche Gesamtinteresse den Gruppeninteressen von vornherein übergeordnet sehen wollen. Ich persönlich bekenne mich zu der letzten Gruppe,

(Abg. Rümmele: Wir auch!)

wahrscheinlich auch weite Teile meiner Fraktion.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203801300
ein sehr schwieriges Beginnen. Der Herr Minister hat bei diesem Versuch keinen Erfolg gehabt. Ich kann leider nicht glauben, daß ein nochmaliger Versuch des Herrn Bundesministers für Verkehr — etwa mit einem strengen Konklave einiger weniger verantwortun gsbewußter Verkehrsexperten doch noch zu einer Verständigung zu gelangen — besondere Aussichten auf Erfolg böte. Dazu sind die gegenseitigen Fronten in den letzten Monaten leider zu sehr verhärtet worden. Aber wir dürfen keine weitere Zeit mehr verlieren und müssen nun vom Parlament aus, unserer großen Verantwortung entsprechend, endlich Entscheidungen treffen.
Nun möchte ich den Verfechtern der schrankenlosen Wettbewerbswirtschaft im Verkehrswesen,

(Abg. Müller-Hermann: Wo gibt's die denn?) besonders im Bereich der Straße, etwas Grundsätzliches sagen. Diese Herren argumentieren meist so, daß sie das Vordringen des Lastkraftwagens auf der Straße als einen besonderen Erfolg der Wettbewerbswirtschaft herausstellen. Niemand in diesem Hohen Hause wird die volkswirtschaftlichen Leistungen besonders des gewerblichen Kraftverkehrs seit Kriegsende verkennen oder auch nur schmälern wollen. Im Gegenteil, wir müssen diese besonderen Leistungen anerkennen. Hier hat ein vorwiegend mittelständisches Gewerbe mit Fleiß und mit Geschick und mit großem Einfühlungsvermögen in die individuellen Verkehrsbedürfnisse der Wirtschaft große Leistungen vollbracht. Aber, meine Damen und Herren, echte Wettbewerbswirtschaft war das nicht und wird das niemals werden. Der gewerbliche Kraftverkehr hat doch vor Jahren mit Konzessionen angefangen und er fährt noch heute mit Konzessionen. Dabei will ich nur einmal ganz leise andeuten, daß die Vergabe und die Weitergabe dieser Konzessionen — das kann wohl niemand bestreiten — sich nicht immer und nicht überall so ganz unanfechtbar vollzogen haben.


(Sehr .richtig! in der Mitte und rechts.)

Der Kraftverkehr ist doch in vieler, vieler Beziehung begünstigt worden, auch von der Bundesregierung und besonders auch in steuerlicher Beziehung, so seltsam das klingt, von dem Herrn Bundesminister der Finanzen.
Ich muß die Frage stellen, ob der Kraftverkehr in den zurückliegenden Jahren wirklich seine Wegekosten aufgebracht hat, wie die Deutsche Bundesbahn ihren Oberbau nach dem Kriege ohne staatliche Hilfe wieder in Ordnung zu bringen bemüht gewesen ist und noch ist.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich werde darauf noch zu sprechen kommen. Hier erheben sich bedenkliche Zweifel und Fragezeichen, an denen nach meinem Empfinden auch ein Wissenschaftler vom Range des Genfer Universitätsprofessors Dr. Wilhelm Röpke nicht hätte vorübergehen sollen. Seine vielgelesene Abhandlung über
Abstimmung des Schienen- und Straßenverkehrs" im „Deutschen Volkswirt" vom 1. Mai dieses Jahres hat, wenigstens nach meinem Eindruck — ich bedaure, das sagen zu müssen —, die Verwirrung in der ohnehin verworrenen Verkehrsdiskussion noch vermehrt.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich bedaure besonders, daß dieser um den Durchbruch der Marktwirtschaft in Deutschland so hochverdiente Mann der ökonomischen Wissenschaft bei seiner Argumentation die Deutsche Bundesbahn und die Eisenbahn so offensichtlich ins Unrecht gesetzt hat. Diese Art der wissenschaftlichen Beweisführung ist in ihrer tendenziellen Einseitigkeit gegen die Bundesbahn von vielen ernsthaften Verkehrspolitikern — ich will mich höflich ausdrücken — als peinlich empfunden worden.

(Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte.)

Die Organisationen des gewerblichen Kraftverkehrs sind schlecht beraten, wenn sie Herrn Professor Dr. Röpke als ihren Anwalt in Anspruch nehmen und uns, den Abgeordneten, seine so tendenziell orientierte Abhandlung ins Haus schicken.

(Sehr gut! bei der SPD und in der Mitte.)

Die Verwirrung in der öffentlichen Verkehrsdiskussion hat nun seit Wochen noch eine weitere


(Dr. Leiske)

Steigerung erfahren durch das heute schon genannte „Forum der Verkehrsteilnehmer" in Frankfurt am Main — also in meinem Wahlkreis sitzend —, für das sieben namhafte Gummiwerke verantwortlich zeichnen.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Da werden von diesen Reifenfabriken — natürlich zu Lasten ihrer Werbungskosten, also auf Kosten des Herrn Bundesministers der Finanzen — public relations betrieben, und zwar in einem so plumpen und, ich muß schon sagen, bauernfängerischen Stil, daß der einfache Mann auf der Straße, der ja viel intelligenter ist, als die geistigen Väter dieses Forums es meinen,

(Zurufe: Sehr wahr!)

geradezu zum Widerspruch herausgefordert wird. Diese besondere Art von publicity wird auch manchem fernerstehenden Abgeordneten den peinlichen Beweis erbracht haben, daß hier kapitalstarke Interessen einzelner Lieferwerke auf die öffentliche Meinung beherrschenden Einfluß nehmen wollen. Im Zeichen von St. Raphael — ich finde das nicht sehr geschmackvoll —

(Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

als dem Schutzpatron der Fuhrleute und Reisenden werden die Verkehrsteilnehmer durch großräumige Anzeigen in den Inseratenspalten der Tageszeitungen und der Fachzeitungen zur Mitarbeit an der Gesundung — an der Gesundung! — der Verkehrsverhältnisse aufgerufen.

(Zuruf rechts: Die Zeitungen wollen auch leben!)

Ich will auf den textlichen Gehalt oder, richtiger gesagt, auf die Armut dieser Texte nicht im einzelnen eingehen.

(Zuruf von der SPD: So wird geschmiert!)

Zu offensichtlich und zu einseitig soll der Leser auf die verkehrspolitischen Interessen des Kraftverkehrs ausgerichtet werden.
Ich möchte diesem verehrlichen „Forum der Verkehrsteilnehmer" den Rat geben, doch einmal unter den Fußgängern, unter den Pkw-Fahrern, unter den Pkw-Fahrgästen und unter den häuslichen und wohnungsmäßigen Straßenanliegern in Stadt und Land einen Volksentscheid durchzuführen,

(Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

wie diese größten Gruppen der Verkehrsteilnehmer, die ja nicht besonders organisiert sind, nun wirklich zu der Vormachtstellung der Lastkraftwagen, insbesondere der schweren Lastkraftwagenzüge, stehen. Solcher Volksentscheid nach Schweizer Muster würde, davon bin ich im voraus überzeugt, einige Überraschungen für das „Forum der Verkehrsteilnehmer" ergeben.
Ich halte überhaupt den Weg, den hier diese Reifenfabriken gegangen sind, für höchst bedenklich; denn dieser Weg könnte Beispiel werden für eine Gegenorganisation der Fußgänger im Zeichen von St. Christophorus

(Heiterkeit und Beifall)

als dem Patron gegen unbußfertigen Tod; der amtierende Bundesminister für Verkehr würde dadurch vielleicht besonders angesprochen werden! Und der Kohlenbergbau, der an die Deutsche Bundesbahn jährlich für eine halbe Milliarde DM Koh-
len absetzt, könnte unter Berufung auf St. Barbara auch auf den Gedanken verfallen, nun die Verkehrsteilnehmer zugunsten der Bundesbahn beeinflussen zu wollen. Wo sollen wir überhaupt hinkommen, so frage ich, wenn unsere bundesdeutsche Verkehrspolitik in dieser Weise von Lieferinteressen der Eisen- und Stahlindustrie oder der Lokomotivfabriken oder der Werke für elektrische Ausrüstungen oder der Automobilfabriken oder der Mineralölindustrie diktiert werden sollte!

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich fürchte sehr, diese Wege würden in die Irre führen, und ich kann nur dem gesunden Instinkt der Verkehrsteilnehmer aller Grade vertrauen, daß sie sich durch solche Methoden in ihrem Urteil über die Ordnungsbedürftigkeit des Verkehrswesens nicht beeinflussen lassen.

(Abg. Rümmele: Richtig!)

Nun ein kurzes Wort zur Deutschen Bundesbahn und zu ihrem Notstand. Über ihre defizitäre Lage ist in diesem Hohen Hause schon sehr gründlich diskutiert worden, zuletzt noch am 7. April bei der Beratung des Haushalts für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich will nicht längst Bekanntes und längst Gesagtes wiederholen, aber einige wenige Daten müssen doch noch einmal herausgestellt werden:
Im Wirtschaftsplan 1953 bei der Bundesbahn rund 600 Millionen DM Unterschuß, im Wirtschaftsplan 1954 voraussichtlich rund 800 Millionen DM Unterschuß; bahnfremde, nämlich politische, Sonderlasten im Jahr rund 500 Millionen DM, Sonderlasten aus der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung im Jahr rund 360 Millionen DM.
Und trotzdem, meine Damen und Herren, hat die Deutsche Bundesbahn als einziges Verkehrsmittel die Kosten für die Erhaltung und Sicherung ihres Fahrweges getragen. Und trotzdem hat die Bundesbahn ihren Personenverkehr modernisieren können. Sie hat auch ihren Güterverkehr modernisieren können. Sie stellt die Zugförderung auf elektrischen Betrieb oder auf Dieselbetrieb um. Die Bundesbahn rationalisiert in der Verwaltung, im Betrieb, im Verkehr, in den Werkstätten, im Bau. Sie hat, wie wir gehört haben, ihren Personalbestand erheblich vermindert, und sie gedenkt diese retardierende Personalpolitik — natürlich unter Vermeidung von sozialen Härten — auch fortzusetzen. Die Bundesbahn kann sich auf ihre 500 000 Eisenbahner verlassen, weil diese an ihrem Unternehmen hängen, manchmal schon seit Generationen in derselben Familie hängen. Die Eisenbahner bilden eine Betriebsfamilie im besten Sinne des Wortes, die auf die Leistungen ihrer Mitglieder in den verschiedenen Sparten stolz sein kann.
Die Bundesbahn will aus dem Defizit heraus. Sie will nicht, wie andere Staatsbahnen, Jahr für Jahr zum Kostgänger des Staatshaushalts werden.

(Abg. Rümmele: Siehe Frankreich!)

— Ja, siehe Frankreich! — Die Bundesbahn will an der Gemeinwirtschaftlichkeit ihres Betriebssystems und ihres Tarifsystems festhalten.
Was heißt nun eigentlich „Gemeinwirtschaftlichkeit" im hier besonders interessierenden Güterverkehr? Ich zitiere dazu mit Absicht einen Nichteisenbahner, nämlich das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Deutschen Industrie- und Handelstages, Herrn Dr. Paul Bayer in Bonn. Der sagt


(Dr. Leiske)

über die Gemeinwirtschaftlichkeit im Güterverkehr folgendes — ich darf es zitieren, Herr Präsident — :
Einer der Hauptbestandteile der Gemeinwirtschaftlichkeit des Deutschen Eisenbahngütertarifs ist seit Jahrzehnten die Wertstaffel, welche die hochwertigen Güter bei gleicher Leistung frachtmäßig höher belastet als geringwertige. Diese Wertstaffel hat die Standortlage der deutschen Wirtschaft seit Jahrzehnten im Sinne einer volkswirtschaftlich sehr erwünschten Dezentralisierung beeinflußt. Die Wirkung der Wertstaffel wird noch unterstützt durch die Entfernungsstaffelung der Gütertarife, durch welche die an der Peripherie gelegenen Industrien indirekt den Rohstoffzentren nähergebracht werden, so daß sich ihre standortmäßige Benachteiligung verringert. Ein weiteres wesentliches Merkmal der Gemeinwirtschaftlichkeit der Eisenbahn ist die tarifarische Gleichbehandlung aller Strecken ohne Rücksicht auf deren Verkehrsdichte; nämlich die wenig befahrenen Nebenstrecken werden durch die Einnahmen aus den Hauptstrecken subventioniert, womit gewissermaßen ein regionaler Lastenausgleich praktiziert wird.
So weit Herr Dr. Beyer. Aber die Bundesbahn und die nicht bundeseigenen Eisenbahnen sagen nun, sie könnten diese gemeinwirtschaftliche Politik, die doch für die wirtschaftsschwachen und revierfernen Gebiete sowie für die Zonenrandgebiete auf jeden Fall aufrechterhalten werden soll, nur durchhalten und fortsetzen, wenn eine weitere Aushöhlung des Eisenbahnverkehrs vermieden wird. Ich möchte meinen, daß wir uns über den Ernst und die ganze Schwere dieser Alternative im Eisenbahnverkehr klarwerden müssen. Der Bundestag wird diesem Entweder-Oder nicht mehr länger ausweichen können.
Nun ist in der leidenschaftlichen Diskussion dieser Fragen in den letzten Monaten neuerdings mit einem roten Haltesignal — nicht politisch roten Haltesignal! —

(Heiterkeit)

operiert worden, nämlich mit dem Schlagwort der Gefahr eines Monopols der Eisenbahn zum mindesten für bestimmte Transporte. Herr Kollege Müller-Hermann hat ja diese Frage auch in seinen Ausführungen berührt. Nüchterne Verkehrspolitiker haben dieses Signal schon in die Worte umgeprägt: Monopol der schlechten Risiken. Wir sollten, meine Damen und Herren, über diese Fragen ganz leidenschaftslos diskutieren. Ein Eisenbahnmonopol hat in Deutschland niemals bestanden; dafür sorgt schon der Wettbewerb mit der Binnenschiffahrt. Die Bundesbahn braucht doch — so wurde uns neulich einmal in kleinerem Kreise gesagt — mehr Verkehr, und in dieser Lage wird sie die Tarifsätze halten müssen; sonst würde sie ja völlig unkaufmännisch handeln und nur das Gegenteil, nämlich den Verkehrsschwund, erreichen. Schließlich ist der Vorstand der Bundesbahn gerade in der Tarifgebarung alles andere als frei; so ist uns neulich wenigstens berichtet worden. Ich hörte, daß der Vorstand bei Tarifänderungen vierzehn Stationen zur Zustimmung durchlaufen muß, was nicht gerade für eine sehr kaufmännische Struktur des ganzen Geschäfts spricht. Wir sollten uns also durch diese neue Vokabel des Eisenbahnmonopols nicht schrecken lassen. Wie man sich aber auch als Politiker oder als Freund zur Deutschen Bundes-
bahn stellen mag, man wird zugeben müssen, daß die Bundesbahn sowohl im Personenverkehr wie namentlich auch im Güterverkehr noch zu großen technischen Leistungssteigerungen berufen und befähigt sein wird, unter einer Bedingung oder Voraussetzung: wenn sie durch eine ausgeglichene Rechnung dazu in den Stand gesetzt wird.
Meine Damen und Herren! Bevor ich nun auf die beiden Gesetzesvorlagen im besonderen eingehe, muß ich noch einen Augenblick bei der umstrittenen Frage der künftigen Dimensionierung der Lastkraftwagen und der Lastwagenzüge auf der Straße verweilen. Dem Kraftverkehr auf der Straße, sowohl dem gewerblichen Kraftverkehr wie dem Werkverkehr der Industrie und des Handels, steht bekanntlich das starke Argument des Haus-Haus-Verkehrs zur Seite, ein Argument, dessen volkswirtschaftliche Bedeutung auch von uns besonders anerkannt werden muß. Das hat sich ganz natürlich besonders günstig für solche Produktionsstätten ausgewirkt, die in verkehrsschwachen und verkehrsfernen Gebieten nicht über den Vorteil des Eisenbahnanschlusses vor der Tür oder doch in nächster Entfernung verfügen können.
Das bedeutet aber, daß die schweren Transporte nach Passieren der Fernstraßen durch die engen Ortsdurchfahrten geschleust werden müssen, um am Bestimmungsort in meist engen Ortslagen empfangen werden zu können.
Nun ist bekanntgeworden — es ist auch heute schon ausgesprochen worden —, daß die kommunalen Spitzenverbände, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Gemeindetag, der Deutsche Landkreistag und für die besonders schwierigen Verhältnisse im Ruhrrevier der Ruhrsiedlungsverband, sich mit dieser Problematik sehr verantwortungsbewußt befaßt haben. In den kleinen Gemeinden wie in den großen Städten und in den zusammenhängenden Revieren ergibt sich in wachsendem Maße eine Inkongruenz zwischen den dimensionalen Ansprüchen des Kraftverkehrs einerseits und der Enge und starken Beanspruchung der örtlichen Straßenlagen andererseits.

(Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

Ich muß hier aus meiner persönlichen Schau einer großen Großstadt mit sehr lebhaftem Straßenverkehr eine Warnung aussprechen, die ich gleichermaßen richten möchte an die erzeugende Automobilindustrie wie an den gewerblichen Güterverkehr. So wie bisher wird es nicht mehr lange weitergehen! Die Polizeipräsidenten und die Verkehrspolizeibehörden haben in diesen großen Verkehrszentren den Kraftverkehr bisher noch einigermaßen im Fluß halten können. Aber der Güterkraftverkehr ist auf dem besten Wege, sich in diesen großen Verkehrszentren selber totzulaufen. Er sollte mit der Industrie die Einsicht aufbringen, daß er in der Länge, in der Breite und im Gewicht der Lastwagen nachgeben muß. Das gilt übrigens bis zu einem gewissen Grade auch — mit einer gewissen Abwandlung — für die modernen Personenomnibusse. Andernfalls werden nämlich die Verkehrspolizeibehörden früher oder später einfach in die Zwangslage versetzt werden, Sperrmaßnahmen zu verfügen, die dem Haus-Haus-Verkehr an den Lebensnerv gehen würden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Vorgehen großer Städte im Ausland, die schwerdimensionierte Lastwagen und Lastwagenzüge längst aus ihren Stadtkernen verbannt haben. Die Straßenlagen in den deutschen Städten sind früher oder


(Dr. Leiske)

später für diesen schwerdimensionierten Güterverkehr nicht mehr aufnahmefähig. Da helfen dann auch keine Umgehungsstraßen, denn die schweren Lastwagen und Lastwagenzüge wollen doch in die Stadtzentren hinein und zu ihren Empfängern vor die Tür oder in den Hof fahren. Die Verkehrspolizeibehörden in diesen dichten Verkehrszentren werden froh sein können, wenn sie in Zukunft den von Jahr zu Jahr stürmisch zunehmenden Pkw-Verkehr und den Verkehr der leichten Lieferwagen noch einigermaßen in Fluß halten können. Ich würde es sehr begrüßen, wenn meine warnende Stimme, die keinesfalls von Abneigung gegen den Güterkraftverkehr diktiert ist, sowohl bei der Automobilindustrie wie auch bei der Anhängerindustrie und beim Verkehr selbst die Beachtung fände, die sie verdient. Im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten wird es gut sein, wenn wir rechtzeitig haltmachen und umkehren.
Nun möchte ich mich den beiden Gesetzesvorlagen zuwenden, dem Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes und dem Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes. Fürchten Sie nicht, meine Damen und Herren, daß ich mich dabei in Einzelheiten verlieren werde, denn ich möchte mir Ihre Aufmerksamkeit erhalten. Der Inhalt und die Tendenz dieser beiden Gesetzentwürfe sind bekannt. Ich muß auf Grund beider Gesetzentwürfe den Zwang, die Straßen zu entlasten, bejahen, weil die 11 000 Unfalltoten und die 300 000 Unfallverletzten im Jahr eine schwere Anklage sind. Man argumentiere dabei doch nicht immer so, daß die überwiegende Zahl dieser Unfälle gar nicht auf die großen Fernstraßen, sondern auf die engen Ortslagen entfielen. Meine Damen und Herren, ich frage die Kollegen in diesem Hohen Hause, die wie ich Monat für Monat viele Tausend Kilometer auf den Autobahnen und Bundesstraßen fahren müssen: Wer von Ihnen wird bestreiten können, daß er als Pkw-Fahrer oder als Pkw-Fahrgast gerade durch den zunehmenden Verkehr schwerer Lastkraftwagen auf der Straße nicht selbst schon mehrmals in Gefahr, vielleicht im einzelnen Falle sogar in tödliche Gefahr geraten ist! Das soll keinerlei Vorwurf gegen das Fahrpersonal der schweren Lastkraftwagen einschließen, für dessen schwere Dienstleistung und für dessen häufig straßenkameradschaftliche Einstellung ich alle Achtung empfinde. Aber wenn das so weitergeht, dann müssen wir auf den Autobahnen beiderseits die dritte Fahrbahn anfügen und dann müssen wir auf den großen durchgehenden Bundesstraßen zu erheblicher Verbreiterung der Fahrbahnen schreiten. Auch noch diese erheblichen Anpassungsbauten zu finanzieren, ist doch aber ganz unmöglich.
Ebenso bejahe ich aus beiden Gesetzentwürfen die Tendenz, der Deutschen Bundesbahn einen Teil des auf die Straßen abgewanderten Verkehrs zurückzugeben, weil wir die Bundesbahn für die Durchhaltung ihres gemeinwirtschaftlichen Betriebs- und Tarifsystems stark machen müssen. Dieses gemeinwirtschaftliche System der Bundesbahn ist aufs höchste gefährdet. Das sollten gerade diejenigen Herren Kollegen bedenken, denen die Verkehrsinteressen der revierfernen Gebiete und der Zonenrandgebiete am nächsten liegen und anvertraut sind. Aus einer allerjüngsten Verlautbarung des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn war wiederum zu ersehen, daß die rückläufige Tendenz des Bundesbahn-Güterverkehrs anhält. Der Güterverkehr ist bis Ende April 1954 wiederum um 2,7 % gegenüber 1953 zurückgegangen, während sich der Personenfernverkehr weiterhin günstig entwickelt hat.
Meine Damen und Herren, nun stellt sich die Kernfrage, vor die wir alle gestellt sind, doch einfach so: Können wir die Entlastung der Straße erreichen und dabei die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn durchhalten nur mit den Mitteln verstärkter Verkehrserziehung, mit den Verwaltungsakten verstärkter Verkehrsaufsicht, mit der Handhabe entsprechend beweglicher Tarifpolitik und mit der steuerlichen Belastung des Straßenverkehrs zur Aufbringung seiner Wegekosten? Oder genügt das alles nicht und müssen wir dann zu bestimmten Transportverboten im Güterfernverkehr und im Werkfernverkehr schreiten?
In Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr fürchte ich, daß tarifpolitische Maßnahmen allein nicht ausreichen werden, um diese doppelte Zielsetzung zu erreichen, ganz abgesehen davon, daß ich bezüglich einer Kontrolle der Einhaltung dieser Tarife sehr skeptisch bin. Wir sollten also, meine ich, in eine ganz nüchterne Prüfung der Verbotsgesetzgebung nach dem Entwurf des Straßenentlastungsgesetzes eintreten, selbst wenn wir dabei, der eine mehr, der andere weniger, einen dirigistisch-bitteren Geschmack empfinden sollten. Vielleicht — ich bin kein Prophet — werden wir dann dem Herrn Bundesminister für Verkehr noch recht geben müssen, wenn er neuerdings mit Nachdruck betont, daß die künftigen Belastungen des Güterkraftverkehrs nach den vorliegenden Gesetzentwürfen der Bundesregierung als maßvoll einzuschätzen sind und immer noch ein annehmbares Kompromiß darstellen gegenüber der anderen Alternative, den Güterkraftverkehr steuerlich mit den wirklich vollen Wegekosten belasten zu sollen.
Diese schwierige Problematik der vollen Wegekosten für den Straßenverkehr hat nämlich ein ganz neues Gesicht erhalten, seitdem der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums dem Auftrag des Herrn Bundesministers für Verkehr vom 29. Juli vorigen Jahres durch ein vorläufiges Gutachten zur Frage der Tragung der Wegekosten vom 24. April dieses Jahres entsprochen hat. Ich habe dieses vorläufige Gutachtengelesen. Ich muß sagen, ich habe es studiert. Dieses Studium war für mich geradezu erfrischend nach dem Übermaß von verkehrspolitischen Denkschriften, Memoranden und Resolutionen aus dem Bereich der widerstreitenden Verkehrsinteressenten. Der sehr rührige Pressedienst des deutschen Verkehrsgewerbes hat versucht, das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats als einen Husarenritt der Wissenschaftler, als eine Tollheit in der Methode zu glossieren und abzutun. Auf diesem Wege kann ich dem deutschen Verkehrsgewerbe wirklich nicht mehr folgen.
In seinem Gutachten bekennt sich der Wissenschaftliche Beirat erneut zu dem Grundsatz der Eigenwirtschaftlichkeit. Die Deckung der Wegekosten als eine von der Allgemeinheit zu tragende öffentliche Abgabe anzusehen, erscheint dem Wissenschaftlichen Beirat im Gegensatz zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Müller-Hermann unangemessen.

(Abg. Müller-Hermann: Das war eine Äußerung von Herrn Minister Seebohm! — Gegenruf ides Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm: Sie haben falsch zitiert! — Heiterkeit.)



(Dr. Leiske)

Bahn und Straße sollen also grundsätzlich die Kosten für ihre Verkehrsanlagen selber aufbringen; natürlich auch die Schiffahrt; die kann aber hier außer Betracht bleiben. Der Wissenschaftliche Beirat hält es nun bei einer volkswirtschaftlichen Kostenrechnung für unerläßlich, als Wegekosten der verschiedenen Verkehrswege einzusetzen: die Verzinsung für das investierte Kapital und die Aufwendungen für Erneuerung, für Unterhaltung einschließlich des weiteren Ausbaus ides Wegenetzes, für Verkehrssicherheit, für Planung und für Verwaltung.
Sicherlich werden diese Grundthesen, von denen der Wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten ausgeht, darunter insbesondere die Frage der Verzinsung und die Frage der Quote, mit der man den Kraftverkehr bei den Wegekosten anteilig belasten will, Kritik auslösen. Sie sollten auch kritisch erörtert werden, insbesondere von den Interessenvertretungen des Kraftverkehrs. Das ist ein gutes Recht, das dem Kraftverkehr niemand bestreiten will. Im Ergebnis der Ermittlungen ist der Wissenschaftliche Beirat zu der Feststellung gelangt, daß für die Straße von 2250 Millionen DM Sollkosten im Jahr ungedeckte Wegekosten in Höhe von 1310 Millionen DM verbleiben. Dafür steht die Dekkung aus. Der Zustand bei der Straße, so stellt der Wissenschaftliche Beirat fest, sei in hohem Maße unbefriedigend. Wettbewerbsverzerrungen und damit Produktivitätsverluste seien die Folge. Insbesondere könne es, so sagt der Wissenschaftliche Beirat wörtlich, nicht verantwortet werden, daß gerade der in raschem Vordringen die anderen Verkehrszweige zurückdrängende Kraftverkehr mit 1310 Millionen DM hinter dem ihm jährlich zurechenbaren Wegeaufwand zurückbleibe.
Meine Damen und Herren, das sind wissenschaftlich erhärtete und in volkswirtschaftlicher Sicht Feststellungen von ungeheurem Gewicht, an denen nach meinem Dafürhalten niemand von uns vorübergehen kann. Ich persönlich fürchte sogar, daß bei diesen Berechnungen die Teilkonten für Unterhaltung und Erneuerung der Straßen noch zu niedrig eingesetzt sind. Es ist doch ein offenes Geheimnis, und der Herr Bundesminister für Verkehr hat es vorhin angedeutet, daß z. B. die rechten Fahrbahnen unserer Bundesautobahnen längst nicht mehr intakt sind. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat den früher oder später dafür fälligen Aufwand mit 100 000, mit 200 000 oder sogar bis 300 000 DM pro Kilometer beziffert, und zwar für rund 1000 km Autobahnen von insgesamt 2200 km Autobahnlänge. Herr Professor Dr. Röpke — ich muß noch einmal auf ihn zurückkommen — hat es bei dem Widerstreit Schiene — Straße für gut befunden, die Eisenbahn mit einem Friseur zu vergleichen, der nach Hilfe ruft, weil er seine Rentabilität durch die Selbstrasierer bedroht sieht. Ich fürchte, meine Damen und Herren, daß dieser geschmackvolle Vergleich an Hand dieser Bilanzierung der effektiven Wegekosten durch den Wissenschaftlichen Beirat sehr leicht zuungunsten der Straße ausschlagen kann.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Über die weiteren Erkenntnisse und Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats über die Verteilung der Wegekosten auf die einzelnen Fahrzeugtypen im System der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer ist bereits in der Tagespresse, in der Fachpresse und auch heute von dem Herrn Bundesminister für Verkehr und von dem Herrn Bundesminister der Finanzen sehr eingehend berichtet worden. Dabei haben wir kleinen Verkehrsteilnehmer mit Staunen zur Kenntnis genommen, daß der Pkw-Verkehr bislang wenigstens den Lkw-Verkehr, besonders den schweren Lkw-Verkehr, in den Wegekosten erheblich mitfinanziert und sogar, wie wir gehört haben, überfinanziert hat.

(Abg. Müller-Hermann: Durch wessen Schuld?)

Ich kann nur dem Wunsch Ausdruck geben, daß das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverkehrsministeriums zur Frage der Wegekosten recht bald der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden möge. Dieses Hohe Haus wird das Gutachten in seinen zuständigen Ausschüssen einer sehr sorgfältigen Prüfung zu unterziehen haben, denn dieses Gutachten geht, wie mir scheint, erstmals wirklich auf den Grund des Problems Schiene — Straße.
Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Mit solcher Gründlichkeit also, auf dem Fundament wissenschaftlicher Forschung und Erkenntnis wollen wir an die weitere Beratung der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe herangehen. Ich fürchte sehr, daß ein drückender Zwang über diesen Beratungen liegen wird. Dieser Tatsache gab der Herr Bundesfinanzminister kürzlich Ausdruck, als er sagte: „Die bedrohliche Entwicklung auf dem Verkehrsgebiet kann nicht mehr durch Maßnahmen gemeistert werden, die niemandem wehetun. Dazu ist die Krise zu weit vorgeschritten."
Bei den kommenden Beratungen in den Ausschüssen wollen und dürfen wir nicht außer acht lassen, daß die beiden Gesetzentwürfe eine verkehrspolitische Wandlung — manche Kritiker sagen sogar: eine Abkehr von der bisherigen Verkehrspolitik — der Regierungsseite darstellen. Dabei können und werden sich wahrscheinlich Härten ergeben, und zwar besonders für diejenigen Verkehrsunternehmen, die dem mittelständischen, die wirklich dem mittelständischen Sektor zuzurechnen sind. Es wird unser gemeinsames Anliegen sein müssen, diese Härten nach Möglichkeit zu mildern.
In diesem Sinne habe ich die Ehre, dem Hohen Hause zu empfehlen, erstens den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes, Drucksache 573, dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — federführend — und dem Verkehrsausschuß — mitberatend — zu überweisen und zweitens den Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes, Drucksache 574, dem Verkehrsausschuß zu überweisen. Möglicherweise werden aus dem Hohen Hause noch Anträge folgen, die beiden Gesetzentwürfe zur Mitberatung auch noch dem Haushaltsausschuß und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen.

(Beifall.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203801400
Meine Damen und Herren, ich darf ihnen mitteilen, daß sich vorerst acht weitere Redner gemeldet haben, und erteile dem Abgeordneten Schmidt (Hamburg) das Wort.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0203801500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat mir etwas leid getan, daß Herr D r. Leiske in seinen ausgezeichneten Ausführungen mir eine Auseinandersetzung mit diesem verkehrsfreiheitlichen Aufsatz von Herrn Professor Röpke vorweggenommen hat. Es wäre eigentlich mir besonders am Herzen gelegen, mich mit dieser pseudowissenschaftlichen Arbeit auseinanderzusetzen. Ich kann nur den Bemerkun-


(Schmidt [Hamburg])

gen, die Herr Dr. Leiske über diesen Aufsatz gemacht hat, aus ganzem Herzen zustimmen. Es muß einen wundernehmen, wie ein Wissenschaftler mit einem solchen Namen es fertigbringt, eine Reihe von durchaus richtigen Teileinsichten und eine Masse falscher Urteile in übrigens glänzender Diktion zu völlig falschen Endergebnissen zu führen und dabei die Prämissen, die am Anfang gesetzt worden waren, in den Endurteilen wiederzufinden. Das Kennzeichnende für diesen verkehrsfreiheitlichen Aufsatz von Herrn Professor Röpke ist, daß er sich überhaupt nicht mit irgendeinem der namhaften deutschen Verkehrswissenschaftler auseinandersetzt, daß er überhaupt gar nicht zu den Ansichten Stellung nimmt oder auf die Ausführungen repliziert, die diese Wissenschaftler vorgebracht haben. Er verzichtet darauf. Dabei ist er eigentlich auf dem Gebiete der Verkehrspolitik, sagen wir einmal, nur ein Sonntagsjäger. Man sollte dem Sonntagsjäger Professor Röpke auf dem verkehrspolitischen Feld genau sowenig Gehör schenken wie einer Reihe anderer Sonntagsjäger auf diesem Felde.
Meine Damen und Herren, die heutige Debatte hat bisher keinerlei Sensationen gebracht, und ich habe den Eindruck, diese Sensationen werden auch nicht mehr kommen. Es ist eigentlich eine etwas verquere Sache, daß wir heute eine große Plenardebatte über ein Problem und über Gesetzentwürfe haben, über die wir uns vor vier oder fünf Monaten schon einmal sehr ausführlich unterhalten haben, zumal inzwischen die Bundesregierung aus der damaligen Debatte kaum Konsequenzen gezogen hat und uns hier dasselbe Konzept erneut vorlegt, das uns damals bereits bekannt war, allerdings nicht aus unmittelbar offiziellen Vorlagen, sondern aus der Presse und aus Vorträgen. Es scheint mir deshalb auch nicht zweckmäßig, daß wir uns nun — und Herr Kollege Dr. Leiske hat das eben auch vermieden — noch einmal in alle Einzelfragen dieses Problems vertiefen.
Ich darf nur ganz kurz zunächst ein paar Bemerkungen zu den beiden Gesetzentwürfen machen, die uns vorliegen; zunächst zum Verkehrsfinanzgesetz, das der Herr Bundesfinanzminister hier begründet hat. Ich darf ausdrücken, daß wir mit der Zielsetzung dieses Gesetzes durchaus einverstanden sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat klar zum Ausdruck gebracht, daß das Ziel ist, den Verkehr in gewisser Weise auf die Schiene zurückzuverlagern, Mittel zu gewinnen für den Straßenbau und darüber hinaus für den Verkehr im allgemeinen. Dabei bedaure ich allerdings, daß er etwas schamhaft verschwiegen hat, wieviel Mittel aus diesem Gesetz denn an die Bundesbahn fließen sollen; aber vielleicht werden wir das im Ausschuß noch des Näheren zu hören bekommen.
Was die Senkung der Pkw-Steuer angeht, die beabsichtigt ist, so haben wir Ihnen schon vor fünf Monaten ausgeführt, daß wir das außerordentlich begrüßen. Ich glaube, wir brauchen jetzt auch auf die retardierenden Entschließungen des Bundesrats in dieser Sache nicht mehr Rücksicht zu nehmen, weil offenbar nach den Beschlüssen des Finanz- und Steuerausschusses dieses Hohen Hauses die Kraftfahrzeugsteuer demnächst eine Bundessteuer werden wird und die Länder insofern nicht mehr betroffen sind. Nach unserer Meinung muß die Pkw-Steuer aus all den Gründen, die hier schon angedeutet worden sind, und darüber hinaus auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit fallen. Es scheint uns nicht angängig, daß jemandem, der nur gerade ein kleines Wägelchen haben möchte, um damit sonntags oder im Urlaub mit seiner Familie einmal auszufahren, das so erschwert wird, daß ihm aufgelastet wird, die Straßenkosten der anderen mitzutragen, ja im Vergleich zu den schweren Lastzügen zwanzigmal so hoch zu tragen.
Ich darf auch auf die ungerechte Verteilung der Fixkostenbelastung bei den Kraftfahrzeugsteuern hinweisen. Einer, der 60 000 km im Jahre mit seinem Pkw fährt — sagen wir, als Manager irgendeines Verbandes — und einer, der nur 6000 km fährt, müssen dieselbe Kraftfahrzeugsteuer zahlen. Auch aus diesem sozialen Grunde muß bei den Pkws die Kraftfahrzeugsteuer fallen. Der Ausgleich findet dann bei der Mineralölbesteuerung statt, die für den einzelnen in dem Maße anfällt, in dem er mit seinem Kraftfahrzeug Kilometer fährt. Das gleiche gilt natürlich für die Motorräder.
Ich darf schon andeuten, daß dasselbe Problem in bezug auf die Haftpflichtversicherungsprämien existiert. Man muß das auch einmal angreifen; vielleicht ist im Augenblick noch nicht der geeignete Zeitpunkt. Es scheint mir jedenfalls sozial sehr ungerecht zu sein, daß der Staat den Mann, der nur 6000 km im Jahr fährt, zwingt, dieselbe Haftpflichtprämie zu leisten wie jemand, der 60 000 km jährlich fährt, obwohl das Risiko hier mindestens zehnmal so hoch ist. Ich glaube, man muß bei Gelegenheit einmal darüber nachdenken, ob man nicht auch hier eine etwas gerechtere Regelung finden kann.
In bezug auf die Lkw-Steuer möchte ich nichts ausführen. Wir haben schon früher betont, daß der Knick weg soll.
Was nun die Höhe all der zukünftigen Steuersätze im Verkehrsfinanzgesetz angeht, so scheint es mir sehr zweckmäßig, uns auf keiner Seite des Hauses in der ersten Lesung auf irgendwelche Zahlen festzulegen. In diesem interdependenten Zusammenhang greift doch eins ins andere. Das muß im Ausschuß in aller Ruhe abgewogen werden. Vor allem fehlt einstweilen noch vollkommen ein ganz entscheidendes Element für diese Abwägung, nämlich eine auch nur halbwegs klare Vorstellung von den tarifpolitischen Absichten für Eisenbahn und Straße, die das Bundesverkehrsministerium hegt. Es hat z. B. auch gar keinen Sinn, wenn die Industrie heute ein großes Geschrei über die Beförderungsteuer im Werkfernverkehr anfängt und der eine sagt, 5 Pf seien zuviel, jemand anders aber erklärt, 21/2 Pf seien zuwenig. All das kann man ja erst wissen, wenn man die Bezugsgröße kennt. Und diese ist das zukünftige Tarifniveau des DEGT und des RKT.
Hier mache ich gleich — quasi in Klammern — die erste kritische Bemerkung gegenüber dem Gesamtkonzept. Der Herr Bundesverkehrsminister hat bisher nicht sagen können, welches seine tarifpolitischen Absichten in bezug auf den DEGT, gleich Eisenbahngütertarif, und den RKT, gleich Straßengütertarif, sind. Ich komme noch darauf zurück.
Meine Damen und Herren, das gleiche gilt für die Mineralölsteuer. Auch hier stimmen wir im Prinzip der Erhöhung zu, weil man sich damit dem Grundsatz der Anlastung der anteiligen Straßenkosten wenigstens annähert, worüber Herr Dr. Leiske soeben vorzügliche Ausführungen gemacht hat. Die Höhe der Steuersätze wird man in


(Schmidt [Hamburg])

aller Ruhe abwägen müssen. Wir möchten uns da noch nicht festlegen.
Auch für die Beförderungsteuer im Werkfernverkehr, die ich schon genannt habe, gilt dasselbe. Es freut mich, an dieser Stelle sagen zu können, daß doch wenigstens ein einziger Gedanke, der im Februar in der Debatte im Plenum dieses Hohen Hauses vorgetragen wurde, von der Bundesregierung in ihre Gesamtkonzeption aufgenommen worden ist. Sie werden sich daran erinnern, daß uns damals die Bundesregierung vorgeschlagen hat, der Werkfernverkehr solle überhaupt zur Hälfte verboten werden. Es ist dann die sozialdemokratische Fraktion gewesen, die gesagt hat: Macht das doch bitte mit einer Steuer, denn das ist doch wenigstens etwas eleganter, und über den Steuersatz werden wir uns ja unterhalten können.
Ich habe übrigens mit Vergnügen bemerkt, daß bei dieser Gelegenheit heute die allgemeine Argumentation des Bundesverkehrsministers in bezug auf den Werkfernverkehr sich sehr weitgehend mit den Ausführungen gedeckt hat, die uns damals, vor fünf Monaten, der Kollege Dr. Bleiß vorgetragen hat. Wenn in den nächsten Tagen der Bericht über die heutige Sitzung vorliegt und Sie dann die beiden Protokolle miteinander vergleichen, werden Sie mir zustimmen.
In bezug auf den gewerblichen Nahverkehr besteht die Absicht, eine Beförderungsteuer einzuführen. Da haben wir allerdings gewisse Bedenken; das möchte ich jetzt schon sagen. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß wir doch alle der Meinung sind, daß es Aufgabe der künftigen Verkehrspolitik sein muß, das Kraftfahrzeug in den Flächenverkehr zu drücken und den Knotenpunktverkehr der Eisenbahn zu überlassen. Dann scheint es mir aber nicht richtig, gerade den Nahverkehr, der doch Flächenverkehr darstellt, in Zukunft mit 7 % statt wie bisher mit 4 % Umsatzsteuer zu belasten. Das paßt also offenbar nicht ,ganz in das Konzept. Zum zweiten muß man bedenken, daß das Nahverkehrsgewerbe ganz zweifellos der Hauptbetroffene der gegenwärtigen Verkehrsgesetzgebung sein wird; denn ein großer Teil von Lastkraftwagen soll ja aus dem Fernverkehr herausgedrängt werden. Da jedoch die Leute ihre Wagen nicht morgen verschrotten, so werden sie in irgendeiner Weise in den Nahverkehr hineingehen und die dort ohnehin ziemlich deroutierten Zustände weiter deroutieren. Es herrscht dort eine ruinöse Konkurrenz. Ich persönlich bin nicht der Meinung, daß man da mit ordnenden Mitteln eingreifen kann. Aber ich finde, man sollte diese Situation nicht noch zusätzlich verschärfen.
Wir sind überhaupt der Meinung, daß vielleicht bei späterer Gelegenheit überlegt werden muß, ob nicht überhaupt die Beförderungsteuer systematisch in die allgemeine Umsatzsteuer eingebaut werden kann. Der einzige Sonderfall, der auf die Dauer Existenzberechtigung hat, ist die besondere Besteuerung des Werkfernverkehrs. Im übrigen sehe ich keinen Grund dafür, die Beförderungsteuer als Sondersteuer aufrechtzuerhalten und durchzuschleppen. Ähnliche Überlegungen können vielleicht für den Werknahverkehr gelten; das lasse ich dahingestellt.
Eine besondere Bemerkung bezüglich eines Punktes in diesem Beförderungsteuer-Abschnitt, der bisher nicht erwähnt worden ist, an die Adresse des Bundesfinanzministeriums: ich spreche von den Straßenbahnen und von den Stadtschnellbahnen in unseren Städten. Zur Zeit ist es so, daß — ich glaube, bis auf ein oder zwei Ausnahmen — keine Straßenbahn in der Bundesrepublik Beförderungsteuer zahlt, und zwar wird die Beförderungsteuer erlassen auf Grund alter Billigkeitserlasse und Notverordnungen, wenn ich mich recht erinnere, aus den Jahren 1929 und 1931. Nun will der Herr Bundesfinanzminister erneut eine gesetzliche Postulierung der Beförderungsteuerpflicht für Straßenbahnen schaffen. Er sichert zu, die Steuer im Falle der Not erlassen zu wollen, und will eine gesetzliche Ermächtigung zu solchen Billigkeitserlassen vorsehen. Der Bundesrat hat demgegenüber gefordert, eine Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, nach der die Straßenbahnen ein für allemal von jeder Beförderungsteuerpflicht freigestellt werden. Das halten wir für richtig.
Von den Straßenbahnen in Deutschland spricht man in diesen Debatten nicht oft, aber wenn man sich ihre Lage einmal vor Augen hält, erkennt man, daß es ihnen nicht viel besser geht als der Deutschen Bundesbahn. Durch die Zerbombung unserer Städte und durch die Verlagerung der Stadtbevölkerung an die Außenränder der Städte sind die Straßenbahnen nach dem Kriege vor außerordentliche Aufgaben gestellt worden. Außerordentliche Verkehrsleistungen, viel größere als vor dem Kriege sind zu bewältigen. Sehr große Investitionen sind notwendig. Es ist auch weiß Gott nicht so, daß es, ich will nicht sagen: Freude macht, sondern etwa: daß es auch nur als erträglich bezeichnet werden könnte, in einer durchschnittlichen deutschen Straßenbahn länger als 20 Minuten zu fahren. Ich halte es geradezu für unmoralisch, wenn man von den Menschen, die da jeden Tag von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück fahren müssen — das gehört zu ihrem täglichen Lebensgang — , noch 6 % Beförderungsteuer erheben will. Das scheint mir beinahe ebenso unmoralisch zu sein, als wenn man vom täglichen Brot Umsatzsteuer erheben wollte.
Die Bundesregierung hat in ihrer Erwiderung auf die Entschließung des Bundesrats gesagt, es sei doch so schwierig, zu unterscheiden, was eine Straßenbahn und was eine nicht bundeseigene Eisenbahn sei, und weil da so schwierige Einzelfälle dazwischenlägen, müßten sie erst einmal generell alle steuerpflichtig sein. Denen, denen es besonders schlecht gehe, könne man sie dann eventuell erlassen. Ich glaube nicht daran, daß da hinterher wirklich großzügig verfahren wird. Ich glaube nicht daran; alle Spuren in dieser Beziehung schrecken.
Es ist eigentlich auch unverständlich, daß der Herr Bundesfinanzminister meint, man könne eine Straßenbahn nicht von einer Eisenbahn unterscheiden. Ich glaube, das kann doch jeder ziemlich deutlich feststellen; und wer es nicht von außen sehen kann, möge in die Konzessionsurkunde schauen, da steht es nämlich drin, was das für ein Ding ist, eine Eisenbahn oder eine Straßenbahn.
Es scheint, als habe die Bundesregierung diesen Einwand vorausgesehen. Sie sagt nämlich, es könne die Gefahr bestehen, daß einige nicht bundeseigene Eisenbahnen — denen es ja übrigens auch sehr schlecht geht und für die in diesem verkehrspolitischen Programm einstweilen noch nichts getan wird — den Antrag stellten, auf gewisse Sicherheitsvorschriften bei ihnen zu verzichten und sie dann als Straßenbahnen zu führen. Das wäre aber doch gar keine schlechte Sache, denn auf diese Weise würde man vielleicht den nicht bundeseigenen Eisenbahnen auch etwas helfen können, über deren Notlage wir uns im Februar in diesem Hohen


(Schmidt [Hamburg])

Hause alle einig waren; über eine Hilfe oder Unterstützung für sie haben wir aber bisher nicht viel gehört. Ich nehme an, meine Herren vom Finanzministerium, daß sich der Verkehrsausschuß — insbesondere wenn wir die Herren Kommunalpolitiker zur Hilfe nehmen — sehr einmütig auf den Standpunkt stellen wird, die Straßenbahnen aus der Beförderungsteuerpflicht herauszulassen. Sie mögen das im Gesamtrahmen für eine kleine Geschichte halten. Aber ich habe doch Wert darauf gelegt, das hier vorzutragen, weil ich seit Jahren sehe, wie schwierig es ist, auf der einen Seite mit den Straßenbahntarifen für den Betrieb der Straßenbahn auszukommen und auf der andern Seite dem Druck der ganzen Bevölkerung ausgesetzt zu sein, wenn etwa die Straßenbahntarife angehoben werden müssen. Wenn Sie jetzt eine 6 %ige Beförderungsteuer daraufknallen, so bedeutet das, daß die Tarife um wesentlich mehr als 6 % angehoben werden müßten.
Wir begrüßen es, daß eine Finanzierungsgesellschaft für die Autobahnen geschaffen werden soll. Ich begrüße es sehr, daß in diesem Punkte der Herr Bundesfinanzminister insofern gegen sich selbst ein Präjudiz geschaffen hat, als hier zum ersten Male der Grundsatz der Zweckbindung von Steuern, die der Verkehr aufbringt, f ü r den Verkehr anerkannt worden ist. Es ist bemerkenswert, daß das alte System hier erstmalig durchbrochen wird. Ich glaube, es ist auch dankenswert, das hier festzustellen, gerade im Hinblick auf die offenbar auf allen Seiten des Hauses geteilte Ansicht, daß in Zukunft der Straßenverkehr mit seinen besonderen Steuern voll die auf ihn entfallenden Straßenlasten, Straßensicherungslasten usw., decken soll.
Nun noch eine letzte Bemerkung zum Finanzgesetz. Wir möchten wissen — und das wird sicherlich durch die Regierung näher auszuführen sein —, was eigentlich mit den restlichen 300 bis 400 Millionen DM aus dem Aufkommen des Verkehrsfinanzgesetzes geschieht. Der Herr Bundesverkehrsminister hat heute morgen ausgeführt, daß seit dem 1. Juli, wenn ich ihn richtig verstanden habe, ein Kabinettsbeschluß vorliegt, wonach sie insoweit ausschließlich der Deutschen Bundesbahn zugeführt werden sollen, als sie nicht für Straßenbauzwecke verwandt werden. Diese Formulierung läßt alles offen; danach kann man sie sowohl ganz hier hin als auch ganz dahin tun. Das ist also einstweilen weder Fisch noch Fleisch.
Nun einige Bemerkungen zum Straßenentlastungsgesetz. Mir scheint, die Begründung, die wir dafür gehört haben, war etwas weniger überzeugend, etwas weniger klar als die Begründung für das Verkehrsfinanzgesetz. Ich glaube, daß dieses Straßenentlastungsgesetz und seine Motivation unter verschiedenen Gesichtspunkten fragwürdig ist. Erstens: Man wird, wenn man die Beförderung von Getreide, Zucker und Kohle verbietet und nicht gleichzeitig die Wagen abschafft oder verkürzt oder abhackt, in bezug auf die Entlastung der Straße doch nichts erzielen. Die fahren dann eben etwas anderes und bleiben vorhanden und donnern nach wie vor mit 40 Tonnen Gesamtgewicht durch unsere Ortsdurchfahrten, von denen so mitleidig die Rede gewesen ist. Zweitens: Sofern es diese Leute trotz ihrer Anstrengungen, die sie natürlich unternehmen werden, um im Fernverkehr andere Ladung zu bekommen, nicht schaffen, dann gehen sie mit ihren Ungetümen, vielleicht ohne den Anhänger, in den Nahverkehr. Drittens: Man kann auch durch Verlagerung des eingetragenen Standortes im Nahverkehrsgewerbe zu ganz schönen Beförderungsweiten kommen, sagen wir einmal, zu Straßenentfernungen bis zu 120 oder 130 km. Sie verlagern eventuell durch Ihre Verbotsgesetzgebung diesen schweren LKW-Zug bloß von der einen Relation — —

(Zuruf von der SPD: Wir wollen auch etwas hören! Sie reden doch zum Bundestag und nicht zum Bundesverkehrsminister!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203801600
Herr Abgeordneter Schmidt, ich bitte Sie, in das Mikrophon zu sprechen.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0203801700
Ich bin offenbar nicht nahe genug am Mikrophon; ich will mich danach richten.

(Zuruf von der SPD: Sie hätten mit u n s reden sollen!)

— Ich möchte im Augenblick gern mit dem Herrn Bundesverkehrsminister sprechen. Ich bitte, mir das zu gestatten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203801800
Der Herr Bundesverkehrsminister versteht auch, wenn Sie ins Mikrophon sprechen.

Helmut Schmidt (SPD):
Rede ID: ID0203801900
Ich darf zu der Frage zurückkehren, wieweit die Straße wirklich entlastet wird. Die Leute gehen also in den Nahverkehr, sie verlegen ihre Standorte. Wenn man sich seinen Standort z. B. im Ruhrgebiet richtig aussucht, irgendwo in der Mitte, kann man auch als Nahverkehrsunternehmer das ganze Ruhrgebiet mit seinem 40-Tonnen-Zug bestreichen.
Nun kommt der Punkt, der bei der ganzen Angelegenheit eigentlich der entscheidende ist. Ich habe immer das Gefühl, daß dieses Gesetz der Eisenbahn helfen soll. Die Eisenbahn setzt sich ja auch sehr für dieses Gesetz ein. Ich persönlich wäre bereit, ganz entscheidende und scharf durchgreifende Maßnahmen zu ergreifen, um der Eisenbahn zu helfen.

(Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm nimmt auf den Abgeordnetenbänken Platz. — Zuruf von der SPD: Er kommt zu dir! — Weiterer Zuruf: Das ist nett! — Beifall.)

— Ja, das ist nett. Ich konnte den Blick nicht von Ihnen wenden, Herr Bundesverkehrsminister.

(Heiterkeit.)

Ich bin Ihnen sehr dankbar.

(Abg. Rümmele: Alte Liebe rostet nicht!)

Ich habe also das Gefühl, der eigentliche Grund ist nicht sosehr der, die Straße zu entlasten — die Straßenentlastung könnte man mit anderen Mitteln sehr viel radikaler durchführen, auf die ich zu sprechen kommen werde —, sondern der eigentliche Grund ist, der Bundesbahn zu helfen. Wenn man sich nun fragt, inwieweit hier der Bundesbahn geholfen wird, dann stellt man fest, wenn man etwa das vorhin hier zitierte Presseinterview des Herrn Präsidenten Schelp von der Bundesbahn liest, daß es '70 Millionen DM Mehreinnahmen für die Bundesbahn gibt. Ich will einmal annehmen, es sei das Doppelte, es seien 140 Millionen oder gar 170 Millionen DM. Was ist das, wenn man es mit dem Defizit von 800 Millionen DM vergleicht! Nehmen wir an, es seien 170 Millionen. Das ist ein


(Schmidt [Hamburg])

Tropfen auf den heißen Stein, das ist keine wirkliche Hilfe für die Bundesbahn.
Ich komme nachher noch auf die Hilfe für die Bundesbahn zurück. Ich möchte mich jetzt einmal mit der Frage beschäftigen, wie man denn die Straßen wirklich entlasten kann.
Meine Damen und Herren, bei uns liegt keinerlei weltanschauliche Feindschaft gegen Verbote vor.

(Hört! Hört! rechts.)

Ich habe heute morgen in einer sehr angesehenen deutschen Tageszeitung gelesen, ich persönlich würde mich hier in die liberale Front einreihen, die gegen Verbote ist. Nein, ich bin nicht grundsätzlich gegen Verbote; aber sie müssen zweckmäßig sein und müssen auch wirklich etwas erreichen.
Sie verbieten also den Transport von Kohle, Zucker und Getreide. Damit bringen Sie die schweren Ungetüme nicht von der Straße! Ich bin dafür, daß Sie, um die Straße wirklich einschneidend zu entlasten, jetzt in diesem Herbst wenigstens von 40 auf 32 t

(Zuruf von der Mitte: Das reicht nicht!) und auf 18 m Länge heruntergehen müßten.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, hier einmal an die Ausführungen zu erinnern, die der leider verstorbene Herr Abgeordnete von Rechenberg hier vor anderthalb Jahren gemacht hat.

(Sehr richtig! rechts. — Zuruf von der FDP: Besten Dank, Herr Schmidt!)

Wir müssen doch heute alle einsehen, daß er die kommende Entwicklung richtig vorausgesehen hat. Aus diesen zwei Jahren seit der damaligen Debatte können wir — eigentlich mit nur sehr wenig Phantasie — voraussehen, daß wir womöglich in abermals zwei Jahren wieder vor der gleichen Situation stehen. Ich meine, es hat wirklich keinen Zweck, der Katze den Schwanz immer so in Scheiben abzuhacken.

(Heiterkeit.)

— Ja, alle zwei Jahre so ein Scheibchen, mal zwei Meter, dann wieder drei Meter!

(Erneut große Heiterkeit.)

— Meine Damen und Herren, das Beispiel von der Katze bringt zwar Humor und Freude, in Wirklichkeit handelt es sich für die Industrie um eine sehr schwierige Sache. Die Industrie soll sich alle anderthalb Jahre auf neue Maße umstellen. Einmal baut sie 40-t-Züge, dann 32-t-Züge, vielleicht muß sie in zwei Jahren 28-t-Züge bauen. Einmal darf sie 22 m lange Züge bauen, dann Züge von
20 m, dann Züge von 18 m usw. Meine Fraktion ist der Meinung, daß in diesem Jahr mit allem Ernst geprüft werden muß, ob man hier nicht eine grundsätzliche Entscheidung treffen kann, und wir wollen die grundsätzliche Abschaffung des Anhängers überhaupt im Ausschuß mit allem Ernst geprüft wissen.

(Zustimmung. — Abg. Dr. Horlacher: Aber der Kater war unmöglich! — Heiterkeit.)

— Es mag sein, daß es auf der Welt unmögliche Kater gibt, Herr Kollege. Das trifft aber nicht meinen Kater, sondern ehe Ihren Kather!

(Erneute Heiterkeit. — Abg. Dr. Horlacher: Nein, Sie haben ja von 7 km Schwanzlänge gesprochen!)

Wir möchten also ernsthaft prüfen, ob man nicht bereits in diesem Jahr den Anhänger endgültig abschafft, natürlich mit einer wirtschaftlich angemessenen Auslauffrist, das ist selbstverständlich. Ich weise darauf hin, daß es in England, Frankreich, USA keine Anhänger gibt. Als Äquivalent gehört natürlich dazu, daß man sich in bezug auf die Besteuerung des Sattelschleppers etwas vernünftiger einstellt und daß die bisherigen Fehler bei der Sattelschlepperbesteuerung ausgemerzt werden.
Wenn man sich nun fragt, ob die Gesetze ausreichen, die verschiedenen großen Probleme, die anstehen, zu lösen, dann wird man sagen müssen: Wir hören nichts davon, daß nun wirklich der Bundesb ahn die betriebsfremden Lasten abgenommen werden. Vor fünf Monaten haben wir von allen Fraktionen gehört, das sei notwendig. Herr Rademacher hat gesagt, das Kabinett komme nicht darum herum. Aber offenbar kommt es doch darum herum, denn wir haben noch keinerlei Zusicherung in dieser Richtung gehört. Selbst wenn das ganze Steueraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz bis auf 80 Millionen DM an die Bundesbahn geht, selbst wenn das Straßenentlastungsgesetz in dieser Form 100 Millionen DM bringt, würde das zusammen gerade eben ausreichen, zwar die betriebsfremden Lasten der Bundesbahn zu decken, aber nicht ausreichen, der Bundesbahn auch nur einen Pfennig zusätzlich zur Finanzierung des großen Investitionsnachholbedarfs, der unterlassenen Unterhaltung und Erneuerung, zuzuführen, und es würde auch kein einziger Pfennig für ein Straßenbauprogramm übrigbleiben, von dem hier dauernd die Rede ist.
Wo ist, meine Herren von der Regierung, der Finanzierungsplan für die Sanierung der Bundesbahn? Wo ist die Regelung der Altschulden der Bundesbahn? Wo ist der geringste Versuch, die Bundesbahn emissionsfähig zu machen, wenn Sie ihr schon keine Mittel direkt zur Verfügung stellen wollen, wenn Sie schon die Bahn auf den Anleiheweg verweisen wollen?
Also ich muß sagen: dies sogenannte Gesamtkonzept ist in diesem Punkte überaus unbefriedigend. Daß selbst dann, wenn wir das ganze Mehraufkommen an Steuern in die Bahn stecken würden, um dort die politischen Lasten abzudecken, für die Straße nichts nachbleibt, habe ich schon ausgeführt. Es nützt nichts, daß man hier in freundlichen Worten von den Gemeindestraßen und von den Kreisstraßen spricht; es müßte auch etwas für diese Straßen geschehen. Ich habe darüber aber nicht viel gehört.
Und wo ist wirklich eine Maßnahme für die Erhöhung der Straßensicherheit? Hier sind freundliche Worte über den Radfahrer und über den Fußgänger gefallen, und der Herr Bundesverkehrsminister hat gesagt, er habe an den Fußgänger gedacht, und er habe auch die Radfahrer nicht vergessen. Aber wo geschieht in diesem Gesamtprogramm wirklich etwas zu ihren Gunsten? Was geschieht beispielsweise auf dem Gebiet der Radfahrwege?
Und die nächste Frage: Wo ist eigentlich die Regelung des Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße, von der hier wohl einmal die Rede sein müßte? Nur damit, daß Sie 70 Millionen DM Mehreinnahmen von der Straße auf die Schiene verschieben, ist der Wettbewerb nicht auf die Dauer geregelt. Das ist eine nur vorübergehend wirksame


(Schmidt [Hamburg])

und noch dazu unzureichende, weil geringfügige Maßnahme. Wo ist das tarifpolitische Konzept? Herr Dr. Hilpert, der Präsident der Deutschen Bundesbahn, der vorhin zitiert worden ist, hat in jenem Interview auf die Frage eines Journalisten gesagt, die Deutsche Bundesbahn habe keinerlei Tarifpläne in der Schublade. Haben Sie sie denn in der Schublade, Herr Bundesverkehrsminister? Warum wurden sie hier nicht ausgebreitet? Wir haben heute eine kurze, zwei Seiten umfassende Darlegung zu den tarifpolitischen Plänen gehört. Die enthält aber nichts als Beschlüsse des Bundesrates, nichts als die Ankündigung, man wolle einen Ausschuß beauftragen. Was dabei herauskommen soll, bleibt schleierhaft.
Das Ganze ist eben kein Gesamtkonzept, das ist kaum ein Torso, möchte ich sagen, und es trifft leider der Vers von Eugen Roth auf diesen Torso nicht zu, der Vers, der lautet:
Arm und Bein fehlt den Gestalten;
worauf es ankommt, blieb erhalten.
Das, worauf es ankommt, fehlt in diesem Gesamtkonzept.
Mich persönlich kann diese Unvollständigkeit allerdings nicht erstaunen; denn der verkehrspolitische Kurswechsel des Herrn Bundesverkehrsministers kam mir viel zu schnell und plötzlich, um überlegt und durchdacht zu sein, und auch zu schnell, um zu überzeugen.
Hier ist von dem Abgeordneten Freiherrn von Rechenberg und von der damaligen Debatte die Rede gewesen. Ich habe zu der Zeit, als jene Debatte in diesem Hohen Hause stattfand, eine Rede des Herrn Bundesverkehrsministers gehört. Das war in Bremen. Ich bitte mir zu erlauben, Herr Präsident, aus dieser Rede einige Sätze vorzulesen, um einmal deutlich zu machen, was hier eigentlich für ein Wechsel in der Verkehrspolitik uns — na, ich will nicht sagen, vorgegeben wird, aber: uns glaubhaft gemacht werden soll, der einfach nicht glaubhaft ist. Hören Sie einmal die folgenden Sätze. Da sagt der Herr Bundesverkehrsminister:
Ich weiß, was das Gewerbe für ein Opfer gebracht hat, als ich ihm in der Straßenverkehrszulassungsordnung die Länge der Fahrzeuge verkürzt habe. Ich bin nicht bereit, dem Gewerbe ein weiteres Opfer auf diesem Wege zuzumuten, und ich bitte Sie, gemeinsam mit unserem Freund Rademacher
— Sie kommen auch darin vor, Herr Kollege — (Abg. Rademacher: Ich war dabei!)

— Sie .waren dabei, ich erinnere mich —
alles zu tun, damit, wenn irgend möglich, diese Anträge überhaupt nicht zur Diskussion kommen.
— Nämlich die Anträge des Freiherrn von Rechenberg. — So geht es weiter, und zum Schluß heißt es:
Wenn Sie das Gesetzgebungswerk des Bundes-
verkehrsministeriums
— damals war ein ganz anderes Gesetzgebungswerk gemeint, an das heutige dachte man noch nicht; damals waren die Straßenverkehrszulassungsordnung und das Güterkraftverkehrsgesetz gemeint —
als ein gemeinsames Ganzes ansehen und die Dinge wirklich miteinander in Beziehung bringen, dann gewinnen Sie erst ein Bild von dem verkehrspolitischen Willen, der das Bundesministerium für Verkehr, meine Mitarbeiter
und mich auszeichnet. Dieser Wille ist stets und immer darauf gerichtet, Ihren Interessen Rechnung zu tragen, und ich als der strenge, aber gerechte Vater aller Verkehrsträger muß dafür sorgen, daß alle Kinder brav und ordentlich sind und dann auch ihre Belohnung erhalten.

(Hört! Hört! — Bundesminster Dr. Seebohm: Aber nicht, wenn sie unartig sind!)

— Ich will nicht gehässig sein, Herr Minister; aber wenn Sie der Vater aller Verkehrsträger sind, wie kann man dann erwarten, daß sie sich brav und ordentlich verhalten!

(Heiterkeit und Beifall. — Bundesminister Dr. Seebohm: Meine Kinder sind sehr gut erzogen!)

— Ich bin ja kein Kind des Herrn Bundesverkehrsministers!

(Bundesminister Dr. Seebohm: Eben, eben! Sie sind nicht einmal angenommen! — Heiterkeit.)

— Ich würde diese Vaterschaft auch nicht anerkennen,

(erneute Heiterkeit)

genau wie die Verkehrsträger heute diese Vaterschaft nicht anerkennen und wie auch die gegenwärtig recht freundlichen Beziehungen — jedenfalls nach außen — zwischen der Bundesbahn und dem Herrn Bundesverkehrsminister keine Liebesheirat, sondern eine auf kurze Zeit geschlossene Zweckehe darstellen, die dann sofort wieder zerbricht, wenn die Bundesbahn einsehen wird, daß diese Maßnahmen ihr keineswegs helfen. Diese Maßnahmen aber — wenn wir sie zum Gesetz erhöben — würden bedeuten, daß wir die einmalige psychologische Situation, die in der Öffentlichkeit und auch hier im Parlament in Deutschland vorhanden ist, wirklich etwas Durchgreifendes zu tun, mit halbem oder, ich möchte sagen, Drittel-Maßnahmen verscherzen, die weder der Bahn helfen noch der Straßensicherheit effektiv nützen. Womöglich werden sie aber auch dazu führen — wenn wir in zwei Jahren erneut vor der Tatsache stehen, daß sich in Wirklichkeit nichts geändert hat —, daß die Öffentlichkeit und das Parlament nicht wieder geneigt sein werden, experimentelle Vivisektionen zu beschließen in der Hoffnung, daß es dann vielleicht doch einmal für die Bahn reichen wird.
Ich möchte noch einige Bemerkungen zur Praxis der Tarifpolitik machen, von der ich vorhin schon gesprochen habe. Sehen Sie, diese Tarifpolitik ist in Wirklichkeit noch gar nicht vorhanden. Der Herr Verkehrsminister hat schon gesagt, er habe nunmehr einen Ausschuß von 25 unabhängigen Sachverständigen beauftragt. Man hat auch im Bulletin lesen können, daß dieser Ausschuß nunmehr — so wörtlich — das „Kernstück" für das verkehrspolitische Gesamtkonzept der Bundesregierung erarbeiten soll. Dieser Ausschuß wurde — wenn ich es richtig erinnere — im Mai eingesetzt. Im Februar bereits hat uns der Herr Bundesverkehrsminister hier vorgetragen, es sei ein großes verkehrspolitisches Gesamtkonzept, und die Tarifpolitik spiele eine entscheidende Rolle darin. Auch der Herr Bundeskanzler schreibt heute im "Rheinischen Merkur" von der Rolle, die die Tarifpolitik im Gesamtkonzept spielen sollte. Der Herr Bundeskanzler kann natürlich nicht wissen, daß auch der Herr Bundesverkehrsminister nicht weiß, wie diese Tarifpolitik aussehen soll.

(Lachen in der Mitte.)



(Schmidt [Hamburg])

Das wird man also dem Herrn Bundeskanzler nicht übelnehmen müssen.
Aber man wird Sie fragen müssen, Herr Bundesverkehrsminister: Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, als Sie diesem Ausschuß eine Reihe von Fragen vorlegten, deren erste lautete: Soll das gemeinwirtschaftliche Tarifsystem beibehalten werden, oder sollen die Tarife auf Selbstkosten abgestellt werden? Dabei hatten Sie vier Monate vorher hier von dieser Bank aus im Namen der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage erklärt, die gemeinwirtschaftliche Tarifgestaltung bleibe aufrechterhalten .

(Abg. Dr. Seebohm: Bleibt sie auch!)

Wenn Sie das hier erklärt haben, wieso kommen Sie dann dazu, diesem ad hoc eingesetzten Ausschuß, der dieses Kernstück erarbeiten soll, diese Frage noch einmal vorzulegen? Ich denke, sie war bereits entschieden!
Und zum zweiten: Wieso sind eigentlich diese Herren, die Sie benannt haben — ich will hier keine Namen nennen —, eigentlich unabhängig? Es handelt sich bei der größten Zahl von ihnen um sehr namhafte Vertreter von Interessentengruppen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich sage das nicht mit einem negativen Akzent. Ich bin durchaus der Meinung von Herrn Leiske, daß es das gute Recht von gewissen Gruppen ist, ihre Interessen zu vertreten. Aber wieso setzen Sie die zu Richtern und Schiedsrichtern ein und bezeichnen sie als unabhängig? Herr Dr. Seebohm, es sind eine ganze Reihe von Herren da, die ich persönlich hochschätze, von denen ich aber genau weiß, daß sie in ihrem ganzen Leben noch keine tarifpolitische Überlegung angestellt haben, die Sie nur hineingenommen haben, um hinterher zeigen zu können, daß in dem Ausschuß nichts zustande kommt. Das war die Taktik, die Sie in den Verhandlungen mit der Wirtschaft und mit der Bundesbahn in Niederbreisig und in Hamburg verfolgt haben. Ich könnte — ich sehe, es wird hier etwas skeptisch gelächelt — eine Reihe von höchst namhaften deutschen Wirtschaftsführern zitieren, führende Leute, die öffentlich gesagt haben, was sie über diese Verhandlungstaktik denken. Ich will das nicht tun; ich will nicht Außenstehende in die Debatte ziehen, die sich hier in diesem Saale nicht wehren könnten.
Sie haben diesem 25er-Ausschuß eine Reihe von Fragen vorgelegt, auf die der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums in zweijähriger Arbeit bereits Antworten gegeben hat, d. h. man legte dieselben Fragen in etwas anderer Verpackung und etwas anderer Formulierung nochmals vor. Und weswegen trägt man uns heute vor, der Wissenschaftliche Beirat habe mit seinem Gutachten nur einen Baustein geliefert? Was sagen eigentlich Ihre Herren Professoren dazu, daß sie hier noch einmal von den sogenannten unabhängigen Sachverständigen nachgeprüft werden? Wie stellen die sich dazu, und wie soll eigentlich diese Nachprüfung stattfinden, wenn Sie Ihrem 25 erAusschuß überhaupt kein statistisches Material gegeben haben, wenn die Bundesbahn ihre tarifpolitischen Pläne, von denen Herr Dr. Hilpert sagt, sie existierten gar nicht, dort nicht vorlegt? Wie soll überhaupt Ihre Gesamtkonzeption zum Zuge kommen, Herr Minister, wenn die Herren dieses 25er-Ausschusses bereits jetzt erklären, daß ihre Arbeit frühestens in anderthalb Jahren wird abgeschlossen sein können?
Sie haben.heute tarifpolitische Sofortmaßnahmen angekündigt. Es ist hier nicht der Ort, sich über die Einzelheiten der Tarifmaßnahmen zu unterhalten. Das ist vielleicht etwas zu diffizil. Aber ich glaube, Sie verstehen alle, hier handelt es sich um sehr entscheidende preispolitische Regulierungsmöglichkeiten und Notwendigkeiten in diesem System, und darum müssen zumindest die Fachleute klaren Wein eingeschenkt bekommen, was man da eigentlich will. Wie kann ich Steuersätze im Verkehrsfinanzgesetz beschließen, wenn ich nicht weiß, welche Tarife Sie machén wollen?
Sie haben neben diesem 25er-Ausschuß auch noch direkte, bilaterale tarifpolitische Gespräche geführt. Sie haben beispielsweise den Vorstand einer großen Interessentengruppe unter Druck gesetzt und haben diesen Herren erklärt: Wenn ihr mir nicht Vorschläge macht, wie ihr euren Straßentarif erhöht haben wollt, dann werde ich im Parlament sagen, es kann diesen Leuten gar nicht so schlecht gehen bei diesem Gesetz, denn sie haben keine Tariferhöhungsvorschläge gemacht. Ich bin sehr gut darüber im Bild. Sie können das nicht dementieren, Herr Bundesverkehrsminister; ich würde das nicht empfehlen. So ist es gewesen!

(Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Ich habe ja gar keinen Versuch dazu gemacht! — Heiterkeit.)

— Ja, Sie haben ausnahmsweise keinen Versuch eines Dementis gemacht.

(Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Ausnahmsweise? Das ist sehr häufig der Fall!)

— Nein, nein, Sie machen jede Woche mindestens zwei Dementis. Ich erinnere mich mit besonderer Freude des letzten Dementis, das Sie an den „Spiegel" — eine Ihnen offenbar sehr nahestehende politische Wochenschrift, denn jede zweite Woche stehen Sie drin —

(Heiterkeit)

geschrieben haben. Da haben Sie eine Leserzuschrift gemacht, und die hat der „Spiegel" abge. druckt. Darin steht, der „Spiegel" sei offenbar eine Zeitschrift, die die Flöhe im Dunkeln husten höre.

(Heiterkeit.) Das fand ich sehr apart.


(Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Mal was anderes!)

— Das war etwas anderes? Herr Bundesverkehrsminister, den Artikel, auf den sich Ihr Dementi bezog, haben Sie nur zur Hälfte dementiert. Da stand noch etwas anderes drin. Lesen Sie das mal nach! Ich fordere auch Sie, meine Damen und Herren, auf, das andere nachzulesen. Das bezog sich auf eine Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers. Die ist einstweilen nicht dementiert. Herr von Merkatz hat mir erklärt, sie sei ihm gegenüber nicht gefallen. Ich habe den zweiten Herrn, dem gegenüber sie laut „Spiegel" gefallen sein soll, noch nicht selber fragen können. Aber vielleicht wäre es gut, sie auf alle Fälle vorher zu dementieren.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Lesen Sie das einmal nach, meine Damen und Herren! Vielleicht ist der „Spiegel" in Ihren Augen kein seriöses Blatt. Ich will darüber nicht streiten. Aber da der Herr Bundesverkehrsminister jede zweite Woche darin vorkommt und auch Leser-


(Schmidt [Hamburg])

briefe dorthin schreibt, kann das Blatt nicht ganz unseriös sein.

(Erneute Heiterkeit.)

Ich darf nun aber zur Tarifpolitik zurückkehren; diese Ausflüge kosten zuviel Zeit.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Herr Bundesverkehrsminister, die unbefriedigende Entwicklung des Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße ist doch weitgehend eine Folge dieser Schaukelpolitik des Tarifs; fünf- oder sechsmal haben Sie sie geändert, einmal zusammen, einmal auseinander die Ziehharmonika. Man weiß heute noch nicht, was Sie nun tun wollen. Die Tarifpolitik, die Sie weitgehend durch Rechtsverordnungen von sich aus machen können und die gegenwärtige Praxis, tarifpolitische Vorschläge zu erarbeiten, führen uns eigentlich zu der Frage, ob es nicht notwendig ist, sich zu überlegen, daß für grundlegende tarifpolitische Entscheidungen die Zustimmung des Parlaments erforderlich sein müßte. Das werden wir uns wohl auch im Ausschuß überlegen müssen.
Wir werden auch klarmachen — das haben andere Herren schon ausgeführt —, daß man für tarifpolitische Entscheidungen Unterlagen braucht, Kostenunterlagen, statistisches Material, Erfolgs-und Ertragsunterlagen. Sie haben in dieser Richtung damals und auch heute wieder Ihren Selbstkostenausschuß gelobt. Sie erinnern sich, meine Damen und Herren, daß die Arbeiten dieses Selbstkostenausschusses auf die Deutsche Revisions- und Treuhand-AG übertragen worden sind. Diese Revisions- und Treuhand-AG hat vor einigen Tagen ihren ersten Vorbericht erstattet. Sie sagt dort, daß die ihr vom Bundesverkehrsministerium und dessen Selbstkostenausschuß gelieferten Unterlagen höchst lückenhaft sind.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Sie sagt das in vornehmer Ausdrucksweise. Lediglich die Bundesbahn verfüge über eine verwertbare Kostenrechnung. Dann sagt der Bericht wörtlich folgendes:
Zum Schluß müssen wir darauf hinweisen, daß auf Grund der von uns vorgefundenen Tatbestände bis Mai 1955 keinerlei Ergebnisse vorgelegt werden können, die für verkehrspolitische Entscheidungen verwertbar sind.
Das ist also die großartige Vorarbeit in bezug auf die Unterlagen, die in diesem Ministerium geleistet worden ist! Deswegen glaube ich, man kann mit Recht sagen, daß dieser verspätete Kurswechsel nicht überzeugt und auch in Motivierung und innerem Aufbau sehr wenig glaubwürdig erscheint.
Ich darf jetzt noch einige Bemerkungen zu den Entwürfen des Herrn Kollegen Müller-Hermann machen, die sich durch eine gewisse Seelenverwandtschaft oder Wahlverwandtschaft mit den Ansichten des mehrfach zitierten Professors Röpke auszeichnen. Der Herr Kollege Müller-Hermann hat ja auch dem Herrn Professor Röpke öffentlich eine gute Zensur erteilt, was nun dazu geführt hat, daß er seinerseits vom Herrn Bundeskanzler eine schlechte Zensur bekommen hat. Das ist die ausgleichende Gerechtigkeit auf Erden.

(Heiterkeit.)

Aber ich will nicht ableugnen, Herr Müller-Hermann, daß in Ihren Entwürfen einige Einzelheiten
enthalten sind, die ich persönlich für gut halte, z. B. der Gedanke eines Verkehrswegegesetzes, dem die Vorstellung einer einheitlichen Finanzierungsgrundlage sowohl für Wege der Eisenbahn als auch für Wege des Kraftverkehrs zugrunde liegt. Das ist eine Vorstellung, die an und für sich akzeptabel und richtig ist. Falsch finde ich nun allerdings die Schwergewichtsverteilung in Ihrem Verkehrswegegesetz. Sie möchten bis 1962 der Bahn ganze 1,1 Milliarden DM geben, dafür aber 3 Milliarden DM in die Straßen stecken, Ich glaube, das muß gerade umgekehrt dimensioniert werden, wenn man den gegenwärtigen Notwendigkeiten gerecht werden will. Ich bin auch etwas skeptisch in bezug auf die Aufbringung der Anleihen, von denen Sie sprachen, zumal da in Zukunft nach dem Willen der Mehrheit des Hauses die steuerliche Begünstigung öffentlicher Anleihen wesentlich abgebaut werden soll.
Ich würde demgegenüber in allem Ernst zu erwägen geben, ob nicht der sogenannte FriedrichPlan für eine breitere Finanzierungsbasis in den Beratungen des Ausschusses in Betracht gezogen werden muß. Jenseits aller wohlberechtigten Polemik gegen das Verkehrsforum der Reifenindustrie — das übrigens einen guten Vorgänger in den Waage-Anzeigen der Koalitionsparteien hat — sollte man sich mit dem Vorschlag des Herrn Friedrich wirklich ernsthaft auseinandersetzen. Da steckt etwas drin, dem liegt eine Überlegung zugrunde, die etwa davon ausgeht, daß die ganze verladende Wirtschaft durch gewisse Zuschläge zu den Frachten dazu beitragen muß, die bisher unterlassenen Verkehrsinvestitionen wieder aufzuholen. Ich würde meinen, daß man das überlegen sollte.
Die Vorschläge, die Sie zur Organisation der Bundesbahn gemacht haben, sind recht interessant, sie sind zum Teil auch aktuell, aber ich glaube, daß sie rein zeitlich, was die Dringlichkeit unseres Problems angeht, einstweilen zurückstehen müssen.

(Ab. Müller-Hermann: Einverstanden!)

Ebenso ist der tarifpolitische Antrag, den Sie gestellt haben, sehr interessant. Es ist sehr viel mehr Konsistenz darin, die Sache hat viel mehr Kontur als das, was der Herr Verkehrsminister zur Tarifpolitik vorgetragen hat. Aber ich glaube nicht, daß das wirklich ausreicht. Wenn wir tarifpolitische Sofortmaßnahmen ins Auge fassen wollen, muß man hinsichtlich des Gefälles zwischen Eisenbahntarif und Kraftwagentarif sehr viel drastischer vorgehen. Auch die Aufhebung der Ab-tarifierung der obersten Wertklassen ist, glaube ich, im Augenblick ohne weitere Voraussetzungen nicht durchführbar; da bin ich sehr skeptisch.
Ihre Vorschläge zur Unfallbekämpfung finde ich zum Teil sehr interessant. Ich möchte — sicherlich haben die Damen und Herrn nicht alle diese dicken Wälzer von Gesetzentwürfen durchgelesen — auf einen sehr interessanten Gedanken, der dort enthalten ist, hinweisen, nämlich daß die Kraftfahranfänger ein ganzes Jahr lang noch keinen richtigen, sondern einen Anfängerführerschein kriegen und sich hinterher noch einmal zur Prüfung vorstellen müssen, ob sie nun die Fahrpraxis erworben haben. Vielleicht könnte man hinzufügen: gebt doch den Leuten ein Schild „L" oder ein anderes Zeichen hinten auf das Nummernschild, damit jeder im Verkehr schon von weitem sieht, daß das ein etwas vorsichtig zu betrachtender Verkehrspartner ist. Ich finde, dieser Vorschlag ist sehr erwägenswert.


(Schmidt [Hamburg])

Aber eines muß ich sagen — und da kommt der entscheidende Einwand, Herr Müller-Hermann —: das Wichtigste fehlt auch in Ihrem ansonsten vollständigeren Gesamtkonzept, die Grundkonzeption fehlt. Ich sehe nicht, wie Sie auf die Dauer den Wettbewerb zwischen Schiene und Straße mit diesen Gesetzen wirklich lenken wollen.

(Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Wo bleibt die Binnenschiffahrt?)

— Ja, Herr Minister, die Binnenschiffahrt! Ich würde so sagen: dies ist im Augenblick nicht das schwierigste Problem; und wenn der Herr Müller-Hermann in bezug auf die Binnenschiffahrt auch nichts ausgeführt hat, so ist er sicher genau so vorsichtig wie Sie, da Sie in Ihren Gesetzentwürfen, ja auch nichts über die Binnenschiffahrt gesagt haben.

(Heiterkeit.)

Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Das würde ich an Ihrer Stelle Herrn Müller-Hermann nicht vorwerfen.
Dem Herrn Müller-Hermann ist etwas anderes vorzuhalten. Wenn er schon einmal die berühmte Koalitionsdisziplin durchbricht und Ihren Gesetzentwürfen eigene Gesetzentwürfe gegenüberstellt, dann ist zu fragen: warum hält er sich dann nicht an die erklärte verkehrspolitische Programmatik seiner Partei? Was soll man eigentlich von Parteiprogrammen und parteiprogrammatischen Erklärungen halten, meine Damen und Herren, wenn Sie sich dann hier, wenn Sie schon einmal in die Opposition gehen, nicht einmal danach richten?

(Abg. Müller-Hermann: Wo ist denn ein Widerspruch!)

— Ja, den Widerspruch will ich gerade aufdecken, Herr Müller-Hermann. Sie haben zwar die verkehrspolitischen Richtlinien des Verkehrspolitischen Ausschusses der CDU zitiert und haben dann gesagt: Wir wollen aber keinen Zwangsverband, wir wollen keine solchen Kolchosen. Damit sind Sie sehr in die Nähe der propagandistischen Beeinflussungsmethode des Herrn Bundesverkehrsministers geraten, der uns hier schon wieder mal Sozialisierungsabsichten anhängen wollte. Ich möchte wissen, wen Sie eigentlich damit gemeint haben, als Sie von Sozialisierungsabsichten in bezug auf den Straßenverkehr und in bezug auf die Binnenschiffahrt sprachen, die angeblich im Parlament und in der Öffentlichkeit vertreten würden. Ich habe wirklich in den ganzen letzten Jahren nichts davon gelesen. Wo kommt das eigentlich her?

(Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Von früher!)

Ich weiß es nicht. Aber Sie haben das Wort „Kolchose" gebraucht, Herr Müller-Hermann. Ich will Ihnen einmal vorlesen, was Ihre eigene Partei dazu sagt:
Mit einer Organisation des Kraftverkehrs in Form des vorgeschlagenen Bundes-Kraftwagen-Betriebsverbandes und mit Hilfe der vorgesehenen Ausgleichsabgabe mit der Maßgabe, daß diese Ausgleichsabgabe nach gesetzlicher Bestimmung an diese Organisation abzuführen und von ihr wieder zu verteilen wäre, wird die Voraussetzung dafür geschaffen, den Betrieb von Eisenbahn und Kraftwagen auch im Verhältnis des eisenbahneigenen und privaten Verkehrs enger zu verzahnen, einen Straßen- und Flächenverkehr
mit durchgehenden Frachtberechnungen einzuführen, einen gemeinsamen Stückgutsammelverkehr und Verteilerverkehr, gemeinsame Abrechnungsbetriebsstätten ... usw. Das ist ein sehr dankenswertes und ein recht gutes Dokument, in dem diese Vorstellung von einem Bundes-Kraftwagenbetriebsverband sehr ausführlich entwickelt wird. Sie werden sich erinnern, daß ich diese Vorstellung hier vor fünf Monaten vertreten habe.

(Abg. Müller-Hermann: Zu dem Konzept stehen wir auch!)

— Ja bitte, warum schreiben Sie es dann in Ihren Gesetzentwurf nicht hinein? Nur so kriegen Sie doch eine endgültige Wettbewerbsregelung zwischen Schiene und Straße.

(Abg. Müller-Hermann: Wir wollen aber nicht einen sozialisierten Zwangsverband!)

— Sozialisieren wollen wir gar nicht. Es bleibt alles Privateigentum. Wir machen das gern nach diesen Vorschlägen. Das ist wirklich eine Brücke, auf der man sich verständigen könnte. Hier ist ja keine Parteitaktik, auch keine weltanschauliche Frage. Hier könnte man sich zwischen den verschiedenen Fraktionen des Hauses verständigen zum Nutzen der Verkehrswirtschaft. Warum übernehmen Sie das nicht in Ihre Gesetzentwürfe?
Es gibt zwei fundamentale Grundsätze, die für die Ordnung des Verkehrswesens Geltung haben müssen. Der eine ist der, daß die Verkehrspolitik, nicht nur der Bahn, sondern überhaupt, gemeinwirtschaftlich erfolgen muß, nach den Kriterien, die Herr Dr. Leiske vorhin aufgezeigt hat. Der zweite Grundsatz ist der, daß für beide Verkehrsträger die Verwirklichung gleicher Startbedingungen anzustreben ist. Das heißt die Sache mit den Wegekosten, das heißt die Sache mit der Verzinsung des Straßen- u n d Eisenbahnkapitals — das muß man hinzufügen, das ist in den Ausführungen von Herrn Dr. Leiske vergessen worden —, und das heißt eben auch, daß hinsichtlich der gemeinwirtschaftlichen Belastung beide unter gemeinwirtschaftlichen Tarifen zu stehen haben und beide die gleiche Beförderungspflicht haben. Die Beförderungspflicht ist eine Sache, die auf der anderen Seite einen internen Kostenausgleich notwendig macht. Beides kriegen Sie nur durch diese Selbstverwaltungsorganisation des Güterfernverkehrs, die es ja auch früher in Deutschland schon gegeben hat. Bitte, meine Damen und Herren, es spricht nicht gegen diesen Gedanken, daß er erstmalig von den Nationalsozialisten in Deutschland verwirklicht wurde. Das war nur die logische Konsequenz der ganzen Deroutierung des Verhältnisses Schiene—Straße, die nach 1930 schon einmal eingetreten war. Der Gedanke ist auch schon sehr viel früher aufgetaucht als etwa erst 1933.

(Abg. Müller-Hermann: Wir wollen nur den Zusammenschluß auf privatvertraglicher Basis!)

— Wissen Sie, mit dem Privatvertrag ist das genau so wie mit der Handwerkskammer. Entweder Sie wollen sie alle hineinhaben, dann müssen Sie eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bilden. Oder Sie machen es auf privatvertraglicher, freiwilliger Basis, dann kriegen Sie aber die Außenseiter nicht mit hinein. Ich will die Namen derer nicht nennen, die dann draußen bleiben. Aber die würden dann die Sahne dabei abschöpfen, das ist doch ganz klar.


(Schmidt [Hamburg])

Nein, ohne eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist das nicht zu machen.
Ich zitiere mit besonderer Freude ein Schriftstück, das mir vor zwei Tagen zugeschickt wurde und das noch sehr jung ist. Es handelt sich um die Stellungnahme des Wirtschaftsbeirates der CSU vom 16. Juni 1954 zu den Verkehrsgesetzen. Ich halte diese Ausarbeitung für wirklich ausgezeichnet, und ich wundere mich eigentlich, meine Damen und Herren: Wenn Sie soviel Opposition gegenüber den offiziellen Plänen des Kabinetts haben und hier eigene Ideen und Entwürfe vorbringen, warum bringen Sie dann nicht die Sache, die unter Ihrer Firma in die Welt geschickt worden ist? Das kann ich nicht verstehen. Für wen haben Sie denn diese Ausarbeitung gemacht, wenn nicht für Ihre parlamentarische Arbeit?

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Augenpulver für die Wähler!)

Das ist doch eine Stellungnahme, das ist doch — —

(Zurufe von der SPD: Das ist die Zweigleisigkeit! — Das ist die Doppelgleisigkeit! — Weitere Zurufe von der SPD. — Gegenrufe von der Mitte.)

— Ich bitte einen Moment um Entschuldigung. Ich möchte ja hier von mir aus die Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion gar nicht herausfordern. Im Gegenteil, ich hoffe ja wirklich, daß wir uns in der sachlichen Abstimmung im Ausschuß womöglich über diese Brücke einigen können. Ich weise nochmals darauf hin, daß der Deutsche Industrie- und Handelstag immer wieder die gleichen Vorstellungen verfolgt hat; und das sind doch nun wirklich keine Leute, die bei Ihnen, Herr Müller-Hermann, oder bei Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, in dem Geruch stehen könnten, Kolchosen errichten zu wollen oder Sozialisierungsabsichten zu verfolgen. Das sind doch auch in der CSU keine Leute, die Kolchosen errichten wollen, sondern das sind Leute, die in einem peripheren Land sitzen, in einem weit vom Zentrum des Wirtschaftsgebietes entfernten Land, und deshalb aus eigener Erfahrung seit 1948 sehr wohl wissen, was gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung — ja oder nein — für dieses Land und für diese peripheren Gebiete bedeutet. Deshalb setzen sie sich expressis verbis für denselben Vorschlag ein, den ich hier im Februar gemacht habe, die gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung, den Tarifzwang, die Beförderungspflicht und den internen Kostenausgleich genau so auf den Güterkraftverkehr zu übertragen, wie es bei der Eisenbahn heute schon der Fall ist. Ich meine, meine Herren von der CDU/CSU, Sie sollten sich das wirklich überlegen. Es könnte auch in der Öffentlichkeit eigentlich nicht recht verstanden werden, wenn Sie hier, ohne ein Wort der Begründung zu sagen, von diesen, wie mir scheint, ausgezeichneten Gedanken abrückten.

(Abg. Dr. Orth: Im Ausschuß erarbeiten!)

Die Ausschüsse haben eine immense Aufgabe vor sich, und es ist nach wie vor eine Kette von auch noch nicht andeutungsweise gelösten Problemen vorhanden, gerade in bezug auf die Koordination, auf die Regelung des Wettbewerbs, auf die Ordnung des Verkehrsmarktes. Aber es besteht durch die Anteilnahme der Öffentlichkeit eine einmalige psychologische Chance, etwas Durchgreifendes zu tun. Der Herr Bundeskanzler schreibt heute im „Rheinischen Merkur": „Es muß etwas Durchgreifendes geschehen im Verkehrswesen". Was das Straßenentlastungsgesetz uns bringt, ist eben nichts Durchgreifendes. Ich wiederhole, ich habe nichts gegen Verbote. Aber wenn Verbot, dann muß es auch etwas bringen. Verbieten wir den Anhänger, sorgen wir für eine anständige, vernünftige, wirtschaftliche Organisation des Güterkraftverkehrs, machen wir ihn zu einem Verhandlungspartner für die Bahn und für die Wirtschaft, sorgen wir dafür, daß dort ein interner Kostenausgleich stattfinden kann, daß er seine Mitglieder in den Flächenverkehr hineinrücken kann und nicht in den Knotenpunktverkehr. Das wäre wirklich zu etwas nütze.
Ich glaube schon, daß man dieses Problem in mehreren Stufen lösen muß; das geht vielleicht nicht alles auf einmal. Aber es ist eben notwendig, daß der erste Schritt, den wir in diesem Jahre tun, nicht von vornherein in eine falsche Richtung führt. Ich darf 'noch einmal versichern — damit wende ich mich an die Kollegen im Verkehrsausschuß von den anderen Fakultäten —: wir sind offen für jede sachliche Auseinandersetzung und Zusammenarbeit auf diesem Gebiet und würden es sehr begrüßen, wenn die Vorschläge, die aus Ihren eigenen Reihen kommen, vielleicht eine Brücke dabei bilden könnten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203802000
Meine Damen und Herren, ich darf die Verhandlungen einen Augenblick unterbrechen. Während das Hohe Haus hier tagt, laufen in immer größerem Umfang Meldungen aus dem Lande Bayern ein, das von einer großen Hochwasserkatastrophe bedroht ist. Anscheinend sind die Folgen dieser Katastrophe wesentlich größer, als sie bisher bei ähnlichen Anlässen gewesen sind. Ich glaube feststellen zu dürfen, daß das Hohe Haus in allen seinen Parteien und in den Abgeordneten aller Länder an dem Schicksal der Bevölkerung Anteil nimmt, und möchte das hier ausdrücklich feststellen.
In diesem Zusammenhang sind mir seitens sämtlicher Fraktionen des Hohen Hauses Anträge mit der Bitte zugegangen, sie heute noch auf die Tagesordnung zu setzen. Ich darf diese Anträge hier verlesen:
Antrag der Fraktion der SPD*):
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, angesichts der Überschwemmungen in Südbayern, die durch die anhaltenden Regenfälle katastrophale Formen angenommen haben, vor dem Bundestag umgehend eine Erklärung abzugeben, ob sie sich über das Ausmaß der Katastrophe bereits unterrichtet hat und welche Hilfsmaßnahmen vorgesehen sind.
Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/ BHE, DP**):
Die Bundesregierung wird ersucht, noch heute den Bundestag über das Ausmaß der Hochwasserkatastrophe in Südbayern und die von ihr eingeleiteten Hilfsmaßnahmen zu unterrichten.
Außerdem darf ich bekanntgeben, daß der Herr Bundesinnenminister mir mitgeteilt hat, daß er noch heute von sich aus — auch ohne daß diese Anträge vorlagen — bereit ist, eine Erklärung vor
*) Drucksache 694 **) Drucksache 693.


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

diesem Hohen Hause abzugeben. Ich darf sie deshalb bitten, daß wir sämtliche genannten Anträge heute noch auf die Tagesordnung setzen und dann behandeln, wenn der Herr Bundesinnenminister oder sein Vertreter eingetroffen ist. Besteht darin Einverständnis? — Das ist der Fall.
Ich darf noch etwas anderes Geschäftsordnungsmäßiges bekanntgeben. Der Abgeordnete Dr. Lindrath bittet, bekanntzugeben: Der Unterausschuß für Fragen der Gewinnermittlung des Ausschusses Finanzen und Steuern tritt um 15 Uhr 30 in Zimmer 210 Süd zusammen.
Dann hat als nächster Redner der Abgeordnete Rademacher das Wort.

Willy Max Rademacher (FDP):
Rede ID: ID0203802100
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor Eintritt in die Debatte darf ich zunächst kurz den Antrag begründen, den meine Fraktion mit Ihrer Genehmigung noch überreicht hat.*) Wir waren uns im Jahre 1952 bei der Verabschiedung des Güterkraftverkehrsgesetzes darüber klar, daß wir auf verschiedenen Gebieten Neuland beschreiten. Wir wollten gewisse Erfahrungen sammeln, um dann die notwendigerweise auftretenden Lücken auszugleichen. Das soll nun im wesentlichen mit diesem Antrag erfolgen. Es geht darum, im Interesse einer besseren Kontrolle durch die Bundesanstalt eine Trennung derjenigen Betriebe vorzunehmen, die einerseits Fernverkehr betreiben und andererseits beispielsweise mit Baustoffhandel, Kohlenhandel, Spedition usw. verknüpft sind. Wir sind auch der Meinung, daß bessere Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um das Auftreten von Scheintatbeständen im Werkfernverkehr und in der Abfertigungsspedition zu verhindern. Schließlich müssen wir dafür sorgen, daß das die Ordnung störende ungesetzliche Maklerwesen bei der Vermittlung von Ladegut und Laderaum beseitigt wird. Ich darf das Hohe Haus bitten, diesen Antrag dem Verkehrsausschuß zu überweisen.
Meine Damen und Herren, man fühlt es heraus: 6 Stunden Verkehrsdebatte! Ich könnte auch sagen: Die letzten beißen die Hunde. Aber vielleicht gelingt es mir doch noch, das eine oder andere Wesentliche zu dieser Verkehrsdebatte beizutragen.
Als der Herr Minister heute früh seine Gedanken entwickelte — ich glaube, seine Rede umfaßte 39 Seiten —, war ich darüber eigentlich sehr froh, daß endlich einmal die letzte Tarnkappe, die bisher auf den Absichten lag, die mit diesen Gesetzen verfolgt wurden, heruntergezogen wurde. Damit sind wir — d. h. meine Fraktion — vollkommen einverstanden. Wir wollen wissen, welche endgültige Zielsetzung diese beiden Gesetze haben, und wir stimmen sogar mit dieser Zielsetzung überein. Auch wir erkennen an, daß auf der einen Seite der Bundesbahn geholfen werden muß und daß auf der andern Seite das Straßennetz ausgebaut werden muß, damit die Sicherheit auf der Straße erhöht wird. Damit sind wir vollkommen einverstanden.
Die Diskussion geht ja schließlich und endlich nur darum, meine Damen und Herren: Sind die Methoden richtig, oder sind andere Methoden, wie sie heute morgen von verschiedenen Rednern entwickelt wurden, besser? Darum geht es. Das „Wirtschaftswunder" oder der Wirtschaftsaufstieg, von dem soviel gesprochen wird, ist doch zweifelsohne an zwei Dingen vorübergegangen: einmal an der Deutschen Bundesbahn und auf der andern Seite an dem Zustand auf den Straßen, aber nicht beim Straßenverkehr, nicht bei den StraßenverkehrsmitS) Drucksache 678. teln, sondern auf der Straße selbst, und an ihrer Sicherheit.
Der Herr Bundesverkehrsminister ist kürzlich in diesem Zusammenhang zu der gewaltigen und großen Erkenntnis gekommen, daß Geld dazu gehört, diese beiden Dinge in Ordnung zu bringen, und er hat Gelegenheit genommen, im Südwestdeutschen Rundfunk einige Äußerungen zu machen, die ich nicht alle anführen möchte. Ich habe nämlich dem Herrn Minister versprochen, daß ich dort, wo ich kritisieren muß, ihn glimpflich behandeln werde. Ich kann die Dinge natürlich auch sagen, Herr Minister; aber ich glaube, Sie wären nicht sehr erfreut. Er hat jedenfalls gesagt, er und die Regierung seien keine Dukatenmännchen. Er hat zwar noch etwas hinzugefügt; das will ich aber verschweigen. Würde ich es nennen, so würde es ein reizvolles Bild für ihn und seine Herren heraufbeschwören. Sie können es, meine Damen und Herren, wenn Sie Interesse dafür haben, nachlesen.
Die entscheidende Frage war die Beschaffung des Geldes; sie soll nun mit diesem Verkehrsfinanzgesetz in erster Linie für diese beiden Aufgaben gelöst werden. Wir müssen in dieser kritischen Debatte — und auch die FDP nimmt zu den Dingen kritisch Stellung, ich sage das im ausdrücklichen Auftrage meiner Fraktion — untersuchen, ob in der Vergangenheit genügend und alles geschehen ist, um insbesondere der Bundesbahn zu helfen und das Straßenverkehrsnetz dem wachsenden Verkehr anzupassen.

(Vizepräsident Dr. Schneider übernimmt den Vorsitz.)

Man kann in der Verkehrspolitik zwei Wege gehen. Man kann sagen — und das hörten wir leider in den Ausführungen des Herrn Bundesverkehrsministers —: wir müssen den Verkehr dem Straßennetz anpassen. Ich glaube, wenn man eine fortschrittliche Verkehrspolitik betreiben will, muß man genau das Umgekehrte tun. Man muß das Straßennetz dem gewachsenen Verkehr anpassen. Ob das sofort und in dem ganzen Umfange möglich ist, darüber kann man sich unterhalten. Man muß aber auch ebensosehr feststellen, daß in dieser Beziehung in der Vergangenheit eben zuwenig geschehen ist.

(Abg. Rümmele: Man muß beides tun!)

Die Situation bei der Deutschen Bundesbahn ist doch nicht erst seit gestern bekannt. Wir kennen ja die Ziffern ihrer Unterbilanz in den abgelaufenen Jahren: 150 Millionen DM, 400 Millionen DM, 600 Millionen DM; heute sind wir bei 900 Millionen DM angelangt. Es ist eben die Frage, ob im Rahmen des Gesamtetats von 27 Milliarden DM und unter Rücksicht darauf, was vom Verkehr an Beförderungsteuer, Mineralölsteuer, Kfz.-Steuer usw. dazu beigesteuert worden ist, für diese beiden großen Aufgaben genügend zweckgebundene Mittel verwendet werden. Nach meiner Kenntnis — und ich glaube, man kann das sogar, wenn man will, wissenschaftlich beweisen — bestreite ich, daß die Notlage der Deutschen Bundesbahn primär daraus entstanden ist, daß Binnenschiffahrt und Straßenverkehr in ihren Bereich eingedrungen sind. Der Kollege Schmidt hat hierfür einige Zahlen angeführt. Er hat dem Bundesverkehrsminister vorgerechnet, daß, wenn er die Erfolge oder die Mißerfolge oder die mittleren Erfolge der Verbotsgesetzgebung und noch einiges mehr nähme, das alles nicht genügen werde, um die Situation der Bundesbahn wesentlich und entscheidend zu bes-


(Rademacher)

sern. Wir haben doch mindestens schon im Jahre 1950, spätestens aber 1951 gewußt, welche Last auf die Bundesbahn zukommt und mit welchen Lasten sie aus dem verlorenen Kriege dasitzt. Die höheren Gehälter, die Löhne, die Verpflichtungen aus dem 131er-Gesetz, den ständig steigenden Kostenindex, alle die Dinge, die von dem Minister in seiner Denkschrift richtig erwähnt wurden, haben wir gekannt, und es ist uns nicht gelungen, trotz der Bemühungen derjenigen, die vielleicht einiges von den Dingen verstehen, ein Bundesbahngesetz zu schaffen, das von vornherein die Grundlagen dafür legte, das also den Bundesfinanzminister verpflichtete, für den Nachholbedarf, für die Erneuerung des rollenden Materials usw. entsprechende Mittel bereitzustellen. Der Herr Bundesfinanzminister — er ist nicht mehr da — erinnert sich vielleicht, wie sehr er noch im Jahre 1950 bei der ganzen Situation der Deutschen Bundesbahn, wie sie Einsichtige heraufkommen sahen, um eine Konzessionsabgabe von 50 Millionen DM unabhängig von Gewinn oder Verlust gekämpft hat. Da haben wir ihn allerdings überstimmt. Aber es war dicht dran, daß er trotz der heraufkommenden Situation diese 50 Millionen DM bei der Bundesbahn pro anno auch noch abgeschöpft hätte.
Wenn heute eine völlig neue Verkehrspolitik betrieben werden soll, wie es in den Worten der beiden Herren Minister ja sehr deutlich zum Ausdruck gekommen ist, darf man in einer kritischen Betrachtung doch wohl die Frage stellen: Mußte es so weit kommen? War es nicht die Pflicht der Ressortminister, war es nicht überhaupt die Pflicht eines führenden Mannes in der Politik — und das soll ja ein Minister sein —, Die Dinge ein wenig vorauszusehen und die entsprechenden Dispositionen zu treffen und die entsprechende Politik zu betreiben?

(Beifall rechts.)

Ich glaube, es ist der Staatsmann Churchill gewesen, der mal irgendwo gesagt hat, es sei das Recht eines Mannes, seine Meinung auch einmal zu ändern. Aber ich fürchte: wenn man das zu oft tut, wird man in der Öffentlichkeit etwas unglaubwürdig. Ich will hier nicht untersuchen, ob es zu oft geschehen ist, glaube aber, daß wir mindestens in der Gefahr stehen.
Der Kollege Schmidt hat nach meiner Ansicht rechtzeitig auf die Bremer Äußerungen, bei denen ich persönlich anwesend gewesen bin, hingewiesen. Mich hat nur eins gewundert. Nachdem ich mir erlaubt hatte, den Herrn Bundesverkehrsminister an diese seine Äußerungen zu erinnern, ist im Bulletin der Bundesregierung eine Mittel-lung erschienen, daß auch nicht eine einzige Erklärung in Bremen den Schluß zulasse, der in der Öffentlichkeit gezogen worden ist und den der Kollege Schmidt hier verlesen hat.
Jetzt haben wir die neue Verkehrskonzeption; so etwas Ähnliches soll es doch sein. Sie fängt mit einer Verbotsgesetzgebung an. Ich glaube, diesmal ist es Bismarck gewesen, der einmal zum Ausdruck gebracht hat — ich werde mich hüten, den Satz zu Ende zu sprechen, sondern werde ihn nur andeuten —: Mit Verboten kann jeder ... regieren. Ich glaube, so etwas Ähnliches hat er gesagt.
Wir sollen gleichzeitig untersuchen. Unterstellen wir einmal diese Verbotsgesetzgebung! Sie widerspricht ja der ganzen Wirtschaftspolitik dieser Regierung. Wir sollen nun untersuchen: Wird diese Verbotsgesetzgebung den beiden großen Zwecken genügen, einerseits der Bundesbahn mehr Ladung zuzuführen, andererseits die Straßen zu entlasten? Ich bestreite, daß das erreicht wird. Ich sage das unabhängig von der Einstellung meiner Freunde, da wir, wie ich hier ausdrücklich zu erklären habe, eine Verbotsgesetzgebung grundsätzlich ablehnen, weil es andere Mittel gibt. Nehmen wir jedoch an, sie käme zustande. Ich glaube dann mit einigen meiner Vorredner sagen zu können, daß die beiden Ziele nicht erreicht werden.
Ich komme zunächst zur Frage der Entlastung der Straße. Der Herr Bundesverkehrsminister hat im voraus die Gegenargumente gekannt und sich in seiner Denkschrift darauf eingestellt. Aber das ist nicht die Praxis; es ist eine ausgesprochene Theorie. Herr Minister, es sind leider nur vierzig Jahre im deutschen und internationalen Verkehrsgeschehen, die bescheiden zu Ihnen hinaufsehen. Ich glaube aber, einige Erfahrungen auf diesem Gebiet aus diesen Jahrzehnten zu haben, um Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen zu können, daß Sie mit dieser Verbotsgesetzgebung keine Entlastung der Straße erzielen.

(Beifall rechts.)

Das ist doch ganz klar. Stellen Sie sich einmal die Dinge vor. Gleichzeitig soll eine Verkehrsteilung erreicht werden. Ein Teil des gewerblichen Verkehrs bekommt eine Ausnahmebestimmung. Diese läuft übrigens in nicht allzu ferner Zeit aus. Ein anderer Teil ist von vornherein frei. Was wird der denn machen? Er wird sich mit Gewalt auf das hochtarifierte Gut der Deutschen Bundesbahn stürzen.

(Zuruf von der Mitte.)

— Ja, Sie haben vollkommen recht! Die Rosinenpickerei gibt es gar nicht mehr. Bahn, Schiffahrt — die Schiffahrt weniger — und Straßenverkehr fahren, was sie bekommen, sogenannte Massengüter und Stückgüter, was sie wollen. Es gibt in dieser Beziehung überhaupt keine Rosinenpickerei mehr. Wer das nicht weiß, hat von der Praxis überhaupt keine Ahnung. In dieser Beziehung wird nicht die geringste Entlastung entstehen. Glauben Sie etwa, daß die Werkverkehre, die ja hier ganz besonders zum Prügelknaben gemacht werden, ihre Laster, die sie sich auf Grund der Erhardschen Wirtschaftspolitik angeschafft haben — der haben ja die meisten von Ihnen zugestimmt —, auf den Schrotthaufen werfen? Ich glaube das nicht. Diese Wagen werden sich — leider, kann man meinetwegen sagen, und ich bin mit dieser Ausdrucksweise sogar einverstanden — auf diesen engeren Raum konzentrieren. Darüber ist nicht der leiseste Zweifel. Sie werden den Teil, den sie nebenher auf der Bundesbahn in diesem engen Kreis befördert haben — der ja nicht 50 km beträgt, sondern 100, 110, 120 km —, dann selber fahren. Selbst bei einem absoluten Erfolg einer Verbotsgesetzgebung wird von der Bundesbahn gesagt: Was kommt dabei heraus? 70 Millionen DM, wobei — die Bahn soll ja eigentlich kaufmännisch rechnen — auch noch Selbstkosten in diesem Mehrfrachtaufkommen mutmaßlich darin sein werden.
Genau so ist es mit der Frage der Sicherheit. Es wird gesagt, es sei doch nur dasselbe Gut, das sich in demselben Raum bewegt. Nein! Ich habe Ihnen eben schon klarzumachen versucht, wie dann notwendigerweise die Konzentration innerhalb der Nahverkehrsgebiete — in denen ja leider 80 % unserer Unfälle sich ereignen — noch einmal größer wird. Dann kann man das erleben, was Herr


(Rademacher)

Dr. Leiske bereits sehr richtig genannt hat: die Notwendigkeit des Fernhaltens der Fahrzeuge aus den großen Städten. Diese Entwicklung geht ja Gott sei Dank immer weiter. Man sagt, auch der schwere Lastwagen hat einen Terminus vor den Toren wie die Bahn, und man hat von dort aus mit kleineren Fahrzeugen abzufahren. Aber eine Güterabfertigung der Bundesbahn — hier spricht eben auch wieder ein Mann der Praxis — können Sie nicht darauf beschränken, etwa morgens von 6 bis 8 Uhr oder abends bis 10 Uhr abzufahren. Dann kommt der ganze Betrieb in Unordnung. Hier müssen Waggons und Stückgut zügig von morgens bis abends abgefahren und angeliefert werden. Das geht wiederum nur zu Lasten der Sicherheit, die mit diesem Gesetz angeblich erhöht werden soll.
Meine Damen und Herren, wer soll die Dinge eigentlich bewältigen und wer soll sie kontrollieren? Seitens des Vorstandes der Bundesbahn ist gesagt worden: Wir sind durchaus in der Lage, das Mehr an Ladung — das ist ja kein Mehr an Fracht, das wird nämlich wieder durch die hochtarifierten Güter abgeknabbert — bequem zu bewältigen, selbst in den Spitzen, d. h. im Herbst- und im Winterverkehr. Der Herr Bundesverkehrsminister hat leider nicht gesagt — wahrscheinlich nimmt man es im Hause der Bundesbahn wieder übel, aber ich muß es diesem Hause leider sagen —, daß dieses Mehr an Ladung nur bewältigt werden kann, wenn die Bundesbahn ihr Material nicht nur erneuert, sondern es auch vergrößert. Das steht fest. Das heißt: neue Investitionen statt der Modernisierung des vorhandenen Parks, der ich aus vollem Herzen zustimme und in der ich ausschließlich die Zukunft und die bessere Situation der Deutschen Bundesbahn sehe.
Nun die wirklich ernste Frage: Wer soll diese Dinge kontrollieren? Es ist schon gesagt worden: Der Bundesrat verlangt Ausnahmen, aber nur immer in Fällen von Notständen. Soeben haben wir die tiefbetrübliche Mitteilung aus Bayern bekommen. Das ist schon so ein erster Fall, ein Notstand, in dem, soweit ich die Dinge im Augenblick übersehen kann, nun aber auch tatsächlich alle Verkehrsmittel eingesetzt werden müssen, um den bedauernswerten Menschen zu helfen und das Nötigste an Leib und Gut zu retten. Wer aber soll diese Ausnahmen kontrollieren? Da wird z. B. gesagt: Die in Berlin ansässigen Fernverkehrsfahrzeuge dürfen hin- und herfahren, was sie wollen. Die anderen, die aus der Bundesrepublik kommen — diese brauchen wir neben den Zügen der Deutschen Bundesbahn auch zur Versorgung von Berlin —, fahren nun also in einer Richtung mutmaßlich voll hin — oder umgekehrt —, und in der anderen Richtung dürfen sie dann auf Grund des Verbots das Massengut nicht nehmen, es sei denn, sie kriegen wieder einmal eine Ausnahmegenehmigung; so werden die Dinge ja kommen. Da ist dann die arme Bundesanstalt, die wir zur Überwachung des Güterfernverkehrs geschaffen haben. Man weiß nicht, wie diese Leute das überhaupt noch kontrollieren sollen. Wir haben den Apparat relativ klein gehalten, wir wollten ihn nicht übertakeln. Man wird nicht einmal mit der jetzigen Formulierung des Gesetzes etwas anfangen können. Denn die Nomenklatur der dreizehn Artikel in dieser Verbotsliste ist in dem Deutschen EisenbahnGütertarif und in dem Reichskraftwagentarif überhaupt gar nicht exakt unterzubringen. Es steht noch völlig offen, ob das nun auch für Stückgüter oder nur für Ladungsgüter gilt usw.
Zusammenfassend glaube ich, daß mit dem Verbotsgesetz eher ein Schaden angerichtet wird — das ist eine sehr vorsichtige Ausdrucksweise —, als daß ein Gewinn erzielt wird. Ich wäre dem Herrn Bundesverkehrsminister, der sich doch seiner ehemaligen Landsleute aus dem Sudetenland usw. sehr annimmt, sehr dankbar, wenn er sich einmal mit den betreffenden Gebieten in Verbindung setzte. Es genügt z. B., einfach den Brief zu lesen, den die Industrie- und Handelskammer von Bayreuth geschickt hat, um zu erkennen, welche Konsequenzen aus sOlchen unübersehbaren Maßnahmen entstehen können. Sie brauchen gar kein Praktiker zu sein. Fahren Sie doch einmal durch die bayerischen Täler und durch die Schwarzwaldtäler und sehen Sie sich dort einmal die Situation der Sägemühlen und der sonstigen Fabriken an. Wollen Sie das alles aufladen und wieder umladen und am Empfangsort dieselbe Geschichte noch einmal machen? Ich will nicht einmal von der Verteuerung sprechen. Sie können ja auf dem Standpunkt stehen: Schön, das muß eben aus Gründen der Sicherheit sein, das muß die Wirtschaft eben tragen. Aber es ist nicht möglich, in dem gleichen Atemzuge noch von einer zügigen Abwicklung der gesamten Wirtschaft und von der Erfüllung der Bedürfnisse der Volkswirtschaft zu sprechen.
Herr Minister, Sie werden mir nicht böse sein, wenn ich jetzt folgendes sage: vielleicht wäre es ganz gut, meine Herren vom Bundesverkehrsministerium, wenn Sie einmal eine Zeitlang in die Praxis gingen, vielleicht einen Monat zu der Deutschen Bundesbahn, einen Monat zu einem Lastwagenbetrieb und dann zu der Krone der Verkehrsschöpfung, nämlich dem internationalen Spediteur. Dort würden Sie einmal sehen, wie diese Dinge sich eigentlich in der Praxis auswirken. Dabei haben Sie, Herr Minister, in der Leitung Ihrer Abteilung Straße einen so hervorragenden Mann wie Herrn Straulino, der, glaube ich, sogar aus der Spedition kommt. Er ist, glaube ich, jahrelang in Hamburg und in München tätig gewesen. Aber entweder hat er es vergessen oder — verzeihen Sie! — er mußte es vielleicht vergessen.
Damit komme ich zum Verkehrsfinanzgesetz. Ich sage noch einmal mit aller Deutlichkeit, die Zielsetzung und den Inhalt des Verkehrsfinanzgesetzes begrüßen wir und werden wir in jeder Weise unterstützen, ohne uns allerdings schon im Plenum auf die Zahlen usw. festzulegen. Nach meiner Ansicht ist eine wirklich genaue Untersuchung unterblieben, wieweit diese Dinge tragbar sind. Das werden wir leider in den verschiedenen Ausschüssen, insbesondere auch im Verkehrsausschuß, nachzuholen haben. Ich darf einige Dinge herausgreifen, die auch wieder nicht mit den ganzen Zielen der Verkehrspolitik übereinstimmen, wie sie uns heute als Novum vorgetragen wurde. Da werden z. B. die Anhänger genau so belastet wie der Motorwagen,. Einige Zeilen weiter erzählt Ihnen der Herr Bundesverkehrsminister: Wir wollen die rollende Landstraße. Ich glaube, daß in der Zukunft in der rollenden Landstraße etwas drinliegt, wenn die Sache ordnungsgemäß organisiert ist. Aber wenn Sie von vornherein den dafür geeigneten Behälter — das ist nämlich der Anhänger, der Motorwagen kommt dafür weniger in Frage — in einer solchen Höhe belasten, möchte ich als Praktiker gern wissen, was Sie eigentlich für einen Tarif schaffen wollen, der auf der einen Seite der Bundesbahn einen Ver-


(Rademacher)

dienst gibt — sie soll doch an den Dingen verdienen und nicht immer nur zu Selbstkosten fahren — und der auf der anderen Seite auch für den Betreffenden die Sache interessant macht. Ich weiß nicht, Herr Bundesverkehrsminister, ob man in Ihrem Hause auch einmal untersucht hat, wie man mit einem Verkehrsfinanzgesetz in dieser Höhe die treuesten Erfüllungsgehilfen der Deutschen Bundesbahn belastet, nämlich die bahnamtlichen Rollfuhr- und Expreßunternehmer, die bei 2000 Betrieben aus diesem Gesetz, wenn es in dieser Erhöhung zustande kommt, insgesamt mit 2 Millionen DM belastet werden und die dann gar nicht mehr in der Lage sind, ihre Aufgaben für die Deutsche Bundesbahn, also für die Schiene, zu erfüllen.
Wir sind einverstanden mit der Gewichtsumstellung, wir sind einverstanden mit der Beseitigung des Knicks von unten; aber wir stocken schon wieder, ohne über die Höhe zu sprechen, über die Progression ab 15 t. Ich weiß sehr wohl, daß damit ein verkehrspolitisches Ziel erreicht werden soll. Ich möchte aber fragen, was Herr Minister Erhard dazu sagt, der ja von der Wechselwirkung weiß — wahrscheinlich besser weiß als andere Ministerien —, die es nun einmal zwischen Inlandabsatz und Export gibt. Wenn man Exportartikel, die auch im Inland abzusetzen sind, mit prohibitiven Sätzen belegt, so muß die Ausfuhr selbstverständlich zwangsläufig darunter leiden. Mir scheint manchmal, daß wir bei den Maßnahmen noch zu sehr unter dem Eindruck einer ewigen Auslandskonjunktur stehen. Ich glaube, das Segel schlägt langsam herum, und ein scharfer Sturm weht aus der Ecke der Weltkonkurrenz, so daß wir uns auch im Inland jeden Schritt sehr eingehend überlegen müssen, damit wir um Gottes willen nicht die bisher so gut verlaufene Wirtschaftspolitik stören.
Ich will Ihnen einmal an einem anderen Beispiel zeigen, wie komplex die ganze Verkehrspolitik ist. Wir haben unsere Meinung noch nicht genau darüber ausgemacht, ob wir im Nahverkehr die Beförderungsteuer einführen wollen oder nicht. Wenn sie eingeführt wird, dann kann sie jedenfalls nur pauschal eingeführt werden; denn wir haben nicht die Absicht, wie bei der Kfz.-Steuer nun noch wieder eine große Bürokratie in den Ländern, Gemeinden usw. hochzuziehen. Nun kommen aber zu uns Leute, die sagen: Wenn Sie jetzt den Werkverkehr in einer solchen Höhe belasten — es brauchen nicht unbedingt die 5 Pf zu sein, es können auch 3 oder 21/2 Pf sein, oder was weiß ich, worauf wir abkommen —, dann werden wir über einen bestimmten Aktionsradius hinaus überhaupt nicht mehr absetzen können, weil innerhalb des Aktionsradius mit einem Durchmesser von, sagen wir, 100 km, nunmehr ausschließlich die konkurrierenden Fabriken, weil sie ja weder die Werkverkehrsbelastung noch eine Beförderungsteuer im Nahverkehr haben, die dort ansässigen Abnehmer beliefern, während wir in diese Gebiete überhaupt nicht mehr eindringen können. Das Beispiel betraf in diesem Fall, damit Sie es vielleicht einmal durchdenken können, Hüttenzement, Portlandzement dort irgendwo im Westfälischen.
Ich will die Sache nicht vertiefen, ich wollte Ihnen aber bei dieser Gelegenheit einmal zum Ausdruck bringen, wie komplex und wie emfindlich die ganzen Dinge des Verkehrs und Ihre Maßnahmen sind.
Ich vergaß hinzuzufügen, daß wir keine Trennung zwischen dem Pkw. und dem Lkw. möchten. Wir sind der Meinung, daß es diesmal eigentlich gelingen müßte, durch einen entsprechenden Länderausgleich nicht nur die Kfz.-Steuer zur Bundessteuer zu machen, sondern sie vollkommen zu beseitigen; denn diese Bürokratie mit allem, was drum und dran hängt, ist doch einfach unerträglich.

(Abg. Rümmele: Das ist mit Diesel nicht so leicht!)

Der letzte Punkt des Verkehrsfinanzgesetzes ist bekanntlich die Mineralölsteuer. Wir fragen uns wirklich, warum man, wenn man die Aufgabe, die man zu erfüllen hat, durchführen will, auf der einen Seite mit 7 Pf sehr großzügig war — ich verstehe, das ist auch ein verkehrspolitisches Ziel —, während man sich nun beim Vergaserstoff mit dem einen Pfennig so schüchtern gezeigt hat. Das haben wir, offen gestanden, nicht ganz begriffen. Es sollen doch, was immer wieder betont werden muß, für diese beiden großen Aufgaben Mittel gewonnen werden. Es gibt eine Arbeitsgemeinschaft Deutsche Autobahnen. Darin arbeitet Herr Schmidt mit, darin arbeitet Herr Dr. Leiske mit. Ich muß leider sagen, Herr Dr. Leiske, daß das, was Sie hier heute ausgeführt haben, sich ja nicht mehr ganz mit unserer so schönen, harmonischen Arbeit in dieser Arbeitsgemeinschaft Deutsche Autobahnen in eine Linie bringen läßt. Jedenfalls haben wir damals gesagt und haben es vorgerechnet: 2 Pf Vergaserkraftstoff, 2 Pf Diesel — wobei wir natürlich nur an den Autobahnbau gedacht haben, zugegeben! —, und haben dann ein sehr bescheidenes Opfer von dem Herrn Bundesfinanzminister verlangt, ein Opfer, das er in seinem Gesetzentwurf auch nicht errechnet, jedenfalls vorläufig einmal verschwiegen hat, nämlich die Progression im Verkehr auf der Straße überhaupt. Wenn insgesamt 360 Millionen DM errechnet werden, dann sind wir der Meinung, daß in Wirklichkeit — wie es immer in den vergangenen Jahren gewesen ist — durch die Steigerung des Verkehrs 400 bis 450 Millionen, vielleicht oder wahrscheinlich sogar 500 Millionen DM herauskommen werden. Es ist sehr bedauerlich, daß der Herr Bundesverkehrsminister jetzt von seinem eigenen Plan, was den Umfang des Autobahnnetzes anbelangt, selbst wieder heruntergegangen ist. Wahrscheinlich — er hat es, glaube ich, auch zum Ausdruck gebracht — hat ihn der Herr Bundesfinanzminister dazu, na, sagen wir einmal: bewogen, daß er nun auf 586 km oder so etwas Ähnliches heruntergegangen ist.
Die Ergebnisse des Finanzgesetzes sollen in der Tat verteilt werden, sollen verteilt werden auf die notwendige Unterstützung der Bundesbahn und den Bau des Autobahnnetzes und des Straßennetzes überhaupt, insbesondere dann, wenn man andere Mittel findet, um genügend jährliche Quoten bereitzustellen, wie beispielsweise die Bürgschaft, die das Finanzministerium in Höhe von 500 Millionen DM geben will. Aber bevor wir diesen Kuchen aufteilen, müssen wir uns jetzt wirklich eingehend überlegen: Kommen wir mit den 80 Millionen DM aus? — Der Bundesrat hat ja Gott sei Dank eine Änderung eingebracht, die die Bundesregierung akzeptiert hat. Nachdem es jetzt heißt: „mindestens 80 Millionen DM", werden wir uns in den Ausschüssen sehr genau darüber zu unterhalten haben, welche Mindestmittel wir nun wirklich zur Hebung der Sicherheit, zum Ausbau des Straßennetzes usw. bereitstellen müssen; und dann werden, wenn man VK bei dieser Gelegenheit noch etwas anhebt, auch noch genügend Mittel herauskommen, um der Bundesbahn einen entsprechenden Betrag für ihre gegenwärtige Situa-


(Rademacher)

tion zukommen zu lassen. Allerdings, ganz aus Eigenem und ganz aus dem Verkehrsfinanzgesetz wird es nicht gehen. Die Regierung und insbesondere der Herr Bundesverkehrsminister muß sich nun wirklich erinnern, daß in den abgelaufenen Jahren viel zu wenig getan worden ist und daß für die Entlastung der Bundesbahn von den politischen Lasten — wie wir sie hier mit einem Generalnenner bezeichnen — nun etwas getan werden muß.
Meine Damen und Herren, beide Gesetze haben die Zustimmung des Bundesrats gefunden. Ich könnte darüber auch noch einige Bemerkungen machen. Mein Kollege Schmidt hat das schon außerordentlich geschickt getan. Da gibt es allerlei Wünsche in den Ländern, da gibt es Seehafentarife, da gibt es den Ausbau eines Binnenhafens, da gibt es die Trassierung einer Autobahn, Bau eines Kanals, und was weiß ich alles. Ich glaube natürlich nicht — ich weise es weit von mir, auch im Auftrage meiner Freunde —, was so allgemein gesagt wird: der Herr Bundesverkehrsminister habe diese Dinge ein wenig bei den Verhandlungen mit den Ländern vertreten. Das glaube ich einfach nicht. Aber daß die Länder von selbst auf diese Ideen kommen, das mag schon sein. Wenn Sie heute landauf, landab reisen und sich mit den Länderministern und vor allen Dingen mit den Chefs der obersten Verkehrsbehörden unterhalten, dann will es keiner gewesen sein, und alle sagen sie: Na ja, wir sehen die Gefahren dieser beiden Gesetze, insbesondere der Verbotsgesetzgebung, für unsere Wirtschaft ein; aber, ihr seid ja die klugen Frauen und Männer im Bundestag, ihr werdet schon dafür sorgen, daß die Dinge eine vernünftige Lösung finden! Das ist jedenfalls das, meine Damen und Herren, was ich in diesem Zusammenhang festgestellt habe.
Ich darf mich einmal kurz den Gesetzentwürfen von Müller-Hermann zuwenden. Meine Damen und Herren, wir haben in der Fraktion der FDP einen Augenblick geschwankt und haben uns gesagt: Im großen und ganzen sind es gute Ideen, die dort entwickelt sind, in vielem sind wir anderer Meinung; sollen wir uns vielleicht diesen Gesetzen anschließen? Meine Damen und Herren, wir haben es nicht getan, wir haben es bewußt nicht getan, weil wir in dieser Beziehung mit Äußerungen übereinstimmen, die hier vorher schon gemacht worden sind. Wir sind nämlich der Meinung, daß die wesentlichen Änderungen und Ergänzungen mindestens an dem Verkehrsfinanzgesetz aufgehängt werden können und daß man entsprechende Ergänzungsanträge, so wie ich es heute z. B. getan habe, zum Güterkraftverkehrsgesetz einbringen kann.
Meine Damen und Herren! Das sieht doch nun jeder an Hand dieser vier Gesetzentwürfe, daß sie unmöglich die Arbeit eines einzelnen Mannes sein können; das übersteigt dessen Kraft. Wir wollten uns auch nicht ganz mit den Kräften identifizieren, die vielleicht — ich werde mich vorsichtig ausdrücken — hinter diesen Gesetzentwürfen stehen. Sicherlich, die Gedanken, die dort zu den Verkehrsunfällen niedergelegt sind, sind gut. Bedarf es dazu aber eines Gesetzes? Ich bin überzeugt, diese Gedanken haben sich im Hause des Bundesverkehrsministeriums längst niedergeschlagen. Messen Sie, meine Damen und Herren, jedoch diesen etwaigen Änderungen der Straßenverkehrs-Ordnung und der Straßenverkehrs-Zulassungs-
Ordnung keine übermäßige Bedeutung bei! Es gibt nur eine Möglichkeit, die Zahl der Toten und- Verletzten wirklich herunterzubringen, und das ist: Straßen zu bauen und das Straßennetz auszubauen. Sie können noch so viele Polizeiverordnungen erlassen, — solange Sie nicht zu dieser Grunderkenntnis kommen und diese Dinge wirklich großzügig anfassen, werden Sie mit dieser Kulturschande in Deutschland nicht aufräumen.
Meine Damen und Herren! Die Vorschläge zur Änderung des Bundesbahngesetzes werden von uns nicht unsympathisch aufgenommen. Der Fraktion der FDP gehören ja einige Herren an, die die Dinge im Hause der Bundesbahn laufend und sehr eingehend beurteilen können. Aber ich möchte bei dieser Gelegenheit auch einmal auf eins hinweisen. Ich möchte den in der vorigen Legislaturperiode von mir geleiteten Verkehrsausschuß ein wenig in Schutz nehmen. Wir haben in der ersten Lesung dieses Präsidialprinzip fertig gehabt. Welche Kräfte dann hinter den Kulissen auf die Dinge eingewirkt haben, vermag ich nicht zu beurteilen; ich kenne mich in dieser Beziehung nicht so genau aus. Ich habe nur festgestellt, daß wir dieses Prinzip nachher wieder umwerfen mußten.
Wenn man das Bundesbahngericht schaffen will, muß man ihm allerdings auch größere Aufgaben geben. Es ist ein unhaltbarer Zustand — und solche Beschwerden laufen täglich bei mir ein —, daß auf der einen Seite die Leute scharf bestraft werden
— und sie sollen scharf bestraft werden; das war der Wille des Güterkraftverkehrsgesetzes —, wenn sie Tarifunterbietungen und sonstige Verstöße begehen. Aber dann muß man den Leuten auf der andern Seite auch die Möglichkeit schaffen, daß nunmehr ein gewisser Schutz gegenüber dem andern Verkehrsträger eintritt, der sich leider
— ich kann das aus meiner Kenntnis der Dinge heraus wohl sagen — in diesem entscheidenden Augenblick, wo wir mit einer wirklich gut arbeitenden Bundesanstalt für den Güterverkehr im Begriff sind, die Dinge aufzufangen, das Recht nimmt — das Recht ist es eigentlich nicht; es ist das Unrecht —, nach kaufmännischen Grundsätzen, ohne Beachtung der Bestimmungen und der Tarife, auf die freie Wildbahn zu gehen. Meine Damen und Herren, man kann das sogar noch verstehen, wenn es im Rahmen des Kaufmännischen bleibt; aber in meiner Praxis kommen so viele Dinge an mich heran, daß ich frage: Du lieber Gott, wie ist so etwas möglich? Wenn man nämlich auf dem freien Markt operiert, dann hat man dafür ein sehr feines Gefühl — wenn man das Geschäft versteht —, wie weit man herunter- oder heraufgehen muß, und man macht keine Angebote, die gegenüber der Konkurrenz nicht einmal nötig sind und die außerdem noch sehr viel Geld kosten. Da kommt es nun so, daß diejenigen, die von den obersten Verkehrsbehörden und von der Bundesanstalt bestraft werden, Ihnen schwarz auf weiß einen Brief bringen und sagen: Ich habe doch nur unterboten, weil ich von der Konkurrenz schwarz auf weiß das gleiche Angebot bekommen habe. Also ich bin der Meinung, wenn wir — und dieser Auffassung sind wir alle, trotz Röpke — sagen: der Verkehr muß seine Ordnung haben, und es kann keinen ruinösen Tarifwettbewerb geben, wohl allerdings einen Leistungswettbewerb, daß wir dann auch dafür sorgen müssen, daß diese Ordnung von allen daran beteiligten Verkehrsträgern eingehalten wird; denn sonst kriegen wir niemals Ordnung in diese Geschichte hinein.


(Rademacher)

Den Wegeplan, Müller-Hermann, will ich im einzelnen nicht behandeln. Ich fürchte aber eins. Wenn man in diesen Wegeplan nun auch noch wieder die Deutsche Bundesbahn hineinnimmt und das Bundesverkehrsministerium etwa der Bundesbahn einen Wegeplan oktroyieren oder mit ihr abstimmen soll, dann seien wir doch lieber direkter und stellen wir der Bundesbahn die notwendigen Mittel auf die verschiedenste Weise zur Verfügung. Sie wird schon wissen, wie sie den Oberbau zweckmäßigerweise und in bezug auf die Sicherheit anlegt.

(Abg. Müller-Hermann: Einverstanden!)

— Vielen Dank, Müller-Hermann!
Meine Damen und Herren! Die Schwierigkeit liegt in der Tatsache, daß wir außer den beiden Gesetzen — von dem einen hoffe ich, daß es nach dem ganzen Klima in diesem Hause wirklich nicht mehr ernstlich zur Debatte steht, nämlich die Verbotsgesetzgebung, weil durch sie nichts erreicht wird — bzw. neben dem eigentlichen Verkehrsfinanzgesetz, mit dem wir dann sehr schnell fertig werden könnten, noch eine Reihe von Gesetzen haben. Viele von Ihnen, die auch in den Ausschüssen mit mir zusammengearbeitet haben, erinnern sich des Bundesbahngesetzes, des Güterkraftverkehrsgesetzes und wissen, was es für einen Ausschuß bedeutet, zwei Initiativgesetze aneinander anzugleichen. Das bedaure ich im Interesse der Sache, weil ich fürchte, daß dadurch die Verabschiedung des Verkehrsfinanzgesetzes noch lange Zeit in Anspruch nehmen wird.
Das Positive an den Müller-Hermannschen Vorschlägen ist eigentlich etwas anderes; Sie werden überrascht sein, was ich dazu zu sagen habe. Das Positive scheint mir in erster Linie zu sein, daß hier tatsächlich in genauer Überlegung und hoffentlich auch auf Grund genauer Untersuchung — ich bin davon überzeugt — eine positive Kritik gegenüber den Absichten der Bundesregierung zum Ausdruck kommt. In diesen Gesetzentwürfen ist ja an sich schon die Tatsache enthalten, daß Müller-Hermann und seine Freunde die Verbotsgesetzgebung als solche ablehnen. Nun hat man in den letzten Wochen und Monaten in der heißen Auseinandersetzung manchmal leider das Gefühl gehabt, Kritik sei nicht erlaubt. Deswegen begrüße ich gerade Ihre Gesetze, obgleich ich der Meinung bin, wir hätten innerhalb der Koalition eine andere Form finden sollen. Schmidt war ja sehr vorsichtig, als er vorhin von gewissen Äußerungen in der „Welt" sprach. Da kam ja auch das berühmte „Augenrollen" vor. Ich weiß jetzt nicht genau, ob dieses Augenrollen dementiert worden ist; es könnte sein. Das wäre aber nicht nur eine Eigenschaft von unserem verehrten Minister Seebohm; es kommt auch bei anderen Ministern vor, daß am nächsten Morgen dementiert wird. Bei dieser Bemerkung über das Augenrollen denke ich an die Äußerung meines Freundes Thomas Dehler, der von dem Herrn Bundeskanzler aus Überzeugung sagte, er sei ein großer Liberaler.

(Lachen bei der SPD.)

Infolgedessen kann es sich nur um ein sanftes Augenrollen handeln, das bis auf ganz geringfügige Ausnahmen innerhalb der CDU ja keinen großen Erfolg und Effekt gehabt hat, und Herr Müller-Hermann und die anderen Herren könnten sich damit trösten. Wir hatten eine ähnliche Betrachtung im ersten Weltkriege bei meinem Regimentskommandeur, der auch immer gern mit den Augen rollte. Dann sagten wir immer: Denke nicht, daß er dir grollt, wenn er mit den Augen rollt. So scheint es ja wohl auch in diesem Falle — hoffentlich, meine Damen und Herren — zu sein.

(Abg. Müller-Hermann: Früher rollten die Räder für den Sieg, heute die Augen!)

Dann wird so viel von Interessenten gesprochen. Das war auch heute morgen der Fall. Ich weiß nicht, an wen sich die Betroffenen denn eigentlich wenden sollen, wenn nicht an ihre Volksvertreter. Das ist doch für sie die einzige Möglichkeit, ihre Kritik anzubringen. Der Begriff Interessenten umfaßt die privaten wie auch die staatlichen Einrichtungen, die Deutsche Bundesbahn mit einer halben Million Menschen, die noch über eine halbe Million Menschen in der öffentlichen Wirtschaft beschäftigt, und das Kraftfahrzeuggewerbe, dessen Beschäftigtenzahl auch bei etwa einer bis eineinviertel Millionen liegt. Hinter diesen Betrieben und hinter diesen Männern stehen doch Schicksale und Menschen. Dürfen sie sich denn nicht an die Öffentlichkeit wenden, wenn sie glauben, daß ihre Betriebe und die Menschen bei ihnen in ihrer Existenz in Gefahr sind? Ich glaube, sie dürfen es. Ich gebe zu: es war ein bißchen viel; wir sind ein bißchen mit diesen Dingen überschwemmt worden. Aber wir sind doch alle denkende Abgeordnete, die sich diese Dinge überlegen werden, die eingehende Untersuchungen anstellen werden — das ist nämlich das, was meine Fraktion in erster Linie verlangt — und die dann auch in der Lage sind, eine selbständige Entscheidung zu treffen, die nicht dem einzelnen, sondern dem Ganzen oder, besser gesagt, dem Gesamten zu dienen hat. Das ist auch der Grund gewesen, warum ich in den letzten Tagen noch einmal den Herrn Bundesverkehrsminister gebeten und aufgefordert habe — ich bin damit bewußt in die Öffentlichkeit gegangen —, doch noch einmal den Versuch zu unternehmen, mit all diesen verschiedenen Gruppen usw. eine Einigung herbeizuführen, allerdings unter der Voraussetzung, daß über die Verbotsgesetzgebung nicht gesprochen wird; denn darüber ist auch draußen eine Einigung aus den von mir erwähnten Gründen nicht zu erzielen. Ich bin auch heute noch der Meinung, daß diese Einigung möglich gewesen ist. Es ist nicht so, Herr Dr. Leiske, daß wir dann ausgeschaltet sind. Wir schön wäre es, wenn wir am 6. oder 8. September anfangen und sagen könnten: Hier ist die Einigung. In drei oder vier Sitzungen würden wir dann das Verkehrsfinanzgesetz über die Runden bringen. Hier ist eine große Chance verpaßt worden, weil man überfordert hat. Es wäre aber durchaus möglich gewesen, zu einer Einigung zu kommen.
Meine Damen und Herren, Sie werden sagen: Sie haben die Gesetze kritisiert, Sie haben Betrachtungen über Müller-Hermann und über den weiteren Gang der Dinge angestellt, Sie haben aber kein Wort darüber gesagt, wie die Dinge denn nun eigentlich werden sollen, d. h. Sie haben keine positive Kritik geübt. Man kann ja hier nicht seine Gedanken über die Zukunft der Deutschen Bundesbahn entwickeln. Eines möchte ich nur, obwohl immer verkehrte Meinungen über diese Dinge in die Öffentlichkeit ausgestreut werden, mit aller Deutlichkeit sagen: die Deutsche Bundesbahn wird auch in aller Zukunft, mindestens in den nächsten hundert Jahren, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa der Kern des Landverkehrs bleiben. Darüber besteht nicht der leiseste Zweifel. Aber dazu muß natürlich irgend etwas geschehen, und es muß


(Rademacher)

eine gewisse geistige Wandlung zu den Dingen hinzukommen. Man soll nicht alten monopolistischen Gedanken noch nachhängen, man soll sich im Technischen und im Organisatorischen zu modernisieren versuchen, aber man soll etwa den Gedanken einer Restauration, der Hereinnahme — Herr Schmidt!
— durch einen zunächst organisierten RKB, .der dann nachher entsprechend von dem Institut der Schiene übernommen wird, — —

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Nein!)

— Ja, solche Dinge werden geträumt. Deswegen sind wir dagegen, allein schon aus diesem Grunde.

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Herr Rademacher, Sie kennen mich doch! Ich bin doch kein unanständiger Mensch, der so etwas sagt und so etwas denkt!)

— Sie nicht, Herr Schmidt! Sie auf keinen Fall! Das möchte ich ausdrücklich betonen. Wir haben uns über die Dinge lange genug unterhalten. Meine Damen und Herren, das ist ja die tragische Situation der Deutschen Bundesbahn: Wenn Sie einmal Vergleiche des technischen, des modernisierten oder nicht modernisierten Zustandes der Deutschen Bundesbahn mit dem Zustand anderer europäischer Bahnen anstellen, dann ist es doch so: mit der Modernisierung ist die Deutsche Bundesbahn weit, weit im Rückstand.
In diesem Zusammenhang muß man aber auch einmal den Mut haben, über die Frage des Personals zu sprechen, dessen Unkosten ja 70 % der gesamten Ausgaben der Deutschen Bundesbahn darstellen. In vielen anderen Ländern sieht es genau so aus, manchmal aber wesentlich anders. Ich möchte hoffen, daß Herr Jahn mir diesmal einen Augenblick Gehör schenkt. Es ist ein soziales und gleichzeitig ein menschliches Problem, darüber ist nicht zu diskutieren. Es ist ein zusammengewachsenes Organ, mit dessen 500 000 Menschen man nicht so handeln kann wie etwa in einem Privatbetrieb. Hier muß eine sehr vorsichtige und allmähliche Ablösung und Verringerung erfolgen. Ich sage das mit aller Deutlichkeit. Ich habe vor kurzem mit Herren der Schweizer Bundesbahn gesprochen, und zwar anläßlich der internationalen Tagung in Hamburg, der UIC. Da hat man mir gesagt: 1939 hatte die Schweizer Bundesbahn 110 000 Menschen, heute hat sie diesen Bestand durch einen vernünftigen Übergang auf 70 000 Menschen heruntergesetzt, und es besteht die Absicht — sie sagten, sie können es betriebsmäßig —, auf 65- oder 60 000 Menschen herunterzugehen. Voraussetzung dafür ist aber, daß diese Menschen ohne soziale Schäden, ohne Schäden überhaupt von anderen Erwerbszweigen aufgenommen werden, deren es im Zuge der ganzen Entwicklung sicherlich noch eine ganze Reihe mehr geben wird.
Dann ein klares Wort über die Zustände auf der Straße und die Zukunft des Straßenverkehrs. Wir wollen uns hier nicht auf 18 m oder auf 32 t festlegen. Aber wir sind mit Ihnen und mit den bisherigen Rednern absolut der Meinung, daß das wildschäumende Bett des sich seit 1948 entwickelnden Straßenverkehrs in ruhige Bahnen übergeführt werden muß, vor allen Dingen im Interesse der Erhaltung und der Sicherheit unserer Straßen. Ich bin auch überzeugt, daß das, wenn man an die Dinge vernünftig herangeht, möglich ist, ohne Schaden für die Besitzer dieser Transportmittel — die sind ja nicht verantwortlich für diese bisherige Politik -- und ohne Schaden für die Umstellung in den
Produktionsstätten. Dann kommen wir hin, dann gelingt es uns, diese Dinge ins richtige Fahrwasser zu bringen.
Vor allem aber — damit möchte ich allmählich zum Schluß kommen — kommt es auf eine Zusammenarbeit an. Herr Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm hat uns heute gesagt: So, ich werde jetzt dafür sorgen, daß die beiden Verkehrsträger sich zusammensetzen! Ja, meine Damen und Herren, ist das denn nicht das Petitum einer Reihe von Männern des Verkehrs schon seit drei oder vier Jahren, die Verkehrsträger an einen Tisch zu bringen? Es gibt eine natürliche Verkehrsteilung, die meines Erachtens schon vor Jahren möglich gewesen wäre. Wenn Sie, Herr Bundesminister, den Werkverkehr einengen wollen, dann machen Sie das nicht mit den 5 Pfennig primär, sondern dann machen Sie das auf eine andere Weise! Nebenbei, weil ich gerade auf die 5 Pfennig komme: ich weiß eigentlich nicht, wieso Sie überhaupt auf den Gedanken einer Verbotsgesetzgebung gekommen sind. Wenn Sie nämlich die 5 Pfennig für Massengüter bei 20 t mit 400 km multiplizieren, dann kommen Sie auf eine Beförderungsteuer von 400 DM. Das kann keine Kohle, das kann kein Schrott, das kann keine Erde, das kann kein Bims und das kann mancher andere Artikel überhaupt nicht ertragen. Dieser Teil des Werkverkehrs ist dann sowieso mausetot, und ich verstehe nicht, daß man das nicht auch in Ihrem Hause ohne Bleistift und ohne Papier ausrechnen kann. Aber den Werkverkehr als solchen kann man auch trotz der bisherigen Entwicklung zurückdrängen, indem nämlich Schiene und Straße durch eine sinnvolle Zusammenarbeit der verladenden Wirtschaft dem Handel und der . Produktion eine Leistung anbieten, so daß sich die verantwortlichen Männer in den Fabriken und den Handelskontoren hinsetzen, Errechnungen machen und sagen: Das hat alles gar keinen Sinn mehr, mit eigenen Fahrzeugen, mit einer aufgetakelten Abteilung meines Betriebes hier herumzuwirtschaften; ich gehe zu den bestehenden Verkehrsträgern; dort fahre ich am besten.
Aber die Voraussetzung ist ein Leistungswettbewerb. Herr Schmidt, ich will hier Röpke nicht definieren. Mit diesen volkswirtschaftlichen Dingen haben Sie sich in der Vergangenheit mehr befaßt. Aber das ist es ja — und das scheint mir von Ihnen übersehen zu werden und auch von Herrn Dr. Leiske —, das will er nämlich. Er anerkennt durchaus eine bestimmte Ordnung im Rahmen des Verkehrs. Aber er sagt, wenn der Leistungswettbewerb dabei zum Teufel geht, dann hat allerdings die Volkswirtschaft für den nationalen und internationalen Verkehr nicht mehr den leistungsfähigen Apparat, den sie für ihre komplizierten Bedürfnisse braucht. Das ist jedenfalls das, was ich bei Röpke herausgelesen habe.

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Das kann man aber doch der Bundesbahn nicht absprechen, Herr Rademacher!)

Mir scheint in der Tat auch auf allen Gebieten des Verkehrs — das gilt für die Straße wie für die Schiene gleichermaßen — ein neuer Geist der Zusammenarbeit erforderlich zu sein. Es war in der Tat erschütternd, diese gegenseitigen Auseinandersetzungen der vorigen Monate zu beobachten. Letzten Endes haben doch nur zwei Gruppen davon profitiert: die Zeitungen und die Drucker. So scheint es mir jedenfalls.

(Zuruf von der Mitte: Auch die Post!)



(Rademacher)

Wer sich mit diesen Dingen ernstlich befaßt, dem kann man sicherlich gewisse Unterlagen geben. Aber dieser Umfang und diese Flut von Papier, die vermag ja überhaupt kein Mensch mehr zu bewältigen, geschweige denn zu verdauen. Schluß mit dieser Polemik! Ich bin allerdings der Meinung, daß selbstverständlich neben dem neuen Geist, der bei den Verkehrsträgern einzuziehen hat, auch ein neuer befruchtender Geist im Bundesverkehrsministerium erforderlich ist, damit dieses große Ziel einer sinnvollen Zusammenarbeit erreicht werden kann. Herr Dr. Seebohm, ich kann mir vorstellen — vielleicht ist es etwas überheblich von mir —: Sie haben die Absicht, als der Ordner des Verkehrs nach dem großen Chaos nach 1945 in die Geschichte einzugehen. Aber Sie müssen sich überlegen: Wollen Sie eine Geschichte des Rückschritts, oder wollen Sie eine Geschichte des Fortschritts machen? Das ist die große Entscheidung, die Sie selbst zu treffen haben. Es gibt eine Reihe von ausgezeichneten Verkehrswissenschaftlern in Deutschland, die uns auf verschiedenen Gebieten Richtlinien geben. So sagt z. B. Alfons Schmidt — ich glaube, er ist es gewesen —: Eine komplizierte Volkswirtschaft ruht auf zwei Pfeilern, auf einem funktionsfähigen Geldwesen und auch auf einem funktionsfähigen Verkehrswesen. — Das sind seine beiden Voraussetzungen. Hüten wir uns davor, Herr Minister, durch unbedachte Maßnahmen dieses funktionsfähige Verkehrswesen zu zerstören! Denn welche Aufgaben hat es außer der Bedienung der Wirtschaft ganz allgemein noch? Ich könnte hier lange Ausführungen machen über den Wohnungsbau. Ich wollte es meinem Freunde Wirths überlassen, der aber leider schon fortmußte, der Ihnen als Sachverständiger viel mehr über die praktische Auswirkung dieser beiden Gesetze auf den Wohnungsbau, auf den sozialen Wohnungsbau hätte sagen können. Herr Minister, Sie haben im „Rheinischen Merkur" über Verkehrsfragen geschrieben — ich hatte die Ehre, auch dabei zu sein —, aber vielleicht sind Sie einmal so freundlich und lesen sich in dem Artikel von General Heusinger das durch, was er über die Bedeutung eines intakten Verkehrsapparats gesagt hat.
Schließlich, meine Damen und Herren, die Frage der Wiedervereinigung. Ich will Ihnen einmal einen Satz vorlesen, den ich nur sinngemäß zitieren kann, weil es schon einige Zeit her ist, daß ich ihn in einer ganz alten Schwarte gelesen habe. Da stand drin: „Gute Chausseen, intakte Wasserstraßen und kommende Eisenbahnen werden die Einigung der deutschen Nation fördern." Ja, wer hat das wohl gesagt?

(Abg. Bock: Goethe!)

1823 Goethe zu Eckermann. — Ich glaube, wir sollten uns in der letzten Entscheidung über die Fragen, die wir diskutieren, auch überlegen: Tun wir um Gottes willen nichts, was die Wiedervereinigung mit einem intakten Verkehrsapparat schädigen könnte?
Herr Dr. Seebohm hat u. a. in seinen Ausführungen gesagt: Stets ist das Anliegen der Bundesregierung gewesen, Bundesbahn, Straßenverkehr, Binnenschiffahrt als gleichermaßen unentbehrlich für unser Volk und unsere Wirtschaft anzusehen. Darin stimmen meine Freunde mit Ihnen, Herr Minister, vollkommen überein. Es soll unser Leitfaden sein, daß sich diese Grundsätze verwirklichen bei der endgültigen Verabschiedung der Gesetze oder, so möchte ich lieber sagen, des Gesetzes, um damit eine neue Verkehrsordnung als leistungsfähigen Pfeiler für unsere gesamte. komplizierte Wirtschaft zu schaffen.

(Beifall bei der FDP und in der Mitte.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203802200
Meine Damen und Herren! Bevor ich in diesem Punkt der Tagesordnung fortfahre, erteile ich gemäß § 47 der Geschäftsordnung Herrn Staatssekretär Ritter von Lex außerhalb der Tagesordnung das Wort zur Abgabe einer Erklärung namens der Bundesregierung zur Katastrophe in Südbayern.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203802300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf in Vertretung des Herrn Bundesministers des Innern zur Überschwemmungskatastrophe in Südbayern folgende Erklärung der Bundesregierung abgeben.
Die Bundesregierung hat sich sofort nach dem Eintreffen der Nachrichten über die Hochwasserkatastrophe mit der bayerischen Staatsregierung in Verbindung gesetzt. Da sich der Herr bayerische Ministerpräsident Dr. Ehard und der Herr bayerische Innenminister Dr. Högner im Katastrophengebiet befinden, wurden die Besprechungen mit Herrn Staatssekretär Nerreter des bayerischen Innenministeriums geführt.
Besonders betroffen sind eine Reihe von Ortschaften an der Salzach im Landkreis Laufen, die leider zum Teil sogar evakuiert werden mußten, ferner das Stadtgebiet Rosenheim, der Landkreis Eggenfelden in Niederbayern und das Stadtgebiet von Passau.
Neben den von der bayerischen Staatsregierung eingesetzten bayerischen Polizeikräften sind noch gestern abend fünf Hundertschaften des Bundesgrenzschutzes, darunter eine Bauhundertschaft mit Notstandsgerät, besonders mit Schlauchbooten, in Aktion getreten. Außerdem hat das Technische Hilfswerk sämtliche Ortsverbände im Katastrophengebiet eingesetzt. Das Bundesinnenministerium hat darüber hinaus heute eine besonders zusammengestellte Hundertschaft der Bauabteilung des Bundesgrenzschutzes in Holzminden mit schwerem Notstandsgerät in Marsch gesetzt. Desgleichen ist das Technische Hilfswerk mit sämtlichen Bereitschaftsfahrzeugen im ganzen Bundesgebiet für die Anforderung durch die bayerische Staatsregierung aufgerufen worden. Sämtliche Abteilungen des Bundesgrenzschutzes in Bayern sind zu sofortigem Abruf in Alarmbereitschaft gesetzt.
Die Frage, welche weiteren Maßnahmen von Bundesseite erforderlich sind, wird im Benehmen mit der bayerischen Staatsregierung geklärt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203802400
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich frage: Soll diese Erklärung beraten werden? — Das ist nicht der Fall. Ich darf dann die weitere Frage stellen, ob das Haus der Meinung ist, daß damit die beiden vorligenden Anträge Drucksachen 693 und 694, wonach das Haus beschließen sollte, daß die Bundesregierung heute noch eine solche Erklärung abgibt, als erledigt angesehen werden können. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall, dann ist so beschlossen.
Wir fahren fort in den Beratungen zu Punkt 2 der heutigen Tagesordnung. Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.


Dr. Hans-Christoph Seebohm (CDU):
Rede ID: ID0203802500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur einige Bemerkungen zu den Ausführungen, die bisher gemacht worden sind.
Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Rademacher empfehlen, die Ausführungen, die ich heute früh gemacht habe, noch einmal sehr eingehend durchzulesen. Offenbar ist manches von dem, was ich gesagt habe, bei ihm leider nicht angekommen.

(Heiterkeit.)

Ich habe seine schönem Worte über die Bundesbahn sehr gern gehört. Aber der Kollege Rademacher hat z. B. auch gesagt, daß eine zügige Abwicklung des Verkehrs im Interesse der Wirtschaft nicht möglich sei, wenn Umladungen vorgenommen werden müßten wie z. B. bei Holz. Dann ist aber natürlich jeder Eisenbahnverkehr überflüssig. Zu solchen Außerungen sollte man sich also nicht versteigen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Der Herr Kollege Rademacher hat auch gesagt, 80 % der Unfälle ereigneten sich in den Nahverkehrsgebieten. Nein, meine Damen und Herren, 80 % der Unfälle ereignen sich in den Ortschaften. Ich habe Ihnen heute früh gesagt, die Nahverkehrsgebiete für ein Fahrzeug — sie wechseln von Fahrzeug zu Fahrzeug — umfassen rund 7850 qkm. Man kann diese Dinge wirklich nicht so auf den Kopf stellen, wie das hier geschehen ist.
Nun haben der Herr Kollege Rademacher und der Herr Kollege Schmidt auf meine Rede in Bremen im Herbst 1952 Bezug genommen. Ich bin überhaupt sehr erfreut, feststellen zu können, wie sehr meine früheren Reden offenbar studiert worden sind, um für diese Debatte Zitate zu schöpfen.

(Abg Schmidt[Hamburg]: Sie hat uns schon damals mißfallen, Herr Minister!)

— Das mag schon sein, daß sie Ihnen mißfallen hat. Herrn Rademacher hat sie damals nicht mißfallen, das war der Unterschied, und um Ihr Gefallen, verehrter Herr Kollege, habe ich mich damals noch nicht so furchtbar bemüht.

(Zurufe von der SPD: So! So! — Bemühen Sie sich heute? — Immer eingeschnappt!)

Die Situation war folgende: ich darf sie noch einmal in Ihre Erinnerung zurückrufen, da von verschiedenen Seiten auch die Historie der letzten Jahre angesprochen worden ist. Wir standen damals in der Beratung des Straßenverkehrssicherheitsgesetzes, mit dem bekanntlich der zweite Anhänger verboten werden sollte und mit dem eine Reihe von anderen, für die Beschränkung des Verkehrs auf der Straße sehr wichtigen Maßnahmen von dem Hohen Hause zu beschließen war. In den Vorbereitungen hatte ich den Weg beschritten, den der Herr Abgeordnete Rademacher auch heute empfiehlt. Ich hatte nämlich damals mit den interessierten Kreisen eine Absprache getroffen und eine Einigung erzielt, auf welcher Ebene die verschiedenen Gruppen einverstanden sein würden, das Verbot des zweiten und dritten Anhängers entgegenzunehmen. Diese Einigung lag dann auch dem Ausschuß für Verkehrswesen vor. Das, was Herr Rademacher heute anstrebt, war damals auch geschehen. Wir hatten uns nämlich damals mit den ganzen interessierten Kreisen des Kraftverkehrs, des Güterverkehrs und der verladenden Wirtschaft darauf geeinigt, daß bei einem Verbot des zweiten
Anhängers die Verkürzung der Lastzuglänge nur auf 20 m erfolgen solle.

(Zuruf von der SPD: 18 m!)

— Auf 20 m war die Einigung in diesem Kreise erfolgt! Sie werden verstehen, daß ich mich an die Zusage, die ich diesem Kreise gegeben habe, natürlich gehalten und sie entsprechend loyal vertreten habe, obwohl ich damals mit den Herrschaften einen Kompromiß abgeschlossen hatte, denn ich wollte 18 m. Ich habe nur deshalb den 20 m zugestimmt, weil damit der Widerstand gegen das Verbot des zweiten und dritten Anhängers überwunden werden konnte. Das sind die Tatsachen. Im Zuge dieser Verhandlungen kam dann überraschend für uns alle der Antrag des verstorbenen Kollegen Freiherr von Rechenberg. Ich habe diesem Antrag damals gemeinsam mit den Herren Kollegen Rademacher und Dr. Wellhausen widersprochen. Ich habe dann in der Veranstaltung in Bremen genau das erklärt, worauf ich vorhin Bezug genommen habe, nämlich, daß ich mich an die Zusage gebunden halten werde, daß eine weitere Verminderung der Zuglänge im Rahmen dieses Gesetzes und zu dieser Zeit nicht stattfinden solle. Ich habe mich also loyal an eine Abmachung gehalten, die damals getroffen worden war.
Es ist natürlich immer eine mißliche Sache, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß ein Mensch zu einem Problem, das sich so stark in der Entwicklung befindet wie der Verkehr, nicht mehrmals — vielleicht sogar nicht einmal — seine Auffassung wechseln dürfe. Bessere Erkenntnise sind doch die Feinde der guten Vorsätze, die man gehabt hat. Ich glaube, daß nichts dagegen zu sagen ist, daß die besseren Erkenntnisse, die in den letzten Jahren im wesentlichen auch deshalb erarbeitet worden sind, weil meine Mitarbeiter und ich den Wunsch gehabt haben, zu solchen Erkenntnissen durchzustoßen, unseren weiteren Überlegungen zugrunde gelegt worden sind.
Ich habe 1952 in München gesagt — da hat der Herr Abgeordnete Müller-Hermann nicht so ganz klar zitiert —, daß ein Verkehrsträger das in den für seinen Ablauf notwendigen Wegen investierte Kapital nicht durch den Betrieb amortisieren und verzinsen könne. Das ist etwas ganz anderes als das, was gemeint ist, wenn man heute von den Wegekosten spricht und die Frage aufwirft, ob und in welchem Umfang innerhalb der Wegekosten auch die Verzinsung des Kapitals mit anzulasten ist.
Heute früh habe ich mich bemüht, Ihnen die Ergebnisse des Gutachtens vorzutragen, das mir zugegangen ist. Sie erkennen aber doch daraus, daß wir vorschlagen, nicht die vollen Wegekosten, sondern nur einen verhältnismäßig geringen Bruchteil davon im Wege von zusätzlichen steuerlichen Abgaben dem Straßenverkehr anzulasten, während wir andererseits zum Ausgleich der nicht voll angelasteten Wegekosten und zur Ersparnis von zusätzlichen in Zukunft entstehenden Wegekosten das Straßenentlastungsgesetz eingebracht haben, Sie erkennen doch daraus, daß wir in der Frage der Wegekosten durchaus nicht hundertprozentig den Auffassungen und Vorschlägen der Herren Professoren im wissenschaftlichen Beirat gefolgt sind.
Es ist heute schon so viel zitiert worden, und ich bin nur überrascht, daß gewisse Zitate aus meinen Reden in den Reden der verschiedensten Herren in Wirtschaftsverbänden und hier im Hause und


(Bundesminister Dr. Seebohm)

wo sonst immer in gleicher Form wiederkehren, so daß man manchmal glauben könnte, es wäre einer angesetzt worden, um alle diese Reden auf die entsprechenden Stellen durchzusehen und sie dann einem größeren Kreis von „Verbrauchern" zur Verfügung zu stellen.

(Heiterkeit in der Mitte.)

Nachdem so viel zitiert worden ist, darf ich erwähnen, daß ich in einem Vortrag anläßlich eines Herrenabends des „Verbandes der Deutschen Automobilindustrie" im Jahre 1953 folgenden Satz gesagt habe: „Hingegen halte ich es für durchaus berechtigt, die einzelnen Verkehrsmittel mit den Kosten der Fahrbahn zu belasten. Das muß aber von Fall zu Fall sorgfältig geprüft werden." Sie sehen also, daß ich mich von 1952 auf 1953 und nicht erst auf 1954 geändert habe. Dabei darf ich bemerken, daß dieser Vortrag in einer Zeit gehalten worden ist, als die alte Bundesregierung noch bestanden hat und wir noch keine Wahlen und keine ihr folgende Regierungsneubildung gehabt haben.
Sodann ist darauf hingewiesen worden, daß die Frage der Zonengrenzgebiete besonders berücksichtigt werden müsse. Ich bin immer dafür dankbar, wenn das Problem der Zonenrandgebiete herausgestellt wird. Ich darf aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, daran erinnern, daß ich diesem Gebiet wohl mehr verbunden bin als verschiedene Herren, die heute darauf angesprochen haben. Ich habe seit 1945, als ich in dieses Gebiet verschlagen worden bin, dort gearbeitet und mich immer sehr für diesen Raum eingesetzt. Auch darf ich daran erinnern, daß die erste große Denkschrift über die Zonenrandgebiete auf meine Veranlassung ausgearbeitet und 1950 den Mitgliedern des ersten Bundestags vorgelegt worden ist. Ich glaube also, daß ich bei all diesen Überlegungen, die wir anstellen, immer diese Frage sehr intensiv berücksichtige und deswegen nicht noch besonders dazu angehalten werden muß. Nach meiner Ansicht ist mit den Sonderbestimmungen im Straßenentlastungsgesetz eine genügende Berücksichtigung der Zonengrenzgebiete ermöglicht, um eine bessere Situation herbeizuführen, als wir sie bisher dort gehabt haben.
Der Herr Abgeordnete Schmidt hat sich wieder mit der Frage der Beschaffung der Unterlagen, in diesem Fall für die Selbstkosten, beschäftigt. Ich habe schon in meiner Rede im Februar dieses Jahres das Hohe Haus darauf aufmerksam gemacht, daß es nicht die Aufgabe des Selbstkostenausschusses gewesen ist, die Selbstkosten zu erarbeiten, sondern daß er überhaupt erst die Grund- lagen für eine Selbstkostenberechnung im Verkehr feststellen und eine Systematik erarbeiten sollte, die es ermöglicht, zu vergleichbaren Selbstkosten nach Kostenarten und Kostenstellen zu kommen. Diese Systematik ist nun, nachdem sie erarbeitet worden ist, Ende letzten Jahres zur Durchführung der Deutschen Revisions- und Treuhandgesellschaft übergeben worden. Die Deutsche Revisions- und Treuhandgesellschaft hat in den ersten Monaten dieses Jahres einmal probiert, ob sie mit dieser Systematik auskommt. Im ersten Bericht, den sie uns gegeben hat und der am 1. Juli im Selbstkostenausschuß mit den Herren der Revisions- und Treuhandgesellschaft eingehend erörtert worden ist, hat sich gezeigt, daß diese Systematik brauchbar ist und daß wir also in der zurückliegenden Zeit eine sehr schwierige Aufgabe — hoffentlich mit Erfolg — gelöst haben. Es war aber keineswegs zu erwarten, daß der Selbstkostenausschuß dazu kommen könne, diese Selbstkosten tatsächlich zu ermitteln. Die Treuarbeit hat in ihrem Bericht nur festgestellt, daß sie zwar von der Binnenschifffahrt und von der Eisenbahn entsprechende Unterlagen bekommen könne, aber nicht vom Straßenverkehr, weil dort vielfach das Hauptbuch in der Westentasche transportiert wird.
In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal auf die Frage der Schaffung eines RKB eingehen. Ich darf daran erinnern, daß wir uns anläßlich der Beratung des Güterkraftverkehrsgesetzes, und zwar wegen des Initiativgesetzentwufs des Bundesrats, ausgehend vom Lande Nordrhein-Westfalen, sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt haben. Die Gründe, die damals dazu geführt haben, keinen neuen RKB zu schaffen, waren folgende: Wir waren übereinstimmend der Meinung, daß ein derartiger Verband Zwangscharakter haben müsse, d. h. daß ihm die Unternehmer nur kraft Gesetzes angehören könnten. Damals wurde es als sehr fraglich angesehen, ob ein solcher Zwangsverband mit den auch heute noch geltenden Dekartellisierungsbestimmungen der Besatzungsmächte, mit dem Grundgesetz — insbesondere mit Art. 12 — und mit den übrigen Grundsätzen der gesamten Wirtschaftspolitik der Regierung übereinstimme. Wir haben in der Zwischenzeit z. B. auf dem Gebiet des Binnenschiffahrtsgesetzes, das gebe ich Ihnen gern zu, in dieser Richtung durchaus gewisse Fortschritte gemacht und dabei manche Bedenken, die 1950 und 1951 noch erhoben worden sind, überwunden. Wir haben aber aus denselben Gründen, wie sie soeben der Herr Abgeordnete Rademacher vorgetragen hat — aus Gründen unserer gesamten Grundsatz-Auffassungen —, die Sorge gehabt, daß eine solche Maßnahme leicht zu einer Zusammenfassung — ich will mich vorsichtig ausdrücken, um dem Herrn Abgeordneten Schmidt nicht zu nahe zu treten — des Straßen-, Eisenbahn- und Binnenschiffahrtsverkehrs in einer staatlichen Gesellschaft führen könne.

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Das ist doch niemals vorgetragen worden!)

— W i r waren damals dieser Meinung, w i r haben damals die Sorge gehabt, Herr Schmidt!

(Abg. Schmidt [Hamburg]: Herr Minister, das ist doch eine Verdrehung! Ich habe niemals gesagt: alles in eine staatliche Hand! Lesen Sie doch die Protokolle vom Februar! Warum setzten Sie sich nicht sachlich auseinander?)

— Verzeihen Sie, ich habe Ihnen das ja gar nicht unterstellt. Ich habe gesagt: damals hatten wir die Sorge, daß eine solche Regelung dazu führen könne. Damals waren Sie noch gar nicht im Bundestag; infolgedessen habe ich mich auch jetzt auf Ihre Ausführungen vom Februar gar nicht bezogen.
Wir haben weiter damals die Auffassung gehabt
— und das war eigentlich das Entscheidende —, daß man in einem neuen Reichskraftwagenbetriebsverband nur die Unternehmer des gewerblichen Güterfernverkehrs zusammenschließen könne, nicht aber den Werkverkehr. Wir haben schon damals die Auffassung vertreten, daß wir eine Regelung suchen müssen, die eine Einbeziehung des Werkfernverkehrs in eine Odnung für den Güterfernverkehr auf der Straße möglich


(Bundesminister Dr. Seebohm)

macht, und daß darauf nicht verzichtet werden kann. Deswegen ist damals der Beschluß gefaßt worden, an Stelle eines neuen RKB die Bundesanstalt zu wählen.
Ich darf immer wieder darauf hinweisen, daß bei den Überlegungen der Bundesregierung sowohl für das Straßenentlastungsgesetz wie für die anderen Gesetze die Erkenntnis von entscheidender Bedeutung war, daß man diesen Problemen nicht mit tarifarischen oder steuerlichen Mitteln allem beikommen könne, solange man nicht den Werkverkehr in ganz bestimmter Form und in ganz bestimmter Weise angebunden habe.
Der Herr Abgeordnete Rademacher hat sich auch zu den Mitteln geäußert, die der Bundesbahn aus dem Etat zugeführt werden. Ich darf daran erinnern, daß die Entscheidung darüber in jener unter seinem Vorsitz abgehaltenen Ausschußsitzung gefallen ist, als es dem Herrn Bundesminister der Finanzen gelang, die jetzige Form des § 4 Abs. 2 des Bundesbahngesetzes im Ausschuß durchzusetzen. Die Herren, die damals mitgearbeitet haben, wissen, daß ich mich sehr gegen diese Regelung gewendet habe. Ich habe es bedauert, daß die Entscheidung damals in diesem Sinne gefallen ist.
Hierzu möchte ich noch folgendes erklären: Wenn Herr Rademacher sagt, daß er sich zunächst für den Generaldirektor entschlossen und später doch den vierköpfigen Vorstand gewählt habe, weil er das habe tun müssen, so wundert mich das sehr. Denn wir alle haben doch in der letzten Abstimmung über diese Fragen nur eines gemußt, nämlich unserem besten Wissen und Gewissen folgen. Dann muß also auch das Wissen und Gewissen des Herrn Rademacher in dieser Richtung geschlagen haben, und man kann das jetzt nicht wieder zurückdrehen.
Herr Rademacher hat erklärt, daß das Straßenentlastungsgesetz nicht genügend wirken werde und daß es weder die Straße entlasten noch Mittel für die Bundesbahn aufbringen werde. Ich darf dazu noch einmal sagen: das Straßenentlastungsgesetz ist niemals erdacht und vorgeschlagen worden, um für die Bundesbahn zusätzliche Einnahmen zu schaffen, sondern zu dem Zweck, daß jene Verkehre, die aus volkswirtschaftlichen und sozialen Gründen auf der Straße nicht mehr sein können und dürfen, weil die Entwicklung uns gezeigt hat, daß die uns dadurch entstehenden Straßenkosten von der Gesamtheit nicht getragen werden können, von den Verkehrsträgern übernommen werden, die in der Lage sind, sie ohne zusätzliche Investitionen und ohne Erweiterung ihres Wegenetzes aufzunehmen.
Herr Rademacher hat gesagt, es sei zu diesem Zweck bei der Bundesbahn neues Waggonmaterial nötig und die Ausgaben für die Modernisierung würden dadurch geschmälert. Ich muß dem widersprechen. Ich weiß nicht, ob Herr Rademacher an der betreffenden Sitzung teilgenommen hat, aber jedenfalls ist er Mitglied des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn. Ich habe in der betreffenden Sitzung des Verwaltungsrates der Deutschen Bundesbahn in Hannover meine Frage klar und eindeutig an Vorstand und Verwaltungsrat gerichtet. Vorstand und Verwaltungsrat haben erklärt, daß sie ohne zusätzliche Investitionen in der Lage sind, diese Mengen aufzunehmen, von denen sich die Bundesbahn einen Mehrgewinn von 70 Millionen DM — von dem also nicht zusätzliche Kosten abgehen — verspricht. Unsere Zahlen liegen noch etwas günstiger. Aber das war gar nicht der springende Punkt. Vielmehr war der springende Punkt, daß wir um der Straße willen die Straßenentlastung erreichen müssen, nicht um der Eisenbahn willen. Daß wir dabei den Effekt haben, daß der Eisenbahn neuer Verkehr zugeführt wird, der auch ständig bei ihr verbleiben wird, das ist nur eine Nebenwirkung, allerdings eine erfreuliche. Und warum soll man nicht auch mal erfreuliche Nebenwirkungen, an die man zuerst nicht gedacht hat, hinterher entsprechend herausstellen?
Die Entlastung der Straße ist für uns eine sehr ernste Frage. Wir sind eben nicht in der Lage, den Ausbau der Straßen so vorzunehmen, wie es den Wunschträumen der verschiedenen Leute entspricht. Wenn ich mich, wie Herr Rademacher gesagt hat, von dem Herrn Bundesfinanzminister habe bestimmen lassen, von 1100 km Autobahn bis auf 569 km zurückzugehen, so habe ich heute sehr eindeutig ausgeführt, welches der Grund dafür gewesen ist. Der Grund ist der, daß für diese 569 km die Finanzierung sicher ist, daß aber für eine weitere Finanzierung die Mittel nicht vorhanden sind. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß es uns, wenn wir die Finanzierungsgesellschaft haben, möglich sein wird, revolvierend größere Mittel zu gewinnen. Ich bin aber nicht der Meinung, daß man sich von vornherein mit Programmen abgeben oder sie gar propagieren sollte, von denen man nicht mit Sicherheit weiß, daß sie finanziert werden können. Das darf gerade ein Minister nicht tun. Er sollte weiter in die Zukunft voraussehen, wie es vorhin hier schon eindeutig gesagt wurde.
Wenn diese 70 Millionen DM mehr Betriebsüberschuß anfallen, gleichgültig, wie hoch immer das Defizit der Bundesbahn ist — 70 Millionen DM sind doch mehr, als mancher Mensch hat —, dann ist das doch immerhin ein gewisser Erfolg. Herr Rademacher hat in diesem Zusammenhang gesagt, es sei bedauerlich, daß die bahnamtlichen Rollfuhrunternehmer in Schwierigkeiten kämen. Das Objekt, den bahnamtlichen Rollfuhrunternehmern diese Schwierigkeiten abzunehmen, beträgt etwa 2 Millionen DM im Jahr. Das ist also offenbar für ihn ein sehr großes Objekt, während auf der anderen Seite das Objekt der 70 Millionen DM ihm nicht erwägenswert erscheint. Ich bin in meiner Sorge für die Bundesbahn doch so bedrückt, daß ich diese 70 Millionen sehr gern entgegennehme.
Der Herr Abgeordnete Müller -Hermann hat ein Schreiben des Landkreistages zitiert, aber leider nicht den Teil, der mir besonders wichtig ist. Der Landkreistag kommt nämlich zu folgendem Ergebnis.

(Abg. Müller-Hermann: Kennen Sie das Schreiben, das er mir geschickt hat?)

— Ich kann Ihnen das nicht sagen. Ich habe hier das Rundschreiben, in dem es heißt:
An Sofortmaßnahmen gegen Verkehrsunfälle, und um den straßenmordenden Raubbau abzustellen, sind zu verlangen:
a) die Abmessungen und Gewichte der Kraftfahrzeuge, insbesondere der Lastkraftwagen, herabzusetzen; Anhänger sollen nur ausnahmsweise erlaubt werden.
„Sofortmaßnahmen" bedeutet ja: kurzfristig, und ich bin unbedingt der Auffassung: wenn es nicht gelingt, durch das Straßenentlastungsgesetz die Ergebnisse zu erzielen, die wir uns erhoffen, dann werden wir dieser Forderung des Landkreistages mit aller Beschleunigung entsprechen müssen, und


(Bundesminister Dr. Seebohm)

dann entfällt eben bei uns der Anhänger für den zukünftigen Verkehr auf der Straße ebenso, wie das in anderen Ländern schon jetzt der Fall ist. Ich habe mit Rücksicht auf die Stimmung und auf die Äußerungen, die zum Straßenentlastungsgesetz gemacht worden sind, und, wie ich schon sagte, in Vereinbarung mit unseren Nachbarstaaten schon die entsprechenden Anweisungen gegeben, um für die auch von Herrn Abgeordneten Schmidt gegebene Anregung, zu einem beschleunigten Verbot des Anhängers zu schreiten, die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.

(Abg. Müller-Hermann: Aber nicht ohne den Verkehrsausschuß, Herr Minister!)

— Verzeihen Sie gütigst, „die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen schaffen" bedeutet doch im Rahmen der Arbeit eines Ministeriums, daß man sich mit der Frage beschäftigt, wie dieses Problem, falls es angefaßt werden muß, gesetzestechnisch oder sonstwie gelöst werden kann. Das sind Überlegungen, aber sie führen natürlich zu Ergebnissen, die sich aus der Entwicklung dieser Sache ergeben werden.
Der Landkreistag hat in Ziffer 14 seines Rundschreibens mit Recht gesagt:
Bei alledem gibt es heute mehr denn je nur
ein klares Entweder-Oder: die Straße dem Verkehr sofort anpassen, oder aber der Verkehr
muß zunächst das Maß einhalten, das die Erhaltung und der Ausbau der Straßen noch ermöglichen. Wir hoffen, daß das Gleichgewicht
bald zu erreichen ist, damit jetzt notwendige
Beschränkungen gelockert werden können.
Ich hoffe, daß wir dieses Gleichgewicht mit Hilfe der vorgeschlagenen Gesamtmaßnahmen erreichen können, und darf nochmals darum bitten, daß man die einzelnen Fragen nicht isoliert, sondern in ihrem Zusammenhang sieht, und daß man auch versteht, daß die Bundesregierung ebenso wie der Bundesrat ganz eindeutig gesagt haben: Die notwendigen tarifpolitischen Maßnahmen lassen sich erst aufbauen und gestalten, wenn wir wissen, ob diese gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, insbesondere ob die Steuersätze des Verkehrsfinanzgesetzes und ob die Maßnahmen, die im Straßenentlastungsgesetz vorgeschlagen sind, die Zustimmung des Hohen Hauses finden werden. Dann erst kann man daraus die entsprechenden Konsequenzen ziehen.
Wenn wir einen Sachverständigenausschuß aus Männern der Wirtschaft zusammengerufen haben, damit sie unter sich das Gutachten beraten, das die Männer der Wissenschaft über die Tarifreform ausgearbeitet haben, so halte ich das, verehrter Herr Schmidt, nicht für einen so falschen Weg, sondern ich halte es für eine richtige Vorklärung der Angelegenheit. Wenn die Herren meinen, sehr viel Zeit dazu zu beanspruchen, so glaube ich doch, daß mit ihrer sofort gegebenen Mitteilung, sie würden für den Fall, daß diese Gesetze in absehbarer Zeit in Kraft treten, ihre Vorschläge sehr schnell konkretisieren, doch etwas zu erreichen ist. Ich möchte damit eben gerade vermeiden, daß die Konzeption, die für diese Frage vorhanden ist und die auch schon eingehend durchgearbeitet ist, nur mit den Verbänden und ihren Geschäftsführern durchgeprüft wird und man wieder zu keiner Einigung kommt. Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß vielleicht der eine oder andere der Herren, die diesem Ausschuß angehören, sich nicht ständig nur mit Tariffragen beschäftigt hat. Das haben aber sehr viele Menschen nicht getan, die über die Tarife sprechen, und andrerseits haben diese Herren doch manche andere gewichtige Erfahrungen. Ich glaube, daß auch die Erfahrungen des Speditionsgewerbes dabei zu berücksichtigen sind. Herr Rademacher hat uns ja eben gesagt, daß die Spediteure die Krone des Verkehrsgewerbes sind; und da Herr Rademacher der Vertreter. oder mindestens der erste Vertreter der Spediteure im Bundestag ist, können wir ihn wohl in Zukunft als „König Rademacher" freundlich begrüßen.

(Heiterkeit und Beifall.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203802600
Das Wort hat der Abgeordnete Donhauser.

Anton Donhauser (CSU):
Rede ID: ID0203802700
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Zunächst habe ich etwas nachzuholen, was mein Kollege Müller-Hermann versäumt hat. Ich stelle in aller Form im Namen meines Kollegen Müller-Hermann und der Mitunterzeichner seiner Initiativanträge den Antrag auf Überweisung dieser Anträge in den Verkehrsausschuß und in den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.
Ich habe jetzt, nach dieser vielstündigen Debatte, sicherlich nicht mehr die Absicht, noch einmal ein langes, grundlegendes Referat über verkehrspolitische Grundsätze zu halten. Ich habe nur die Absicht, noch einige ergänzende Bemerkungen anzubringen, von denen ich glaube, daß sie noch gemacht werden müssen, wenn die Gesamtdebatte abgerundet werden soll. Allerdings bin ich gezwungen, diese Bemerkungen mit einer Binsenwahrheit einzuleiten. Binsenwahrheiten müssen manchmalausgesprochen werden, wenn man verhindern will, daß man, entweder absichtlich oder auch unabsichtlich, mißverstanden wird.
Eine Binsenwahrheit ist es, wenn wir hier feststellen, daß für den Deutschen Bundestag, für die gewählten Abgeordneten des deutschen Volkes bei der Verkehrsdebatte nicht in erster Linie ,das Interesse der Bundesbahn oder des Kraftfahrgewerbes im Mittelpunkt der Überlegungen stehen darf, sondern daß in ihrem Mittelpunkt die Frage stehen muß: Wie wirken sich diese Gesetze, wie wirken sich die beabsichtigten Maßnahmen für die gesamte Volkswirtschaft, vor allem aber für die verladende Wirtschaft und letzten Endes für den Verbraucher aus?

(Abg. Stücklen: Sehr richtig!)

Wenn man nämlich aufmerksam die ganzen bisherigen Reden verfolgt hat, könnte man fast den Eindruck gewinnen, als ob wir Verkehr um des Verkehrs willen trieben, als ob es zunächst um Bundesbahn und Kraftverkehr gehe; und das ist doch sicher nicht so.
Man kann selbstverständlich ,die zur Rede stehenden Probleme nach dem klassischen Vorbild so lösen, wie man seinerzeit den Gordischen Knoten „gelöst" hat, indem man einfach diesen Knoten durchschlägt, durchschlägt mit einem Polizeiknüppel. Man kann aber die zur Debatte stehenden Probleme auch lösen, indem man mühevoll, logisch, von einem Ende beginnend die ganze Problematik aufrollt und so den Knoten langsam entwirrt. Wir sind der Meinung, daß die Möglichkeit dazu sehr wohl besteht. Allerdings braucht man hierfür zunächst einmal die notwendigen theoretischen Grundlagen. Wir bedauern es, daß sie uns bis zum heutigen Tage immer noch nicht zugänglich ge-


(Donhauser)

macht worden sind. Wir bedauern, daß man uns die Selbstkosten der Bundesbahn immer noch nicht auf den Tisch gelegt hat und daß man auch die Wegekosten für die Kraftfahrzeugwirtschaft erst in allerletzter Zeit aufgezeigt hat. Diese beiden wesentlichen Voraussetzungen muß man kennen, wenn man die zwei Gesetze, die die Regierung eingebracht hat, beurteilen will.
Die Bundesregierung hat zwei Gesetze vorgelegt, von denen meine politischen Freunde und ich der Meinung sind, daß sie so, wie sie eingebracht worden sind, zunächst nichts anderes als Stückwerk sind.

(Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

Allein das war für uns der zwingende Grund, uns unterstützend den Initiativanträgen 'des Kollegen Müller-Hermann anzuschließen. Denn er hat immerhin als erster so etwas Ähnliches wie eine logische Gesamtkonzeption aufgezeigt. Wir nehmen gern zur Kenntnis, daß die Bundesregierung nun auch eine logische Gesamtkonzeption hat. Ich will im Augenblick diese Gesamtkonzeption gar nicht kritisch würdigen. Nachdem sie uns erst heu te früh um 9 Uhr auf den Tisch des Hauses. gelegt worden ist, darf sich die Bundesregierung nicht wundern, wenn ein ganz erheblicher Teil 'der Regierungskoalition das Versäumnis festgestellt hat und selber initiativ geworden ist.
Wir sind der Meinung, 'daß, ausgehend von den genannten theoretischen Grundlagen, die notwendig sind, zunächst einmal die Sanierung der Bundesbahn in Angriff genommen werden müßte. Man muß — und 'darum kommen wir keinesfalls herum, auch wenn sich der Herr Bundesfinanzminister bis jetzt begreiflicherweise noch so sehr sträubt — der Bundesbahn die politischen und betriebsfremden Lasten auf jeden Fall abnehmen. Man muß ihr darüber hinaus noch in erheblichem Umfange ausreichende Kredite zur Modernisierung und Rationalisierung zur Verfügung stellen. Man muß aber noch mehr tun. Man muß vor allem auf Grund der zu erarbeitenden theoretischen Grundlagen, nämlich der Selbstkostenermittlung der Bundesbahn, auch einmal zahlenmäßig ganz klar feststellen, wie groß eigentlich die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Bundesbahn sind. Man wird wahrscheinlich auch hier niemals über völlig unumstrittene Werte verfügen können; aber die Größenordnungen müssen annähernd bekanntgemacht werden. Und mehr noch: wir müssen auch einmal wissen, wie groß die Leistungen 'der Bundesbahn auf dem Gebiete der Sozialtarife sind. Diese beiden Forderungen stellen wir nicht nur auf, weil wir das theoretische Zahlenbild für unsere Arbeit geschlossen vor uns sehen wollen. Wir stellen diese Forderungen vor allem auch im Interesse von Hunderttausenden von Eisenbahnern auf. Es ist doch weiß Gott für Hunderttausende von Arbeitern, Angestellten und Beamten der Deutschen Bundesbahn ein sehr niederdrückendes Gefühl, wenn sie immer und immer wieder in den Zeitungen und anderen Publikationsorganen lesen müssen, daß trotz ihrer ungeheuren Hingabebereitschaft an ihre Bahn, an ihren Beruf die Bundesbahn sanierungsbedürftig ist, kräftiger gesagt, ein Pleiteunternehmen ist. In Wahrheit ist sie es nämlich gar nicht. Sie ist es gar nicht, wenn man die gemeinwirtschaftlichen Leistungen und vor allem die Leistungen auf dem Gebiete der Sozialtarife einmal klar herausstellt. Ich glaube, daß wir diese Arbeit auch im Interesse von Hunderttausenden von Eisenbahnern leisten müssen und, wenn wir sie mangels nötiger Unterlagen nicht leisten können, dem Bundesverkehrsminister und der Hauptverwaltung der Bundesbahn abtrotzen müssen.
Die Hauptverwaltung der Bundesbahn würde an dieser Stelle einwenden: Ach was, was wir brauchen, ist nicht sosehr die Befreiung von den politischen und betriebsfremden Lasten, sind nicht einmal in erster Linie ausreichende Kreditmittel, sondern wir brauchen einfach mehr Verkehr, und dann helfen wir uns schon selber. Dieser Satz „Die Bahn braucht mehr Verkehr" ist mehrfach von Mitgliedern des vierköpfigen Direktoriums der Bundesbahnausgesprochen worden. Gemach, meine Herren von der Hauptverwaltung der Bundesbahn! Sie bekommen mehr Verkehr, wenn nämlich 'das Verkehrsfinanzgesetz, gleichgültig ob in der Form meines Freundes Müller-Hermann oder in der Form des Regierungsentwurfs, Wirklichkeit wird. Wenn dieses Verkehrsfinanzgesetz angenommen wird, werden Sie automatisch eine solche Menge zusätzlichen Verkehrs bekommen, daß Sie ihn wahrscheinlich nicht einmal völlig reibungslos bewältigen können. Ich werde im weiteren Verlauf meiner Ausführungen versuchen, Ihnen das noch zu beweisen.
Bevor ich aber das Kapitel der Bahn abschließe, darf ich die verehrten Vorredner noch etwas ergänzen. Man hat heute mehrfach von den nicht bundeseigenen Eisenbahnen gesprochen. Ich möchte hier noch einmal die besondere volkswirtschaftliche, aber auch soziale Bedeutung der nicht bundeseigenen Eisenbahnen kräftig unterstreichen. Ich muß allerdings beklagen, daß durch die bisherige deutsche Verkehrspolitik sowohl die nicht bundeseigenen Eisenbahnen als auch die übrigen nicht bundeseigenen Verkehrsträger recht spärlich bedacht worden sind. Man hat heute schon einmal in ironisierender Weise den Bundesverkehrsminister einen schlechten Vater genannt. Ich möchte meinen, er ist zwar nicht so recht Verkehrsminister, er ist vielmehr ein ausgezeichneter Minister für bundeseigene Verkehrsmittel und ein Bundesstiefvater für nicht bundeseigene Verkehrsmittel. Aber wir haben ja heute aus seinem Munde vernommen, daß das in Zukunft anders wird. Allerdings ist es bis jetzt leider nur ein Versprechen. Wir hätten doch recht gern gesehen, daß im Verkehrsfinanzgesetz die nicht bundeseigenen Verkehrsträger, nicht nur die nicht bundeseigenen Eisenbahnen, sondern vor allem auch die Länder, die Kreise und die Gemeinden, ein gesetzlich begründetes Recht bekommen, von dem zu erwartenden Mehraufkommen etwas für ihre Verkehrsbedürfnisse zu erhalten.
Das Verkehrsfinanzgesetz findet grundsätzlich die Zustimmung meiner politischen Freunde. Ich sage, es findet grundsätzlich unsere Zustimmung; denn das geschätzte Finanzaufkommen nach den Entwürfen meines Freundes Müller-Hermann wird annähernd 350 Millionen DM umfassen. Dasselbe gilt für die Vorlage der Bundesregierung. Wir sind uns darüber einig — und das klang auch heute durch alle Reden hindurch, von links bis ganz nach rechts hinüber —, daß neue große Belastungen für den Straßenverkehr einfach nicht vermieden werden können. Ich glaube — und da befinde ich mich in voller Übereinstimmung mit dem Bundesfinanzminister und dem Bundesverkehrsminister —, daß 350 Millionen DM sicherlich das Mindeste sind, was man zusätzlich der Straße, der Kraftverkehrswirtschaft zumuten muß.


(Donhauser)

Wir sind allerdings auch der Meinung, daß mit diesem Verkehrsfinanzgesetz allein, sei es nun nach den Modifikationen des Regierungsentwurfs oder nach den Vorschlägen meines Kollegen Müller-Hermann, finanzpolitisch noch lange nicht alles getan ist. Die zweite große ergänzende Maßnahme zur Sanierung der Bundesbahn sowohl als auch zur Aufbringung der notwendigen Mittel für die Intensivierung unseres Straßenbaus sind tarifpolitische Maßnahmen. Hier bedauern wir ebenso wie die anderen Redner der heutigen Debatte sehr, daß uns die Grundzüge der kommenden Tarifpolitik nicht bekannt sind. Es ist furchtbar schwer, ich möchte fast sagen, nahezu unmöglich, die beiden Regierungsvorlagen zu verabschieden, ohne zu wissen, wohin die Reise auf tarifpolitischem Gebiet in Zukunft gehen soll.
Bevor ich zur Detailerörterung schreite, lassen Sie mich noch einiges Grundsätzliches zum Straßenentlastungsgesetz sagen. Dieses Gesetz ist ja in der heutigen Debatte der eigentliche Stein des Anstoßes. Meine politischen Freunde und ich meinen, daß nach Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes ein Straßenentlastungsgesetz wohl kaum mehr notwendig ist; denn das Verkehrsfinanzgesetz wird nach unseren Schätzungen und wahrscheinlich auch nach den Schätzungen der Bundesregierung annähernd eine halbe Milliarde D-Mark Verkehrseinnahmen auf die Bahn hinüber verlagern. Das bedeutet eine so nachdrückliche Entlastung der Straße, daß dann Polizeivorschriften und Verbote nicht mehr notwendig sind. Sollten wir uns aber doch getäuscht haben — und wir sind allzumal Menschen —, dann müßte nach unserer Meinung ein Straßenentlastungsgesetz ausschließlich zum Zwecke der Sicherheit auf der Straße geschaffen werden, nicht aber, um damit hintenherum auch noch Verkehrs- oder gar Wirtschaftspolitik zu machen. Im besonderen sind wir aber der Meinung, daß das Straßenentlastungsgesetz unter gar keinen Umständen zu einer Verschiebung der Wettbewerbsverhältnisse innerhalb unserer Wirtschaft beitragen darf. Wenn das Straßenentlastungsgesetz nach dem Inkrafttreten des Verkehrsfinanzgesetzes und dessen wirklich bedeutenden Auswirkungen noch notwendig sein sollte, dann muß es sich nur auf Sicherheitsvorschriften beschränken. Angesichts des ungeheuren Blutzolls, der dem deutschen Volk Tag für Tag auf den Straßen abgefordert wird, ist sogar — weiß Gott! — eine Ergänzung durch scharfe Sicherheitsvorschriften notwendig. Diese Ergänzung muß unter allen Umständen sogar ziemlich rigoros durchgeführt werden. Sie muß sich aber auf technische Bestimmungen beschränken, auf Lichtraumprofile, auf Zuglänge, auf Ladelänge, auf das Gesamtgewicht, auf Geschwindigkeitsbegrenzungen nach unten und oben, auf allgemeine Normen für die Belastungsfähigkeit unserer Straßen und Brücken, unter Umständen auch auf zwingende Überholvorschriften oder Überholverbote.
Meine Damen und Herren, ein Straßenentlastungsgesetz, das außer seinem eigentlichen Zweck noch Wirtschaftspolitik betreibt, wird von meinen politischen Freunden und von mir ganz radikal und entschieden abgelehnt werden.

(Beifall bei der CSU.)

Ich will versuchen, sowohl zum Verkehrsfinanzgesetz als auch zum Straßenentlastungsgesetz einige kurze Beispiele zu bringen. Unserer Debatte kann es nur dienlich sein, und sie wird gegenständlicher, wenn wir das, was wir meinen, mit praktischen Beispielen unterbauen. Das Verkehrsfinanzgesetz wird, nach dem Entwurf Müller-Hermann oder nach dem Regierungsentwurf, auf jeden Fall mit 345 oder 350 Millionen DM Mehraufkommen Wirklichkeit werden.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203802800
Herr Abgeordneter, darf ich einen Moment unterbrechen. Ich muß bekanntgeben, daß die Sitzung des Ausschusses für Beamtenrecht um 17 Uhr nicht stattfinden soll.
Bitte, Herr Abgeordneter!

Anton Donhauser (CSU):
Rede ID: ID0203802900
Es fragt sich nur noch, ob man nicht gewisse Bestimmungen des Verkehrsfinanzgesetzes, vor allem im Hinblick auf sonstige sozial- und wirtschaftspolitische Absichten, revidieren muß. Was hat es denn beispielsweise für einen Sinn, daß sich viele unserer verehrten Kollegen viele Stunden lang abquälen, um ein Paritätsgesetz für die Landwirtschaft zu schaffen, wenn die Früchte ihrer Arbeit gleichzeitig mit einem einzigen Federstrich im Bundesfinanzministerium — durch eben dies Verkehrsfinanzgesetz — wiederum über den Haufen geworfen werden?

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Hierzu ein praktisches Beispiel. Nehmen Sie mal ein Obstanbaugebiet, ein Kirschenanbaugebiet an der Wasserkante oben im Norddeutschen, im Alten Land. 50 % der dortigen Erzeugung werden erfahrungsgemäß mit Lkw. im Werkverkehr nach München geliefert, 50 % der Erzeugung! Dieser Transport mit einem 10-t-Lkw. kostet 86 DM. Künftig wird er 430 DM kosten,

(Hört! Hört! in der Mitte)

zuzüglich sieben Pfennig pro Liter Kraftstoff für die Erhöhung der Dieselpreise. Sie sagen: Ja, das wird wohl hingenommen werden müssen. Sicher. Hat man sich aber auch über die Auswirkungen bei allen verantwortlichen Stellen Klarheit verschafft?
Ein anderes Beispiel: Der Landhandel. Er wird, wenn das Verkehrsfinanzgesetz ohne Änderungen, ohne Milderungen, in der Form, in der es eingebracht ist, Wirklichkeit wird, eine ganz erhebliche Verteuerung seiner Betriebsunkosten erfahren. Sein Bruttoertrag, den er im Durchschnitt vielleicht mit 3 % schätzt, wird um mindestens 0,4 % gekürzt. Die Verteuerung seines Lkw.-Betriebs macht allein nach diesem Verkehrsfinanzgesetz 124 % aus. Dabei sind die besonderen Schwierigkeiten, die ihm vor allem durch die Position 12 des Straf3enentlastungsgesetzes — bekanntlich Getreide — erwachsen werden, noch gar nicht berücksichtigt.
Aber lassen Sie mich noch ein anderes, besonders gravierendes Beispiel vortragen. Die deutsche Milchwirtschaft kämpft bekanntlich seit Jahr und Tag um den Zehntelpfennig. Sie kämpft mit allen möglichen Schikanen um Produktionsverbilligung und Rationalisierung. Die Milchwirtschaft wird, wenn das Verkehrsfinanzgesetz, so wie es vorgelegt ist, Wirklichkeit wird, ohne daß also Ausnahmen vorgesehen werden, die traurige Feststellung machen, daß ein Kilo Milch mindestens 0,4 bis 0,5 Pfennig weniger Ertrag bringt. Also ausgerechnet der Bauer, der beispielsweise am Autobahnbau am allerwenigsten interessiert ist und der sich außerdem noch furchtbar darüber ärgert, daß er mit seinem langweiligen Schlepper von der Autobahn verbannt ist, ausgerechnet der soll noch mit einem halben Pfennig pro Kilo Milch an den Auswirkungen des Verkehrsfinanzgesetzes mittragen.


(Donhauser)

Das Verkehrsfinanzgesetz wird in seiner Größenordnung von rund 350 Millionen DM sicherlich nicht zu umgehen sein. Es wird aber möglich sein, Herr Bundesfinanzminister, daß man gewisse Härten -- ich habe versucht, an Hand von einigen Beispielen solche Härten aufzuzeigen — abmildert.
Das Straßenentlastungsgesetz aber halten meine politischen Freunde und ich nicht nur für untragbar, sondern auch für unrettbar, zumindest die Form einer Verbotsliste. Das Straßenentlastungsgesetz bringt eine Reihe von sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten und schafft vor allem eine Reihe von verkehrspolitisch diskriminierten Gewerbezweigen; das sind insbesondere die Industrie der Steine und Erden, die holzverarbeitende Industrie, Teile der Bauindustrie und Teile der Zementindustrie. Aber fast in vollem 'Umfang, mit einem nahezu vernichtenden Schlag wird das mittelständische Mühlengewerbe getroffen werden

(Sehr richtig! bei der CSU.)

Unsere agrarpolitischen Freunde im Hause haben sich in den letzten-Wochen und Monaten viele Stunden lang mit der Frage beschäftigt, wie man das mittelständische Mühlengewerbe retten, wie man es aus der derzeitigen Krise herausführen kann. Dieses Straßenentlastungsgesetz macht die Bemühungen dieses Ausschusses restlos zunichte.

(Zustimmung bei der CSU.)

Das mittelständische Mühlengewerbe verfügt über so gut wie keine Gleisanschlüsse, verfügt insbesondere auch über keine Hafenanlagen wie die Großmühlen. Das Mühlengewerbe wird nach Punkt 12 der Verbotsliste des Straßenentlastungsgesetzes gezwungen werden, nahezu in jedem Fall gewaltige Verteuerungen und Verschlechterungen seiner Ausgangsposition in Kauf zu nehmen.
Aber der entscheidende Denkfehler des Straßenentlastungsgesetzes besteht doch darin, daß es den Begriff „gefährliches Ladegut" — und aus Sicherheitsgründen macht man doch das Gesetz — einführt, den es nach meiner Meinung überhaupt nicht gibt. Ich sehe nicht ein, warum 10 t Kleineisen beispielsweise unter sonst gleichen verkehrstechnischen Bedingungen gefährlicher sein sollen als etwa 10 t Tonrohre.
Im Mittelpunkt all unserer Einwendungen gegen das Straßenentlastungsgesetz steht die Feststellung, daß das Straßenentlastungsgesetz in der vorliegenden Form eine wesentliche Verschiebung der Standortbedingungen und der Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Volkswirtschaft und innerhalb wesentlicher Teile unserer Industrie und unseres Gewerbes mit sich bringt.

(Sehr richtig! bei der CSU.)

Gerade das soll eine echte und gute Verkehrspolitik nicht. Eine echte und gute Verkehrspolitik soll doch eine Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse und der Standortbedingungen mit sich bringen. Es leuchtet sicherlich ein, daß ein 50-km-Kreis, dieser berühmte Nahzonenkreis, außerhalb dessen die 13 auf der Verbotsliste aufgeführten Güter nicht mehr befördert werden dürfen, wenn er meinetwegen um Rendsburg, um Lüneburg oder um Ingolstadt beschrieben wird, wesentlich geringere wirtschaftliche Absatzmöglichkeiten einschließt als etwa ein 50-km-Zirkel um München, um Düsseldorf, um Köln, um Bochum oder um Frankfurt. Allein schon deshalb bedeutet diese Bestimmung eine wesentliche Verschiebung der Standortbedingungen und der Wettbewerbsverhältnisse.
Ich möchte aber das, was ich hier ausführe, an Hand von einigen praktischen Beispielen etwas untermauern. In unseren Notstandsgebieten beispielsweise bedeutet die Brecherproduktion, die Schotter- und Pflastersteinproduktion einen wesentlichen Teil unserer Erwerbsgrundlage. Wenn dieses Straßenentlastungsgesetz so, wie es entworfen ist, in Kraft tritt, hat das nach unseren Ermittlungen zur Folge, daß in Zukunft die Tonne Brecherproduktion durch mehrfaches Umladen und durch das Anrollen zur nächsten Bahnstation sowie durch die Abbeförderung von der Bahnstation an die Baustelle um durchschnittlich 5 DM verteuert wird. Welche entscheidende Verschlechterung und welche Preisbildung auf dem Bausektor damit Hand in Hand geht, das können Sie sich selber ausrechnen.
Ich möchte aber an ein paar anderen meiner Meinung nach zwingenden Beispielen aufzeigen, warum wir dieser Verschiebung der Standortbedingungen und Wettbewerbsverhältnisse, die das Straßenentlastungsgesetz in dieser Form bringen wird, nicht zustimmen können. Nehmen Sie einen praktischen Fall an. Eine Tonwarenfabrik in Nordbayern — übrigens in einem Notstandsgebiet —, die bis zum heutigen Tage 80 % ihrer Erzeugung in Form von Tonrohren in den Frankfurter Raum liefert, wird nach Inkrafttreten der Verbotsgesetzgebung ihre Tonrohre nicht mehr über Lkw. nach Frankfurt fahren können; sie wird gezwungen sein, ihre Tonrohre zweimal umladen zu lassen. Sie muß damit eine solch entscheidende Verteuerung ihrer Transporte in Kauf nehmen, daß sie bei dem starken Wettbewerb auf dem Frankfurter Baumarkt gar keine Chance mehr hat, ihre Waren abzusetzen. 80 % ihrer Erzeugung, sage ich, hat sie bis dato nach Frankfurt geliefert. Der Rest von 20 %, der ihr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch verbleiben wird, reicht sicherlich nicht mehr aus, die allgemeinen Regiekosten zu decken. Die Firma wird in der Gnadenfrist, in der Übergangsfrist, die ihr die Verbotsliste noch läßt, sicherlich ihre Tore schließen. Der Bundesfinanzminister wird dann zu einem anderen, allerdings viel späteren Zeitpunkt Mittel für die Behebung der erneut gewachsenen Notstände in den Notstandsgebieten bereitstellen müssen, der Arbeitsminister aber wird aus wiederum einem anderen Topf noch größere Mittel für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in diesem Raum aufwenden.
Das gleiche, was ich für die Tonwaren gesagt habe, gilt in ähnlichem Umfang für die bekannte Solnhofener Plattenfabrikation im mittelfränkischen Jura. Diese Solnhofener Platten vertragen ein mehrmaliges Umladen kaum. Erfahrungen haben gezeigt, daß der Bruch beim Bahntransport und beim mehrmaligen Umladen 5 bis 10 % ausmacht, beim reinen Lkw.-Transport dagegen nur 1 bis 2 %. Nun steht in der Begründung zum Straßenentlastungsgesetz und in der Begründung zu dieser Verbotsliste, daß die dort aufgezählten 13 Güter nicht besonders bruchgefährdet seien. Ich würde dem Minsterialreferenten, der da beispielsweise Tonrohre und Steinplatten mit aufgenommen hat, empfehlen, einmal ein paar Monate lang in einem solchen Steinbruch zu praktizieren.
Ein weiteres praktisches Beispiel, ein Beispiel von ungeheurer Häufigkeit: Die Sägewerksbetriebe vor allem in den Notstandsgebieten — ich spreche jetzt nicht nur von den Notstandsgebieten entlang unserer Ostgrenzen — verfügen höchstens zu 20 % über Gleisanschlüsse. Daß sich durch mehrmaliges


(Donhauser)

Umladen von Schnittholz die Transportkosten ganz erheblich verteuern, wird doch wohl von niemand bestritten werden. Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß die Verteuerung nahezu 100 % ausmachen wird. Selbst wenn man noch einkalkuliert, daß das Verkehrsfinanzgesetz ganz allgemein die Frachtraten hinaufsetzen wird, bleibt immer noch bei mehrmaligem Brechen des Verkehrs eine Verteuerung von einheimischem Schnittholzmaterial von mindestens 50 % bestehen. Die Reihe dieser Beispiele könnte man fast bis ins Uferlose erweitern.

(Zuruf von der SPD: Aber nicht in einer kurzen Rede!)

Wir sind der Meinung, daß die Diskussion um das Straßenentlastungsgesetz in dem Augenblick überflüssig ist, wo das Verkehrsfinanzgesetz so oder so Wirklichkeit wird, weil das Verkehrsfinanzgesetz ganz bestimmt in solch erheblichem Umfang Verkehr von der Straße weg hinüber auf die Schiene verlagern wird, daß damit allein schon eine ganz fühlbare Entlastung der Straße erfolgt.
Nun sagte der Bundesfinanzminister, daß nach den Entwürfen Müller-Hermann ein Loch von 800 Millionen in den Bundeshaushalt gerissen wird. Ich glaube aber, Herr Bundesfinanzminister, dieses Loch ist so oder so vorhanden; denn weit über 600 Millionen DM beträgt ja heute schon das Defizit der Bundesbahn, und ein paar hundert Millionen DM zusätzlich sollen für den Straßenbau investiert werden. Da kommt so die runde Ziffer von 800 Millionen DM heraus.
Nun rechnen wir einmal so, wie offenbar im Bundesfinanzministerium gerechnet worden ist: Mehraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz 350 Millionen DM, schätzungsweise Mehrverkehr bei der Bundesbahn — nach dem Wort eines prominenten Mannes der Bundesbahn — für 70 Millionen DM. Vorhin haben wir in der Diskussion gehört, daß ein Hörfehler vorliegt und daß es 170 Millionen DM sein müßten. Gut, lassen wir das gelten, es sollen 170 Millionen DM sein. Bleibt also nach Adam Riese ein Mehraufkommen von 520 Millionen DM. Dann bleibt aber doch immer noch ein ganz erhebliches Defizit von weiteren 280 Millionen DM! Wie soll denn das gedeckt werden? Ich kann Ihnen verraten, wie es gedeckt werden soll. Die verkehrspolitischen Folgewirkungen des Verkehrsfinanzgesetzes bringen offenbar auch nach Meinung der Bundesregierung eine so starke Verlagerung von Verkehr von der Straße zur Schiene mit sich, daß diese Lücke mit Sicherheit noch abgedeckt wird. Darin stimme ich den Überlegungen der Bundesregierung völlig zu. Ich glaube, daß nicht nur 280 Millionen DM Einnahmen aus Mehrverkehr zu erwarten sein werden, sondern wahrscheinlich noch wesentlich mehr.
Meine Damen und Herren, wenn es aber so ist, dann braucht es doch wirklich keine Verbotsliste mehr. Dann brauchen wir dem armen, gequälten Polizeiorgan, dem wir ohnehin schon soviel Aufgaben aufgebürdet haben, nicht auch noch zuzumuten, auf jede Wagenbrücke zu steigen, um nachzusehen, ob dort nicht etwa verbotenes Gut transportiert wird.
Ich glaube, daß an sich das Gesamtergebnis der bisherigen Debatte des Deutschen Bundestags über die Verkehrsprobleme eigentlich gar nicht so unerfreulich ist. Es ist gar nicht so unerfreulich, weil heute in vielen, ich darf wohl sagen, in fast
allen entscheidenden Punkten Übereinstimmung festgestellt worden ist. Wir sind absolut einig in der Auffassung, daß der Bundesbahn geholfen werden muß. Wir sind über alle Bänke des Hauses hinweg völlig einig in der Auffassung, daß die Gemeinwirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn aufrechterhalten werden muß, und wir sind einig in der Auffassung, daß leider Gottes dem Kraftwagenverkehr noch einmal erhebliche Belastungen etwa in der Größenordnung von 350 Millionen DM zugemutet werden müssen. Warum dann soviel Aufregung, wenn wir in allen Punkten — wenigstens in allen entscheidenden Punkten — völlig einer Meinung sind und wenn es wirklich nur noch um die Ausführung geht? Ich meine, daß es möglich sein muß, in der Ausschußarbeit zu Ergebnissen zu kommen, die letzten Endes Regierungskoalition wie Opposition einigermaßen befriedigen.
Ich darf daher zum Schluß noch einige Bernerkungen im Anschluß an die Ausführungen der vorhergehenden Redner machen. Der Herr Kollege Rademacher hat heute mehrfach persönliche Bemerkungen des Bundesverkehrsministers zitiert, die dieser in seiner manchmal temperamentvollen Art in einem vielleicht unkontrollierten Augenblick gemacht hat. Herr Kollege Rademacher, wir sind in allen wesentlichen Punkten so einer Meinung, und es hat mich eigentlich betrübt, daß Sie diese Äußerungen des Herrn Bundesverkehrsministers zitiert haben. Ich glaube, daß das der Demokratie und dem Ansehen von uns allen nicht dienlich ist. Warum sollen wir denn halb private Bemerkungen, die einmal in irgendeiner Stimmung gesagt worden sind, vor dieses offizielle Forum zerren?
In diesem Zusammenhange noch ein Wort an den Herrn Bundesverkehrsminister. Herr Bundesverkehrsminister, wir haben uns erlaubt, selbständig zu denken und in einem sehr wichtigen Punkte eine von Ihrer Auffassung abweichende Meinung zu haben. Herr Bundesverkehrsminister, das heißt nicht, daß wir Ihnen als Koalitionsgenossen das Vertrauen entzogen hätten. Wir haben in Ihre Person — das darf ich nicht nur für mich, sondern auch für meine politischen Freunde hier ausdrücklich feststellen — das Vertrauen, daß Sie die Fähigkeiten, das Temperament, die Tatkraft und nicht zuletzt das rechtliche Denken haben, um mit uns zusammen in der Ausschußarbeit eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten, die uns zum Schluß wenigstens einigermaßen befriedigen wird. Ich habe gesagt, wir haben das Vertrauen in Sie, daß Sie das notwendige rechtliche Denken haben. Das notwendige rechtliche Denken scheint mir bei dieser berühmten Verbotsliste, die in dieser Debatte in der Hauptsache der Stein des Anstoßes ist, besonders notwendig zu sein.

(Zustimmung bei der CSU.)

Ich bin der Meinung, daß wir Verkehrsgesetze schaffen müssen, die nicht, so wie es hier der Fall zu sein scheint, einen wesentlichen Teil der notwendigen Lasten auf die Schultern nahezu unbeteiligter Gewerbezweige wie z. B. der Bauern abwälzt. Wir müssen eine Verkehrsgesetzgebung schaffen, die die notwendigen Lasten möglichst nicht auf die Schultern der Schwachen legt.

(Zustimmung bei der CSU.)

Und noch ein Wort an die Bundesregierung im ganzen. Ich bin der Meinung, daß der Bundesregierung weiß Gott keine Perle aus der Krone fällt, wenn sie zugibt, daß es auch außerhalb ihrer Rei-


(Donhauser)

hen einige Männer gibt, die nicht ausgesprochene verkehrspolitische Dummköpfe sind. Unsere Wähler haben uns nicht hierhergeschickt, damit wir etwa vor jedem Augenrollen gleich in die Knie gehen.

(Beifall in der Mitte.)

Sie haben uns hierhergeschickt, damit wir selbstverantwortlich mitarbeiten.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Sie haben uns auch nicht etwa hierhergeschickt, damit wir uns nach dem Muster von braven, aber talentierten Schülern benehmen, die nur gelegentlich noch, wenn sie mal gefragt werden, ihre Meinung sagen,

(erneute Zustimmung in der Mitte) sondern sie haben uns hierhergeschickt,


(Zuruf von der Mitte: Um eigene Gedanken zu entwickeln!)

damit wir dann, wenn wir es nach unserem Gewissen für notwendig halten, auch durch eine eigene Konzeption mitarbeiten.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Wir haben das getan; das war unser gutes Recht, mehr noch, es war unsere Pflicht!

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203803000
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.

Hans Jahn (SPD):
Rede ID: ID0203803100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erwarten Sie von mir nicht eine Verteidigungsrede für selbständiges Denken! Das ist bei uns selbstverständlich.

(Gut! bei der SPD. — Zurufe von der CSU: Aber nicht vorhanden! — Heiterkeit in der Mitte und rechts.)

Ich möchte die Diskussion auf eine Frage zurückführen, die noch nicht in dem Maße angesprochen worden ist, wie es uns erforderlich erscheint. Wir haben allerhand gehört über Technik, Rationalisierung, Selbstkosten und Leistungswettbewerb. Ganz leise hat der Herr Kollege Donhauser auch einmal das Problem des Personals der Bundesbahn anklingen lassen. Ich möchte versuchen, diesen menschlich-sozialen Aspekt zum Ausgangspunkt einer neuen verkehrspolitischen Linie zu machen.
Ich sage von vornherein, ich anerkenne grundsätzlich nur zwei Alternativen für eine Neuordnung im Verkehr. Entweder wird der Verkehr insgesamt nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten bedient; dann brauchen wir uns nach acht Wochen nur das noch vergrößerte Chaos anzusehen. Oder er wird insgesamt unter gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten geregelt. Ich bin Anhänger des gemeinwirtschaftlichen Prinzips für alle Verkehrsträger. Was wir darunter verstehen, werde ich nachher sagen.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß die bei der Bundesbahn beschäftigten Menschen im Jahre 1945, als wir das unheilvolle Erbe haben übernehmen müssen, die Hemdsärmel aufgekrempelt und die zerstörten Schienenstrecken und Verbindungswege wiederaufgebaut haben, ohne nach Lohn und Arbeitsbedingungen zu fragen. Ich wage zu behaupten, daß ohne diese historische Leistung der Eisenbahner das nicht möglich gewesen wäre, was man heute als Wirtschaftswunder bezeichnet. (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

Der Herr Bundesverkehrsminister hat bereits darauf hingewiesen, daß der angeblich übersetzte Personalkörper der Bundesbahn seit damals um rund 100 000 Köpfe — es sind genau 99690 — vermindert worden ist. Das sind 16,4 % des gesamten Personalbestandes. Aber von 1948 bis heute ist die Leistung dieses Personalkörpers um 30,5 % gestiegen. In den Denkschriften, die uns überschwemmt haben, steht als Punkt 1 immer: Die Bundesbahn wird gesund, wenn der Personalüberhang beseitigt wird. Man sollte endlich einmal aufhören, überhaupt mit einem solchen Wort, fast möchte ich sagen, zu jonglieren. Denn was hat dieser Personalkörper im ganzen getan? Die Bundesbahn hat, wie ich gesagt habe, ihre zerstörten Schienenwege selber wiederaufgebaut und dafür vor der Währungsreform 1,2 Milliarden Mark ausgegeben. Nach der Währungsreform hat sie dafür 1,6 Milliarden DM aufgewendet, und zwar alles entweder aus selbsterarbeiteten Beträgen oder aber aus Fremdmitteln, die ja doch einmal verzinst werden müssen.
Wir sind uns klar darüber, daß noch viel getan werden muß. Wir wollen aber feststellen, daß die Bundesbahn selber für die Wiederherstellung ihrer Straßen gesorgt hat.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ich bitte um den Nachweis, daß dasselbe auch der motorisierte Straßenverkehr getan hat. Solange er den Nachweis nicht erbringt, soll man nicht sagen, die Bundesbahn solle ihren Personalüberhang abbauen.
Wir unterhalten auch unsere eigene Verkehrspolizei, unsere eigenen Sicherungsanlagen, als da sind 10 400 Stellwerksanlagen und 15 600 Schrankenanlagen. Dort sind als Verkehrspolizisten 27 500 Mann Personal im Stellwerkswesen und 17 600 Schrankenwärter beschäftigt. Allein pro Jahr ist für unsere Verkehrspolizei eine Ausgabe von 225,5 Millionen DM erforderlich. Die Stadt Augsburg hat im letzten Rechnungsjahr für Signalanlagen und Verkehrspolizei 600 000 DM in ihren Etat eingesetzt. Das zahlt der Steuerzahler. Wenn wir das auf das Bundesgebiet umlegten, kämen wahrscheinlich etliche Hunderte von Millionen zum Vorschein.
Ich möchte noch folgendes betonen. Das Bundesbahnpersonal hat es sich nach der Katastrophe von 1945 angelegen sein lassen, gemeinsam mit dem Sozialpartner im Selbsthilfe- und Selbstverwaltungsverfahren 76 300 Wohnungen zu erstellen. Ich betone: im Selbsthilfe- und Selbstverwaltungsverfahren! Wir haben, um die ausgeschöpfte Arbeitskraft unseres Personals, wie man zu sagen pflegt, betriebssicher wiederherzustellen, 27 Heilstätten und 22 Erholungsheime errichtet. Wir sind der Auffassung, daß das wichtigste Produktionsmittel der Mensch ist und daß die soziale Fürsorge für den Menschen alles andere überschatten muß, Technik, Wettbewerb und wie man es sonst noch nennen mag.
Wir sind der Meinung, daß der Verkehr sicher betrieben werden muß und — ich komme auf die Hekatomben von Toten und Verletzten auch noch zu sprechen — daß ein Verkehr nur sicher betrieben werden kann, wenn die den Verkehr bedienenden Menschen auch technisch fort- und ausgebildet sind. Das wird für jeden Fachmann eine Selbstverständlichkeit sein. Wir haben bei der Bundesbahn in unseren Fachschulen 219 Klassen mit 1406 Lehrgängen, in denen wir monatlich


(Jahn [Frankfurt])

22 000 Schüler den technischen Erfordernissen der heutigen Zeit in etwa anzupassen versuchen. Von meiner Gewerkschaft, der vorzustehen ich die Ehre und das Vergnügen habe, zahle ich dazu jährlich 30 000 DM hinzu, weil wir der Meinung sind, daß diese Schulung auf dem technischen Gebiet unbedingt durchgeführt werden muß. Vielleicht übernahmen wir von seiten der Arbeitnehmerschaft etwas zu viel Verantwortung auf diesem Gebiete. Ich hätte auch hier ganz gern einmal von der anderen Seite, der Straße, eine kleine Mitteilung, was auf dem Gebiete der technischen Aus- und Fortbildung des in diesem Gewerbe beschäftigten Personals bisher geschehen ist.

(Zuruf von der SPD: Die kassieren doch nur!)

Wir sind weiter der Auffassung, daß das Personal, das den Betrieb sicher bedienen soll, in etwa sozialer Sorgen enthoben werden sollte. Unsere Leute haben einen vereinbarten Lohnanspruch. Wir haben — das bitte ich zu beachten, speziell den Herrn Kollegen Müller-Hermann, auf dessen Vorschläge ich noch zu sprechen komme — vertraglich vereinbart, daß die Arbeiter bei der Bundesbahn, sofern sie 15 Jahre dort beschäftigt sind und das 40. Lebensjahr erreicht haben, unkündbar sind. Wir haben dafür gesorgt, daß der Arbeiter nach Alter und nach Dienstzugehörigkeit 12 bis 24 Arbeitstage Urlaub zu beanspruchen hat.
Nun kommt das Wesentliche, was zu sagen ich nicht versäumen möchte. Das Internationale Arbeitsamt hat an die ihm angeschlossenen Länder — die Bundesrepublik ist wieder angeschlossen — eine Empfehlung herausgegeben, daß für das im Lastkraftwagengewerbe beschäftigte Personal Vereinbarungen über Lohn-, Arbeits- und Arbeitszeitbedingungen getroffen werden. Ich habe mit der Hauptverwaltung der Bundesbahn sofort einen diesbezüglichen Vertrag abgeschlossen; er kann jederzeit eingesehen werden. Bei uns darf keiner der Kraftfahrer und der Beifahrer monatlich im Schnitt mehr als 192 Stunden auf dem Bock sitzen. Hat er die 192 Stunden — wegen der Fahrtlängen ist das verständlich — in 20 Tagen abgearbeitet, bleibt er die restlichen 10 Tage des Monats zu Hause; die feiert er ab. Wir haben die Kontrollorgane zur Verfügung, die dafür sorgen, daß mit diesen vertraglichen Vereinbarungen weder Mißbrauch getrieben wird noch daß sie übertreten werden. Das sind unsere 17 600 Betriebsräte, die dafür eingesetzt werden, daß geschlossene Verträge auch gehalten werden.
Es ist von den Lasten die Rede gewesen, die durch das gemeinwirtschaftliche Prinzip für die Bundesbahn entstehen. Das sind die Lasten aus dem Berufs- und Schülerverkehr, wodurch im Jahre 97 Millionen DM Mindereinnahmen entstehen, aus sonstigen Sozialtarifen mit dem Betrag von 89.6 Millionen DM, aus Subventionstarifen mit 110 Millionen DM, aus der Umleitung Berlins mit 15 Millionen DM und aus der Betriebspflicht, die dem gemeinwirtschaftlichen Prinzip nun einmal ententspricht, aus der Aufrechterhaltung unrentabler Strecken mit 175 Millionen DM pro Jahr.

(Abg. Müller-Hermann: Wer weist das nach?)

— Das kann jederzeit im Geschäftsbericht der Bundesbahn nachgelesen werden. Zusammen sind das 487,6 Millionen DM pro Jahr. Ich sage ausdrücklich, diese Mindereinnahmen werden als immanenter Bestandteil des gemeinwirtschaftlichen
Prinzips von uns als den im Bundesbahnbetrieb beschäftigten Personen bewußt akzeptiert. Wenn wir etwas wollen, wollen wir es ganz. Wenn ich Anhänger der freien Marktwirtschaft bin, der doch sowohl die Gewinnchance als auch das Verlustrisiko immanent ist, kann ich mich aber nicht darauf stützen, nur die Gewinnchance wahrzunehmen, das Verlustrisiko aber wohlgefällig dem gemeinwirtschaftlichen Bundesbahnbetrieb zu überlassen. So geht es nicht! Wenn man sich für eine Ordnung auf einer bestimmten Basis einsetzt, dann auch mit aller Konsequenz, und zwar derjenigen, die ich jetzt geschildert zu haben glaube.
Herr Kollege Donhauser hat davon gesprochen, daß die Randgebiete nicht vernachlässigt werden dürften und daß die Standortpolitik in dem Randgebiet, das durch den Eisernen Vorhang hervorgerufen wurde, durch das gemeinwirtschaftliche Tarifsystem der Bundesbahn noch besonders betrieben werden müsse. Darin stimme ich ihm hundertprozentig bei. Wir dürfen am Eisernen Vorhang keine Elendsgebiete entstehen lassen, weil wir aus der Vergangenheit wissen — ich erinnere an 1932 daß an der Not des Volkes sich jede Diktatur fett frißt. Lassen wir Elendsgebiete entstehen, dann leisten wir in diesen Gebieten der Bolschewisierung Vorschub, und niemand wünscht das weniger als wir. Ich will nicht auf den Eisenbahnerstreik 1949 in Berlin eingehen. Ich will nicht auf den 16. und 17. Juni des vergangenen Jahres eingehen. Es kommt der Tag, wo wir offen darüber reden können. Heute noch befinden sich in der Sowjetzone 2000 Eisenbahner in Kzs. und Gefängnissen. Für die Opfer des 17. Juni habe ich von mir aus bis zum 1. April dieses Jahres 705 173,17 DM ausgegeben.

(Zuruf rechts: Donnerwetter! — Gegenruf des Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Was haben Sie denn getan? Die Arbeiter haben geholfen!)

— Wir wollen versuchen, in dieser Frage einig zu bleiben. Ich sage das nur, um festzustellen, daß uns, wenn es darum geht, Freiheit und Demokratie zu schützen, kein Mittel zu gering ist. Ich sage Ihnen auch — meine verehrten Damen und Herren, nehmen Sie mir das nicht übel —, am 17. Juni des vergangenen Jahres war in der Sowietzone in 274 Orten, Städten und Ortschaften der ärmste Sohn des Volkes wieder einmal sein treuester.

(Beifall hei der SPD.)

Ohne auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich mich noch dafür einsetzen, daß die nacht bundeseigenen Eisenbahnen unter dieselbe Beobachtung 711 stellen sind. wie ich es hier für die Bundesbahn vorgetragen habe.
Wir haben heute die Tatsache zu verzeichnen, daß die Laderaumkapazität der Bundesbahn von 1938 his heute um 32,5 % abgenommen hat, während die Laderaumkapazität des Lastkraftwagens im selben Zeitraum um 528,7 % zugenommen hat und unser Straßenbau der gleiche geblieben ist. In dieser Übersetzung der Laderaumkapazität des Kraftwagens liegt die Ursache für die Verstopfung unserer Straßen, für die verminderte Flüssigkeit unseres Verkehrs und damit für die erhöhte Unfallanfälligkeit auf der Straße überhaupt. Die Folgen sind 446 000 Straßenverkehrsunfälle, rund 11 000 Tote und 300 000 Verletzte. Dabei ist zu beachten, daß von 1952 auf 1953 eine Vermehrung der Kraftfahrzeuge um 17 % stattgefunden hat, die


(Jahn [Frankfurt])

Zahl der Unfälle sich aber um 20 % und die der tödlichen Unfälle sogar um 30 % vermehrt hat.
Daraus ist nach meinem Dafürhalten die einzige Schlußfolgerung zu ziehen, daß es uns, solange dieser Zustand anhält, ohne drastische Maßnahmen leider nicht möglich sein wird, dem Tod auf der Straße Einhalt zu gebieten. In der Beurteilung der beiden von der Regierung vorgelegten Gesetzentwürfe und in der allgemeinen Beurteilung der damit geschaffenen Situation gehe ich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Leiske hundertprozentig konform.
Und nun etwas anderes. Wir haben, wie Herr Kollege Rademacher bereits mitgeteilt hat, durch das Güterkraftverkehrsgesetz eine Bundesanstalt errichtet, die versuchen soll, Ordnung in den Straßenverkehr zu bekommen. Die Bundesanstalt gibt sich die größte Mühe, durch regelmäßig durchgeführte Kontrollen die Ordnung herzustellen. Eine solche Groß-Kontrolle, die über fünf Tage gewährt hat, hat 10 733 Kraftfahrzeuge erfaßt. Davon wurden 2694 oder 25 % beanstandet. Festgestellt wurden 4385 Verstöße gegen Verordnungen, gegen Gesetze, gegen Verträge, gegen alles mögliche. Die nachfolgenden Kontrollen haben ein langsames Sinken der Zahl der zu beanstandenden Fahrzeuge und Fälle ergeben. Aber das ist doch nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, daß überhaupt kontrolliert werden muß, daß die Sache in Ordnung geht. Das ist der Kardinalpunkt, von dem aus ich die Dinge zu betrachten gewöhnt bin. Von den Verstößen bestanden 46 % darin, daß Fahrzeuge ohne Erlaubnis im Fernverkehr waren. 36 % der Verstöße bestanden darin, daß das Arbeitsschichtenbuch nicht mitgeführt wurde.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

20 % bestanden darin, daß aus dem Nahverkehr unerlaubterweise in den Fernverkehr herübergewechselt worden war. 16 % bestanden darin, daß überhaupt ohne Meldebestätigung gefahren wurde. 45 % der Verstöße bestanden darin, daß keine Begleitpapiere vorhanden waren. 26 % gondelten durch die Gegend ohne das Fahrtenbuch.
Meine Damen und Herren! Mir will scheinen, das ist ein sehr großer Mißstand. Wir haben durch die Gewerbeaufsichtsämter und durch die Rechtsberatungsstellen des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf Kreisebene nachprüfen und feststellen lassen, daß die Arbeitszeit der in diesem Gewerbe beschäftigten Personen pro Woche 83 bis 110 Stunden beträgt. Ja, meine Damen und Herren, wen wundert es dann noch, wenn er auf der Autobahn oder auf den Bundesstraßen fährt, daß so viele Lastkraftwagenzüge im Straßengraben liegen?

(Abg. Dr. Köhler: Völlig richtig!)

Wer prüft das?

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Polizei! Haben Sie es auf der Autobahn noch nie gesehen?)

Das ist ein Mißstand sozialer Art, den zu beseitigen alle Teile dieses Hohen Hauses bestrebt sein müßten.

(Beifall bei der SPD.)

Was soll man denn von uns denken, solange solche Zustände vorhanden sind?!

(Zuruf von der SPD: Besonders der soziale Teil!)

— Ja, mir scheint, darauf kommt es an. Wie kann
— deshalb habe ich die Beispiele bei der Bundesbahn zum Vortrag gebracht — ein Betrieb sicher geleitet und der Verkehr sicher bedient werden, wenn solche asozialen Verhältnisse an der Tagesordnung sind? Für mich ist das sehr verständlich; denn in diesem Gewerbe sind viele Kleinst- und Kleinbetriebe vorhanden, deren Besitzer unter der Peitsche des Wechsels zu solchen Arbeitszeiten gezwungen sind. Wir werden die Bundesregierung um die Vorlage eines Weißbuches ersuchen, das einmal feststellt, wie sich die Verhältnisse in diesem Gewerbe eigentlich bis jetzt auf dem Gebiete der Arbeitsleistung ausgewirkt haben.
Bei den Kontrollen ist unter anderem aber auch festgestellt worden, daß ein Spediteur von Oktober bis Dezember 1953 an Tarifunterbietungen in Höhe von 50 000 DM beteiligt war und daß er an 22 Unternehmer 25 000 DM an Rückvergütungen gezahlt hat. Das sind nach meinem Dafürhalten Zustände, die nicht einer Nachprüfung bedürfen — weil sie nachgeprüft sind —, sondern die abgestellt werden müssen. In einem einzigen Finanzamtsbezirk hat die Nachprüfung von 90 Kontrollberichten über den Werkfernverkehr ergeben, daß 33 Fahrzeuge überhaupt nicht gemeldet waren

(Hört! Hört! bei der SPD)

und daß 4486 Lastkraftwagenzüge ohne Konzession die Straßen der Bundesrepublik befahren.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

In Hessen beschäftigte ein großes, angesehenes Werk unter 15 Unternehmern 11 ohne Geneamigung für den Fernverkehr.

(Abg. Rademacher: Für den Fernverkehr?!) — Jawohl, ich sage extra Fernverkehr.

Es gibt noch Beanstandungen betreffend den allgemeinen gewerblichen Güterfernverkehr und den Werkfernverkehr. Ich will die Einzelheiten nicht vortragen — sie sind jederzeit einsehbar —, aber ich lese daraus ab, daß der größte Störenfried im Verkehr der Werkverkehr in allen seinen Arten ist. Ich würde mich deshalb glücklich schätzen, wenn hier — und sei es durch administrative Mittel — eine merkliche Verringerung und Einengung durchgeführt werden könnte, weil dann der gewerbliche Güterverkehr Luft holen könnte und die dort beschäftigten Personen sowie die als Kleinst- und Kleinbetriebe erfaßten Werke eine Lebensmöglichkeit hätten.
Ich glaube, daß es möglich sein sollte, auf dem Sektor Verkehr zu einer Ordnung zu kommen. In einem Punkte waren alle Diskussionsredner einig, nämlich in bezug auf die Hilfe für die Bundesbahn als das Rückgrat unseres Verkehrs. Weiter müssen wir dafür sorgen — weil wir keine Maschinenstürmer und keine Verneiner des technischen Fortschritts sind, ganz im Gegenteil! —, daß der technische Fortschritt nicht auf dem Rücken des arbeitenden Menschen ausgetragen wird. Darauf kommt es uns an. So will es mir auch scheinen, daß wir aller Wahrscheinlichkeit nach, um hier grundsätzlich Wandel zu schaffen, einen Antrag über die Abschaffung des Anhängers sowie über die Gesamtlänge von 15 m und das Gesamtgewicht von 20 t pro Lkw. einbringen werden. Ich weiß, das ist ein harter Brocken, aber ich möchte dazu mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten unseren zu früh verstorbenen Kollegen Freiherr von Rechenberg sprechen lassen, der damals von dieser Stelle aus gesagt hat:
Ich fahre seit dem Jahre 1916 fast dauernd auf
allen Straßen Deutschlands und Europas, soweit es geht, herum. Ich bin also wirklich


(Jahn [Frankfurt])

einigermaßen fachmännisch veranlagt dafür. Es ist ein Unding, zu behaupten, ein schwerer Lastwagen, der dann mit 20 oder 25 t Gewicht beladen ist — die Dinger werden ja alle überladen —, wäre weniger gefährlich als ein leichterer zweiter Lastwagen, und zwar wegen des Schleuderns. Schleudern tut das große Biest noch viel mehr als die zwei kleinen, weil ja die Last viel größer ist. Sie erkennen außerdem an einer anderen Tatsache, ob Sie in Deutschland oder im Ausland sind. Und das werden mir alle Kollegen bestätigen müssen, die in den letzten Jahren in KontinentalEuropa herumgefahren sind: diese Lastwagenungetüme gibt es nirgends in KontinentalEuropa.
Und er sagt weiter:
Es ist meiner Ansicht nach höchste Zeit, diese Blüte eines Gewerbezweiges, die eine nicht erfreuliche Herkunft hat, zu beenden. Sagen wir es doch einmal sehr deutlich: Wir haben damals alle in der Industrie diese großen Biester angeschafft, als die Kriegsvorbereitungen losgingen, als man uns alle möglichen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten usw. gab, damit wir die schweren Lastautos kauften, die nachher, wenn der Krieg da war, die Armee brauchte. Das war der Grund, warum die Dinger überhaupt auf unsere Straßen gekommen sind. Als der Krieg zu Ende war, da kamen sie zurück und fanden sehr schnell Liebhaber und fanden auch Beschäftigung.
Ich habe den Worten des verstorbenen Herrn Kollegen von Rechenberg nichts hinzuzufügen.

(Abg. Rademacher: Und was sagt Ihr Parteifreund, Herr Geiger, dazu, Herr Jahn?)

— Dazu werde ich gleich etwas sagen, was er mir einmal unter vier Augen gesagt hat und was nicht unwesentlich ist. Es war bei einer kombinierten Sitzung des Ausschusses für Verkehrswesen und, wenn ich mich recht entsinne, des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, als er darauf hinwies, daß die Raststätten an den Autobahnen wie Pilze aus der Erde schießen und daß die Lastkraftwagenfahrer dann bei der Wirtin wundermild ihr Gläschen trinken und, wenn das Kleingeld alle ist. dann draußen aus dem Wagen, sagen wir einmal, das Radio nehmen und damit die Zeche bezahlen, so daß das Gewerbe außer diesem Verlust auch noch den Versicherungsbeitrag zahlen muß. All das, was er uns damals aus seiner Erfahrung als dem Gewerbe zugehörig erzählt hat, ist sogar, wie ich glaube, noch protokollarisch nachzuprüfen.

(Abg. Samwer: So etwas kann man doch nicht verallgemeinern!)

— Ich bin dazu angeregt worden, so etwas zu sagen, von mir aus hätte ich es nicht zum besten gegeben. Ich will damit nur sagen, daß nur dann Ordnung in den Verkehr gebracht werden kann, wenn in diesem Gewerbezweig selbst Ordnung herbeigeführt worden ist. Sonst ist es unmöglich. auf dem Gebiete des Verkehrs insgesamt Ordnung herbeizuführen.
Dann einige Worte zu den Vorschlägen des Herrn Kollegen Müller-Hermann. Ich habe die Vorschläge vor längerer Zeit zugeschickt bekommen. In dem Begleitschreiben wurde mitgeteilt, daß eine Gruppe unabhängiger Verkehrsexperten an diesen Vorschlägen gearbeitet habe. Nun, ein Teil dieser Verkehrsexperten ist mir bekannt. Es waren dies Dr. Brüggemann vom Hauptverband der deutschen Bauindustrie, Herr Dr. Semmler, auch vom Hauptverband der deutschen Bauindustrie, die Herren Dr. Fromm und Dr. Heines vom Allgemeinen Güterverkehrsverband,

(Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Interessant!)

Dr. Brecht von der ADEKA, Dr. Heil und Dr. Eikler vom BDI Köln

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Das wird ja immer interessanter!)

und Herr Assessor Werner vom VDA Frankfurt am Main. Ich habe das unbestimmte Gefühl, daß das nicht ganz unabhängige Personen gewesen sind.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Das kann man wohl sagen! — Abg. Müller-Hermann: Sie sind wohl nicht recht unterrichtet, Herr Jahn!)

— Aber daß diese Herren dabei waren, daß sie an den Gesetzentwürfen mitgearbeitet haben, das stimmt doch?!
Ich will nur zu einigen Fragen Stellung nehmen. Über einige Punkte kann man reden, das ist selbstverständlich. Aber zwei Punkte muß ich im Namen der Fraktion der SPD ganz entschieden zurückweisen. Der erste ist die Beseitigung des Kollegialsystems bei der Bundesbahn und seine Ersetzung durch das Präsidialsystem. Wir haben uns für das Kollegialsystem eingesetzt,

(Abg. Samwer: Na und?)

und wir wünschen, daß diese etwas — nur etwas!
— von der Wirtschaftsdemokratie angehauchte Einrichtung nicht wieder durch eine Person ersetzt wird, die mit Vollmachten ausgestattet ist. Wir haben das auf der einen Seite, wirtschaftlich gesehen, nicht ganz so schlecht, aber auf der anderen Seite schon einmal mit bitteren Lehren bezahlen müssen.

(Abg. Samwer: Das ist doch rein wirtschaftlich zu sehen!)

— Nein, das ist ein Grundsatz, den wir zu vertreten haben und den ich niemals preisgeben werde.
Dann der zweite Punkt, die unabhängige Rationalisierungskommission. Sie selbst haben davon gesprochen, daß bei der Bundesbahn, und zwar in den oberen Beamtenkategorien, ein Überhang vorhanden sei, der beseitigt werden müsse. Man kann darüber geteilter Meinung sein, das gebe ich zu. Auch ich bin der Vertreter einer großen Verwaltungsreform, aber ohne jede soziale Härte.

(Abg. Müller-Hermann: Einverstanden!)

— Nun, Herr Kollege Müller-Hermann, ich ersuche Sie dringend, dann von dieser Stelle aus zu sagen, welche Gruppe von Bediensteten als Personalüberhang zur Entlassung kommen soll. Wir haben drei Gruppen. Die eine Gruppe besteht aus 38 000 131 ern und 5364 Entnazifizierten. Das sind 43 364 Köpfe.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Die meint er natürlich nicht!)

Die andere Gruppe sind 27 512 Schwer- und Schwerkriegsbeschädigte, 7518 Verdrängte und 59 Spätheimkehrer. Das sind 35 089 Köpfe. Oder wollen Sie — die Zahl 40 000 spukt im Raum —,


(Jahn [Frankfurt])

weil wir die Unkündbarkeit der älteren Leute vom 40. Lebensjahre an, die gleichzeitig 15 Jahre beschäftigt sind, vereinbart haben und weil der Beamte auf Grund des Beamtengesetzes nicht entlassen werden kann, daß 40 000 hochqualifizierte junge Kräfte hinausgehen sollen? Wollen Sie damit rationalisieren? Sagen Sie uns bitte, damit wir wissen, woran wir sind: Wen wollen Sie entlassen, die 131er, die Schwer- und Schwerkriegsbeschädigten oder die qualifizierten Kräfte? Hier gibt es kein Drumherumreden, sondern wenn wir Ordnung haben wollen, dann müssen diese Personalfragen ganz eindeutig angesprochen und beantwortet werden.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wir haben keine Lust, uns dauernd an den Kopf werfen zu lassen, daß der Personalüberhang das einzige sei, was der Gesundung der Bundesbahn im Wege stehe.

(Zuruf rechts: Das hat auch niemand behauptet! — Gegenruf des Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Ständig wird es erklärt! In allen Reden und Versammlungen erklären Sie es! — Weiterer Zuruf von der SPD: Da platzt die christlich-soziale Seifenblase!)

— Ich kann Ihnen ein Dutzend Denkschriften vorlegen, wo als erster Punkt immer drinsteht — und zwar sogar unter Anrufung Jesus Christus'; auch das kann ich Ihnen schriftlich geben —, daß der Personalüberhang beseitigt werden müsse, und alles sei in bester Ordnung.
Wir sind also der Auffassung, daß durch die Errichtung einer Organisation im Güterkraftverkehr der Vertragspartner für die Bundesbahn geschaffen werden muß. Ich bin sogar einmal in einem Vorschlag noch weiter gegangen: daß der Güterkraftverkehr als eine Unterabteilung der Bundesbahn organisiert wird. Jedenfalls muß er organisiert werden, und zwar in einer Art, daß kein Außenseiter außerhalb der Organisation bleiben kann. Voraussetzungen dafür, daß Ordnung in den Verkehr kommt, sind dann für die beiden großen Verkehrsträger — über die Binnenschiffahrt wird besonders zu reden sein —, die Beförderungspflicht, die Betriebspflicht, der Tarifveröffentlichungszwang und die soziale Gleichstellung aller Beschäftigten in beiden Verkehrsträgern.

(Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Sehr gut!)

Wenn wir nämlich das Personal im Kraftverkehrsgewerbe sozial gleichstellen mit dem Personal der Bundesbahn und wenn ich dann durch zu vereinbarende Verträge für die Übergangszeit, um dem Staat keine Kosten zu verursachen, 12 000 meiner Betriebsräte aus Betrieb und Verkehr als "Oberwacher und Kontrolleure zur Verfügung stelle, haben wir in einem Jahre Ordnung im Verkehr der deutschen Wirtschaft herbeigeführt.

(Beifall bei der SPD.)

Wir werden in den Ausschußberatungen mit allem Ernst sowohl an den Gesetzentwürfen der Bundesregierung als auch an den Entwürfen des Kollegen Müller-Hermann mitarbeiten, wenn sie dem Ausschuß überwiesen werden. Wir werden auch nicht davor zurückschrecken, da, wo es notwendig ist, administrative Mittel zur Anwendung zu bringen. Denn niemand kann die Hekatomben von Toten und Verletzten auf der Straße verantworten. Der Verkehr hat also nicht nur Aufgaben privatwirtschaftlicher Natur zu erfüllen, sondern es fallen ihm auch Aufgaben zu, die außerhalb der privatwirtschaftlichen Sphäre liegen, im Güterverkehr solche raumpolitischer Art im Sinne einer gesunden Dezentralisation der Industriestandorte, der Stärkung wirtschaftsschwacher Randgebiete, Importerschwerung für solche Importe, die mit einheimischen Erzeugnissen im Wettbewerb stehen, Unterstützung von Notstandsgebieten durch Spezialtarife usw. Dazu kommen auf sozialpolitischem und kulturpolitischem Gebiet weitgehende Sondervergünstigungen im Personenverkehr, in deren Rahmen Verkehrsleistungen zum großen Teil unter den durchschnittlichen Selbstkosten, vielfach sogar unter den zusätzlichen variablen Kosten angeboten werden müssen. All dies sind Sonderleistungen des Hauptverkehrsträgers, der Bundesbahn, die sich im Laufe vieler Jahrzehnte entwickelt haben und nur zum kleineren Teil eigenwirtschaftlichen Überlegungen der Eisenbahn entsprangen. Diese Sonderleistungen der Bundesbahn allein haben wesentlich zu dem sogenannten deutschen Wirtschaftswunder beigetragen, wenn nicht es sogar erst möglich gemacht.
Diese gemeinwirtschaftliche Funktion der Bundesbahn ist infolge der unkontrolliert anwachsenden Motorisierung des Straßenverkehrs auf engstem Raum und der damit verbundenen ruinösen Konkurrenz im Verkehrswesen überhaupt in Gefahr. Darüber hinaus muß der Straßenverkehr, vor allem die Neuzulassung von Kraftwagen, als Konsequenz des Auseinanderklaffens der Straßen- und Fahrzeugkapazität in der nächsten Zeit durch außermarktwirtschaftliche Maßnahmen geregelt werden. Hier muß eine drastische Beschränkung der Zulassungen wirksam werden.
Diese durchzuführenden Maßnahmen werden erst in zweiter Linie von der Notwendigkeit diktiert, das schon jetzt übersetzte Angebot an gewerbsmäßiger Lastkraftwagenleistung oder den noch stärker übersetzten Werkverkehr mit dem Ziele des Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage einzuschränken. Vielmehr dienen die erforderlichen Maßnahmen in erster Linie der Hebung der Verkehrssicherheit und fallen damit aus dem eigentlichen Marktproblem heraus. Wären wir schon wieder reich genug, um uns wie andere Länder kostspielige Brückenbauten, Unterführungen, Signalanlagen und schnelle Straßen zu leisten, so lebten noch viele der 12 000 Menschen, die jährlich unserem Straßenverkehr zum Opfer fallen. Mit wachsender Dichte des motorisierten Verkehrs auf unseren Straßen steigt aber gleichmäßig die Zahl der Toten. Das zeigt, daß unser Straßennetz für den schnell wachsenden Straßenverkehr zu eng geworden ist. Wenn wir dies dem heutigen Kraftverkehr anpassen wollen, um die jährlichen Hekatomben von Opfern zu vermeiden, so müßten wir es mit einem Aufwand von 20 bis 25 Milliarden DM verdoppeln. Dieses Vorhaben würde ein Gelände beanspruchen, auf dem wir die heimatvertriebenen Bauern wahrscheinlich zweimal ansiedeln könnten.
Noch wesentlicher ist ein anderer Faktor: der Werkverkehr. Als echter Werkverkehr tritt er nicht als Anbieter am Markte auf. Sein Einsatz steht in gewissem Umfang mit den Preisen für die durch die anderen Verkehrsträger, einschließlich des gewerblichen Kraftverkehrs, angebotenen Verkehrsleistungen im Zusammenhang. Dieser Einsatz wird jedoch nicht eindeutig von der Preis-


(Jahn [Frankfurt])

bzw. Kostenseite her bestimmt. Der Werkverkehr f bietet nämlich eine Reihe von Vorteilen, die sich zahlenmäßig nicht fassen lassen, so daß seine Eigenkosten nicht ohne weiteres in Vergleich mit den Preisen für am Markt angebotene Beförderungsleistungen der übrigen Verkehrsträger gesetzt werden können. Es spielt auch der Umstand eine Rolle, daß im Werkverkehr durchweg nicht scharf gerechnet wird. Man kann dort eintretende Verluste auf die übrigen Werkabteilungen umlegen, was die Kostenrechnungen verfälscht. Damit steht der Werkverkehr nicht in echter Konkurrenz mit den übrigen Verkehrsträgern, macht ihnen vielmehr in beträchtlichem Umfang unlautere Konkurrenz. Das gilt besonders gegenüber der Eisenbahn. Die betreffenden Unternehmungen befördern vielfach ihre höherwertigen Güter im Werkverkehr, nehmen dagegen für den Abtransport ihrer Rohstoffe und Materialien die billigen Tarife und Ausnahmetarife der Eisenbahn in Anspruch, die durch ihre Beförderungspflicht zur Annahme jedes, auch des minderwertigsten Gutes zu niedrigen Frachtsätzen verpflichtet ist. Die Forderung, den Werkverkehr mit einer Sondersteuer bzw. einer erhöhten Beförderungsteuer zu belasten, um die eben genannten Verschiebungen der Wettbewerbsgrundlage auszugleichen oder einzuschränken, ist absolut berechtigt. Darüber hinaus muß aber auch eine Einschränkung des Werkverkehrs durch Verwaltungsmaßnahmen stattfinden, wenn diese Sondersteuer nicht ausreicht, um eine Zurückdrängung des Werkverkehrs auf das vertretbare Maß zu erzielen.
Anders liegen die Verhältnisse bei den Fahrzeugen des Kraftverkehrs. Hier besteht eine fortwährende Tendenz zur Überinvestition, weil kein einheitlicher Plan einer großen Unternehmung wie etwa der Eisenbahn vorliegt und weil die Investition der Entscheidung des einzelnen Unternehmers überlassen bleibt. Das führt beim Kraftwagen wegen der großen Zahl der Unternehmer und des geringen Kapitalbedarfs für die Neugründung von Unternehmungen zu einer laufenden Überinvestition und damit zu einem kontinuierlichen Überhang an Angebot, das Dauerkrisenerscheinungen zur Folge hat. Ein Ausweg kann hier nur dadurch gefunden werden, daß entweder der Staat die Fahrzeugzulassungen kontingentiert oder daß der betreffende Verkehrszweig zu einer Beschränkung des Fahrzeugneubaus durch Übereinkommen aller Anbieter kommt. Dieser Weg einer freiwilligen Einschränkung des Angebots ist allerdings wegen der Vielheit der Anbieter schwierig. Hier kann, solange keine funktionsfähige Organisation der Anbieter besteht, daher nur durch staatliche Maßnahmen eine laufende Überinvestition in den Fahrzeugen vermieden werden. Das gilt zumindest für den Fernverkehr. Im Nahverkehr stehen einer solchen Regelung einige Schwierigkeiten entgegen, die jedoch auch organisatorisch behoben werden können.
Ein Verbot des Kraftverkehrs für Massengüter und der Beförderung von Gütern durch Werkfernverkehr im reinen Verteilerverkehr an die Konsumenten scheint mir neben einer auf Bedürfnisprüfung basierenden Konzessionierung des Werkverkehrs das geeignete außermarktwirtschaftliche Mittel für den Beginn einer Neuordnung des Straßenverkehrs zu sein. Daneben sind eben noch aus Gründen der Verkehrssicherheit verwaltungsmäßige Eingriffe notwendig, die eine Beschränkung bzw. ein Verbot besonders sicherheitsgefährdender Transporte auf der Straße bezwecken, die man, wie ,die Erfahrung zeigt, durch reine Kosten und Preis beeinflussende Maßnahmen nicht verhindern kann, so das Verbot die Sicherheit gefährdender Transporte wie bestimmter Schwergüter, überhängender Ladungen, Beschränkungen des Achsdruckes zur Vermeidung übermäßiger Beschädigung der Straßen, Beschränkung der Länge der Lastzüge, Verbot des Anhängers allgemein oder auf Straßen, die wegen ihrer zu geringen Breite oder aus anderen Gründen durch den Änhänger in ihrer Verkehrssicherheit gefährdet werden, Einschränkung des Lastwagenverkehrs an bestimmten Tagen oder auf bestimmte Stunden, Beschränkung der Fahrgeschwindigkeit und Beschränkung der Gesamtlänge des Lastfahrzeugs, wie ich bereits vorhin gefordert habe. Das alles sind Maßnahmen, die eben nur auf verwaltungsmäßiger Ebene durchzuführen sind und deren Effekt sich durch rein marktmäßige Beeinflussung über Kosten und Preis nicht erreichen läßt.
Ich betrachte deshalb die Regierungsvorlage — um in meiner Terminologie zu sprechen — als den ersten Schluck aus der Flasche zur Überwindung der Durststrecke

(Heiterkeit)

bis zur endgültigen Neuordnung des Verkehrs. Denn es gibt nirgendwo in der Welt eine freie Marktwirtschaft im Verkehrswesen. Differenziert sind nur das Ausmaß, die Intensität und die Art oder staatlichen Beeinflussung der Verkehrsmärkte. Es ist allgemein gesagt worden — und ich will das auch feststellen —, daß die Mehrheit des Volkes einschließlich der Kraftverkehrswirtschaft der Ansicht ist, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip der Bundesbahn aus volkswirtschaftlichen Gründen erhalten bleiben muß. Dann aber scheint es nicht unvernünftig und nicht rückschrittlich, sondern zwingend notwendig, der Bundesbahn in der Übergangszeit ihren Massengüterverkehr nicht nur zu erhalten, sondern ihn zu steigern und dem Kraftverkehr hinsichtlich der Massengütertransporte Bindungen aufzuerlegen. Eine solche Maßnahme ist mit Schlagworten wie „Dirigismus" oder „Verbotsgesetzgebung" oder sie sei mit der Marktwirtschaft und dem Grundsatz ,der freien Konsumwahl unvereinbar, nicht zu widerlegen. Die Geschichte des Verkehrs in allen Ländern zeigt, daß freie Konkurrenz im Verkehr zu verlustreichen Kämpfen führt, die ,das ganze Wirtschaftsleben in Unordnung bringen. Es hat offenbar keinen Sinn, für den Verkehr volle Wettbewerbsfreiheit zu fordern. Die Folgen wären für Volk und Wirtschaft katastrophal. Es muß im Gegenteil wiederholt gemeinwirtschaftliche Bindung für alle Verkehrsträger gefordert werden, damit endlich Ordnung im Verkehr entstehen kann. Was wir heute betreiben, ist Verkehrsverschwendung schlimmster Art. Sie durch eine Verkehrsordnung einzudämmen, ist unsere Pflicht, andernfalls sind wir verantwortlich für die wirtschaftlichen und sozialen Folgen bei Fortdauer dieser Verschwendung.

(Beifall bei der SPD.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203803200
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage das Haus, wie wir jetzt weiter prozedieren wollen.

(Zurufe von der Mitte: Schluß machen! — Zurufe von der SPD: Laut Vereinbarung!)

Die Vereinbarung ging dahin, die Sitzung präzise um 18 Uhr zu beenden. Ist das Haus der Meinung, daß das jetzt geschehen sollte?

(Zustimmung.)



(Vizepräsident Dr. Schneider)

Ich muß dann loyalerweise noch bekanntgeben, daß bei mir noch ein Antrag der Abgeordneten Bauer und Genossen — Drucksache 695 — eingegangen ist. Er liegt dem Hause noch nicht vor. Ich darf ihn deshalb verlesen:
Die Bundesregierung wird ersucht:
1. Sofort mit der Bayerischen Landesregierung ins Benehmen zu treten, um festzustellen, welche außerordentlichen Maßnahmen zur Sicherung der bedrohten Existenz der Bevölkerung in den Katastrophengebieten neben den von der Bayerischen Landesregierung bereits eingeleiteten noch notwendig erscheinen;
2. sofort Maßnahmen zu treffen, um die an Verkehrswegen und Fernmeldeverbindungen eingetretenen Schäden, soweit ihre Behebung in die Zuständigkeit des Bundes fällt, schnellstens zu beseitigen und dafür notfalls andere Bauvorhaben zurückzustellen.
Die unterzeichneten Abgeordneten — es ist eine ganze Anzahl; ich vermag sie nicht zu zählen, aber es sind über 30 — haben darum gebeten, daß dieser Antrag jetzt noch erledigt würde. Ich gebe das dem Hause bekannt. Ich persönlich bin der Meinung, daß mit der Erklärung des Staatssekretärs Ritter von Lex zu den beiden Anträgen sachlich auch dieser Antrag erledigt ist. Ich frage aber das Haus: soll er für morgen auf die Tagesordnung?

(Zustimmung.)

— Gut! Dann darf ich eben noch feststellen, daß wir jetzt unter der Voraussetzung Schluß machen, daß der Punkt 3 der heutigen Tagesordnung, wie es auch interfraktionell vereinbart ist, morgen als erster Punkt der Tagesordnung behandelt wird, denn die Frage des-Rhein-Seitenkanals ist eine sehr eilige Angelegenheit. — Das Haus ist damit einverstanden.

(Abg. Schneider [Bremerhaven] : Zur Geschäftsordnung!)

— Bitte, zur Geschäftsordnung!

Herbert Schneider (CDU):
Rede ID: ID0203803300
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedauere sehr, daß die Übung dieses Hauses offenbar die ist, daß nicht erst einmal e i n Sprecher von jeder Fraktion bei einem so wichtigen Thema, wie wir es heute behandelt haben, zu Worte kommt.

(Abg. Samwer: Sehr richtig!)

Die Deutsche Partei ist heute zu kurz gekommen. Wenn Sie schon den Beschluß fassen, daß wir die Debatte vertagen, so möchte ich Sie doch bitten, daß die Aussprache morgen zuerst, vor allem anderen, fortgesetzt wird.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203803400
Wird das Wort dazu gewünscht?
Bitte, Herr Abgeordneter Krone.

Dr. Heinrich Krone (CDU):
Rede ID: ID0203803500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe durchaus Verständnis für den Wunsch, daß die Sprecher der Deutschen Partei und des GB/BHE sehr bald zu Worte kommen. Bei dem Antrag betreffend Rhein-Seitenkanal geht es allerdings nur um eine kurze Begründung ohne Debatte, was vielleicht 10 Minuten in Anspruch nimmt. Deshalb würde ich doch bitten, daß man diesen Punkt vorzieht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203803600
Sind Sie damit einverstanden, oder soll ich abstimmen lassen?

(Zurufe: Einverstanden!) — Gut, Einverständnis.

Ich gebe noch bekannt, daß die Sitzung des Ernährungsausschusses sofort im Anschluß an die Plenarsitzung und nicht erst in einer halben Stunde stattfindet.
Ich berufe die nächste, die 39. Sitzung des Deutschen Bundestags, auf Sonnabend, den 10. Juli 1954, 9 Uhr, und schließe die heutige Sitzung.