Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Müller-Hermann , Antragsteller: Herr Präsident! Meine Herren Minister!
Sehr geehrte Damen und Herren! Erwarten Sie bitte von mir keine rhetorischen Kunststücke, und erwarten Sie von mir nicht, daß ich etwa hier mit Pathos spreche. Denn es handelt sich bei der Materie, mit der wir uns heute zu beschäftigen haben, um ein außerordentlich ernstes Problem, das keine Weltanschauungsfrage ist, sondern ausschließlich eine wirtschaftspolitische Frage, bei der, um mit den Worten von Herrn Minister Seebohm zu sprechen, die lautesten Argumente nicht immer die besten sind. Wir haben alle die Aufgabe, das Problem nüchtern bis zu Ende zu durchdenken. Das ist der einzige Weg, auf dem wir zu klaren und vernünftigen Ergebnissen kommen können. Es scheint mir daher auch falsch zu sein, wie es leider in der öffentlichen Diskussion vielfach geschieht, daßwir mit Schlagworten operieren, mit den Worten verkehrskonform und marktkonform, Dirigismus usw. Diese Schlagworte dienen häufig mehr zur Vernebelung der wahren Tatbestände und zur Erregung des Gemüts als zur Erhellung der Materie. Und auch mit dem Gebrauch von Statistiken müssen wir außerordentlich vorsichtig sein, denn wir haben allen Anlaß, bei allen Zahlenunterlagen, die uns heute zur Verfügung stehen, zunächst einmal sorgfältig zu prüfen, welche Tendenzen hinter den Statistiken stehen.
Es hat auch keinen Zweck, daß wir das Verkehrsproblem — das Stichwort ist in der letzten Debatte im Februar gefallen — aus einer Eisenbahnerweltanschauung oder aus einer Ideologie der Kraftverkehrswirtschaft betrachten oder nur noch ein Herz für den Zement haben oder nur noch Bretter vor den Augen sehen. Der Bundestag hat die Verantwortung, daß eine Lösung des Problems gefunden wird, die in erster Linie den Menschen und unserer gesamten Volkswirtschaft dient.
Es ist selbstverständlich, daß es Interessentenvertretungen gibt und daß diese ihre Meinung in Broschüren, Denkschriften, Resolutionen vorlegen, von denen wir eine ganze Fülle auf unseren Schreibtischen haben oder in die Papierkörbe gelegt haben. Vielleicht wäre es wünschenswert, daß die enormen Mittel, die von allen Interessentengruppen für Propaganda in dieser Richtung ausgegeben werden — das gilt auch für diejenigen Verkehrsträger, die heute sehr viel von ihrer großen Notlage sprechen —, dazu verwendet würden, daß der Normalverbraucher, der Endabnehmer auch im Bereich des Verkehrs davon profitiert. Wenn wir schon von Interessentenvertretungen sprechen, dann haben wir Bundestagsabgeordnete meines Erachtens vor allem die Pflicht, diejenigen Bevölkerungsgruppen als die Interessenten zu betrachten, für die wir in erster Linie verantwortlich sind, die sonst keine Interessentenvertretung haben; damit meine ich insbesondere die Fußgänger.
Meine Damen und Herren! Es ist zuweilen ein gewisser Unmut darüber laut geworden, daß aus den Reihen der Koalition eine Alternative zu einer Materie vorgelegt worden ist, die auch bereits die Bundesregierung bearbeitet hat. Früher hat man davon gesprochen, daß Räder für den Sieg rollen müssen. Heute werden nach gewissen Äußerungen die Augen dafür gebraucht. Ich glaube, in diesem Zusammenhang ist einmal ein offenes Wort am Platze.
Meine politischen Freunde, die die Alternativvorlagen unterschrieben haben,
und ich, wir sind in jeder Beziehung loyale Unterstützer der Politik der Bundesregierung und des Bundeskanzlers und respektieren die Minister dieses Kabinetts und auch den Herrn Bundesverkehrsminister. Aber wir müssen uns vor dem Vorwurf der Öffentlichkeit hüten, daß wir hier eine Uniformierung der Meinungen anstreben oder gutheißen. Nicht jede Vorlage, die von irgendeinem Ministerium erarbeitet wird, und auch nicht jede Vorlage des Kabinetts ist für uns Bundestagsabgeordnete unfehlbar.
Wir erleben eine zum Teil bedenkliche Verlagerung des Schwergewichts in der gesetzgeberischen Arbeit von der Legislative zur Exekutive. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß die Materien, mit denen wir uns zu beschäftigen haben, so diffizil sind, daß eben eine sehr große Sachkenntnis dazu erforderlich ist, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Daraus ergibt sich ein nicht immer erfreulicher, wachsender Einfluß der Bürokratie. Ohne hier irgendwie zu verallgemeinern, meine Damen und Herren, müssen wir uns doch als
Volksvertretung energisch zur Wehr setzen gegen die Gleichgültigkeit oder zuweilen auch die Respektlosigkeit der Ministerialbürokratie gegenüber der Volksvertretung.
Auch in diesem Falle sind die Vorlagen erarbeitet worden, ohne daß die Fraktionen der Koalition bei den Vorarbeiten mit eingeschaltet worden sind.
Aber, meine Damen und Herren, die Verantwortung in der Öffentlichkeit tragen für alle diese Vorlagen die Parteien der Koalition und in erster Linie wir als Christlich-Demokratische Union. Wir als Parlament werden mehr und mehr zwischen die Szylla und die Charybdis der Ministerialbürokratie auf der einen und der Interessentenvertretungen auf der anderen Seite gedrängt, und es gehört schon in der heutigen Situation für einen Abgeordneten eine sehr große Energie dazu, sich ein selbständiges und unabhängiges Urteil zu erarbeiten und zu erhalten. Wir können aber als Parlament auf das Recht zur gesetzgeberischen Initiative nicht verzichten, und dieses Recht darf nicht nur auf dem Papier stehen und darf auch nicht nur auf die Opposition beschränkt bleiben. Die Koalitionsparteien haben die Pflicht, gegenüber der Regierung das Gewissen der Wählerschaft zu sein, die diesen Parteien ihr Vertrauen ausgesprochen hat.
Im Falle der Verkehrsvorlagen scheint mir diese Notwendigkeit insbesondere festzustehen nach der ungünstigen Aufnahme, die vor allem die Verbotsgesetzgebung des Bundesverkehrsministeriums in der Öffentlichkeit gefunden hat, die in einem zweifellosen Widerspruch zu bisherigen Erklärungen sowohl der Bundesregierung als auch des Bundesverkehrsministers steht. Ich glaube, bereits die Tatsache, daß eine Alternative erarbeitet und vorgelegt worden ist — man spricht von der neuen 131er-Gesetzgebung —, hat in der Öffentlichkeit zu einer Beruhigung der Gemüter geführt und den Menschen, die an den Verkehrsproblemen auf der einen oder andern Seite interessiert sind, die Gewähr dafür gegeben, daß die Materie tatsächlich von allen Seiten sorgfältig durchdacht und geprüft wird.
Vielleicht ist es in diesem Zusammenhang notwendig festzustellen, daß die sechs Alternativvorlagen nur in einem Falle sich in einer Konkurrenz zu den Regierungsvorlagen befinden, und zwar im Falle des Verkehrsfinanzgesetzes, das Herr Bundesfinanzminister Schäffer eben hier begründet hat. Ich stehe nicht an zu erklären, daß wir dieses Verkehrsfinanzgesetz der Bundesregierung als eine geeignete Diskussionsgrundlage betrachten. Aus diesem Grunde ist auch die Alternativvorlage in Form und Inhalt dem Verkehrsfinanzgesetz der Bundesregierung so angepaßt, daß es sich praktisch nur im einzelnen um Abänderungsvorschläge handelt.
Meine Freunde und ich nehmen nicht in Anspruch, daß die Alternativvorlagen etwa in jeder Beziehung der Stein der Weisen seien; wir nehmen aber für uns in Anspruch, daß diese Vorlagen — um hier einmal mit den Worten einer neutralen Organisation, nämlich des „Bundes der Steuerzahler", zu sprechen — eine sehr umfassende und sorgfältig durchdachte Arbeit sind, die Anspruch darauf hat, neben den Regierungsvorlagen in den Ausschüssen gleichberechtigt und gleichwertig behandelt zu werden.
Nun hat der Herr Bundesverkehrsminister, nachdem die zwei Gesetzentwürfe dem Hause vorgelegt worden sind, uns zu verstehen gegeben, daß es sich hier nur um einen ersten Teil einer Gesamtkonzeption handelt, und hat versucht, diese Gesamtkonzeption hier heute näher zu beschreiben. Wir haben bisher von dieser Gesamtkonzeption nichts im Detail gehört, sondern nur die Ankündigung, daß eine solche vorliege. Wir haben aber in der Zwischenzeit einen gewissen Vorgeschmack bekommen, wie eine solche Gesamtkonzeption aussehen könnte, und zwar durch das auch vorgelegte Personenbeförderungsgesetz. Dieses Personenbeförderungsgesetz ist zweifellos eine eindeutige Parteinahme des Bundes zugunsten der staatlichen Regiebetriebe und zu Lasten der mittelständischen Existenzen und für uns nur ein erneuter Anlaß, in allen Fragen der Verkehrsgesetzgebung die uns von den Wählern aufgetragene Wachsamkeit zu üben.
Es ist dann der Vorwurf erhoben worden, durch das Einbringen von Alternativvorschlägen würde eine Verabschiedung der Verkehrsgesetzgebung verzögert. Ich glaube, daß das Gegenteil der Fall ist. Entscheidend ist ja die Reihenfolge, in der wir uns an die Bearbeitung der Materie begeben, und ich bin mit dem Herrn Bundesfinanzminister der Meinung, daß wir an die erste Stelle das Verkehrsfinanzgesetz setzen und uns dann über die Frage der Unfallbekämpfung und die Frage der Verkehrswegefinanzierung unterhalten sollen. Ich fürchte nur, daß der Zeitverlust in der Bearbeitung der ganzen Vorlagen nicht durch das Vorhandensein von Alternativvorschlägen hervorgerufen wird, die doch eine Beschleunigung der Arbeit in den Ausschüssen ermöglichen, weil bereits ganz andere Materien in Gesetzesform behandelt werden, sondern daß der Zeitverlust durch das Fehlen geeigneter, sorgfältig analysierter Unterlagen eintreten wird, auf deren Fehlen von diesem Hause seit langem hingewiesen worden ist.
Bevor ich nun auf die Problematik im einzelnen eingehe und in einer Auseinandersetzung mit den Vorschlägen oder den Gedanken des Bundesverkehrsministeriums die Alternativgedanken entwickle, darf ich vielleicht noch auf das Klima der Verkehrspolitik zu sprechen kommen. Es ist noch nie so schlecht gewesen wie zur Zeit. Die Fronten: Wirtschaft — Verkehrsträger — Ministerien, stehen sich wie die Kampfhähne gegenüber. Wir haben aber als Bundestag gar kein Interesse daran, etwa die Eisenbahner gegen die im Kraftverkehr tätigen Menschen oder den einen Teil gegen die Wirtschaft oder gegen die politischen Organe auszuspielen, sondern wir haben bei aller natürlichen Überschneidung der Interessen nur das eine Anliegen, daß wir diese Kräfte, auf die wir alle angewiesen sind, zusammenführen und mit ihrer gemeinsamen Arbeit ein vernünftiges Ergebnis auf dem Gebiete des Verkehrs erreichen.
Dafür ist es notwendig, daß die Wirtschaft und die im Straßenverkehr tätigen Betriebe möglichst bald Klarheit erhalten über den weiteren Gang der Dinge, über ihre Rechte und ihre Pflichten, über ihre Belastung, und dazu ist notwendig, daß auch die Eisenbahner, für deren Leistungen in den Nachkriegsjahren wir, meine Damen und Herren, nur die größte Hochachtung aufbringen können, das Bewußtsein erhalten können, daß ihre Existenz dadurch gesichert ist, daß wir die Bundesbahn zu einem natürlicherweise gesunden Unternehmen machen, und nicht dadurch, daß die Bundesbahn weiter ein Koloß auf tönernen Füßen ist.
In der Verkehrsdebatte im Februar habe ich in der Begründung der Großen Anfrage an den Herrn Bundesverkehrsminister die Bitte gerichtet, seinen ganzen Einfluß darauf zu richten, daß nach Möglichkeit zur Ordnung des Verkehrswesens eine freie Vereinbarung der Beteiligten zustande kommt. Die Einsicht, daß Opfer gebracht werden müssen, ist zweifellos auf allen Seiten vorhanden. Man muß aber nach dem Stand der Dinge den Eindruck bekommen, daß das Hauptgewicht leider nicht darauf gelegt ist, die Leute zusammenzubringen, sondern darauf, sie gegeneinander auszuspielen und den Versuch zu machen, ein am grünen Tisch erarbeitetes Konzept oder Rezept, das vielleicht mit einer Seite abgesprochen worden ist — ich weiß es nicht — allen Beteiligten wie einen zu großen Hut über den Kopf zu stülpen. Die Folge jedenfalls ist eine Tatsache, die wir nicht übersehen können: daß über die Art der Verhandlungsführung eine allgemeine Unzufriedenheit bei den Beteiligten zum Ausdruck kommt, eine Unzufriedenheit, meine Damen und Herren, die sich auf die gesamte Regierung und auf die gesamte Koalition auswirkt. Unsere Bemühung in den Ausschußberatungen wird zunächst einmal darauf gerichtet sein müssen, hier das Klima zu bereinigen, und ich fürchte, daß auch das mit zu einem Zeitverlust führen könnte.
Ich habe aber noch eine sehr große Bitte, meine Damen und Herren: daß sich das schlechte Klima der Verkehrspolitik nicht noch auf die parlamentarische Ebene verlagert. Das Problem ist viel zu ernst, als daß Dogmen oder persönliche und Prestigefragen oder Fragen der Rechthaberei eine Rolle spielen sollten.
Ich bin der Meinung, das Bundesverkehrsministerium hätte vielleicht sogar Anlaß, froh zu sein, daß nicht nur Anregungen kommen, sondern daß auch Probleme einmal in einer Form angepackt werden, die das Bundesverkehrsministerium mit Rücksicht auf benachbarte Ministerien in der gleichen Form oder in der gleichen Zielsetzung nicht so energisch anpacken kann. Statt dessen scheint mir völlig unnötigerweise eine persönliche Verärgerung eingetreten zu sein. Ich weiß z. B., daß eine Anweisung gegeben worden ist, ein Sachbearbeiter dürfte an einer Tagung, zu der er eingeladen worden war, nicht teilnehmen, weil Herr Müller-Hermann dort zufällig das Referat hielt. Ich mußte dann den Herrn Sachbearbeiter, nachdem er am folgenden Tag auf der Tagung erschienen war, erst fragen, ob er wohl die Erlaubnis aus dem Hause habe, mir die Hand zu geben. Wir sind gegen eine Uniformierung der Meinungen nicht nur im Parlament, sondern auch in den Ministerien. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, daß meine Freunde und ich den Willen haben, mit allen Ministerien, mit allen Ministern zu einer sachlichen Zusammenarbeit zu kommen, daß wir für jede Kritik an den Alternativvorlagen aufgeschlossen sind, weil uns an nichts anderem liegt, als zur bestmöglichen Lösung beizutragen. Aber auch der Herr Minister muß sich damit zurechtfinden, daß gelegentlich außer ihm selbst vielleicht auch einmal ein anderer zufällig einen vernünftigen Gedanken haben kann,
wenn es sich auch, wie man hörte, um einen „her-
gelaufenen Journalisten" handelt. Auch Journalisten sind wie die Bergassessoren durchaus honorige Menschen, die sich mit Fleiß in eine Materie hineinzuarbeiten verstehen.
Wie ist nun die heutige Situation auf dem Gebiet des Verkehrs entstanden? Ich glaube, wir müssen das einmal analysieren, wenn wir zu klaren Ergebnissen kommen wollen. Meines Erachtens sind in erster Linie drei Gesichtspunkte hierbei entscheidend: erstens der Krieg mit seinen Folgeerscheinungen, mit den Zerstörungen und dem Mangel an Investitionsmöglichkeiten sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße; zum zweiten ein natürlicher Trend zur Straße, der sich im Zuge einer technischen Entwicklung vollzieht. Wir erleben es daher, daß das Problem Schiene-Straße nicht nur in der Bundesrepublik besteht, sondern sich auch in allen Staaten der Welt zeigt. Ohne hier über Zahlen streiten oder Vergleiche anstellen zu wollen, kann ich sagen: sicher ist jedenfalls, daß die Motorisierung in der Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Ländern noch zurücksteht. Aber die Motorisierung hat in der Bundesrepublik wie sonst in der Welt ja nicht nur Nachteile gebracht. Sie hat ein zusätzliches Verkehrsvolumen geschaffen, sie hat ein neues Wachstum hervorgerufen, sie hat zu einer Auflockerung der Städte und der Industriegebiete beigetragen. Wir wissen, welche Bedeutung gerade nach dem verlorenen Krieg, wo wir gezwungen waren, 10 Millionen Menschen zusätzlich in der Bundesrepublik aufzunehmen, der Möglichkeit zukam, Industrie vermehrt auch in ländlichen Bezirken anzusiedeln. Auf diese Weise sind gerade in den letzten Jahren viele Industrien unabhängig von den Bahnlinien, die in den früheren Jahrzehnten wegweisend für die Ansiedlung von Industrien waren, entstanden, eben indem sie sich damit begnügt haben, eine günstige Straßenverbindung zu haben. Diese ganze Entwicklung hat zu einem in der Tendenz durchaus gesunden neuen Gleichgewicht zwischen Stadt und Land beigetragen.
Es ist vielleicht auch bezeichnend, daß trotz des Einbruchs des Kraftwagens das Verkehrsaufkommen der Bundesbahn eine Steigerung erfahren hat. 1952 hatte die Bundesbahn im Vergleich zu 1938 einen Beförderungsindex von 120, der im Jahre 1953 leicht rückläufig gewesen ist, aber in erster Linie wohl durch die Entwicklung auf dem Montanmarkt. Herr Minister Seebohm selbst hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß sich die Achs-Tonnen-Leistung der Bundesbahn seit 1948 um 30 % gesteigert hat.
Noch ein dritter Tatbestand hat zu der heutigen Situation auf dem Gebiete des Verkehrs mit beigetragen. Das sind die Auswirkungen, aber zum Teil auch die Fehler der Verkehrs-, Steuer- und Tarifpolitik der letzten Jahre. Ich frage mich, meine Damen und Herren, warum wir eigentlich nicht, bevor wir jetzt so einschneidende, starre Maßnahmen wie eine Verbotsgesetzgebung ergreifen, zuerst einmal darangehen, den Versuch zu machen, durch eine Berichtigung der bisher falschen Steuer-, Tarif- und Verkehrspolitik das gleiche Ziel zu erreichen, und erst, wenn das nicht möglich ist, als ultima ratio den Versuch machen — wenn es dann noch notwendig sein sollte —, mit Verbotsmaßnahmen zu arbeiten, die einfach nicht in unsere allgemeine politische und wirtschaftspolitische Landschaft passen.
Die Auswirkungen der sozialen Marktwirtschaft auf die Wirtschaft sind bekannt. Zweifellos hat der Verkehr und haben gerade auch die Leistungen der Eisenbahn und der Eisenbahner nicht minder als die Leistungen des Kraftverkehrs zu dem gewaltigen Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre beigetragen. Hier liegt eine Wechselwirkung vor. Die Motorisierung half der Wirtschaft in ihrem Aufschwung, und auf der andern Seite half der wirtschaftliche Aufschwung bei der Stärkung der Motorisierung. Diese Motorisierung ist zum Teil aus sehr gesunden, zum Teil aber auch, wie wir erkannt haben, aus unrichtigen Überlegungen heraus systematisch gefördert worden, besonders in Richtung auf die schweren Fahrzeuge, die wir heute als die Ungetüme auf den Landstraßen von dort möglichst verbannt wissen wollen. Ich denke nur an den sogenannten Knick in der Kraftfahrzeugbesteuerung, durch den gerade den schweren Fahrzeugen eine besondere steuerliche Begünstigung eingeräumt wurde. Ich denke an die Abschreibungsmöglichkeiten für die Lastwagen bei der Einkommensteuer, die zu einer enormen Vermehrung des Werkverkehrs geführt haben. Ich denke daran -- das wollen wir alle jetzt ja abstellen —, daß die anlastbaren Straßenkosten beim Straßenverkehr, beim Kraftverkehr, eben viel zu gering gewesen sind. Ich möchte auch darauf hinweisen, meine Damen und Herren, daß sowohl durch Maßnahmen des Bundestages als auch durch Rechtsverordnungen des Bundesverkehrsministeriums die zulässigen Gewichte in den letzten Jahren auf 40 t erhöht und die Lastzuglängen auf 20 m festgelegt worden sind. Meine Damen und Herren, es hat keinen Zweck, jetzt moralische Entrüstung darüber zu spielen, daß die Wirtschaft gesetzliche Möglichkeiten legal ausgenutzt hat.
Wir müssen uns vielmehr zunächst einmal an die eigene Brust schlagen und sehen, wo wir in den letzten Jahren gesündigt haben. Wir tragen wohl auch eine gewisse Verantwortung für die Existenzen, vor allem für die mittelständischen Existenzen, die im Vertrauen auf diese zwar falsche, aber tatsächliche Politik in den letzten Jahren aufgebaut worden sind.
Wenn ich etwas über die Politik der letzten Jahre auf dem Gebiet des Verkehrs sage, so muß ich anfügen, daß nicht nur der Straßenverkehr einseitig begünstigt worden ist, sondern daß man auch auf der andern Seite dem Rückgrat unserer Verkehrs-. bedienung, der Bundesbahn, nur sehr wenig Hilfe hat angedeihen lassen und daß man aus Gründen, die meines Erachtens respektiert werden müssen, nämlich infolge des Fehlens finanzieller Möglichkeiten, den Straßenbau nicht so vorantreiben konnte, wie es vor allem in Anbetracht der vordrängenden und systematisch geförderten Motorisierung notwendig gewesen wäre. In dieser Diskrepanz, meine Damen und Herren — darüber müssen wir uns zunächst einmal Klarheit verschaffen —, liegt der wesentliche Grund für die Unfallsituation, die wir alle so beklagen. Das Kennzeichen der Verkehrspolitik der letzten Jahre ist eben gewesen, daß man sich nicht Klarheit über die Gesamtheit der Materie verschafft hat und die Dinge mehr oder weniger hat treiben lassen, daß man nicht einmal an die Beseitigung of fen-sichtlicher Übelstände und Ungerechtigkeiten herangegangen ist. Denn die sogenannte Knickbeseitigung hätte doch schon längst erfolgen können und erfolgen sollen.
Man hat auch nicht einmal in den Vorarbeiten zur Erarbeitung des Unterlagenmaterials das Nötige getan, so daß wir jetzt erst darangehen müssen, uns dieses Material zu erarbeiten, was sich auf die Ausschußberatungen zweifellos nicht förderlich auswirken wird.
Wir stehen nunmehr alle vor der Frage, was in dieser durch Krisenjahre gewachsenen und zum Teil künstlich geschaffenen Situation geschehen kann. Ich möchte zunächst auf das Einigende in der Zielsetzung hinweisen. Wir wollen uns hier ja doch nicht auseinanderreden, sondern wollen eine Synthese finden, wie wir am vernünftigsten zum Ziel kommen. Wir sind uns darin einig, daß Ordnung in das heutige Durcheinander und Gegeneinander gebracht werden muß, eine Ordnung, durch die der Verkehr in die Lage versetzt wird, seine Funktion als Teil der Wirtschaft und als Diener der Menschheit zu erfüllen. Wir wollen keine einseitige Interessenausrichtung, und zwar keine einseitige Ausrichtung zugunsten der öffentlichen Verkehrsbetriebe wie auch keine zugunsten der privaten Verkehrsbetriebe. Wir wollen eine Erhöhung der Verkehrssicherheit. Wir wollen eine Gesundung der Bahn, die auch in Zukunft das Rückgrat der Verkehrsbedienung bleiben soll. Wir wollen eine leistungsfähige Wirtschaft, und wir wollen eine Stärkung der selbständigen und mittelständischen Existenzen. Meinungsverschiedenheiten über Einzelheiten der Lösung wollen wir nicht verwischen, sondern sachlich austragen. Diese Meinungsverschiedenheiten gehen ja quer durch dieses Parlament. Ich weiß, daß die Meinungen in einer Frage, die nichts mit Weltanschauung zu tun hat, sondern ein nüchtern-sachliches Problem ist, natürlicherweise in allen Fraktionen nicht einhellig sind. Aber wir müssen diese Meinungsverschiedenheiten sachlich bereinigen.
Nun bietet das Bundesverkehrsministerium eine bequeme und, wie mir scheint, zum Teil verlokkende Lösung an, indem es nämlich sagt: Wir vollen den vorhandenen Verkehrskuchen durch den Staat aufteilen, indem wir für bestimmte Beförderungen ein Transportverbot aussprechen und zum andern den Werkverkehr nahezu prohibitiv besteuern. Damit würde zwangsweise eine Zuführung von Transporten zur Bahn erfolgen, und wir hätten als Ergebnis eine finanzielle Gesundung der Bahn und zugleich eine Entlastung der Straße sowie eine erhöhte Verkehrssicherheit. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß es meines Erachtens das Logischste gewesen wäre, ehe man einen solch unorganischen Eingriff in die Wirtschaft vorschlug, zunächst einmal Dinge zu berichtigen, die in den letzten Jahren offensichtlich falsch gewesen sind, und sich einen solchen Eingriff nur als äußersten Notbehelf aufzusparen. Vor allem müssen wir uns bei der Lösung dieser Fragen davor hüten, die Motive und die Zielsetzung miteinander zu verquicken. Wir müssen offen und logisch sein. Dann werden wir zu dem Ergebnis kommen, daß die Sanierung der Bahn und die Erhöhung der Verkehrssicherheit zwei getrennte Fragenkomplexe sind, die nichts miteinander zu tun haben und die man auch nicht unnötigerweise miteinander verquicken soll;
denn das führt immer zu Unaufrichtigkeiten, die wir vermeiden sollen.
Ich will mich jetzt nicht in eine Debatte darüber einlassen, inwieweit gerade die Verbotsgesetzgebung eine Sünde wider den Geist unserer Wirtschaftspolitik ist; das möchte ich anderen überlassen. Ich möchte auch nicht die Frage vertiefen, wieweit diese Verbotsgesetzgebung mit dem Grundgesetz vereinbar ist; darüber sollen sich die Rechtsgelehrten auseinandersetzen. Hier interessiert nur die nüchterne Überlegung: Welche Auswirkungen hat die Verbotsgesetzgebung, und werden die beiden Hauptziele, die dem Bundesverkehrsministerium vorschweben, nämlich Erhöhung der Sicherheit und Sanierung der Bundesbahn, auf diesem Wege erreicht? Sicher ist zunächst einmal, daß die Verbotsgesetzgebung natürlicherweise zu einer weiteren Stärkung der Bürokratie führen wird, denn Verbote erfordern eine Überwachung. Mir ist nicht ganz klar, wie man diese Überwachung durchführen soll, es sei denn, man setzt auf jeden Lkw gleich auch einen Polizisten, der aufpaßt, was der Mann auf dem Lastwagen hat. Verbote erfordern natürlicherweise Ausnahmen, und die Ausnahmen erfordern einen Apparat, aber, was mir noch wichtiger erscheint, sie erfordern, daß irgendwie ein Bürokrat darüber entscheidet, ob eine Ausnahme in einem wirtschaftlichen Vorgang gemacht werden soll oder nicht. Ich behaupte, daß ein Bürokrat — das ist kein Schimpfwort, das Wort Bürokrat droht ja schon manchmal als ein Schimpfwort aufgefaßt zu werden — zunächst einmal nicht die erforderliche Sachkenntnis hat, um darüber entscheiden zu können, ob ein Straßentransport aus wirtschaftlichen Gründen als Ausnahme notwendig ist oder nicht. Außerdem werden zweifellos die mittelständischen Existenzen des Kraftverkehrs durch diese Beförderungsverbote wenn nicht vernichtet, so doch schwer getroffen.
Zudem liegt ganz zweifellos eine Benachteiligung der wirtschaftsschwachen und der revierfernen Gebiete vor, die eben weniger mit Eisenbahnlinien erschlossen sind als andere Gebiete. Auf diese Art und Weise werden aber die bisherigen Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Wirtschaft zum Teil grundlegend geändert und verfälscht. Mein Kollege Donhauser wird gerade auf diese Frage noch näher eingehen. Die Wettbewerbsverhältnisse werden nicht nur gebietsmäßig grundlegend verändert, sondern auch innerhalb verschiedener Wirtschaftszweige, weil in Zukunft in viel stärkerem Maße, als es zur Zeit der Fall ist, die bahngünstige Lage auch für den Endpreis entscheidend sein wird. Es gibt gar keinen Zweifel, daß auf wichtigen Gebieten unserer Wirtschaft durch die Beförderungsverbote erhebliche Verteuerungen im Endpreis eintreten müssen.
Ich glaube, daß diese Frage bisher noch in keiner Weise genügend durchdacht und geklärt worden ist.
Inzwischen sind nun wohl solche Überlegungen auch bei denen angestellt worden, die sich zunächst sehr intensiv für die Verbotsgesetzgebung eingesetzt haben und sie als das Allheilmittel bezeichnen. Wir erleben es heute, daß — möchte ich einmal sagen — „Handlungsreisende in Verbotsgesetzen" herumfahren und überall den Versuch machen, die
Verbotsgesetzgebung dadurch schmackhaft zu machen, daß sie Tauschgeschäfte anbieten. Das gilt zunächst für die rein politische Ebene im Hinblick auf die einzelnen Länder. Da gibt es immer verschiedene Möglichkeiten, darauf hinzuweisen, was man alles für ein Land tun könne, wenn —. Das gilt auch, meine Damen und Herren, für die Bundesbahn selbst, die heute darangeht, verschiedenen Randbezirken und auch verschiedenen Wirtschaftszweigen Ausnahmetarife anzubieten, wenn sie sich im Grundsatz mit der Verbotsgesetzgebung einverstanden erklären, oder die darangeht, Großbestellungen an die Industrie vorzunehmen, um eben das Klima auf Landesebene etwas zu ändern.
Ich glaube nur, daß das keine Gesichtspunkte für eine Verkehrspolitik sind. Vor allem sind wir im Gegensatz zum Herrn Bundesverkehrsminister der Meinung, daß die Tarifpolitik nicht am Ende der Verkehrspolitik zu stehen hat, sondern ein integrierender Bestandteil einer vernünftigen Verkehrspolitik ist.
Ich frage mich: Wie denkt man sich eine vernünftige Tarifgebarung, wenn man jetzt aus politischen Gründen unabhängig von den noch zu ermittelnden Erfordernissen der künftigen Verkehrs- und Tarifpolitik Zugeständnisse macht, die zweifellos in das Gesamtbild der zukünftigen Tarifpolitik nicht hineinpassen werden.
Und nun zu den beiden wichtigen Fragenkomplexen Bundesbahnsanierung durch die Verbote und Verkehrssicherheit. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten den Herrn Bundesverkehrsminister zitieren, der am 11. Februar 1954 ausführte:
Ich darf . . . das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, daß die Deutsche Bundesbahn im Schnitt der Jahre 1949 bis 1952 einen Ausgleich ihrer Betriebsausgaben durch die Betriebseinnahmen aufweist und daß in diesen vier Jahren, also im ganzen gerechnet, kein Defizit entstanden ist, das sich aus dem Verhältnis der Betriebseinnahmen zu den Betriebsausgaben, also aus der reinen Betriebsrechnung, ergab. Die Verluste, die im Jahre 1953 eingetreten sind, sind im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß wir durch gesetzliche Maßnahmen eine Erhöhung der Gehälter, denen eine Erhöhung der Löhne folgte, gehabt haben und daß die Eisen- und Kohlenpreise für die Bundesbahn nicht unerheblich gestiegen sind, Mehrbelastungen, die ich insgesamt pro Jahr mit 600 bis 700 Millionen DM beziffere, die also praktisch jenem Defizit entsprechen, das im letzten Jahr ausgewiesen worden ist.
Wir müssen der Bundesbahn helfen; aber, meine Damen und Herren, woher nehmen wir die moralische Berechtigung, dies einseitig zu Lasten eines anderen Verkehrsträgers zu tun, der, um mit dem Herrn Bundesverkehrsminister zu argumentieren, dieses Defizit nicht verschuldet hat?
Vielleicht ist es auch sehr aufschlußreich, Äußerungen des Vorstands der Bundesbahn selbst zu dieser Sache zu hören. Nach der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" äußerte sich Herr Präsident Frohne dieser Tage in bezug auf das Verbotsgesetz
folgendermaßen: „Die Entlastung der Straße ist der entscheidende Gesichtspunkt. Kein anderes Verkehrsmittel werde sich also so wirtschaftlich wie die Bundesbahn erweisen, wenn ihr die politischen Lasten abgenommen und Mittel für die Beseitigung der Kriegsschäden und die Instandsetzung der Anlagen gegeben würden. Dem Kraftverkehr müßten endlich seine vollen Wegekosten in Form höherer Sonderabgaben aufgebürdet werden".
Danach erklärte das Vorstandsmitglied Herr Dr. Hilpert: „Als Voraussetzung für ihre Gesundung" — nämlich die Gesundung der Bahn — „sehe die Bahn an, daß ihr ein Teil des auf die Straße abgewanderten Verkehrs zurückgegeben werde. Das Straßenentlastungsgesetz sei ein Schritt auf diesem Wege". Entschieden verneinte Präsident Dr. Hilpert die Frage — darauf komme ich später noch —, ob die Bundesbahn schon fertige Pläne zur Erhöhung der Massengütertarife „in der Tasche habe".
Darauf äußerte sich als letzter Präsident Dr. Schelp und meinte: „Die Mehreinnahmen, die der Bundesbahn auf Grund der geplanten Verbote für den Massengutverkehr auf der Strecke entstünden, seien roh geschätzt mit etwa 70 Millionen DM jährlich zu veranschlagen.
Im Hinblick auf das zu erwartende Defizit von rund 800 Millionen DM im Jahre 1954 sei das ein geringer Betrag, und man sehe daraus, daß die Verkehrsverbote die Bundesbahn nicht sanieren könnten".
Soweit die Herren Präsidenten der Bundesbahn. Man könnte meinen, es seien hier offensichtlich starke Meinungsverschiedenheiten vorhanden — was durchaus gesund sein kann —; aber vielleicht sind sie auch ein Beweis für die Richtigkeit unseres Vorschlags, daß man, um solchen Meinungsverschiedenheiten auszuweichen, doch besser einen verantwortlichen Generaldirektdr an die Spitze der Bundesbahn stellen sollte. Im Augenblick interessiert mich aber lediglich die Tatsache, daß eine Gesundung der Bundesbahn zweifellos durch diese Verbotsgesetzgebung nicht erreicht wird.
Nun die Frage der Verkehrssicherheit! Wir ärgern uns alle über die Ungetüme auf der Landstraße. Aber Ärger ist noch kein Gesichtspunkt. Wir kennen die Unfallstatistiken. Danach ereignen sich 80°/o der Unfälle in geschlossenen Ortschaften, und die Fernverkehrsstraßen stehen heute noch relativ am günstigsten in der Unfallstatistik da. Ich kann der Argumentation des Herrn Ministers Seebohm nicht ganz folgen, sondern für mich ist es ein vollkommen logischer Vorgang, daß in dem Augenblick, in dem ich einem Ferntransportunternehmer verbiete, Massengüter über eine Entfernung von 50 km zu befördern, dieser Unternehmer den energischen Versuch machen wird, seine Existenz dort zu suchen, wo er eine Erlaubnis dafür hat; d. h. er wird in die Nahzone hineingehen und wird — davon bin ich überzeugt — seine Existenzmöglichkeit finden, indem er eben noch mehr der Bundesbahn die Transporte in der Nahzone abjagt.
Wir werden also ganz zweifellos zu einer weiteren
Massierung der schweren Fahrzeuge gerade in den
Ortschaften und ihrer näheren Umgebung kommen.
— Das kommt dazu; da haben Sie recht.
Ein weiteres, meines Erachtens doch sehr Bedenken verursachendes Argument gegen die Verbotsgesetzgebung ist das folgende: Ich sagte, wir wollen uns davor hüten, mit Schlagworten zu arbeiten; aber es liegt nun einmal auf der Hand, daß ,die Bundesbahn durch das Beförderungsverbot eine Art Monopolstellung in der Beförderung bestimmter Güter auf bestimmten Entfernungen bekommt, auch wenn in manchen Bereichen der Konkurrent Binnenschiffahrt erhalten bleibt.
Nun besteht natürlich die Gefahr, daß eine solche Monopolstellung, die die Bahn wieder bekommen wird, auch dazu benützt würde, einseitige tarifarische Maßnahmen zu ergreifen. Diese Möglichkeit ist in sehr vorsichtigen Formulierungen von der Bundesbahn abgestritten worden. Wir nehmen das dankbar zur Kenntnis. Wir müssen aber auch sehen — und vor allem sieht es die Öffentlichkeit —, daß in den ursprünglichen Vorlagen des Bundesverkehrsministeriums, in der sogenannten Milchbarvorlage, die ja kein Geheimdokument mehr ist, ein sehr eindeutiger Hinweis darauf enthalten ist, nicht nur das Ob zu prüfen, sondern daß man nach einer Verbotsgesetzgebung in Erwägung ziehen müsse, die Massenguttarife der Bundesbahn zur Erzielung von Mehreinnahmen bei der Bundesbahn anzuheben. Wir sind der Meinung, daß wir auch dieser Versuchung widerstehen sollten. Wir wünschen nicht, daß die Bundesbahn den Ausweg aus ihrer Krise darin sieht — ich komme auf die Fragen der Tarifgebarung noch im einzelnen zu sprechen —, unberechtigte Tariferhöhungen vorzunehmen, nur weil sie eine Monopolstellung besitzt, anstatt das Schwergewicht ihrer Bemühungen auf eine stärkere Rationalisierung zu legen.
Nachdem jetzt jahrelang im Bereich des Verkehrs eine Politik getrieben worden ist, die den Kraftverkehr begünstigt hat, sollten wir uns davor hüten, nunmehr in das gegenteilige Extrem zu verfallen und hier eine Kur à la Dr. Eisenbahn oder à la Dr. Eisenbart vorzunehmen. Man kann einen Personenwagen nicht aus dem dritten Gang einfach in den Rückwärtsgang überschalten, sondern man muß Gas wegnehmen; andernfalls geht das Getriebe kaputt, und der Wagen geht über den Kopf. Es ist nicht gut — und darin sehen meine Freunde und ich die Hauptgefahr —, daß der Staat unmittelbare Eingriffe in den Wirtschaftsablauf vornimmt, die immer zu Störungen führen müssen. Wir wissen auch nicht, wo das aufhört, wenn wir einmal damit anfangen. Wir wünschen, daß die freie Konsumwahl auch im Bereich des Verkehrs aufrechterhalten bleibt, und sind deswegen der Meinung, daß man auch nicht an der Verbotsliste herumkurieren soll. Nicht der Staat soll bestimmen, welches Verkehrsmittel für einen bestimmten Transport das Gegebene ist, sondern der Dispositionsberechtigte. Wir müssen durch vernünftige steuerliche, tarifpolitische und auch technische Regelungen dafür sorgen, daß der Dispositionsberechtigte zu einer viel schärferen Kalkulation gezwungen wird, als das heute der Fall ist, und daß wir auf diesem Wege zu dem gleichen Ziel
kommen, nämlich zu einer Entlastung der Straße von den schweren Ungetümen und zu einer Zuführung von Massenguttransporten zu der Bundesbahn über weite Entfernungen.
Vielleicht darf ich mir erlauben, als Fürsprecher dieser Argumentation den Herrn Bundesverkehrsminister selbst zu zitieren. Er erklärte im Juni 1953 mit Recht:
Ich habe stets mit Nachdruck hervorgehoben, daß wir in der Binnenschiffahrt, im Straßenverkehr und in der Küsten- und Seeschiffahrt noch einen gesunden selbständigen Mittelstand besitzen. Die Existenz dieses Mittelstandes muß unbedingt erhalten werden. Wir sollten nach Möglichkeit alles tun, um ihn zu fördern und zu pflegen. Ferner müssen wir auch bedenken, daß der Verkehr weit stärker als viele andere Gewerbezweige dem Gesetz des technischen Fortschritts unterworfen ist. Es bestimmt als ehernes Gesetz die Entwicklung des Verkehrs. Ein Irrtum ist daher, wenn man vorschlägt, etwa den Straßenverkehr, den Luftverkehr oder gar die weitere Motorisierung abzudrosseln in der Erwartung, damit der Binnenschiffahrt oder der Eisenbahn zu helfen. Eine Regierung ist schlecht beraten, die versucht, den Fortschritt zu hemmen und die private Initiative, diesen stärksten Motor aller Entwicklung und jedes sozialen und wirtschaftlichen Aufstiegs, in Fesseln zu schlagen. Wer dem durch die technische Entwicklung bedingten Verlust der früheren Monopolstellung nachweint, muß sich sagen lassen, daß ein ähnlicher Zustand nur erreicht werden kann, wenn alle Binnenverkehrsmittel verstaatlicht und einer Leitung unterstellt, also staatssozialisiert werden. Die Erfahrungen, die man auf diesem Gebiet in England gemacht hat, schrekken.
Und an anderer Stelle sagte er von der Bundesbahn:
Der Verkehr ist viel zu dynamisch und viel zu empfindlich abhängig von der immer noch stürmisch fortschreitenden Entwicklung, als daß seine Probleme durch staatliche Maßnahmen wie Gesetze oder Verordnungen auf die Dauer gültig geregelt werden können. Alle Verkehrsgesetze müssen deshalb so angelegt werden, daß sie der lebendigen Entwicklung nicht im Wege stehen, und sie müssen in ständiger Übereinstimmung mit dem technischen Fortschritt laufend weiter entwickelt werden.
So weit der Herr Bundesverkehrsminister.
Wir, die wir die Alternativvorlagen eingebracht haben, sind der Auffassung, daß das gleiche oder ein ähnliches Ziel, wie es dem Herrn Bundesverkehrsminister vorschwebt, durch elastische, geschmeidige und einen nun einmal gewachsenen Verkehrs- und Wirtschaftsablauf nicht unterbrechende, sondern ihn allmählich in neue Bahnen leitende Maßnahmen, die ineinandergreifen, erreicht werden kann. Wir wünschen, daß zugleich eine Ergänzung dieser Entwicklung mit Maßnahmen vorgenommen wird, die zu einer wirklich wirksamen Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen können, sowie mit einer energisch betriebenen Forcierung des Straßenbaus.
Der Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist, daß nur mit einem gesunden Leistungswettbewerb ein Anreiz zu ständig wachsenden Leistungen der Verkehrsträger gegeben und unser Verkehrsapparat wirklich rationalisiert werden kann und zum andern, meine Damen und Herren, ein Leistungswettbewerb nur möglich ist, wenn für die Verkehrsträger gleiche Startbedingungen bestehen.
Das ist eine Erkenntnis, die in einem Grundsatzprogramm der CDU ihren Niederschlag gefunden hat und einer sehr klaren Konzeption entspringt, die unter der maßgeblichen Führung von Herrn Präsidenten Brand aus Oldenburg der Wirtschaftspolitische Ausschuß und der Verkehrspolitische Ausschuß der CDU entwickelt haben. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß der CDU hat diese Konzeption noch in diesem Jahr damit erhärtet, daß er ausdrücklich feststellte, daß auch im Bereiche des Verkehrs der Wettbewerb unangetastet bleiben soll.
Nun bedeutet nach unserer Auffassung Wettbewerb nicht Kampf bis aufs Messer und auch nicht einen Verzicht auf Regulative, die ein gewisses Gleichgewicht zwischen Schiene und Straße herstellen und vor allem die arteigenen Vorzüge der Verkehrsträger — hier muß besonders auch an die Binnenschiffahrt gedacht werden — entwickeln helfen. Als Regulative bieten sich nach unserer Auffassung die Steuerpolitik und die Tarifgebarung an.
Zunächst einmal ein Wort zu der Frage: Sind wir Fürsprecher eines ungehemmten Wettbewerbs im Verkehr? — Das wäre unsinnig; denn das würde bedeuten, daß sich die Ordnung des Verkehrs über Angebot und Nachfrage regeln müßte. Wis wissen, daß bei Verwirklichung einer solchen Vorstellung die verkehrsentfernten, die verkehrsschwachen Gebiete und die schwächeren Wirtschaftszweige in außerordentliche Bedrängnis kämen. Es besteht ein gesamtpolitisches Interesse daran, daß alle Gebiete in gesunder Weise durchblutet sind und insbesondere auch die schwächeren, aber lebensnotwendigen Wirtschaftszweige gefördert werden. Das gilt insbesondere für die Zonenrandgebiete. Wir haben eine solche Politik auch und nicht zuletzt im Hinblick auf die Wiedervereinigung Deutschlands zu betreiben. Wir haben ein Interesse daran, daß in den heutigen Zonengrenzgebieten das gesunde wirtschaftliche Leben erhalten bleibt und nicht beeinträchtigt wird.
Dieser Tendenz dient in der heutigen Tarifgebarung die Entfernungsstaffel, die Wertstaffel oder die Einschaltung von Ausnahmetarifen, und ihr hat auch das zu dienen, was wir heute unter Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn verstehen: die Beförderungs- und Betriebspflicht und der Tarifzwang.
Lassen Sie mich ausdrücklich feststellen, daß meine Freunde und ich die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn erhalten wissen wollen. Aber wir stellen die Frage: Wissen wir denn wirklich, was diese Gemeinwirtschaftlichkeit heute effektiv bedeutet? Die Bahn behauptet, sie sei eine exorbitant schwere Belastung, und der Kraftverkehr, der nach dem Selektionsprinzip arbeiten könne, picke sich nur die Rosinen aus dem Kuchen. Wo ist hier Mythos, wo Wahrheit?, — eine Kardinalfrage, die geklärt werden muß. Denken Sie bitte daran, daß die gemeinwirtschaftlichen Pflichten der Bahn aus einer Zeit stammen, in der die Bahn eine Monopol-
stellung innehatte. Damals war die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung in erster Linie ein Schutz der Verkehrsnutzer dagegen, daß die Bahn ihre natürliche Monopolstellung mißbrauchte. Inzwischen besitzt die Bahn eine Monopolstellung nicht mehr, und wir wollen im Interesse unserer gesamten Volkswirtschaft auch mit aller Energie verhüten, daß sie wieder eine erhält. Die Monopolstellung ist nicht nur durch den Ausbau der Wasserstraßen und durch den Straßenverkehr beseitigt, sondern auch dadurch, daß heute Energie durch Überlandleitungen und neuerdings auch durch Pipelines befördert wird. Nur hat früher ein Einklang zwischen der Gemeinwirtschaftlichkeit und der Eigenwirtschaftlichkeit der Bahn bestanden. Die Bahn war in der Lage, Überschüsse an den Staat abzuführen.
Heute stehen wir vor den Fragen: Wie verhalten sich in der heutigen Situation Eigenwirtschaftlichkeit und Gemeinwirtschaftlichkeit bei der Bahn? Inwieweit können gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen abgebaut werden, indem sich die Bahn der veränderten Verkehrsstruktur anpaßt? Inwieweit können auch durch den Kraftverkehr gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen übernommen werden? Und: Welche effektiven Vorteile stehen der Gemeinwirtschaftlichkeit der Bahn durch steuerliche Begünstigung gegenüber? Wir können in diesen Fragen nur zu einer Klarheit kommen, wenn uns endlich einmal eine Analyse der Selbstkosten der Bundesbahn vorgelegt wird. Wir haben vom Herrn Bundesverkehrsminister gehört, daß die Arbeiten auf diesem Gebiet noch längst nicht abgeschlossen sind. Wir wenden uns aber mit Entschiedenheit dagegen, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip und seine praktische Nutzanwendung mit Starrheit und Sturheit dort aufrechterhalten bleiben, wo mit dem Abbau der Gemeinwirtschaftlichkeit und ihrer Anpassung an die veränderten Strukturverhältnisse der gleiche volkswirtschaftliche Effekt billiger und rationeller erzielt werden kann.
Wir müssen mit der gleichen Energie daran arbeiten, daß unter Aufrechterhaltung notwendiger gemeinwirtschaftlicher Verkehrsbedienungen wieder eine größere Angleichung von Gemeinwirtschaftlichkeit und Eigenwirtschaftlichkeit erreicht wird. Wir können es uns einfach nicht leisten, daß wir alte Investitionen durch immer neue Zuschüsse lebensfähig erhalten, sondern wir müssen auch einmal eine Entscheidung dahingehend treffen, daß Investitionen, die veraltet und nicht mehr zu halten sind, abgeschrieben werden. Voraussetzungen dafür sind auf der einen Seite der gute Wille der Bahn, auf der andern Seite aber auch, daß man der Bahn die Möglichkeit gibt, ihren guten Willen zu realisieren. Mit anderen Worten: die Bundesbahn muß ihre Transportleistungen konzentrieren und das Schwergewicht ihrer Beförderungen auf den Massenverkehr und auf den Knotenverkehr legen. Hier liegen die natürlichen Vorzüge der Bahn, hier liegt ihre Überlegenheit, und hier wird sie immer billiger als der Kraftverkehr bleiben.
Die Leistungsfähigkeit der Bahn auf diesen speziellen Gebieten muß auch ihren Ausdruck in einer Tarifgestaltung finden, die den Selbstkosten angenähert ist. Andererseits muß damit eine Stillegung von unrationellen Anlagen und Nebenstrecken sowie eine Einschränkung des Stückgut- und des Eilgutverkehrs Hand in Hand gehen, für die heute erhebliche Zuschüsse geleistet werden. Vor allem müssen Strecken stillgelegt werden, für die mehr
Fahrpersonal benötigt wird, als Fahrgäste vorhanden sind. Gegenüber dem Wehklagen von Landräten, Bürgermeistern, Landtags- und Bundestagsabgeordneten müssen wir der Bahn auch eine Gewähr dafür geben, daß sie dort, wo eine solche rationelle Beschneidung ihrer Verkehrsanlagen notwendig ist, diese auch durchsetzen kann.
Gegenüber diesen Vorzügen der Bahn stehen die Vorzüge der Straße im Zubringerdienst, im Verteilerdienst, im Einzeltransport, in der Maßarbeit, durch Pünktlichkeit überall dort, wo Verderblichkeit in Frage steht, wo eine schonende Behandlung notwendig ist. Es bleibt zwischen Schiene und Straße ein weiter Bereich in Entfernung und Gewicht, wo eine gleichwertige Verkehrsbedienung möglich ist. Wir müssen die Konkurrenzfähigkeit der Bahn stärken, indem wir ihr die Möglichkeiten dazu schaffen, ihren Behälter- und ihren Gleisanschlußverkehr zu verbessern. Es bleibt ein weiter Bereich, wo Ergänzungen und eine Zusammenarbeit der Verkehrsträger möglich und nötig sind, vor allem in der Bedienung der Nebenstrecken, im Stückgut- und im Eilgutverkehr.
Hier vor allem liegt auch ein Feld für die Übernahme gemeinwirtschaftlicher Dienste durch den Kraftverkehr. Wir werden aber der arteigenen Verkehrsbedienung durch Schiene und Straße nicht gerecht, wenn beide Verkehrsträger in schablonenhafter Gleichheit gemeinwirtschaftliche Pflichten übernehmen sollen. Der Kraftverkehr soll sich nach unserer Auffassung organisieren, um neben den anderen Verkehrsträgern wirklich verhandlungsfähig zu sein. Aber wir wünschen keine Zwangsorganisation, wir wünschen keinen neuen MammutRegiebetrieb und kein Verkehrskolchos als Auftakt zur Sozialisierung.
— Nein, durchaus nicht; da steht nichts von einer Zwangsorganisation drin, Herr Kollege Schmidt. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß ein solcher Zusammenschluß auf privatwirtschaftlicher Basis erfolgen sollte, und zwar je schneller, desto besser.
Ich glaube, daß, wenn wir diesen ganzen Fragenkomplex der Gemeinwirtschaftlichkeit einmal wirklich analysiert und geprüft und das Für und Wider an Belastungen gegeneinander ausgewogen haben, auf seiten der Schiene wahrscheinlich nur noch ein kleiner Rest an unzumutbarer Last übrigbleiben wird, der ausgeglichen werden muß.
Noch ein Wort zu der Tarifgebarung, die meines Erachtens im Mittelpunkt einer Verkehrspolitik stehen muß. Die heutige Tarifgestaltung bewegt sich im luftleeren Raum. Wir haben es erlebt, daß die Bundesbahn im vergangenen Jahr als eine Kampfmaßnahme für bestimmte Güter die Tarife gesenkt hat, mit der Konsequenz, daß nicht nur die Schiene, sondern auch die Straße erhebliche Verluste einstecken mußte. Der Gewinner und Nutznießer war die Wirtschaft. Die Wirtschaft war in diesem Fall von vornherein sogar dagegen, weil sie die Unsinnigkeit dieser Maßnahme von vornherein eingesehen hat. Wir sind der Meinung, daß diese Abtarifierung rückgängig gemacht und endlich ein Tarifgefälle zwischen den Eisenbahngütertarifen
und den Kraftverkehrstarifen geschaffen werden sollte, das der Leistung und der Leistungsfähigkeit der Verkehrsträger entspricht. Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat mit Recht einen sehr wichtigen Satz ausgesprochen: „Die Wirtschaft muß einen echten Preis für die Transporte zahlen."
Anderenfalls werden über kurz oder lang die Verkehrsträger auf dem Wege über Subventionen, die dann von den Steuerzahlern aufgebracht werden müssen, die Kostgänger des Staates.
Wir stehen vor der Frage, eine volkswirtschaftlich richtige Abstimmung der Transportpreise zwischen den drei Verkehrsträgern und der Wirtschaft zu finden, so daß eine optimale Entfaltung der Wirtschaft möglich ist. Wir sind der Auffassung, daß, wenn eine Annäherung der Tarife an die Selbstkosten vorgenommen wird, schon nach rein physikalischen Gesetzen die Bundesbahn in der Bewegung großer Massen einen natürlichen und erheblichen Vorsprung haben wird und daß auf diese Weise durch organische Maßnahmen eine Eindämmung des Lkw-Verkehrs dort eintreten wird, wo seine Betätigung volkswirtschaftlich unzweckmäßig ist. Dafür wird eine Heranleitung des Kraftverkehrs an eine Betätigung erfolgen, in der er konstruktiv tätig sein kann. Die Tarifpolitik muß, wenn sie an die Selbstkosten geht, auch berücksichtigen, daß der Straßenverkehr einen HausHaus-Dienst leistet, während die Bundesbahn nur von Station zu Station befördert. Die Tarifpolitik muß die natürlichen Vorteile mit einkalkulieren, die der Kraftverkehr dadurch gewährt, daß er Einsparung an den Verpackungskosten verursacht und geringere Beschädigung oder geringere Verluste hervorruft. Die Tarifgestaltung ist in allen Staaten der Welt das den Gegebenheiten des Verkehrs und der Wirtschaft gemäße Mittel für die Ordnung des Wettbewerbs und für eine Verteilung der Aufgaben zwischen den Verkehrsträgern.
Ein letztes Wort zu der Frage der Tarifpolitik. Es wird eingewandt, sie sei nicht anwendbar, weil der Straßenverkehr nie tariftreu sei. Meine Damen und Herren, ich glaube, die Tarifuntreue, die auf beiden Seiten vorkommen soll, wird nicht zuletzt dadurch hervorgerufen, daß die Tarife heute so kostenunecht sind. Früher brauchten wir eine Preisüberwachung zum Schutz gegen eine Preisüberforderung. Heute rufen wir nach einer Überwachung, um gegen Unterschreitung der Tarife gesichert zu sein. Schon dadurch allein zeigt sich die völlige Perversion in der heutigen Tarifgestaltung.
Nun der zweite Fragenkomplex: Wettbewerb, dann aber gleiche Startbedingungen — wie können wir sie erreichen? Einmal durch eine Entlastung der Bahn. Das gilt vor allem für die Abnahme der betriebsfremden Lasten. Ich glaube, daß der Bundestag in dieser Frage sogar völlig einmütig ist. Leider fehlt eine Vorlage der Regierung zu diesem Thema. Ich habe Verständnis dafür, daß der Herr Bundesfinanzminister Bedenken hat, das Defizit der betriebsfremden Lasten, deren Höhe in den Mitteilungen schwankt, zu übernehmen. Mein Kollege Jahn hat in der Februardebatte einen Betrag von 270 Millionen DM genannt, die Bundesbahn nennt 500 Millionen DM. Das muß also noch geprüft werden. Der Finanzminister fragt natürlich, wo denn diese Mittel herkommen sollen. Wenn der Bund aber ohnehin die Verpflichtung hat, ein Defizit der Bundesbahn zu übernehmen, dann scheint es mir doch sehr viel vernünftiger zu sein, daß der Bund von vornherein den Teil des
Defizits übernimmt, der zweifellos bei der Bundesbahn eine kaufmännische Betriebsführung unmöglich macht,
und damit einen Anspruch an die Leitung der Bundesbahn erhält, ihren Betrieb nach kaufmännischen Gesichtspunkten auszurichten. Vor allem aber können wir es, glaube ich, vor der Öffentlichkeit schlecht verantworten, daß der Bund sich einer Verpflichtung entzieht und nun eine Sanierung der Bundesbahn dadurch gesucht wird, daß man andere Verkehrsträger belastet.
Außerdem müssen wir nach der Auffassung meiner Freunde der Bundesbahn eine Sicherung in die Hand geben, indem sie einen Schutz vor Auflagen von exogener Seite erhält. Heute muß die Bundesbahn Lohn- und Gehaltserhöhungen schlukken, ob sie sie verkraften kann oder nicht. Sie wird nicht danach gefragt und sie muß eventuell auch Tarife schlucken, ohne daß sie danach gefragt wird. In den Alternativvorlagen ist der Vorschlag gemacht worden, eine neutrale Instanz in Form eines Bundesbahngerichts zu schaffen, das nicht eigene Verkehrs- oder Wirtschaftspolitik zu betreiben, sondern lediglich als ein neutraler Treuhänder darüber zu entscheiden hat, ob eine solche Belastung für die Bundesbahn zumutbar ist und wer bei der Unzumutbarkeit die finanziellen Auswirkungen zu tragen hat. Wir glauben, daß allein das Vorhandensein eines Gerichts, das im übrigen einen Vorgänger hat in Gestalt des früheren Reichsbahngerichts, wahrscheinlich genügen wird, manche unverantwortlichen Forderungen an die Bahn abzuwehren.
Wir wünschen außerdem — was, wie ich höre, die Bundesregierung bereits von sich aus auch getan hat — die Einsetzung einer unabhängigen Sachverständigenkommission, die die Rationalisierungsmöglichkeiten bei der Bahn überprüft.
Wir sind ferner der Meinung, daß die Bundesbahn bei der Wiederherstellung des Oberbaus unterstützt werden muß, nicht nur aus Sicherheitsgründen, sondern weil das auch notwendig ist, um die Bahn leistungs- und konkurrenzfähig zu machen. Wir haben aus diesem Grunde vorgeschlagen, daß im Verkehrswegegesetz auch die Bundesbahn ihren Teil erhält, um in einem kurzfristigen Programm zunächst einmal ihren Oberbau in Ordnung zu bringen.
Entscheidend aber für alle Rationalisierungsmaßnahmen ist der unseres Erachtens zu große Apparat der Bahn. Vor allem gilt das für manchen Wildwuchs in den oberen Regionen der Bundesbahn. Wir sind der Auffassung, daß ein Personalabbau ohne soziale Härten erfolgen muß, und würden wünschen, daß man bei der Bundesbahn das Angebot aus den Reihen der Wirtschaft an die Bahn, Kräfte an die Wirtschaft abzugeben, aber die Pensionsverpflichtungen und die Altersversorgung für diesen Personenkreis bei der Bundesbahn zu erhalten, sorgfältig überprüft. Wir sind der Auffassung, daß die Bundesbahn ihren Apparat verkleinern muß und daß nur auf diese Weise auf lange Sicht eine wirkliche Existenzsicherung gerade der kleineren Bediensteten bei der Bundesbahn möglich ist. Wir haben volles Verständnis für ein berechtigtes Kollegialitätsgefühl unter den Eisenbahnern. Aber überall dort, wo sich die künstliche Zählebigkeit eines nicht produktiv und konstruktiv tätigen Apparats zeigt, und überall dort,
wo eine weitere Aufblähung des Regiebetriebs durch Einbeziehung auch ihr „betriebsfremder" Aufgaben erfolgt, sollten die Eisenbahner aus eigenem Interesse energischer als bisher Front machen.
Im übrigen schlagen die Alternativvorlagen vor, daß eine stärkere Verantwortlichkeit an der Spitze der Bundesbahn durch Einsetzung eines Generaldirektors geschaffen wird und eine Überprüfung der Funktionen des Verwaltungsrats der Bundesbahn erfolgt. Ich möchte mich dabei auf die allgemeine Bemerkung beschränken, daß wir diese Anderung des Bundesbahngesetzes nicht als die dringlichste Aufgabe einer Verkehrsordnung betrachten.
Nun zu der Frage: gleiche Startbedingungen über die Besteuerung des Kraftverkehrs. Das Ziel ist, eine der Beanspruchung der Straße entsprechende Verteilung der Steuerlast nach Maßgabe der tatsächlichen Straßenabnutzung zu finden. Ich glaube, daß wir uns da in weitgehender Übereinstimmung im Prinzip sowohl mit dem Bundesverkehrsministerium als auch mit dem Bundesfinanzministerium befinden. Was bisher fehlt, ist eine klare Feststellung über das, was „anlastbare Straßenkosten" sind. Der Herr Bundesverkehrsminister hat auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats hingewiesen. Es liegt uns leider bisher nicht vor; es liegt wohl nur in den Schubladen des Ministeriums. Es ist aber bekannt, daß sich in diesem Zusammenhang das Problem ergibt, wieweit der Zinsendienst für das Straßennetz angelastet werden muß, und daß der Wissenschaftliche Beirat zu dem Ergebnis kommt, auch der Zinsendienst müßte dem Straßenverkehr angelastet werden. Ich habe zu diesem Thema hier eine Stellungnahme eines hervorragenden Verkehrsfachmannes, die ich mit Erlaubnis des Präsidenten kurz zitieren darf. Es heißt dort:
Man kann nur immer wieder feststellen, daß eine Eigenwirtschaftlichkeit der Verkehrswege, wie sie wiederholt gefordert wird, eine contradictio in adjecto ist. Niemals kann ein Verkehrsträger das in die für seinen Ablauf notwendigen Wege investierte Kapital amortisieren und verzinsen durch den Betrieb, den er auf diesem Verkehrsweg durchführt. Wenn man diese Forderung aufnimmt und den Standpunkt vertritt, die erforderlichen Verkehrswege sollten nicht als Gesamtleistung des Volkes für seine Volkswirtschaft erstellt werden, sondern die Verkehrsträger selbst müßten diese Verkehrswege eigenwirtschaftlich erstellen und erhalten, dann verfehlt man die Aufgabenstellung, die sich für die richtige Gestaltung von Wirtschaft und Verkehr ergibt.
Auf diesem Wege würden wir überhaupt niemals zu neuen Verkehrswegen, zu einem Ausbau des Verkehrsnetzes kommen. Es ist nicht richtig, wenn immer behauptet wird, die Eisenbahn hätte ihre Verkehrswege selbst erstellt. Das Kapital für die Erstellung der Eisenbahnverkehrswege ist seinerzeit zum geringsten Teil aus privaten Quellen, größtenteils aber aus Steuergeldern geflossen. Das neue Bundesbahngesetz stellt eindeutig klar, daß die Eisenbahn kein Anlagekapital für ihre Verkehrswege zu amortisieren und zu verzinsen hat. Dieser Grundsatz muß auch für die übrigen Verkehrsträger gelten. Ganz anders verhält es sich mit der Frage der Unterhaltung der Ver-
kehrswege. Es ist eindeutig, daß die Verkehrswege von den Verkehrsträgern, die sie benutzen, zu unterhalten sind, schon um der Verkehrssicherheit willen. Nur wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß allein die Unterhaltung der Verkehrswege, nicht aber die Erstellung von dem zugehörigen Verkehrsträger getragen werden muß, dann kommt man zu einer vernünftigen steuerlichen Belastung der Verkehrsträger und zu einer vernünftigen Gestaltung der Verkehrstarife.
Dieser Verkehrsfachmann war Herr Bundesverkehrsminister S e e b oh m.
Nun, meine Damen und Herren, in den beiden Verkehrsfinanzgesetzen, sowohl in dem der Regierung als auch in dem der Alternative, sind lediglich angenommene Werte. Wir wollen uns heute nicht über die Höhe dieser Werte streiten. Wir sind uns nur über das Prinzip klar, daß der Straßenverkehr das aufbringen soll, was er an Straßenunkosten verursacht. Wir sind allerdings der Meinung, daß nicht an die Stelle der bisherigen Degression der Besteuerung der Kraftfahrzeuge eine Progression treten sollte, da sie nach dem heutigen Stand der technischen Kenntnisse mir nicht gerecht' fertigt zu sein scheint.
Ein besonderes Problem ist auch, ob man die Anhänger gleichmäßig wie die Antriebwagen besteuern soll. Ich bin der Meinung, daß sich in allen diesen Fragen eine Annäherung erzielen lassen wird.
Wir werden auch das Problem zu prüfen haben, ob es zweckmäßiger ist, die Kraftfahrzeuge in Zukunft ausschließlich über die Treibstoffe zu besteuern. Vieles spricht dafür. Ich möchte aus Zeitgründen das Thema heute nicht vertiefen. Es spricht auch manches dagegen, vor allem im Interesse der revierfernen Gebiete. Eine ausschließliche Besteuerung über die Treibstoffe würde zweifellos nicht zuletzt zu einem erheblichen Zuwachs an Personenkraftwagen führen, was gerade bei dem heutigen Stand des Straßennetzes wieder zu einer größeren Verkehrsunsicherheit beitragen müßte. Aus diesem Grunde sind nach sehr sorgfältigen Überlegungen in den Alternativvorlagen Kompromißvorschläge in der Richtung gemacht worden, daß die Kraftfahrzeugsteuer für Personenkraftwagen und Krafträder um 400/0 gesenkt wird und dafür eine Erhöhung des Benzinpreises um 4 Pf. und des Dieselpreises um 7 Pf. eintritt. Wir sind nur der Meinung, meine Damen und Herren, daß das, was der Straßenverkehr an zusätzlicher Belastung aufbringt, effektiv auch zur Intensivierung des Baues der Verkehrswege verwandt werden muß.
Zum Thema der Steuern nur noch einige kurze Erklärungen. Der Nahverkehr soll nach der Regierungsvorlage durch Einführung der Beförderungsteuer besteuert werden. Wir sind der Auffassung, daß eine Kontrolle des Nahverkehrs — auch nach dem Urteil des Verwaltungsrats der Bundesanstalt — undurchführbar ist, und wünschen deshalb keine Beförderungsteuer im Nahverkehr. Was den Personennahverkehr betrifft, so wünschen wir, daß eine Beförderungsteuer bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben, vor allem bei den Straßenbahnen, nicht erhoben wird, daß also die bisherige Regelung, die auf eine Notverordnung aus dem Jahre 1931 gestützt wird, erhalten bleibt, weil die Konsequenz der Einführung einer Beförderungsteuer
im Nahverkehr zweifellos eine Anhebung der Tarife im Straßenbahnverkehr sein müßte und damit nicht nur soziale Härten verursacht würden, sondern auch durch eine Abwanderung von Straßenbahnbenutzern zum Moped, Kraft- und Fahrrad wieder ein erhöhtes Unsicherheitsmoment auf den Straßen geschaffen würde.
Ein Wort noch über das Thema Werkverkehr. Die Bundesregierung und das Bundesverkehrsministerium erklären praktisch den Werkverkehr zum Staatsfeind Nr. 1. Er bekommt eine Beförderungsteuer von 5 Pf pro Tonnenkilometer aufgebrummt, und man hofft, daß ihm damit die Puste ausgeht. Auch hier sollte man sich vor Verallgemeinerungen hüten.
Wir sind überzeugt, daß schon allein durch den Wegfall der Abschreibungsmöglichkeiten sehr viele Einschränkungen im Werkverkehr erfolgen werden. Durch eine von uns vorgeschlagene An- derung des Güterkraftverkehrsgesetzes soll vor allem auch der unechte Werkverkehr endlich einmal beschnitten werden. Wir können uns aber mit einem Beförderungsteuersatz von 5 Pf pro Tonnenkilometer nicht einverstanden erklären, weil er für verschiedene Wirtschaftszweige nahezu prohibitiv wirken würde. Bei Anwendung dieses Satzes würde die Beförderungsteuer für bestimmte Güter ungefähr den gleichen Betrag ausmachen wie sonst die Frachtrate. Es gibt gar keinen Zweifel, daß bestimmte Wirtschaftszweige sowohl aus Standortgründen als auch aus betrieblichen Gründen auf den Straßenverkehr und speziell auf den Werkverkehr angewiesen sind. Für bestimmte Bereiche der Bauwirtschaft, der Ernährungswirtschaft, der holzverarbeitenden Industrie, des Mühlengewerbes, der export- und importintensiven Industrie und des Handels würden sich katastrophale Auswirkungen ergeben. Wir halten es deshalb für notwendig, daß man sich über den Satz der Beförderungsteuer, der zweifellos eine nicht unerhebliche Anhebung erfahren muß, noch sehr eingehend Gedanken macht. Wir schlagen zunächst einen Satz von 21/2 Pf pro Tonnenkilometer vor.
Ich bin auch nicht der Auffassung des Herrn Bundesverkehrministers, daß der Werkverkehr bei hochwertigen Gütern zwar berechtigt sei, aber nicht bei den niedrig tarifierten Gütern, und daß die Erhöhung der Beförderungsteuer bei den hochwertigen Gütern auch ohne weiteres verkraftet werden könne. Ich weise beispielsweise nur auf die Mineralwasserindustrie, auf die ganze Getränkeindustrie, den Bierhandel usw. hin, wo sich schon auf Grund des Gewichts der Verpackung außerordentlich ungünstige Konsequenzen ergeben müßten. In diesem Zusammenhang erscheint es vielleicht seltsam, aber doch bezeichnend, daß der Werkverkehr der Hoheitsträger im Gegensatz zum Werkverkehr der Wirtschaft nach den Wünschen des Verkehrsministeriums von den Beförderungsverboten ausgeschlossen werden soll.
Nun die Frage der fiskalischen Auswirkungen! Auch hier läßt sich über Zahlen trefflich streiten. Nach vorsichtigen Schätzungen meiner Freunde ist damit zu rechnen, daß durch die Senkung der Kraftfahrzeugsteuer bei Pkws und Krädern und auf der anderen Seite durch die Anhebung der Steuern bei den Lastwagen und Anhängern im Aufkommen der Kraftfahrzeugsteuer, das den Ländern zufließt, keine Änderung eintreten wird, daß aber beim Bund durch die Erhöhung der Mineralölsteuer ein Mehraufkommen von 285 Millionen und durch die Anhebung der Beförderungsteuer ein Mehraufkommen von 60 Millionen DM zu erwarten ist, also ein Gesamtbetrag von 345 Millionen DM, ohne daß ich mich heute in eine Auseinandersetzung mit dem Herrn Finanzminister einlassen möchte, wieweit diese Ansätze im einzelnen berechtigt sind. Das sind Dinge, die wir sehr genau prüfen wollen und müssen. Wir werden wesentlich zur Beruhigung der Öffentlichkeit beitragen, wenn wir wirklich von der Erklärung des Herrn Staatssekretärs Hartmann vor dem Bundesrat ausgehen können, daß das Mehraufkommen aus den Steuern des Kraftverkehrs in Zukunft den Verkehrswegen tatsächlich zugeführt werden soll.
Verkehrssicherheit! Die erschütternde Zahl von 30 000 Toten legt uns eine große Verpflichtung auf, etwas auf diesem Gebiet zu tun, aber etwas Entscheidendes und Wirksames zu tun. Wir sind bereit, jede vernünftige und zweckdienliche Maßnahme in dieser Richtung zu unterstützen. Auf dem Gebiet der Verkehrssicherheit hat der Staat nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, mit durchgreifenden Maßnahmen auf den Plan zu treten. Hier möchte ich das Schlagwort „Dirigismus" durchaus für berechtigt halten. Ich darf einige in dem „Gesetz zur Erhöhung der Verkehrssicherheit" gemachten Vorschläge kurz im einzelnen aufzählen: Die Einführung eines Schutzhelms für die Motorradfahrer, die — das ist vielleicht interessant — 20 % der Unfallbeteiligten, aber 36 % der Unfalltoten und 40 % der Unfallverletzten ausmachen.
Täglich werden 2700 neue Führerscheine ausgegeben. Hier muß eine genauere Vorschrift über die Ausbildung der Fahrer erlassen werden, es muß ein vorläufiger Führerschein ausgegeben werden, der erst dann durch einen endgültigen bestätigt wird, wenn eine Anlauffrist durchschritten ist, ohne daß der Inhaber straffällig geworden ist. Wir müssen auch an eine systematische Ausmerzung der Verkehrssünder herangehen. 30 % der Verkehrsunfälle werden heute durch 8 % der Verkehrsnutzer hervorgerufen. Der Überholvorgang muß durch neue Vorschriften geregelt werden, durch verbesserte Blinkzeichen vor allem an den Lastkraftwagen, durch den Zwang zur Abweichanzeige auch auf den Autobahnen, durch ein Überholverbot für Lkws bei Ansteigungen. Ganz gleich, ob solche Vorschläge bereits gemacht worden sind oder nicht, wir erheben nicht den Anspruch, das Erstgeburtsrecht zu haben. Wir wünschen nur, daß diese Dinge geprüft werden, daß vor allem örtlich mehr als bisher von den Geschwindigkeitsbeschränkungen Gebrauch gemacht wird und daß der Versuch gemacht wird, eine Erhöhung der Verkehrsdisziplin zu erreichen. Daß die Zahl der Verkehrsunfälle sowohl relativ als auch absolut z. B. in Frankreich wesentlich geringer als bei uns ist, hängt sicherlich auch etwas mit der besseren Reaktionsfähigkeit der Romanen im Vergleich zu den Deutschen zusammen. Ohne gewisse schärfere polizeiliche Maßnahmen, schärfere Verwarnungen, eine Beschleunigung der Strafverfahren in Verkehrssachen und vielleicht eine Strafrechtsreform für Verkehrsdelikte überhaupt wird es in Zukunft nicht gehen.
Auch eine Beschränkung der Fahrzeuggewichte und der Fahrzeuglängen wird zu einer Entlastung der Straßen, zu einer Erhöhung der Verkehrssicherheit wesentlich beitragen. Wir können uns zwar nicht der Argumentation anschließen, daß ein Lastzug mit 40 t Maschinenteilen größere Schäden oder eine größere Verkehrsunsicherheit als ein Lastzug mit 40 t Zucker hervorrufe, aber die Dimensionen der Fahrzeuge müssen zweifellos unseren Straßenverhältnissen angepaßt werden. Auch hier wollen wir keine neuen Übertreibungen, nachdem man noch in den letzten Jahren Übertreibungen gemacht hat, sondern eine Anpassung an die internationalen Regelungen. Vielleicht ist es auch wichtig, hier einzuflechten, daß eine solche Beschränkung der Gefäße die wirtschaftliche Nutzungsfähigkeit des Lastwagens wesentlich beeinträchtigen wird.
Eine Erhöhung der Verkehrssicherheit ohne Straßenbau ist aber eine große Illusion.
Wir verdanken unseren Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre nicht zuletzt langfristigen und weitsichtigen Maßnahmen der Regierung, vor allem unseres Herrn Finanzministers und des Herrn Wirtschaftsministers. Als besondere Beispiele dienen hier die Leistungen auf dem Gebiete des Wohnungsbaues und auch des Schiffbaues. Gleiche Versuche einer langfristigen und weitsichtigen Planung müssen auch auf dem Gebiete des Straßenbaues und des Verkehrswegebaues angestellt werden.
Unser Vorschlag geht deshalb dahin, daß der Herr Bundesverkehrsminister durch das Verkehrswegegesetz veranlaßt werden soll, einen zunächst auf sieben Jahre befristeten Verkehrswegeplan aufzustellen, und zwar in Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden. Ich bitte, sich einmal zu vergegenwärtigen, daß heute fast 50 % der Straßen durch die Gemeinden zu unterhalten sind,
diese Gemeinden aber nur den vierundzwanzigsten Teil des vom Kraftverkehr aufgebrachten Steueranteils erhalten. Hier liegt meines Erachtens ein sehr großes Dilemma. Wir sind der Auffassung, daß die Länder und Gemeinden, in erster Linie aber die Gemeinden, beim zukünftigen Ausbau des Straßennetzes mitberücksichtigt werden müssen. Gerade wenn wir das Steueraufkommen bei der Kraftverkehrsteuer, das den Ländern zufließt, nicht heraufsetzen, ergibt sich eine Verpflichtung für den Bund, Länder und Gemeinden stärker als bisher zu beteiligen.
Wir sind ferner der Auffassung, daß die aufkommenden Mittel dort eingesetzt werden sollten. wo man mit dem geringsten Aufwand den größten Effekt erzielen kann,
d. h. daß die Mittel zunächst einmal vordringlich dort eingesetzt werden sollten, wo sich nach dem Stande der Unfallhäufigkeit der dringendste Bedarf zu einer Verbesserung der Verkehrswege herausgestellt hat. Im Gegensatz zur Auffassung des Herrn Bundesverkehrsministers sind wir nicht der Meinung, daß das Schwergewicht des Ausbaus des Straßenetzes auf den Autobahnen liegt, wenn man auch den Ausbau der Autobahnen nicht aus den Augen verlieren darf. Gerade im Interesse einer erhöhten Verkehrssicherheit ist es notwendig, daß wir zunächst einmal daran gehen, die Ortsdurchfahrten zu verbessern, Ortsumgehungen zu schaffen, den Zustand unserer Brücken in Ordnung zu bringen und Radfahrwege anzulegen.
Meine Damen und Herren, wir stehen in wenigen Jahren vor der Alternative — das müssen wir uns immer wieder überlegen —, entweder unsere gesamte Automobilproduktion mit allen arbeitsmarktpolitischen, sozialen und auch exportbedingten Konsequenzen mit großer Rücksichtslosigkeit zu drosseln oder aber jetzt bereits energisch den Bau des Straßennetzes zu betreiben. Denken Sie daran, daß wir einen jährlichen Zuwachs von etwa 600 000 Kraftfahrzeugen haben! Davon nehmen die Kräder 48 % in Anspruch, Pkw's 30 %, Zugmaschinen 12 % und Lkw's etwa 5 %. Also mit der Verbannung der Lkw's allein ist es nicht getan. Wir werden vielmehr auch mit den Personenkraftwagen und Krädern zu einer völligen Verstopfung der Straßen kommen, wenn wir nicht sofort auf diesem Gebiet mehr als bisher tun und uns den Vorbildern anschließen, die uns andere, und zwar nicht nur reiche Staaten gegeben haben. Selbst das kleine und schwache Finnland hat in einem Zehnjahresprogramm immense Mittel für den Straßenbau eingesetzt.
Nun möchte ich zur Beruhigung des Herrn Bundesfinanzministers sagen, daß unser Verkehrswegegesetz zwar bestimmte Zahlen enthält, wir aber davon ausgehen und das auch als unser Prinzip hier feststellen wollen, daß wir in den nächsten Jahren ohne Inanspruchnahme zusätzlicher Haushaltsmittel, d. h. nur unter Einsatz der jetzt im Bundeshaushalt für diesen Zweck bereits vorgesehenen Mittel, lediglich das Mehraufkommen aus den Steuern den Verkehrswegen zugeführt wissen wollen. In diesem Zusammenhang wird man sich auch über die Frage unterhalten müssen, ob und inwieweit eine Verkehrsanleihe, die wir im Verkehrswegegesetz mit einem Betrag von 11/2 Milliarden DM eingeplant haben, möglich ist. Wir kleben nicht an Zahlen, aber wir verzichten nicht auf eine langfristige Planung im Straßenbau.
Daneben sind unseres Erachtens auch andere Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen. Das gilt z. B. für den Bau von Autobahnen auf der Basis privatwirtschaftlicher Finanzierung. In Amerika ist das mit gutem Erfolg gelungen, und ich bin der Meinung, prüfen sollten wir es auch in Deutschland. Dort, wo Autobahnbau privatwirtschaftlich finanziert wird, scheint es uns auch gerechtfertigt, Gebühren für die Benutzung dieser Straßen zu erheben. Wir sind aber der Auffassung, daß Autobahngebühren nicht dort erhoben werden sollten, wo der Staat in Erfüllung einer Pflicht gegenüber dem Staatsbürger aus Steuermitteln Autobahnbau betreibt. Wir lehnen daher den Vorschlag ab, Autobahngebühren auf staatlich finanzierten Autobahnen zu erheben.
Daneben wünschen wir, daß man sich dem Ausbau des Europastraßennetzes zuwendet, und hoffen, daß aus einem Fonds, der bereits geplant ist, auch Mittel für deutsche Durchgangsstraßen zur Verfügung stehen werden. Wir bitten auch darum, daß man sich bei Gelegenheit — ich bin überzeugt, es geschieht bereits — einmal Gedanken über die strategische Wichtigkeit der Verkehrswege macht und daraus eventuell in der Weise Konsequenzen zieht, daß man aus dem aufgelaufenen Verteidigungsfonds auch Mittel für die Verkehrswege frei macht.
In der Begründung des Straßenentlastungsgesetzes des Bundesverkehrsministeriums heißt es, daß die Straßen aus der Zeit des Pferdefuhrwerks stammen, ein Ausbau der Straßen in erforderlichem Umfang aber nicht durchführbar ist. Ich glaube, das ist eine zu schwache Entschuldigung dafür, daß wir von dieser großen Aufgabe eines Ausbaus des Straßennetzes kapitulieren. Der Herr Bundesverkehrsminister hat heute in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß der Ausbau des Straßennetzes zu Lasten der Landwirtschaft gehen würde, und in einem Artikel des Herrn Ministers Dr. Seebohm, den ich in der „Norddeutschen Volkszeitung" gelesen habe, heißt es:
Für den neuen Autobahnbau wird also eine Bodenfläche benötigt, auf der etwa, rein rechnerisch, rund 190 Vollbauern oder 5600 Nebenerwerbssiedler angesetzt werden könnten. Wir haben also alle Veranlassung, bei Straßenbauplänen Maß zu halten. Eine verantwortungsbewußte Staatsführung kann es nicht zulassen, daß wertvolles Acker- und Gartenland für einen aufwendigen Straßenbau beansprucht wird, um auf diesen Straßen dann Transporte durchzuführen, die ebensogut oder besser auf der Schiene oder Flüssen oder Kanälen ohne zusätzliche Landinanspruchnahme gefahren werden könnten.
Nun, ich weiß nicht, ob man sich bei dem Ausbau der Flugplätze diese Zahlen auch immer wieder zu Gemüte führt. Aber ich frage: Was sollen solche Argumente und solche Zahlen angesichts der erschütternden und unvergleichlich größeren Zahlen an Unfalltoten und -verletzten bei uns in Deutschland? Ich kann mich nur auf ein Schreiben beziehen, das mir der Deutsche Landkreistag dieser Tage geschickt hat, in dem es heißt:
Als das A und O zur Behebung der jetzigen Verkehrsmisere müssen wir
— der Deutsche Landkreistag —
nach unseren Erfahrungen in der Nachkriegszeit die Verbesserung der Verkehrswege ansehen.
Ich kann mich diesen Ausführungen des Deutschen Landkreistages nur voll und ganz anschließen.
Meine Damen und Herren, ich habe damit versucht, Ihnen das Problem in wesentlichen Teilen zu umreißen. Wir ringen alle um die beste Lösung. Wir wünschen ein fair play unter uns, wie wir ein fair play im Bereiche des Verkehrs wünschen. Dann werden wir auch gemeinsam einen Weg finden. Wir haben viele Fehler der Vergangenheit gutzumachen. Hüten wir uns davor, daß wir jetzt unter Zeitdruck oder durch Oberflächlichkeit neue Fehler machen und damit dauerhafte, organische, dem Menschen und der Wirtschaft dienende Maßnahmen blockieren! Wir stehen auch bei dieser Beratung vor der Entscheidung, ob wir krampfhaft das Rad der technischen Entwicklung zurückdrehen oder ob wir nach sorgfältiger Prüfung aller Gesichtspunkte neue Wege beschreiten wollen, wie sie in allen größeren Staaten der Welt heute ebenso wie bei uns gesucht oder bereits beschritten werden und wie wir sie zum Vorbild für viele Teile der Welt auf anderen Gebieten unseres Wirtschaftslebens bereits mit Erfolg beschritten haben. Das Verkehrswesen hat zweifellos seine Eigengesetzlichkeit. Wir wissen es und wollen es berücksichtigen. Wir wollen und dürfen aber vor den Schwierigkeiten nicht kapitulieren. Die Schwierigkeit der besonderen Situation der Bundesrepublik auf dem Gebiete des Verkehrs erfordert den Mut, statt den Rückwärtsgang einzuschalten — um bei dem Beispiel von vorhin zu bleiben —, mit Energie einen Durchbruch nach vorne zu wagen. Diesem Ziel wollen wir, meine Freunde und ich, mit unseren Alternativvorschläden dienen.