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ID0203801800

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954 1773 38. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1773 D, 1821 A, 1834 C, 1843 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 74 und 78 (Drucksachen 605, 680; 619, 679) 1774 A Änderungen der Tagesordnung . . 1805 D, 1820 C, 1842 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FPD betr. Nahzonenregelung in grenznahen Gebieten nach § 2 Abs. 4 Güterkraftverkehrsgesetz (Drucksachen 392) 1774 A, 1821 A, 1828 D Rademacher (FDP), Anfragender . . 1774 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1774 C Erste Beratung des Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 573) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs durch Entlastung der Straßen (Straßenentlastungsgesetz) (Drucksache 574), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr (Drucksache 611), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 612), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrswege (Drucksache 613), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 614), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Koordinierung der Verkehrsträger (Drucksache 615), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Maßnahmen im Verkehrswesen (Drucksache 616) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) (Drucksache 678) 1776 A, 1805 D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1776 B, 1829 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1789 C Müller-Hermann (CDU/CSU), Antragsteller 1793 B Dr. Leiske (CDU/CSU) 1805 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 1811 D Rademacher (FDP) 1821 A Donhauser (CDU/CSU) 1832 C Jahn (Frankfurt) (SPD) 1837 A Weiterberatung vertagt 1842 D Hochwasserkatastrophe in Südbayern, Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP (Drucksache 693), Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 694), Antrag der Fraktion der CDU/CSU (Drucksache 695): Vizepräsident Dr. Jaeger 1820 C Ritter von Lex, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . 1828 C Vizepräsident Dr. Schneider . 1828 D, 1843 A Anträge Drucksachen 693 und 694 durch Erklärung der Bundesregierung für erledigt erklärt 1828 D Nächste Sitzung, — zur Geschäftsordnung: Vizepräsident Dr. Schneider . . . 1843 B, D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 1843 C Dr. Krone (CDU/CSU) 1843 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich bin offenbar nicht nahe genug am Mikrophon; ich will mich danach richten.

    (Zuruf von der SPD: Sie hätten mit u n s reden sollen!)

    — Ich möchte im Augenblick gern mit dem Herrn Bundesverkehrsminister sprechen. Ich bitte, mir das zu gestatten.


Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Der Herr Bundesverkehrsminister versteht auch, wenn Sie ins Mikrophon sprechen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich darf zu der Frage zurückkehren, wieweit die Straße wirklich entlastet wird. Die Leute gehen also in den Nahverkehr, sie verlegen ihre Standorte. Wenn man sich seinen Standort z. B. im Ruhrgebiet richtig aussucht, irgendwo in der Mitte, kann man auch als Nahverkehrsunternehmer das ganze Ruhrgebiet mit seinem 40-Tonnen-Zug bestreichen.
    Nun kommt der Punkt, der bei der ganzen Angelegenheit eigentlich der entscheidende ist. Ich habe immer das Gefühl, daß dieses Gesetz der Eisenbahn helfen soll. Die Eisenbahn setzt sich ja auch sehr für dieses Gesetz ein. Ich persönlich wäre bereit, ganz entscheidende und scharf durchgreifende Maßnahmen zu ergreifen, um der Eisenbahn zu helfen.

    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm nimmt auf den Abgeordnetenbänken Platz. — Zuruf von der SPD: Er kommt zu dir! — Weiterer Zuruf: Das ist nett! — Beifall.)

    — Ja, das ist nett. Ich konnte den Blick nicht von Ihnen wenden, Herr Bundesverkehrsminister.

    (Heiterkeit.)

    Ich bin Ihnen sehr dankbar.

    (Abg. Rümmele: Alte Liebe rostet nicht!)

    Ich habe also das Gefühl, der eigentliche Grund ist nicht sosehr der, die Straße zu entlasten — die Straßenentlastung könnte man mit anderen Mitteln sehr viel radikaler durchführen, auf die ich zu sprechen kommen werde —, sondern der eigentliche Grund ist, der Bundesbahn zu helfen. Wenn man sich nun fragt, inwieweit hier der Bundesbahn geholfen wird, dann stellt man fest, wenn man etwa das vorhin hier zitierte Presseinterview des Herrn Präsidenten Schelp von der Bundesbahn liest, daß es '70 Millionen DM Mehreinnahmen für die Bundesbahn gibt. Ich will einmal annehmen, es sei das Doppelte, es seien 140 Millionen oder gar 170 Millionen DM. Was ist das, wenn man es mit dem Defizit von 800 Millionen DM vergleicht! Nehmen wir an, es seien 170 Millionen. Das ist ein


    (Schmidt [Hamburg])

    Tropfen auf den heißen Stein, das ist keine wirkliche Hilfe für die Bundesbahn.
    Ich komme nachher noch auf die Hilfe für die Bundesbahn zurück. Ich möchte mich jetzt einmal mit der Frage beschäftigen, wie man denn die Straßen wirklich entlasten kann.
    Meine Damen und Herren, bei uns liegt keinerlei weltanschauliche Feindschaft gegen Verbote vor.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Ich habe heute morgen in einer sehr angesehenen deutschen Tageszeitung gelesen, ich persönlich würde mich hier in die liberale Front einreihen, die gegen Verbote ist. Nein, ich bin nicht grundsätzlich gegen Verbote; aber sie müssen zweckmäßig sein und müssen auch wirklich etwas erreichen.
    Sie verbieten also den Transport von Kohle, Zucker und Getreide. Damit bringen Sie die schweren Ungetüme nicht von der Straße! Ich bin dafür, daß Sie, um die Straße wirklich einschneidend zu entlasten, jetzt in diesem Herbst wenigstens von 40 auf 32 t

    (Zuruf von der Mitte: Das reicht nicht!) und auf 18 m Länge heruntergehen müßten.

    Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, hier einmal an die Ausführungen zu erinnern, die der leider verstorbene Herr Abgeordnete von Rechenberg hier vor anderthalb Jahren gemacht hat.

    (Sehr richtig! rechts. — Zuruf von der FDP: Besten Dank, Herr Schmidt!)

    Wir müssen doch heute alle einsehen, daß er die kommende Entwicklung richtig vorausgesehen hat. Aus diesen zwei Jahren seit der damaligen Debatte können wir — eigentlich mit nur sehr wenig Phantasie — voraussehen, daß wir womöglich in abermals zwei Jahren wieder vor der gleichen Situation stehen. Ich meine, es hat wirklich keinen Zweck, der Katze den Schwanz immer so in Scheiben abzuhacken.

    (Heiterkeit.)

    — Ja, alle zwei Jahre so ein Scheibchen, mal zwei Meter, dann wieder drei Meter!

    (Erneut große Heiterkeit.)

    — Meine Damen und Herren, das Beispiel von der Katze bringt zwar Humor und Freude, in Wirklichkeit handelt es sich für die Industrie um eine sehr schwierige Sache. Die Industrie soll sich alle anderthalb Jahre auf neue Maße umstellen. Einmal baut sie 40-t-Züge, dann 32-t-Züge, vielleicht muß sie in zwei Jahren 28-t-Züge bauen. Einmal darf sie 22 m lange Züge bauen, dann Züge von
    20 m, dann Züge von 18 m usw. Meine Fraktion ist der Meinung, daß in diesem Jahr mit allem Ernst geprüft werden muß, ob man hier nicht eine grundsätzliche Entscheidung treffen kann, und wir wollen die grundsätzliche Abschaffung des Anhängers überhaupt im Ausschuß mit allem Ernst geprüft wissen.

    (Zustimmung. — Abg. Dr. Horlacher: Aber der Kater war unmöglich! — Heiterkeit.)

    — Es mag sein, daß es auf der Welt unmögliche Kater gibt, Herr Kollege. Das trifft aber nicht meinen Kater, sondern ehe Ihren Kather!

    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Dr. Horlacher: Nein, Sie haben ja von 7 km Schwanzlänge gesprochen!)

    Wir möchten also ernsthaft prüfen, ob man nicht bereits in diesem Jahr den Anhänger endgültig abschafft, natürlich mit einer wirtschaftlich angemessenen Auslauffrist, das ist selbstverständlich. Ich weise darauf hin, daß es in England, Frankreich, USA keine Anhänger gibt. Als Äquivalent gehört natürlich dazu, daß man sich in bezug auf die Besteuerung des Sattelschleppers etwas vernünftiger einstellt und daß die bisherigen Fehler bei der Sattelschlepperbesteuerung ausgemerzt werden.
    Wenn man sich nun fragt, ob die Gesetze ausreichen, die verschiedenen großen Probleme, die anstehen, zu lösen, dann wird man sagen müssen: Wir hören nichts davon, daß nun wirklich der Bundesb ahn die betriebsfremden Lasten abgenommen werden. Vor fünf Monaten haben wir von allen Fraktionen gehört, das sei notwendig. Herr Rademacher hat gesagt, das Kabinett komme nicht darum herum. Aber offenbar kommt es doch darum herum, denn wir haben noch keinerlei Zusicherung in dieser Richtung gehört. Selbst wenn das ganze Steueraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz bis auf 80 Millionen DM an die Bundesbahn geht, selbst wenn das Straßenentlastungsgesetz in dieser Form 100 Millionen DM bringt, würde das zusammen gerade eben ausreichen, zwar die betriebsfremden Lasten der Bundesbahn zu decken, aber nicht ausreichen, der Bundesbahn auch nur einen Pfennig zusätzlich zur Finanzierung des großen Investitionsnachholbedarfs, der unterlassenen Unterhaltung und Erneuerung, zuzuführen, und es würde auch kein einziger Pfennig für ein Straßenbauprogramm übrigbleiben, von dem hier dauernd die Rede ist.
    Wo ist, meine Herren von der Regierung, der Finanzierungsplan für die Sanierung der Bundesbahn? Wo ist die Regelung der Altschulden der Bundesbahn? Wo ist der geringste Versuch, die Bundesbahn emissionsfähig zu machen, wenn Sie ihr schon keine Mittel direkt zur Verfügung stellen wollen, wenn Sie schon die Bahn auf den Anleiheweg verweisen wollen?
    Also ich muß sagen: dies sogenannte Gesamtkonzept ist in diesem Punkte überaus unbefriedigend. Daß selbst dann, wenn wir das ganze Mehraufkommen an Steuern in die Bahn stecken würden, um dort die politischen Lasten abzudecken, für die Straße nichts nachbleibt, habe ich schon ausgeführt. Es nützt nichts, daß man hier in freundlichen Worten von den Gemeindestraßen und von den Kreisstraßen spricht; es müßte auch etwas für diese Straßen geschehen. Ich habe darüber aber nicht viel gehört.
    Und wo ist wirklich eine Maßnahme für die Erhöhung der Straßensicherheit? Hier sind freundliche Worte über den Radfahrer und über den Fußgänger gefallen, und der Herr Bundesverkehrsminister hat gesagt, er habe an den Fußgänger gedacht, und er habe auch die Radfahrer nicht vergessen. Aber wo geschieht in diesem Gesamtprogramm wirklich etwas zu ihren Gunsten? Was geschieht beispielsweise auf dem Gebiet der Radfahrwege?
    Und die nächste Frage: Wo ist eigentlich die Regelung des Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße, von der hier wohl einmal die Rede sein müßte? Nur damit, daß Sie 70 Millionen DM Mehreinnahmen von der Straße auf die Schiene verschieben, ist der Wettbewerb nicht auf die Dauer geregelt. Das ist eine nur vorübergehend wirksame


    (Schmidt [Hamburg])

    und noch dazu unzureichende, weil geringfügige Maßnahme. Wo ist das tarifpolitische Konzept? Herr Dr. Hilpert, der Präsident der Deutschen Bundesbahn, der vorhin zitiert worden ist, hat in jenem Interview auf die Frage eines Journalisten gesagt, die Deutsche Bundesbahn habe keinerlei Tarifpläne in der Schublade. Haben Sie sie denn in der Schublade, Herr Bundesverkehrsminister? Warum wurden sie hier nicht ausgebreitet? Wir haben heute eine kurze, zwei Seiten umfassende Darlegung zu den tarifpolitischen Plänen gehört. Die enthält aber nichts als Beschlüsse des Bundesrates, nichts als die Ankündigung, man wolle einen Ausschuß beauftragen. Was dabei herauskommen soll, bleibt schleierhaft.
    Das Ganze ist eben kein Gesamtkonzept, das ist kaum ein Torso, möchte ich sagen, und es trifft leider der Vers von Eugen Roth auf diesen Torso nicht zu, der Vers, der lautet:
    Arm und Bein fehlt den Gestalten;
    worauf es ankommt, blieb erhalten.
    Das, worauf es ankommt, fehlt in diesem Gesamtkonzept.
    Mich persönlich kann diese Unvollständigkeit allerdings nicht erstaunen; denn der verkehrspolitische Kurswechsel des Herrn Bundesverkehrsministers kam mir viel zu schnell und plötzlich, um überlegt und durchdacht zu sein, und auch zu schnell, um zu überzeugen.
    Hier ist von dem Abgeordneten Freiherrn von Rechenberg und von der damaligen Debatte die Rede gewesen. Ich habe zu der Zeit, als jene Debatte in diesem Hohen Hause stattfand, eine Rede des Herrn Bundesverkehrsministers gehört. Das war in Bremen. Ich bitte mir zu erlauben, Herr Präsident, aus dieser Rede einige Sätze vorzulesen, um einmal deutlich zu machen, was hier eigentlich für ein Wechsel in der Verkehrspolitik uns — na, ich will nicht sagen, vorgegeben wird, aber: uns glaubhaft gemacht werden soll, der einfach nicht glaubhaft ist. Hören Sie einmal die folgenden Sätze. Da sagt der Herr Bundesverkehrsminister:
    Ich weiß, was das Gewerbe für ein Opfer gebracht hat, als ich ihm in der Straßenverkehrszulassungsordnung die Länge der Fahrzeuge verkürzt habe. Ich bin nicht bereit, dem Gewerbe ein weiteres Opfer auf diesem Wege zuzumuten, und ich bitte Sie, gemeinsam mit unserem Freund Rademacher
    — Sie kommen auch darin vor, Herr Kollege — (Abg. Rademacher: Ich war dabei!)

    — Sie .waren dabei, ich erinnere mich —
    alles zu tun, damit, wenn irgend möglich, diese Anträge überhaupt nicht zur Diskussion kommen.
    — Nämlich die Anträge des Freiherrn von Rechenberg. — So geht es weiter, und zum Schluß heißt es:
    Wenn Sie das Gesetzgebungswerk des Bundes-
    verkehrsministeriums
    — damals war ein ganz anderes Gesetzgebungswerk gemeint, an das heutige dachte man noch nicht; damals waren die Straßenverkehrszulassungsordnung und das Güterkraftverkehrsgesetz gemeint —
    als ein gemeinsames Ganzes ansehen und die Dinge wirklich miteinander in Beziehung bringen, dann gewinnen Sie erst ein Bild von dem verkehrspolitischen Willen, der das Bundesministerium für Verkehr, meine Mitarbeiter
    und mich auszeichnet. Dieser Wille ist stets und immer darauf gerichtet, Ihren Interessen Rechnung zu tragen, und ich als der strenge, aber gerechte Vater aller Verkehrsträger muß dafür sorgen, daß alle Kinder brav und ordentlich sind und dann auch ihre Belohnung erhalten.

    (Hört! Hört! — Bundesminster Dr. Seebohm: Aber nicht, wenn sie unartig sind!)

    — Ich will nicht gehässig sein, Herr Minister; aber wenn Sie der Vater aller Verkehrsträger sind, wie kann man dann erwarten, daß sie sich brav und ordentlich verhalten!

    (Heiterkeit und Beifall. — Bundesminister Dr. Seebohm: Meine Kinder sind sehr gut erzogen!)

    — Ich bin ja kein Kind des Herrn Bundesverkehrsministers!

    (Bundesminister Dr. Seebohm: Eben, eben! Sie sind nicht einmal angenommen! — Heiterkeit.)

    — Ich würde diese Vaterschaft auch nicht anerkennen,

    (erneute Heiterkeit)

    genau wie die Verkehrsträger heute diese Vaterschaft nicht anerkennen und wie auch die gegenwärtig recht freundlichen Beziehungen — jedenfalls nach außen — zwischen der Bundesbahn und dem Herrn Bundesverkehrsminister keine Liebesheirat, sondern eine auf kurze Zeit geschlossene Zweckehe darstellen, die dann sofort wieder zerbricht, wenn die Bundesbahn einsehen wird, daß diese Maßnahmen ihr keineswegs helfen. Diese Maßnahmen aber — wenn wir sie zum Gesetz erhöben — würden bedeuten, daß wir die einmalige psychologische Situation, die in der Öffentlichkeit und auch hier im Parlament in Deutschland vorhanden ist, wirklich etwas Durchgreifendes zu tun, mit halbem oder, ich möchte sagen, Drittel-Maßnahmen verscherzen, die weder der Bahn helfen noch der Straßensicherheit effektiv nützen. Womöglich werden sie aber auch dazu führen — wenn wir in zwei Jahren erneut vor der Tatsache stehen, daß sich in Wirklichkeit nichts geändert hat —, daß die Öffentlichkeit und das Parlament nicht wieder geneigt sein werden, experimentelle Vivisektionen zu beschließen in der Hoffnung, daß es dann vielleicht doch einmal für die Bahn reichen wird.
    Ich möchte noch einige Bemerkungen zur Praxis der Tarifpolitik machen, von der ich vorhin schon gesprochen habe. Sehen Sie, diese Tarifpolitik ist in Wirklichkeit noch gar nicht vorhanden. Der Herr Verkehrsminister hat schon gesagt, er habe nunmehr einen Ausschuß von 25 unabhängigen Sachverständigen beauftragt. Man hat auch im Bulletin lesen können, daß dieser Ausschuß nunmehr — so wörtlich — das „Kernstück" für das verkehrspolitische Gesamtkonzept der Bundesregierung erarbeiten soll. Dieser Ausschuß wurde — wenn ich es richtig erinnere — im Mai eingesetzt. Im Februar bereits hat uns der Herr Bundesverkehrsminister hier vorgetragen, es sei ein großes verkehrspolitisches Gesamtkonzept, und die Tarifpolitik spiele eine entscheidende Rolle darin. Auch der Herr Bundeskanzler schreibt heute im "Rheinischen Merkur" von der Rolle, die die Tarifpolitik im Gesamtkonzept spielen sollte. Der Herr Bundeskanzler kann natürlich nicht wissen, daß auch der Herr Bundesverkehrsminister nicht weiß, wie diese Tarifpolitik aussehen soll.

    (Lachen in der Mitte.)



    (Schmidt [Hamburg])

    Das wird man also dem Herrn Bundeskanzler nicht übelnehmen müssen.
    Aber man wird Sie fragen müssen, Herr Bundesverkehrsminister: Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, als Sie diesem Ausschuß eine Reihe von Fragen vorlegten, deren erste lautete: Soll das gemeinwirtschaftliche Tarifsystem beibehalten werden, oder sollen die Tarife auf Selbstkosten abgestellt werden? Dabei hatten Sie vier Monate vorher hier von dieser Bank aus im Namen der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage erklärt, die gemeinwirtschaftliche Tarifgestaltung bleibe aufrechterhalten .

    (Abg. Dr. Seebohm: Bleibt sie auch!)

    Wenn Sie das hier erklärt haben, wieso kommen Sie dann dazu, diesem ad hoc eingesetzten Ausschuß, der dieses Kernstück erarbeiten soll, diese Frage noch einmal vorzulegen? Ich denke, sie war bereits entschieden!
    Und zum zweiten: Wieso sind eigentlich diese Herren, die Sie benannt haben — ich will hier keine Namen nennen —, eigentlich unabhängig? Es handelt sich bei der größten Zahl von ihnen um sehr namhafte Vertreter von Interessentengruppen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich sage das nicht mit einem negativen Akzent. Ich bin durchaus der Meinung von Herrn Leiske, daß es das gute Recht von gewissen Gruppen ist, ihre Interessen zu vertreten. Aber wieso setzen Sie die zu Richtern und Schiedsrichtern ein und bezeichnen sie als unabhängig? Herr Dr. Seebohm, es sind eine ganze Reihe von Herren da, die ich persönlich hochschätze, von denen ich aber genau weiß, daß sie in ihrem ganzen Leben noch keine tarifpolitische Überlegung angestellt haben, die Sie nur hineingenommen haben, um hinterher zeigen zu können, daß in dem Ausschuß nichts zustande kommt. Das war die Taktik, die Sie in den Verhandlungen mit der Wirtschaft und mit der Bundesbahn in Niederbreisig und in Hamburg verfolgt haben. Ich könnte — ich sehe, es wird hier etwas skeptisch gelächelt — eine Reihe von höchst namhaften deutschen Wirtschaftsführern zitieren, führende Leute, die öffentlich gesagt haben, was sie über diese Verhandlungstaktik denken. Ich will das nicht tun; ich will nicht Außenstehende in die Debatte ziehen, die sich hier in diesem Saale nicht wehren könnten.
    Sie haben diesem 25er-Ausschuß eine Reihe von Fragen vorgelegt, auf die der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums in zweijähriger Arbeit bereits Antworten gegeben hat, d. h. man legte dieselben Fragen in etwas anderer Verpackung und etwas anderer Formulierung nochmals vor. Und weswegen trägt man uns heute vor, der Wissenschaftliche Beirat habe mit seinem Gutachten nur einen Baustein geliefert? Was sagen eigentlich Ihre Herren Professoren dazu, daß sie hier noch einmal von den sogenannten unabhängigen Sachverständigen nachgeprüft werden? Wie stellen die sich dazu, und wie soll eigentlich diese Nachprüfung stattfinden, wenn Sie Ihrem 25 erAusschuß überhaupt kein statistisches Material gegeben haben, wenn die Bundesbahn ihre tarifpolitischen Pläne, von denen Herr Dr. Hilpert sagt, sie existierten gar nicht, dort nicht vorlegt? Wie soll überhaupt Ihre Gesamtkonzeption zum Zuge kommen, Herr Minister, wenn die Herren dieses 25er-Ausschusses bereits jetzt erklären, daß ihre Arbeit frühestens in anderthalb Jahren wird abgeschlossen sein können?
    Sie haben.heute tarifpolitische Sofortmaßnahmen angekündigt. Es ist hier nicht der Ort, sich über die Einzelheiten der Tarifmaßnahmen zu unterhalten. Das ist vielleicht etwas zu diffizil. Aber ich glaube, Sie verstehen alle, hier handelt es sich um sehr entscheidende preispolitische Regulierungsmöglichkeiten und Notwendigkeiten in diesem System, und darum müssen zumindest die Fachleute klaren Wein eingeschenkt bekommen, was man da eigentlich will. Wie kann ich Steuersätze im Verkehrsfinanzgesetz beschließen, wenn ich nicht weiß, welche Tarife Sie machén wollen?
    Sie haben neben diesem 25er-Ausschuß auch noch direkte, bilaterale tarifpolitische Gespräche geführt. Sie haben beispielsweise den Vorstand einer großen Interessentengruppe unter Druck gesetzt und haben diesen Herren erklärt: Wenn ihr mir nicht Vorschläge macht, wie ihr euren Straßentarif erhöht haben wollt, dann werde ich im Parlament sagen, es kann diesen Leuten gar nicht so schlecht gehen bei diesem Gesetz, denn sie haben keine Tariferhöhungsvorschläge gemacht. Ich bin sehr gut darüber im Bild. Sie können das nicht dementieren, Herr Bundesverkehrsminister; ich würde das nicht empfehlen. So ist es gewesen!

    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Ich habe ja gar keinen Versuch dazu gemacht! — Heiterkeit.)

    — Ja, Sie haben ausnahmsweise keinen Versuch eines Dementis gemacht.

    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Ausnahmsweise? Das ist sehr häufig der Fall!)

    — Nein, nein, Sie machen jede Woche mindestens zwei Dementis. Ich erinnere mich mit besonderer Freude des letzten Dementis, das Sie an den „Spiegel" — eine Ihnen offenbar sehr nahestehende politische Wochenschrift, denn jede zweite Woche stehen Sie drin —

    (Heiterkeit)

    geschrieben haben. Da haben Sie eine Leserzuschrift gemacht, und die hat der „Spiegel" abge. druckt. Darin steht, der „Spiegel" sei offenbar eine Zeitschrift, die die Flöhe im Dunkeln husten höre.

    (Heiterkeit.) Das fand ich sehr apart.


    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Mal was anderes!)

    — Das war etwas anderes? Herr Bundesverkehrsminister, den Artikel, auf den sich Ihr Dementi bezog, haben Sie nur zur Hälfte dementiert. Da stand noch etwas anderes drin. Lesen Sie das mal nach! Ich fordere auch Sie, meine Damen und Herren, auf, das andere nachzulesen. Das bezog sich auf eine Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers. Die ist einstweilen nicht dementiert. Herr von Merkatz hat mir erklärt, sie sei ihm gegenüber nicht gefallen. Ich habe den zweiten Herrn, dem gegenüber sie laut „Spiegel" gefallen sein soll, noch nicht selber fragen können. Aber vielleicht wäre es gut, sie auf alle Fälle vorher zu dementieren.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Lesen Sie das einmal nach, meine Damen und Herren! Vielleicht ist der „Spiegel" in Ihren Augen kein seriöses Blatt. Ich will darüber nicht streiten. Aber da der Herr Bundesverkehrsminister jede zweite Woche darin vorkommt und auch Leser-


    (Schmidt [Hamburg])

    briefe dorthin schreibt, kann das Blatt nicht ganz unseriös sein.

    (Erneute Heiterkeit.)

    Ich darf nun aber zur Tarifpolitik zurückkehren; diese Ausflüge kosten zuviel Zeit.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Herr Bundesverkehrsminister, die unbefriedigende Entwicklung des Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße ist doch weitgehend eine Folge dieser Schaukelpolitik des Tarifs; fünf- oder sechsmal haben Sie sie geändert, einmal zusammen, einmal auseinander die Ziehharmonika. Man weiß heute noch nicht, was Sie nun tun wollen. Die Tarifpolitik, die Sie weitgehend durch Rechtsverordnungen von sich aus machen können und die gegenwärtige Praxis, tarifpolitische Vorschläge zu erarbeiten, führen uns eigentlich zu der Frage, ob es nicht notwendig ist, sich zu überlegen, daß für grundlegende tarifpolitische Entscheidungen die Zustimmung des Parlaments erforderlich sein müßte. Das werden wir uns wohl auch im Ausschuß überlegen müssen.
    Wir werden auch klarmachen — das haben andere Herren schon ausgeführt —, daß man für tarifpolitische Entscheidungen Unterlagen braucht, Kostenunterlagen, statistisches Material, Erfolgs-und Ertragsunterlagen. Sie haben in dieser Richtung damals und auch heute wieder Ihren Selbstkostenausschuß gelobt. Sie erinnern sich, meine Damen und Herren, daß die Arbeiten dieses Selbstkostenausschusses auf die Deutsche Revisions- und Treuhand-AG übertragen worden sind. Diese Revisions- und Treuhand-AG hat vor einigen Tagen ihren ersten Vorbericht erstattet. Sie sagt dort, daß die ihr vom Bundesverkehrsministerium und dessen Selbstkostenausschuß gelieferten Unterlagen höchst lückenhaft sind.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Sie sagt das in vornehmer Ausdrucksweise. Lediglich die Bundesbahn verfüge über eine verwertbare Kostenrechnung. Dann sagt der Bericht wörtlich folgendes:
    Zum Schluß müssen wir darauf hinweisen, daß auf Grund der von uns vorgefundenen Tatbestände bis Mai 1955 keinerlei Ergebnisse vorgelegt werden können, die für verkehrspolitische Entscheidungen verwertbar sind.
    Das ist also die großartige Vorarbeit in bezug auf die Unterlagen, die in diesem Ministerium geleistet worden ist! Deswegen glaube ich, man kann mit Recht sagen, daß dieser verspätete Kurswechsel nicht überzeugt und auch in Motivierung und innerem Aufbau sehr wenig glaubwürdig erscheint.
    Ich darf jetzt noch einige Bemerkungen zu den Entwürfen des Herrn Kollegen Müller-Hermann machen, die sich durch eine gewisse Seelenverwandtschaft oder Wahlverwandtschaft mit den Ansichten des mehrfach zitierten Professors Röpke auszeichnen. Der Herr Kollege Müller-Hermann hat ja auch dem Herrn Professor Röpke öffentlich eine gute Zensur erteilt, was nun dazu geführt hat, daß er seinerseits vom Herrn Bundeskanzler eine schlechte Zensur bekommen hat. Das ist die ausgleichende Gerechtigkeit auf Erden.

    (Heiterkeit.)

    Aber ich will nicht ableugnen, Herr Müller-Hermann, daß in Ihren Entwürfen einige Einzelheiten
    enthalten sind, die ich persönlich für gut halte, z. B. der Gedanke eines Verkehrswegegesetzes, dem die Vorstellung einer einheitlichen Finanzierungsgrundlage sowohl für Wege der Eisenbahn als auch für Wege des Kraftverkehrs zugrunde liegt. Das ist eine Vorstellung, die an und für sich akzeptabel und richtig ist. Falsch finde ich nun allerdings die Schwergewichtsverteilung in Ihrem Verkehrswegegesetz. Sie möchten bis 1962 der Bahn ganze 1,1 Milliarden DM geben, dafür aber 3 Milliarden DM in die Straßen stecken, Ich glaube, das muß gerade umgekehrt dimensioniert werden, wenn man den gegenwärtigen Notwendigkeiten gerecht werden will. Ich bin auch etwas skeptisch in bezug auf die Aufbringung der Anleihen, von denen Sie sprachen, zumal da in Zukunft nach dem Willen der Mehrheit des Hauses die steuerliche Begünstigung öffentlicher Anleihen wesentlich abgebaut werden soll.
    Ich würde demgegenüber in allem Ernst zu erwägen geben, ob nicht der sogenannte FriedrichPlan für eine breitere Finanzierungsbasis in den Beratungen des Ausschusses in Betracht gezogen werden muß. Jenseits aller wohlberechtigten Polemik gegen das Verkehrsforum der Reifenindustrie — das übrigens einen guten Vorgänger in den Waage-Anzeigen der Koalitionsparteien hat — sollte man sich mit dem Vorschlag des Herrn Friedrich wirklich ernsthaft auseinandersetzen. Da steckt etwas drin, dem liegt eine Überlegung zugrunde, die etwa davon ausgeht, daß die ganze verladende Wirtschaft durch gewisse Zuschläge zu den Frachten dazu beitragen muß, die bisher unterlassenen Verkehrsinvestitionen wieder aufzuholen. Ich würde meinen, daß man das überlegen sollte.
    Die Vorschläge, die Sie zur Organisation der Bundesbahn gemacht haben, sind recht interessant, sie sind zum Teil auch aktuell, aber ich glaube, daß sie rein zeitlich, was die Dringlichkeit unseres Problems angeht, einstweilen zurückstehen müssen.

    (Ab. Müller-Hermann: Einverstanden!)

    Ebenso ist der tarifpolitische Antrag, den Sie gestellt haben, sehr interessant. Es ist sehr viel mehr Konsistenz darin, die Sache hat viel mehr Kontur als das, was der Herr Verkehrsminister zur Tarifpolitik vorgetragen hat. Aber ich glaube nicht, daß das wirklich ausreicht. Wenn wir tarifpolitische Sofortmaßnahmen ins Auge fassen wollen, muß man hinsichtlich des Gefälles zwischen Eisenbahntarif und Kraftwagentarif sehr viel drastischer vorgehen. Auch die Aufhebung der Ab-tarifierung der obersten Wertklassen ist, glaube ich, im Augenblick ohne weitere Voraussetzungen nicht durchführbar; da bin ich sehr skeptisch.
    Ihre Vorschläge zur Unfallbekämpfung finde ich zum Teil sehr interessant. Ich möchte — sicherlich haben die Damen und Herrn nicht alle diese dicken Wälzer von Gesetzentwürfen durchgelesen — auf einen sehr interessanten Gedanken, der dort enthalten ist, hinweisen, nämlich daß die Kraftfahranfänger ein ganzes Jahr lang noch keinen richtigen, sondern einen Anfängerführerschein kriegen und sich hinterher noch einmal zur Prüfung vorstellen müssen, ob sie nun die Fahrpraxis erworben haben. Vielleicht könnte man hinzufügen: gebt doch den Leuten ein Schild „L" oder ein anderes Zeichen hinten auf das Nummernschild, damit jeder im Verkehr schon von weitem sieht, daß das ein etwas vorsichtig zu betrachtender Verkehrspartner ist. Ich finde, dieser Vorschlag ist sehr erwägenswert.


    (Schmidt [Hamburg])

    Aber eines muß ich sagen — und da kommt der entscheidende Einwand, Herr Müller-Hermann —: das Wichtigste fehlt auch in Ihrem ansonsten vollständigeren Gesamtkonzept, die Grundkonzeption fehlt. Ich sehe nicht, wie Sie auf die Dauer den Wettbewerb zwischen Schiene und Straße mit diesen Gesetzen wirklich lenken wollen.

    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Wo bleibt die Binnenschiffahrt?)

    — Ja, Herr Minister, die Binnenschiffahrt! Ich würde so sagen: dies ist im Augenblick nicht das schwierigste Problem; und wenn der Herr Müller-Hermann in bezug auf die Binnenschiffahrt auch nichts ausgeführt hat, so ist er sicher genau so vorsichtig wie Sie, da Sie in Ihren Gesetzentwürfen, ja auch nichts über die Binnenschiffahrt gesagt haben.

    (Heiterkeit.)

    Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Das würde ich an Ihrer Stelle Herrn Müller-Hermann nicht vorwerfen.
    Dem Herrn Müller-Hermann ist etwas anderes vorzuhalten. Wenn er schon einmal die berühmte Koalitionsdisziplin durchbricht und Ihren Gesetzentwürfen eigene Gesetzentwürfe gegenüberstellt, dann ist zu fragen: warum hält er sich dann nicht an die erklärte verkehrspolitische Programmatik seiner Partei? Was soll man eigentlich von Parteiprogrammen und parteiprogrammatischen Erklärungen halten, meine Damen und Herren, wenn Sie sich dann hier, wenn Sie schon einmal in die Opposition gehen, nicht einmal danach richten?

    (Abg. Müller-Hermann: Wo ist denn ein Widerspruch!)

    — Ja, den Widerspruch will ich gerade aufdecken, Herr Müller-Hermann. Sie haben zwar die verkehrspolitischen Richtlinien des Verkehrspolitischen Ausschusses der CDU zitiert und haben dann gesagt: Wir wollen aber keinen Zwangsverband, wir wollen keine solchen Kolchosen. Damit sind Sie sehr in die Nähe der propagandistischen Beeinflussungsmethode des Herrn Bundesverkehrsministers geraten, der uns hier schon wieder mal Sozialisierungsabsichten anhängen wollte. Ich möchte wissen, wen Sie eigentlich damit gemeint haben, als Sie von Sozialisierungsabsichten in bezug auf den Straßenverkehr und in bezug auf die Binnenschiffahrt sprachen, die angeblich im Parlament und in der Öffentlichkeit vertreten würden. Ich habe wirklich in den ganzen letzten Jahren nichts davon gelesen. Wo kommt das eigentlich her?

    (Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm: Von früher!)

    Ich weiß es nicht. Aber Sie haben das Wort „Kolchose" gebraucht, Herr Müller-Hermann. Ich will Ihnen einmal vorlesen, was Ihre eigene Partei dazu sagt:
    Mit einer Organisation des Kraftverkehrs in Form des vorgeschlagenen Bundes-Kraftwagen-Betriebsverbandes und mit Hilfe der vorgesehenen Ausgleichsabgabe mit der Maßgabe, daß diese Ausgleichsabgabe nach gesetzlicher Bestimmung an diese Organisation abzuführen und von ihr wieder zu verteilen wäre, wird die Voraussetzung dafür geschaffen, den Betrieb von Eisenbahn und Kraftwagen auch im Verhältnis des eisenbahneigenen und privaten Verkehrs enger zu verzahnen, einen Straßen- und Flächenverkehr
    mit durchgehenden Frachtberechnungen einzuführen, einen gemeinsamen Stückgutsammelverkehr und Verteilerverkehr, gemeinsame Abrechnungsbetriebsstätten ... usw. Das ist ein sehr dankenswertes und ein recht gutes Dokument, in dem diese Vorstellung von einem Bundes-Kraftwagenbetriebsverband sehr ausführlich entwickelt wird. Sie werden sich erinnern, daß ich diese Vorstellung hier vor fünf Monaten vertreten habe.

    (Abg. Müller-Hermann: Zu dem Konzept stehen wir auch!)

    — Ja bitte, warum schreiben Sie es dann in Ihren Gesetzentwurf nicht hinein? Nur so kriegen Sie doch eine endgültige Wettbewerbsregelung zwischen Schiene und Straße.

    (Abg. Müller-Hermann: Wir wollen aber nicht einen sozialisierten Zwangsverband!)

    — Sozialisieren wollen wir gar nicht. Es bleibt alles Privateigentum. Wir machen das gern nach diesen Vorschlägen. Das ist wirklich eine Brücke, auf der man sich verständigen könnte. Hier ist ja keine Parteitaktik, auch keine weltanschauliche Frage. Hier könnte man sich zwischen den verschiedenen Fraktionen des Hauses verständigen zum Nutzen der Verkehrswirtschaft. Warum übernehmen Sie das nicht in Ihre Gesetzentwürfe?
    Es gibt zwei fundamentale Grundsätze, die für die Ordnung des Verkehrswesens Geltung haben müssen. Der eine ist der, daß die Verkehrspolitik, nicht nur der Bahn, sondern überhaupt, gemeinwirtschaftlich erfolgen muß, nach den Kriterien, die Herr Dr. Leiske vorhin aufgezeigt hat. Der zweite Grundsatz ist der, daß für beide Verkehrsträger die Verwirklichung gleicher Startbedingungen anzustreben ist. Das heißt die Sache mit den Wegekosten, das heißt die Sache mit der Verzinsung des Straßen- u n d Eisenbahnkapitals — das muß man hinzufügen, das ist in den Ausführungen von Herrn Dr. Leiske vergessen worden —, und das heißt eben auch, daß hinsichtlich der gemeinwirtschaftlichen Belastung beide unter gemeinwirtschaftlichen Tarifen zu stehen haben und beide die gleiche Beförderungspflicht haben. Die Beförderungspflicht ist eine Sache, die auf der anderen Seite einen internen Kostenausgleich notwendig macht. Beides kriegen Sie nur durch diese Selbstverwaltungsorganisation des Güterfernverkehrs, die es ja auch früher in Deutschland schon gegeben hat. Bitte, meine Damen und Herren, es spricht nicht gegen diesen Gedanken, daß er erstmalig von den Nationalsozialisten in Deutschland verwirklicht wurde. Das war nur die logische Konsequenz der ganzen Deroutierung des Verhältnisses Schiene—Straße, die nach 1930 schon einmal eingetreten war. Der Gedanke ist auch schon sehr viel früher aufgetaucht als etwa erst 1933.

    (Abg. Müller-Hermann: Wir wollen nur den Zusammenschluß auf privatvertraglicher Basis!)

    — Wissen Sie, mit dem Privatvertrag ist das genau so wie mit der Handwerkskammer. Entweder Sie wollen sie alle hineinhaben, dann müssen Sie eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bilden. Oder Sie machen es auf privatvertraglicher, freiwilliger Basis, dann kriegen Sie aber die Außenseiter nicht mit hinein. Ich will die Namen derer nicht nennen, die dann draußen bleiben. Aber die würden dann die Sahne dabei abschöpfen, das ist doch ganz klar.


    (Schmidt [Hamburg])

    Nein, ohne eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ist das nicht zu machen.
    Ich zitiere mit besonderer Freude ein Schriftstück, das mir vor zwei Tagen zugeschickt wurde und das noch sehr jung ist. Es handelt sich um die Stellungnahme des Wirtschaftsbeirates der CSU vom 16. Juni 1954 zu den Verkehrsgesetzen. Ich halte diese Ausarbeitung für wirklich ausgezeichnet, und ich wundere mich eigentlich, meine Damen und Herren: Wenn Sie soviel Opposition gegenüber den offiziellen Plänen des Kabinetts haben und hier eigene Ideen und Entwürfe vorbringen, warum bringen Sie dann nicht die Sache, die unter Ihrer Firma in die Welt geschickt worden ist? Das kann ich nicht verstehen. Für wen haben Sie denn diese Ausarbeitung gemacht, wenn nicht für Ihre parlamentarische Arbeit?

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Augenpulver für die Wähler!)

    Das ist doch eine Stellungnahme, das ist doch — —

    (Zurufe von der SPD: Das ist die Zweigleisigkeit! — Das ist die Doppelgleisigkeit! — Weitere Zurufe von der SPD. — Gegenrufe von der Mitte.)

    — Ich bitte einen Moment um Entschuldigung. Ich möchte ja hier von mir aus die Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion gar nicht herausfordern. Im Gegenteil, ich hoffe ja wirklich, daß wir uns in der sachlichen Abstimmung im Ausschuß womöglich über diese Brücke einigen können. Ich weise nochmals darauf hin, daß der Deutsche Industrie- und Handelstag immer wieder die gleichen Vorstellungen verfolgt hat; und das sind doch nun wirklich keine Leute, die bei Ihnen, Herr Müller-Hermann, oder bei Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, in dem Geruch stehen könnten, Kolchosen errichten zu wollen oder Sozialisierungsabsichten zu verfolgen. Das sind doch auch in der CSU keine Leute, die Kolchosen errichten wollen, sondern das sind Leute, die in einem peripheren Land sitzen, in einem weit vom Zentrum des Wirtschaftsgebietes entfernten Land, und deshalb aus eigener Erfahrung seit 1948 sehr wohl wissen, was gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung — ja oder nein — für dieses Land und für diese peripheren Gebiete bedeutet. Deshalb setzen sie sich expressis verbis für denselben Vorschlag ein, den ich hier im Februar gemacht habe, die gemeinwirtschaftliche Verkehrsbedienung, den Tarifzwang, die Beförderungspflicht und den internen Kostenausgleich genau so auf den Güterkraftverkehr zu übertragen, wie es bei der Eisenbahn heute schon der Fall ist. Ich meine, meine Herren von der CDU/CSU, Sie sollten sich das wirklich überlegen. Es könnte auch in der Öffentlichkeit eigentlich nicht recht verstanden werden, wenn Sie hier, ohne ein Wort der Begründung zu sagen, von diesen, wie mir scheint, ausgezeichneten Gedanken abrückten.

    (Abg. Dr. Orth: Im Ausschuß erarbeiten!)

    Die Ausschüsse haben eine immense Aufgabe vor sich, und es ist nach wie vor eine Kette von auch noch nicht andeutungsweise gelösten Problemen vorhanden, gerade in bezug auf die Koordination, auf die Regelung des Wettbewerbs, auf die Ordnung des Verkehrsmarktes. Aber es besteht durch die Anteilnahme der Öffentlichkeit eine einmalige psychologische Chance, etwas Durchgreifendes zu tun. Der Herr Bundeskanzler schreibt heute im „Rheinischen Merkur": „Es muß etwas Durchgreifendes geschehen im Verkehrswesen". Was das Straßenentlastungsgesetz uns bringt, ist eben nichts Durchgreifendes. Ich wiederhole, ich habe nichts gegen Verbote. Aber wenn Verbot, dann muß es auch etwas bringen. Verbieten wir den Anhänger, sorgen wir für eine anständige, vernünftige, wirtschaftliche Organisation des Güterkraftverkehrs, machen wir ihn zu einem Verhandlungspartner für die Bahn und für die Wirtschaft, sorgen wir dafür, daß dort ein interner Kostenausgleich stattfinden kann, daß er seine Mitglieder in den Flächenverkehr hineinrücken kann und nicht in den Knotenpunktverkehr. Das wäre wirklich zu etwas nütze.
    Ich glaube schon, daß man dieses Problem in mehreren Stufen lösen muß; das geht vielleicht nicht alles auf einmal. Aber es ist eben notwendig, daß der erste Schritt, den wir in diesem Jahre tun, nicht von vornherein in eine falsche Richtung führt. Ich darf 'noch einmal versichern — damit wende ich mich an die Kollegen im Verkehrsausschuß von den anderen Fakultäten —: wir sind offen für jede sachliche Auseinandersetzung und Zusammenarbeit auf diesem Gebiet und würden es sehr begrüßen, wenn die Vorschläge, die aus Ihren eigenen Reihen kommen, vielleicht eine Brücke dabei bilden könnten.

    (Beifall bei der SPD.)