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    2. Deutscher Bundestag — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954 1773 38. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1773 D, 1821 A, 1834 C, 1843 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 74 und 78 (Drucksachen 605, 680; 619, 679) 1774 A Änderungen der Tagesordnung . . 1805 D, 1820 C, 1842 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FPD betr. Nahzonenregelung in grenznahen Gebieten nach § 2 Abs. 4 Güterkraftverkehrsgesetz (Drucksachen 392) 1774 A, 1821 A, 1828 D Rademacher (FDP), Anfragender . . 1774 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1774 C Erste Beratung des Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 573) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs durch Entlastung der Straßen (Straßenentlastungsgesetz) (Drucksache 574), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr (Drucksache 611), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 612), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrswege (Drucksache 613), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 614), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Koordinierung der Verkehrsträger (Drucksache 615), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Maßnahmen im Verkehrswesen (Drucksache 616) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) (Drucksache 678) 1776 A, 1805 D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1776 B, 1829 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1789 C Müller-Hermann (CDU/CSU), Antragsteller 1793 B Dr. Leiske (CDU/CSU) 1805 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 1811 D Rademacher (FDP) 1821 A Donhauser (CDU/CSU) 1832 C Jahn (Frankfurt) (SPD) 1837 A Weiterberatung vertagt 1842 D Hochwasserkatastrophe in Südbayern, Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP (Drucksache 693), Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 694), Antrag der Fraktion der CDU/CSU (Drucksache 695): Vizepräsident Dr. Jaeger 1820 C Ritter von Lex, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . 1828 C Vizepräsident Dr. Schneider . 1828 D, 1843 A Anträge Drucksachen 693 und 694 durch Erklärung der Bundesregierung für erledigt erklärt 1828 D Nächste Sitzung, — zur Geschäftsordnung: Vizepräsident Dr. Schneider . . . 1843 B, D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 1843 C Dr. Krone (CDU/CSU) 1843 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    ein sehr schwieriges Beginnen. Der Herr Minister hat bei diesem Versuch keinen Erfolg gehabt. Ich kann leider nicht glauben, daß ein nochmaliger Versuch des Herrn Bundesministers für Verkehr — etwa mit einem strengen Konklave einiger weniger verantwortun gsbewußter Verkehrsexperten doch noch zu einer Verständigung zu gelangen — besondere Aussichten auf Erfolg böte. Dazu sind die gegenseitigen Fronten in den letzten Monaten leider zu sehr verhärtet worden. Aber wir dürfen keine weitere Zeit mehr verlieren und müssen nun vom Parlament aus, unserer großen Verantwortung entsprechend, endlich Entscheidungen treffen.
    Nun möchte ich den Verfechtern der schrankenlosen Wettbewerbswirtschaft im Verkehrswesen,

    (Abg. Müller-Hermann: Wo gibt's die denn?) besonders im Bereich der Straße, etwas Grundsätzliches sagen. Diese Herren argumentieren meist so, daß sie das Vordringen des Lastkraftwagens auf der Straße als einen besonderen Erfolg der Wettbewerbswirtschaft herausstellen. Niemand in diesem Hohen Hause wird die volkswirtschaftlichen Leistungen besonders des gewerblichen Kraftverkehrs seit Kriegsende verkennen oder auch nur schmälern wollen. Im Gegenteil, wir müssen diese besonderen Leistungen anerkennen. Hier hat ein vorwiegend mittelständisches Gewerbe mit Fleiß und mit Geschick und mit großem Einfühlungsvermögen in die individuellen Verkehrsbedürfnisse der Wirtschaft große Leistungen vollbracht. Aber, meine Damen und Herren, echte Wettbewerbswirtschaft war das nicht und wird das niemals werden. Der gewerbliche Kraftverkehr hat doch vor Jahren mit Konzessionen angefangen und er fährt noch heute mit Konzessionen. Dabei will ich nur einmal ganz leise andeuten, daß die Vergabe und die Weitergabe dieser Konzessionen — das kann wohl niemand bestreiten — sich nicht immer und nicht überall so ganz unanfechtbar vollzogen haben.


    (Sehr .richtig! in der Mitte und rechts.)

    Der Kraftverkehr ist doch in vieler, vieler Beziehung begünstigt worden, auch von der Bundesregierung und besonders auch in steuerlicher Beziehung, so seltsam das klingt, von dem Herrn Bundesminister der Finanzen.
    Ich muß die Frage stellen, ob der Kraftverkehr in den zurückliegenden Jahren wirklich seine Wegekosten aufgebracht hat, wie die Deutsche Bundesbahn ihren Oberbau nach dem Kriege ohne staatliche Hilfe wieder in Ordnung zu bringen bemüht gewesen ist und noch ist.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich werde darauf noch zu sprechen kommen. Hier erheben sich bedenkliche Zweifel und Fragezeichen, an denen nach meinem Empfinden auch ein Wissenschaftler vom Range des Genfer Universitätsprofessors Dr. Wilhelm Röpke nicht hätte vorübergehen sollen. Seine vielgelesene Abhandlung über
    Abstimmung des Schienen- und Straßenverkehrs" im „Deutschen Volkswirt" vom 1. Mai dieses Jahres hat, wenigstens nach meinem Eindruck — ich bedaure, das sagen zu müssen —, die Verwirrung in der ohnehin verworrenen Verkehrsdiskussion noch vermehrt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich bedaure besonders, daß dieser um den Durchbruch der Marktwirtschaft in Deutschland so hochverdiente Mann der ökonomischen Wissenschaft bei seiner Argumentation die Deutsche Bundesbahn und die Eisenbahn so offensichtlich ins Unrecht gesetzt hat. Diese Art der wissenschaftlichen Beweisführung ist in ihrer tendenziellen Einseitigkeit gegen die Bundesbahn von vielen ernsthaften Verkehrspolitikern — ich will mich höflich ausdrücken — als peinlich empfunden worden.

    (Sehr richtig! bei der SPD und in der Mitte.)

    Die Organisationen des gewerblichen Kraftverkehrs sind schlecht beraten, wenn sie Herrn Professor Dr. Röpke als ihren Anwalt in Anspruch nehmen und uns, den Abgeordneten, seine so tendenziell orientierte Abhandlung ins Haus schicken.

    (Sehr gut! bei der SPD und in der Mitte.)

    Die Verwirrung in der öffentlichen Verkehrsdiskussion hat nun seit Wochen noch eine weitere


    (Dr. Leiske)

    Steigerung erfahren durch das heute schon genannte „Forum der Verkehrsteilnehmer" in Frankfurt am Main — also in meinem Wahlkreis sitzend —, für das sieben namhafte Gummiwerke verantwortlich zeichnen.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Da werden von diesen Reifenfabriken — natürlich zu Lasten ihrer Werbungskosten, also auf Kosten des Herrn Bundesministers der Finanzen — public relations betrieben, und zwar in einem so plumpen und, ich muß schon sagen, bauernfängerischen Stil, daß der einfache Mann auf der Straße, der ja viel intelligenter ist, als die geistigen Väter dieses Forums es meinen,

    (Zurufe: Sehr wahr!)

    geradezu zum Widerspruch herausgefordert wird. Diese besondere Art von publicity wird auch manchem fernerstehenden Abgeordneten den peinlichen Beweis erbracht haben, daß hier kapitalstarke Interessen einzelner Lieferwerke auf die öffentliche Meinung beherrschenden Einfluß nehmen wollen. Im Zeichen von St. Raphael — ich finde das nicht sehr geschmackvoll —

    (Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

    als dem Schutzpatron der Fuhrleute und Reisenden werden die Verkehrsteilnehmer durch großräumige Anzeigen in den Inseratenspalten der Tageszeitungen und der Fachzeitungen zur Mitarbeit an der Gesundung — an der Gesundung! — der Verkehrsverhältnisse aufgerufen.

    (Zuruf rechts: Die Zeitungen wollen auch leben!)

    Ich will auf den textlichen Gehalt oder, richtiger gesagt, auf die Armut dieser Texte nicht im einzelnen eingehen.

    (Zuruf von der SPD: So wird geschmiert!)

    Zu offensichtlich und zu einseitig soll der Leser auf die verkehrspolitischen Interessen des Kraftverkehrs ausgerichtet werden.
    Ich möchte diesem verehrlichen „Forum der Verkehrsteilnehmer" den Rat geben, doch einmal unter den Fußgängern, unter den Pkw-Fahrern, unter den Pkw-Fahrgästen und unter den häuslichen und wohnungsmäßigen Straßenanliegern in Stadt und Land einen Volksentscheid durchzuführen,

    (Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

    wie diese größten Gruppen der Verkehrsteilnehmer, die ja nicht besonders organisiert sind, nun wirklich zu der Vormachtstellung der Lastkraftwagen, insbesondere der schweren Lastkraftwagenzüge, stehen. Solcher Volksentscheid nach Schweizer Muster würde, davon bin ich im voraus überzeugt, einige Überraschungen für das „Forum der Verkehrsteilnehmer" ergeben.
    Ich halte überhaupt den Weg, den hier diese Reifenfabriken gegangen sind, für höchst bedenklich; denn dieser Weg könnte Beispiel werden für eine Gegenorganisation der Fußgänger im Zeichen von St. Christophorus

    (Heiterkeit und Beifall)

    als dem Patron gegen unbußfertigen Tod; der amtierende Bundesminister für Verkehr würde dadurch vielleicht besonders angesprochen werden! Und der Kohlenbergbau, der an die Deutsche Bundesbahn jährlich für eine halbe Milliarde DM Koh-
    len absetzt, könnte unter Berufung auf St. Barbara auch auf den Gedanken verfallen, nun die Verkehrsteilnehmer zugunsten der Bundesbahn beeinflussen zu wollen. Wo sollen wir überhaupt hinkommen, so frage ich, wenn unsere bundesdeutsche Verkehrspolitik in dieser Weise von Lieferinteressen der Eisen- und Stahlindustrie oder der Lokomotivfabriken oder der Werke für elektrische Ausrüstungen oder der Automobilfabriken oder der Mineralölindustrie diktiert werden sollte!

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich fürchte sehr, diese Wege würden in die Irre führen, und ich kann nur dem gesunden Instinkt der Verkehrsteilnehmer aller Grade vertrauen, daß sie sich durch solche Methoden in ihrem Urteil über die Ordnungsbedürftigkeit des Verkehrswesens nicht beeinflussen lassen.

    (Abg. Rümmele: Richtig!)

    Nun ein kurzes Wort zur Deutschen Bundesbahn und zu ihrem Notstand. Über ihre defizitäre Lage ist in diesem Hohen Hause schon sehr gründlich diskutiert worden, zuletzt noch am 7. April bei der Beratung des Haushalts für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr. Ich will nicht längst Bekanntes und längst Gesagtes wiederholen, aber einige wenige Daten müssen doch noch einmal herausgestellt werden:
    Im Wirtschaftsplan 1953 bei der Bundesbahn rund 600 Millionen DM Unterschuß, im Wirtschaftsplan 1954 voraussichtlich rund 800 Millionen DM Unterschuß; bahnfremde, nämlich politische, Sonderlasten im Jahr rund 500 Millionen DM, Sonderlasten aus der gemeinwirtschaftlichen Verkehrsbedienung im Jahr rund 360 Millionen DM.
    Und trotzdem, meine Damen und Herren, hat die Deutsche Bundesbahn als einziges Verkehrsmittel die Kosten für die Erhaltung und Sicherung ihres Fahrweges getragen. Und trotzdem hat die Bundesbahn ihren Personenverkehr modernisieren können. Sie hat auch ihren Güterverkehr modernisieren können. Sie stellt die Zugförderung auf elektrischen Betrieb oder auf Dieselbetrieb um. Die Bundesbahn rationalisiert in der Verwaltung, im Betrieb, im Verkehr, in den Werkstätten, im Bau. Sie hat, wie wir gehört haben, ihren Personalbestand erheblich vermindert, und sie gedenkt diese retardierende Personalpolitik — natürlich unter Vermeidung von sozialen Härten — auch fortzusetzen. Die Bundesbahn kann sich auf ihre 500 000 Eisenbahner verlassen, weil diese an ihrem Unternehmen hängen, manchmal schon seit Generationen in derselben Familie hängen. Die Eisenbahner bilden eine Betriebsfamilie im besten Sinne des Wortes, die auf die Leistungen ihrer Mitglieder in den verschiedenen Sparten stolz sein kann.
    Die Bundesbahn will aus dem Defizit heraus. Sie will nicht, wie andere Staatsbahnen, Jahr für Jahr zum Kostgänger des Staatshaushalts werden.

    (Abg. Rümmele: Siehe Frankreich!)

    — Ja, siehe Frankreich! — Die Bundesbahn will an der Gemeinwirtschaftlichkeit ihres Betriebssystems und ihres Tarifsystems festhalten.
    Was heißt nun eigentlich „Gemeinwirtschaftlichkeit" im hier besonders interessierenden Güterverkehr? Ich zitiere dazu mit Absicht einen Nichteisenbahner, nämlich das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Deutschen Industrie- und Handelstages, Herrn Dr. Paul Bayer in Bonn. Der sagt


    (Dr. Leiske)

    über die Gemeinwirtschaftlichkeit im Güterverkehr folgendes — ich darf es zitieren, Herr Präsident — :
    Einer der Hauptbestandteile der Gemeinwirtschaftlichkeit des Deutschen Eisenbahngütertarifs ist seit Jahrzehnten die Wertstaffel, welche die hochwertigen Güter bei gleicher Leistung frachtmäßig höher belastet als geringwertige. Diese Wertstaffel hat die Standortlage der deutschen Wirtschaft seit Jahrzehnten im Sinne einer volkswirtschaftlich sehr erwünschten Dezentralisierung beeinflußt. Die Wirkung der Wertstaffel wird noch unterstützt durch die Entfernungsstaffelung der Gütertarife, durch welche die an der Peripherie gelegenen Industrien indirekt den Rohstoffzentren nähergebracht werden, so daß sich ihre standortmäßige Benachteiligung verringert. Ein weiteres wesentliches Merkmal der Gemeinwirtschaftlichkeit der Eisenbahn ist die tarifarische Gleichbehandlung aller Strecken ohne Rücksicht auf deren Verkehrsdichte; nämlich die wenig befahrenen Nebenstrecken werden durch die Einnahmen aus den Hauptstrecken subventioniert, womit gewissermaßen ein regionaler Lastenausgleich praktiziert wird.
    So weit Herr Dr. Beyer. Aber die Bundesbahn und die nicht bundeseigenen Eisenbahnen sagen nun, sie könnten diese gemeinwirtschaftliche Politik, die doch für die wirtschaftsschwachen und revierfernen Gebiete sowie für die Zonenrandgebiete auf jeden Fall aufrechterhalten werden soll, nur durchhalten und fortsetzen, wenn eine weitere Aushöhlung des Eisenbahnverkehrs vermieden wird. Ich möchte meinen, daß wir uns über den Ernst und die ganze Schwere dieser Alternative im Eisenbahnverkehr klarwerden müssen. Der Bundestag wird diesem Entweder-Oder nicht mehr länger ausweichen können.
    Nun ist in der leidenschaftlichen Diskussion dieser Fragen in den letzten Monaten neuerdings mit einem roten Haltesignal — nicht politisch roten Haltesignal! —

    (Heiterkeit)

    operiert worden, nämlich mit dem Schlagwort der Gefahr eines Monopols der Eisenbahn zum mindesten für bestimmte Transporte. Herr Kollege Müller-Hermann hat ja diese Frage auch in seinen Ausführungen berührt. Nüchterne Verkehrspolitiker haben dieses Signal schon in die Worte umgeprägt: Monopol der schlechten Risiken. Wir sollten, meine Damen und Herren, über diese Fragen ganz leidenschaftslos diskutieren. Ein Eisenbahnmonopol hat in Deutschland niemals bestanden; dafür sorgt schon der Wettbewerb mit der Binnenschiffahrt. Die Bundesbahn braucht doch — so wurde uns neulich einmal in kleinerem Kreise gesagt — mehr Verkehr, und in dieser Lage wird sie die Tarifsätze halten müssen; sonst würde sie ja völlig unkaufmännisch handeln und nur das Gegenteil, nämlich den Verkehrsschwund, erreichen. Schließlich ist der Vorstand der Bundesbahn gerade in der Tarifgebarung alles andere als frei; so ist uns neulich wenigstens berichtet worden. Ich hörte, daß der Vorstand bei Tarifänderungen vierzehn Stationen zur Zustimmung durchlaufen muß, was nicht gerade für eine sehr kaufmännische Struktur des ganzen Geschäfts spricht. Wir sollten uns also durch diese neue Vokabel des Eisenbahnmonopols nicht schrecken lassen. Wie man sich aber auch als Politiker oder als Freund zur Deutschen Bundes-
    bahn stellen mag, man wird zugeben müssen, daß die Bundesbahn sowohl im Personenverkehr wie namentlich auch im Güterverkehr noch zu großen technischen Leistungssteigerungen berufen und befähigt sein wird, unter einer Bedingung oder Voraussetzung: wenn sie durch eine ausgeglichene Rechnung dazu in den Stand gesetzt wird.
    Meine Damen und Herren! Bevor ich nun auf die beiden Gesetzesvorlagen im besonderen eingehe, muß ich noch einen Augenblick bei der umstrittenen Frage der künftigen Dimensionierung der Lastkraftwagen und der Lastwagenzüge auf der Straße verweilen. Dem Kraftverkehr auf der Straße, sowohl dem gewerblichen Kraftverkehr wie dem Werkverkehr der Industrie und des Handels, steht bekanntlich das starke Argument des Haus-Haus-Verkehrs zur Seite, ein Argument, dessen volkswirtschaftliche Bedeutung auch von uns besonders anerkannt werden muß. Das hat sich ganz natürlich besonders günstig für solche Produktionsstätten ausgewirkt, die in verkehrsschwachen und verkehrsfernen Gebieten nicht über den Vorteil des Eisenbahnanschlusses vor der Tür oder doch in nächster Entfernung verfügen können.
    Das bedeutet aber, daß die schweren Transporte nach Passieren der Fernstraßen durch die engen Ortsdurchfahrten geschleust werden müssen, um am Bestimmungsort in meist engen Ortslagen empfangen werden zu können.
    Nun ist bekanntgeworden — es ist auch heute schon ausgesprochen worden —, daß die kommunalen Spitzenverbände, der Deutsche Städtetag, der Deutsche Gemeindetag, der Deutsche Landkreistag und für die besonders schwierigen Verhältnisse im Ruhrrevier der Ruhrsiedlungsverband, sich mit dieser Problematik sehr verantwortungsbewußt befaßt haben. In den kleinen Gemeinden wie in den großen Städten und in den zusammenhängenden Revieren ergibt sich in wachsendem Maße eine Inkongruenz zwischen den dimensionalen Ansprüchen des Kraftverkehrs einerseits und der Enge und starken Beanspruchung der örtlichen Straßenlagen andererseits.

    (Abg. Dr. Willeke: Sehr richtig!)

    Ich muß hier aus meiner persönlichen Schau einer großen Großstadt mit sehr lebhaftem Straßenverkehr eine Warnung aussprechen, die ich gleichermaßen richten möchte an die erzeugende Automobilindustrie wie an den gewerblichen Güterverkehr. So wie bisher wird es nicht mehr lange weitergehen! Die Polizeipräsidenten und die Verkehrspolizeibehörden haben in diesen großen Verkehrszentren den Kraftverkehr bisher noch einigermaßen im Fluß halten können. Aber der Güterkraftverkehr ist auf dem besten Wege, sich in diesen großen Verkehrszentren selber totzulaufen. Er sollte mit der Industrie die Einsicht aufbringen, daß er in der Länge, in der Breite und im Gewicht der Lastwagen nachgeben muß. Das gilt übrigens bis zu einem gewissen Grade auch — mit einer gewissen Abwandlung — für die modernen Personenomnibusse. Andernfalls werden nämlich die Verkehrspolizeibehörden früher oder später einfach in die Zwangslage versetzt werden, Sperrmaßnahmen zu verfügen, die dem Haus-Haus-Verkehr an den Lebensnerv gehen würden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Vorgehen großer Städte im Ausland, die schwerdimensionierte Lastwagen und Lastwagenzüge längst aus ihren Stadtkernen verbannt haben. Die Straßenlagen in den deutschen Städten sind früher oder


    (Dr. Leiske)

    später für diesen schwerdimensionierten Güterverkehr nicht mehr aufnahmefähig. Da helfen dann auch keine Umgehungsstraßen, denn die schweren Lastwagen und Lastwagenzüge wollen doch in die Stadtzentren hinein und zu ihren Empfängern vor die Tür oder in den Hof fahren. Die Verkehrspolizeibehörden in diesen dichten Verkehrszentren werden froh sein können, wenn sie in Zukunft den von Jahr zu Jahr stürmisch zunehmenden Pkw-Verkehr und den Verkehr der leichten Lieferwagen noch einigermaßen in Fluß halten können. Ich würde es sehr begrüßen, wenn meine warnende Stimme, die keinesfalls von Abneigung gegen den Güterkraftverkehr diktiert ist, sowohl bei der Automobilindustrie wie auch bei der Anhängerindustrie und beim Verkehr selbst die Beachtung fände, die sie verdient. Im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten wird es gut sein, wenn wir rechtzeitig haltmachen und umkehren.
    Nun möchte ich mich den beiden Gesetzesvorlagen zuwenden, dem Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes und dem Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes. Fürchten Sie nicht, meine Damen und Herren, daß ich mich dabei in Einzelheiten verlieren werde, denn ich möchte mir Ihre Aufmerksamkeit erhalten. Der Inhalt und die Tendenz dieser beiden Gesetzentwürfe sind bekannt. Ich muß auf Grund beider Gesetzentwürfe den Zwang, die Straßen zu entlasten, bejahen, weil die 11 000 Unfalltoten und die 300 000 Unfallverletzten im Jahr eine schwere Anklage sind. Man argumentiere dabei doch nicht immer so, daß die überwiegende Zahl dieser Unfälle gar nicht auf die großen Fernstraßen, sondern auf die engen Ortslagen entfielen. Meine Damen und Herren, ich frage die Kollegen in diesem Hohen Hause, die wie ich Monat für Monat viele Tausend Kilometer auf den Autobahnen und Bundesstraßen fahren müssen: Wer von Ihnen wird bestreiten können, daß er als Pkw-Fahrer oder als Pkw-Fahrgast gerade durch den zunehmenden Verkehr schwerer Lastkraftwagen auf der Straße nicht selbst schon mehrmals in Gefahr, vielleicht im einzelnen Falle sogar in tödliche Gefahr geraten ist! Das soll keinerlei Vorwurf gegen das Fahrpersonal der schweren Lastkraftwagen einschließen, für dessen schwere Dienstleistung und für dessen häufig straßenkameradschaftliche Einstellung ich alle Achtung empfinde. Aber wenn das so weitergeht, dann müssen wir auf den Autobahnen beiderseits die dritte Fahrbahn anfügen und dann müssen wir auf den großen durchgehenden Bundesstraßen zu erheblicher Verbreiterung der Fahrbahnen schreiten. Auch noch diese erheblichen Anpassungsbauten zu finanzieren, ist doch aber ganz unmöglich.
    Ebenso bejahe ich aus beiden Gesetzentwürfen die Tendenz, der Deutschen Bundesbahn einen Teil des auf die Straßen abgewanderten Verkehrs zurückzugeben, weil wir die Bundesbahn für die Durchhaltung ihres gemeinwirtschaftlichen Betriebs- und Tarifsystems stark machen müssen. Dieses gemeinwirtschaftliche System der Bundesbahn ist aufs höchste gefährdet. Das sollten gerade diejenigen Herren Kollegen bedenken, denen die Verkehrsinteressen der revierfernen Gebiete und der Zonenrandgebiete am nächsten liegen und anvertraut sind. Aus einer allerjüngsten Verlautbarung des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn war wiederum zu ersehen, daß die rückläufige Tendenz des Bundesbahn-Güterverkehrs anhält. Der Güterverkehr ist bis Ende April 1954 wiederum um 2,7 % gegenüber 1953 zurückgegangen, während sich der Personenfernverkehr weiterhin günstig entwickelt hat.
    Meine Damen und Herren, nun stellt sich die Kernfrage, vor die wir alle gestellt sind, doch einfach so: Können wir die Entlastung der Straße erreichen und dabei die Gemeinwirtschaftlichkeit der Bundesbahn durchhalten nur mit den Mitteln verstärkter Verkehrserziehung, mit den Verwaltungsakten verstärkter Verkehrsaufsicht, mit der Handhabe entsprechend beweglicher Tarifpolitik und mit der steuerlichen Belastung des Straßenverkehrs zur Aufbringung seiner Wegekosten? Oder genügt das alles nicht und müssen wir dann zu bestimmten Transportverboten im Güterfernverkehr und im Werkfernverkehr schreiten?
    In Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesminister für Verkehr fürchte ich, daß tarifpolitische Maßnahmen allein nicht ausreichen werden, um diese doppelte Zielsetzung zu erreichen, ganz abgesehen davon, daß ich bezüglich einer Kontrolle der Einhaltung dieser Tarife sehr skeptisch bin. Wir sollten also, meine ich, in eine ganz nüchterne Prüfung der Verbotsgesetzgebung nach dem Entwurf des Straßenentlastungsgesetzes eintreten, selbst wenn wir dabei, der eine mehr, der andere weniger, einen dirigistisch-bitteren Geschmack empfinden sollten. Vielleicht — ich bin kein Prophet — werden wir dann dem Herrn Bundesminister für Verkehr noch recht geben müssen, wenn er neuerdings mit Nachdruck betont, daß die künftigen Belastungen des Güterkraftverkehrs nach den vorliegenden Gesetzentwürfen der Bundesregierung als maßvoll einzuschätzen sind und immer noch ein annehmbares Kompromiß darstellen gegenüber der anderen Alternative, den Güterkraftverkehr steuerlich mit den wirklich vollen Wegekosten belasten zu sollen.
    Diese schwierige Problematik der vollen Wegekosten für den Straßenverkehr hat nämlich ein ganz neues Gesicht erhalten, seitdem der Wissenschaftliche Beirat des Bundesverkehrsministeriums dem Auftrag des Herrn Bundesministers für Verkehr vom 29. Juli vorigen Jahres durch ein vorläufiges Gutachten zur Frage der Tragung der Wegekosten vom 24. April dieses Jahres entsprochen hat. Ich habe dieses vorläufige Gutachtengelesen. Ich muß sagen, ich habe es studiert. Dieses Studium war für mich geradezu erfrischend nach dem Übermaß von verkehrspolitischen Denkschriften, Memoranden und Resolutionen aus dem Bereich der widerstreitenden Verkehrsinteressenten. Der sehr rührige Pressedienst des deutschen Verkehrsgewerbes hat versucht, das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats als einen Husarenritt der Wissenschaftler, als eine Tollheit in der Methode zu glossieren und abzutun. Auf diesem Wege kann ich dem deutschen Verkehrsgewerbe wirklich nicht mehr folgen.
    In seinem Gutachten bekennt sich der Wissenschaftliche Beirat erneut zu dem Grundsatz der Eigenwirtschaftlichkeit. Die Deckung der Wegekosten als eine von der Allgemeinheit zu tragende öffentliche Abgabe anzusehen, erscheint dem Wissenschaftlichen Beirat im Gegensatz zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Müller-Hermann unangemessen.

    (Abg. Müller-Hermann: Das war eine Äußerung von Herrn Minister Seebohm! — Gegenruf ides Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm: Sie haben falsch zitiert! — Heiterkeit.)



    (Dr. Leiske)

    Bahn und Straße sollen also grundsätzlich die Kosten für ihre Verkehrsanlagen selber aufbringen; natürlich auch die Schiffahrt; die kann aber hier außer Betracht bleiben. Der Wissenschaftliche Beirat hält es nun bei einer volkswirtschaftlichen Kostenrechnung für unerläßlich, als Wegekosten der verschiedenen Verkehrswege einzusetzen: die Verzinsung für das investierte Kapital und die Aufwendungen für Erneuerung, für Unterhaltung einschließlich des weiteren Ausbaus ides Wegenetzes, für Verkehrssicherheit, für Planung und für Verwaltung.
    Sicherlich werden diese Grundthesen, von denen der Wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten ausgeht, darunter insbesondere die Frage der Verzinsung und die Frage der Quote, mit der man den Kraftverkehr bei den Wegekosten anteilig belasten will, Kritik auslösen. Sie sollten auch kritisch erörtert werden, insbesondere von den Interessenvertretungen des Kraftverkehrs. Das ist ein gutes Recht, das dem Kraftverkehr niemand bestreiten will. Im Ergebnis der Ermittlungen ist der Wissenschaftliche Beirat zu der Feststellung gelangt, daß für die Straße von 2250 Millionen DM Sollkosten im Jahr ungedeckte Wegekosten in Höhe von 1310 Millionen DM verbleiben. Dafür steht die Dekkung aus. Der Zustand bei der Straße, so stellt der Wissenschaftliche Beirat fest, sei in hohem Maße unbefriedigend. Wettbewerbsverzerrungen und damit Produktivitätsverluste seien die Folge. Insbesondere könne es, so sagt der Wissenschaftliche Beirat wörtlich, nicht verantwortet werden, daß gerade der in raschem Vordringen die anderen Verkehrszweige zurückdrängende Kraftverkehr mit 1310 Millionen DM hinter dem ihm jährlich zurechenbaren Wegeaufwand zurückbleibe.
    Meine Damen und Herren, das sind wissenschaftlich erhärtete und in volkswirtschaftlicher Sicht Feststellungen von ungeheurem Gewicht, an denen nach meinem Dafürhalten niemand von uns vorübergehen kann. Ich persönlich fürchte sogar, daß bei diesen Berechnungen die Teilkonten für Unterhaltung und Erneuerung der Straßen noch zu niedrig eingesetzt sind. Es ist doch ein offenes Geheimnis, und der Herr Bundesminister für Verkehr hat es vorhin angedeutet, daß z. B. die rechten Fahrbahnen unserer Bundesautobahnen längst nicht mehr intakt sind. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat den früher oder später dafür fälligen Aufwand mit 100 000, mit 200 000 oder sogar bis 300 000 DM pro Kilometer beziffert, und zwar für rund 1000 km Autobahnen von insgesamt 2200 km Autobahnlänge. Herr Professor Dr. Röpke — ich muß noch einmal auf ihn zurückkommen — hat es bei dem Widerstreit Schiene — Straße für gut befunden, die Eisenbahn mit einem Friseur zu vergleichen, der nach Hilfe ruft, weil er seine Rentabilität durch die Selbstrasierer bedroht sieht. Ich fürchte, meine Damen und Herren, daß dieser geschmackvolle Vergleich an Hand dieser Bilanzierung der effektiven Wegekosten durch den Wissenschaftlichen Beirat sehr leicht zuungunsten der Straße ausschlagen kann.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Über die weiteren Erkenntnisse und Vorschläge des Wissenschaftlichen Beirats über die Verteilung der Wegekosten auf die einzelnen Fahrzeugtypen im System der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer ist bereits in der Tagespresse, in der Fachpresse und auch heute von dem Herrn Bundesminister für Verkehr und von dem Herrn Bundesminister der Finanzen sehr eingehend berichtet worden. Dabei haben wir kleinen Verkehrsteilnehmer mit Staunen zur Kenntnis genommen, daß der Pkw-Verkehr bislang wenigstens den Lkw-Verkehr, besonders den schweren Lkw-Verkehr, in den Wegekosten erheblich mitfinanziert und sogar, wie wir gehört haben, überfinanziert hat.

    (Abg. Müller-Hermann: Durch wessen Schuld?)

    Ich kann nur dem Wunsch Ausdruck geben, daß das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesverkehrsministeriums zur Frage der Wegekosten recht bald der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden möge. Dieses Hohe Haus wird das Gutachten in seinen zuständigen Ausschüssen einer sehr sorgfältigen Prüfung zu unterziehen haben, denn dieses Gutachten geht, wie mir scheint, erstmals wirklich auf den Grund des Problems Schiene — Straße.
    Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Mit solcher Gründlichkeit also, auf dem Fundament wissenschaftlicher Forschung und Erkenntnis wollen wir an die weitere Beratung der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe herangehen. Ich fürchte sehr, daß ein drückender Zwang über diesen Beratungen liegen wird. Dieser Tatsache gab der Herr Bundesfinanzminister kürzlich Ausdruck, als er sagte: „Die bedrohliche Entwicklung auf dem Verkehrsgebiet kann nicht mehr durch Maßnahmen gemeistert werden, die niemandem wehetun. Dazu ist die Krise zu weit vorgeschritten."
    Bei den kommenden Beratungen in den Ausschüssen wollen und dürfen wir nicht außer acht lassen, daß die beiden Gesetzentwürfe eine verkehrspolitische Wandlung — manche Kritiker sagen sogar: eine Abkehr von der bisherigen Verkehrspolitik — der Regierungsseite darstellen. Dabei können und werden sich wahrscheinlich Härten ergeben, und zwar besonders für diejenigen Verkehrsunternehmen, die dem mittelständischen, die wirklich dem mittelständischen Sektor zuzurechnen sind. Es wird unser gemeinsames Anliegen sein müssen, diese Härten nach Möglichkeit zu mildern.
    In diesem Sinne habe ich die Ehre, dem Hohen Hause zu empfehlen, erstens den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes, Drucksache 573, dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — federführend — und dem Verkehrsausschuß — mitberatend — zu überweisen und zweitens den Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes, Drucksache 574, dem Verkehrsausschuß zu überweisen. Möglicherweise werden aus dem Hohen Hause noch Anträge folgen, die beiden Gesetzentwürfe zur Mitberatung auch noch dem Haushaltsausschuß und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen.

    (Beifall.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren, ich darf ihnen mitteilen, daß sich vorerst acht weitere Redner gemeldet haben, und erteile dem Abgeordneten Schmidt (Hamburg) das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat mir etwas leid getan, daß Herr D r. Leiske in seinen ausgezeichneten Ausführungen mir eine Auseinandersetzung mit diesem verkehrsfreiheitlichen Aufsatz von Herrn Professor Röpke vorweggenommen hat. Es wäre eigentlich mir besonders am Herzen gelegen, mich mit dieser pseudowissenschaftlichen Arbeit auseinanderzusetzen. Ich kann nur den Bemerkun-


    (Schmidt [Hamburg])

    gen, die Herr Dr. Leiske über diesen Aufsatz gemacht hat, aus ganzem Herzen zustimmen. Es muß einen wundernehmen, wie ein Wissenschaftler mit einem solchen Namen es fertigbringt, eine Reihe von durchaus richtigen Teileinsichten und eine Masse falscher Urteile in übrigens glänzender Diktion zu völlig falschen Endergebnissen zu führen und dabei die Prämissen, die am Anfang gesetzt worden waren, in den Endurteilen wiederzufinden. Das Kennzeichnende für diesen verkehrsfreiheitlichen Aufsatz von Herrn Professor Röpke ist, daß er sich überhaupt nicht mit irgendeinem der namhaften deutschen Verkehrswissenschaftler auseinandersetzt, daß er überhaupt gar nicht zu den Ansichten Stellung nimmt oder auf die Ausführungen repliziert, die diese Wissenschaftler vorgebracht haben. Er verzichtet darauf. Dabei ist er eigentlich auf dem Gebiete der Verkehrspolitik, sagen wir einmal, nur ein Sonntagsjäger. Man sollte dem Sonntagsjäger Professor Röpke auf dem verkehrspolitischen Feld genau sowenig Gehör schenken wie einer Reihe anderer Sonntagsjäger auf diesem Felde.
    Meine Damen und Herren, die heutige Debatte hat bisher keinerlei Sensationen gebracht, und ich habe den Eindruck, diese Sensationen werden auch nicht mehr kommen. Es ist eigentlich eine etwas verquere Sache, daß wir heute eine große Plenardebatte über ein Problem und über Gesetzentwürfe haben, über die wir uns vor vier oder fünf Monaten schon einmal sehr ausführlich unterhalten haben, zumal inzwischen die Bundesregierung aus der damaligen Debatte kaum Konsequenzen gezogen hat und uns hier dasselbe Konzept erneut vorlegt, das uns damals bereits bekannt war, allerdings nicht aus unmittelbar offiziellen Vorlagen, sondern aus der Presse und aus Vorträgen. Es scheint mir deshalb auch nicht zweckmäßig, daß wir uns nun — und Herr Kollege Dr. Leiske hat das eben auch vermieden — noch einmal in alle Einzelfragen dieses Problems vertiefen.
    Ich darf nur ganz kurz zunächst ein paar Bemerkungen zu den beiden Gesetzentwürfen machen, die uns vorliegen; zunächst zum Verkehrsfinanzgesetz, das der Herr Bundesfinanzminister hier begründet hat. Ich darf ausdrücken, daß wir mit der Zielsetzung dieses Gesetzes durchaus einverstanden sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat klar zum Ausdruck gebracht, daß das Ziel ist, den Verkehr in gewisser Weise auf die Schiene zurückzuverlagern, Mittel zu gewinnen für den Straßenbau und darüber hinaus für den Verkehr im allgemeinen. Dabei bedaure ich allerdings, daß er etwas schamhaft verschwiegen hat, wieviel Mittel aus diesem Gesetz denn an die Bundesbahn fließen sollen; aber vielleicht werden wir das im Ausschuß noch des Näheren zu hören bekommen.
    Was die Senkung der Pkw-Steuer angeht, die beabsichtigt ist, so haben wir Ihnen schon vor fünf Monaten ausgeführt, daß wir das außerordentlich begrüßen. Ich glaube, wir brauchen jetzt auch auf die retardierenden Entschließungen des Bundesrats in dieser Sache nicht mehr Rücksicht zu nehmen, weil offenbar nach den Beschlüssen des Finanz- und Steuerausschusses dieses Hohen Hauses die Kraftfahrzeugsteuer demnächst eine Bundessteuer werden wird und die Länder insofern nicht mehr betroffen sind. Nach unserer Meinung muß die Pkw-Steuer aus all den Gründen, die hier schon angedeutet worden sind, und darüber hinaus auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit fallen. Es scheint uns nicht angängig, daß jemandem, der nur gerade ein kleines Wägelchen haben möchte, um damit sonntags oder im Urlaub mit seiner Familie einmal auszufahren, das so erschwert wird, daß ihm aufgelastet wird, die Straßenkosten der anderen mitzutragen, ja im Vergleich zu den schweren Lastzügen zwanzigmal so hoch zu tragen.
    Ich darf auch auf die ungerechte Verteilung der Fixkostenbelastung bei den Kraftfahrzeugsteuern hinweisen. Einer, der 60 000 km im Jahre mit seinem Pkw fährt — sagen wir, als Manager irgendeines Verbandes — und einer, der nur 6000 km fährt, müssen dieselbe Kraftfahrzeugsteuer zahlen. Auch aus diesem sozialen Grunde muß bei den Pkws die Kraftfahrzeugsteuer fallen. Der Ausgleich findet dann bei der Mineralölbesteuerung statt, die für den einzelnen in dem Maße anfällt, in dem er mit seinem Kraftfahrzeug Kilometer fährt. Das gleiche gilt natürlich für die Motorräder.
    Ich darf schon andeuten, daß dasselbe Problem in bezug auf die Haftpflichtversicherungsprämien existiert. Man muß das auch einmal angreifen; vielleicht ist im Augenblick noch nicht der geeignete Zeitpunkt. Es scheint mir jedenfalls sozial sehr ungerecht zu sein, daß der Staat den Mann, der nur 6000 km im Jahr fährt, zwingt, dieselbe Haftpflichtprämie zu leisten wie jemand, der 60 000 km jährlich fährt, obwohl das Risiko hier mindestens zehnmal so hoch ist. Ich glaube, man muß bei Gelegenheit einmal darüber nachdenken, ob man nicht auch hier eine etwas gerechtere Regelung finden kann.
    In bezug auf die Lkw-Steuer möchte ich nichts ausführen. Wir haben schon früher betont, daß der Knick weg soll.
    Was nun die Höhe all der zukünftigen Steuersätze im Verkehrsfinanzgesetz angeht, so scheint es mir sehr zweckmäßig, uns auf keiner Seite des Hauses in der ersten Lesung auf irgendwelche Zahlen festzulegen. In diesem interdependenten Zusammenhang greift doch eins ins andere. Das muß im Ausschuß in aller Ruhe abgewogen werden. Vor allem fehlt einstweilen noch vollkommen ein ganz entscheidendes Element für diese Abwägung, nämlich eine auch nur halbwegs klare Vorstellung von den tarifpolitischen Absichten für Eisenbahn und Straße, die das Bundesverkehrsministerium hegt. Es hat z. B. auch gar keinen Sinn, wenn die Industrie heute ein großes Geschrei über die Beförderungsteuer im Werkfernverkehr anfängt und der eine sagt, 5 Pf seien zuviel, jemand anders aber erklärt, 21/2 Pf seien zuwenig. All das kann man ja erst wissen, wenn man die Bezugsgröße kennt. Und diese ist das zukünftige Tarifniveau des DEGT und des RKT.
    Hier mache ich gleich — quasi in Klammern — die erste kritische Bemerkung gegenüber dem Gesamtkonzept. Der Herr Bundesverkehrsminister hat bisher nicht sagen können, welches seine tarifpolitischen Absichten in bezug auf den DEGT, gleich Eisenbahngütertarif, und den RKT, gleich Straßengütertarif, sind. Ich komme noch darauf zurück.
    Meine Damen und Herren, das gleiche gilt für die Mineralölsteuer. Auch hier stimmen wir im Prinzip der Erhöhung zu, weil man sich damit dem Grundsatz der Anlastung der anteiligen Straßenkosten wenigstens annähert, worüber Herr Dr. Leiske soeben vorzügliche Ausführungen gemacht hat. Die Höhe der Steuersätze wird man in


    (Schmidt [Hamburg])

    aller Ruhe abwägen müssen. Wir möchten uns da noch nicht festlegen.
    Auch für die Beförderungsteuer im Werkfernverkehr, die ich schon genannt habe, gilt dasselbe. Es freut mich, an dieser Stelle sagen zu können, daß doch wenigstens ein einziger Gedanke, der im Februar in der Debatte im Plenum dieses Hohen Hauses vorgetragen wurde, von der Bundesregierung in ihre Gesamtkonzeption aufgenommen worden ist. Sie werden sich daran erinnern, daß uns damals die Bundesregierung vorgeschlagen hat, der Werkfernverkehr solle überhaupt zur Hälfte verboten werden. Es ist dann die sozialdemokratische Fraktion gewesen, die gesagt hat: Macht das doch bitte mit einer Steuer, denn das ist doch wenigstens etwas eleganter, und über den Steuersatz werden wir uns ja unterhalten können.
    Ich habe übrigens mit Vergnügen bemerkt, daß bei dieser Gelegenheit heute die allgemeine Argumentation des Bundesverkehrsministers in bezug auf den Werkfernverkehr sich sehr weitgehend mit den Ausführungen gedeckt hat, die uns damals, vor fünf Monaten, der Kollege Dr. Bleiß vorgetragen hat. Wenn in den nächsten Tagen der Bericht über die heutige Sitzung vorliegt und Sie dann die beiden Protokolle miteinander vergleichen, werden Sie mir zustimmen.
    In bezug auf den gewerblichen Nahverkehr besteht die Absicht, eine Beförderungsteuer einzuführen. Da haben wir allerdings gewisse Bedenken; das möchte ich jetzt schon sagen. Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß wir doch alle der Meinung sind, daß es Aufgabe der künftigen Verkehrspolitik sein muß, das Kraftfahrzeug in den Flächenverkehr zu drücken und den Knotenpunktverkehr der Eisenbahn zu überlassen. Dann scheint es mir aber nicht richtig, gerade den Nahverkehr, der doch Flächenverkehr darstellt, in Zukunft mit 7 % statt wie bisher mit 4 % Umsatzsteuer zu belasten. Das paßt also offenbar nicht ,ganz in das Konzept. Zum zweiten muß man bedenken, daß das Nahverkehrsgewerbe ganz zweifellos der Hauptbetroffene der gegenwärtigen Verkehrsgesetzgebung sein wird; denn ein großer Teil von Lastkraftwagen soll ja aus dem Fernverkehr herausgedrängt werden. Da jedoch die Leute ihre Wagen nicht morgen verschrotten, so werden sie in irgendeiner Weise in den Nahverkehr hineingehen und die dort ohnehin ziemlich deroutierten Zustände weiter deroutieren. Es herrscht dort eine ruinöse Konkurrenz. Ich persönlich bin nicht der Meinung, daß man da mit ordnenden Mitteln eingreifen kann. Aber ich finde, man sollte diese Situation nicht noch zusätzlich verschärfen.
    Wir sind überhaupt der Meinung, daß vielleicht bei späterer Gelegenheit überlegt werden muß, ob nicht überhaupt die Beförderungsteuer systematisch in die allgemeine Umsatzsteuer eingebaut werden kann. Der einzige Sonderfall, der auf die Dauer Existenzberechtigung hat, ist die besondere Besteuerung des Werkfernverkehrs. Im übrigen sehe ich keinen Grund dafür, die Beförderungsteuer als Sondersteuer aufrechtzuerhalten und durchzuschleppen. Ähnliche Überlegungen können vielleicht für den Werknahverkehr gelten; das lasse ich dahingestellt.
    Eine besondere Bemerkung bezüglich eines Punktes in diesem Beförderungsteuer-Abschnitt, der bisher nicht erwähnt worden ist, an die Adresse des Bundesfinanzministeriums: ich spreche von den Straßenbahnen und von den Stadtschnellbahnen in unseren Städten. Zur Zeit ist es so, daß — ich glaube, bis auf ein oder zwei Ausnahmen — keine Straßenbahn in der Bundesrepublik Beförderungsteuer zahlt, und zwar wird die Beförderungsteuer erlassen auf Grund alter Billigkeitserlasse und Notverordnungen, wenn ich mich recht erinnere, aus den Jahren 1929 und 1931. Nun will der Herr Bundesfinanzminister erneut eine gesetzliche Postulierung der Beförderungsteuerpflicht für Straßenbahnen schaffen. Er sichert zu, die Steuer im Falle der Not erlassen zu wollen, und will eine gesetzliche Ermächtigung zu solchen Billigkeitserlassen vorsehen. Der Bundesrat hat demgegenüber gefordert, eine Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen, nach der die Straßenbahnen ein für allemal von jeder Beförderungsteuerpflicht freigestellt werden. Das halten wir für richtig.
    Von den Straßenbahnen in Deutschland spricht man in diesen Debatten nicht oft, aber wenn man sich ihre Lage einmal vor Augen hält, erkennt man, daß es ihnen nicht viel besser geht als der Deutschen Bundesbahn. Durch die Zerbombung unserer Städte und durch die Verlagerung der Stadtbevölkerung an die Außenränder der Städte sind die Straßenbahnen nach dem Kriege vor außerordentliche Aufgaben gestellt worden. Außerordentliche Verkehrsleistungen, viel größere als vor dem Kriege sind zu bewältigen. Sehr große Investitionen sind notwendig. Es ist auch weiß Gott nicht so, daß es, ich will nicht sagen: Freude macht, sondern etwa: daß es auch nur als erträglich bezeichnet werden könnte, in einer durchschnittlichen deutschen Straßenbahn länger als 20 Minuten zu fahren. Ich halte es geradezu für unmoralisch, wenn man von den Menschen, die da jeden Tag von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück fahren müssen — das gehört zu ihrem täglichen Lebensgang — , noch 6 % Beförderungsteuer erheben will. Das scheint mir beinahe ebenso unmoralisch zu sein, als wenn man vom täglichen Brot Umsatzsteuer erheben wollte.
    Die Bundesregierung hat in ihrer Erwiderung auf die Entschließung des Bundesrats gesagt, es sei doch so schwierig, zu unterscheiden, was eine Straßenbahn und was eine nicht bundeseigene Eisenbahn sei, und weil da so schwierige Einzelfälle dazwischenlägen, müßten sie erst einmal generell alle steuerpflichtig sein. Denen, denen es besonders schlecht gehe, könne man sie dann eventuell erlassen. Ich glaube nicht daran, daß da hinterher wirklich großzügig verfahren wird. Ich glaube nicht daran; alle Spuren in dieser Beziehung schrecken.
    Es ist eigentlich auch unverständlich, daß der Herr Bundesfinanzminister meint, man könne eine Straßenbahn nicht von einer Eisenbahn unterscheiden. Ich glaube, das kann doch jeder ziemlich deutlich feststellen; und wer es nicht von außen sehen kann, möge in die Konzessionsurkunde schauen, da steht es nämlich drin, was das für ein Ding ist, eine Eisenbahn oder eine Straßenbahn.
    Es scheint, als habe die Bundesregierung diesen Einwand vorausgesehen. Sie sagt nämlich, es könne die Gefahr bestehen, daß einige nicht bundeseigene Eisenbahnen — denen es ja übrigens auch sehr schlecht geht und für die in diesem verkehrspolitischen Programm einstweilen noch nichts getan wird — den Antrag stellten, auf gewisse Sicherheitsvorschriften bei ihnen zu verzichten und sie dann als Straßenbahnen zu führen. Das wäre aber doch gar keine schlechte Sache, denn auf diese Weise würde man vielleicht den nicht bundeseigenen Eisenbahnen auch etwas helfen können, über deren Notlage wir uns im Februar in diesem Hohen


    (Schmidt [Hamburg])

    Hause alle einig waren; über eine Hilfe oder Unterstützung für sie haben wir aber bisher nicht viel gehört. Ich nehme an, meine Herren vom Finanzministerium, daß sich der Verkehrsausschuß — insbesondere wenn wir die Herren Kommunalpolitiker zur Hilfe nehmen — sehr einmütig auf den Standpunkt stellen wird, die Straßenbahnen aus der Beförderungsteuerpflicht herauszulassen. Sie mögen das im Gesamtrahmen für eine kleine Geschichte halten. Aber ich habe doch Wert darauf gelegt, das hier vorzutragen, weil ich seit Jahren sehe, wie schwierig es ist, auf der einen Seite mit den Straßenbahntarifen für den Betrieb der Straßenbahn auszukommen und auf der andern Seite dem Druck der ganzen Bevölkerung ausgesetzt zu sein, wenn etwa die Straßenbahntarife angehoben werden müssen. Wenn Sie jetzt eine 6 %ige Beförderungsteuer daraufknallen, so bedeutet das, daß die Tarife um wesentlich mehr als 6 % angehoben werden müßten.
    Wir begrüßen es, daß eine Finanzierungsgesellschaft für die Autobahnen geschaffen werden soll. Ich begrüße es sehr, daß in diesem Punkte der Herr Bundesfinanzminister insofern gegen sich selbst ein Präjudiz geschaffen hat, als hier zum ersten Male der Grundsatz der Zweckbindung von Steuern, die der Verkehr aufbringt, f ü r den Verkehr anerkannt worden ist. Es ist bemerkenswert, daß das alte System hier erstmalig durchbrochen wird. Ich glaube, es ist auch dankenswert, das hier festzustellen, gerade im Hinblick auf die offenbar auf allen Seiten des Hauses geteilte Ansicht, daß in Zukunft der Straßenverkehr mit seinen besonderen Steuern voll die auf ihn entfallenden Straßenlasten, Straßensicherungslasten usw., decken soll.
    Nun noch eine letzte Bemerkung zum Finanzgesetz. Wir möchten wissen — und das wird sicherlich durch die Regierung näher auszuführen sein —, was eigentlich mit den restlichen 300 bis 400 Millionen DM aus dem Aufkommen des Verkehrsfinanzgesetzes geschieht. Der Herr Bundesverkehrsminister hat heute morgen ausgeführt, daß seit dem 1. Juli, wenn ich ihn richtig verstanden habe, ein Kabinettsbeschluß vorliegt, wonach sie insoweit ausschließlich der Deutschen Bundesbahn zugeführt werden sollen, als sie nicht für Straßenbauzwecke verwandt werden. Diese Formulierung läßt alles offen; danach kann man sie sowohl ganz hier hin als auch ganz dahin tun. Das ist also einstweilen weder Fisch noch Fleisch.
    Nun einige Bemerkungen zum Straßenentlastungsgesetz. Mir scheint, die Begründung, die wir dafür gehört haben, war etwas weniger überzeugend, etwas weniger klar als die Begründung für das Verkehrsfinanzgesetz. Ich glaube, daß dieses Straßenentlastungsgesetz und seine Motivation unter verschiedenen Gesichtspunkten fragwürdig ist. Erstens: Man wird, wenn man die Beförderung von Getreide, Zucker und Kohle verbietet und nicht gleichzeitig die Wagen abschafft oder verkürzt oder abhackt, in bezug auf die Entlastung der Straße doch nichts erzielen. Die fahren dann eben etwas anderes und bleiben vorhanden und donnern nach wie vor mit 40 Tonnen Gesamtgewicht durch unsere Ortsdurchfahrten, von denen so mitleidig die Rede gewesen ist. Zweitens: Sofern es diese Leute trotz ihrer Anstrengungen, die sie natürlich unternehmen werden, um im Fernverkehr andere Ladung zu bekommen, nicht schaffen, dann gehen sie mit ihren Ungetümen, vielleicht ohne den Anhänger, in den Nahverkehr. Drittens: Man kann auch durch Verlagerung des eingetragenen Standortes im Nahverkehrsgewerbe zu ganz schönen Beförderungsweiten kommen, sagen wir einmal, zu Straßenentfernungen bis zu 120 oder 130 km. Sie verlagern eventuell durch Ihre Verbotsgesetzgebung diesen schweren LKW-Zug bloß von der einen Relation — —

    (Zuruf von der SPD: Wir wollen auch etwas hören! Sie reden doch zum Bundestag und nicht zum Bundesverkehrsminister!)