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    2. Deutscher Bundestag — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954 1773 38. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1773 D, 1821 A, 1834 C, 1843 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 74 und 78 (Drucksachen 605, 680; 619, 679) 1774 A Änderungen der Tagesordnung . . 1805 D, 1820 C, 1842 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FPD betr. Nahzonenregelung in grenznahen Gebieten nach § 2 Abs. 4 Güterkraftverkehrsgesetz (Drucksachen 392) 1774 A, 1821 A, 1828 D Rademacher (FDP), Anfragender . . 1774 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1774 C Erste Beratung des Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 573) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs durch Entlastung der Straßen (Straßenentlastungsgesetz) (Drucksache 574), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr (Drucksache 611), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 612), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrswege (Drucksache 613), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 614), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Koordinierung der Verkehrsträger (Drucksache 615), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Maßnahmen im Verkehrswesen (Drucksache 616) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) (Drucksache 678) 1776 A, 1805 D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1776 B, 1829 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1789 C Müller-Hermann (CDU/CSU), Antragsteller 1793 B Dr. Leiske (CDU/CSU) 1805 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 1811 D Rademacher (FDP) 1821 A Donhauser (CDU/CSU) 1832 C Jahn (Frankfurt) (SPD) 1837 A Weiterberatung vertagt 1842 D Hochwasserkatastrophe in Südbayern, Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP (Drucksache 693), Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 694), Antrag der Fraktion der CDU/CSU (Drucksache 695): Vizepräsident Dr. Jaeger 1820 C Ritter von Lex, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . 1828 C Vizepräsident Dr. Schneider . 1828 D, 1843 A Anträge Drucksachen 693 und 694 durch Erklärung der Bundesregierung für erledigt erklärt 1828 D Nächste Sitzung, — zur Geschäftsordnung: Vizepräsident Dr. Schneider . . . 1843 B, D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 1843 C Dr. Krone (CDU/CSU) 1843 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Die Kontingentierung im gewerblichen Güterfernverkehr auf der Straße, insbesondere die allmähliche Verminderung der Zahl der Konzessionen, und zwar im Güterfernverkehr von 14 788 auf 11 850 Kraftfahrzeuge, davon 11 000 im Bundesgebiet, der Rest in Berlin, im Bezirksfernverkehr von ca. 6000 auf 4000 Kraftfahrzeuge, im Möbelfernverkehr auf 3635 Kraftfahrzeuge einschließlich Anhänger.
    Zweitens erinnere ich Sie an das Verbot des zweiten und dritten Anhängers im Kraftwagenverkehr und an die Verminderung der Lastzuglängen auf 20 m. Wenn heute vielfach gesagt wird, das sei ja gar nicht wesentlich gewesen, so darf ich demgegenüber darauf hinweisen, welcher Kämpfe es bedurft hat, um in über dreijähriger Arbeit dieses Verbot des zweiten Anhängers durchzusetzen. Wie würden wohl unsere Straßen aussehen, wenn wir in gleichem Maße mit der Zunahme des Verkehrs heute Lastzüge von zwei und mehr Anhängern an Stelle der Lastzüge mit einem Anhänger und mit einer Länge von 26 m statt
    20 m hätten?
    Drittens darf ich erinnern an die Errichtung der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr zur Kontrolle des gewerblichen Güterfernverkehrs und erstmalig auch des Werkfernverkehrs durch Tarifkontrolle, Kontrolle der Beförderungssteuer, Ausmerzung des unechten Werkverkehrs, erstmalige Erarbeitung statistischer Unterlagen für weitere Maßnahmen.
    Viertens erinnere ich an die Einführung eines Erlaubnisverfahrens im allgemeinen Güternahverkehr und eines Erlaubnis- und Genehmigungsverfahrens im Güterliniennahverkehr.
    Fünftens darf ich verweisen auf zahlreiche weitere, in diesem Jahr eingefügte neue Einzelbestimmungen, die im Straßenverkehrssicherheitsgesetz, in der Straßenverkehrs- und der Straßenverkehrszulassungs-Ordnung enthalten sind und die aufzuzählen zu weit führen würde.
    All das diente und dient gleichzeitig oder ausschließlich einer Begrenzung des Straßenverkehrs und damit der Entlastung der Straße. Der Bundesminister für Verkehr setzt also seine bisherige Arbeit auf diesem Gebiet mit dem Entwurf eines Straßenentlastungsgesetzes durchaus folgerichtig fort. Wahrscheinlich wäre es gut gewesen, die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen schon früher zu treffen. Das war in der ersten Legislaturperiode jedoch — ich erwähnte es bereits — leider nicht mehr möglich. Auch habe ich lange genug gehofft, es sei möglich, mit weniger einschneidenden Bestimmungen auszukommen. Jetzt kann ich nur die Hoffnung ausdrücken, daß diese Vorschläge ihren Zweck erfüllen. Aber das ist vor allem eine Frage möglichst baldigen und möglichst ungeschmälerten Inkrafttretens dieser Gesetze.
    Den Inhalt des Straßenentlastungsgesetzes brauche ich im einzelnen nicht darzulegen. Ich verweise auf die Bundestagsdrucksache und die Begründung. Erwähnen möchte ich aber, daß der Gesetzentwurf zur Vermeidung von Schwierigkeiten eine Reihe von Ausnahmebestimmungen vorsieht, die ich aufzählen möchte, und zwar:
    a) Kraftfahrzeuge des gewerblichen Straßenverkehrs in Berlin sollen im unmittelbaren Verkehr zwischen Berlin und dem Bundesgebiet von dem Beförderungsverbot unberührt bleiben.
    b) Diejenigen Unternehmer des gewerblichen Güterfernverkehrs, die im Jahre 1953 mindestens zwei Drittel ihrer Frachteinnahmen aus dem Transport von Massengütern im Fernverkehr gezogen haben, sollen auf Antrag von dem Beförderungsverbot ausgenommen werden. Hierin liegt vor allem ein wirksamer Schutz für den gewerblichen Mittelstand im Güterfernverkehr.
    c) Die Bundesregierung hat dem Vorschlag des Bundesrats zugestimmt, eine Sonderregelung für Fälle eines Verkehrsnotstandes im Gesetz vorzusehen. Die obersten Verkehrsbehörden der Länder sollen das Recht erhalten, bei Verkehrsnotständen befristete Ausnahmegenehmigungen für die Beförderung bestimmter Massengüter zu erteilen, längstens für die Dauer eines Jahres. Verkehrsnotstand ist nur dann gegeben, wenn die Verkehrsbedienung durch Eisenbahn oder Binnenschiffahrt nicht möglich oder vorübergehend verhindert ist. Ich erinnere Sie z. B. an die Verhältnisse im Oberharz oder im oberfränkischen Gebiet von Tettau oder an ähnlichen Stellen.
    d) Eine Sonderregelung ist auf Vorschlag des Bundesrates auch in den Zonenrandgebieten und im Saarrandgebiet vorgesehen. Hier soll die Nahzone in begrenztem Umfang erweitert werden, um den dort am 1. April 1954 ansässigen Unternehmern einen Ausgleich für die Randlage ihrer Betriebe zu gewähren, die nicht auf einer natürlichen, sondern auf einer widernatürlichen Grenze beruht. Verkehrspolitisch ist diese Ausnahmeregelung gewiß nicht unbedenklich. Ich habe in Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP heute schon darauf hinweisen können. Die verkehrspolitischen Bedenken sind aber hinter den übergeordneten politischen Erfordernissen einer großzügigen Förderung der Zonenrandgebiete zurückgestellt worden, vor allem mit Rücksicht darauf, daß diese Sonder-


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    regelung in Wegfall kommt, wenn — hoffentlich bald -- diese Zonengrenzen fallen.
    Weitere Ausnahmen zuzulassen, ist nicht beabsichtigt. Es ist also nicht richtig, davon zu sprechen, daß dieses Gesetz durch zahlreiche Ausnahmen durchlöchert werde.
    Gegen den Regierungsentwurf eines Straßenentlastungsgesetzes wird vor allem der schwere Vorwurf erhoben, es bedrohe die Existenz zahlreicher Unternehmen des konzessionierten Güterfernverkehrgewerbes und werde zum Zusammenbruch kleiner und mittlerer Betriebe führen. Dieser Vorwurf ist nicht berechtigt. Eine große Anzahl von Fahrzeugen des gewerblichen Güterfernverkehrs wird auf Grund der Ausnahmeregelung bis zum Ablauf ihrer Konzession weiterhin Massengüter fahren. Ihre Zahl wird auf etwa 3500 von insgesamt rund 15 000 Fern- und rund 5800 Bezirkskonzessionen geschätzt. Die Unternehmen, die solche Ausnahmegenehmigung für ein Fahrzeug erhalten, werden sich wirtschaftlich sogar verbessern; denn sie erhalten für die Dauer ihrer Konzession im Ferntransport von Massengütern auf der Straße eine sehr gesicherte Stellung. Schwierig könnte nur die Lage jener Unternehmer werden, die weniger als zwei Drittel ihrer Einnahmen aus dem MaaQengutverkehr bezogen haben, die also keine Ausnahmegenehmigung erhalten können. Die Zahl der Fahrzeuge, die bisher ein Drittel bis zwei Drittel ihrer Einnahmen aus dem Massenguttransport bezogen haben, wird auf rund 3000 geschätzt. Insgesamt ist also die Zahl der Fahrzeuge, die zu mehr als einem Drittel ihre Einnahmen aus dem Massengutverkehr bezogen haben, mit 6500 anzunehmen, bei insgesamt 15 000 Fern- und 5000 Bezirkskonzessionen. Die Bundesregierung ist an den Schwierigkeiten, die sich für diese Betriebe ergeben, natürlich nicht vorbeigegangen. Sie konnte das um so weniger, als sie in ihrer Regierungserklärung die Förderung des gewerblichen Mittelstandes als ein besonders wichtiges Anliegen herausgestellt hat.
    Hier kann man aber nur gerecht urteilen, wenn man den inneren Zusammenhang des von der Bundesregierung vorgeschlagenen verkehrspolitischen Gesamtplanes nicht aus dem Auge verliert. Es handelt sich dabei um folgendes.
    Ein Hauptziel der verkehrspolitischen Gesamtkonzeption der Bundesregierung ist die Eindämmung des Werkverkehrs. Solange sich der Werkverkehr, vor allem der Werkfernverkehr, völlig frei entwickeln kann, solange die Abschreibungsvorschriften in der Einkommen- und Körperschaftsteuer sogar für die Firmen einen besonderen Anreiz bieten, eigene Lastkraftwagen zu kaufen und zu betreiben, muß jeder Versuch scheitern, den gewerblichen Verkehrsunternehmungen angemessene Beförderungsentgelte zu sichern und durch Tarife zu einer organischen Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern zu gelangen. Der Werkverkehr, der Eigenverkehr auf der Straße, ist der große Favorit im Wettkampf mit den privaten und öffentlichen gewerblichen Verkehrsbetrieben. Mit einer Politik, die nach marktwirtschaftlichen Prinzipien ausgerichtet ist, kann hier keinesfalls Wandel geschaffen werden; denn der Werkverkehr ist nicht kostenorientiert, sondern mit vielfältigen Fazilitäten ausgestattet. Darüber habe ich in meiner Rede vor dem Hohen Hause am 12. Februar eingehend gesprochen. Zur Eindämmung des Werkfernverkehrs sieht der Regierungsentwurf des Verkehrsfinanzgesetzes eine Erhöhung der Beförderungsteuer auf 5 Dpf/tkm für den Werkfernverkehr vor. Der Bundesrat hat sich in diesem entscheidenden Punkt nach eingehender Prüfung der Meinung der Bundesregierung angeschlossen. Der Steuersatz von 5 Dpf/tkm wird nach den überschläglichen Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums in etwa gerade genügen, um einen Schutzwall aufzurichten, hinter dem wir eine Ordnung im Verkehrswesen und eine Gesundung der gewerblichen Verkehrsträger erreichen können. Bedenken Sie bitte, meine Damen und Herren, daß die Beförderungsteuer als eine den Gewinn mindernde Steuer gilt, also Unkostenfaktor ist und bei der Körperschaftsteuer, der Einkommensteuer, der Gewerbesteuer und beim Notopfer Berlin nicht mitversteuert wird. Die effektive Belastung eines Werkfernverkehr betreibenden Unternehmens durch die erhöhte Beförderungsteuer wird also demnach nicht 5 Dpf/tkm betragen, sondern je nach der Lage des Unternehmens nicht unbeträchtlich niedriger liegen. Diese wesentliche Seite des Problems ist in der öffentlichen Diskussion kaum beachtet worden. Trotz dieser neuen steuerlichen Belastung bleibt also der Werkverkehr im Spiel, aber zu wesentlich gerechteren Startbedingungen. Honte ist er beim Start mit den gewerblichen Verkehrsträgern bereits kurz vor dem Ziel, wenn Eisenbahn, Straßenverkehr und Binnenschiffahrt erst gerade an den Start gehen. Durch die Eindämmung des Werkfernverkehrs werden dem gewerblichen Güterfernverkehr wieder Transporte hochtarifierter Güter zufallen, die er in den letzten Jahren an den Werkverkehr verloren hat. Hier liegt ein Ausgleich für das Gewerbe, ein Tätigkeitsfeld, dem sich vor allem diejenigen Betriebe zuwenden können, die keine Ausnahmegenehmigung auf Grund des Straßenentlastungsgesetzes zu erwarten haben. Diese Betriebe haben auch früher in erster Linie hochwertige Güter gefahren. Mit Zunahme des Werkverkehrs sind die hochwertigen Güter auf den Werkverkehr abgewandert, und diese Betriebe haben sich deshalb zur Ausnutzung ihrer Kapazität den Massengütern zugewendet. Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß es im wesentlichen der Werkverkehr war, der diese, in ihren Auswirkungen auch für die Bundesbahn so ungünstige Entwicklung hervorgerufen hat.
    Die möglichen Auswirkungen der erhöhten Beförderungsteuer im Werkfernverkehr auf das Preisniveau sind in der Öffentlichkeit außerordentlich übertrieben worden. Sie wurden an Hand der vom Statistischen Bundesamt aufgestellten Preistabellen durchgerechnet. Selbst unter der wenig wahrscheinlichen Voraussetzung, daß nicht die Effektivbelastung der Firma mit der Beförderungsteuer, sondern die vollen 5 Dpf/tkm abgewälzt werden, ergäben sich beispielsweise bei den Preisen wichtiger Nahrungsmittel, mittlere Versandweiten angenommen, nur Bruchteile von Prozenten des Verkaufspreises. Im übrigen steht es jeder Firma natürlich frei, die öffentlichen Verkehrsmittel in Anspruch zu nehmen, wenn ihr eigener Werkfernverkehr nicht mehr lohnend ist. Es ist zu erwarten, daß davon im Interesse der Straßenentlastung Gebrauch gemacht wird, besonders auch dort, wo Anschlußgleise vorhanden sind.
    Im Straßenentlastungsgesetz ist überdies noch eine Einschränkung des Werkverkehrsbegriffs vorgesehen. Zur Zeit darf ein Unternehmen des Werkverkehrs im Fernverkehr nicht nur eigene


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    Transporte durchführen, sondern auch Transporte für andere Unternehmen, wenn zwischen beiden Unternehmen eine Kapitalbeteiligung von mehr als 75 °/o besteht. Diese Begünstigung des sogenannten Konzernverkehrs soll in Zukunft wegfallen. Auch das liegt im Interesse der öffentlichen Verkehrsträger und der Straßenentlastung.
    Die von der Bundesregierung angestrebte volkswirtschaftlich sinnvolle Verkehrsteilung zwischen den Eisenbahnen, dem Straßenverkehr und der Binnenschiffahrt wird auch dem mittelständischen Straßenverkehrsgewerbe zugute kommen. Diese Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern ist ein wesentlicher Teil des verkehrspolitischen Gesamtprogramms der Bundesregierung. Keineswegs ist an eine mechanische oder starre, sondern durchaus an eine flexible Lösung dieses schwierigen Koordinierungsproblems gedacht, dessen Grundgedanken ja in der Öffentlichkeit weitgehend bekannt und von mir wiederholt dargelegt worden sind. Es handelt sich dabei darum, daß die Ferntransporte in erster Linie der Eisenbahn und der Binnenschiffahrt, die Nahtransporte dem Kraftwagen zustehen. Es handelt sich ferner darum, daß hochwertige Güter auch im Fernverkehr vom Kraftwagen transportiert werden, während für Massengüter der Vorrang der beiden andern Verkehrsmittel gegeben ist. Das sind Teilungen, die sich aus der Natur der Sache ergeben. Die beabsichtigte Gütertarifreform wird bei der Erreichung dieser Verkehrsteilung von wesentlicher Bedeutung sein. Dabei könnte erforderlichenfalls auch berücksichtigt werden, daß sich durch Änderung der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer die Betriebskosten des gewerblichen Kraftverkehrs erhöhen werden. Nur andeuten möchte ich in diesem Zusammenhang — aber das ist eine wichtige Frage, die uns im Ausschuß sicher sehr eingehend beschäftigen wird —, daß wir bei allen diesen Entscheidungen daran denken müssen, daß der Produktionsanfall an Dieseltreibstoff sich nicht über ein bestimmtes Maß erhöhen läßt, ohne das ganze Preisgefüge der weißen Produkte zu erschüttern und diese selbst im Preis zu steigern. Das muß bei Fragen der Ablösung der Treibstoffsteuer gründlich bedacht werden. Das ist auch eine Frage, die mit dem Einsatz vermehrten Luftverkehrs in Deutschland deswegen wichtig ist, weil gerade der Antriebsstoff der Strahltriebwerke aus der Fraktion des Diesels einen erheblichen Teil hinwegziehen wird.
    Bevor ich jedoch auf das sogenannte Koordinierungsproblem, also auf die Aufgabenteilung und die Tarifreform eingehe, noch ein kurzes Wort zur Bundesbahn.
    Die Ursachen der finanziellen Schwierigkeiten der Bundesbahn sind bekannt. Ihre Ausgaben sind gewachsen, insbesondere durch Steigerung der Kohle- und Stahlpreise und durch die sozial notwendigen Erhöhungen der Bezüge des Personals. Demgegenüber sind die Einnahmen aus dem Güterverkehr im Jahre 1953 um fast 7 % niedriger gewesen als im Jahre 1952. Dieser Rückgang konnte auch durch die Erhöhung der Einnahmen im Personenverkehr um 5,4 % nicht ausgeglichen werden. Eine ähnliche Entwicklung zeigt leider auch 1954. Offensichtlich dringt also der Kraftverkehr in die Verkehrsrelationen und die Transporte immer weiter ein, die der Bundesbahn die notwendigen Überschüsse bringen müssen, damit sie die verkehrsarmen und verkehrsschwachen Gebiet bedienen und ihre gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Daran ist vor allem der hypertrophisch sich entwickelnde Werkverkehr, der ja auch den gewerblichen Güterverkehr auf der Straße in wachsendem Maße bedrängt, beteiligt.
    Folgende Maßnahmen des verkehrspolitischen Gesamtprogramms der Bundesregierung werden sich nun mittelbar und unmittelbar zugunsten der Bundesbahn auswirken:
    1. Das Gebot, bestimmte Massengüter auf der Straße im Fernverkehr nicht zu befördern, wird viele Güter dieser Art wieder der Schiene und der Binnenschiffahrt zuführen, die derartige Transporte ebenso gut durchführen können. Mit einem Rückstrom von Transporten dieser Art zur Schiene ist zu rechnen. Von der Bundesregierung ist niemals bestritten worden, daß das Straßenentlastungsgesetz, das allerdings deshalb vorgeschlagen ist, um der unfallvermindernden und die Fahrbahn schonenden Straßenentlastung, also der Ermäßigung der Straßenkosten im volkswirtschaftlichen Sinne zu dienen, auch diese verkehrspolitisch und verkehrswirtschaftlich erwünschten Nebenwirkungen haben wird. Der Vorstand der Deutschen Bundesbahn hat nach sorgfältiger Prüfung erklärt, daß die Deutsche Bundesbahn den erforderlichen Transportraum zur Verfügung stellen kann und daß ebenfalls ihre Ladeeinrichtungen und Gleisanlagen dem Mehrverkehr auch im Spitzenverkehr gewachsen sein werden.
    2. Die Eindämmung des Werkfernverkehrs durch eine Erhöhung der Beförderungsteuer wird zwar vorwiegend dem gewerblichen Güterfernverkehr zugute kommen, in manchen Verkehrsrelationen, bei einigen Güterarten und vorhandenen Anschlußgleisen voraussichtlich aber auch der Bundesbahn.
    3. Die sehr unterschiedlichen Wettbewerbsvoraussetzungen zwischen der Schiene und der Straße werden einander angeglichen, und zwar vor allem dadurch, daß der Straßenverkehr in höherem Grade als bisher zu den Wegekosten herangezogen wird, wenn er sie auch bei weitem nicht decken wird. Heute kann der Straßenverkehr, eben weil er zu seinen Wegekosten noch viel weniger beiträgt, erheblich billiger fahren und unterbieten oder Differentialgewinne erzielen. Die Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer und der Mineralölsteuer wird hier gerechtere Relationen gewährleisten.
    4. Im Verkehrsfinanzgesetz ist vorgesehen, auch die bisher beförderungsteuerfreien Transporte von Gütern mit Kraftfahrzeugen in der Nahzone der Beförderungsteuerpflicht zu unterwerfen. Die vorgeschlagenen Steuersätze beim Werknahverkehr und beim gewerblichen Nahverkehr sind aus steuertechnischen Gründen unterschiedlich; es wird darauf zu achten sein, daß beide Verkehrsarten gleichmäßig belastet werden. Der gewerbliche Mittelstand im Nahverkehr muß erhalten bleiben; sein Wunsch, im Nahverkehr Festpreise einzuführen, wird vom Bundesminister für Verkehr verständnisvoll unterstützt. Der Straßengüterverkehr in der Nahzone war bisher begünstigt, wesentlich zum Nachteil der Eisenbahn, da sie auch für den Nahverkehr Beförderungsteuer berechnen und bezahlen muß.
    5. Der Herr Bundesminister der Finanzen ist durch Kabinettsbeschluß vom 1. Juni 1954 beauftragt worden, das dem Bund zufließende Steueraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz, soweit es nicht für den Bau von Autobahnen und Bundes-


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    straßen in Anspruch genommen wird, für Zwecke der Bundesbahn zu verwenden. Sonderlasten für den Straßenverkehr sind, wie ich vorher ausgeführt habe, nur die Kraftfahrzeug- und die Mineralölsteuer; das Aufkommen aus diesen Steuern wird im wesentlichen der Deckung der zusätzlichen Straßenbaukosten zu dienen haben. Die Erträge aber aus der im Entwurf eines Verkehrsfinanz-gesetzes vorgesehenen Änderung der Beförderungsteuer kann der Herr Bundesminister der Finanzen also ohne Benachteiligung des Straßenverkehrs und des Straßenbaues für andere Verkehrszwecke verwenden. Die Mittel könnten vor allem dazu dienen, der Bundesbahn soweit wie möglich die sogenannten betriebsfremden Personallasten abzunehmen. Der Kabinettsbeschluß vom 1. Juni 1954 sieht weiterhin vor, daß die Notwendigkeit der von mir mit großer Dringlichkeit beantragten Abnahme der betriebsfremden Lasten von den Bundesministern der Finanzen, für Verkehr und des Innern beschleunigt geprüft werden soll. Diese Prüfung ist bereits eingeleitet; den beiden anderen Ressorts wurden die erforderlichen Unterlagen zugesandt. Falls erforderlich, soll die als notwendig ermittelte Abnahme dieser Lasten auf gesetzgeberischem Wege geschehen.
    6. Die Bundesbahn erhält aus dem Bundeshaushalt ein Darlehen in Höhe von 250 Millionen DM jährlich, also in Höhe des Betrages, den sie an den Bund an Beförderungsteuer abzuführen hat. Es ist in erster Linie für Zwecke der Oberbauerneuerung gedacht.
    7. In dem verkehrspolitischen Gesamtplan ist, anschließend an das Bundesbahnprogramm vom 16. April 1953, eine weitgehende Rationalisierung der Bundesbahn vorgesehen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen werden beschleunigt durchgeführt. Einen neuen Zwischenbericht über die Ergebnisse dieser Arbeit der Deutschen Bundesbahn habe ich Ihnen heute als Material vorlegen lassen, und ich darf es Ihrer freundlichen Beachtung empfehlen. Lassen Sie mich dabei nur auf eine Tatsache hinweisen: Der Personalbestand der Bundesbahn ist seit 1948, ohne daß Entlassungen erfolgt sind, um über 100 000 Menschen vermindert worden.

    (Hört! Hört! links.)

    Eine weitere Verminderung um rund 30 000 Menschen ist vorgesehen. Damit wird der Personalbestand der Deutschen Bundesbahn innerhalb von rund 7 Jahren um annähernd 140 000 Menschen oder um über 20 % des Personalbestandes von 1948 vermindert sein. Selbst wenn gesagt werden kann, daß damals, 1948, der Personalbestand überhöht war, so muß es den nüchternen Beobachter doch überraschen, daß eine solche negative Rationalisierung bei den gegenüber 1948 vielfach gesteigerten Leistungen der Deutschen Bundesbahn überhaupt möglich war. Allein die Achstonnenkilometerleistung ist in der gleichen Zeit um über 30 % gestiegen. Diese Methoden, meine Damen und Herren, müssen dort ihre Grenze finden, wo die Sicherheit des Betriebs, die Gesundheit der immer stärker beanspruchten Mitarbeiter und der Altersaufbau der Belegschaft sie mit Nachdruck setzen.

    (Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

    Die Bediensteten der Bundesbahn haben die Belastungen und Entbehrungen, die diese Rationalisierung für sie mit sich gebracht hat, im Interesse der Erhaltung des Betriebes auf sich genommen. Dafür und für die trotz dieser Belastung erzielten
    großen Aufbauerfolge verdienen sie alle unseren aufrichtigen Dank.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Gestatten Sie mir dazu noch eine Bemerkung: Wer in der verladenden Wirtschaft in seinem eigenen Betrieb nicht Ähnliches erreicht hat, also 30 % Leistungssteigerung bei 20 % Belegschaftsabbau, sollte es sich versagen, der Bundesbahn vorzuwerfen, sie habe auf dem Gebiet der Rationalisierung und des Personalabbaues nicht Genügendes geleistet. Denn diese Leistung steht!

    (Allgemeiner Beifall.)

    Hier drängt sich mir noch ein interessanter Vergleich auf. Im gesamten Güterkraftverkehrsgewerbe, das mit rund 70 000 Fahrzeugen im Nahverkehr und mit rund 20 000 Fahrzeugen im Bezirks-und Fernverkehr tätig ist, werden rund 150 000 Menschen direkt beschäftigt. Der Anteil des Güterfernverkehrs ist nicht genau zu ermitteln, dürfte aber mit 70 000 nicht zu tief gegriffen sein. Die Deutsche Bundesbahn hat also mit ihrer negativen Rationalisierung, ihrem Personalabbau, in sieben Jahren doppelt so viel Arbeitsplätze eingespart, als der gewerbliche Güterfernverkehr überhaupt Menschen beschäftigt. Diese Eisenbahnerarbeitsplätze sind endgültig vernichtet. Ich glaube, der Hinweis auf diese Tatsache genügt, um einer gewissen, noch dazu keineswegs begründeten Argumentation entgegenzutreten, nach der die Bundesbahn zu Lasten dieses Gewerbes bevorzugt wurde oder in Zukunft besonders gefördert werden soll. Von einem Sachverständigengremium unter Leitung des Präsidenten des Hauptprüfungsamtes soll gemäß Kabinettsbeschluß vom 1. Juni ferner geprüft werden, ob über die bisherigen Vorschläge und Maßnahmen hinaus noch weitere betriebswirtschaftliche und personelle Maßnahmen angebracht wären, um eine anhaltende Wirtschaftlichkeit der Bundesbahn zu gewährleisten. Herr Präsident Ottmann vom Hauptprüfungsamt hat diesen Auftrag bereits von mir erhalten und seine Arbeiten aufgenommen. Ihm werden dabei erfahrene, mit den Bundesbahnverhältnissen vertraute Wirtschaftsprüfer zur Seite stehen.
    8. Die beiden großen Betriebsverwaltungen des Bundes, die Bundesbahn und die Bundespost, werden hinfort im Kleingutverkehr — das sind der Expreßgutverkehr und der Postpaketverkehr — sowie auf dem Gebiet des Linienverkehrs mit Straßenomnibussen eng zusammenarbeiten. Die Zusammenarbeit im Kleingutverkehr hat bereits begonnen. Das Bundeskabinett hat ferner einer Anhebung der Regeltarife im Kraftlinien-Verkehr der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Bundespost zugestimmt, um zu erreichen, daß dieser Regeltarif künftig über dem Regelsatz der 3. Klasse des Eisenbahnfahrpreises vom 6,9 Pf/km zu liegen kommt. Auch eine Angleichung der Beförderungsbedingungen zwischen Post und Bahn im Omnibusverkehr ist vorgesehen. Konkurrierende Linien sollen in Zukunft gemeinsam betrieben werden.
    9. Schließlich werden die Aufgabenteilung zwischen den Verkehrsträgern und die diesem Ziele dienende Tarifpolitik auch für die Bundesbahn förderlich sein. Auf diese wichtige Frage möchte ich abschließend eingehen. Entgegen einer vielverbreiteten Ansicht steht nämlich die sogenannte Koordinierung nicht am Anfang, sondern am Schluß jeder Phase der Verkehrspolitik.


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    Wenn alle diese Maßnahmen, die ich Ihnen hier dargelegt habe — bei der riesigen Fülle des Stoffes in aphoristischer Kürze und Schnelligkeit, jedoch nicht in einem „Kolossalgemälde" — durchgeführt werden, sind auch die unerläßlichen Voraussetzungen für die sogenannte Koordinierung der Verkehrsträger geschaffen. Ober diese Koordinierung gehen die Vorstellungen schroff auseinander. Der eine denkt an die Sozialisierung des gesamten Verkehrswesens, also auch der Binnenschifffahrt und des Straßenverkehrs. Der andere wünscht das gesamte Verkehrswesen dem gemeinwirtschaftlichen Prinzip zu unterwerfen, also auch den Straßenverkehr nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen zu entwickeln. Dazu braucht er allerdings eine tragfähige Organisation des Kraftverkehrs, der er die Beförderungs- und Betriebspflicht auferlegen kann. Eine derartige Organisation muß sehr straff sein; damit geht aber der weitaus größte Teil der unternehmerischen Initiative verloren. Von hier bis zur Sozialisierung ist es dann nicht mehr weit. Mit sogenannten „marktkonformen" Mitteln allein wäre das Problem aber auch nicht zu lösen. Ich habe in einem Vortrag in Köln im April dargelegt, daß man in der Verkehrspolitik mit marktwirtschaftlichen Prinzipien allein nicht auskommt. Der Vortragstext ist Ihnen zugegangen. Ich kann mich daher auf meine damaligen Ausführungen beziehen. Die Disproportionen im Verkehrswesen sind, wie gesagt, nicht marktwirtschaftlich entstanden, sie können daher auch nicht mit marktkonformen Mitteln im strengen Wortsinne beseitigt werden. Verkehrskonforme Mittel sind erforderlich. Von dieser Ansicht geht das verkehrspolitische Gesamtprogramm der Bundesregierung aus. Staatliche Ordnungsmaßnahmen sind die unentbehrliche Voraussetzung für die Wirksamkeit tarifpolitischer Mittel und für die Wirksamkeit freiwilliger Vereinbarungen der gewerblichen Verkehrsträger mit dem Ziel einer Verkehrsteilung. Eisenbahn, Kraftverkehr und Binnenschiffahrt ergänzen sich gegenseitig auf Grund ihrer technischen Eigenheiten und der Unterschiedlichkeit ihrer Leistungen. Eine Zusammenarbeit in vernünftiger Aufgabenteilung bietet sich hier von selbst an.
    Die Bundesregierung geht bei diesen Maßnahmen von folgenden Leitsätzen aus. Erstens: Das gemeinwirtschaftliche System der Deutschen Bundesbahn wird beibehalten, insbesondere im Interesse der revierfernen Gebiete. Zweitens: Die Wettbewerbsbedingungen von Schiene und Straße werden soweit wie möglich einander angeglichen. Drittens: Ein echter Leistungswettbewerb wird gewährleistet. Viertens: Eine freie Preisbildung auf dem Gebiet des Verkehrs bleibt ausgeschlossen.
    Die Bundesregierung hat am 1. Juni 1954 den Bundesminister für Verkehr beauftragt, nach diesen Leitsätzen in Zusammenarbeit mit den beteiligten Ressorts und nach Anhörung der Verkehrsträger und der verladenden Wirtschaft tarifpolitische Maßnahmen so vorzubereiten, daß sie, soweit möglich, im Rahmen des verkehrspolitischen Gesamtprogramms alsbald nach Anlaufen des Straßenentlastungs- und des Verkehrsfinanzgesetzes wirksam werden können.
    Die Arbeit an dieser Tarifreform hat bereits begonnen. Ich habe einen Sachverständigenausschuß einberufen, der mir in völliger Unabhängigkeit von meinem Ministerium ein Gutachten über eine allgemeine Gütertarifreform erstatten soll. Dazu wird er das bekannte Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats als Grundlage benutzen. Sein Gutachten wird e i n wichtiger Baustein für die konkret zu treffenden tarifpolitischen Maßnahmen sein. Für den Fall, daß die Sachverständigen ihre Arbeiten nicht rechtzeitig abschließen, ist ein tarifpolitisches Sofortprogramm in Aussicht genommen. Sobald das Gutachten vorliegt, wird es mit den zuständigen Gremien der verladenden Wirtschaft und den Verkehrsträgern durchgearbeitet. Dann dürfte es auch reif zur Durchführung sein.
    Die tarifpolitischen Bestrebungen der Bundesregierung sind durch eine Entschließung des Bundesrates nachdrücklich unterstützt worden. Diese Entschließung lautet:
    Die Bundesregierung wird gebeten, im Rahmen des verkehrspolitischen Gesamtprogramms baldigst Tarifmaßnahmen vorzuschlagen, die neben dem Straßenentlastungsgesetz und dem Verkehrsfinanzgesetz wirksam werden sollen. Diese Tarifmaßnahmen, die zusammen mit den zu beteiligenden Stellen auszuarbeiten sind, sollen einerseits die mit den Verkehrsgesetzen angestrebte sinnvolle Verkehrsteilung zwischen Schiene und Straße fördern und andererseits allen Verkehrsträgern angemessene Beförderungsentgelte sichern. Dabei werden die Interessen der Verkehrsträger und der verladenden Wirtschaft sorgfältig miteinander abgestimmt werden müssen. Die Durchführung der Tarifmaßnahmen
    — sagt die Entschließung des Bundesrates —
    ist nur möglich, wenn beide Verkehrsgesetze in Kraft treten.
    Die Bundesregierung hat zu der Entschließung des Bundesrats wie folgt Stellung genommen:
    Der Entschließung des Bundesrates wird zugestimmt. Sie entspricht der Auffassung und den Absichten der Bundesregierung. Der Bundesminister für Verkehr ist beauftragt, das Erforderliche zu veranlassen.
    Die Verbände des Kraftverkehrsgewerbes habe ich schon im März zur Zusammenarbeit aufgefordert und um Vorschläge für eine Verkehrsteilung und für die sich daraus ergebende Tarifpolitik gebeten. Sobald diese Vorschläge eingehen — bisher sind nur allgemeine Ausführungen abgegeben worden —, werden unter meiner Leitung die Gespräche zwischen dem Vorstand der Deutschen Bundesbahn und den berufenen Vertretern des gewerblichen Kraftverkehrs und der Binnenschiffahrt über die künftigen Formen der Zusammenarbeit und der Arbeitsteilung unverzüglich aufgenommen. Die Tarifreform soll klare und gesunde Verhältnisse schaffen. Gleichzeitig soll sie den Verkehrsträgern angemessene Beförderungsentgelte, mit anderen Worten, einen auskömmlichen Ertrag für ihre mühevolle Arbeit sichern. Die Beförderungsentgelte, meine Damen und Herren, sind, wie Sie wissen, hinter der Entwicklung des allgemeinen Preisniveaus erheblich zurückgeblieben. Nach einer Indexberechnung mit dem Basisjahr 1938 gleich 100 hatten im November 1953 der Eisenbahn-Personentarif einen Stand von durchschnittlich 173, der Eisenbahn-Wagenladungstarif einen Stand von durchschnittlich 209 erreicht; demgegenüber lag aber der Preisindex für Steinkohle bei 327, für


    (Bundesminister Dr. Seebohm)

    Stabstahl bei 355, für Schnittholz bei 274 und für Roheisen bei 459.
    Es ist allerdings nicht beabsichtigt, die Tarife für die Grundstoffe anzuheben, wenn die Gesetze in Kraft treten. Das unterstreiche ich mit Nachdruck. Die Bundesregierung ist sich bewußt, wie stark die Verkehrspolitik mittelbar oder unmittelbar auf die gesamte Wirtschaft wirkt. Was w i r wollen, ist ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen der verladenden Wirtschaft und denen des Verkehrswesens. Wollte man nur den Weg gehen, die Bundesbahnausgaben über Einnahmen aus der Kundschaft auszugleichen, so müßte ja eine Tariferhöhung von einem Ausmaß vorgenommen werden, das die Wirtschaft außerordentlich belasten würde. Das Ausmaß würde sicherlich nicht niedriger als 25 % sein können.
    Auch die technischen und betrieblichen Möglichkeiten sollen ausgenutzt werden, um eine gute Zusammenarbeit der Verkehrsträger zu erreichen. Ich denke dabei z. B. an die Zusammenarbeit im HausHaus-Verkehr, im Stückgutverkehr, im Behälterverkehr und an die weitere Entwicklung der Zweiwege-Fahrzeuge. Auch die Transporte von Lastkraftwagen-Anhängern auf der Schiene, eine Abart der sogenannten „Rollenden Landstraße", sollen erprobt werden. In den Vereinigten Staaten ist diese Zusammenarbeit von Schiene und Straße ebenso wie in Frankreich, allerdings auf der Basis der Sattelschlepper, verbreitet und erfolgreich. Man nennt sie dort recht treffend „Huckepack-Verkehr". In allernächster Zeit beginnen die jetzt vorbereiteten Versuchsverkehre dieser Art auch bei uns. Wenn der Versuch gelingt, dann ergäben sich neue Möglichkeiten für die Wirtschaft, ihre Kraftfahrzeug-Anhänger nutzbringend einzusetzen. Vielleicht wird dann auch bei uns der Sattelschlepper größere Bedeutung gewinnen. Das wäre in vielerlei Hinsicht zu begrüßen.
    Meine Damen und Herren, die Bundesregierung erwartet, daß die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen zu einer stabilen Ordnung im Verkehrswesen führen und die Sicherheit auf den Straßen ebenso erhöhen wie die Straßenerhaltungskosten herabsetzen werden. Für die Ausschußberatungen werden Ihnen der Herr Bundesminister der Finanzen und ich noch ausreichendes Material, vor allem statistischer Art, zur Verfügung stellen.
    Die erstrebten Ziele sind nicht zu erreichen, wenn nicht alle Beteiligten dazu nach besten Kräften beitragen. Mit halben Maßnahmen ist wahrlich nichts getan. Allzu zaghafte Lösungsversuche sind und bleiben unfruchtbar. Wir müssen handeln, denn was wir heute in dieser Sache nicht tun, wird morgen noch schwerer zu tun sein und wird zweifellos noch größere Opfer von uns fordern.
    Die im Verkehrsprogramm der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen der Verwaltung, insbesondere die Rationalisierung der Bundesbahn, die Gütertarifreform und die Verkehrsteilung, können nur auf der Grundlage der drei Verkehrsgesetze erfolgreich durchgeführt werden. Die Bundesregierung übergibt Ihnen heute zwei dieser Verkehrsgesetze in Form von Entwürfen. Das dritte, das Personenbeförderungsgesetz, wird Ihnen nach den Ferien zugeleitet. Die Bundesregierung hat diese Entwürfe in eingehender Beratung erarbeitet. Sie bittet Sie um Ihre baldige Entscheidung, weil dies nach Lage der Sache notwendig ist. Die Verantwortung für diese Entscheidung und für den Zeitablauf ist sehr groß. Der Streit der Meinungen in der Öffentlichkeit hat die vor Ihnen liegende schwierige Arbeit kaum erleichtert. Es sind nicht immer die besten Argumente, die am lautesten vorgetragen werden, und nur wer über erhebliche Mittel verfügt, hat es leicht, Propaganda zu treiben.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, prüfen Sie bitte die Ihnen von der Bundesregierung vorgelegten Entwürfe vorurteilsfrei. Lassen Sie die Tatsachen auf sich wirken und denken Sie bitte an das Ganze. Von Ihren Beschlüssen hängt es ab, ob das Verkehrswesen in der Bundesrepublik in den nächsten Jahren gesund und leistungsfähig sein wird. Auf Sie aber blicken vor allem vertrauensvoll die deutschen Menschen, die täglich den Gefahren des Verkehrs, vor allem auf der Straße, ausgesetzt sind.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Fritz Schäffer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes hat bereits lange, bevor er diesem Hohen Hause zugestellt worden ist, Anlaß zu heftigen Auseinandersetzungen in der Öffentlichkeit gegeben. Das Kraftfahrgewerbe hat in zahlreichen Protestversammlungen die in dem Entwurf vorgesehenen steuerlichen Belastungen des Kraftwagens als unerträglich bezeichnet und die Vernichtung zahlreicher Transportunternehmen vorausgesagt. Aber auch Kreise der Industrie haben sich mit Entschiedenheit gegen einzelne Bestimmungen des Entwurfs gewandt. Eine Gruppe von Interessenten hat mit erheblichem Aufwand einen Inseratenfeldzug gegen die Regierungsentwürfe eingeleitet, für den sogar der Erzengel St. Raphael herhalten mußte.

    (Heiterkeit.)

    Fast übereinstimmend ist von diesen Kreisen behauptet worden, daß das aus diesem Entwurf zu erwartende Mehraufkommen von, wie ich schätze, etwa 350 Millionen DM auch ohne so tiefgreifende Maßnahmen erzielt werden könne, um damit Mittel für den Straßenbau und die Erneuerung und Verbesserung der Anlagen der Deutschen Bundesbahn zu gewinnen.
    Dabei sind sich wohl alle Kreise unseres Volkes darüber einig, daß unsere Straßen der gewaltigen Zunahme des Kraftverkehrs nicht mehr gewachsen sind und daß es notwendig ist, für den Ausbau der Straßen aller Art — von den Bundesautobahnen bis zu den Landstraßen erster und zweiter Ordnung sowie den Ortsdurchfahrten — wesentlich mehr Haushaltsmittel bereitzustellen, als es die öffentlichen Haushalte bisher gestatteten. Die Mehrheit der am Verkehr von Berufs und Erwerbs wegen Beteiligten dürfte auch darin einig sein, daß es notwendig ist, der Bundesbahn, die bereits seit den ersten Tagen des „Dritten Reiches" vernachlässigt und dann vom Krieg aufs schwerste betroffen wurde, Investitionsmittel zur Wiederherstellung und Verbesserung ihrer Anlagen und ihres rollenden Materials zuzuführen.
    In diesem Zusammenhang setzt aber 'bereits die Kritik ein. Das private Kraftfahrgewerbe und die Kraftwagenindustrie nebst Zulieferbetrieben beanstanden, daß 'der Lastkraftwagen angeblich untragbar belastet werde, um, wie sie meinen, dem


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    „Konkurrenten Bundesbahn" Mittel zuzuführen. Dazu wird vielfach die Auffassung vertreten, daß das Problem Bundesbahn „mit der leichten Hand" gelöst werden könne, nämlich teils durch innere Rationalisierung ihres Betriebs unter gleichzeitiger Zuführung von Investitionsmitteln, teils durch eine stärkere Belastung der Mineralölsteuer auf Vergaserkraftstoff, also im wesentlichen durch Heranziehung der bereits stark belasteten Personenkraftwagen.
    Hiermit wird jedoch die eigentliche Zielsetzung des Entwurfs verlassen. So wichtig das erwartete Mehraufkommen für die Bereitstellung von Investitionsmitteln gerade für den Bundeshaushalt ist, liegt doch eine ungleich größere Bedeutung in dem Versuch, der Bundesbahn die Einnahmen wieder zuzuführen, die sie für die Aufrechterhaltung ihres Betriebes benötigt. Das Bundesbahnproblem ist nämlich — und hier liegt nämlich ein weit verbreiteter Irrtum — nicht in erster Linie eine Investitionsfrage. Sicher wären Investitionen von 2 bis 3 Milliarden DM für die Bundesbahn von größter Bedeutung, um ihren Nachholbedarf zu decken und die Kriegsschäden zu beseitigen. Dieses schwierige Finanzierungsproblem konnte bisher nur in Teilstücken gemeistert werden. Von der Haushaltsseite unlösbar wird das BundesbahnProblem jedoch dadurch, daß der Lastkraftwagen mit zunehmender Transportleistung das Tarifsystem, das von der Deutschen Reichsbahn überkommen ist, so stark unterhöhlt hat, daß die Bundesbahn nicht mehr, wie das Bundesbahngesetz voraussetzt, ihre Ausgaben aus den Einnahmen decken kann. Alle Befürworter einer „weichen Lösung", die den Lastkraftwagen nicht fühlbar beeinträchtigt, übersehen, daß der Vorteil des Lastkraftwagens nicht nur in seiner technischen Überlegenheit liegt, nicht nur darin, daß er die Güter von Haus zu Haus bringen kann und nicht wie die Bundesbahn an die Schiene gebunden ist. Weit entscheidender ist, daß der Kraftwagen gegenüber der Bundesbahn in seiner Wettbewerbsstellung dadurch bevorzugt ist, daß er nicht, wie die Bundesbahn, bei seinen Transporten an Zeit, Menge und Ziel gebunden ist. Das einzelne Transportunternehmen kann sich die Transporte aussuchen, die ihm nach der Zeit der Ausführung, der zu befördernden Menge und dem Bestimmungsort zusagen. Die Bundesbahn muß dagegen einen riesigen Apparat vorhalten, um jede, auch die kleinste Menge zu jeder Zeit an jeden gewünschten Ort zu bringen. Das private Kraftverkehrsgewerbe und der Werkverkehr überlassen der Bundesbahn alle Transporte, die ihnen keine wirtschaftlichen Vorteile bringen. Die Bundesbahn hat daher wahrhaftig nur das „Monopol des unrentablen Transports". Diese Unterlegenheit ergibt sich nicht aus mangelnder Rationalisierung, sondern aus dem Fehlen der Voraussetzungen eines echten Wettbewerbs. Sie kann infolgedessen auch nicht durch noch so umfangreiche Investitionen, die die Leistungsfähigkeit der Bundesbahn erhöhen, verbessert oder womöglich beseitigt werden, da die Bundesbahn die Transportmengen gar nicht erst erhält, die sie zur rationellen Ausnutzung ihrer Anlagen benötigt.
    Hierin liegt die eigentliche Ursache für die Schwierigkeiten, mit denen wir heute zu kämpfen haben. Zu ihrer Lösung bieten sich theoretisch drei Wege:
    1. die Verlagerung der Kosten für die Erhaltung der nicht ausgenutzten Bundesbahn auf den Bundeshaushalt.
    Dieser Weg wäre nicht nur wegen der großen Reibungsverluste der schlechteste. Seine Wahl würde zu einer Dauerbelastung des Bundeshaushalts von zur Zeit rund 800 Millionen DM mit steigender Tendenz führen. Das würde einem Verzicht auf jede fühlbare Steuersenkung gleichkommen. Hierüber sind sich die Befürworter einer Verlagerung der sogenannten politischen Lasten der Bundesbahn auf den Bund, wie es stark vereinfacht heißt, offenbar nicht im klaren.
    2. Übergang der Bundesbahn zu echten Kostentarifen.
    Hierbei würde sich die Überlegenheit der Bundesbahn über den Lastkraftwagen auf den großen, stark benutzten Strecken zeigen. Der Ausgleich auf diesem Wege müßte aber durch eine starke Verteuerung der Transporte auf allen wenig benutzten Nebenstrecken erkauft werden. Das würde die Wirtschaft in den abgelegenen Gebieten des Bundesgebiets zum Erliegen bringen.

    (Abg. Rümmele: Sehr richtig!)

    3. Belastung der Wirtschaft mit den echten Kosten des Verkehrs.
    Die heutigen Kosten des Güterverkehrs auf der Straße beruhen auf der Beförderungspflicht der Bundesbahn nach gleichmäßig aufgebauten Tarifen. Wenn der Kraftwagen die Güter ohne Rücksicht auf Beförderungszeit und Menge transportieren müßte, wäre es ihm unmöglich, mit den an die Bundesbahntarife angeglichenen Reichskraftwagentarifen auszukommen. Es wäre durchaus gerechtfertigt, wenn die Wirtschaft dafür einen Ausgleich zahlte, falls die Bundesbahn einzig aus diesem Zusammenhang der Tarife heraus ihre Ausgaben nicht aus Einnahmen decken kann.
    Außerdem hat der Lastkraftwagen bisher keinen angemessenen Beitrag zu den Straßenkosten geleistet. Gerade die schwersten Wagen, die die Straße am stärksten beanspruchen, genossen bisher einen Tarifvorteil, der vom „Dritten Reich" aus Rüstungsgründen eingeführt worden war. Alle Berechnungen, die über die Aufbringung der Straßenkosten aufgemacht worden sind, lassen unberücksichtigt, daß zwei Drittel der Kraftfahrzeugsteuer von den Personenwagen aufgebracht werden, die die Straßen kaum abnutzen. Außerdem sind in keiner der Rechnungen, die von seiten des Kraftwagens aufgestellt sind, die Kapitalkosten — Verzinsung und Tilgung — für das in den Straßen investierte Kapital berücksichtigt. Würde man alle Kosten, die der Lastwagen hinsichtlich der Straßen verursacht, ihm entsprechend anlasten, so würde nach den vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen der Lastwagentarif so hoch sein müssen, daß der wettbewerbsmäßige Ausgleich mit der Schiene bereits von der Kostenseite her erreicht würde.
    Das eigentliche Ziel des Entwurfs ist deshalb, einen ersten — und wie wir hoffen — wirkungsvollen Schritt in die Richtung eines echten Kostenausgleichs zu tun. Der Lastkraftwagen soll stärker als bisher entsprechend seiner Einwirkung auf die Straße zur Kraftfahrzeugsteuer herangezogen werden.
    Bei der Beförderungssteuer soll der Nahverkehr auf der Straße dem Schienenverkehr gleichgestellt werden. Der Werkfernverkehr, der seine Transporte auf die Bedürfnisse des Betriebes ausrichtet,


    (Bundesfinanzminister Schiffer)

    soll erstmalig durch stärkere Heranziehung zur Beförderungsteuer einen Ausgleich dafür zahlen, daß die Bundesbahn mit ihren Einrichtungen alle Transporte durchführt, die der Werkfernverkehr aus wirtschaftlichen Gründen nicht übernehmen will. In Richtung eines Kostenausgleichs wirkt auch die stärkere Erhöhung der Mineralölsteuer auf Dieselöl. Finanz- und verkehrswirtschaftlich gesehen ist in diesen Fällen der eigentliche Steuertatbestand der Beitrag zur Straßenbaulast und die Ausnutzung des gegenwärtigen Tarif- und Beförderungspflichtsystems der Bundesbahn für die unrentablen Transporte, während die auch für die Bundesbahn kostendeckenden Transporte mit Kraftwagen durchgeführt werden.
    Der einzig durchschlagende Einwand gegen den Entwurf kann meines Erachtens nur sein, daß die Maßnahmen nicht weitgehend genug sind. Als Beispiel darf ich anführen, daß der Leiter des Verkehrswissenschaftlichen Instituts der Universität Köln, Prof. Dr. Berkenkopf, eine volle Belastung des Lastkraftwagens mit Straßenkosten erst bei einer Erhöhung der Besteuerung des Dieselkraftstoffes um 30 bis 40 Pf. als erreicht ansieht. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Prof. Dr. Schmitt von der Universität Freiburg. Das private Kraftfahrzeuggewerbe wird hierzu sagen, daß dann jeder Kraftverkehr auf der Straße aufhören müßte. Dieser Einwand erscheint aber nicht stichhaltig; denn es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, daß die Kraftwagentarife erforderlichenfalls angehöht werden müssen, damit der Kraftwagenunternehmer seine Kosten decken kann. Dem Verfrachter muß es aber jeweils überlassen werden auszuwählen, ob er bei dieser Sachlage die Eisenbahn oder den gegenüber jetzt dann teureren Lastkraftwagen benutzen will, der dafür eine Transportleistung erbringt, die die Wünsche des Auftraggebers stärkerberücksichtigen kann.
    Deshalb müssen alle Vorschläge, die auf eine Abwälzung der steuerlichen Mehrbelastung des Lastkraftwagens auf den Personenwagen hinauslaufen, für die Verkehrslage völlig wirkungslos bleiben. Der Entwurf wäre dann nur noch ein Fiskalgesetz, das auf das Wettbewerbsverhältnis Straße/Schiene ohne Auswirkung ist. Das bedeutet, daß auf eine Lösung der Verkehrsnot durch eine Neuordnung des Verkehrs überhaupt verzichtet wird. Das muß ich insbesondere zu den sicher gut gemeinten Gegenvorschlägen des Herrn Kollegen Müller-Hermann sagen, da er nicht die finanzwirtschaftlichen Folgerungen aus dem Verzicht auf jede Steuerung des Verkehrs zieht. Das aus dem Entwurf zu erwartende Mehraufkommen, das Herr Kollege Müller-Hermann auf andere Weise erzielen will, ist dann allerdings viel zu gering. Mit den 290 Millionen DM, die etwa dem Bund jährlich zufließen dürften, könnten die Kosten der Fehlentwicklung des Verkehrsapparats bei weitem nicht gedeckt werden. Die Subventionierung des Verkehrs über die Bundesbahn dürfte für die kommenden Rechnungsjahre mit 1 Milliarde DM eher zu niedrig als zu hoch veranschlagt sein, wenn die steigenden laufenden Straßenkosten mit berücksichtigt werden. Daneben müßten für Investitionen bei der Bundesbahn und für die Bundesstraßen die auch jetzt vorgesehenen Mittel zusätzlich aufgebracht werden, da die erwähnte Milliarde DM für konsumtive Zwecke verwendet werden müßte und nur dazu dienen würde, die heutigen Zustände aufrechtzuerhalten, die in diesem Hohen Hause wiederholt als untragbar bezeichnet worden sind. Ob diese Subventionierung als betriebsfremde oder als gemeinwirtschaftliche Lasten der Bundesbahn firmiert, ändert ebensowenig ihren Charakter wie die Notwendigkeit, sie durch ein künftiges Anziehen der Steuerschraube aufzubringen. Ich habe unter den zahlreichen Vorschlägen, die als „Verkehrskonzeption" angeboten wurden, keinen gefunden, der diesen Gegebenheiten Rechnung trägt.
    Dabei wäre die dann unerträglich hohe neue Steuerbelastung nicht einmal das größte Unglück. Viel schlimmer ist, daß hierdurch eine Lösung der Verkehrsfrage auch für die Zukunft auf unabsehbare Zeit verbaut würde.
    Der Plan der Bundesregierung geht nämlich davon aus, daß die Ertragskraft der Bundesbahn durch die Verbesserung ihrer Wettbewerbslage in wenigen Jahren so gestärkt wird, daß für den Straßenbau wesentlich größere Mittel frei gemacht werden können. Das gilt insbesondere dann, wenn die Bundesbahn ihren Kreditbedarf wieder selbst decken kann. Mit dieser Möglichkeit ist nicht zu rechnen, wenn der Bundeshaushalt mit rund 1 Milliarde DM Subventionsmittel jährlich belastet bleibt. Daneben dürfte es kaum möglich sein, aus dem Bundeshaushalt zusätzliche Mittel für den Ausbau der Verkehrswege frei zu machen.
    An diesen harten Tatsachen kommt niemand vorbei. Sie werden von den Verfechtern einer „weichen Lösung" aus Gründen, die ich dahingestellt sein lasse, übersehen. Ich verkenne nicht, daß Vorschläge, die harte Maßnahmen vermeiden, lieber angehört werden als der Vorschlag solcher harten Tatsachen. Es ist eine alte Erfahrung, daß man sich den Pelz nicht gerne naß machen läßt. Auch im täglichen Leben ziehen viele einen Wunderdoktor vor. Sie laufen dabei allerdings Gefahr, zum operativen Eingriff, der dauernde Heilung versprochen hätte, zu spät zu kommen. Vor dieser Entscheidung stehen wir heute auf dem Gebiet des innerdeutschen Verkehrswesens. Durch Herumkurieren an einigen Symptomen kann der eigentliche Krisenherd nur auf kurze Zeit verdeckt werden. Die Katastrophe wird dann um so verhängnisvoller in Erscheinung treten, und zwar zu einem Zeitpunkt, der von uns nicht mehr bestimmt werden kann.
    Eine Gesundung des Verkehrs kann nur erreicht werden, wenn die Wirtschaft für die Gesamtheit der Transporte den echten Preis zahlt.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dies ist eine so selbstverständliche Forderung, daß gerade die Wirtschaft sich ihr nicht verschließen sollte.
    Zu den einzelnen Abschnitten des Entwurfs habe ich kurz folgendes zu bemerken:
    Zu Abschnitt I — Änderung der Kraftfahrzeugsteuer. Lastkraftwagen, Anhänger und Kraftomnibusse wurden bisher nach dem Eigengewicht, Zugmaschinen nach Brems-PS besteuert. Ausgehend von dem Grundgedanken, daß die Besteuerung der Abnutzung der Straßen besser angepaßt werden soll, soll die Steuer nunmehr nach dem zulässigen Gesamtgewicht bemessen werden.
    Der Steuersatz für Lastkraftwagen und Omnibusse beträgt jetzt je 200 kg Eigengewicht 45 DM. Jedoch verringert sich die Steuer auf 15 DM je 200 kg Eigengewicht, soweit das Eigengewicht 2400 kg übersteigt. Der Entwurf sieht eine Be-


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    Steuerung mit 22,50 DM je 200 kg Gesamtgewicht vor, wodurch der unerfreuliche Knick bei 2400 kg Eigengewicht beseitigt wird. Der Übergang zur Gesamtgewichtsbesteuerung bei gleichzeitiger Halbierung des Steuersatzes führt bei leichten Fahrzeugen, insbesondere den Lieferwagen, zu einer Senkung der Steuer und bei den schweren Fahrzeugen zu einer Erhöhung. Wenn damit die schweren Fahrzeuge auch noch keineswegs in dem Umfang zur Steuer herangezogen werden, wie sie Straßenkosten verursachen, so enthält die Änderung jedenfalls die gesunde Tendenz, denjenigen stärker heranzuziehen, der die Straße stärker abnutzt. Aus diesem Grunde ist für die schwersten Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von mehr als 15 000 kg ein Steuersatz von 51 DM je 200 kg vorgesehen. Dieser höhere Steuersatz soll sich jedoch nur auf das 15 000 kg übersteigende Gewicht erstrecken und erst ab 1. Januar 1955 in Kraft treten.
    Die Anhänger, die bisher steuerlich begünstigt sind, sollen den gleichen Sätzen unterworfen werden. Das ist insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil bei Anhängern die Nutzlast etwa doppelt so hoch ist wie bei gleich schweren Lastkraftwagen, während sie die Straßen in gleicher Weise abnutzen wie die Motorwagen.
    Die Personenkraftwagen sind bisher im Verhältnis zu den Lastkraftwagen unverhältnismäßig stärker zur Steuer herangezogen worden. Aus diesem Grunde ist eine Senkung der Steuer um 20 % für Personenkraftwagen vorgesehen. Eine weitergehende Senkung ist wegen des zu erwartenden Steuerausfalls nicht vertretbar. So würde eine Senkung um 40 % einen Steuerausfall von fast 100 Millionen bedeuten. Andererseits ist ein Ausgleich des Steuerausfalls durch Erhöhung der Mineralölsteuer schon deshalb bedenklich, weil sich dadurch im Bundesgebiet Treibstoffpreise ergeben würden, die die Preise des benachbarten Auslands überstiegen.
    Der Gesetzentwurf enthält außerdem Vergünstigungen für Fahrzeuge Körperbehinderter und für Oberleitungsomnibusse. Die Kombinationskraftwagen sollen nach dem Entwurf den Lastkraftwagen gleichgestellt werden, weil sie hauptsächlich der Güterbeförderung und nur gelegentlich der Personenbeförderung dienen.
    Zu Abschnitt II — Änderung der Beförderungssteuer. Der Entwurf sieht eine Ausdehnung der Beförderungssteuer auf den gewerblichen und den Werknahverkehr vor, die bisher von der Beförderungsteuer befreit waren. Für den gewerblichen Verkehr bedeutet diese Änderung praktisch eine Erhöhung von 4 % auf 7 %, da der gewerbliche Verkehr bisher der Umsatzsteuer unterlag, die in Zukunft wegfällt. Zur Vermeidung von Verwaltungsschwierigkeiten ist in Aussicht genommen, die Beförderungssteuer des Werknahverkehrs in geeigneter Weise zu pauschalieren. Von der Besteuerung des Werkverkehrs soll Abstand genommen werden, wenn Güter innerhalb einer Betriebsstätte des Unternehmens oder mit Kraftfahrzeugen bis zu 750 kg Nutzlast befördert werden. Besondere Vergünstigungen sind im Interesse der Land-und Forstwirtschaft vorgesehen.
    Die Beförderung von Kohlen aller Art ist bisher von der Beförderungsteuer befreit gewesen. Diese Befreiung soll für die Beförderung im Straßenverkehr aufgehoben werden, um die Straßen von diesem ausgesprochenen Massengut zu entlasten. Für den Werkfernverkehr ist ein Steuersatz von 5 Pf. je t/km in Aussicht genommen. Mit dieser Erhöhung der Steuer soll ein Ausgleich für die zahlreichen wirtschaftlichen Vorteile geschaffen werden, die der Werkfernverkehr bietet. Dieser Vorteil liegt in erster Linie darin, daß der Werkfernverkehr sich jederzeit nur die vorteilhaften Transporte aussucht und im übrigen die Güter dem gewerblichen Verkehr und den Eisenbahnen überläßt. Diese Erhöhung ist gerechtfertigt.
    Abschnitt III — Änderung der Mineralölsteuer. Parallel zur Begünstigung des Lastkraftwagens gegenüber dem Personenkraftwagen bei der Kraftfahrzeugsteuer läuft bisher eine Steuervergünstigung für Dieselkraftstoff gegenüber dem Benzin im Mineralölsteuergesetz. Diese unterschiedliche Besteuerung der beiden Kraftstoffe hat wesentlich dazu beigetragen, die Wettbewerbsverhältnisse gegenüber den Eisenbahnen zugunsten des Lastkraftwagens zu verschieben. Ein Beispiel, das die Zahlen des Herrn Kollegen Seebohm unterstützt, möge das erläutern. Ein Volkswagen ist bei einem Verbrauch von 7,6 1 Benzin heute mit 1,26 Pf. je Bruttotonnenkilometer belastet. Demgegenüber bringt ein 6-t-Lastkraftwagen bei einem Verbrauch von 22,3 1 Dieselkraftstoff nur 0,11 Pf. Mineralölsteuer je Bruttotonnenkilometer auf. Ein 30-t-Lastzug mit einem Verbrauch von 47,3 1 Dieselkraftstoff zahlt sogar nur eine Mineralölsteuer von 0,057 Pf. je Bruttotonnenkilometer.
    Der Gesetzentwurf sieht deshalb eine Annäherung der bisherigen Unterschiede in der Besteuerung der verschiedenen Kraftstoffe vor. Der Dieselkraftstoff soll um 7 Pf. je Liter erhöht werden. Wenn gleichzeitig eine Erhöhung der Benzinsteuer um 1 Pf. je Liter vorgesehen ist, wird das deshalb als gerechtfertigt angesehen, weil die Kraftfahrzeugsteuer um 20 °/o gesenkt werden soll und weil durch diese Erhöhung um 1 Pf. dem Bund zusätzliche Mittel für den Ausbau der Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen zufließen.
    Abschnitt IV — Finanzierung des Baues von Bundesautobahnen. Von den einzelnen Teilen des Entwurfs ist der Abschnitt IV über den Bau von Bundesautobahnen am wenigsten umstritten. Die Bestimmungen sollen den Bau von rund 600 km Bundesautobahnen durch Ausnutzung privatwirtschaftlicher Finanzierungsmöglichkeiten sicherstellen. Die vorgesehene Gesellschaft dient nur als Kreditträger, der für den Bund eine Geschäftsbesorgung ausführt. Die Abwicklung der Bauvorhaben liegt unverändert bei der Auftragsverwaltung der Länder, wie das Grundgesetz es vorsieht.
    Als Kreditgrundlage dient ein gesetzlich festgelegter Betrag, der im Entwurf auf 80 Millionen DM beziffert ist und der der Gesellschaft 14 Jahre lang zufließen soll. Für weitere Einnahmen der Gesellschaft ist eine Ermächtigung zur Erhebung von Autobahnbenutzungsgebühren vorgesehen. Hiergegen hat sich eine Reihe von Stimmen erhoben, die die Erhebung von' Gebühren teils als verkehrshemmend ansehen, teils der Meinung sind, daß es Aufgabe des Bundes sei, die Bundesautobahnen aus allgemeinen Haushaltsmitteln herzustellen. Die Art der Erhebung der Gebühren kann gegenwärtig offenbleiben. An der Notwendigkeit, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen, wird jedoch kaum vorbeizukommen sein, da der feste Jahresbetrag von 80 Millionen DM allein nicht ausreicht, die Strecken


    (Bundesfinanzminister Schäffer)

    I. Dringlichkeitsstufe in wesentlich kürzerer Zeit als 14 Jahren fertigzustellen. Nach der Haltung des Bundesrates können die Gebühren im übrigen nur mit dessen Billigung festgesetzt werden.
    Wenn alle Finanzierungsmöglichkeiten ausgenutzt werden, bin ich überzeugt, daß bereits in wenigen Jahren fühlbare Fortschritte beim Autobahnbau erzielt werden können.
    Zum Abschluß darf ich nochmals unterstreichen, daß dieser Entwurf von ganz entscheidender Bedeutung für die künftige Entwicklung nicht nur unseres Verkehrswesens, sondern auch unserer gesamten öffentlichen Finanzwirtschaft ist. Wenn wir das Gebot der Stunde verkennen und vor der zweifellos großen Verantwortung zurückschrecken, das Notwendige zu tun, bin ich überzeugt, daß wir noch in dieser Legislaturperiode vor schier unüberwindlichen finanzwirtschaftlichen Problemen stehen werden, in die uns die um sich greifende Verkehrsnot zwangsläufig hineinzieht. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen, wenn Sie den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 einer eingehenden Prüfung unterziehen. Wenn es nicht schon zu spät ist, so entscheiden wir uns doch in allerletzter Minute.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Die Lage der Bundesbahn hat sich so zugespitzt, daß nur noch schnelles Handeln rechtzeitig Hilfe bringen kann. Ich appelliere daher an das Hohe Haus, unmittelbar nach den Parlamentsferien den Entwurf eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 in der Fassung, die Ihnen die Bundesregierung vorgelegt hat, mit möglichst großer Beschleunigung zu verabschieden.

    (Beifall in der Mitte.)