Rede:
ID0203803000

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Metadaten
  • insert_drive_fileAus Protokoll: 2038

  • date_rangeDatum: 9. Juli 1954

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    2. Deutscher Bundestag — 38. Sitzung. Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954 1773 38. Sitzung Bonn, Freitag, den 9. Juli 1954. Geschäftliche Mitteilungen 1773 D, 1821 A, 1834 C, 1843 D Mitteilung über Beantwortung der Kleinen Anfragen 74 und 78 (Drucksachen 605, 680; 619, 679) 1774 A Änderungen der Tagesordnung . . 1805 D, 1820 C, 1842 D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FPD betr. Nahzonenregelung in grenznahen Gebieten nach § 2 Abs. 4 Güterkraftverkehrsgesetz (Drucksachen 392) 1774 A, 1821 A, 1828 D Rademacher (FDP), Anfragender . . 1774 A Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1774 C Erste Beratung des Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 573) in Verbindung mit der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs durch Entlastung der Straßen (Straßenentlastungsgesetz) (Drucksache 574), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr (Drucksache 611), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn (Drucksache 612), mit der Ersten Beratung des von den Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Verkehrswege (Drucksache 613), mit der Ersten Beratung des von den Abg. MüllerHermann, Donhauser u. Gen. eingebrachten Entwurfs eines Verkehrsfinanzgesetzes 1954 (Drucksache 614), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Koordinierung der Verkehrsträger (Drucksache 615), mit der Beratung des Antrags der Abg. Müller-Hermann, Donhauser u. Gen. betr. Maßnahmen im Verkehrswesen (Drucksache 616) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) (Drucksache 678) 1776 A, 1805 D Dr. Seebohm, Bundesminister für Verkehr 1776 B, 1829 A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1789 C Müller-Hermann (CDU/CSU), Antragsteller 1793 B Dr. Leiske (CDU/CSU) 1805 D Schmidt (Hamburg) (SPD) 1811 D Rademacher (FDP) 1821 A Donhauser (CDU/CSU) 1832 C Jahn (Frankfurt) (SPD) 1837 A Weiterberatung vertagt 1842 D Hochwasserkatastrophe in Südbayern, Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, GB/BHE, DP (Drucksache 693), Antrag der Fraktion der SPD (Drucksache 694), Antrag der Fraktion der CDU/CSU (Drucksache 695): Vizepräsident Dr. Jaeger 1820 C Ritter von Lex, Staatssekretär im Bundesministerium des Innern . . 1828 C Vizepräsident Dr. Schneider . 1828 D, 1843 A Anträge Drucksachen 693 und 694 durch Erklärung der Bundesregierung für erledigt erklärt 1828 D Nächste Sitzung, — zur Geschäftsordnung: Vizepräsident Dr. Schneider . . . 1843 B, D Schneider (Bremerhaven) (DP) . . . 1843 C Dr. Krone (CDU/CSU) 1843 C Die Sitzung wird um 9 Uhr 6 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Anton Donhauser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Es fragt sich nur noch, ob man nicht gewisse Bestimmungen des Verkehrsfinanzgesetzes, vor allem im Hinblick auf sonstige sozial- und wirtschaftspolitische Absichten, revidieren muß. Was hat es denn beispielsweise für einen Sinn, daß sich viele unserer verehrten Kollegen viele Stunden lang abquälen, um ein Paritätsgesetz für die Landwirtschaft zu schaffen, wenn die Früchte ihrer Arbeit gleichzeitig mit einem einzigen Federstrich im Bundesfinanzministerium — durch eben dies Verkehrsfinanzgesetz — wiederum über den Haufen geworfen werden?

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Hierzu ein praktisches Beispiel. Nehmen Sie mal ein Obstanbaugebiet, ein Kirschenanbaugebiet an der Wasserkante oben im Norddeutschen, im Alten Land. 50 % der dortigen Erzeugung werden erfahrungsgemäß mit Lkw. im Werkverkehr nach München geliefert, 50 % der Erzeugung! Dieser Transport mit einem 10-t-Lkw. kostet 86 DM. Künftig wird er 430 DM kosten,

    (Hört! Hört! in der Mitte)

    zuzüglich sieben Pfennig pro Liter Kraftstoff für die Erhöhung der Dieselpreise. Sie sagen: Ja, das wird wohl hingenommen werden müssen. Sicher. Hat man sich aber auch über die Auswirkungen bei allen verantwortlichen Stellen Klarheit verschafft?
    Ein anderes Beispiel: Der Landhandel. Er wird, wenn das Verkehrsfinanzgesetz ohne Änderungen, ohne Milderungen, in der Form, in der es eingebracht ist, Wirklichkeit wird, eine ganz erhebliche Verteuerung seiner Betriebsunkosten erfahren. Sein Bruttoertrag, den er im Durchschnitt vielleicht mit 3 % schätzt, wird um mindestens 0,4 % gekürzt. Die Verteuerung seines Lkw.-Betriebs macht allein nach diesem Verkehrsfinanzgesetz 124 % aus. Dabei sind die besonderen Schwierigkeiten, die ihm vor allem durch die Position 12 des Straf3enentlastungsgesetzes — bekanntlich Getreide — erwachsen werden, noch gar nicht berücksichtigt.
    Aber lassen Sie mich noch ein anderes, besonders gravierendes Beispiel vortragen. Die deutsche Milchwirtschaft kämpft bekanntlich seit Jahr und Tag um den Zehntelpfennig. Sie kämpft mit allen möglichen Schikanen um Produktionsverbilligung und Rationalisierung. Die Milchwirtschaft wird, wenn das Verkehrsfinanzgesetz, so wie es vorgelegt ist, Wirklichkeit wird, ohne daß also Ausnahmen vorgesehen werden, die traurige Feststellung machen, daß ein Kilo Milch mindestens 0,4 bis 0,5 Pfennig weniger Ertrag bringt. Also ausgerechnet der Bauer, der beispielsweise am Autobahnbau am allerwenigsten interessiert ist und der sich außerdem noch furchtbar darüber ärgert, daß er mit seinem langweiligen Schlepper von der Autobahn verbannt ist, ausgerechnet der soll noch mit einem halben Pfennig pro Kilo Milch an den Auswirkungen des Verkehrsfinanzgesetzes mittragen.


    (Donhauser)

    Das Verkehrsfinanzgesetz wird in seiner Größenordnung von rund 350 Millionen DM sicherlich nicht zu umgehen sein. Es wird aber möglich sein, Herr Bundesfinanzminister, daß man gewisse Härten -- ich habe versucht, an Hand von einigen Beispielen solche Härten aufzuzeigen — abmildert.
    Das Straßenentlastungsgesetz aber halten meine politischen Freunde und ich nicht nur für untragbar, sondern auch für unrettbar, zumindest die Form einer Verbotsliste. Das Straßenentlastungsgesetz bringt eine Reihe von sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten und schafft vor allem eine Reihe von verkehrspolitisch diskriminierten Gewerbezweigen; das sind insbesondere die Industrie der Steine und Erden, die holzverarbeitende Industrie, Teile der Bauindustrie und Teile der Zementindustrie. Aber fast in vollem 'Umfang, mit einem nahezu vernichtenden Schlag wird das mittelständische Mühlengewerbe getroffen werden

    (Sehr richtig! bei der CSU.)

    Unsere agrarpolitischen Freunde im Hause haben sich in den letzten-Wochen und Monaten viele Stunden lang mit der Frage beschäftigt, wie man das mittelständische Mühlengewerbe retten, wie man es aus der derzeitigen Krise herausführen kann. Dieses Straßenentlastungsgesetz macht die Bemühungen dieses Ausschusses restlos zunichte.

    (Zustimmung bei der CSU.)

    Das mittelständische Mühlengewerbe verfügt über so gut wie keine Gleisanschlüsse, verfügt insbesondere auch über keine Hafenanlagen wie die Großmühlen. Das Mühlengewerbe wird nach Punkt 12 der Verbotsliste des Straßenentlastungsgesetzes gezwungen werden, nahezu in jedem Fall gewaltige Verteuerungen und Verschlechterungen seiner Ausgangsposition in Kauf zu nehmen.
    Aber der entscheidende Denkfehler des Straßenentlastungsgesetzes besteht doch darin, daß es den Begriff „gefährliches Ladegut" — und aus Sicherheitsgründen macht man doch das Gesetz — einführt, den es nach meiner Meinung überhaupt nicht gibt. Ich sehe nicht ein, warum 10 t Kleineisen beispielsweise unter sonst gleichen verkehrstechnischen Bedingungen gefährlicher sein sollen als etwa 10 t Tonrohre.
    Im Mittelpunkt all unserer Einwendungen gegen das Straßenentlastungsgesetz steht die Feststellung, daß das Straßenentlastungsgesetz in der vorliegenden Form eine wesentliche Verschiebung der Standortbedingungen und der Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Volkswirtschaft und innerhalb wesentlicher Teile unserer Industrie und unseres Gewerbes mit sich bringt.

    (Sehr richtig! bei der CSU.)

    Gerade das soll eine echte und gute Verkehrspolitik nicht. Eine echte und gute Verkehrspolitik soll doch eine Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse und der Standortbedingungen mit sich bringen. Es leuchtet sicherlich ein, daß ein 50-km-Kreis, dieser berühmte Nahzonenkreis, außerhalb dessen die 13 auf der Verbotsliste aufgeführten Güter nicht mehr befördert werden dürfen, wenn er meinetwegen um Rendsburg, um Lüneburg oder um Ingolstadt beschrieben wird, wesentlich geringere wirtschaftliche Absatzmöglichkeiten einschließt als etwa ein 50-km-Zirkel um München, um Düsseldorf, um Köln, um Bochum oder um Frankfurt. Allein schon deshalb bedeutet diese Bestimmung eine wesentliche Verschiebung der Standortbedingungen und der Wettbewerbsverhältnisse.
    Ich möchte aber das, was ich hier ausführe, an Hand von einigen praktischen Beispielen etwas untermauern. In unseren Notstandsgebieten beispielsweise bedeutet die Brecherproduktion, die Schotter- und Pflastersteinproduktion einen wesentlichen Teil unserer Erwerbsgrundlage. Wenn dieses Straßenentlastungsgesetz so, wie es entworfen ist, in Kraft tritt, hat das nach unseren Ermittlungen zur Folge, daß in Zukunft die Tonne Brecherproduktion durch mehrfaches Umladen und durch das Anrollen zur nächsten Bahnstation sowie durch die Abbeförderung von der Bahnstation an die Baustelle um durchschnittlich 5 DM verteuert wird. Welche entscheidende Verschlechterung und welche Preisbildung auf dem Bausektor damit Hand in Hand geht, das können Sie sich selber ausrechnen.
    Ich möchte aber an ein paar anderen meiner Meinung nach zwingenden Beispielen aufzeigen, warum wir dieser Verschiebung der Standortbedingungen und Wettbewerbsverhältnisse, die das Straßenentlastungsgesetz in dieser Form bringen wird, nicht zustimmen können. Nehmen Sie einen praktischen Fall an. Eine Tonwarenfabrik in Nordbayern — übrigens in einem Notstandsgebiet —, die bis zum heutigen Tage 80 % ihrer Erzeugung in Form von Tonrohren in den Frankfurter Raum liefert, wird nach Inkrafttreten der Verbotsgesetzgebung ihre Tonrohre nicht mehr über Lkw. nach Frankfurt fahren können; sie wird gezwungen sein, ihre Tonrohre zweimal umladen zu lassen. Sie muß damit eine solch entscheidende Verteuerung ihrer Transporte in Kauf nehmen, daß sie bei dem starken Wettbewerb auf dem Frankfurter Baumarkt gar keine Chance mehr hat, ihre Waren abzusetzen. 80 % ihrer Erzeugung, sage ich, hat sie bis dato nach Frankfurt geliefert. Der Rest von 20 %, der ihr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes noch verbleiben wird, reicht sicherlich nicht mehr aus, die allgemeinen Regiekosten zu decken. Die Firma wird in der Gnadenfrist, in der Übergangsfrist, die ihr die Verbotsliste noch läßt, sicherlich ihre Tore schließen. Der Bundesfinanzminister wird dann zu einem anderen, allerdings viel späteren Zeitpunkt Mittel für die Behebung der erneut gewachsenen Notstände in den Notstandsgebieten bereitstellen müssen, der Arbeitsminister aber wird aus wiederum einem anderen Topf noch größere Mittel für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in diesem Raum aufwenden.
    Das gleiche, was ich für die Tonwaren gesagt habe, gilt in ähnlichem Umfang für die bekannte Solnhofener Plattenfabrikation im mittelfränkischen Jura. Diese Solnhofener Platten vertragen ein mehrmaliges Umladen kaum. Erfahrungen haben gezeigt, daß der Bruch beim Bahntransport und beim mehrmaligen Umladen 5 bis 10 % ausmacht, beim reinen Lkw.-Transport dagegen nur 1 bis 2 %. Nun steht in der Begründung zum Straßenentlastungsgesetz und in der Begründung zu dieser Verbotsliste, daß die dort aufgezählten 13 Güter nicht besonders bruchgefährdet seien. Ich würde dem Minsterialreferenten, der da beispielsweise Tonrohre und Steinplatten mit aufgenommen hat, empfehlen, einmal ein paar Monate lang in einem solchen Steinbruch zu praktizieren.
    Ein weiteres praktisches Beispiel, ein Beispiel von ungeheurer Häufigkeit: Die Sägewerksbetriebe vor allem in den Notstandsgebieten — ich spreche jetzt nicht nur von den Notstandsgebieten entlang unserer Ostgrenzen — verfügen höchstens zu 20 % über Gleisanschlüsse. Daß sich durch mehrmaliges


    (Donhauser)

    Umladen von Schnittholz die Transportkosten ganz erheblich verteuern, wird doch wohl von niemand bestritten werden. Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß die Verteuerung nahezu 100 % ausmachen wird. Selbst wenn man noch einkalkuliert, daß das Verkehrsfinanzgesetz ganz allgemein die Frachtraten hinaufsetzen wird, bleibt immer noch bei mehrmaligem Brechen des Verkehrs eine Verteuerung von einheimischem Schnittholzmaterial von mindestens 50 % bestehen. Die Reihe dieser Beispiele könnte man fast bis ins Uferlose erweitern.

    (Zuruf von der SPD: Aber nicht in einer kurzen Rede!)

    Wir sind der Meinung, daß die Diskussion um das Straßenentlastungsgesetz in dem Augenblick überflüssig ist, wo das Verkehrsfinanzgesetz so oder so Wirklichkeit wird, weil das Verkehrsfinanzgesetz ganz bestimmt in solch erheblichem Umfang Verkehr von der Straße weg hinüber auf die Schiene verlagern wird, daß damit allein schon eine ganz fühlbare Entlastung der Straße erfolgt.
    Nun sagte der Bundesfinanzminister, daß nach den Entwürfen Müller-Hermann ein Loch von 800 Millionen in den Bundeshaushalt gerissen wird. Ich glaube aber, Herr Bundesfinanzminister, dieses Loch ist so oder so vorhanden; denn weit über 600 Millionen DM beträgt ja heute schon das Defizit der Bundesbahn, und ein paar hundert Millionen DM zusätzlich sollen für den Straßenbau investiert werden. Da kommt so die runde Ziffer von 800 Millionen DM heraus.
    Nun rechnen wir einmal so, wie offenbar im Bundesfinanzministerium gerechnet worden ist: Mehraufkommen aus dem Verkehrsfinanzgesetz 350 Millionen DM, schätzungsweise Mehrverkehr bei der Bundesbahn — nach dem Wort eines prominenten Mannes der Bundesbahn — für 70 Millionen DM. Vorhin haben wir in der Diskussion gehört, daß ein Hörfehler vorliegt und daß es 170 Millionen DM sein müßten. Gut, lassen wir das gelten, es sollen 170 Millionen DM sein. Bleibt also nach Adam Riese ein Mehraufkommen von 520 Millionen DM. Dann bleibt aber doch immer noch ein ganz erhebliches Defizit von weiteren 280 Millionen DM! Wie soll denn das gedeckt werden? Ich kann Ihnen verraten, wie es gedeckt werden soll. Die verkehrspolitischen Folgewirkungen des Verkehrsfinanzgesetzes bringen offenbar auch nach Meinung der Bundesregierung eine so starke Verlagerung von Verkehr von der Straße zur Schiene mit sich, daß diese Lücke mit Sicherheit noch abgedeckt wird. Darin stimme ich den Überlegungen der Bundesregierung völlig zu. Ich glaube, daß nicht nur 280 Millionen DM Einnahmen aus Mehrverkehr zu erwarten sein werden, sondern wahrscheinlich noch wesentlich mehr.
    Meine Damen und Herren, wenn es aber so ist, dann braucht es doch wirklich keine Verbotsliste mehr. Dann brauchen wir dem armen, gequälten Polizeiorgan, dem wir ohnehin schon soviel Aufgaben aufgebürdet haben, nicht auch noch zuzumuten, auf jede Wagenbrücke zu steigen, um nachzusehen, ob dort nicht etwa verbotenes Gut transportiert wird.
    Ich glaube, daß an sich das Gesamtergebnis der bisherigen Debatte des Deutschen Bundestags über die Verkehrsprobleme eigentlich gar nicht so unerfreulich ist. Es ist gar nicht so unerfreulich, weil heute in vielen, ich darf wohl sagen, in fast
    allen entscheidenden Punkten Übereinstimmung festgestellt worden ist. Wir sind absolut einig in der Auffassung, daß der Bundesbahn geholfen werden muß. Wir sind über alle Bänke des Hauses hinweg völlig einig in der Auffassung, daß die Gemeinwirtschaftlichkeit der Deutschen Bundesbahn aufrechterhalten werden muß, und wir sind einig in der Auffassung, daß leider Gottes dem Kraftwagenverkehr noch einmal erhebliche Belastungen etwa in der Größenordnung von 350 Millionen DM zugemutet werden müssen. Warum dann soviel Aufregung, wenn wir in allen Punkten — wenigstens in allen entscheidenden Punkten — völlig einer Meinung sind und wenn es wirklich nur noch um die Ausführung geht? Ich meine, daß es möglich sein muß, in der Ausschußarbeit zu Ergebnissen zu kommen, die letzten Endes Regierungskoalition wie Opposition einigermaßen befriedigen.
    Ich darf daher zum Schluß noch einige Bernerkungen im Anschluß an die Ausführungen der vorhergehenden Redner machen. Der Herr Kollege Rademacher hat heute mehrfach persönliche Bemerkungen des Bundesverkehrsministers zitiert, die dieser in seiner manchmal temperamentvollen Art in einem vielleicht unkontrollierten Augenblick gemacht hat. Herr Kollege Rademacher, wir sind in allen wesentlichen Punkten so einer Meinung, und es hat mich eigentlich betrübt, daß Sie diese Äußerungen des Herrn Bundesverkehrsministers zitiert haben. Ich glaube, daß das der Demokratie und dem Ansehen von uns allen nicht dienlich ist. Warum sollen wir denn halb private Bemerkungen, die einmal in irgendeiner Stimmung gesagt worden sind, vor dieses offizielle Forum zerren?
    In diesem Zusammenhange noch ein Wort an den Herrn Bundesverkehrsminister. Herr Bundesverkehrsminister, wir haben uns erlaubt, selbständig zu denken und in einem sehr wichtigen Punkte eine von Ihrer Auffassung abweichende Meinung zu haben. Herr Bundesverkehrsminister, das heißt nicht, daß wir Ihnen als Koalitionsgenossen das Vertrauen entzogen hätten. Wir haben in Ihre Person — das darf ich nicht nur für mich, sondern auch für meine politischen Freunde hier ausdrücklich feststellen — das Vertrauen, daß Sie die Fähigkeiten, das Temperament, die Tatkraft und nicht zuletzt das rechtliche Denken haben, um mit uns zusammen in der Ausschußarbeit eine Gesetzesvorlage zu erarbeiten, die uns zum Schluß wenigstens einigermaßen befriedigen wird. Ich habe gesagt, wir haben das Vertrauen in Sie, daß Sie das notwendige rechtliche Denken haben. Das notwendige rechtliche Denken scheint mir bei dieser berühmten Verbotsliste, die in dieser Debatte in der Hauptsache der Stein des Anstoßes ist, besonders notwendig zu sein.

    (Zustimmung bei der CSU.)

    Ich bin der Meinung, daß wir Verkehrsgesetze schaffen müssen, die nicht, so wie es hier der Fall zu sein scheint, einen wesentlichen Teil der notwendigen Lasten auf die Schultern nahezu unbeteiligter Gewerbezweige wie z. B. der Bauern abwälzt. Wir müssen eine Verkehrsgesetzgebung schaffen, die die notwendigen Lasten möglichst nicht auf die Schultern der Schwachen legt.

    (Zustimmung bei der CSU.)

    Und noch ein Wort an die Bundesregierung im ganzen. Ich bin der Meinung, daß der Bundesregierung weiß Gott keine Perle aus der Krone fällt, wenn sie zugibt, daß es auch außerhalb ihrer Rei-


    (Donhauser)

    hen einige Männer gibt, die nicht ausgesprochene verkehrspolitische Dummköpfe sind. Unsere Wähler haben uns nicht hierhergeschickt, damit wir etwa vor jedem Augenrollen gleich in die Knie gehen.

    (Beifall in der Mitte.)

    Sie haben uns hierhergeschickt, damit wir selbstverantwortlich mitarbeiten.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Sie haben uns auch nicht etwa hierhergeschickt, damit wir uns nach dem Muster von braven, aber talentierten Schülern benehmen, die nur gelegentlich noch, wenn sie mal gefragt werden, ihre Meinung sagen,

    (erneute Zustimmung in der Mitte) sondern sie haben uns hierhergeschickt,


    (Zuruf von der Mitte: Um eigene Gedanken zu entwickeln!)

    damit wir dann, wenn wir es nach unserem Gewissen für notwendig halten, auch durch eine eigene Konzeption mitarbeiten.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Wir haben das getan; das war unser gutes Recht, mehr noch, es war unsere Pflicht!

    (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Jahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erwarten Sie von mir nicht eine Verteidigungsrede für selbständiges Denken! Das ist bei uns selbstverständlich.

    (Gut! bei der SPD. — Zurufe von der CSU: Aber nicht vorhanden! — Heiterkeit in der Mitte und rechts.)

    Ich möchte die Diskussion auf eine Frage zurückführen, die noch nicht in dem Maße angesprochen worden ist, wie es uns erforderlich erscheint. Wir haben allerhand gehört über Technik, Rationalisierung, Selbstkosten und Leistungswettbewerb. Ganz leise hat der Herr Kollege Donhauser auch einmal das Problem des Personals der Bundesbahn anklingen lassen. Ich möchte versuchen, diesen menschlich-sozialen Aspekt zum Ausgangspunkt einer neuen verkehrspolitischen Linie zu machen.
    Ich sage von vornherein, ich anerkenne grundsätzlich nur zwei Alternativen für eine Neuordnung im Verkehr. Entweder wird der Verkehr insgesamt nach privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten bedient; dann brauchen wir uns nach acht Wochen nur das noch vergrößerte Chaos anzusehen. Oder er wird insgesamt unter gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten geregelt. Ich bin Anhänger des gemeinwirtschaftlichen Prinzips für alle Verkehrsträger. Was wir darunter verstehen, werde ich nachher sagen.
    Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß die bei der Bundesbahn beschäftigten Menschen im Jahre 1945, als wir das unheilvolle Erbe haben übernehmen müssen, die Hemdsärmel aufgekrempelt und die zerstörten Schienenstrecken und Verbindungswege wiederaufgebaut haben, ohne nach Lohn und Arbeitsbedingungen zu fragen. Ich wage zu behaupten, daß ohne diese historische Leistung der Eisenbahner das nicht möglich gewesen wäre, was man heute als Wirtschaftswunder bezeichnet. (Beifall bei der SPD, in der Mitte und rechts.)

    Der Herr Bundesverkehrsminister hat bereits darauf hingewiesen, daß der angeblich übersetzte Personalkörper der Bundesbahn seit damals um rund 100 000 Köpfe — es sind genau 99690 — vermindert worden ist. Das sind 16,4 % des gesamten Personalbestandes. Aber von 1948 bis heute ist die Leistung dieses Personalkörpers um 30,5 % gestiegen. In den Denkschriften, die uns überschwemmt haben, steht als Punkt 1 immer: Die Bundesbahn wird gesund, wenn der Personalüberhang beseitigt wird. Man sollte endlich einmal aufhören, überhaupt mit einem solchen Wort, fast möchte ich sagen, zu jonglieren. Denn was hat dieser Personalkörper im ganzen getan? Die Bundesbahn hat, wie ich gesagt habe, ihre zerstörten Schienenwege selber wiederaufgebaut und dafür vor der Währungsreform 1,2 Milliarden Mark ausgegeben. Nach der Währungsreform hat sie dafür 1,6 Milliarden DM aufgewendet, und zwar alles entweder aus selbsterarbeiteten Beträgen oder aber aus Fremdmitteln, die ja doch einmal verzinst werden müssen.
    Wir sind uns klar darüber, daß noch viel getan werden muß. Wir wollen aber feststellen, daß die Bundesbahn selber für die Wiederherstellung ihrer Straßen gesorgt hat.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich bitte um den Nachweis, daß dasselbe auch der motorisierte Straßenverkehr getan hat. Solange er den Nachweis nicht erbringt, soll man nicht sagen, die Bundesbahn solle ihren Personalüberhang abbauen.
    Wir unterhalten auch unsere eigene Verkehrspolizei, unsere eigenen Sicherungsanlagen, als da sind 10 400 Stellwerksanlagen und 15 600 Schrankenanlagen. Dort sind als Verkehrspolizisten 27 500 Mann Personal im Stellwerkswesen und 17 600 Schrankenwärter beschäftigt. Allein pro Jahr ist für unsere Verkehrspolizei eine Ausgabe von 225,5 Millionen DM erforderlich. Die Stadt Augsburg hat im letzten Rechnungsjahr für Signalanlagen und Verkehrspolizei 600 000 DM in ihren Etat eingesetzt. Das zahlt der Steuerzahler. Wenn wir das auf das Bundesgebiet umlegten, kämen wahrscheinlich etliche Hunderte von Millionen zum Vorschein.
    Ich möchte noch folgendes betonen. Das Bundesbahnpersonal hat es sich nach der Katastrophe von 1945 angelegen sein lassen, gemeinsam mit dem Sozialpartner im Selbsthilfe- und Selbstverwaltungsverfahren 76 300 Wohnungen zu erstellen. Ich betone: im Selbsthilfe- und Selbstverwaltungsverfahren! Wir haben, um die ausgeschöpfte Arbeitskraft unseres Personals, wie man zu sagen pflegt, betriebssicher wiederherzustellen, 27 Heilstätten und 22 Erholungsheime errichtet. Wir sind der Auffassung, daß das wichtigste Produktionsmittel der Mensch ist und daß die soziale Fürsorge für den Menschen alles andere überschatten muß, Technik, Wettbewerb und wie man es sonst noch nennen mag.
    Wir sind der Meinung, daß der Verkehr sicher betrieben werden muß und — ich komme auf die Hekatomben von Toten und Verletzten auch noch zu sprechen — daß ein Verkehr nur sicher betrieben werden kann, wenn die den Verkehr bedienenden Menschen auch technisch fort- und ausgebildet sind. Das wird für jeden Fachmann eine Selbstverständlichkeit sein. Wir haben bei der Bundesbahn in unseren Fachschulen 219 Klassen mit 1406 Lehrgängen, in denen wir monatlich


    (Jahn [Frankfurt])

    22 000 Schüler den technischen Erfordernissen der heutigen Zeit in etwa anzupassen versuchen. Von meiner Gewerkschaft, der vorzustehen ich die Ehre und das Vergnügen habe, zahle ich dazu jährlich 30 000 DM hinzu, weil wir der Meinung sind, daß diese Schulung auf dem technischen Gebiet unbedingt durchgeführt werden muß. Vielleicht übernahmen wir von seiten der Arbeitnehmerschaft etwas zu viel Verantwortung auf diesem Gebiete. Ich hätte auch hier ganz gern einmal von der anderen Seite, der Straße, eine kleine Mitteilung, was auf dem Gebiete der technischen Aus- und Fortbildung des in diesem Gewerbe beschäftigten Personals bisher geschehen ist.

    (Zuruf von der SPD: Die kassieren doch nur!)

    Wir sind weiter der Auffassung, daß das Personal, das den Betrieb sicher bedienen soll, in etwa sozialer Sorgen enthoben werden sollte. Unsere Leute haben einen vereinbarten Lohnanspruch. Wir haben — das bitte ich zu beachten, speziell den Herrn Kollegen Müller-Hermann, auf dessen Vorschläge ich noch zu sprechen komme — vertraglich vereinbart, daß die Arbeiter bei der Bundesbahn, sofern sie 15 Jahre dort beschäftigt sind und das 40. Lebensjahr erreicht haben, unkündbar sind. Wir haben dafür gesorgt, daß der Arbeiter nach Alter und nach Dienstzugehörigkeit 12 bis 24 Arbeitstage Urlaub zu beanspruchen hat.
    Nun kommt das Wesentliche, was zu sagen ich nicht versäumen möchte. Das Internationale Arbeitsamt hat an die ihm angeschlossenen Länder — die Bundesrepublik ist wieder angeschlossen — eine Empfehlung herausgegeben, daß für das im Lastkraftwagengewerbe beschäftigte Personal Vereinbarungen über Lohn-, Arbeits- und Arbeitszeitbedingungen getroffen werden. Ich habe mit der Hauptverwaltung der Bundesbahn sofort einen diesbezüglichen Vertrag abgeschlossen; er kann jederzeit eingesehen werden. Bei uns darf keiner der Kraftfahrer und der Beifahrer monatlich im Schnitt mehr als 192 Stunden auf dem Bock sitzen. Hat er die 192 Stunden — wegen der Fahrtlängen ist das verständlich — in 20 Tagen abgearbeitet, bleibt er die restlichen 10 Tage des Monats zu Hause; die feiert er ab. Wir haben die Kontrollorgane zur Verfügung, die dafür sorgen, daß mit diesen vertraglichen Vereinbarungen weder Mißbrauch getrieben wird noch daß sie übertreten werden. Das sind unsere 17 600 Betriebsräte, die dafür eingesetzt werden, daß geschlossene Verträge auch gehalten werden.
    Es ist von den Lasten die Rede gewesen, die durch das gemeinwirtschaftliche Prinzip für die Bundesbahn entstehen. Das sind die Lasten aus dem Berufs- und Schülerverkehr, wodurch im Jahre 97 Millionen DM Mindereinnahmen entstehen, aus sonstigen Sozialtarifen mit dem Betrag von 89.6 Millionen DM, aus Subventionstarifen mit 110 Millionen DM, aus der Umleitung Berlins mit 15 Millionen DM und aus der Betriebspflicht, die dem gemeinwirtschaftlichen Prinzip nun einmal ententspricht, aus der Aufrechterhaltung unrentabler Strecken mit 175 Millionen DM pro Jahr.

    (Abg. Müller-Hermann: Wer weist das nach?)

    — Das kann jederzeit im Geschäftsbericht der Bundesbahn nachgelesen werden. Zusammen sind das 487,6 Millionen DM pro Jahr. Ich sage ausdrücklich, diese Mindereinnahmen werden als immanenter Bestandteil des gemeinwirtschaftlichen
    Prinzips von uns als den im Bundesbahnbetrieb beschäftigten Personen bewußt akzeptiert. Wenn wir etwas wollen, wollen wir es ganz. Wenn ich Anhänger der freien Marktwirtschaft bin, der doch sowohl die Gewinnchance als auch das Verlustrisiko immanent ist, kann ich mich aber nicht darauf stützen, nur die Gewinnchance wahrzunehmen, das Verlustrisiko aber wohlgefällig dem gemeinwirtschaftlichen Bundesbahnbetrieb zu überlassen. So geht es nicht! Wenn man sich für eine Ordnung auf einer bestimmten Basis einsetzt, dann auch mit aller Konsequenz, und zwar derjenigen, die ich jetzt geschildert zu haben glaube.
    Herr Kollege Donhauser hat davon gesprochen, daß die Randgebiete nicht vernachlässigt werden dürften und daß die Standortpolitik in dem Randgebiet, das durch den Eisernen Vorhang hervorgerufen wurde, durch das gemeinwirtschaftliche Tarifsystem der Bundesbahn noch besonders betrieben werden müsse. Darin stimme ich ihm hundertprozentig bei. Wir dürfen am Eisernen Vorhang keine Elendsgebiete entstehen lassen, weil wir aus der Vergangenheit wissen — ich erinnere an 1932 daß an der Not des Volkes sich jede Diktatur fett frißt. Lassen wir Elendsgebiete entstehen, dann leisten wir in diesen Gebieten der Bolschewisierung Vorschub, und niemand wünscht das weniger als wir. Ich will nicht auf den Eisenbahnerstreik 1949 in Berlin eingehen. Ich will nicht auf den 16. und 17. Juni des vergangenen Jahres eingehen. Es kommt der Tag, wo wir offen darüber reden können. Heute noch befinden sich in der Sowjetzone 2000 Eisenbahner in Kzs. und Gefängnissen. Für die Opfer des 17. Juni habe ich von mir aus bis zum 1. April dieses Jahres 705 173,17 DM ausgegeben.

    (Zuruf rechts: Donnerwetter! — Gegenruf des Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Was haben Sie denn getan? Die Arbeiter haben geholfen!)

    — Wir wollen versuchen, in dieser Frage einig zu bleiben. Ich sage das nur, um festzustellen, daß uns, wenn es darum geht, Freiheit und Demokratie zu schützen, kein Mittel zu gering ist. Ich sage Ihnen auch — meine verehrten Damen und Herren, nehmen Sie mir das nicht übel —, am 17. Juni des vergangenen Jahres war in der Sowietzone in 274 Orten, Städten und Ortschaften der ärmste Sohn des Volkes wieder einmal sein treuester.

    (Beifall hei der SPD.)

    Ohne auf Einzelheiten einzugehen, möchte ich mich noch dafür einsetzen, daß die nacht bundeseigenen Eisenbahnen unter dieselbe Beobachtung 711 stellen sind. wie ich es hier für die Bundesbahn vorgetragen habe.
    Wir haben heute die Tatsache zu verzeichnen, daß die Laderaumkapazität der Bundesbahn von 1938 his heute um 32,5 % abgenommen hat, während die Laderaumkapazität des Lastkraftwagens im selben Zeitraum um 528,7 % zugenommen hat und unser Straßenbau der gleiche geblieben ist. In dieser Übersetzung der Laderaumkapazität des Kraftwagens liegt die Ursache für die Verstopfung unserer Straßen, für die verminderte Flüssigkeit unseres Verkehrs und damit für die erhöhte Unfallanfälligkeit auf der Straße überhaupt. Die Folgen sind 446 000 Straßenverkehrsunfälle, rund 11 000 Tote und 300 000 Verletzte. Dabei ist zu beachten, daß von 1952 auf 1953 eine Vermehrung der Kraftfahrzeuge um 17 % stattgefunden hat, die


    (Jahn [Frankfurt])

    Zahl der Unfälle sich aber um 20 % und die der tödlichen Unfälle sogar um 30 % vermehrt hat.
    Daraus ist nach meinem Dafürhalten die einzige Schlußfolgerung zu ziehen, daß es uns, solange dieser Zustand anhält, ohne drastische Maßnahmen leider nicht möglich sein wird, dem Tod auf der Straße Einhalt zu gebieten. In der Beurteilung der beiden von der Regierung vorgelegten Gesetzentwürfe und in der allgemeinen Beurteilung der damit geschaffenen Situation gehe ich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Leiske hundertprozentig konform.
    Und nun etwas anderes. Wir haben, wie Herr Kollege Rademacher bereits mitgeteilt hat, durch das Güterkraftverkehrsgesetz eine Bundesanstalt errichtet, die versuchen soll, Ordnung in den Straßenverkehr zu bekommen. Die Bundesanstalt gibt sich die größte Mühe, durch regelmäßig durchgeführte Kontrollen die Ordnung herzustellen. Eine solche Groß-Kontrolle, die über fünf Tage gewährt hat, hat 10 733 Kraftfahrzeuge erfaßt. Davon wurden 2694 oder 25 % beanstandet. Festgestellt wurden 4385 Verstöße gegen Verordnungen, gegen Gesetze, gegen Verträge, gegen alles mögliche. Die nachfolgenden Kontrollen haben ein langsames Sinken der Zahl der zu beanstandenden Fahrzeuge und Fälle ergeben. Aber das ist doch nicht das Entscheidende. Das Entscheidende ist, daß überhaupt kontrolliert werden muß, daß die Sache in Ordnung geht. Das ist der Kardinalpunkt, von dem aus ich die Dinge zu betrachten gewöhnt bin. Von den Verstößen bestanden 46 % darin, daß Fahrzeuge ohne Erlaubnis im Fernverkehr waren. 36 % der Verstöße bestanden darin, daß das Arbeitsschichtenbuch nicht mitgeführt wurde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    20 % bestanden darin, daß aus dem Nahverkehr unerlaubterweise in den Fernverkehr herübergewechselt worden war. 16 % bestanden darin, daß überhaupt ohne Meldebestätigung gefahren wurde. 45 % der Verstöße bestanden darin, daß keine Begleitpapiere vorhanden waren. 26 % gondelten durch die Gegend ohne das Fahrtenbuch.
    Meine Damen und Herren! Mir will scheinen, das ist ein sehr großer Mißstand. Wir haben durch die Gewerbeaufsichtsämter und durch die Rechtsberatungsstellen des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf Kreisebene nachprüfen und feststellen lassen, daß die Arbeitszeit der in diesem Gewerbe beschäftigten Personen pro Woche 83 bis 110 Stunden beträgt. Ja, meine Damen und Herren, wen wundert es dann noch, wenn er auf der Autobahn oder auf den Bundesstraßen fährt, daß so viele Lastkraftwagenzüge im Straßengraben liegen?

    (Abg. Dr. Köhler: Völlig richtig!)

    Wer prüft das?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Polizei! Haben Sie es auf der Autobahn noch nie gesehen?)

    Das ist ein Mißstand sozialer Art, den zu beseitigen alle Teile dieses Hohen Hauses bestrebt sein müßten.

    (Beifall bei der SPD.)

    Was soll man denn von uns denken, solange solche Zustände vorhanden sind?!

    (Zuruf von der SPD: Besonders der soziale Teil!)

    — Ja, mir scheint, darauf kommt es an. Wie kann
    — deshalb habe ich die Beispiele bei der Bundesbahn zum Vortrag gebracht — ein Betrieb sicher geleitet und der Verkehr sicher bedient werden, wenn solche asozialen Verhältnisse an der Tagesordnung sind? Für mich ist das sehr verständlich; denn in diesem Gewerbe sind viele Kleinst- und Kleinbetriebe vorhanden, deren Besitzer unter der Peitsche des Wechsels zu solchen Arbeitszeiten gezwungen sind. Wir werden die Bundesregierung um die Vorlage eines Weißbuches ersuchen, das einmal feststellt, wie sich die Verhältnisse in diesem Gewerbe eigentlich bis jetzt auf dem Gebiete der Arbeitsleistung ausgewirkt haben.
    Bei den Kontrollen ist unter anderem aber auch festgestellt worden, daß ein Spediteur von Oktober bis Dezember 1953 an Tarifunterbietungen in Höhe von 50 000 DM beteiligt war und daß er an 22 Unternehmer 25 000 DM an Rückvergütungen gezahlt hat. Das sind nach meinem Dafürhalten Zustände, die nicht einer Nachprüfung bedürfen — weil sie nachgeprüft sind —, sondern die abgestellt werden müssen. In einem einzigen Finanzamtsbezirk hat die Nachprüfung von 90 Kontrollberichten über den Werkfernverkehr ergeben, daß 33 Fahrzeuge überhaupt nicht gemeldet waren

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    und daß 4486 Lastkraftwagenzüge ohne Konzession die Straßen der Bundesrepublik befahren.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    In Hessen beschäftigte ein großes, angesehenes Werk unter 15 Unternehmern 11 ohne Geneamigung für den Fernverkehr.

    (Abg. Rademacher: Für den Fernverkehr?!) — Jawohl, ich sage extra Fernverkehr.

    Es gibt noch Beanstandungen betreffend den allgemeinen gewerblichen Güterfernverkehr und den Werkfernverkehr. Ich will die Einzelheiten nicht vortragen — sie sind jederzeit einsehbar —, aber ich lese daraus ab, daß der größte Störenfried im Verkehr der Werkverkehr in allen seinen Arten ist. Ich würde mich deshalb glücklich schätzen, wenn hier — und sei es durch administrative Mittel — eine merkliche Verringerung und Einengung durchgeführt werden könnte, weil dann der gewerbliche Güterverkehr Luft holen könnte und die dort beschäftigten Personen sowie die als Kleinst- und Kleinbetriebe erfaßten Werke eine Lebensmöglichkeit hätten.
    Ich glaube, daß es möglich sein sollte, auf dem Sektor Verkehr zu einer Ordnung zu kommen. In einem Punkte waren alle Diskussionsredner einig, nämlich in bezug auf die Hilfe für die Bundesbahn als das Rückgrat unseres Verkehrs. Weiter müssen wir dafür sorgen — weil wir keine Maschinenstürmer und keine Verneiner des technischen Fortschritts sind, ganz im Gegenteil! —, daß der technische Fortschritt nicht auf dem Rücken des arbeitenden Menschen ausgetragen wird. Darauf kommt es uns an. So will es mir auch scheinen, daß wir aller Wahrscheinlichkeit nach, um hier grundsätzlich Wandel zu schaffen, einen Antrag über die Abschaffung des Anhängers sowie über die Gesamtlänge von 15 m und das Gesamtgewicht von 20 t pro Lkw. einbringen werden. Ich weiß, das ist ein harter Brocken, aber ich möchte dazu mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten unseren zu früh verstorbenen Kollegen Freiherr von Rechenberg sprechen lassen, der damals von dieser Stelle aus gesagt hat:
    Ich fahre seit dem Jahre 1916 fast dauernd auf
    allen Straßen Deutschlands und Europas, soweit es geht, herum. Ich bin also wirklich


    (Jahn [Frankfurt])

    einigermaßen fachmännisch veranlagt dafür. Es ist ein Unding, zu behaupten, ein schwerer Lastwagen, der dann mit 20 oder 25 t Gewicht beladen ist — die Dinger werden ja alle überladen —, wäre weniger gefährlich als ein leichterer zweiter Lastwagen, und zwar wegen des Schleuderns. Schleudern tut das große Biest noch viel mehr als die zwei kleinen, weil ja die Last viel größer ist. Sie erkennen außerdem an einer anderen Tatsache, ob Sie in Deutschland oder im Ausland sind. Und das werden mir alle Kollegen bestätigen müssen, die in den letzten Jahren in KontinentalEuropa herumgefahren sind: diese Lastwagenungetüme gibt es nirgends in KontinentalEuropa.
    Und er sagt weiter:
    Es ist meiner Ansicht nach höchste Zeit, diese Blüte eines Gewerbezweiges, die eine nicht erfreuliche Herkunft hat, zu beenden. Sagen wir es doch einmal sehr deutlich: Wir haben damals alle in der Industrie diese großen Biester angeschafft, als die Kriegsvorbereitungen losgingen, als man uns alle möglichen steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten usw. gab, damit wir die schweren Lastautos kauften, die nachher, wenn der Krieg da war, die Armee brauchte. Das war der Grund, warum die Dinger überhaupt auf unsere Straßen gekommen sind. Als der Krieg zu Ende war, da kamen sie zurück und fanden sehr schnell Liebhaber und fanden auch Beschäftigung.
    Ich habe den Worten des verstorbenen Herrn Kollegen von Rechenberg nichts hinzuzufügen.

    (Abg. Rademacher: Und was sagt Ihr Parteifreund, Herr Geiger, dazu, Herr Jahn?)

    — Dazu werde ich gleich etwas sagen, was er mir einmal unter vier Augen gesagt hat und was nicht unwesentlich ist. Es war bei einer kombinierten Sitzung des Ausschusses für Verkehrswesen und, wenn ich mich recht entsinne, des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, als er darauf hinwies, daß die Raststätten an den Autobahnen wie Pilze aus der Erde schießen und daß die Lastkraftwagenfahrer dann bei der Wirtin wundermild ihr Gläschen trinken und, wenn das Kleingeld alle ist. dann draußen aus dem Wagen, sagen wir einmal, das Radio nehmen und damit die Zeche bezahlen, so daß das Gewerbe außer diesem Verlust auch noch den Versicherungsbeitrag zahlen muß. All das, was er uns damals aus seiner Erfahrung als dem Gewerbe zugehörig erzählt hat, ist sogar, wie ich glaube, noch protokollarisch nachzuprüfen.

    (Abg. Samwer: So etwas kann man doch nicht verallgemeinern!)

    — Ich bin dazu angeregt worden, so etwas zu sagen, von mir aus hätte ich es nicht zum besten gegeben. Ich will damit nur sagen, daß nur dann Ordnung in den Verkehr gebracht werden kann, wenn in diesem Gewerbezweig selbst Ordnung herbeigeführt worden ist. Sonst ist es unmöglich. auf dem Gebiete des Verkehrs insgesamt Ordnung herbeizuführen.
    Dann einige Worte zu den Vorschlägen des Herrn Kollegen Müller-Hermann. Ich habe die Vorschläge vor längerer Zeit zugeschickt bekommen. In dem Begleitschreiben wurde mitgeteilt, daß eine Gruppe unabhängiger Verkehrsexperten an diesen Vorschlägen gearbeitet habe. Nun, ein Teil dieser Verkehrsexperten ist mir bekannt. Es waren dies Dr. Brüggemann vom Hauptverband der deutschen Bauindustrie, Herr Dr. Semmler, auch vom Hauptverband der deutschen Bauindustrie, die Herren Dr. Fromm und Dr. Heines vom Allgemeinen Güterverkehrsverband,

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Interessant!)

    Dr. Brecht von der ADEKA, Dr. Heil und Dr. Eikler vom BDI Köln

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Das wird ja immer interessanter!)

    und Herr Assessor Werner vom VDA Frankfurt am Main. Ich habe das unbestimmte Gefühl, daß das nicht ganz unabhängige Personen gewesen sind.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Das kann man wohl sagen! — Abg. Müller-Hermann: Sie sind wohl nicht recht unterrichtet, Herr Jahn!)

    — Aber daß diese Herren dabei waren, daß sie an den Gesetzentwürfen mitgearbeitet haben, das stimmt doch?!
    Ich will nur zu einigen Fragen Stellung nehmen. Über einige Punkte kann man reden, das ist selbstverständlich. Aber zwei Punkte muß ich im Namen der Fraktion der SPD ganz entschieden zurückweisen. Der erste ist die Beseitigung des Kollegialsystems bei der Bundesbahn und seine Ersetzung durch das Präsidialsystem. Wir haben uns für das Kollegialsystem eingesetzt,

    (Abg. Samwer: Na und?)

    und wir wünschen, daß diese etwas — nur etwas!
    — von der Wirtschaftsdemokratie angehauchte Einrichtung nicht wieder durch eine Person ersetzt wird, die mit Vollmachten ausgestattet ist. Wir haben das auf der einen Seite, wirtschaftlich gesehen, nicht ganz so schlecht, aber auf der anderen Seite schon einmal mit bitteren Lehren bezahlen müssen.

    (Abg. Samwer: Das ist doch rein wirtschaftlich zu sehen!)

    — Nein, das ist ein Grundsatz, den wir zu vertreten haben und den ich niemals preisgeben werde.
    Dann der zweite Punkt, die unabhängige Rationalisierungskommission. Sie selbst haben davon gesprochen, daß bei der Bundesbahn, und zwar in den oberen Beamtenkategorien, ein Überhang vorhanden sei, der beseitigt werden müsse. Man kann darüber geteilter Meinung sein, das gebe ich zu. Auch ich bin der Vertreter einer großen Verwaltungsreform, aber ohne jede soziale Härte.

    (Abg. Müller-Hermann: Einverstanden!)

    — Nun, Herr Kollege Müller-Hermann, ich ersuche Sie dringend, dann von dieser Stelle aus zu sagen, welche Gruppe von Bediensteten als Personalüberhang zur Entlassung kommen soll. Wir haben drei Gruppen. Die eine Gruppe besteht aus 38 000 131 ern und 5364 Entnazifizierten. Das sind 43 364 Köpfe.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Die meint er natürlich nicht!)

    Die andere Gruppe sind 27 512 Schwer- und Schwerkriegsbeschädigte, 7518 Verdrängte und 59 Spätheimkehrer. Das sind 35 089 Köpfe. Oder wollen Sie — die Zahl 40 000 spukt im Raum —,


    (Jahn [Frankfurt])

    weil wir die Unkündbarkeit der älteren Leute vom 40. Lebensjahre an, die gleichzeitig 15 Jahre beschäftigt sind, vereinbart haben und weil der Beamte auf Grund des Beamtengesetzes nicht entlassen werden kann, daß 40 000 hochqualifizierte junge Kräfte hinausgehen sollen? Wollen Sie damit rationalisieren? Sagen Sie uns bitte, damit wir wissen, woran wir sind: Wen wollen Sie entlassen, die 131er, die Schwer- und Schwerkriegsbeschädigten oder die qualifizierten Kräfte? Hier gibt es kein Drumherumreden, sondern wenn wir Ordnung haben wollen, dann müssen diese Personalfragen ganz eindeutig angesprochen und beantwortet werden.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir haben keine Lust, uns dauernd an den Kopf werfen zu lassen, daß der Personalüberhang das einzige sei, was der Gesundung der Bundesbahn im Wege stehe.

    (Zuruf rechts: Das hat auch niemand behauptet! — Gegenruf des Abg. Schröter [Wilmersdorf] : Ständig wird es erklärt! In allen Reden und Versammlungen erklären Sie es! — Weiterer Zuruf von der SPD: Da platzt die christlich-soziale Seifenblase!)

    — Ich kann Ihnen ein Dutzend Denkschriften vorlegen, wo als erster Punkt immer drinsteht — und zwar sogar unter Anrufung Jesus Christus'; auch das kann ich Ihnen schriftlich geben —, daß der Personalüberhang beseitigt werden müsse, und alles sei in bester Ordnung.
    Wir sind also der Auffassung, daß durch die Errichtung einer Organisation im Güterkraftverkehr der Vertragspartner für die Bundesbahn geschaffen werden muß. Ich bin sogar einmal in einem Vorschlag noch weiter gegangen: daß der Güterkraftverkehr als eine Unterabteilung der Bundesbahn organisiert wird. Jedenfalls muß er organisiert werden, und zwar in einer Art, daß kein Außenseiter außerhalb der Organisation bleiben kann. Voraussetzungen dafür, daß Ordnung in den Verkehr kommt, sind dann für die beiden großen Verkehrsträger — über die Binnenschiffahrt wird besonders zu reden sein —, die Beförderungspflicht, die Betriebspflicht, der Tarifveröffentlichungszwang und die soziale Gleichstellung aller Beschäftigten in beiden Verkehrsträgern.

    (Abg. Schröter [Wilmersdorf]: Sehr gut!)

    Wenn wir nämlich das Personal im Kraftverkehrsgewerbe sozial gleichstellen mit dem Personal der Bundesbahn und wenn ich dann durch zu vereinbarende Verträge für die Übergangszeit, um dem Staat keine Kosten zu verursachen, 12 000 meiner Betriebsräte aus Betrieb und Verkehr als "Oberwacher und Kontrolleure zur Verfügung stelle, haben wir in einem Jahre Ordnung im Verkehr der deutschen Wirtschaft herbeigeführt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir werden in den Ausschußberatungen mit allem Ernst sowohl an den Gesetzentwürfen der Bundesregierung als auch an den Entwürfen des Kollegen Müller-Hermann mitarbeiten, wenn sie dem Ausschuß überwiesen werden. Wir werden auch nicht davor zurückschrecken, da, wo es notwendig ist, administrative Mittel zur Anwendung zu bringen. Denn niemand kann die Hekatomben von Toten und Verletzten auf der Straße verantworten. Der Verkehr hat also nicht nur Aufgaben privatwirtschaftlicher Natur zu erfüllen, sondern es fallen ihm auch Aufgaben zu, die außerhalb der privatwirtschaftlichen Sphäre liegen, im Güterverkehr solche raumpolitischer Art im Sinne einer gesunden Dezentralisation der Industriestandorte, der Stärkung wirtschaftsschwacher Randgebiete, Importerschwerung für solche Importe, die mit einheimischen Erzeugnissen im Wettbewerb stehen, Unterstützung von Notstandsgebieten durch Spezialtarife usw. Dazu kommen auf sozialpolitischem und kulturpolitischem Gebiet weitgehende Sondervergünstigungen im Personenverkehr, in deren Rahmen Verkehrsleistungen zum großen Teil unter den durchschnittlichen Selbstkosten, vielfach sogar unter den zusätzlichen variablen Kosten angeboten werden müssen. All dies sind Sonderleistungen des Hauptverkehrsträgers, der Bundesbahn, die sich im Laufe vieler Jahrzehnte entwickelt haben und nur zum kleineren Teil eigenwirtschaftlichen Überlegungen der Eisenbahn entsprangen. Diese Sonderleistungen der Bundesbahn allein haben wesentlich zu dem sogenannten deutschen Wirtschaftswunder beigetragen, wenn nicht es sogar erst möglich gemacht.
    Diese gemeinwirtschaftliche Funktion der Bundesbahn ist infolge der unkontrolliert anwachsenden Motorisierung des Straßenverkehrs auf engstem Raum und der damit verbundenen ruinösen Konkurrenz im Verkehrswesen überhaupt in Gefahr. Darüber hinaus muß der Straßenverkehr, vor allem die Neuzulassung von Kraftwagen, als Konsequenz des Auseinanderklaffens der Straßen- und Fahrzeugkapazität in der nächsten Zeit durch außermarktwirtschaftliche Maßnahmen geregelt werden. Hier muß eine drastische Beschränkung der Zulassungen wirksam werden.
    Diese durchzuführenden Maßnahmen werden erst in zweiter Linie von der Notwendigkeit diktiert, das schon jetzt übersetzte Angebot an gewerbsmäßiger Lastkraftwagenleistung oder den noch stärker übersetzten Werkverkehr mit dem Ziele des Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage einzuschränken. Vielmehr dienen die erforderlichen Maßnahmen in erster Linie der Hebung der Verkehrssicherheit und fallen damit aus dem eigentlichen Marktproblem heraus. Wären wir schon wieder reich genug, um uns wie andere Länder kostspielige Brückenbauten, Unterführungen, Signalanlagen und schnelle Straßen zu leisten, so lebten noch viele der 12 000 Menschen, die jährlich unserem Straßenverkehr zum Opfer fallen. Mit wachsender Dichte des motorisierten Verkehrs auf unseren Straßen steigt aber gleichmäßig die Zahl der Toten. Das zeigt, daß unser Straßennetz für den schnell wachsenden Straßenverkehr zu eng geworden ist. Wenn wir dies dem heutigen Kraftverkehr anpassen wollen, um die jährlichen Hekatomben von Opfern zu vermeiden, so müßten wir es mit einem Aufwand von 20 bis 25 Milliarden DM verdoppeln. Dieses Vorhaben würde ein Gelände beanspruchen, auf dem wir die heimatvertriebenen Bauern wahrscheinlich zweimal ansiedeln könnten.
    Noch wesentlicher ist ein anderer Faktor: der Werkverkehr. Als echter Werkverkehr tritt er nicht als Anbieter am Markte auf. Sein Einsatz steht in gewissem Umfang mit den Preisen für die durch die anderen Verkehrsträger, einschließlich des gewerblichen Kraftverkehrs, angebotenen Verkehrsleistungen im Zusammenhang. Dieser Einsatz wird jedoch nicht eindeutig von der Preis-


    (Jahn [Frankfurt])

    bzw. Kostenseite her bestimmt. Der Werkverkehr f bietet nämlich eine Reihe von Vorteilen, die sich zahlenmäßig nicht fassen lassen, so daß seine Eigenkosten nicht ohne weiteres in Vergleich mit den Preisen für am Markt angebotene Beförderungsleistungen der übrigen Verkehrsträger gesetzt werden können. Es spielt auch der Umstand eine Rolle, daß im Werkverkehr durchweg nicht scharf gerechnet wird. Man kann dort eintretende Verluste auf die übrigen Werkabteilungen umlegen, was die Kostenrechnungen verfälscht. Damit steht der Werkverkehr nicht in echter Konkurrenz mit den übrigen Verkehrsträgern, macht ihnen vielmehr in beträchtlichem Umfang unlautere Konkurrenz. Das gilt besonders gegenüber der Eisenbahn. Die betreffenden Unternehmungen befördern vielfach ihre höherwertigen Güter im Werkverkehr, nehmen dagegen für den Abtransport ihrer Rohstoffe und Materialien die billigen Tarife und Ausnahmetarife der Eisenbahn in Anspruch, die durch ihre Beförderungspflicht zur Annahme jedes, auch des minderwertigsten Gutes zu niedrigen Frachtsätzen verpflichtet ist. Die Forderung, den Werkverkehr mit einer Sondersteuer bzw. einer erhöhten Beförderungsteuer zu belasten, um die eben genannten Verschiebungen der Wettbewerbsgrundlage auszugleichen oder einzuschränken, ist absolut berechtigt. Darüber hinaus muß aber auch eine Einschränkung des Werkverkehrs durch Verwaltungsmaßnahmen stattfinden, wenn diese Sondersteuer nicht ausreicht, um eine Zurückdrängung des Werkverkehrs auf das vertretbare Maß zu erzielen.
    Anders liegen die Verhältnisse bei den Fahrzeugen des Kraftverkehrs. Hier besteht eine fortwährende Tendenz zur Überinvestition, weil kein einheitlicher Plan einer großen Unternehmung wie etwa der Eisenbahn vorliegt und weil die Investition der Entscheidung des einzelnen Unternehmers überlassen bleibt. Das führt beim Kraftwagen wegen der großen Zahl der Unternehmer und des geringen Kapitalbedarfs für die Neugründung von Unternehmungen zu einer laufenden Überinvestition und damit zu einem kontinuierlichen Überhang an Angebot, das Dauerkrisenerscheinungen zur Folge hat. Ein Ausweg kann hier nur dadurch gefunden werden, daß entweder der Staat die Fahrzeugzulassungen kontingentiert oder daß der betreffende Verkehrszweig zu einer Beschränkung des Fahrzeugneubaus durch Übereinkommen aller Anbieter kommt. Dieser Weg einer freiwilligen Einschränkung des Angebots ist allerdings wegen der Vielheit der Anbieter schwierig. Hier kann, solange keine funktionsfähige Organisation der Anbieter besteht, daher nur durch staatliche Maßnahmen eine laufende Überinvestition in den Fahrzeugen vermieden werden. Das gilt zumindest für den Fernverkehr. Im Nahverkehr stehen einer solchen Regelung einige Schwierigkeiten entgegen, die jedoch auch organisatorisch behoben werden können.
    Ein Verbot des Kraftverkehrs für Massengüter und der Beförderung von Gütern durch Werkfernverkehr im reinen Verteilerverkehr an die Konsumenten scheint mir neben einer auf Bedürfnisprüfung basierenden Konzessionierung des Werkverkehrs das geeignete außermarktwirtschaftliche Mittel für den Beginn einer Neuordnung des Straßenverkehrs zu sein. Daneben sind eben noch aus Gründen der Verkehrssicherheit verwaltungsmäßige Eingriffe notwendig, die eine Beschränkung bzw. ein Verbot besonders sicherheitsgefährdender Transporte auf der Straße bezwecken, die man, wie ,die Erfahrung zeigt, durch reine Kosten und Preis beeinflussende Maßnahmen nicht verhindern kann, so das Verbot die Sicherheit gefährdender Transporte wie bestimmter Schwergüter, überhängender Ladungen, Beschränkungen des Achsdruckes zur Vermeidung übermäßiger Beschädigung der Straßen, Beschränkung der Länge der Lastzüge, Verbot des Anhängers allgemein oder auf Straßen, die wegen ihrer zu geringen Breite oder aus anderen Gründen durch den Änhänger in ihrer Verkehrssicherheit gefährdet werden, Einschränkung des Lastwagenverkehrs an bestimmten Tagen oder auf bestimmte Stunden, Beschränkung der Fahrgeschwindigkeit und Beschränkung der Gesamtlänge des Lastfahrzeugs, wie ich bereits vorhin gefordert habe. Das alles sind Maßnahmen, die eben nur auf verwaltungsmäßiger Ebene durchzuführen sind und deren Effekt sich durch rein marktmäßige Beeinflussung über Kosten und Preis nicht erreichen läßt.
    Ich betrachte deshalb die Regierungsvorlage — um in meiner Terminologie zu sprechen — als den ersten Schluck aus der Flasche zur Überwindung der Durststrecke

    (Heiterkeit)

    bis zur endgültigen Neuordnung des Verkehrs. Denn es gibt nirgendwo in der Welt eine freie Marktwirtschaft im Verkehrswesen. Differenziert sind nur das Ausmaß, die Intensität und die Art oder staatlichen Beeinflussung der Verkehrsmärkte. Es ist allgemein gesagt worden — und ich will das auch feststellen —, daß die Mehrheit des Volkes einschließlich der Kraftverkehrswirtschaft der Ansicht ist, daß das gemeinwirtschaftliche Prinzip der Bundesbahn aus volkswirtschaftlichen Gründen erhalten bleiben muß. Dann aber scheint es nicht unvernünftig und nicht rückschrittlich, sondern zwingend notwendig, der Bundesbahn in der Übergangszeit ihren Massengüterverkehr nicht nur zu erhalten, sondern ihn zu steigern und dem Kraftverkehr hinsichtlich der Massengütertransporte Bindungen aufzuerlegen. Eine solche Maßnahme ist mit Schlagworten wie „Dirigismus" oder „Verbotsgesetzgebung" oder sie sei mit der Marktwirtschaft und dem Grundsatz ,der freien Konsumwahl unvereinbar, nicht zu widerlegen. Die Geschichte des Verkehrs in allen Ländern zeigt, daß freie Konkurrenz im Verkehr zu verlustreichen Kämpfen führt, die ,das ganze Wirtschaftsleben in Unordnung bringen. Es hat offenbar keinen Sinn, für den Verkehr volle Wettbewerbsfreiheit zu fordern. Die Folgen wären für Volk und Wirtschaft katastrophal. Es muß im Gegenteil wiederholt gemeinwirtschaftliche Bindung für alle Verkehrsträger gefordert werden, damit endlich Ordnung im Verkehr entstehen kann. Was wir heute betreiben, ist Verkehrsverschwendung schlimmster Art. Sie durch eine Verkehrsordnung einzudämmen, ist unsere Pflicht, andernfalls sind wir verantwortlich für die wirtschaftlichen und sozialen Folgen bei Fortdauer dieser Verschwendung.

    (Beifall bei der SPD.)