Gesamtes Protokol
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist er-öffnet. Ich begrüße Sie alle herzlich, wünsche Ihnen ei-nen guten Morgen und uns für die heutige begrenzte Ta-gesordnung eine konzentrierte Beratung.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zurÄnderung des Arbeitnehmer-Entsendegeset-zes– Drucksache 16/6735 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Dazu gibt es kei-nen Widerspruch; dann ist es so vereinbart.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächstder Bundesminister für Arbeit und Soziales, FranzMüntefering.
Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit undNN2wudLBdkDsrMdbnnnAhPgEmRedetSoziales:Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Guten Morgen miteinander! Wir haben in der Koali-tion abgemacht, dass wir das Arbeitnehmer-Entsendege-setz und das Mindestarbeitsbedingungengesetz ändernund möglichst viele Branchen einladen, Mitte des nächs-ten Jahres in dieses Gesetz aufgenommen werden zukönnen.Allerdings gab es auf dem Weg dahin in den letztenWochen und Monaten eine Entwicklung, die die Brief-dienstleister in besonderer Weise betrifft. Im Auguststellte sich heraus, dass in Europa der Umgang mit demEnde des Briefmonopols sehr unterschiedlich gehand-habt wird. Vereinbart war, dass in DeutscBriefmonopol – das sind Briefe bis zu 50 Gra1. Januar 2008 ausläuft und dass dies in den aropäischen Ländern zum 1. Januar 2009 stattfi
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Ich will noch einmal deutlich machen, weil alle im-mer ermahnen, man muss an die Tarifautonomie denken:Mehr als das, was wir tun, kann man dabei nicht tun. Wirhaben weder auf das Zustandekommen eines Arbeitge-berverbandes noch auf die Verhandlungen Einfluss ge-nommen, die er mit Verdi geführt hat. Beide haben unsgemeinsam einen Vertrag vorgelegt und gesagt: Das istdie Grundlage für den Mindestlohn, die wir in unseremBereich haben wollen. – Ich bin der Meinung, dass wirdies jetzt so machen sollten.
Es ist eine Diskussion über Prozentzahlen in Gang ge-kommen und darüber: Wie weit ist eigentlich die Tarif-gebundenheit von 50 Prozent gegeben? 93 bis 94 Pro-zent aller Briefe, die verteilt werden, werden vonBeschäftigten der im Arbeitgeberverband Post versam-melten Unternehmen verteilt.
Daher bin ich ganz sicher, dass die 50 Prozent an dieserStelle gut erreicht werden
und dass wir das, was wir uns vorgenommen haben, indiesem Jahr schaffen können.Der Mindestlohn ist im Rahmen einer sozialen Markt-wirtschaft ein wichtiges Instrument. Vielleicht müssenwir an dieser Stelle eine Grundsatzdebatte miteinanderführen, weil ich immer noch das Gefühl habe, dass dereine oder andere in diesem Hause glaubt, ein Teil derKoalition habe zugesagt, zu versuchen, dass ein Min-destlohn zustande kommt, und ein anderer Teil habe ver-sprochen, es möglichst zu verhindern. Das ist aber sonicht.
Dumpinglöhne und Lohndumping widersprechen denGrundlagen der sozialen Marktwirtschaft.
Wir sind uns in der Koalition völlig einig: Wir wollendie Gesetze so machen, dass zukünftig mehr Brancheninnerhalb der Regeln, die wir miteinander aufstellen,MGMDnsm–guMaKrtvdwPngddwezUdmZudheg„n–whMEw
Ja, Herr Kolb. Aber sollen wir den Menschen etwa sa-en: „Du musst jeden Morgen um halb sechs aufstehennd zur Arbeit gehen, und dann hast du am Ende desonats weniger Geld auf dem Konto als der, der nichtufstehen kann oder will. Der hat schon mehr auf seinemonto drauf“? – Das kann so überhaupt nicht sein.
Und die Sache mit dem Lohndumping: Wir reden da-über: Was können wir eigentlich tun, um deutsche Un-ernehmen, auch strategisch wichtige Unternehmen, da-or zu schützen, dass sie von irgendwo auf der Welturch anonyme Mächte im Wettbewerb benachteiligterden? Wenn man hier etwas tun will, dann ist derunkt, über den wir jetzt diskutieren, mindestens ge-auso wichtig. Wenn es in Deutschland Unternehmenibt – es gibt sie, auch Lizenzunternehmen im Bereicher Postdienstleister –, die so niedrige Löhne zahlen undie Briefmarken so billig machen,
eil wir den Rest des Lohns anschließend aus der Steu-rkasse per Sozialtransfer zahlen, dann ist in Sachen so-iale Marktwirtschaft etwas nicht in Ordnung. Ein fairernternehmer muss einen ehrlichen Lohn zahlen, aufem man aufbauen kann.
Es kommen ja nicht nur die Arbeitnehmer; es kom-en auch Arbeitgeber und sagen: Helfen Sie uns dabei!uletzt waren es die Wachdienste, und zwar Arbeitgebernd Arbeitnehmer. Sie haben gesagt: Wir wollen allen,ie im Wachdienst arbeiten und aufpassen, dass Ordnungerrscht – das gilt übrigens auch für dieses Gebäude –,inen ordentlichen Lohn zahlen. Wenn aber ein Arbeit-eber, der einen Niedriglohn zahlt, seinen Leuten sagtPasst mal auf: Ihr kriegt nicht 7 oder 8 Euro, sondernur 4 Euro, und den Rest holt ihr euch bei Münte ab!“so läuft es in Deutschland doch praktisch –, dann ist et-as nicht in Ordnung. Das wollen wir nicht. Deshalb ge-ört eine vernünftige Mindestlohnregelung zur sozialenarkwirtschaft.
s ist ordnungspolitisch vernünftig, das zu fordern. Sieerden sich also bewegen müssen.
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Bundesminister Franz MünteferingIch sage Ihnen: Auch ich habe darüber noch vor fünfJahren anders gedacht.
Es ist keine Schande, seine Meinung an dieser Stelle zuändern. In einer so diversifizierten Situation bei denLöhnen und nachdem sich so viele Niedriglohnbereicheherausgebildet haben, haben Arbeitgeber und Arbeitneh-mer überhaupt nicht mehr die Kraft und überhaupt nichtmehr die Macht, Vereinbarungen für die Menschen zutreffen, die tarifungebunden sind oder am Rande derExistenzfähigkeit finanziert werden. Deshalb müssenwir uns in unserer sozialen Marktwirtschaft darauf ein-stellen, dass zukünftig der Mindestlohn in dem Paket un-serer arbeitsmarktrechtlichen Regelungen zu einerselbstverständlichen Größe wird – so, wie er es in über20 europäischen Ländern schon ist. Deshalb: Erste Le-sung heute, zweite/dritte Lesung am 8./9. November, am30. November im Bundesrat, und zum 31. Dezemberdieses Jahres wird der Mindestlohn im Bereich der Poststehen. Dafür wollen wir miteinander streiten.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort erhält nun für die FDP-Fraktion der Kollege
Dr. Guido Westerwelle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Herr Minister Müntefering, zunächst einmal herzli-chen Dank, dass Sie auf den Punkt gekommen sind. Siehaben glücklicherweise gar nicht erst den Versuch unter-nommen, drum herumzureden, sondern Sie haben ge-sagt, worum es geht –
das ist auch für die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion wichtig –: Sie sehen das, was heute hierbeschlossen wird, als den Einstieg in einen flächende-ckenden Mindestlohn.
– Es ist nett, dass Sie das fürs Protokoll noch einmal be-stätigen. – Sie begründen dies damit, dass innerhalb derBranche unterschiedlich bezahlt werde. Sie reden vonden Briefzustellern und verweisen auf einen Gegensatzzwischen Zustellern der Post und privaten Zustellern.Dazu muss man wissen: Wenn Sie Ihr Gesetz so verab-schieden, zementieren Sie das Monopol der DeutschenPost AG. Sie schädigen die Konkurrenz, schalten sie aus.Was Sie hier nicht erzählen, ist, dass durch Ihre Politik50 000 Arbeitsplätze bei privaten Anbietern von Post-dienstleistungen gefährdet werden.elJpkWDDduPsPMsttnIBrIAtSanßddKwEEni
Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist ursprünglichingeführt worden, um deutsche Unternehmen vor aus-ändischer Billigkonkurrenz zu schützen.
etzt soll es ausgeweitet werden, um einen Staatsmono-olisten – das ist es doch in Wahrheit – vor privater Kon-urrenz zu schützen. Das ist unanständig.
arum sind denn die Löhne bei den Privaten anders?arüber können wir an dieser Stelle gerne einmal reden.ie Löhne der Zusteller bei privaten Anbietern von Post-ienstleistungen sind in der Tat niedriger,
nd zwar aus einem einfachen Grund: Die Deutscheost AG hat dadurch, dass sie die 19 Prozent Mehrwert-teuer spart, einen riesigen Vorsprung – da müssen dierivaten sehen, wo sie bleiben. So funktioniert diearktwirtschaft.
Schließlich geht es in der Debatte, die in diesen Tagentattfindet, auch um die Agenda 2010, also um die Rich-ung der Politik für dieses Land insgesamt. Herr Minis-er, Sie können sich über den Beifall von den Kollegin-en und Kollegen der SPD-Fraktion freuen. Doch anhrer Stelle würde ich mir Sorgen machen: Je länger dereifall mit jeder Rede, die Sie halten, wird, desto mehriecht er nach Abschied.
n Wahrheit wird heute wieder am Grabstein dergenda 2010 gemeißelt. Das ist das, was uns am meis-en Sorge macht und was auch Deutschland am meistenorge machen muss. Die Rhetorik ist noch, man haltem Reformkurs fest – praktisch wird er heute und in denächsten Wochen zu Grabe getragen. Das ist deshalb au-erordentlich bedenklich und verheerend, weil Sie unterem Strich eine Politik zu Grabe tragen,
ie noch nicht einmal die Chance hatte, zu wirken.aum geht es Deutschland etwas besser, kaum habenir ein Jahr etwas bessere Konjunktur, schon geht dersel wieder aufs Eis und merkt gar nicht, wie dünn dasis der deutschen Konjunktur ist.
Ich kann die Krokodilstränen in dem Zusammenhangicht mehr sehen. Die Ministerinnen und Minister sagenn den Zeitungen – dies taten sie gestern auch hier –, es
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Dr. Guido Westerwellesei für die Bürgerinnen und Bürger doch tragisch, dassdie Preise steigen. Es gibt in dieser Republik einigePreistreiber. Die sitzen nicht in irgendwelchen anony-men Zentralen von Stromkonzernen oder bei irgendwel-chen anderen Unternehmen, die Preistreiber der Repub-lik sitzen dort auf den Regierungsbänken – übrigensauch am heutigen Tage.
Falls Sie mir das nicht glauben – –
– Frau Schmidt, ich darf Sie bitten, mich durch Ihre Zwi-schenrufe nicht weiter einzuschüchtern. Sie wissen, ichbin sensibel.
Herr Kollege Westerwelle, in diesem Zusammenhang
kommt es auf Ihre Empfindlichkeit gar nicht an, weil
Zwischenrufe von der Regierungsbank grundsätzlich
nicht zulässig sind.
Jetzt haben Sie es amtlich. Das haben Sie davon. Siekonnten es ja nicht lassen.
Herr Präsident, erst einmal natürlich vielen herzlichenDank für diese eindeutige Unterstützung der Opposition.
Ich komme jetzt aber noch einmal auf die Preisent-wicklung in Deutschland zurück. Die Preisentwicklungist ja nicht etwas, was der Opposition eingefallen ist. MitIhrem Gesetzentwurf, den Sie heute einbringen, leistenSie einen Beitrag dazu, dass die Preise in Deutschlandweiter steigen.
Das sagen nicht wir, das sagen Sie selbst in Ihrem Ge-setzentwurf; denn unter „Sonstige Kosten“ steht nichtsanderes als – wörtlich –:Durch die Neuregelung kann die deutsche Wirt-schaft mittelbar mit Kosten belastet werden...Wenn Sie das Können schon zugeben, dann wissen wiralle, dass es genau so kommt.
Heute geht es um den Mindestlohn, nach dem Bun-desparteitag der SPD wird es um das Arbeitslosengeld Igehen.DwwgsDAwdnddewDbMisZkddm–mSNSlFdAtlbtk
u den Mindestlöhnen und zum Arbeitslosengeld I musslar gesagt werden: Sie verlängern das jetzt; Sie werdenas tun. Noch zieren Sie sich ein bisschen, aber Sie wer-en das alles mitmachen, so, wie Sie das hier auch mit-achen.
Dafür brauche ich kein Hellseher zu sein. Hier nutztir einfach die Nähe zu Ihnen, Herr Kauder. Ich kenneie lange genug.
atürlich wird einer nach dem anderen hier umfallen.ie werden das alles mitbeschließen.
Das Schlimme ist – das ist bedauerlicherweise nichtustig –: Statt dass während eines Aufschwungs für denall vorgesorgt wird, dass ein Abschwung kommt, wer-en Sie jetzt die alten Fehler wiederholen. Mit dieserbkehr von der Reformpolitik tragen Sie die Verantwor-ung dafür, dass die Zahl der Arbeitslosen in Deutsch-and in der nächsten Konjunkturkrise – sie kommtestimmt – nicht 5 Millionen, sondern 6 Millionen be-ragen wird. Das ist die größte soziale und auch demo-ratische Gefahr für unser Land.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
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Dr. Ralf Brauksiepe ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esist gut, dass die Debatte über die Einführung eines Min-destlohns bei der Post jetzt auch das Parlament erreichthat.
Angesichts der öffentlichen Debatten in den letzten Wo-chen will ich einige Punkte klarstellen, die eigentlichselbstverständlich sein sollten.Diese Regierung wird in der Arbeitsmarktpolitik inerster, zweiter und dritter Linie daran gemessen, ob undinwieweit es ihr gelingt, Arbeitslosigkeit abzubauen undneue Arbeitsplätze zu schaffen.
Wir sind stolz darauf, dass diese Regierung unter AngelaMerkel eine arbeitsmarktpolitische Bilanz vorgelegt hat,die sich sehen lassen kann. Das ist es, woran wir in ersterLinie gemessen werden.Wir stehen als CDU/CSU-Fraktion zu den Vereinba-rungen im Koalitionsausschuss und zu den Vereinbarun-gen der Regierung in Meseberg. Es ist auch eine Selbst-verständlichkeit – das gilt für uns genauso wie fürunseren Koalitionspartner –, dass niemand das Denkeneinstellt, wenn ein Gesetzentwurf von der Bundesregie-rung vorgelegt wird. Ich habe auch noch keinen Sozial-demokraten erlebt, der das Denken eingestellt hat, nurweil der Name Angela Merkel unter einem Gesetzent-wurf der Bundesregierung steht. Eine sorgfältige Prü-fung jedes Gesetzentwurfes ist für uns eine Selbstver-ständlichkeit. Das hat nichts mit Abrücken zu tun. Es istunser Wählerauftrag. Wir sagen klipp und klar: Wir leis-ten uns – anders als der Kollege Stiegler, der hier kürz-lich angekündigt hat: Wir pausieren erst einmal bei derUnterstützung der Regierung – keine Pause auf diesemWeg; wir erfüllen vielmehr unseren Wählerauftrag undwerden auch diesen Gesetzentwurf wie jeden anderensorgfältig prüfen.
Uns geht es darum, bei den Briefdienstleistungen zumehr Wettbewerb zu kommen. Das ist unser Ziel, und esist politisch vereinbart worden. Wir wissen aber auch,dass Wettbewerb, der dieses Land groß und wirtschaft-lich erfolgreich gemacht hat, auch immer ein Wettbe-werb um die besten Ideen – ein Innovations- und Quali-tätswettbewerb – gewesen ist. Es geht nicht um denWettbewerb um die niedrigsten Löhne; den wollen wir indiesem Land nicht.
Deswegen sind wir auch für tarifliche Mindestlöhne.BvgstebhnkRGekkzAdcgbuBdbguDwCDsbnzgwhsVkmKmBZWeztr
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, als jemand, der demDeutschen Beamtenbund angehört und dessen Fachge-werkschaft den Tarifvertrag geschlossen hat, von demwir gesprochen haben, habe ich eine politische Ansichtdarüber, was ich von einer Organisation halten soll, diesagt: Wir sind eine Gewerkschaft und fordern niedrigeLöhne. – Eine politische Meinung habe ich dazu. Abernatürlich ist die Frage, wie diese Entwicklungen recht-lich zu beurteilen sind. Dazu erwarten wir eine Antwortder Bundesregierung.Wir befinden uns in der ersten Lesung, in einem ganznormalen Gesetzgebungsverfahren. Wir hoffen auf be-friedigende Antworten der Bundesregierung auf dieseFragen. Ich sage ganz deutlich: Wir wünschen uns be-friedigende Antworten, weil wir uns eine Lösung für denBereich der Postlöhne wünschen. Wir wollen hier zu ei-ner Regelung kommen. Deswegen haben wir die Verein-barungen getroffen, und deswegen hoffen wir, dass dieFragen, die hier gestellt werden müssen, im Laufe desGesetzgebungsverfahrens befriedigend beantwortet wer-den.Herzlichen Dank.dHhbsAdgnIn14HmsilutmPMlDddLgLseüg
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Gregor Gysi für
ie Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Westerwelle, ich habe Ihnen zugehört. Sieaben die These aufgestellt, dass schlimm sei, wenn manei einem höheren Bruttolohn zu viel abziehe. Stattdes-en solle es lieber einen niedrigeren Bruttolohn geben.lso, verstanden habe ich das Ganze nicht;
enn bei den niedrigen Löhnen wird ja auch viel abgezo-en. Weshalb Sie gegen höhere Löhne sind, ist nichtachzuvollziehen, es sei denn, Sie wollen ganz einseitigenteressen in der Gesellschaft vertreten.
Herr Westerwelle, Sie nehmen bestimmte Tatsachenicht zur Kenntnis, so zum Beispiel die Tatsache, dass0 Prozent der oberen Haushalte in Deutschland7 Prozent des Vermögens und 50 Prozent der unterenaushalte 4 Prozent des Vermögens besitzen. Daranuss man etwas ändern, wenn man eine gerechtere Ge-ellschaft will.
Sie ignorieren, dass wir beim Pro-Kopf-Einkommenn der EU bei einem Vergleich der alten 15 Mitglieds-änder jetzt auf Platz 11 sind. Es besteht die Gefahr, dassns Spanien im nächsten Jahr überholt. Dann liegen hin-er uns nur noch Griechenland, Portugal und Italien. Ichuss sagen: Da kann man aber doll stolz sein, was dasro-Kopf-Einkommen unserer Bevölkerung betrifft.Deshalb brauchen wir dringend einen gesetzlichenindestlohn, damit Lohndumping in Deutschland end-ich aufhört.
a sagen wir, preisbereinigt bräuchten wir einen Min-estlohn von 8,44 Euro. Allerdings fügen wir hinzu, dassas heute nicht mehr ausreicht; denn dort, wo höhereöhne gezahlt werden, besteht bei der Einführung einesesetzlichen Mindestlohnes die Gefahr, dass die höherenöhne auf die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns ge-enkt werden. Deshalb haben wir gesagt, wir brauchenin Verfahren, das sicherstellt, dass Lohnsenkungenberhaupt nur in ökonomischen Ausnahmesituationenenehmigt werden; ansonsten müssen sie untersagt wer-
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Dr. Gregor Gysiden, weil das nicht die Entwicklung unserer Gesellschaftsein soll.
Nun geht es heute aber nur um die Briefzustellerinnenund Briefzusteller. Es geht ja noch gar nicht um einengesetzlichen Mindestlohn. Sie haben die Einführung ei-nes gesetzlichen Mindestlohns unter der Bedingung ver-einbart, dass sich die Betreffenden einigen. Nun habenwir eine Einigung – dazu hat hier noch niemand etwasgesagt – auf einen gesetzlichen Mindestlohn Ost in Höhevon 9 Euro
– Entschuldigung, es ist ein tariflicher Mindestlohn –und einen Mindestlohn West in Höhe von 9,80 Euro. Ichmuss Ihnen sagen: Im 18. Jahr der deutschen Einheit beieiner gleichen Kostenstruktur in Ost und West ist ein un-terschiedlicher Mindestlohn nicht mehr hinnehmbar.
Ich meine das als Kritik am Arbeitgeberverband und anmeiner Gewerkschaft Verdi. Dass sie das unterschriebenhaben, ist ein Skandal; ich sage das so offen. Ich hättemir gewünscht, dass auch jemand von den anderen Frak-tionen gesagt hätte, dass wir das im 18. Jahr der deut-schen Einheit nicht mehr wollen.
Nun spielt Herr Gerster – Sie haben es bereits gesagt;ich kann es gut verstehen – eine bestimmte Rolle. Von1991 bis 1994 war der Mann, Mitglied der SPD, Minis-ter für Europaangelegenheiten in Becks Rheinland-Pfalz. Dann wurde er Minister für Arbeit, Soziales undGesundheit. Dann wurde er Leiter der Bundesanstalt fürArbeit. Irgendwann ging er. Was macht er nun? Er hörtvon dieser Vereinbarung, gründet einen eigenen, neuenArbeitgeberverband und hilft offensichtlich dabei, einekleine, neue Gewerkschaft zu gründen und Räume anzu-mieten, und das Ganze nur mit dem Ziel, den Mindest-lohn zu unterschreiten. Sie sprechen bei OskarLafontaine immer von Verrat. Aber das, was HerrGerster macht, ist ein wirklicher Verrat an der Sozialde-mokratie.
Damit müssten Sie sich einmal auseinandersetzen. DerSuperminister von Herrn Schröder, Herr Clement, hautin dieselbe Kerbe. Damit Sie das als Verrat entlarvenkönnen, müssten Sie sich zuerst einmal mit der unsozial-demokratischen Agenda 2010 und mit Hartz IV selbst-kritisch auseinandersetzen. Aber das wollen Sie nicht.
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Ich möchte noch über einen anderen Punkt sprechen,er zwar nicht ganz dazu gehört, aber in die gleicheichtung geht: die 58er-Regelung. Monitor wird da-über berichten, was für ein Skandal das ist. In der letz-en Sitzungswoche haben Sie unseren Antrag auf Fort-etzung der 58er-Regelung abgelehnt. Das bedeutet, dassie einem Arbeitslosen, der 58 Jahre oder älter ist,agen, er werde nicht mehr vermittelt, und ihn nach5 SGB zwingen – er hat nicht einmal mehr die Wahl –,ie Frühverrentung zu beantragen und damit eine Kür-ung der Rente um bis zu 18 Prozent hinzunehmen. Dasilt auch noch, wenn der Betreffende 87 oder 88 Jahrelt ist. Ich halte das für grundgesetzwidrig.
iemand darf gezwungen werden, eine Kürzung derente hinzunehmen, wenn er die Möglichkeit hat, eineöhere zu erwerben. Aber Sie tun das. Korrigieren Sieas! Setzen Sie wenigstens die 58er-Regelung fort! Daslles gehört zur Ungerechtigkeit, die es in unserem Landibt.
Ich habe ja gesagt, dass es nicht ganz dazugehört. Aberin wichtiges Thema ist es; das können Sie doch nichtestreiten.
agen Sie heute doch, dass Sie das korrigieren werdennd dass die 58er-Regelung nach dem 31. Dezemberortgesetzt wird! Das wäre für 350 000 Betroffene eineichtige Entscheidung.
Wir brauchen einen Mindestlohn. Wir brauchen einellgemeinverbindlichkeit. Wir brauchen das für dieostbediensteten bzw. die Briefzustellerinnen und Brief-usteller deshalb jetzt, weil das Briefmonopol am. Januar 2008 aufhört zu existieren. Sie wissen um dieorhandenen Niedriglöhne. Dagegen muss der Bundes-ag etwas tun. Des Weiteren sind viele noch gar nicht be-ücksichtigt. Denken Sie an die Sortiererinnen und Sor-ierer! Denken Sie an die Verkäuferinnen und Verkäuferei TNT und PIN! Sie bekommen einen Bruttolohn vonEuro bzw. 6,72 Euro pro Stunde. Niemand von unsönnte davon leben. Wir sollten auch nicht so tun, als
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Dr. Gregor Gysikönnten wir davon leben. Gegen solche Löhne müssenwir etwas unternehmen. Der Bundestag muss ein Zei-chen setzen und sagen: Das lassen wir in Deutschlandnicht zu.Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde,
Herr Müntefering hat recht.
Nein, ich bin froh, wenn es der Einwirkung des Präsi-
denten gar nicht bedarf, weil die Friedlichkeit der Bera-
tung die nahtlose Rednerabfolge sicherstellt. Aber da ich
nicht ganz sicher bin, ob vor allen Dingen die Millionen
Fernsehzuschauer, die uns heute bei dieser Debatte be-
gleiten, alle wissen, wer jetzt das Wort erhalten hat,
schlage ich doch der guten Ordnung halber vor, dass die
Kollegin Pothmer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
nen das Wort erhält.
Der Herr Präsident und ich haben uns per Blickkon-takt verständigt, meine Damen und Herren.
Herr Müntefering hat recht, wenn er sagt, Lohndum-ping widerspreche der sozialen Marktwirtschaft. Aberdie Art und Weise, wie die Union mit den Hoffnungenund Ängsten der Menschen, die im Niedriglohnbereicharbeiten, umgeht, widerspricht Sitte und Anstand, unddas widerspricht den Regeln einer sozialen Politik.
In Meseberg haben Sie noch versprochen: Wohlstandfür alle. – Im Überschwang der Gefühle haben Sie sichganz offensichtlich darauf verständigt, die Postbranchein das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufzunehmen. Aberdas Gruppenfoto war noch nicht ganz im Kasten, und dieSchlosstreppe war noch nicht geräumt, da kamen schonWirtschaftsminister Glos und die Wahlkämpfer Wulffund Koch daher und haben versucht, diese Vereinbarungzu hintertreiben. In deren Schlepptau sind unvermeidlichRöttgen und Ramsauer, die schreien: „Nix da, den Min-destlohn gibt’s nicht!“. Herr Brauksiepe, das, was Sieuns mit dem Wort „Prüfung“ weiszumachen versuchen,ist nichts anderes als ein Taschenspielertrick und nichtsanderes als eine Milchbubenrechnung, mit der Sie versu-chen, sich aus der Vereinbarung herauszuwinden. Soweit zu der Vertragstreue der CDU/CSU.
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enau das steht bereits darin. Der Wettbewerb – darumeht es – soll über die Qualität der Leistungen erfolgen,er Wettbewerb soll nicht über Lohndrückerei ausgetra-en werden. Deshalb brauchen wir einen Mindestlohn.Herr Westerwelle, wenn Sie sagen, dass Sie ein sen-ibler Mensch sind, dann sage ich Ihnen: Ich vermissehre Sensibilität in Bezug auf die Interessen der Men-chen, die im Niedriglohnbereich arbeiten,
nd ich vermisse Ihre Sensibilität gegenüber Ihren eige-en Anhängern. 68 Prozent der Anhänger der FDP wol-en einen Mindestlohn.
err Westerwelle, machen Sie doch da nicht dicht! – Dasind Umfrageergebnisse. Nehmen Sie die doch einfachinmal zur Kenntnis, wenn Sie so sensibel sind, Sie Sen-ibelchen.
Die Union steckt in einem echten Dilemma. Sie wol-en auf der einen Seite Ihr sozialpolitisches Profil stär-en, Sie wollen damit die Sozialdemokraten ärgern
nd die Kompetenz, die ihnen in Sachen sozialer Ge-echtigkeit zugeschrieben wird, für sich reklamieren.ndererseits wollen Sie Ihr wirtschaftspolitisches Profilicht aufgeben, das schon einmal gar nicht, wenn dreiandtagswahlen vor der Tür stehen.
iese rein wahltaktische Profilbildung wird auf demücken der Briefzusteller ausgetragen. Ich finde dasirklich unanständig.
Das Gerangel um den Postmindestlohn zeigt erneutie Handlungsunfähigkeit der Großen Koalition; dennie Aufnahme der Branche in das Entsendegesetz istoch nur ein erster Schritt. Nach der Rede von Herrnrauksiepe ist eines klar: Bei der nächsten Hürde gehter Streit weiter. Selbst wenn wir heute hier ein Stückeiterkommen, ist das Problem noch lange nicht gelöst.
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Brigitte PothmerHerr Müntefering, ich bin mir ganz sicher, Sie wissendas ganz genau.
– Sie, Herr Brauksiepe, können doch einmal klatschen.Sie wissen ganz genau, dass ich recht habe. Sie wissendoch, was in Ihrer Fraktion vorgeht.
Ich bitte Sie, mit Ihren profilneurotischen Sandkas-tenspielereien endlich aufzuhören! Tun Sie endlich, wasIhre Wähler von Ihnen erwarten, und handeln Sie! Esgibt in diesem Bereich eine Deadline – Herr Münteferinghat darauf hingewiesen –: Das Briefmonopol fällt am1. Januar 2008. Bis dahin brauchen wir faire Wettbe-werbsbedingungen. Dazu gehört der Mindestlohn.Natürlich gehört dazu auch Chancengerechtigkeit fürdie Mitbewerber. Es dürfen nicht zweierlei Regeln hin-sichtlich der Umsatzsteuer gelten.
Es geht nicht an, dass der ehemalige Monopolist von derUmsatzsteuer befreit wird, seine Konkurrenten abernicht. Wir haben dazu einen Antrag vorgelegt. Wir wol-len unbedingt, dass auch in diesem Bereich gleiche Wett-bewerbsbedingungen herrschen. Ich würde mich darüberfreuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen würden.Wir brauchen einen fairen Rahmen. Es ist die Auf-gabe der Politik, genau diesen Rahmen zu setzen. Hierdroht die Koalition leider erneut zu versagen. HerrBrauksiepe, Ihre Rede spendete jedenfalls denjenigennicht gerade Hoffnung, die ihre Hoffnungen auf dieseRegierung gesetzt haben.Ich danke Ihnen.
Die Kollegin Anette Kramme hat nun das Wort für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrter Herr „Wildwesterwelle“,
Sie werden wieder einmal Ihrem Ruf gerecht: Bei Ihnen
knirscht das Eis gegenüber den Arbeitnehmern und Ar-
beitnehmerinnen dieses Landes. Sie quellen fast über vor
Arroganz.
Die große Boulevardzeitung mit den vier Buchstaben
hat sich in den vergangenen Wochen in ihren Schlagzei-
len schlichtweg überschlagen: „Mindestlohn – Ist das
wirklich gut für die Beschäftigten?“, „Mindestlohn?
Dann gehen wir pleite!“, „Mindestlohn vernichtet Ar-
beitsplätze!“.
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Zum 1. Januar 2008 fällt das Briefmonopol der Post.
b diesem Zeitpunkt dürfen also sowohl die inländi-
chen als auch die ausländischen Postkonkurrenten den
ogenannten Standardbrief austragen. Ich sage ganz
eutlich: Liberalisierung – in Ordnung, Wettbewerb –
benfalls in Ordnung. Aber: Wettbewerb braucht klare
pielregeln und faire Rahmenbedingungen.
s kann nicht sein, dass die seriösen Anbieter der Bran-
he von zwei Seiten unter Druck gesetzt werden: einer-
eits durch den freien Wettbewerb in Deutschland, wäh-
end deutsche Unternehmen im europäischen Ausland
ur beschränkt tätig sein dürfen, andererseits durch ei-
ige Unternehmen, deren Konkurrenzfähigkeit lediglich
uf Lohn- und Sozialdumping zurückzuführen ist.
Frau Kollegin, der Wunsch des Kollegen Niebel, Ihre
edezeit durch eine Zwischenfrage zu verlängern, ist
ngebrochen.
Selbstverständlich ist der Wunsch des Herrn Niebel
in besonderes Anliegen.
Bitte schön, Herr Kollege Niebel.
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Vielen herzlichen Dank, Frau Kollegin. Nachdem ich
Ihnen jetzt längere Zeit zugehört habe, ist mein Fragebe-
darf noch größer geworden.
Würden Sie mir bestätigen, dass die Sozialdemokrati-
sche Partei Deutschlands Mehrheitseigner der hannove-
rischen Verlagsgruppe Madsack ist, die wiederum ein
wesentlicher Anteilseigner der PIN-Gruppe ist?
Wenn Sie mir das bestätigen, frage ich weiter: Können
Sie mir sagen, ob Frau Hendricks, nachdem sie in der
nächsten Woche vermutlich Schatzmeisterin der SPD
sein wird, unmittelbar Einfluss auf die Lohnfindung der
PIN-Gruppe nehmen wird?
Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass ich die
Konzernstrukturen einer SPD-Holding nicht kenne.
Ich kann ohne weiteres die Unternehmen aus meiner Re-
gion nennen.
Sie können sicher sein, dass ich auch in der Vergangen-
heit diesbezüglich tätig geworden bin. Sie können sicher
sein, dass wir unseren Laden sauber halten werden.
Die Aufnahme der Briefdienstleistungen in das Ar-
beitnehmer-Entsendegesetz ist notwendig und zielfüh-
rend. Mit Blick auf die Kolleginnen und Kollegen darf
ich sagen: Die SPD hat der Aufgabe des Briefmonopols
nur unter der Bedingung zugestimmt, dass Vorkehrun-
gen zur Sicherung sozialer Mindeststandards in der Post-
dienstleistungsbranche getroffen werden. Das war Teil
des politischen Kompromisses, und Sie können sicher
sein: Wir nehmen Spielchen zulasten der Menschen
nicht hin.
Bei den neuen Postunternehmen gibt es faktisch keine
betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertre-
tungsstrukturen. Die Folgen sind sichtbar: im Vergleich
zur Deutschen Post AG wesentlich schlechtere Lohn-
und Arbeitsbedingungen. Am 8. Oktober befasste sich
Report mit der Thematik. „Hungerlöhne in der Postbran-
che“ titelte man:
Lothar Daniel … Ab morgens fünf ist er auf den
Beinen, oft bis abends um halb acht. Eine 60-Stun-
den-Woche. Sein Stundenlohn: 4,50 Euro brutto.
Der 49-Jährige hat in Kiel keinen besseren Job ge-
funden. Er ist Zusteller beim privaten Postunterneh-
men PIN.
Eine Untersuchung von Input Consulting bestätigt dies.
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err Gerster behauptet auch, der Arbeitgeberverband
ostdienste sei undemokratisch. Ich kann Ihnen nur sa-
en: Werfen Sie einmal einen Blick in das Betriebsver-
assungsgesetz! Es ist durchaus üblich, dass sich das
timmrecht nach der Zahl der jeweils vertretenen Be-
chäftigten richtet.
Von Vollzeitarbeit muss man leben können, muss man
eine Existenz sichern können. All denjenigen, die Wett-
ewerb auf dem Rücken der Menschen wollen, müssen
ir eine ganz deutliche Absage erteilen.
Das Wort erhält nun der Kollege Max Straubinger,
DU/CSU-Fraktion.
Eine Holding? Nein, Herr Niebel, aber ich hätte gerneine.Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!ir beschäftigen uns heute mit dem Gesetzentwurf derundesregierung zur Änderung des Arbeitnehmer-Ent-endegesetzes. Herr Bundesminister Müntefering hat be-eits darauf hingewiesen: Anlass der heutigen Gesetzes-nderung sind der Wegfall des Postmonopols und dieamit verbundenen Ängste, dass es zukünftig Verwer-ungen im Bereich der Briefzustellung geben könnte.Vorweg möchte ich feststellen, dass die Liberalisie-ung der Postmärkte in der Vergangenheit große Erfolge
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Max Straubingerfür die Verbraucherinnen und Verbraucher, aber auch fürdas Unternehmen Deutsche Post gebracht hat.
Die Deutsche Post ist besonders wettbewerbsfähig; dashat sie in der Vergangenheit am Markt bewiesen. Dieszeigt sehr deutlich, dass es bisher auch ohne so genannteMindestregelungen gesetzlicher Art – es gab nur Min-destregelungen auf der Grundlage von Tarifverträgen –gelungen ist, erfolgreich am Wettbewerb teilzunehmen.Natürlich sehen wir, dass es in einzelnen Bereichendurchaus Verwerfungen geben kann. Ich pflichte demKollegen Brauksiepe ausdrücklich bei: Es geht nicht umden Wettbewerb niedrigster Löhne. Vielmehr wollen wir,dass die Menschen ein gutes Gehalt, einen guten Lohnerhalten. Dies erreichen wir am besten durch den Abbauder Arbeitslosigkeit. Wenn die Arbeitslosigkeit inDeutschland abgebaut wird, dann gibt es – das sieht manjetzt – eine größere Nachfrage nach Arbeitskräften, waswiederum dazu führt, dass die Löhne steigen. Wir sehendie Lohnforderungen verschiedener Branchen und dieLohnabschlüsse, die heuer schon getätigt worden sind.Wir können durchaus von steigenden Löhnen inDeutschland sprechen. Das spricht für die Politik derBundesregierung, den Abbau der Arbeitslosigkeit konse-quent voranzutreiben. Damit wird die beste soziale Un-terstützung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inDeutschland geleistet.
Wir stehen natürlich zu den Beschlüssen des Koali-tionsausschusses und der Bundesregierung, durchausdarüber nachzudenken, in einzelnen Bereichen, wo esnotwendig ist, Lohnuntergrenzen bzw. entsprechendeBedingungen auf dem Arbeitsmarkt einzuführen. In ei-ner sozialen Marktwirtschaft ist das in einzelnen Berei-chen notwendig. Auch aufgrund der Antragstellung desArbeitgeberverbandes und von Verdi müssen wir uns mitdieser Frage beschäftigen. Bevor im Jahr 2007 – das istBeschlusslage – Postdienste in das Arbeitnehmer-Ent-sendegesetz aufgenommen werden und damit die Allge-meinverbindlichkeit erklärt wird, bedarf es einer beson-deren Prüfung. Unsere Entscheidung, Branchen in dasArbeitnehmer-Entsendegesetz aufzunehmen, ist nichtnur daran gekoppelt, dass ein Organisationsgrad von50 Prozent erreicht sein muss, sondern auch daran, dassdie Tarifausschüsse darüber zu befinden haben. WennTarifausschüsse, also Arbeitgeber und Gewerkschaften,miteinander eine Lohnuntergrenze festlegen wollen, sindwir bereit, dem zuzustimmen und dies zu unterstützen.Wenn das Gesetz jetzt geändert wird, stellt dies einbesonderes Verfahren dar: Der Tarifausschuss ist dannnicht beteiligt; die Regelung hängt allein vom Verhaltender Bundesregierung, auch des Bundesarbeitsministeri-ums, ab und wird dann per Gesetz in Kraft gesetzt. Vor-weg sind durchaus die Fragen zu beantworten: Ist einOrganisationsgrad von 50 Prozent erreicht? Wer zähltüberhaupt dazu? Zählen nur alle Direktbediensteten derPost dazu? Zählen auch die Beschäftigten in Postagentu-ren dazu, die vielleicht drei oder vier Briefe am Tag ent-gegennehmen und damit eine Vorleistung im HinblickaovGDswussPztDurlvGsdfdigASGbSrStW
Es ist wichtig, dass alle Arbeitgeber dieses Bereichesnd alle Briefzusteller eingebunden sind. Der geschlos-ene Vertrag hat schon ein gewisses Geschmäckle. Escheint sich um einen Haustarifvertrag der Deutschenost zu handeln, der aber in den eigenen Reihen kaumur Anwendung kommt, weil 80 Prozent der Beschäftig-en einen weit höheren Lohn bekommen.
ies muss meines Erachtens einer intensiven Prüfungnterzogen werden.Ich bin schon verwundert, dass trotz der Liberalisie-ung – nur Briefe mit einem Gewicht bis 50 Gramm fal-en noch unter das Postmonopol – in einem Tarifvertragereinbart worden ist, dass zukünftig Briefe mit einemewicht bis 1 000 Gramm unter diese Regelung fallenollen. Diese Vereinbarung muss intensiv geprüft wer-en, um eine rechtlich einwandfreie Grundlage zu schaf-en.
Die Bundesregierung kann ich nur auffordern, unsiese Fragen zu beantworten. Ich bin überzeugt, dass wirn der Koalition in diesem zugegebenermaßen schwieri-en Punkt eine gemeinsame Lösung finden werden.ber ich sage auch ganz deutlich, dass es hier nicht umchnelligkeit, sondern um Gründlichkeit geht.
ründlichkeit bedeutet, dass wir diese Fragen intensivehandeln und letztendlich auch beantworten. In dieseminne wünsche ich uns ein gutes Gesetzgebungsverfah-en und weiterhin intensive Beratungen.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun der Kollege Klaus Barthel für die
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die zen-rale Auseinandersetzung betrifft das Verständnis vonettbewerb und Marktwirtschaft. Herr Westerwelle hat
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Klaus Barthelvorhin zwei Thesen vertreten: Erstens. Hungerlöhneschaffen Aufschwung. Zweitens. Hungerlöhne schaffenWettbewerb.
Ich bin über Ihre Aussagen sehr erstaunt, HerrWesterwelle; denn Ihre Partei war an der Regierung be-teiligt, als das Postgesetz auf den Weg gebracht wurde.Wir haben damals mit Ihrem Minister Rexrodt, der sichjetzt leider nicht mehr wehren kann, eine Passage insPostgesetz aufgenommen, mit der Lohndumping imPostsektor ausgeschlossen werden soll. Wettbewerb sollnämlich nicht über Lohndumping stattfinden. Im Postge-setz steht, dass die wesentlichen Arbeitsbedingungendieser Branche nicht unterschritten werden sollen. Wennsie unterschritten werden, dann gibt es für die betroffe-nen Unternehmen keine Lizenz. Das war das damaligeVerständnis der FDP. Ich frage Sie: Waren Sie damalsnoch nicht für Wettbewerb?Ferner beklagen Sie das Verhältnis von Brutto- zuNettoeinkommen. Einer der Gründe, warum so hohe So-zialabgaben gezahlt werden müssen, ist, dass sich derNiedriglohnsektor ausweitet. In diesem Bereich werdenkaum Sozialabgaben abgeführt. Im Gegenteil: DieHartz-IV-Leistungen in diesem Sektor verursachen sogarnoch Kosten. Auch das haben Sie hier unterschlagen.
Jetzt komme ich zum Thema „Schnelligkeit undGründlichkeit“. Es ist völlig klar, dass wir bis zum1. Januar dieses Gesetz auf den Weg gebracht habenmüssen, weil sich sonst die in dieser Branche vorherr-schenden Zustände sozusagen multiplizieren.Wovon reden wir hier? Das Gesetz spricht ausdrück-lich von Briefdienstleistungen. Herr Straubinger, zuden Briefdienstleistungen gehört gemäß dem Postgesetzdie Beförderung von Briefen mit einem Gewicht bis1 000 Gramm. Das kann man alles nachlesen. 91 Prozentdieser Briefe werden von der Deutschen Post AG beför-dert.Herr Meyer, bevor Sie an dieser Stelle einen Zuruf ma-chen – ich kann Ihnen alle relevanten Zahlen nennen –,frage ich Sie, wie es denn sein kann, dass der Springer-Konzern, der einen Anteil von 70 Prozent an derPIN AG hat, und die cleveren Kaufleute von TNT ausden Niederlanden behaupten, sie hätten 270 000 Be-schäftigte in einem Segment, das nur einen Anteil von9 Prozent an den Briefdienstleistungen hat. Die habendoch nicht alle Tassen im Schrank, wenn sie das behaup-ten.
Man braucht doch nur einmal die Berichte der Bun-desnetzagentur anzuschauen. Da ist eindeutig festge-halten, dass 150 000 Beschäftigte bei der Deutschen PostAG und 46 000 Beschäftigte bei den neuen Wettbewer-bern in den Tarifvertrag eingebunden sind. Davon sindübrigens 27 000 geringfügig Beschäftigte. Das heißt, wirhaKdPltARBkdusBd1jhsvPbhaddvAkS5wcddhWvWgwn
Herr Kollege Barthel!
Findet in den Niederlanden, wo es einen Mindestlohn
on über 9 Euro gibt und wo TNT seinen Sitz hat, kein
ettbewerb im Postsektor statt, weil es Mindestlöhne
ibt? Dies ist doch eine absurde Diskussion. Der Wettbe-
erb betrifft andere Bereiche; das wissen Sie ganz ge-
au. Da geht es um Qualität, mehr Dienste usw.
Herr Kollege Barthel!
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Das war die Verheißung der Liberalisierung der Post-
märkte. Setzen wir das doch bitte auch um!
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Laurenz Meyer für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Wir wollen – Herr Westerwelle, das ist übrigens einAuftrag, der sich schon aus dem Postgesetz ergibt; da hatKollege Barthel völlig recht – soziale Mindeststan-dards in diesem Bereich. Das haben Sie mitbeschlossen.Von daher ist Ihre Argumentation nicht ganz schlüssig.Sie sollten sich mit der Umsetzung dessen beschäftigen,was Sie selber mitbeschlossen haben.
Herr Müntefering hat zu Beginn der Debatte etwasWichtiges gesagt. Er hat nämlich die Debatte, die wirjetzt führen, in die Gesamtdebatte eingeordnet, die wirim nächsten Frühjahr führen wollen. Für ihn sei das jetztder Auftakt. Deswegen, Herr Müntefering, müssen wiruns vom Vorgehen her an das halten – dies ist meine ein-dringliche Bitte, wenn Sie das schnell über die Rundenbekommen wollen –, was zwischen uns vereinbart ist.
Es soll nämlich nach Tarifvertragsgesetz gehen, und dieBedingungen, zum Beispiel das 50-Prozent-Quorum,sollen eingehalten werden. Das muss nachgewiesen wer-den. Dies kann nicht über Briefdienstleistungen definiertwerden, sondern schlicht über Zahlen. Dazu will ich Ih-nen sagen: Sie drängen das einfach weg. Sie ändern ein-fach den vorliegenden Tarifvertrag. Von dem Tarifver-trag wird auch der erfasst, der als Zeitungszustellereinmal einen Brief mitnimmt.
– Entschuldigung, Herr Barthel, aber so steht es im Ta-rifvertrag. Wenn Sie als Gewerkschafter die vorgelegtenTarifverträge nicht ernst nehmen, dann ist das Ihre Sa-che. Ich nehme sie ernst.Wir müssen genau hinschauen, um Fehlentwicklun-gen vermeiden zu können. Herr Müntefering, eine Fehl-entwicklung muss uns ernsthaft Sorgen machen: In eini-gen Bereichen wollen nicht nur die ArbeitnehmerMindestlöhne bzw. Mindeststandards. Es ist vielmehr so,dass wir bei großen Arbeitgebern in allen möglichenWirtschaftsbereichen die Tendenz feststellen können,über Mindestlöhne und das Entsendegesetz wenigerWettbewerb in ihrer Branche zu erreichen. Das ist egois-tisch und muss uns große Sorgen machen.
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Ich verstehe diese Diskussion nicht. Herr Barthel, das,as Sie und Ihre Kollegen hier gesagt haben, ist nicht lo-isch. Vor dem Parteitag ist das vielleicht taktisch. Sieaben gesagt, dass bei den Briefzustellern Mindestlöhnerforderlich sind. Warum soll das nicht – das wäre nuronsequent – auch für sämtliche Zeitungszusteller gel-en? Wenn Mindestlöhne in diesem Bereich erforderlichind, warum wollen Sie dann die Zeitungszusteller he-ausnehmen? Sie wollen sie nur herausnehmen, damiter Vertrag von den Zahlen her genehmigungsfähig ist.
Das zweite Argument in diesem Zusammenhang ist,ass hier die Gewerkschaft mit dem Arbeitgeberver-and, mit dem Monopolisten Post, einen Vertrag ge-chlossen hat. Ich will ausnahmsweise einen Punkt auf-reifen, den Herr Gysi genannt hat. Ich verstehe nicht,arum ostdeutsche Unternehmen auf Basis ihrer Löhneicht in Westdeutschland als Konkurrenz auf dem Marktuftreten sollen. Warum macht man das?Wir müssen über verschiedene Aspekte dieses Tarif-ertrages reden. Uns muss es darum gehen – dieseruftrag ergibt sich aus dem Postgesetz –, für dieseneuen Wettbewerbsbereich hinsichtlich sozialer Min-eststandards gemeinsam eine saubere Lösung zu fin-en, die Wettbewerb ermöglicht und Dumpinglöhne ver-indert. Herr Müntefering, ich denke, Sie hatten vor demPD-Parteitag viel zu tun. Nach dem Parteitag solltenie aber, wenn Sie an einer schnellen Lösung interessiertind, alle Beteiligten – wie auch immer – an einen Tischolen und eine Lösung für die Probleme dieses neuenettbewerbssektors finden. Die Arbeitnehmer müsseneschützt werden, und wir müssen die Diskussion über
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Laurenz Meyer
Mindestlöhne und das Entsendegesetz auf einer sauberenvertraglichen Grundlage, wie zwischen uns vereinbart,weiterführen können.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 16/6735 an die in der Tagesord-nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esdazu andere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dannist die Überweisung so beschlossen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Parlamentari-sche Staatssekretär Ulrich Kasparick begeht heute sei-nen 50. Geburtstag. Das kommt auch bei anderen gele-gentlich vor, aber dass er seinen Geburtstag im Plenumdes Deutschen Bundestages beginnt, spricht für sein Stil-empfinden, was die angemessenen Rahmenbedingun-gen einer solchen Geburtstagsfeier angeht. Ich über-mittle Ihnen die Glückwünsche des ganzen Hauses.
Sie haben ja begründete Aussicht, dass aus Anlass IhresGeburtstages heute eine Massenveranstaltung auf dienächste folgt, sodass ich zuversichtlich bin, dass Sie die-sen Tag in besonders lebhafter Erinnerung behalten wer-den.Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 19 a bis19 f:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten WernerDreibus, Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKEGute Arbeit – Gutes LebenInitiative für eine gerechte Arbeitswelt– Drucksache 16/6698 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugendb) Beratung des Antrags der Abgeordneten WernerDreibus, Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKEArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schüt-zen – unbezahltes Probearbeiten verhindern– Drucksache 16/4909 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
RechtsausschussAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungridL
Dreibus, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKEBeschäftigungspolitische Verantwortung derBundesregierung bei der Deutschen TelekomAG– Drucksache 16/5677 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und Technologied) Beratung des Antrags der Abgeordneten KorneliaMöller, Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKESoziale Sicherung verbessern – Verdrängungsozialversicherungspflichtiger Beschäftigungverhindern– Drucksache 16/5809 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschusse) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
zu dem Antrag der Abgeordneten
Kornelia Möller, Werner Dreibus, Dr. BarbaraHöll, weiterer Abgeordneter und der FraktionDIE LINKEBezugsdauer des Arbeitslosengeldes I verlän-gern– Drucksachen 16/3538, 16/5685 –Berichterstattung:Abgeordneter Klaus Brandnerf) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
zu dem Antrag der Abgeordneten
Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, KorneliaMöller, weiterer Abgeordneter und der FraktionDIE LINKEAusweitung und Stärkung des Kündigungs-schutzes– Drucksachen 16/2080, 16/5813 –Berichterstattung:Abgeordnete Anette KrammeAuch hier soll nach einer interfraktionellen Vereinba-ung die Aussprache eine Stunde andauern. – Dazu hörech keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächster Kollege Oskar Lafontaine für die Fraktion Dieinke.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! In der letzten Sitzungswoche hat der Deutsche Bun-destag über die Entwicklung der Beschäftigung disku-tiert. Die regierenden Koalitionsparteien waren ganzstolz auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes und habendarauf hingewiesen, dass von ehemals 5 Millionen Ar-beitslosen nur noch 3,5 Millionen Arbeitslose übrig ge-blieben seien
und dass insofern alles zum Besten stehe.Natürlich wird jeder bei der ersten Betrachtung sagen:Es ist gut, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt und neue Ar-beitsplätze entstehen. Aber bei der zweiten Betrachtungmuss man fragen: Welche Arbeit ist eigentlich entstan-den? In dieser Situation ist es gut, dass der Deutsche Ge-werkschaftsbund ein Thema gesetzt hat, das wir gerneaufgreifen. Das Thema lautet: „Gute Arbeit“. Die Frage,die wir zu beantworten haben, ist, ob der Stolz, den Siehier aufgrund der Entwicklung des Arbeitsmarktes ge-zeigt haben, berechtigt ist, ob Sie also in den letzten Jah-ren gute Arbeit organisiert haben. Leider fällt an dieserStelle die Antwort äußerst negativ aus. Es ist zwar rich-tig, dass zusätzliche Arbeitsplätze entstanden sind, aberes ist leider so, dass immer schlechtere Arbeitsplätzeentstanden sind.
Sie sind schlecht bezahlt und befristet; es handelt sichum Leiharbeit usw.Dies ist eine ganz negative Entwicklung in unsererGesellschaft. Da Sie dem, wenn ein Abgeordneter derLinken so etwas sagt, sicherlich wenig Gewicht bei-messen, möchte ich jetzt eine Autorität zitieren, bei derSie es vielleicht schwer haben, zu widersprechen. Insbe-sondere Sie von den christlich-demokratischen Parteienhaben in den letzten Jahren in großem Umfang prekäreArbeit organisiert.
Papst Benedikt XVI. hat sich kürzlich zu diesen Arbeits-verhältnissen geäußert. Er hat sie als eine Bedrohung fürdie Gesellschaft bezeichnet. In einer Botschaft an die ita-lienischen Katholiken zählte er instabile Beschäftigungs-verhältnisse zu den ethischen und sozialen Notständen,wie in der Mailänder Tageszeitung Corriere della Seraberichtet wird. Diese Entwicklung beeinträchtige dengesellschaftlichen Zusammenhalt; denn sie erlaube jun-gen Menschen nicht, eine Familie zu gründen.
Das ist der eigentliche Skandal der schlechten Arbeit,für den die große Mehrheit dieses Hauses die Verantwor-tung trägt. Uns ist völlig unverständlich, was es da zufeixen gibt. Das ist auch der großen Mehrheit der Bürge-rlnkiDdbsivrsgzSsbrlMzdawsThMesWwwdbAdddu
Die schlechte Arbeit, die Sie organisiert haben, hat ei-en Namen. Das sind Mini- und Midijobs. Von ihnenann man nicht leben. Das sind Niedriglöhne, die sichmmer weiter ausbreiten. Von niedrigen Löhnen ineutschland kann man nicht leben. Das Bedauerlichearan ist, dass 70 Prozent dieser Arbeitsplätze Frauenar-eitsplätze sind. Was soll das Gerede über die Gleich-tellung der Frau in Beruf und Gesellschaft, solange wirmmer noch diesen gesellschaftlichen Skandal haben?
Schlechte Arbeitsplätze sind 1-Euro-Jobs, auf dieiele ja noch stolz waren. Sie haben immer wieder da-auf verwiesen, dass sie eine gute Lösung seien für Men-chen, die arbeitslos sind. Sie fänden so eine Gele-enheit, in den sogenannten ersten Arbeitsmarkturückzukehren.Schlechte Arbeit sind befristete Arbeitsplätze, für dieie in großem Umfang aufgrund Ihrer fehlerhaften Ent-cheidungen in den letzten Jahren gesorgt haben. Sie ha-en immer noch nicht begriffen, dass der Papst völligecht hat. Sie sind verantwortlich dafür, dass das Fami-ienleben in Deutschland zerstört wurde, dass jungeenschen sich nicht mehr entschließen können, Kinderu bekommen, weil die finanziellen und materiellen Be-ingungen dafür nicht mehr gegeben sind.
Wer nicht weiß, ob er in einigen Monaten noch Gelduf dem Konto hat, würde verantwortungslos handeln,enn er eine Familie gründen und Kinder in die Weltetzen würde. Das ist der Zusammenhang. Mit dieseratsache müssen Sie sich konfrontieren. Ich sage auchier: Ihr Feixen ist an dieser Stelle völlig unverständlich.an hat die Vermutung, dass Sie gar nicht mehr nach-mpfinden, was schlechte Arbeitsplätze in unserer Ge-ellschaft für viele Familien bedeuten.
Schlechte Arbeitsplätze sind auch Leiharbeitsplätze.ir reden nun schon seit Jahren über die negative Ent-icklung bei den Leiharbeitsplätzen – nichts ist geregeltorden. Die vielen Beschlüsse auf Parteitagen ändern anem Sachverhalt überhaupt nichts: Leiharbeitsplätzeringen es mit sich, dass Arbeitnehmer, die die gleicherbeit wie andere Arbeitnehmer leisten, mit der Hälftees Lohns jener zufrieden sein müssen, mit einem Lohn,er kaum die Existenz sichert. Schaffen Sie endlichiese skandalösen Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt ab,nd reden Sie nicht über gute Arbeit!
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Der Zwang zu schlechter Arbeit ist durch Hartz IVbegründet worden. Jeder, der heute die Agenda 2010rechtfertigt, jeder, der auf Hartz IV noch stolz ist, solltesich schämen, wenn er von guter Arbeit spricht. Er solltesich wirklich schämen, weil er überhaupt nichts, aberauch wirklich nichts verstanden hat.
Hartz IV brachte schlicht und einfach den Zwang mitsich, jede Arbeit anzunehmen, sei sie auch noch soschlecht bezahlt
und sei sie auch überhaupt nicht mehr in Übereinstim-mung mit der Qualifikation desjenigen, der diese Arbeitannehmen muss. Hartz IV ist nicht nur Armut per Ge-setz, sondern auch Demütigung per Gesetz!
Eine demokratische Gesellschaft sollte niemanden de-mütigen.Sie haben den Weg zur schlechten Arbeit auch nochgepflastert, indem Sie in großem Umfang Privatisierun-gen durchgeführt haben. Davon war ja bereits die Rede.Haben Sie sich überhaupt einmal – ich greife die Debattevon vorhin auf – angeschaut, was sich zum Beispiel imArbeitsleben der Beschäftigten der Post verändert hat?Der Briefträger war früher eine Institution im Dorf bzw.auf dem Lande. Dem Briefträger kam in manchen Dör-fern eine solche Rolle zu, dass er im Ansehen gleichnach dem Lehrer und dem Pfarrer stand. Heute habenSie nur noch gehetzte Beschäftigte, die schlecht bezahltwerden und nicht mehr wissen, wie sie ihre Arbeit über-haupt noch bewältigen sollen. Das haben Sie alle mit Ih-rem Privatisierungswahn angerichtet, und Sie haben im-mer noch nicht begriffen, was der zur Folge hat.
Ein anderes Beispiel: Schauen Sie sich einmal dieEntwicklung der Löhne bei den Beschäftigten der Bahn,auch die der Lokführer – jawohl! –, und die Entwicklungder Bezüge beim Bahnvorstand an. Dann sehen Sie, wasPrivatisierung heißt. Warum lernen Sie nicht daraus,meine sehr geehrten Damen und Herren?
Eine Folge davon ist auch, dass jetzt 2,6 MillionenKinder in Armut leben. Das ist nämlich eine Folge die-ser negativen Entwicklung zu schlechten Löhnen undschlechter Arbeit. Eine weitere Folge ist, dass diejeni-gen, die niedrige Löhne haben, eine Rente in Höhe vonnur 39 Prozent ihrer Bruttolöhne erwarten können. Dasalles haben Sie angerichtet. Es ist zwar gut, wenn imSPD-Grundsatzprogramm jetzt der schöne Satz steht:„wcdrLAbdirlrsSGIuEGFdKwB–sVEddi
Die Kollegin Gitta Connemann ist die nächste Redne-
in für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Zu-chauer! Sie sahen gerade eine weitere Folge aus dertaffel unserer beliebten Telenovela „Oskar – Wege zumlück“ bzw. „Verwirrt in Berlin“.
n den Hauptrollen sehen Sie neben Oskar Lafontainend Gregor Gysi Charakterdarsteller wie Katja Kipping.
s erwarten Sie Pathos, Leidenschaft und das wohligeefühl der Wiederholung. Das Drehbuch der linkenraktion verblüfft einmal mehr durch große Worte undramatische Inhalte. Lassen Sie sich weiter überraschen! –lappe.
Meine Damen und Herren von der Linken, es wirktie eine Seifenoper, wenn man wie Sie den Deutschenundestag Woche um Woche durch Massenanträgeheute sind es gleich sechs an der Zahl – als Bühne in-trumentalisiert.
iel Masse, wenig Klasse, immer getreu dem Motto:inmal Vollwaschgang für die Volkswirtschaft. – Undas immer wieder aufs Neue. Blendend daran sind nurie Überschriften wie „Gute Arbeit – Gutes Leben“. Dasst Politik für den Boulevard, Herr Kollege Lafontaine.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2007 12627
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Gitta ConnemannEs geht Ihnen nicht um Wirksamkeit, sondern ledig-lich um Wirkung. Die Inhalte Ihrer Anträge sind deshalbhandwerklich lieblos und beliebig; siehe nur die Höhedes Mindestlohns: Heute zeigt Ihr Mindestlohn-DAX8,44 Euro an. Dieser kann sich aber täglich ändern. Sojedenfalls zeigen es Ihre Anträge in der vergangenenZeit; es gab eigentlich fast keine Zahl, die Sie nichtschon vertreten hätten.Zugespitzt sind lediglich die Begrifflichkeiten, mitdenen Sie arbeiten, polemisieren und ausgrenzen. Dagibt es neue Wortschöpfungen wie „Solo-Selbststän-dige“, und es ist von befristeten und deshalb prekärenArbeitsverhältnissen die Rede. Meine Damen und Her-ren von der Linken, wer gibt Ihnen eigentlich das Recht,Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich tagtäg-lich um ihren Lebensunterhalt bemühen, als Prekariat zuverunglimpfen?
Niemand, insbesondere nicht Ihre Wähler; denn diesehaben Sie beauftragt, nicht zu polemisieren, sondernSachpolitik zu machen. Ihr Politikgebaren, meine Da-men und Herren von der Linken, ist Auftragsverweige-rung an Ihren Wählern.
Wie wenig es Ihnen um objektive Darstellung undwie sehr nur um politische Meinungsmache geht, macheich an einem einzigen Beispiel aus Ihren Anträgen deut-lich, über das sich auch schon mein Vorredner ereiferthat: dem Thema Zeitarbeit. Sie wird von Ihnen als aty-pische Beschäftigung diffamiert, durch die – ich zitiere –„sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhält-nisse ersetzt, Standards unterlaufen und so Kosten ge-spart werden“.
Die Zahlen belegen, meine Damen und Herren vonder Linken, dass Sie die Tatsachen verdrehen.
Durch Zeitarbeit entstehen Chancen.
Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren zweiDrittel – genau 68 Prozent – der Zeitarbeitnehmer, dieim Jahre 2006 neu eingestellt wurden, vor ihrer Beschäf-tigung arbeitslos. Jetzt stehen sie bei einem Arbeitgeberin einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhält-nis, lediglich mit wechselnden Arbeitsorten. Die Zeit-arbeit ist ein Sprungbrett. Jeder dritte Zeitarbeitnehmerwird von einem Entleiher übernommen. Damit hat dieZeitarbeit erheblich zum Aufschwung beigetragen.ZKhdzdBpzBdnEBmdIuebwJninAmsdzdzbwüddHdÜDnisAlmgl
Rund ein Viertel der neuen Vollzeitstellen geht auf dieinstellungen von Zeitarbeitsunternehmen zurück. Dieranche leistet vor allem mit der Qualifizierung im Rah-en der Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Überwin-ung von Langzeitarbeitslosigkeit. Ich weiß, dass dies inhr Schwarz-Weiß-Gemälde nicht passt und in Ihr Gut-nd-böse-Drama keinen Eingang finden darf. Dies zeigtinmal mehr, dass Sie sich mit Realitäten in den Betrie-en nicht auseinandersetzen. Informierten Sie sich,üssten Sie, dass in dieser Branche ab August nächstenahres ein neuer Ausbildungsberuf in Form des Perso-aldienstleistungskaufmanns angeboten wird und dassm Falle der Zulassung von Verbundausbildung weitereeue Ausbildungsplätze geschaffen werden könnten.uch in Zukunft kann die Zeitarbeit ein Beschäftigungs-otor sein, wenn die Politik nicht Sand ins Getriebetreut, wie Sie es wollen, meine Damen und Herren voner Linken.Politik gestaltet. Dass sie dies mit Erfolg tun kann,eigt die Bilanz am Arbeitsmarkt. Im September warie Arbeitslosigkeit in Deutschland so niedrig wie seitwölf Jahren nicht mehr. Es gibt 1 Million weniger ar-eitslose Menschen als vor zwei Jahren und fast 700 000eniger als vor einem Jahr. Gerade unter 25-Jährige undber 50-Jährige konnten den Weg zurück in Arbeit fin-en. Über zwei Drittel der 55- bis 59-Jährigen sind wie-er in Beschäftigung.
inzu kommt, dass es 1 Million offene Stellen gibt undass der Haushalt der Bundesagentur für Arbeit einenberschuss von mehr als 11 Milliarden Euro ausweist.as ist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Hier kön-en wir zu Recht sagen: Wir sind auf dem richtigen Weg.Dass wir auf dem richtigen Weg sind, wird uns auchm Jahresgutachten der führenden Wirtschaftsfor-chungsinstitute bestätigt. Auch 2008 wird ein Jahr desufschwungs sein. Die Chancen, die Zahl der Arbeits-osen auf unter 3,5 Millionen zu senken, sind gut. Wirüssen sie nutzen.
Eines dürfen wir allerdings nicht tun: den eingeschla-enen Kurs verlassen. Genau darauf zielen aber die vor-iegenden Anträge. Sie sind eine Rolle rückwärts. Ihre
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Gitta ConnemannAnträge beinhalten wieder einmal die stereotype Forde-rung nach mehr sozialer Gerechtigkeit. Meine Damenund Herren von der Linken, das Ausmaß der sozialenGerechtigkeit lässt sich nicht am Umfang sozialer Leis-tungen festmachen, sondern an größerer Teilhabe an Bil-dung, Ausbildung und Arbeit. Die Schaffung bessererBeschäftigungschancen für ältere Menschen ist gerech-ter als Frühverrentung, und die stärkere Befähigung zurSelbsthilfe ist gerechter als die Zahlung höherer staatli-cher Transfers.Das oberste Ziel der schwarz-roten Bundesregierungist und bleibt die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.Sie ist nach wie vor zu hoch; auch hier sind wir uns ei-nig. Mehr als 3,5 Millionen Menschen sind ohne Arbeit,und wir dürfen nicht vergessen: Hinter jeder Zahl stecktein Einzelschicksal. Mehr als die Hälfte davon sind Ge-ringqualifizierte: Menschen ohne Schulabschluss, ohneAusbildung und damit zuhauf ohne Perspektive. Wennwir diesen Menschen wirklich helfen wollen, müssenwir am Kurs des Förderns und Forderns festhalten.Wir fördern übrigens auch im Rahmen des neuenHaushalts, indem wir den Arbeitsgemeinschaften undOptionskommunen im nächsten Jahr 1 Milliarde Euromehr an Eingliederungsmitteln zur Verfügung stellen,und das bei einem Rückgang der Zahl der Arbeitslosenum 1 Million. Wir erkennen, dass die Qualifizierung undVermittlung der jetzt noch Arbeitslosen natürlichschwieriger ist, weil sie es mit mehr Problemen und grö-ßeren Hemmnissen zu tun haben. Wir stehen gerade beiden Menschen in der Pflicht, die bemüht sind. Ihnenmuss geholfen werden, zum Beispiel durch Qualifika-tion.Wir müssen aber auch die Fragen, die sie haben, be-antworten. Manche dieser Menschen leben im ländli-chen Raum und fragen sich: Wie komme ich an einenArbeits- oder Ausbildungsplatz, wenn mir der öffentli-che Personennahverkehr keine ausreichenden Möglich-keiten bietet? Das sind Probleme, die vor allem in ländli-chen Regionen, auch in meiner Heimat, bestehen. Hiermuss der Gesetzgeber entsprechende Möglichkeitenschaffen.So wie wir unsere Pflicht tun, müssen auch die Leis-tungsempfänger ihren Beitrag leisten. Manchmal bedarfes dafür auch Sanktionen. Darauf zu verzichten oder dasZumutbarkeitserfordernis zu begrenzen, würde die Ar-beitsanreize vermindern. Das wäre ein vollkommen fal-sches Signal; denn wir haben erlebt, dass insbesonderediese Mittel für den Erfolg am Arbeitsmarkt gesorgt ha-ben.Das wäre gerade für diejenigen das falsche Signal,die die Steuermittel erwirtschaften. Unsere Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer müssen endlich wieder denEindruck haben, dass sich Arbeit lohnt. Zurzeit ächzensie unter der Steuer- und Abgabenlast; das ist unstrittig.Deswegen gehen viele Menschen im Rahmen eines400-Euro-Jobs – Sie wollen ja, dass diese Jobs abge-schafft werden – einer Nebenbeschäftigung nach; derReiz besteht hier in der Sozialabgabenfreiheit.sdAsszAezmllmdDsdv–füDAGiwfgnzbtSndddwbdD
Der Aufschwung, den wir erleben, ist das Gemein-chaftswerk der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,er Betriebe und der richtigen Politik. Insbesondere dierbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen an die-em Aufschwung beteiligt werden. Die Teilhabe daranteht ihnen zu. Deshalb werden wir den Beitragssatzur Arbeitslosenversicherung auf 3,5 Prozent senken.
llein dieser Schritt hat eine Erhöhung der Kaufkraft ininer Größenordnung von mehr als 21 Milliarden Eurour Folge. Keinen einzigen dieser Wege geht die Linkeit. Statt die Lohnnebenkosten zu senken, macht sie sichieber stark für populäre Sozialtransfers, auch wenn dieetztlich zulasten der Arbeitnehmer und des Arbeits-arktes gehen. Die Spendierhosen anziehen, ohne dassas gegenfinanziert ist – dafür sind wir nicht zu haben.enn eines dürfen wir bei allen Erfolgen nicht verges-en: Der Staat braucht Ausgabendisziplin. Das könnenie nachfolgenden Generationen von uns erwarten, jaerlangen. Das gilt ebenso für Investitionen in Bildung die wir vornehmen werden –; denn sie sind die Basisür das Wachstum und den Wohlstand von morgen undbermorgen.Mit Ihren Anträgen leisten Sie dazu keinen Beitrag.eshalb werden wir sie ablehnen. So wie Sie es in Ihrennträgen fordern, funktioniert es nicht. Der Weg zumlück ist nun einmal mühsam und arbeitsintensiv, und esst notwendig, diesen mühsamen Weg zu gehen; dennir befinden uns im Bundestag eben nicht in einer Sei-enoper.Vielen Dank.
Das Wort für eine Kurzintervention erhält die Kolle-
in Karin Binder.
Frau Kollegin Connemann, sind Sie bereit, zur Kennt-is zu nehmen, dass in Leiharbeitsfirmen Beschäftigteum Teil um ein Drittel niedrigere Löhne und Gehältereziehen als Menschen, die dieselbe Tätigkeit verrich-en, aber zur sogenannten Stammbelegschaft gehören?ind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die soge-annten Stammbelegschaften von den Arbeitgebernank dieser Lohndumpingpolitik ständig reduziert wer-en?Die dadurch erzeugte Arbeitslosigkeit führt dazu,ass sich die Lohndumpingspirale weiterdreht; dennenn sich die Menschen in diese Leiharbeitsverhältnisseegeben müssen, führt das, weil sie ihren Lebensstan-ard drastisch senken müssen, zu Kaufkraftverlusten etc.iese Lohndumpingpolitik, die von Ihnen mithilfe der
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Karin BinderLeiharbeitsfirmen betrieben wird, senkt die Standards al-ler Menschen in diesem Land. Nicht nur die Löhne undGehälter, auch die Arbeitsbedingungen sind davon be-troffen, zum Beispiel die Arbeitszeit.Sind Sie sich darüber im Klaren, dass die Arbeitgeber-anteile an den Sozialversicherungen, die „Lohnneben-kosten“, wie Sie sie ständig bezeichnen, Lohnbestand-teile sind, die, weil das Geld angeblich nicht da sei, seitJahren zulasten der Beschäftigten gesenkt werden, wo-durch ihr Anspruch auf Leistungen reduziert wird?
Das sind die Konsequenzen der Senkung der sogenann-ten Lohnnebenkosten. Begreifen Sie endlich, dass essich um Lohnbestandteile handelt!Ferner habe ich die große Bitte an Sie, sich unserenAntrag wirklich anzuschauen, sich mit unseren Forde-rungen zu beschäftigen und zu registrieren, dass Finan-zierungsvorschläge damit verbunden sind.Ich danke.
Zur Erwiderung Frau Connemann. Bitte schön.
Nein, Frau Kollegin.
Sie haben mich gefragt, ob ich mich mit Ihren Anträ-
gen auseinandergesetzt habe. Leider muss ich das Woche
für Woche tun, weil Sie uns mit einer Masse von Anträ-
gen überziehen. Mir ist einmal mehr aufgefallen, dass es
in Ihren Anträgen enorme inhaltliche Ungenauigkeiten
gibt. Da widerspricht der eine Antrag dem anderen. Sie
haben, wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten,
sechs Anträge vorgelegt. Ich weiß nicht, ob Sie Ihre An-
träge selbst gelesen haben. Sie würden schon – darauf
habe ich bereits hingewiesen – einen Beitrag zur Verbes-
serung Ihrer Anträge leisten, wenn Sie sich auf ein einzi-
ges Mindestlohnniveau verständigen könnten; das nur
als kleinen Rat.
Im Übrigen muss ich sagen, dass mir natürlich klar
ist, dass Ihnen die Zahlen, die belegen, dass die Zeitar-
beit nicht das ist, als das Sie sie hinzustellen versuchen,
nämlich als das Schmuddelkind einer Branche, nicht
passen. Aber ich empfehle Ihnen sehr, sich mit den Ge-
gebenheiten auseinanderzusetzen.
Dann werden Sie sehen, dass ein Zeitarbeitsunterneh-
men mit einem Zeitarbeitnehmer einen ganz normalen
Arbeitsvertrag abschließt, der zu einem sozialversiche-
rungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis führt. Das ist
eben anders als in den anderen europäischen Ländern,
wo es das Prinzip der Agenturverträge gibt, sodass dort
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as war es wohl nicht, Herr Brandner. Die Liste derünsche ist lang. Sie reicht von der Leiharbeit über dieeringfügige Beschäftigung und die Ausweitung desündigungsschutzes bis hin zum Mindestlohn,
rei nach dem Motto: Anything goes, alles ist möglich.eld spielt keine Rolle.Bei der Lektüre der Anträge und vor allen Dingen desusammenfassenden Antrags zur guten Arbeit,
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12630 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2007
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Dr. Heinrich L. Kolb
die Sie formuliert haben, lässt erneut – ich muss das sosagen – Pippi Langstrumpf grüßen: Ich mache mir dieWelt, wiediewiediewie sie mir gefällt.
Ich könnte meine Rede abkürzen,
indem ich kurz und bündig feststelle: Die FDP vertrittbei allem, was die Linken fordern, die genau entgegen-gesetzte Position.
Herr Kollege Lafontaine, Sie haben hier die Zeitar-beit verteufelt, indem Sie sagen, dass, wenn jemand be-fristet beschäftigt ist, er keine Perspektive mehr hat, Kin-der zu bekommen. Wenn das, was Sie sagen, richtigwäre, dann dürften sich in Deutschland nur noch Beamtefortpflanzen,
weil jedem Arbeitnehmer beispielsweise durch den Kon-kurs des eigenen Arbeitgebers ein solches Schicksal dro-hen kann.
Um das hier auch deutlich zu sagen: Ich finde, ein befris-teter Arbeitsplatz in einem Zeitarbeitsunternehmen istallemal besser als unbefristete Arbeitslosigkeit. Das soll-ten wir hier auch gemeinsam feststellen.
Ich muss sagen: Bei dem, was ich gelesen habe, drän-gen sich mir schon einige Fragen auf. Was gute Arbeitist, lässt sich am Ende Ihres Antrags ja nachlesen: Dasist ein unbefristeter, sicherer – gemeint ist: unkündba-rer – Arbeitsplatz mit einem verlässlichen und sicherenEinkommen.
Mal ehrlich: Wer von uns würde sich das nicht wün-schen?Deswegen sehe ich die Strategen der SPD, Kurt Beck,Andrea Nahles und andere, schon darüber grübeln, wieman jetzt auch hier der Linken das Wasser abgrabenkann.
Dem Vernehmen nach soll es in Hamburg ja auch schoneinen Antrag „Gute Arbeit“ geben. Auch die CDU wirdbei dem Gedanken, die SPD könne in der öffentlichenWahrnehmung sozialer erscheinen als sie selbst, be-stimmt schon wieder ganz unruhig.
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ie DDR lässt grüßen. Sie feiert fröhliche Urständ. Aberieses Experiment ist schon einmal gescheitert, und wirollen uns nicht erneut darauf einlassen.
enn das ist das Problem, Herr Kollege Lafontaine:enn es am Ende allen gleich gut gehen soll, wie es Ih-en Vorstellungen entspricht, dann wird es am Ende allenleich schlecht gehen.
as ist die Erfahrung, die wir aus der DDR mitgenom-en haben. Darum kann es uns nicht gehen.Eine weitere Frage, die sich in diesem Zusammen-ang stellt, kann ich nur kurz anreißen: Was passiert ei-entlich, wenn jemand keine gute Arbeit hat? Nach denon Ihnen vorgelegten Zahlen haben nur 12 Prozent derenschen eine gute Arbeit.
4 Prozent sind in mittelmäßigen und 34 Prozent inchlechten Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Kann mans diesen Menschen noch zumuten, morgens zur Arbeitu gehen? Muss der Staat nicht ersatzweise eintreten undür das Auskommen dieser Menschen sorgen?Was Sie vorgelegt haben, enthält so viele Ungereimt-eiten, dass man es nicht mittragen kann. Ihre Anträgegnorieren von vorne bis hinten ökonomische Gesetzmä-igkeiten.
Herr Kollege.
Sie sind zum Scheitern verurteilt, wie schon zuvor dieDR zum Scheitern verurteilt war, weil sie glaubte, sol-he Gesetzmäßigkeiten vernachlässigen zu können.
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Dr. Heinrich L. Kolb
Ich bin am Ende meiner Redezeit.
Längst.
Darauf wird mich der Präsident jetzt hinweisen. –
Selbst wenn Sie sie noch so massiert einbringen, werden
Ihre Anträge nicht besser. Sie müssen von uns konse-
quent abgelehnt werden.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun die Kollegin Andrea Nahles, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ar-beit gehört zum menschenwürdigen Leben, aber siemuss auch menschenwürdig sein. Nicht jede Arbeit inDeutschland ist gute Arbeit. Gute Arbeit bedeutet füruns Sozialdemokraten Arbeit, die gerecht entlohnt ist,die nicht krank macht, die Anerkennung für das bietet,was geschaffen wird, und die vor allem die eingebrachteQualifikation erhält und weiter ausbaut.Gute Arbeit ist durchaus auch selbstständige Arbeit.Sie kann auch ehrenamtlich motiviert sein. Gute Arbeitist jede Arbeit, das heißt auch jede einfache Tätigkeit.Ich denke dabei an Toni Schaaf, der früher die Müllmän-ner vertreten hat. Das ist für mich genauso gute Arbeitwie die der Krankenschwester oder des Ingenieurs. Dasverdient Anerkennung und Respekt.
Wir haben an dieser Stelle aber festzuhalten, dassnicht das sozial ist, was Arbeit schafft; es muss noch et-was dazukommen: Sozial ist, was gute Arbeit schafft.Sie sollten bei Ihrem Bild der Zeitarbeit auf den Weich-zeichner verzichten, Frau Connemann.
Ich kenne einen Frank Winkler, der bei BMW als Zeitar-beiter beschäftigt ist und für dieselbe taktgebundeneharte Arbeit 1 263 Euro verdient, für die sein Kollegenebenan das Doppelte bekommt. Das ist auf Dauer nichtin Ordnung.
Frank Winkler wird nicht über die Personalabteilungbeschäftigt, sondern über den Materialeinkauf. WennMenschen so zu Ware werden, dann stimmt in diesemLand etwas nicht.muwdpbsDPDPsvwBvstdtbwdbhnsAzvhbaczAaud
eswegen brauchen wir – das betone ich – eine Equal-ay-Regelung ohne Ausnahme der christlichen Gewerk-chaften.Es kann aber dieser Großen Koalition wahrlich nichtorgeworfen werden – wie es heute Morgen der Fallar –, wir hätten das Ziel der guten Arbeit nicht imlick. Wenn seit letztem Jahr 550 000 zusätzliche sozial-ersicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse ent-tanden sind, dann ist das ein richtiger Schritt in Rich-ung guter Arbeit. Das ist unsere gemeinsame Leistung,ie wir in der Großen Koalition zusammen mit den Un-ernehmen und den Arbeitnehmern in diesem Land er-racht haben.
Ich glaube, wir brauchen auch eine Debatte darüber,ie es um die Leistungsverdichtung bei denjenigen,ie Arbeit haben, in unserem Lande bestellt ist. Wir ha-en nicht nur über diejenigen zu reden, die keine Arbeitaben – das ist schlimm genug, und dafür müssen wiroch mehr tun –,
ondern wir müssen auch über diejenigen reden, die inrbeit sind und deren Arbeitsbedingungen sich durchusätzliche unbezahlte Überstunden, durch Leistungs-erdichtung und Produktivitätssteigerungen verändertaben.Ich sehe Arbeitszeit immer auch in Korrelation zu Le-enszeit. Gute Arbeit ist das eine und gutes Leben dasndere. Das gehört für uns zusammen. Deswegen brau-hen wir zum Beispiel auch Pflegezeiten, damit manehn Tage Auszeit nehmen kann und Zeit zur Pflege vonngehörigen hat.
Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum der Ko-litionspartner an dieser Stelle einfach dicht gemacht hatnd diese Forderung abgelehnt hat. Das ist nicht anstän-ig.
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Andrea NahlesEs müssen eben Arbeits- und Lebenszeit miteinanderverbunden werden. Insoweit hoffe ich an dieser Stelledoch noch auf Besserung.Wenn es richtig ist, was wir alle festgehalten haben,nämlich dass wir mehr tun müssen, um die Qualität vonArbeit in das Zentrum zu rücken, dann ist aus meinerSicht die DGB-Kampagne die richtige. Aber ich möchtenoch eine andere erwähnen. Sie ist von der IG Metall inNordrhein-Westfalen aufgelegt worden und hieß „besserstatt billiger“. Aus dieser Idee – „besser statt billiger“ –speist sich im Kern eigentlich ganz klar das, was inDeutschland unsere Stärke ist. Wir sind ein Hochlohn-land. Wir werden es nur bleiben – mit hohen Löhnen,mit fairen Arbeitsbedingungen, mit guter Arbeit, mit Ar-beit, die nicht krank macht –, wenn wir es tatsächlichschaffen, auch in Zukunft besser ausgebildete Fachar-beitskräfte im eigenen Land zu haben.
Deswegen dürfen wir auch nicht einfach sagen:„Scheunentor auf, jetzt kommen die Facharbeiter ausden anderen Ländern, die dort ausgebildet worden sind“,sondern wir müssen durch mehr Investition in Bildungunsere eigenen Potenziale bis auf den letzten Mann unddie letzte Maus nutzen, damit wir an dieser Stelle die Zu-kunft nicht verpassen und das Hochlohnland Deutsch-land und damit auch gute Arbeit absichern können.
Letzter Punkt. Bei den Anträgen, die hier heute disku-tiert werden, habe ich mich wirklich darüber geärgert,dass ein Antrag den Appell enthält, die Sozialdemokratiesoll sich doch bitte einmal um Kündigungsschutz küm-mern. – Keine Sorge, der ist bei uns in guten Händen;der ist bei der Sozialdemokratie in guten Händen. AmKündigungsschutz wird auch in der Großen Koalitionnicht gerüttelt, auch wenn das einige hier im Saal anderssehen.
Zu guter Arbeit gehört für uns Sozialdemokraten ganzelementar: Teilhabe am Haben und Sagen, Mitbestim-mung. Deswegen wünsche ich mir, dass Betriebsräte indiesem Land noch mehr Initiativrechte bekommen, umetwas gegen Leiharbeit tun zu können, aber auch mehrInitiativrechte bekommen, um in den Betrieben zumBeispiel mehr für eine qualifizierte Weiterbildung ge-rade auch von Älteren tun zu können, als es derzeit mög-lich ist. Wir haben in diesen Tagen einen Bericht vorge-legt, in dem wir sagen, was wir tun können, damit Älteretatsächlich lange fit und gut ausgebildet im Erwerbsle-ben bleiben. Auch an dieser Stelle ist es ein Schwer-punkt, die Weiterbildungsoptionen in unserem Land zuverbessern.
Frau Nahles, wollen Sie eine Zwischenfrage zulas-
sen?
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ch muss jetzt leider Schluss machen. Ich hoffe, Sie ha-
en dafür Verständnis.
Gute Arbeit ist für mich ein gutes Anliegen. Wenn es
afür in diesem Land breite Unterstützung von Gewerk-
chaften und anderen gibt, dann ist uns das sehr will-
ommen.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Brigitte Pothmer,
ündnis 90/Die Grünen.
Das begeistert Sie doch sicherlich, Herr Brauksiepe,icht wahr?Herr Lafontaine, wenn ich das richtig sehe, haben Sieie Inhalte der Anträge Ihrer Fraktion in der Broschüreit dem Titel „Manifest für gute Arbeit“ zusammenge-asst und sie der Presse vorgestellt. Sie sind, als Sie inrauer Vorzeit saarländischer Ministerpräsident warenlang ist’s her –, wegen Ihres Führungsstils als Napo-eon von der Saar bezeichnet worden. Ich finde, der ver-uchte Rollentausch vom Kaiser zum Karl will Ihnenicht so richtig gelingen. Das liegt nicht nur an der feh-enden Lockenpracht, Herr Lafontaine.
Sie von der Linken weisen zu Recht auf die Zunahmeer Zahl atypischer Beschäftigungsverhältnisse hin.as will ich hier deutlich sagen, Frau Connemann. Esibt unbestritten Fehlentwicklungen und Missbräuche,ie wir dringend bekämpfen müssen. Das Problem istber, dass Sie es sich zu einfach machen. Ihre Ideen sindicht mächtig, sondern zielen leider mächtig an den Zie-en vorbei, die wir eigentlich gemeinsam verfolgen soll-en. Sie reagieren auf die Probleme von heute im We-entlichen mit Lösungen von gestern,
uch wenn Sie behaupten, Ihr Zurück sei eigentlich einorwärts. Ich habe den Eindruck, dass Ihnen das Gefühlür die Richtung vollständig verloren gegangen ist.
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Brigitte PothmerDas ist in zweifacher Hinsicht problematisch. Sie ver-sprechen den Menschen etwas, was Sie garantiert nichthalten können. Überall dort, wo Sie in der Regierungs-verantwortung sind, beweisen Sie, dass Sie Ihre Verspre-chen nicht halten können.
Das ist der Grund dafür, dass diejenigen, die von derLinken bzw. der PDS in der Regierungsverantwortungsind, über den Populismus, den Sie, wo Sie gehen undstehen, betreiben, so verzweifelt sind. Sie erwecken Illu-sionen, denen Sie nicht ansatzweise gerecht werden.Herr Lafontaine, Opposition ist aber noch kein Freibrieffür Verantwortungslosigkeit. Enttäuschung und fortge-setzter Vertrauensverlust sind bei Ihrer Politik vorpro-grammiert.
Sie verweigern sich den Lösungen, mit denen wir tat-sächlich mehr Sicherheit und mehr Gerechtigkeit für dieMenschen schaffen. Das ist eine wichtige Aufgabe. Da-für brauchen wir jeden Bündnispartner. Schade, dass Sienicht dabei sein wollen.Ich will die Herausforderungen und ein paar Lösungs-ansätze an einigen Beispielen deutlich machen. Nehmenwir einmal das Arbeitslosengeld. Ja, es gibt hier Hand-lungsbedarf. Aber es geht nicht um eine Verlängerungder Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I für Ältere.Was uns umtreibt und womit Sie sich eigentlich beschäf-tigen müssten, ist die Tatsache, dass die Zahl unsteter Er-werbsverläufe sowie Projekt- und Saisonarbeit zuneh-men und dass viele Menschen, die in dieArbeitslosenversicherung einzahlen, aufgrund der kur-zen Einzahlungsdauer nichts herausbekommen. Dasmüssen wir verändern.
Natürlich können wir versuchen, die Arbeit zu normie-ren. Aber das wird leider nichts ändern. Wir müssenvielmehr die Sicherungssysteme den veränderten Ar-beitsbedingungen und den Herausforderungen, denendie Menschen gegenüberstehen, anpassen.Ich nehme die Leiharbeit als weiteres Beispiel. Ichgebe Ihnen recht: Es gibt Unternehmen, die die Leihar-beit als Lohndrückerei und für den Ersatz regulärer Ar-beitsplätze missbrauchen. Frau Connemann, es ist nichtrichtig, dass Sie das alles ignorieren und gesundbeten. Esgibt hier Probleme. Aber Zeitarbeit ist erwiesenermaßen– das können Sie nicht leugnen – auch eine Brücke fürArbeitslose in den Erwerbsarbeitsmarkt. Also müssenwir versuchen, Regelungen zu finden, die den Miss-brauch verhindern und gleichzeitig die Brücke zur Be-schäftigung nicht abreißen.
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uch dafür haben wir Ihnen einen Vorschlag vorgelegt,ämlich das Progressivmodell, das dieser Herausforde-ung gerecht wird.Beispiel Mindestlohn: Ja – das haben wir vorhin hieriskutiert –, wir sind ausdrücklich für einen Mindestlohnn allen Branchen. Aber wenn wir es so machen würden,ie Sie es wollen, nämlich einen Lohn für alle – Herrysi, Sie haben darauf hingewiesen –, dann hätten wir iner Postbranche niemals einen Mindestlohn von 9 Euroder 9,80 Euro, wobei ich übrigens Ihre Kritik an unter-chiedlichen Mindestlöhnen in Ost und West teile. Dasst auch aus meiner Sicht nicht richtig. Ich glaube, Sieriegen das Problem dann in den Griff, wenn Sie bran-henspezifische Mindestlöhne einführen. Dann könnenie den jeweiligen Bedingungen gerecht werden.
Darunter brauchen wir eine Marge, unter die keinerallen darf.
as ist leider nicht richtig.Wir haben tatsächlich viele Probleme auf dem Ar-eitsmarkt. Das lässt sich überhaupt nicht bestreiten.ber durch das Herbeireden der guten alten Zeit lassenie sich leider nicht lösen. Wir brauchen differenziertentworten. Wir müssen nach vorne schauen. Es nütztichts, die Räder einfach zurückzudrehen. Ich kann Sie,err Lafontaine, nur auffordern: Machen Sie sich aufon den Höhen der postsozialistischen Rhetorik in dieiederungen und Mühen der Wirklichkeit. Dann lässtich außer Parolen etwas schaffen, nämlich Sicherheitnd Arbeit. Das wollen wir.
Nun erhält der Kollege Paul Lehrieder das Wort fürie CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Zuerst einmal herzlichen Glück-wunsch an unsere Kollegen von der Linksfraktion.
Mit Ihrem Fahrplan in die schöne neue Arbeitswelt ha-ben Sie bewiesen, dass Sie fleißig sein können. All Ihrefrüheren Anträge haben Sie zu einem einzigen „Worst-of“zusammengefasst. So viel Service hätte ich Ihnen garnicht zugetraut. Ihre gute Arbeit führt allerdings nicht zugutem Leben, sondern direkt in die Sackgasse.
Qualität steht nicht in Ihrem Antrag, sondern auf einemanderen Blatt. Auf dem finden Sie die Vorstellungen undBeschlüsse der Großen Koalition. Die ÜberschriftenIhrer Anträge und Entwürfe hören sich ganz vielverspre-chend an: „Initiative für eine gerechte Arbeitswelt“,„Soziale Sicherung verbessern“, „Stärkung des Kündi-gungsschutzes“ etc. etc. Wer aber weiterliest, weiß spä-testens nach dem zweiten Satz: Wenn wahr wird, wasSie wollen, sind Berufstätige und Arbeitslose von guterArbeit in einer gerechten Welt so weit entfernt, wie Sie,liebe Kollegen von der Linken, schon jetzt von der Re-gierungsfähigkeit und Realität entfernt sind.
– Auch Sie haben einmal regiert, aber Sie sind davonge-laufen, Herr Lafontaine. – Wenn man das auf die Spitzetreibt und Ihre Anträge fortschreibt, dann kommen wirgenau zu dem Ergebnis, das gestern Nacht in der Sen-dung Hart aber fair quasi als Ziel Ihrer Vorschläge ge-kommen ist: Mehr Sonnenschein für alle. – Eine utopi-schere Welt als die, die Sie mit diesen Anträgen hier imHohen Haus erreichen wollen, können Sie gar nicht bas-teln.Zu Ihren Vorschlägen im Einzelnen kann ich mir ei-nige unfreundliche Worte im Detail leider nicht verknei-fen. Sehen wir uns nur einmal Ihre Vorstellung zumMindestlohn an. Wer die Seite drei in Ihrem Antrag„Gute Arbeit – gutes Leben. Initiative für eine gerechteArbeitswelt“ liest, weiß, wohin die Reise geht. Noch voreinigen Monaten wollten Sie einen gesetzlichen Min-destlohn von 7,50 Euro pro Stunde, jetzt sind wir schonbei 8,44 Euro. Damit deutet sich jetzt schon an, was indem von Ihnen immer wieder gern zitierten Frankreichtraurige Realität ist. In den letzten Jahren ist der Min-destlohn dort immer wieder angehoben worden.
Er liegt derzeit, wie von Ihnen erwähnt, bei 8,44 Euro.Da haben Sie recht. Seit 2002 stieg er, auch aufgrundzum Teil populistischer Maßnahmen, auf diese Weiseum 20 Prozent. Betriebsgrößen und Produktivitätsent-wicklung in den einzelnen Branchen wurden bei den An-hebungen überhaupt nicht berücksichtigt.
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Das Wort hat die Kollegin Katja Mast von der SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen undollegen! Unrealistische Versprechen helfen überhauptichts. Mit möglichst radikalen Forderungen kann maniel Papier beschreiben. Das haben die Jusos auf ihremundeskongress 1996 von Oskar Lafontaine erfahren,
nd da hat er recht. Das ist das Problem Ihrer Anträge,ber die wir heute diskutieren. Fordern ist schön, aberenn man nichts umsetzen will, ist das so überflüssigie ein Kropf.Dass Sie nicht regieren wollen, sagen Ihre Parteivor-eren in letzter Zeit erschreckend häufig. Gestern Mor-en sagte Ihr Vorsitzender Lothar Bisky im Deutschland-unk:Wir werden sicher die Wahlen 2009 … mit einemklaren oppositionellen Profil angehen.Ihr Bundesvorstandsmitglied Gehrcke hat am Wo-henende in Baden-Württemberg klargemacht, dass dieartei bei der nächsten Bundestagswahl keine Regie-ungsbeteiligung anstreben sollte.
as macht doch eines klar: Sie von der Partei, die sicherzeit Die Linke nennt, wollen nicht regieren. Sie for-ern, was das Zeug hält. Sie wollen keine Verantwor-ung.
o sind auch Ihre Anträge geschrieben.Welcher Arbeitnehmer will Politiker, die zwar daslaue vom Himmel versprechen, aber nichts in die Tatmsetzen wollen?
elcher Arbeitnehmer will Politiker, die fordern, ohneegierungsverantwortung übernehmen zu wollen?
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Katja MastWelcher Arbeitnehmer will Politiker, die jede Wocheeine andere Position vertreten?Sie wollen nicht regieren. Wir Sozialdemokratenschon.
Nicht Forderungen verändern die Welt, sondern Verant-wortung und Taten.
Sie mäkeln immer nur an Einzelpunkten herum. DasGanze haben Sie nie im Blick.
Sonst würden Ihre Anträge nämlich damit beginnen, wassich am Arbeitsmarkt in den letzten Jahren alles Positi-ves getan hat, beispielsweise beim Abbau der Arbeitslo-sigkeit. Immerhin sind es 1 Million Arbeitslose wenigerals vor zwei Jahren. Die Beschäftigungsquote älterer Ar-beitnehmer ist seit 1998 von knapp 38 Prozent auf rund52 Prozent gestiegen. Zu nennen ist auch das Ende derFrühverrentungspraxis.Das gleiche Bild zeigt sich beim Ausbildungsmarkt:deutlich mehr gemeldete Lehrstellen, deutliche Zu-wächse bei der Zahl abgeschlossener Ausbildungsver-träge in Industrie, Handel und Handwerk, 40 Prozentweniger unvermittelte Bewerber als im Vorjahr. Wennman das Positive nennt, kann man auch besser daraufhinweisen, was noch nicht so gut läuft. Dafür brauchenwir Sie aber nicht.Der Aufschwung ist da. Wir sorgen dafür, dass er beiallen ankommt. Den Mindestlohn setzen wir ohne Siedurch. Das wissen auch die 200 000 Beschäftigten derPostdienste. Wir sorgen dafür, dass der Kündigungs-schutz bleibt. Wir stehen an der Seite der Arbeitnehmer,wenn es darum geht, sie an Unternehmensgewinnen zubeteiligen.
Dinge verändern sich nur, wenn man bei einer Strate-gie bleibt und anerkennt, was ist. Beides tun Sie nicht.Heute beraten wir Anträge von Ihnen, die nichts mitein-ander zu tun haben. In einem Antrag wird ein Mindest-lohn von 8 Euro gefordert, in einem anderen schlagenSie mal einfach so fast einen halben Euro drauf. Eine se-riöse Begründung? Fehlanzeige! Das ist beliebige Poli-tik. Aber ich vergaß: Sie wollen ja auch gar nicht regie-ren. Sie akzeptieren nicht, was ist.Die Arbeitslosenversicherung ist eine solidarischeRisikoversicherung
wie die Brandschutzversicherung. Brennt das Hausheute, bekomme ich aus meinem gestern abgeschlosse-nen Vertrag die volle Leistung.
Das ist Solidarität im Sinne der Sozialdemokraten.WElwddLduwdkKdwdANPAZudsw
Sie sind da der CDU näher – frei nach dem Motto:enn jeder an sich denkt, ist für jeden gesorgt. Das istllbogengesellschaft. Sie wollen eine Sparkasse. Werange eingezahlt hat, soll auch mehr bekommen, egalelche Chance er oder sie hat, wieder einen Job zu fin-en. Jürgen Rüttgers lässt grüßen.
Ihre Vorschläge erinnern an die Märchen der Gebrü-er Grimm und nicht an die Realpolitik Ferdinandassalles, August Bebels oder Willy Brandts. Ich bleibeabei: Sie fordern und wollen nicht gestalten, Sie redennd wollen nicht verändern, Sie schreiben Anträge undollen nicht regieren.
Frau Kollegin Mast, erlauben Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Ernst?
Da ich jetzt noch sieben Sekunden Redezeit habe,
ann er anschließend etwas sagen.
Sie erlauben sie also nicht?
Richtig.
Lassen Sie mich mit Ferdinand Lassalle schließen:
Alle große politische Aktion besteht im Ausspre-
chen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politi-
sche Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen
und Bemänteln dessen, was ist.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
ollegen Ernst.
Meine Damen und Herren! Nachdem ich wegen einerringenden Reise schon von Frau Nahles abgewiesenurde, möchte ich meiner Vorrednerin sagen: Ich habeen Eindruck, dass der Antrag nicht gelesen wurde. Imntrag steht nichts über unsere Regierungsfähigkeit oderichtregierungsfähigkeit. Vielmehr stehen dort konkreteunkte, konkrete Vorschläge für Verbesserungen, die dierbeitnehmer erwarten.Kann ich Ihre Ausführungen so werten, dass Sie dieustände am Arbeitsmarkt – Leiharbeit ersetzt normale,nbefristete Beschäftigung und führt inzwischen dazu,ass selbst Ferienarbeiter, um billigere Löhne durchzu-etzen, nicht mehr direkt in Unternehmen eingestellterden, sondern als Leiharbeiter, mit dem Ergebnis ei-
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Klaus Ernstnes um zwei Euro niedrigeren Lohnes – akzeptieren?Von Ihnen, werte Kollegin Mast, habe ich überhauptnichts dazu gehört, sondern eher den Eindruck gewon-nen, dass Sie mit diesen Verhältnissen am Arbeitsmarkteinverstanden sind. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Siemeine Frage beantworten würden.Ich habe den Eindruck, dass es in Ihrer Fraktiondurchaus den einen oder anderen gibt, der das anderssieht. Bei Ihnen habe ich den Eindruck gewonnen, dassSie damit einverstanden sind, wie Sie, die Sozialdemo-kratische Partei, zusammen mit den Grünen und jetzt mitder CDU/CSU den Arbeitsmarkt gestaltet haben. Alldas, was gegenwärtig teilweise von Vertretern IhrerFraktion kritisiert wird – die Verhältnisse bei der Leihar-beit und der Befristung –, haben Sie selbst mit Ihrer ei-genen Politik herbeigeführt.
Frau Kollegin Mast zur Erwiderung. Bitte schön.
Lieber Kollege Ernst, wenn Sie Dinge in meine Aus-
sagen hineininterpretieren, ist das zunächst einmal Ihr
Problem.
Zweitens. Sie sind darauf eingegangen, dass ich be-
tont habe, Sie wollten nicht regieren. Man kann es auch
so interpretieren, dass sie sich nicht zu Ihrer Regierungs-
fähigkeit äußern. Ich finde, ich muss dazu weiter nichts
sagen.
Drittens. Meine Kollegin Andrea Nahles hat für die
gesamte SPD-Bundestagsfraktion ausreichend Stellung
zum Thema Leiharbeit bezogen. Damit will ich es an
dieser Stelle bewenden lassen, um den Tag nicht unnötig
zu verlängern.
Das Wort hat jetzt der Kollege Heinz-Peter Haustein
von der FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Es war 1986 in einem volkseigenen
Betrieb der DDR. Ich bin zum Betriebsleiter gegangen
und habe gesagt: Genosse Betriebsleiter, ich mache mich
selbstständig; ich kündige, ich höre auf. Da hielt er mir
einen Vortrag über Marxismus-Leninismus und sagte
zum Schluss: Haustein, das ist ein gesellschaftlicher
Rückschritt; es wird bald kein Privateigentum an Pro-
duktionsmitteln mehr geben.
Beim Lesen Ihrer Anträge bin ich daran erinnert wor-
den und habe mir gedacht: Sie leben immer noch in die-
ser Scheinwelt.
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ie denken, wir haben immer noch volkseigene Betriebe.
Sie knüpfen mit Ihrer Beschreibung des Verhältnisses
wischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zwischen Aus-
euter und Ausgebeutetem, an den Klassenkampf an.
ie Zeit ist aber vorbei, Herr Lafontaine.
ir haben nicht mehr den Manchester-Kapitalismus.
ir haben eine soziale Marktwirtschaft.
er das nicht glaubt, sollte sich einmal die Zahlen an-
chauen: Wir geben 50 Prozent unseres Haushaltes für
oziales aus, über alle Haushalte in diesem Land verteilt
86 Milliarden Euro.
rotzdem wird so getan, als sei dies ein unsoziales Land.
em ist nicht so.
Sie fangen an, die Arbeitgeber in die Ecke zu stellen:
as sind die Bösen, die Ausbeuter, die Schlechten. Aber
ie Arbeitgeber übernehmen Verantwortung und laufen
icht weg. Sie kämpfen darum, dass es Arbeit gibt und
ass der Lohn gezahlt werden kann. Sie arbeiten auch
erne einmal 60 Stunden in der Woche und verzichten
uf Urlaub. Wenn es darauf ankommt, verpfänden sie ihr
aus, ihren Hof und ihre eigene Großmutter für einen
redit.
as alles machen Arbeitgeber, um Arbeitsplätze zu
chaffen.
Die Arbeitgeber haben längst erkannt, dass die Ar-
eitnehmer das Kapital der Unternehmen sind. Niemand
ill seine Arbeitnehmer schlecht behandeln.
s ist ein Miteinander. Das weiß heute jeder moderne
rbeitgeber. Das ist Fakt.
Herr Kollege Haustein, gestatten Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Gysi?
Selbstverständlich.)
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Bitte schön, Herr Gysi.
Erstens. Herr Kollege Haustein, sind Sie bereit, zur
Kenntnis zu nehmen, dass uns zumindest in den neuen
Bundesländern deutlich mehr Unternehmerinnen und
Unternehmer wählen als die FDP und dass das vielleicht
Gründe hat?
Zweitens. Sie bewundern die Unternehmerinnen und
Unternehmer. Ich sage Ihnen aber, Sie unterschätzen die
Tatsache, dass diese soziale Gerechtigkeit und damit
Kaufkraft der Menschen brauchen.
Ansonsten können ihre Unternehmen nicht existieren.
Jetzt zu meiner eigentlichen Frage an Sie. Sie sagen,
es sei alles sozial gerecht. Stimmen Sie mir zu, dass es in
Deutschland 2,5 Millionen arme Kinder, 7,4 Millionen
Menschen, die von Hartz IV leben, 5 Millionen Menschen
in Mini- und Midijobs, 1,2 Millionen Vollbeschäftigte,
die noch Hartz IV beantragen müssen, damit sie ihren
Lebensunterhalt bestreiten können, und 800 000 Men-
schen in Leiharbeit gibt?
Würden Sie sagen, dass das sozial gerecht ist?
Herr Gysi, ich stimme Ihnen nicht zu, weil Sie den
Leuten Sand in die Augen streuen. Sie erzählen nämlich
nur das eine, das andere aber nicht. Sie reißen Fakten aus
dem Zusammenhang heraus.
Natürlich ist jedes System zu verbessern. Daran arbeiten
wir. Wenn die FDP an der Regierung ist, wird es auch
besser werden.
Kommen wir jetzt zu den einzelnen Punkten. Sie re-
den vom Kündigungsschutz und suggerieren den Men-
schen, ein sicherer Arbeitsplatz sei wichtig. Das stimmt.
Aber was kann ein Unternehmer tun? Wenn er viele Auf-
träge hat, muss er Leute einstellen. Wenn er das Auf-
tragsvolumen nicht mehr halten kann, dann muss er die
Zahl der Beschäftigten dieser Situation anpassen; denn
sonst würde er das gesamte Unternehmen gefährden,
und alle würden ihre Arbeit verlieren.
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Sehen Sie das Miteinander von Arbeitgebern und Ar-
eitnehmern! Dazwischen stehen noch die Gewerkschaf-
en, die ebenfalls wichtig sind. Hören Sie auf, mit Klas-
enkampf die Marx’sche Theorie wiederzubeleben!
In diesem Sinne ein herzliches Glückauf aus dem Erz-
ebirge.
Das Wort hat die Kollegin Gabriele Lösekrug-Möller
on der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Meine Damen und Herren! Gute Arbeit, guteseben: Wer möchte das nicht? Wer Politik macht, sompfiehlt schon Aristoteles, sollte den möglichen Staatm Auge haben, nicht den besten. Denn dieser führe, soagt er, in die Tyrannei.Handlungsfähige Politik entsteht, wenn man verant-ortungsvoll mit widerstreitenden Interessen umgeht.och das Maß des Möglichen und Machbaren finde ichn dem Kaleidoskop Ihrer Anträge, meine Kolleginnennd Kollegen von den Linken, nicht.
as überrascht allerdings auch nicht. Denn klar ist, dassine politische Kraft Ihrer Art einen riesigen Abstandufweist zwischen dem politisch Geforderten einerseitsnd der Realpolitik, die Sie gelegentlich verantworten,ndererseits. Nirgends ist diese Differenz größer als beihnen.Ich finde den Begriff Talkshow-Sozialismus, den icheute in der Süddeutschen Zeitung las, zutreffend. Sieehören zu einer Gruppe der Anscheinerwecker, die vonich sagen: Wir sind die Guten, aber die anderen lassenns nicht. Wir würden alles richtig machen, aber die an-eren hindern uns daran. Mit uns gäbe es gute Arbeitnd ein gutes Leben,
ber die anderen wollen euch das vorenthalten.
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Gabriele Lösekrug-MöllerIch kann nur sagen: Dies sind die Botschaften hinterIhren Anträgen und Debattenbeiträgen. An diesem Kurswollen Sie festhalten.
Das mag zwar Ihr Recht sein, gut ist es aber nicht. Dennverhindern können auch Sie nicht, dass immer mehr zu-tage tritt, dass Sie kneifen, wenn es um die faktischeVerbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungengeht.
So unterscheiden sich Protestlinke von Gestaltungslin-ken; auch das habe ich gerne übernommen.Beispiel Arbeitsmarktpolitik – denn darum scheintes Ihnen ja heute zu gehen –: Wir geben jungen Men-schen die Hilfen, die sie brauchen, um einen besserenEinstieg in die Arbeitswelt hinzubekommen.
Sie lehnen das ab. Wir fördern mit dem Programm„50 plus“ ältere Arbeitnehmer. Sie lehnen das ab. Wirgeben Langzeitarbeitslosen mit Vermittlungshemmnis-sen erstmals eine Chance auf Beschäftigung – sozialver-sicherungspflichtig und mit Tariflohn. Wir sagen: Das isteine Jobperspektive. Sie lehnen das ab. Das ist die Wirk-lichkeit, in der Sie Politik machen. Was ist das für eineBotschaft für Arbeitssuchende? Sie stellen Ihre politi-schen Ansprüche höher als die Sorgen der Menschen.Das unterscheidet Sie von den Sozialdemokraten.Beispiel gute Arbeit: Zu Recht stellen wir dies in denMittelpunkt der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik auchdieser Legislaturperiode. Zu Recht wird dies eine großeRolle auf unserem Parteitag spielen. Aber um das Ziel„gute Arbeit“ zu erreichen, bedarf es harter Arbeit in derPolitik. Wir stellen uns dieser Aufgabe; Sie stellen einenAntrag.Sie von den Linken fordern in diesem Antrag einneues Leitbild für die Arbeitsmarktpolitik. Was ist das?Die wesentlichen Grundsätze kamen mir extrem bekanntvor. Sie haben erfolgreich von der SPD abgeschrieben;ich finde das in Ordnung. Dabei geht es allerdings nurum die Grundsätze. Denn besser wäre gewesen, Sie hät-ten weiter abgeschrieben. Dann wären Sie zu Konkretio-nen gekommen, die eine ordentliche Politikgestaltungmöglich machen würden. Aber Sie wären dann – um aufAristoteles zurückzukommen – gefährlich nahe an dasMögliche in der Politik gekommen.
Wirkliche Sorgen bereitet mir Ihr offenkundig gerin-ges Vertrauen in die Kraft der Tarifvertragsparteienund damit auch in die der Gewerkschaften in Deutsch-land. Wie ein roter Faden zieht sich das durch IhreAnträge. Lesen Sie sich diese doch noch einmal durch!Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen wei-tere staatliche Regelungen, wo sie nötig sind, wie beimMindestlohn. Aber wir setzen auf starke Gewerkschaftenund auf kraftvolle Arbeitnehmervertretungen. ÜsdmiwdhdzpdzeuddavdsFAfsDBgdBtAFSesDBgSudgdmm
berlegen Sie sich doch einmal, ob Sie nicht genau die-es Ziel infrage stellen, wenn Sie immer mehr Staat for-ern, Herr Lafontaine!Zurück zu Ihren Anträgen, über die wir gleich abstim-en werden. Politik im Sinne Aristoteles, also die Polis,st als Ganzes mehr als die Summe ihrer Teile; darinerden Sie mich bestätigen. Sehe ich mir die vorliegen-en Anträge an und betrachte sie als Teile, sage ich: Sieaben versucht, Aristoteles zu widerlegen. Bei Ihnen istie Summe, das Ganze, eben nicht mehr als all das Ein-elne. Dies ist ein Ausdruck von Anscheinerweckungs-olitik. Das halte ich für sehr schade. Gerade Sie, dieauernd für sich in Anspruch nehmen, sie seien die Ein-igen, die das wirkliche Leben kennen würden, habeninen gewaltigen blinden Fleck. Der ist immer da, wonsere Politik erfolgreich ist. Weil sie erfolgreicher wer-en wird, wird Ihr Fleck leider immer größer werden.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 16/6698, 16/4909, 16/5677 und 16/5809n die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsseorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ister Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-chusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag derraktion Die Linke mit dem Titel „Bezugsdauer desrbeitslosengeldes I verlängern“. Der Ausschuss emp-iehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-ache 16/5685, den Antrag der Fraktion die Linke aufrucksache 16/3538 abzulehnen. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltun-en? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmener Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion und desündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Frak-ion Die Linke angenommen.Tagesordnungspunkt 19 f: Beschlussempfehlung desusschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag derraktion Die Linke mit dem Titel „Ausweitung undtärkung des Kündigungsschutzes“. Der Ausschussmpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-ache 16/5813, den Antrag der Fraktion Die Linke aufrucksache 16/2080 abzulehnen. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltun-en? – Die Beschlussempfehlung ist wiederum mit dentimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktionnd des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmener Fraktion die Linke angenommen.Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Ta-esordnung um die Beratung des Antrages der Fraktioner FDP auf Drucksache 16/1675 mit dem Titel „Ver-ittlungsgutscheine der Bundesagentur für Arbeitarktgerecht ausgestalten – private Arbeitsvermittlung
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsstärken“ zu erweitern und als Zusatzpunkt 7 im verein-fachten Verfahren zu überweisen. Sind Sie damit einver-standen? – Dann ist das so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 j sowieden soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 7 auf:24 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieumweltgerechte Gestaltung energiebetriebe-
– Drucksache 16/6651 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung des Pflanzenschutzgesetzes und des BVL-Gesetzes– Drucksache 16/6736 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für GesundheitAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung der gesetzlichen Berichtspflichten im Zu-ständigkeitsbereich des Bundesministeriumsfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz– Drucksache 16/6737 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitd) Beratung des Antrags der Abgeordneten ElkeHoff, Dr. Werner Hoyer, Florian Toncar, weitererAbgeordneter und der Fraktion der FDPMissbrauch von Elektroschockgeräten verhin-dern– Drucksache 16/4446 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Auswärtiger AusschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfee) Beratung des Antrags der Abgeordneten FrankSpieth, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKEWiedereinführung der vollständigen Zuzah-lungsbefreiungen für Versicherte mit gerin-gem Einkommen im Wege der Härtefallrege-lung– Drucksache 16/6033 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Knoche, Wolfgang Gehrcke, Dr. Norman Paech,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEKonflikte zwischen Serbien und Kosovo-Alba-nern reduzieren – UN-Resolution 1244 unein-geschränkt umsetzen sowie faire und ergebnis-offene Verhandlungen ermöglichen– Drucksache 16/6034 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussg) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten RenéRöspel, Jörg Tauss, Nicolette Kressl, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPDNicht-kommerzielle klinische Studien inDeutschland voranbringen– Drucksache 16/6775 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
FinanzausschussAusschuss für GesundheitAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussh) Beratung des Antrags der AbgeordnetenWolfgang Börnsen , Dr. NorbertLammert, Ulrich Adam, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-ordneten Dr. h. c. Wolfgang Thierse, MarkusMeckel, Dr. Gerhard Botz, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der SPDErrichtung eines Freiheits- und Einheits-Denkmals– Drucksache 16/6776 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien
InnenausschussAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeHaushaltsausschussi) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Lothar Bisky, Ulla Lötzer, Dr. Petra Sitte,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKETelemediengesetz verbessern – Datenschutzund Verbraucherrechte stärken– Drucksache 16/6772 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Kultur und Medien
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsj) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Lothar Bisky, Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEÖffentlich-Rechtlicher Rundfunk im Digital-zeitalter– Drucksache 16/6773 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und MedienZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten DirkNiebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Christian Ahrendt,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPVermittlungsgutscheine der Bundesagenturfür Arbeit marktgerecht ausgestalten – privateArbeitsvermittlung stärken– Drucksache 16/1675 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-ten Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 a bis 25 k auf.Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen,zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt 25 a:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Birgitt Bender, Bärbel Höhn, Ulrike Höfken,weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENWirksamen Schutz vor Passivrauchen im Ar-beitsschutzgesetz verankern– Drucksachen 16/4761, 16/5586 –Berichterstattung:Abgeordnete Maria MichalkDer Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-lung auf Drucksache 16/5586, den Antrag der FraktionBündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4761 abzu-lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-fehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenund der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen vonBündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der Fraktion DieLinke angenommen.Tagesordnungspunkt 25 b:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Verkehr, Bau undStadtentwicklung
– zu dem Antrag der Abgeordneten PatrickDöring, Hans-Michael Goldmann, Horstst„vlsfdGsAmsfGffmndgmga
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nen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent-wurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Son-dervermögens „Kinderbetreuungsausbau“– Drucksache 16/6596 –Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts-ausschusses
– Drucksache 16/6816 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Ole SchröderPetra Hinz
Otto FrickeAnna LührmannRoland Clausb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung eines Nachtrags zum Bundeshaus-
– Drucksache 16/6390 –Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es Wider-pruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-erin das Wort der Kollegin Petra Hinz von der SPD-raktion.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2007 12643
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inder Tat, heute ist ein guter Tag für Familien und fürPaare – das ist wichtig –, die über Familienplanungnachdenken und sie in die Tat umsetzen.
Mit der Einigung auf ein Finanzkonzept zwischen Bundund Ländern ist jetzt der Weg frei.
Wir beschreiten in der Familienpolitik einen kontinuier-lichen Weg. Seit 1998 hat die SPD mit zusätzlichen Be-treuungsangeboten, dem Elterngeld und Steuervorteilenfür Kinderbetreuung eine Wende in der Familienpolitikeingeleitet. Bereits die damalige FamilienministerinRenate Schmidt – ich denke, wenn wir heute alles zu-sammenfassen, gehört auch das dazu – hat für einen der-artigen Durchbruch in der Kinderbetreuung gekämpft;sie hat den Weg freigemacht.
Dem Finanzminister, der Familienministerin und un-seren Ländervertretern sei dafür Dank gesagt, dass sieschwierige Verhandlungen geführt haben und zu einerEinigung gekommen sind.
Mit dem Sondervermögen gehen wir weg von der di-rekten finanziellen Leistung hin zu Investitionen in Be-treuungsangebote und Förderungsinstrumente, die dieVereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen undverbessern.Aber es geht ja um viel mehr als nur um die Frage derVereinbarkeit von Familie und Beruf. Im Fokus stehendabei die Kinder. All die Projekte, die wir in anderen Be-reichen fördern – Integration, Sprachförderung und alles,was dazugehört –, spiegeln sich in diesem Programm wi-der.Bund und Länder wollen den bestehenden Mangel anBetreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren behebenund für eine durchschnittliche Versorgungsquote von35 Prozent bis zum Jahr 2013 sorgen. Die gemeinsameMühe – ich betone in diesem Fall das Wort „gemeinsam“ –von Kommunen, Ländern und Bund lohnt sich.
Die Einzelheiten der Finanzhilfe werden in einer Ver-waltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ge-regelt. Hier sind insbesondere folgende Punkte zu nen-nen: die Arten der zu fördernden Investitionen, die Art,Höhe und Dauer der Finanzhilfen, die Bereitstellung an-gemessener eigener Mittel durch die Länder, die Vertei-lung der Finanzhilfen an die betroffenen Länder sowiedie Bewirtschaftung und Abrechnung der Finanzhilfeneinschließlich des Nachweises der Verwendung und derRückforderung von Mitteln. Die Frage, wie über die Ab-rechnung die Verwendung der Mittel nachvollzogenwerden kann, war ja auch im Haushaltsausschuss immerwieder Gegenstand der Beratungen.hbBuDeIdGtewisMdspmVvmnsdaIsbKmeiBdskzuuljuaDd
as ist kontraproduktiv. Insofern sage ich: Wir könnenas angestrebte Ziel nur gemeinsam erreichen.
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12644 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2007
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Petra Hinz
Gemeinsamkeit und Geschlossenheit müssen den Wegbestimmen. Dafür lohnt sich die Arbeit.Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulrike Flach von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hinz,
es wäre ja schön gewesen, wenn während Ihrer Regie-
rungszeit in Nordrhein-Westfalen die entsprechenden
Aufgaben auch wahrgenommen worden wären. Wer hat
denn dort die mangelhafte Betreuung im Kleinkindalter
zu verantworten? Doch nicht die jetzige Koalition aus
Schwarz und Gelb, sondern die aus Rot und Grün, die
vorher an der Macht war.
Herr Kampeter, ich nehme an, Sie werden Ihrem Koali-
tionspartner von dieser Stelle aus gleich sagen, wie se-
gensreich es in Nordrhein-Westfalen für die Kinder die-
ser Welt aussieht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Beurteilung
der familienpolitischen Dringlichkeit der vorliegenden
Pläne sind wir uns alle sehr einig. Ich hätte mich aller-
dings gefreut, wenn Frau von der Leyen angesichts der
von uns allen erkannten Wichtigkeit des Themas heute
auch anwesend wäre.
– Ich schätze den Staatssekretär; aber auch die Ministe-
rin hätte etwas für diese Debatte übrig haben sollen.
Wir schlagen Ihnen angesichts Ihres Ansatzes, nur für
35 Prozent der Kinder unter drei Jahren Betreuungs-
plätze zu schaffen, einen anderen Weg vor, um die Ver-
besserungen, die wir alle wollen, zu finanzieren. Sie
richten – Frau Hinz hat es gerade dargestellt – ein Son-
dervermögen ein, das erst 2015 aufgelöst werden soll.
Das ist aus unserer Sicht haushalterisch bedenklich, da
wir keine Sondertöpfe wollen. Mit dem Nachtragshaus-
halt schaffen Sie für Ihr Vorhaben die rechtlichen Vor-
aussetzungen. Wir kommen dann auf Ausgaben von
272,7 Milliarden Euro im Jahre 2007; das sind
4,4 Prozent mehr als im Vorjahr, Herr Steinbrück.
Vor dem Hintergrund von 12 Milliarden Euro mehr
Steuereinnahmen muss doch auch an Sie die Frage er-
laubt sein, ob Ihr berühmter Dreiklang „Sanieren – In-
vestieren – Konsolidieren“ nicht etwas schief klingt. Sie
sparen nicht, Sie geben mehr aus, Herr Steinbrück. Sie
nehmen erheblich mehr ein, aber Sie geben nicht einmal
die Hälfte davon in den Abbau der Neuverschuldung.
Sie schaffen einen Nebenhaushalt für eine Aufgabe, die
klar bei Ländern und Kommungen liegt.
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nser Weg einer Erhöhung des Umsatzsteueranteils für
ie Kommunen um einen Prozentpunkt wäre haushalte-
isch klarer, lieber Kollege Kampeter, und das Geld
äme direkt ohne den Umweg über die klebrigen Hände
er Länder bei den Kommunen an.
ie Umsatzsteuerbeteiligung trägt auch der unterschied-
ichen Ausstattung der Kommunen besser Rechnung. In
iesem Zusammenhang erinnere ich daran, welche Bar-
ieren die Länder beim Ganztagsschulprogramm aufbau-
en – Frau Kressl wird es gut in Erinnerung haben –, als
ot-Grün damals nicht den richtigen Weg vorgeschlagen
atte.
Ansonsten ist schon heute klar, Herr Steinbrück, dass
ie mit dem Geld nicht auskommen werden. Der ur-
prünglich vorgesehene Finanzrahmen von 4 Milliarden
uro bis 2013 wird nicht eingehalten werden; Frau Hinz
at dies eben noch einmal bestätigt. Es wird teurer wer-
en, und ab 2014 wird der Bund jährlich 770 Millionen
uro an die Länder zahlen. Das ist wichtig für uns; denn
ir sind an und für sich Haushälter, die schon darauf
chten, dass alles ordentlich gegenfinanziert wird. Aber
uch hier haben Sie wieder keine Gegenfinanzierung im
aushalt, wohl aber eine Dauerfinanzierung. Diesen
eg sieht die FDP nicht als haushalterisch transparent
n. Ich bin gespannt, Herr Steinbrück, ob Sie uns gleich
rklären werden, wie Sie das Ganze begründen wollen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Steffen Kampeter von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Neben den familienpolitischen Dingen, dieeute zu besprechen sind, haben wir noch ein weiteresentrales Gesetzgebungsvorhaben auf der Tagesordnung,ämlich den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr.ie Kollegen Schröder und Lehrieder werden für dienion zu den familienpolitischen Fragen noch Stellungehmen.Ich erinnere Sie an den sogenannten Finanzgipfel imovember des vergangenen Jahres. Der Finanzministernd die Koalitionsfraktionen sind damals nach hartemingen gemeinsam vor die Presse getreten und habenitgeteilt, dass wir mit knapp 20 Milliarden Euro dieiedrigste Nettokreditaufnahme seit der Wiedervereini-ung vereinbart hatten. Wir fahren den laufenden Haus-alt jetzt ein gutes Dreivierteljahr, und das Ergebnis die-er niedrigen Nettokreditaufnahme ist, dass dieirtschaft wächst, die Steuern sprudeln, die Beschäfti-
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Steffen Kampetergung nahezu auf einen Nachkriegsrekord steigt und derAufschwung an Breite gewonnen hat, meine sehr verehr-ten Damen und Herren. Dies zeigt: Sparsamkeit ist eineder zentralen Quellen für Wirtschaftswachstum undWohlstand in unserem Land. Wir legen heute einenNachtragshaushalt vor, der dies noch weiter nach vorntreibt.
Es wird deutlich: Die Menschen profitieren von diesemAufschwung. Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahlerund vor allen Dingen die Familien und die nachfolgen-den Generationen werden entlastet; denn für Schulden,die man nicht macht, sind keine Zinszahlungen fällig.Der Nachtragshaushalt, den wir heute vorlegen, bein-haltet eine Nettokreditaufnahme von rund 14 MilliardenEuro. Das sind immer noch 14 Milliarden Euro zu viel.
Aber es wird deutlich: Wir halten Kurs. Unser Ziel ist,einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen.
Mittelfristig wollen wir für einen Abbau der Staatsver-schuldung und damit für einen Abbau der Lasten dernachfolgenden Generationen sorgen.
Der vorliegende Nachtragshaushalt ist auch ein Signal,dass wir die Konsolidierung und die Reformpolitik fort-setzen. Um unser Ziel, einen strukturell und dauerhaftausgeglichenen Haushalt vorzulegen, zu erreichen, istdie Fortsetzung von Konsolidierung und Reformpolitikerforderlich. Hier haben wir noch einen langen und be-schwerlichen Weg vor uns. Ich will nicht verhehlen, dassich drei Kreuze mache, wenn der Parteitag der SPD, deran diesem Wochenende stattfindet, vorbei ist.
Der Ansatz, den die Union bei ihrer Reformpolitikverfolgt, lautet: Sozial ist, was Beschäftigung schafft.Deswegen ist es für einen Haushälter eine klare Ansage,dass wir die Beschäftigung fördern, indem wir den Bei-tragssatz zur Arbeitslosenversicherung weiter konse-quent senken.
Nur durch diese Maßnahme ist es uns gelungen, die öf-fentlichen Haushalte wieder auf Kurs zu bringen. DerAnstieg der Zahl der Beschäftigungsverhältnisse inDeutschland ist nämlich ein Beitrag zur Entlastung deröffentlichen Kassen.Wir wollen die Senkung des Beitragssatzes zur Ar-beitslosenversicherung konsequent fortsetzen. Es ist er-freulich, dass jetzt auch Herr Müntefering zugestimmthat, diesen Beitragssatz in einem nächsten Schritt auf3dhmWdwudpfcwiswgtuCfsidReMbhzdfuNuwsdeR
Ich wiederhole: Sozial ist, was Beschäftigung schafft.as die Haushaltspolitik der Union betrifft, ist aller-ings noch ein zweiter Punkt von Bedeutung: der verant-ortungsvolle Umgang mit den Einnahmen aus Steuernnd Beiträgen. Das bedeutet, wir müssen den Dschungeler vielen steuer- und beitragsfinanzierten arbeitsmarkt-olitischen Instrumente lichten. Wir wollen dieses Geldür die Beschäftigungspolitik verwenden, um mehr Brü-ken in Beschäftigung zu bauen. Dass es zu einem Wild-uchs von über 70 derartigen Instrumenten gekommenst, ist eine Sünde an denjenigen, die dafür zahlen müs-en. Wir brauchen eine Konzentration auf die tatsächlichirksamen Instrumente; denn sozial ist, was Beschäfti-ung schafft. Diese Instrumente wollen wir in der zwei-en Hälfte dieser Legislaturperiode konzentriert stärkennd fördern. Das ist bei der Haushaltskonsolidierung dasredo der Union.
Ich will keinen Zweifel daran lassen, dass eine Re-ormpause nach unserer Auffassung nicht nur der wirt-chaftlichen Entwicklung, sondern auch den Menschenn unserem Land insgesamt schaden würde. Wir wissen,ass in den vergangenen Jahren – nicht nur von dieseregierung, sondern auch von der Vorgängerregierung –ine Reihe von Beschlüssen gefasst wurden, die von denenschen nicht nur positiv aufgenommen wurden. Ins-esondere am Anstieg der Zahl der Beschäftigungsver-ältnisse ist aber zu erkennen, dass der Aufschwung in-wischen bei vielen Menschen angekommen ist,
ass breite Teile der Bevölkerung in den Genuss der Re-ormdividende kommen
nd dass dieser Aufschwung ein Aufschwung für alle ist.
ur dann, wenn wir diesen Aufschwung unterstützennd die Reformen in diesem Land vorantreiben, könnenir für die Menschen auch weiterhin Arbeit und Wohl-tand in Deutschland sichern. Dafür werden wir uns iner Koalition gemeinsam mit unserem Koalitionspartnerinsetzen.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen: Dieeformpolitik muss fortgesetzt werden; das ist das eine.
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12646 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2007
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Steffen KampeterAber wir müssen auch die Risiken, die jetzt auftauchen,beachten; das ist das andere.
Wir dürfen nicht im Blindflug handeln
und davon ausgehen, dass sich diese positive Entwick-lung ohne weiteres Zutun von unserer Seite fortsetzt.
Ich will nicht verschweigen, dass die Senkung derWachstumsprognose für das nächste Jahr von 2,4 auf2,0 Prozent eine Herausforderung für die Haushaltskon-solidierung und für diesen Nachtragshaushalt ist. Denndas heißt nichts anderes, als dass wir mit geringerenSteuereinnahmen rechnen müssen. Auch will ich nichtverschweigen, dass ich in Sorge bin, was die Preisent-wicklung in diesem Land angeht.
Die Entwicklung der Preise stellt für viele Familien,über die wir heute ja auch reden, eine große Herausfor-derung dar. Wir müssen die Inflation im Auge behalten;das ist ein ganz wichtiges Thema. Das gilt auch im Hin-blick auf die möglichen Zinssteigerungen, die angesichtsder enormen Schuldenlast des Bundeshaushalts auf unszukommen, und zwar auch dann noch, wenn wir denHaushalt ausgeglichen haben. Diese Risiken dürfen wirnicht ausblenden. Das bedeutet, wir dürfen jetzt nicht dieSpendierhosen anziehen, sondern müssen die Spar-strümpfe anbehalten. Das signalisiert auch PeerSteinbrück mit der Vorlage dieses Nachtragshaushaltes.Sparstrümpfe statt Spendierhosen, nur so sichern wirWohlstand und Arbeit in diesem Land.
Wir werden den Gegensatz von Spendieren und Spa-ren im Rahmen dieser Debatte wieder erleben. Der Kol-lege Fricke, der gleich reden wird, wird uns vorwerfen,es werde nicht genug gespart. In der nächsten Wochewird dann der Kollege Solms – nicht wie jetzt in seinerFunktion als Präsident, sondern in seiner Funktion alsFinanzexperte seiner Fraktion – das Gegenteil fordern,nämlich dass wir die Steuern senken.
Beides klingt populär. Nur, wenn Sie auf der einen Seitefordern, dass die Steuern gesenkt werden, aber gleichzei-tig so tun, als gebe es Nullverschuldung zum Nulltarif,dann ist das liberaler Populismus. Dieses Spiel werdenwir als Union nicht mitmachen. So kann verantworteteFreiheit nicht wirken.
Die Aussage ist bei den Linken zwar eine etwas an-dere, nicht aber in der Qualität. Wir haben schon von denTalkshow-Sozialisten gesprochen. Es ist einfach, in derTalkshow den Leuten das Blaue vom Himmel – in die-sdwmvwWldlueFeahdndtiisDmdavgsk
Die Union will eine gute Entwicklung im Interesseer Menschen, die in diesem Land fleißig arbeiten wol-en und das Wirtschaftswachstum voranbringen. Das istnser Ziel.
Herr Kollege Kampeter, ich will Ihnen Zeit geben,
inmal Luft zu holen. Sind Sie bereit, dem Kollegen
ricke Gelegenheit zu einer Zwischenfrage zu geben?
Der Kollege Fricke kann mir gleich antworten, wenn
r selber spricht; er hat ja genügend Redezeit.
Ich kann Ihnen von dieser Stelle aus nicht antworten.
Herr Kollege Solms, wir werden das bei Gelegenheituf die Reihe kriegen. Wie ich Sie beide intellektuell undaushaltswirtschaftlich verantwortlich zusammenführe,as wird eine große Aufgabe, will ich einmal sagen.
Ich will schließen. Dieser Nachtragshaushalt hat nichtur die Komponente „Sparen und die Schulden runter!“;azu werden, wie gesagt, andere Kollegen meiner Frak-ion etwas sagen. Wir investieren – das ist mir wichtig –n Familien. Wir Haushaltspolitiker wissen eines: Sparenst wichtig; aber man darf wichtige gesellschaftspoliti-che Zielsetzungen nicht vergessen.
eswegen ist der Dreiklang von Konsolidierung, Refor-en und Investitionen – in diesem Fall Investitionen inie Zukunft der Familien – wichtig. Er ist ein Herzens-nliegen von Ursula von der Leyen,
on Peer Steinbrück, ja von der Großen Koalition ins-esamt. Nur wenn wir beides machen: für die Kinderparen – weil auf Schuldenbergen keine Kinder spielenönnen – und gleichzeitig die Entscheidung für Familie
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 121. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 25. Oktober 2007 12647
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Steffen Kampeterund Beruf erleichtern, wird es in diesem Land weiteraufwärts gehen. Wachstum, Arbeit und Wohlstand be-kommt man nur mit dieser vernünftigen Politik.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
von der Fraktion Die Linke.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Lieber Kollege Kampeter, Sie wer-den im Laufe meiner Rede erfahren, woher wir das Geldnehmen wollen.Zunächst einmal zum Finanzminister. Herr Steinbrück,ich habe den Eindruck, Sie verstehen die Welt und IhrePartei nicht mehr. Da bauen Sie die Neuverschuldungab; doch keiner ist so richtig bereit, das zu honorieren.Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Die Schuldenwerden auf Kosten der Beschäftigten, der Arbeitslosen,der Rentner, der Alleinerziehenden und der Familien ab-gebaut. Die meisten Menschen haben immer wenigerGeld in der Tasche. Das ist eine Politik, die nicht in Ord-nung ist.
Diese Frage, warum nur diese Leute den Gürtel engerschnallen sollen, ist natürlich berechtigt, und die Ant-wort ist einfach: Die SPD hängt noch dem Modell der70er-Jahre an.
Demnach muss die Regierung die Konzerne und dieBesserverdienenden nur ausreichend steuerlich entlas-ten, dann wird mehr investiert und mehr konsumiert, unddann fallen auch ein paar Krumen für den kleinen Mannab – so denkt die SPD. Doch der Reichtum sickert nichtmehr durch, wie das noch in den 70er-Jahren der altenBundesrepublik möglich war. Wer uns veraltete Politikvorwirft, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,der sollte erst einmal die eigenen Konzepte genau prü-fen.
Mit der Agenda 2010 haben es SPD, CDU/CSU undGrüne geschafft, die Gesellschaft undurchlässiger zumachen. Die Reichen werden reicher und geben vonihrem Reichtum immer weniger ab. Dafür, dass dies sobleibt, garantiert diese Bundesregierung der GroßenKoalition. Auch wenn Herr Beck Änderungen derAgenda 2010 angekündigt hat, ändert diese Ankündi-gungspolitik doch nichts daran, dass die Umverteilungvon unten nach oben fortgesetzt wird. Bestes Beispieldafür ist die geplante Erbschaftsteuer.rWbdDamiaSddgSstdctPnhbEEstDvtMNtDtg–bdd
Schauen wir uns die Ausgabenseite des Bundeshaus-altes an, dann sehen wir dort das gleiche Prinzip wieei den Einnahmen: Umverteilung von unten nach oben.s ist doch ein Skandal, dass der Staat 8,5 Milliardenuro jährlich aufwenden muss, um Lohnkostenzu-chüsse zu zahlen. Unternehmen bezahlen ihre Beschäf-igten so schlecht, dass diese davon nicht leben können.ieses Geld könnten wir sofort einsparen und sinnvollererwenden – zum Beispiel in die Kinderbetreuung inves-ieren –, wenn die Bundesregierung den gesetzlichenindestlohn endlich durchsetzen würde.
Meine Damen und Herren, wir sprechen über denachtragshaushalt und das Sondervermögen „Kinderbe-reuungsausbau“.
azu hat meine Kollegin Diana Golze während der ers-en Lesung die wichtigsten Argumente der Linken vor-etragen.
Alle Argumente von Frau Golze waren richtig. Sie ha-en sie augenscheinlich nicht verstanden.
Es ist zu begrüßen, dass die Ministerin von der Leyenie 40-jährige Vernachlässigung der Kinderbetreuung inen alten Ländern nun endlich beenden will.
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Dr. Gesine Lötzsch– „40 Jahre“ ist offenbar ein gutes Stichwort. – Aller-dings ist jedem klar, dass die Investitionen in Kita-Plätzeallein nicht ausreichen. Wir brauchen für die Kinder Er-zieherinnen und Erzieher, die eine entsprechende fachli-che Ausbildung haben. Hier tut sich eine große Lückeauf, die geschlossen werden muss.
– Bei den Ländern, Herr Kollege. – Es kann doch nichtsein – augenscheinlich wird darauf spekuliert –, dassPolitiker aus den alten Ländern einfach auf die Abwan-derung von qualifizierten Erzieherinnen und Erziehernaus dem Osten hoffen. Dagegen werden wir uns zurWehr setzen.
Bemerkenswert finde ich übrigens einen kurzen Satzin der Begründung des Nachtragshaushaltes. Ich darf zi-tieren: „Kosten für die Wirtschaft entstehen dadurchnicht.“
Das ist doch erstaunlich, wenn man bedenkt, dass geradedie Wirtschaft von den neuen Kita-Plätzen profitierenwird. Für die Wirtschaft erschließt sich ein Arbeitsmarktvon qualifizierten Frauen, die teilweise den Mangel anArbeitskräften ausgleichen sollen, der sich aus der de-mografischen Entwicklung ergibt.Schade, dass Frau von der Leyen nicht da ist – daswurde schon allgemein bedauert –, aber Herr Kues kanndas ja ausrichten. Hat Frau von der Leyen den Versuchunternommen, Unternehmen für die Mitfinanzierungvon Kita-Plätzen wirklich in die Pflicht zu nehmen?Diese Frage können Sie nur mit Nein beantworten. Da-rum fordere ich Sie auf – Herr Kues, richten Sie das bitteIhrer Ministerin aus –: Unternehmen müssen für die Mit-finanzierung von Kita-Plätzen in die Pflicht genommenwerden.Damit bin ich wieder beim Ausgangspunkt meinerRede. Die Bundesregierung versteht sich immer nur alsDienstleister für die Unternehmen und wendet das Prin-zip Fordern und Fördern nur auf Arbeitslose, nicht aufUnternehmen an. Das muss sich endlich ändern.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Anja Hajduk von
Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Liebe Kollegen! Ich habe schon gestern in der De-batte zur Arbeitsmarktpolitik festgestellt: Wenn sich dieöffentlichen Kassen positiv entwickeln, dann lässt dieQualität der Politik dramatisch nach. Ich glaube, dasksrdgesbaashsPwfz–SidwzABhsdmhmDdkbiFh–g5edln
Ich kann Ihnen erläutern, wieso das nicht gelingt, wennie schon danach fragen. Wenn Sie die politischen Zielem Arbeitsmarktbereich – dazu gehören auch die Son-erausgaben, die Sie der Bundesagentur für Arbeit zu-eisen wollen –, die Sie in diesem Haushalt durchzuset-en beabsichtigen, tatsächlich umsetzen und wenn dierbeitslosigkeit bzw. die sozialversicherungspflichtigeeschäftigung auf dem heutigen Niveau stagniert – ge-en wir einmal von diesem Szenario aus –, dann wirdich die positive Situation, dass Überschüsse erzielt wer-en, umkehren, und die BA wird nächstes Jahr wiederit 4 Milliarden Euro in die Miesen rutschen. Daraufabe ich schon gestern hingewiesen. Setzen Sie sich ein-al damit auseinander!
Ich komme nun zum Thema der heutigen Debatte.er Ausbau der Kinderbetreuung ist eine Aufgabe, beier wir die Regierung ausdrücklich unterstützen. Es gibteine Differenz in der Bewertung, dass die damit ver-undenen Ausgaben notwendig sind und eine Investitionn die Zukunft bedeuten.
Wir hätten uns aber gewünscht, dass Sie eine andereorm der Finanzierung wählen, die ich für naheliegendalte. Wir hätten uns gewünscht, dass Sie durch einewohlgemerkt verfassungskonforme – Reform des Ehe-attensplittings
Milliarden Euro Mehreinnahmen erzielen, damit zuminen der Bund seine Aufgaben finanzieren kann, die iner Kinderbetreuung vorrangig im investiven Bereichiegen, und zum anderen die Länder und Kommunen dieotwendigen Betriebskosten tragen können.
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Anja HajdukSie haben ein Finanzierungsmodell gewählt – damitkomme ich wieder zu Ihnen, Herr Minister Steinbrück –,mit dem Sie einerseits im Jahr 2007 Investitionszu-schüsse zur Seite legen – darauf komme ich noch zusprechen – und andererseits in Zukunft das Verhältnisvon Länder- und Bundeseinnahmen bzw. -ausgaben– das betrifft die sogenannten Deckungsquoten – bei derUmsatzsteuerverteilung zulasten des Bundes verschie-ben. Das ist Ihr Finanzierungsvorschlag für die dauer-hafte Beteiligung des Bundes an den laufenden Kostender Betreuung. Ich finde, dass das nicht nur ein schlech-ter Kompromiss für den Bund ist; vielmehr widersprichtes auch Ihren eigenen Aussagen in der Föderalismus-kommission zu dem Verhältnis der Ausgabenbelastungzwischen Bund und Ländern. Deswegen ist das aushaushalterischer Sicht ein fauler Kompromiss.
Wir haben uns gefragt, warum der Finanzminister dieErrichtung eines Sondervermögens in 2007 mitträgt. Wirhalten es für rechtlich fraglich, dass eine Ausgabe, dieim laufenden Haushaltsjahr 2007 nicht ansteht, in einenNachtragshaushalt aufgenommen wird.
– Wir haben den Nachtragshaushalt gefordert, als wirden Eindruck hatten, Sie würden das Parlament über-haupt nicht befassen.
Diese Regierung hat sich zu der Idee verstiegen, dasSondervermögen möglicherweise einzurichten, ohne dasParlament zu befassen. In der Tat, da haben wir gesagt,das hielten wir für falsch.
Wenn wir aber jetzt überprüfen, was Sie vorhaben,dann kommen wir zu dem Schluss: Es ist rechtlichhöchst fragwürdig, dass eine Ausgabe, die in diesemJahr gar nicht anfällt, in diesen Nachtragshaushalt ge-packt wird.Warum macht Herr Steinbrück das? Herr Steinbrückbraucht ein Marketing, dass bitte schön die Kreditauf-nahme in diesem Jahr nicht so deutlich sinkt.
Frau Flach hat völlig recht. Wir haben Steuermehrein-nahmen in Höhe von 12 Milliarden Euro. Früher habenHerr Kampeter oder Herr Schneider gesagt, dass Steuer-mehreinnahmen zur Senkung der Nettokreditaufnahmegenutzt werden müssen. Nun stecken Sie weniger als50 Prozent, weniger als die Hälfte des Steuersegens, indie Rückführung der Verschuldung. Das ist in einemkonjunkturell guten Jahr keine überzeugende Haushalts-politik. Mit Blick auf die Zukunft ist es ein großesRisiko und verantwortungslos, Herr Steinbrück.
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Das Wort hat jetzt der Bundesfinanzminister Peer
teinbrück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Frau Lötzsch, da Sie meine Selbst-isziplin auf der Regierungsbank in Ihrer Rede auf dasußerste herausgefordert haben,
ill ich eine kurze Replik machen. Es reicht auf Dauerinfach nicht, diese Vorurteilsleier von Bonzen, Konzer-en, Besserverdienenden und Steuergeschenken in die-em Saal immer zu wiederholen,
m deutlich zu machen, dass die Politik falsch liegt oderozialdemokratisch nicht zu begründen ist. Wenn Sie
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Bundesminister Peer Steinbrückeinmal von diesem Pult aus nicht nur über die Verteilungreden würden, sondern auch über die Erbringung, die Er-wirtschaftung von Leistungen, die erst eine Verteilungmöglich macht,
wenn Sie einmal in diesem Haus über die Entstehungs-seite des Bruttosozialprodukts reden würden, dann wäredas eine intellektuelle Anregung, die mir das Zuhörenbei Ihren Reden erleichtern würde.
Die Leichtfüßigkeit, mit der Sie hier über Staatsschul-den reden und mit der Sie auch bereit sind, für die Ver-wirklichung Ihrer Vorschläge eine Erhöhung der Staats-schulden in Kauf zu nehmen, ist unverantwortlich.
– Aber selbstverständlich! Mit dem, was Sie vorschla-gen, nehmen Sie billigend in Kauf, dass die Staatsver-schuldung immer höher wird. Wenn Sie sich einmal in-tellektuell auch der Vorstellung nähern könnten, dasseine Erhöhung der Unternehmensbesteuerung – so wieSie sich das vorstellen, wahrscheinlich von 40 bis50 Prozent – dazu führen könnte, dass die Steuereinnah-men, die zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben zurVerfügung stehen, geringer sind, dann wäre das ebenfallsein Fortschritt in der parlamentarischen Debatte.
Aber solange ich Ihnen folgen durfte, ist das nicht vorge-kommen. Ich habe keinen großen Optimismus, dass sichdas in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode ändernwird.
Ich will auf den Entwurf eines Gesetzes zur Errich-tung eines Sondervermögens „Kinderbetreuungsausbau“nicht näher eingehen; denn darüber haben wir schon vorknapp zwei Wochen diskutiert. Nur so viel: Ich findenach wie vor, dass das ein großer Fortschritt ist. FrauFlach, ich habe den Eindruck, dass die FDP am wenigs-ten zur Förderung der Betreuungsplätze in dieser Repu-blik beigetragen hat.
Das eigentliche Thema ist heute der Nachtragshaus-halt – er ist die haushaltsrechtliche Voraussetzung für dieErrichtung des Sondervermögens –, mit dem wir2,15 Milliarden Euro einbringen, weil wir in diesem Jahr– darum muss man nicht lange herumschwafeln – Liqui-ditätsüberschüsse haben. Ich finde, es ist eine richtigeufDFwVWrmhzdsksfdLGldgdlwiinmwmhvsUNVEegbNr
Es ist völlig richtig, dass man den Kommunen überie Bundesländer nicht Einnahmen aus einem Umsatz-teuerpunkt, wie Frau Flach es gerne möchte – daraufomme ich gleich zu sprechen –, sondern einen Pau-chalbetrag zur Deckung der Betriebsausgaben gibt. Ver-assungsrechtlich ist ein anderer Weg nicht denkbar, weilie Kommunen nicht Teil des Bundes sind, sondern deränder.
leichzeitig die Verwendung der Mittel auf der Grund-age einer Verwaltungsvereinbarung zu kontrollieren,amit es nicht zu „klebrigen Fingern“ kommt, wie ich eselegentlich nenne – die Empirie spricht leider dafür,ass die Bundesländer gelegentlich der Versuchung er-iegen, Mittel nicht für die vorgesehenen Zwecke zu ver-enden –,
st ebenfalls ein richtiger Vorschlag, wie ich finde. Wennch dem Vorschlag von Frau Flach folgte, den Kommu-en Einnahmen aus einem Umsatzsteuerpunkt zu geben,üsste ich mit dem Klammerbeutel gepudert sein,
eil die Bundesländer dann an der Dynamik der Einnah-en aus dem Umsatzsteuerpunkt zulasten des Bundes-aushaltes partizipierten. Das heißt, dieser Vorschlagon Frau Flach richtet sich eindeutig gegen die Interes-enlage des Bundeshaushaltes.
nd das schlägt eine Bundestagsabgeordnete vor!
Was machen wir mit dem Nachtragshaushalt? Dieserachtragshaushalt ist sehr schlank und hat nichts mit dererschleuderung von Geld zu tun, wie Sie insinuieren.r besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten. Dierste Komponente ist die Errichtung eines Sondervermö-ens zur Finanzierung von Investitionen in Kinder-etreuungsplätze. Die zweite Komponente betrifft dieettokreditaufnahme. Sie geht um 5 Milliarden Euro zu-ück. Die dritte Komponente ist: Wir verschieben Ein-
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Bundesminister Peer Steinbrückmaleffekte in die Zukunft, was nicht unvernünftig ist. Sosetzen sich die 12 Milliarden Euro zusammen.
Können Sie mir eine Stelle nennen, an der wir Geld hi-nauswerfen oder unseren haushaltspolitischen Überzeu-gungen widersprechen? Ihre Behauptungen stimmennicht. Die Nettokreditaufnahme geht um 5 MilliardenEuro zurück. 4,7 Milliarden Euro an Einmaleffektenwerden in die Zukunft verschoben. Das heißt, wir habenweiter Speck in unserer Vorratskammer liegen. 2,15 Mil-liarden Euro werden in das Sondervermögen einge-bracht. Das sind die drei Komponenten.Nun rate ich allerdings dazu, es dabei zu belassen.Ganz richtig, Herr Kampeter, ich unterstütze sehr IhreAussage: Wir sollten die Sparstrümpfe und nicht dieSpendierhosen anziehen. Wir sollten diesen Nachtrags-haushalt nicht als Gelegenheit nutzen, um zum Beispielein weiteres Sondervermögen einzurichten oder andereDinge zu tun, die vielleicht wünschenswert wären.
Man sollte vorsichtig sein und nicht in Weimar oder an-derswo etwas in Aussicht stellen; denn das setzte einSignal, das der Koalitionspolitik ziemlich widerspräche.Es stünde zudem in einem gewissen Missverhältnis zuIhren Aufforderungen vom Sommer dieses Jahres, derSteinbrück solle eigentlich noch viel mehr tun. LassenSie es mich so ausdrücken: Wir sollten eine missver-ständliche Signalwirkung gemeinsam verhindern.
Frau Hajduk, es geht auch nicht um Rosinenpickerei.Die Funktion eines Nachtragshaushaltes ist, Gelder zurDeckung eines Mehrbedarfs zu bewilligen, wozu dieBundesregierung keine Haushaltsermächtigung hat. DieFunktion eines Nachtragshaushaltes ist keineswegs, zeit-nah Haushaltsveränderungen, bezogen auf diverse Titel,zu vollziehen.
– Das haben Sie öffentlich zumindest insinuiert, als Siegesagt haben, der Steinbrück hätte eigentlich die Min-dereinnahmen des Bundeshaushaltes aus der Absenkungdes Aussteuerungsbetrages der BA berücksichtigen müs-sen.
– Sehen Sie! Aber das muss ich nicht. – Ich kann Ihnenheute sagen: Die Mindereinnahmen werden in diesemJahr erkennbar durch Entlastungen an anderer Stelleüberkompensiert. Es ist nicht die Funktion eines Nach-tragshaushaltes, sozusagen titelscharf, im Sinne vonWasserstandsmeldungen, auf Veränderungen zu reagie-ren. Dann müssten wir monatlich solche Debatten füh-ren. Stellen Sie sich das einmal vor! Frau Lötzsch hättedann Gelegenheit, das zu wiederholen, was sie heute ge-sagt hat.DeudöaWvtvSspsWdaDstAhwdLmksIFgtsPjrzirg
ir sind sehr vorsichtig. Das Herbstgutachten der Sach-erständigen geht von 2,2 Prozent Wachstum für nächs-es Jahr aus. Herr Glos und ich sagen: Lasst uns nochorsichtiger sein – getreu der alten Devise: konservativechätzungen – und von 2,0 Prozent ausgehen. Die deut-che Wirtschaft ist nach wie vor in einer Aufschwung-hase. Wir sollten sie nicht zerreden, ungeachtet der Ri-iken, die man beim Namen nennen muss. Bei einemachstum von 2 Prozent hätten wir uns vor zwei oderrei Jahren vor Freude einen Kuchen gebacken. Schonber zerreden wir das Ganze wieder.
er Neigungswinkel der Wachstumskurve verändertich etwas. Das sollten wir bei unseren Haushaltsbera-ungen berücksichtigen.
ber bitte fallen Sie nicht schon wieder von „himmel-och jauchzend“ auf „zu Tode betrübt“ zurück, und ver-irren Sie nicht sämtliche Menschen in diesem Land miter Bemerkung, dass sich die gesamtwirtschaftlicheage geändert hat. Sie hat sich nicht geändert, aber wirüssen uns sehr bewusst sein, dass es bestimmte Risi-en gibt, die auch aus den Finanzmarktturbulenzen re-ultieren, die mir in der letzten Woche anlässlich desMF-Treffens in Washington geschildert wurden.Vielen Dank fürs Zuhören.
Das Wort hat jetzt der Kollege Otto Fricke von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Herr Steinbrück, als Erstes kurz zu der Kinderbe-reuung: Haben Sie eigentlich einmal nachgeschaut – Sieagten, die FDP habe da nichts gemacht –, um wie vielrozent die Zahl der Plätze für die Betreuung unter Drei-ähriger in dem Land, in dem Sie Ministerpräsident wa-en, gestiegen ist? Das bewegt sich im zweistelligen Pro-entbereich. Das heißt, all das, was Sie mit den Grünenn NRW damals gemacht haben, wird von einer Regie-ung unter Beteiligung der FDP in erheblichem Maßeetoppt.
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Otto Fricke– Die Zahlung vom Bund ist doch noch gar nicht da, ha-ben Sie gerade gesagt, sie kommt doch erst noch. –
Was den Mehrwertsteuerpunkt angeht, so sage ich,dass jemand wie Sie, Herr Steinbrück, der gegen einenSchachweltmeister 34 Züge macht, doch so intelligentist, dass er weiß, dass er in der Lage ist, eine Formulie-rung dafür zu finden, dass an der Steigerung keine Betei-ligung erfolgt, es aber einen Anteil an der Mehrwert-steuer gibt. Auch Sie können doch nicht garantieren,dass die 770 Millionen Euro, die Sie demnächst gebenwerden, auf ewig festgeschrieben sind. Sie werden eineentsprechende Anpassung vornehmen. Reden Sie alsonicht so, als wären wir diejenigen, die falsche Vor-schläge machten, obwohl wir vor Ort bewiesen haben,dass wir bei der Betreuung von Kindern, gerade bei denunter Dreijährigen, bei denen der größte Handlungsbe-darf besteht, erfolgreich arbeiten.
Es ist im Übrigen schön, Herr Steinbrück, dass sichdie Regierung doch imstande sah, nach der Mahnung derFDP und der Grünen diesen Nachtragshaushalt vorzule-gen. Wir sind froh, dass es einen solchen Haushalt gibt,weil er im Grundsatz zeigt, wohin die Entwicklung geht,wiewohl ich glaube, dass wir noch gegen Ende des Jah-res erleben werden, dass sich mehrere Posten in Milliar-denhöhe im Haushalt nicht so abbilden, wie uns das dieGroße Koalition gegenwärtig glauben machen will.
Nur, dieses Land ist an einem Wendepunkt. Wenn dasFenster zugehen sollte, was keiner will – keiner will dieEntwicklung kleinreden –, dann wird diese Große Koali-tion mit dem Vorwurf leben müssen, dass sie eineinhalbbis zwei Jahre eine Chance hatte, diese im ersten halbenJahr nicht bemerkt hat, im zweiten halben Jahr überlegthat, was sie machen soll, im dritten ein bisschen gemachthat und es im vierten Halbjahr wieder zu Ende war unddie SPD, um einen Sargnagel draufzuhauen, einen Bun-desparteitag gemacht hat. Das ist das, was uns droht.
Es gibt dunklere Wolken am Horizont. Die müssennicht unbedingt zum Niederschlag führen. Lassen Sieuns einmal ehrlich sein: Die Zinsausgaben steigen um3 Milliarden Euro. Hätten wir keine Steigerung der Zins-ausgaben – das sage ich gerade den Familienpolitikernder Koalition –, dann wäre es ein Leichtes gewesen, die2,1 Milliarden Euro gegenzufinanzieren. Wenn das soweitergeht – wir kennen doch die Inflation –, werden dieZinsen weiter steigen. Ich plädiere übrigens für denSchutz der kleinen Leute; denn von Inflation werden ammeisten die Schwachen und die Armen bedroht, nichtdie Reichen. Die werden zwar ein bisschen wenigerreich, aber die Armen werden über die Grenze hinausbelastet, die wir als Sozialstaat überhaupt noch verant-worten könnten.
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Na ja. Wenn jemand wie Herr Kampeter es nötig hat,ie FDP haushaltspolitisch mit der Linken zu verglei-hen, dann muss ich sagen: Ihnen gehen so langsam diergumente aus. Geben Sie es zu!
Die Kollegin Hajduk hat recht – das sage ich aus-rücklich –: Wir könnten viel schneller auf Null kom-en; wir könnten die Schulden in diesem Jahr vielchneller abbauen. Was den Verkauf von Anteilen an-eht, sage ich Ihnen klar: Es ist in Ordnung, Privatisie-ungen in diesem Jahr nicht durchzuführen, wenn Sie da-on ausgehen, dass die Privatisierungserlöse imächsten Jahr höher sind. Wenn die Privatisierungserlösen diesem Jahr allerdings genauso hoch wie im nächstenahr sind, ist es nicht in Ordnung. Allein schon wegener Zinsbelastung müssen Sie diese Privatisierungenann noch in diesem Jahr durchführen; denn sonst wer-en die Kinder – um sie geht es eigentlich – belastet.Ich komme zum Schluss. Die SPD streitet sich auf ih-em morgen beginnenden Parteitag darüber, ob ein vor-orgender oder eher ein versorgender Sozialstaat richtigst.
ür die FDP ist es wichtig, dass wir im Interesse derchwachen keinen verschwendenden Sozialstaat haben;enn ein verschwenderischer Sozialstaat ist auf Dauerin verschwindender Sozialstaat, und das will die FDPuf gar keinen Fall.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Ole Schröder voner CDU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Für über 90 Prozent der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer ist die Vereinbarkeit von Beruf und Fami-
lie mindestens genauso wichtig wie die Höhe des Ge-
halts. Das macht deutlich: Die Vereinbarkeit von Beruf
und Familie ist die Herausforderung für junge Familien.
Es ist bei den derzeitigen Rahmenbedingungen kaum
möglich, diese Herausforderung zu meistern.
Das Tagesbetreuungsausbaugesetz von Rot-Grün
hat nicht die notwendige Dynamik geschaffen, um einen
entsprechenden Zuwachs an Betreuungsplätzen zustande
zu bringen. Der Zuwachs kommt auf sehr niedrigem Ni-
veau nur sehr langsam voran. Die Konsequenz: Es be-
steht ein erheblicher Mangel an Betreuungsplätzen, ins-
besondere für unter Dreijährige.
Die Folgen sind offensichtlich: Die Männer, meistens
die Frauen verzichten zugunsten von Kindern auf ihren
Beruf, oder sie verzichten zugunsten ihres Berufs auf
Kinder. Gerade für die besonders qualifizierten Frauen
trifft dies immer häufiger zu.
Die Regierung Merkel stellt sich dieser gesellschafts-
politischen Herausforderung wie keine Regierung zuvor.
Wir sorgen mit dem deutlichen Ausbau der Möglichkei-
ten zur Betreuung von Kindern dafür, dass Kinder und
Beruf besser miteinander vereinbart werden können. Wir
schaffen eine wirkliche Wahlfreiheit. Es ist ein großer
Erfolg der Familienministerin Frau von der Leyen,
Kommunen, Länder und den Bund in so kurzer Zeit zu-
sammenzuführen, um ein solches Großprojekt auf den
Weg zu bringen.
Jetzt kommt es natürlich darauf an, den Ausbau in die
Tat umzusetzen. Mit dem Beschluss, den wir heute tref-
fen, ist der Weg für den Ausbau der Betreuung unter
dreijähriger Kinder auf 750 000 Plätze frei.
Mit der Einrichtung des Sondervermögens noch in die-
sem Jahr stellen wir sicher, dass die Mittel, ohne auf das
jeweilige Haushaltsjahr begrenzt zu sein, abfließen kön-
nen. Wir belasten eben nicht, wie in früheren Jahren, zu-
künftige Haushalte, sondern stellen das Geld jetzt zur
Verfügung.
Herr Kollege Schröder, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Koppelin?
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ie wird heute durch ihren Parlamentarischen Staatsse-retär vertreten. Das heißt, das Familienministerium istnwesend. Ich sehe überhaupt keinen Grund zur Klage.ir als Parlament werden von der Familienministerinehr gut berücksichtigt.
Meine Damen und Herren, wir schaffen mit dem Be-chluss heute die notwendige Sicherheit für die Kommu-en. Mit dem Sondervermögen – das ist wichtig – schaf-en wir die notwendigen Voraussetzungen nicht nur füreuinvestitionen, sondern auch für Umbaumaßnahmennd Renovierung. Wir bleiben nicht bei der Förderunger Investitionskosten stehen. Der Bund wird sich bis013 mit 1,85 Milliarden Euro und danach mit jährlich70 Millionen Euro an den Betriebskosten beteiligen.er Bund übernimmt bei dem notwendigen Ausbau deretreuungseinrichtungen für unter Dreijährige eineichtige Impulsfunktion.
Aber eines müssen wir klarstellen: Die Verantwor-ung dafür, das dann umzusetzen, liegt weiterhin bei denommunen, und das ist auch richtig so, weil die Elternn den Kommunen die Möglichkeit haben, sich einzu-ringen in der Frage, welche Art der Betreuung notwen-ig ist, und mit zu entscheiden. Die Bedarfe sind natür-ich unterschiedlich. In einem besonders urbanen Raumie München ist anderes notwendig als in besondersändlichen Bereichen wie in Schleswig-Holstein. Des-alb ist es vernünftig, dass die Kompetenz weiterhin beien Kommunen verortet ist.Mit dem massiven Ausbau der Kinderbetreuung errei-hen wir endlich das Ziel einer wirklichen Wahlfreiheitür die Eltern. Professor Paul Nolte hat es auf den Punktebracht: Das Ziel ist nicht die Ersetzung der Familieurch den Staat, sondern ihre Stützung und Stärkung, da-
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Dr. Ole Schrödermit Frauen und Männer ihren Kinderwunsch leichter er-füllen können.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Nicolette Kressl von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitdem Beschluss zur Errichtung eines Sondervermögenszum Ausbau der Kinderbetreuung schließen wir heuteeinen ersten Teil in einem umfangreichen Paket ab, mitdem wir auch einen großen gesellschaftlichen Sprungnach vorn machen. Es ist ein Paket, das bis zumJahr 2013 einen zügigen Ausbau der Betreuungsange-bote für unter Dreijährige und ab 2013 die Garantie fürEltern beinhaltet, dass sie einen Betreuungsplatz finden,wenn sie ihn brauchen; wir nennen es fachlich: Rechts-anspruch. Ich will es noch einmal deutlich sagen: Es istdie Sicherheit für Eltern, tatsächlich eine gute frühe För-derung für ihre Kinder zu erhalten.
Dieser Sprung nach vorn bringt uns nicht nur gesell-schaftspolitisch weiter; er wird auch dafür sorgen, dasswir bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, bei derWahlfreiheit für Männer und Frauen und auch bei derfrühen Förderung von Kindern endlich den Anschluss andie europäischen Länder finden, die uns schon fast seitJahrzehnten weit voraus sind. Wir brauchen diesen An-schluss an die anderen europäischen Länder gesell-schaftspolitisch, und wir brauchen ihn ökonomisch. Bei-des ist in diesem Zusammenhang wichtig.
Darauf kann diese Koalition mit Recht stolz sein.Wer hätte im Januar dieses Jahres, als die SPD diesenRechtsanspruch als wichtiges Ziel formuliert hat, ge-glaubt – das zu sagen soll mir schon erlaubt sein –, dasswir ihn in dieser Legislaturperiode so schnell erreichen?
Ich freue mich im Übrigen auch darüber, dass dieserBeschluss heute in Deutschland endlich noch ein Stückmehr mit dem Klischee der Rabenmütter aufräumt. Dabin ich zuversichtlich, auch durch die gestern veröffent-lichte Studie von World Vision, die ganz deutlich ge-macht hat: Kinder von Eltern, die beide berufstätig sind,sind außerordentlich zufrieden und empfinden keinenMangel an Zuwendung – im Gegenteil. Es geht nicht umdie Zahl der gemeinsam verbrachten Stunden, sondernum ihre Intensität.WiwfEDStvnddvmsBJsKs24ndddvdmßdsnEWes
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Jawohl. Die Wahlfreiheit für junge Familien kann nunealität werden. – Auch das ab 2013 geplante Betreu-ngsgeld für Familien, die ihre Kinder die ersten Jahreieber zu Hause betreuen möchten – es wird niemandenberraschen, dass ich auch dies anspreche –, ist ein wei-erer Schritt in Richtung Wahlfreiheit für junge Eltern.Für die Unionsfraktion sind beide Wege, Ausbau deretreuungseinrichtungen für unter 3-Jährige und Betreu-ngsgeld, daher keine Gegensätze, sondern sie gehörenusammen. So ist das Betreuungsgeld in der Begrün-ung des Gesetzentwurfes konsequenterweise zu finden.
Der Kollege Peter Weiß könnte ruhig noch länger ap-laudieren.In keiner Weise geht es aber darum, Eltern, die ihrind zu Hause betreuen möchten, und Eltern, die nachiner Babypause wieder arbeiten möchten, gegeneinan-er auszuspielen. Ich bitte darum, in dieser Debatte end-ich abzurüsten und die Feindbilder abzubauen. Im Ge-enteil: Jede Familie kann selbst entscheiden, wie dieetreuung der Kinder in Zukunft organisiert werdenoll.Der eingeschlagene Weg in der Familienpolitik gehtindeutig in die richtige Richtung. Unser Ziel ist es,enschen Mut zu machen, ihre Kinderwünsche zu ver-irklichen, Armut von Familien zu vermeiden und Er-erbsarbeit von Müttern und Vätern gleichermaßen zuerbessern. Notwendig ist hierfür eine Familienpolitikus einem Guss: Elterngeld, Steuergerechtigkeit, Wahl-reiheit und finanzielle Sicherheit für Familien.
Wir wollen auch mehr Transparenz, das heißt eineündelung der staatlichen Familienleistungen durch eineamilienkasse. Kurz gesagt: Wir wollen eine Familien-olitik, wie wir sie in den vergangenen zwei Jahren mitrau Ministerin von der Leyen an der Spitze vorangetrie-en und umgesetzt haben. Ich denke, darauf können wiru Recht stolz sein. Die Familien in unserem Land wer-en es uns danken.Ich glaube, die Einrichtung dieses Sondervermögensst heute eine Sternstunde des Parlaments. Wir schaffenür die Kommunen, aber auch für die jungen Mütter undäter Planungssicherheit und Verlässlichkeit.
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Paul LehriederIch komme zum Anfang der Debatte zurück. In Zu-kunft haben nicht nur die Beamten die Planungssicher-heit, die notwendig ist, um Kinder in die Welt zu setzen.Auch alle anderen, die in der freien Wirtschaft tätig sind,können dank dieser Angebote in Zukunft besser planen.Sie werden hoffentlich mehr Mut zu Kindern haben. An-gesichts unserer niedrigen Geburtenrate – auf eine Fraukommen rein statistisch gesehen 1,3 Kinder – brauchenwir diesen Mut in unserer Gesellschaft dringend.Herzlichen Dank an unseren Koalitionspartner für diekonstruktiven Gespräche auf diesem Weg und an alle,die mitgewirkt haben.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denFraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachtenGesetzentwurf zur Errichtung eines Sondervermögens„Kinderbetreuungsausbau“. Der Haushaltsausschussempfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-che 16/6816, den Gesetzentwurf der Fraktionen derCDU/CSU und SPD auf Drucksache 16/6596 in derAusschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, diedem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Be-ratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegendie Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beiEnthaltung der FDP-Fraktion und der Fraktion DieLinke angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu-stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichenStimmverhältnis wie zuvor angenommen.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 16/6390 an den Haushaltsaus-schuss vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? –Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so be-schlossen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich dennächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, teile ich Ihnenmit, dass sich die Fraktionen verständigt haben, denTagesordnungspunkt 21 – es handelt sich um die Bera-tung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Um-welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu Vorlagen be-treffend die Änderung der Verpackungsverordnung –von der Tagesordnung abzusetzen. Sind Sie damit ein-verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-sen.Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 bauf:22 a) Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenDr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, PeterAddsnGNubbDsgtdFwwidmdeamawNGddF
gierungZweiter Bericht der Bundesregierung über dieSituation des Fahrradverkehrs in der Bundes-republik Deutschland 2007– Drucksache 16/6705 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
SportausschussAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Dabei sollenie Grünen fünf Minuten erhalten. Gibt es Widerspruchagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so be-chlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-er dem Kollegen Dr. Anton Hofreiter, Bündnis 90/Dierünen, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Der Fahrradverkehr ist eines der Themen,ei denen scheinbar immer ein großer Konsens herrscht,ei denen man sich immer in sehr kurzer Zeit einig ist.er Fahrradverkehr ist auf alle Fälle positiv besetzt. Alleind der Meinung, dass er gefördert werden muss. Esibt auch gute Gründe dafür. Die Lebensqualität in Städ-en nimmt eindeutig zu, wenn weniger Menschen mitem Auto und mehr Menschen mit dem Fahrrad oder zuuß unterwegs sind. Letztendlich ist es sehr gesund,enn man sich die Zeit nimmt, mit dem Fahrrad unter-egs zu sein. Bei Strecken bis zu 6, 7 oder 8 Kilometernst man oft sogar weitaus schneller unterwegs als mitem Auto.
Auch für den Klimaschutz ist der Fahrradverkehrehr als positiv. Man kann erhebliche Mengen an CO2urch eine Erhöhung des Anteils des Fahrradverkehrsinsparen. Das Umweltbundesamt hat je nach Szenariousgerechnet, 4 bis 13,5 Millionen Tonnen CO2 seienöglich. Das sind beachtliche Mengen. Es kommt nuruf die entsprechenden Rahmenbedingungen an.Bevor ich zur Kritik kommen möchte, möchte ich et-as Positives erwähnen. Nach der Verabschiedung desationalen Radverkehrsplans unter Rot-Grün ist von derroßen Koalition manches sinnvoll weitergeführt wor-en; da wollen wir nicht widersprechen. Vom Difu wirdie Fahrradakademie gegründet, und die Anlage vonahrradwegen an Bundeswasserstraßen ist intelligenter
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Dr. Anton Hofreitergeregelt worden. Das sind zwar kleine Beispiele, aberimmerhin Beispiele dafür, dass sich die Dinge in einepositive Richtung entwickeln. Da dies der Fall ist, darfman dies auch als Opposition erwähnen.
– Es ist schön, dass die Große Koalition mit Zeitverzö-gerung bemerkt hat, dass sie gelobt wurde.Allerdings sind viele Dinge – dabei geht es jetzt umdie richtig wichtigen Sachen – leider nicht sehr positiv.Wofür sind wir im Fahrradverkehr direkt zuständig?Direkt zuständig ist der Bund für den Bau der Fahrrad-wege an Bundesfernstraßen. Da ist die Entwicklung lei-der nicht sehr positiv. 2005 wurden dafür immerhin noch98 Millionen Euro im Haushalt zur Verfügung gestellt.Jetzt könnten wir sagen: Viel Geld, aber es ist nichts pas-siert. Aber immerhin ist ein erheblicher Anteil, nämlich93 Millionen Euro, abgerufen worden. Wenn man jetztschaut, was für 2007 geplant war, stellt man fest: Es sindnur 80 Millionen Euro eingestellt worden. Wenn mandavon spricht, den Fahrradverkehr, den Klimaschutzusw. wolle man weiter fördern – das sagt auch die GroßeKoalition –, ist es eigentlich nicht konsequent, wenn wirden Mittelansatz bei dem wichtigsten Titel, dort, wo derBund direkt zuständig ist und er eine Vorbildfunktion ge-genüber Kommunen und Ländern hat, die die meistenKompetenzen im Fahrradbereich haben, senken. Natür-lich kann man von Haushaltskonsolidierung sprechen.Mit 18 Millionen Euro kann man den Haushalt abernicht konsolidieren. Außerdem muss man sich bewusstsein, dass es fast nichts Kostengünstigeres gibt, um CO2einzusparen, als die Förderung des Fahrradverkehrs.
Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Kritikpunkte.Es ist nicht gelungen, den Fahrradverkehr so in denFokus zu rücken, dass er von der Kanzlerin oder dem zu-ständigen Minister als zentrale Aufgabe wahrgenommenwird. Wenn man sich klassische Fahrradländer wie Hol-land anschaut, stellt man fest, dass der Fahrradverkehrdort eine ganz andere Stellung hat. Das sieht man alleindaran, dass bedeutende Personen – man sollte nicht sa-gen, dass sie sich dazu herablassen – mit dem Dienst-fahrrad unterwegs sind. Das klingt vielleicht ein biss-chen trivial oder lächerlich. Ein solch vorbildlichesVerhalten hat aber eine erhebliche Wirkung. Das kannman in Holland wunderschön beobachten.
Ein weiteres großes Problem ist, dass keine quantitati-ven Ziele formuliert wurden. Wenn sich eine Regierungbei der Förderung des Fahrradverkehrs keine quantitati-ven Ziele setzt, dann kann sie sie auch nicht verfehlen.Für die Regierung ist das natürlich schön. Bloß, wiemisst man dann letztendlich den Erfolg? Es wäre ange-messen, sich das eine oder andere messbare Ziel zu set-zen. Dann kann man nämlich sehen, ob die Maßnahmen,die man ergriffen hat, auch erfolgreich waren.tdaeMrGaCDdddBpri–rdkcdrwFdsRFbmtAefemkrdgrg
Jetzt hat der Kollege Gero Storjohann von der CDU/
SU-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Mit dem Zweiten Bericht der Bun-esregierung über die Situation des Fahrradverkehrs iner Bundesrepublik Deutschland 2007 und der Antworter Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionündnis 90/Die Grünen zum Nationalen Radverkehrs-lan 2002 bis 2012 wird eines ganz deutlich: Die Förde-ung des Fahrradverkehrs gewinnt in der Verkehrspolitikmmer mehr Bedeutung.Grund hierfür sind die Vorteile des RadfahrensDr. Hofreiter hat sie schon herausgestrichen –: Fahr-adfahren ist gesund; regelmäßiges Radfahren vermin-ert das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – wirönnen alle noch etwas lernen –, von Gelenk- und Rü-kenbeschwerden, von Fettleibigkeit, von Bluthoch-ruck und von Diabetes. Auch Bundestagskollegen fah-en sehr wohl mit dem Fahrrad zur Arbeit; das wissenir alle.
erner ist Fahrradfahren umweltfreundlich und dientem Klimaschutz. Radfahren verursacht keine Schad-toffemissionen. Radfahren verursacht keinen Lärm.adfahren schafft Platz: Wo ein Auto steht, können achtahrräder stehen. Durch Radfahren wird also die Le-ensqualität in unseren Städten erhöht. Außerdem istan mit dem Rad schnell: Radfahrer erreichen in Städ-en auf kurzen Strecken das Ziel genauso schnell wieutofahrer. Ich glaube, heute haben das besonders vielerfahren können.Der Fahrradtourismus wächst in Deutschland – dasinden wir alle prima – seit Jahren stetig. Das Fahrrad istin ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor. Fahrradfahrenacht Spaß. Die ganze Familie – egal ob Jung oder Alt –ann es betreiben. Das hat auch unsere Parlamentsfahr-adtour „Berlin by Bike“ Anfang September gezeigt, miter wir als Bundestagsabgeordnete in Berlin ein wichti-es Signal gegeben haben und gezeigt haben, dass Fahr-adfahren eine gute Möglichkeit ist, um sich fortzubewe-en. Bei dieser Radtour wurden uns erneut viele
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Gero StorjohannMöglichkeiten zur Verbesserung des Radverkehrs in derBundeshauptstadt exemplarisch vor Augen geführt. Eswurde klar, dass es noch vieles zu verbessern gibt.Der Radverkehrsplan 2002 bis 2012 dient dazu, daszu konkretisieren. Wir möchten mit diesem Plan neueWege und Umsetzungsstrategien zur Förderung des Rad-verkehrs initiieren. So soll der Anteil des Radverkehrs inDeutschland gesteigert werden. Man kann natürlich zuRecht sagen, dass ein konkretes Ziel fehlt. Aber zumin-dest in der Richtung sind wir uns einig. Darüber hinaussind die weiteren Ziele die Förderung des Radverkehrsals Bestandteil einer nachhaltigen integrierten Verkehrs-politik und die Verbesserung der Verkehrssicherheit. DieCDU/CSU-Fraktion unterstützt ausdrücklich diese Ziele.Alle Radfahrerinnen und Radfahrer in ganz Deutschlandkönnen sich sicher sein: Die Unionsfraktion wird sichweiterhin konsequent für die Stärkung des Radverkehrseinsetzen.Zur Verbesserung der Radverkehrssicherheit ist schonvieles geleistet worden. So wurden in den Jahren 1995bis 2004 von Bund, Ländern und Gemeinden Investitio-nen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro für den Ausbau derRadwege getätigt. Der Radwegebestand an Straßen hatsich dadurch um 10 000 Kilometer erhöht. Dadurch wirdder Fahrradverkehr vom motorisierten Verkehr getrennt.Das ist eine wichtige Maßnahme für die Verkehrssicher-heit. Dennoch sind wir uns einig: Es gibt noch viel zutun, zumal es durch die Wiedervereinigung unterschied-liche Voraussetzungen in Ost und West hinsichtlich desAusbaus von Fahrradwegen gab.Etwa 65 Prozent der Bundesstraßen und 79 Prozentder Landesstraßen in Deutschland haben noch keineRadverkehrsanlagen. Aber die Große Koalition packthier an. Im Bundeshaushalt 2008 haben wir für den Rad-wegeausbau knapp 87 Millionen Euro bereitgestellt. Ichhalte den Ausbau der Radwege für wichtig. Die Frageist, inwieweit wir ihn unbedingt an Bundesstraßen for-cieren müssen.
Wäre es nicht viel intelligenter, dies auch bei anderenStraßenkomplexen zu tun? Allein 80 Millionen Euro ge-hen in den Ausbau von Radwegen an Bundesstraßen; dasist etwas weniger als bisher. Dies ist eine wichtige Inves-tition in die Sicherheit der Radfahrer im Straßenverkehr.Politisch waren wir uns ja alle einig, dass wir demAusbau der Radwege an Wasserstraßen eine hohe Priori-tät zukommen lassen wollen. Da befinden wir uns nocham Anfang einer Bewegung. Das Geld ist bereitgestellt.Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass derWille des Parlaments umgesetzt wird. Denn das Fahrenan Wasserstraßen ist gerade im Fahrradtourismus sehrbeliebt. Das wollen wir uns besonders auf die Fahnenschreiben. Deswegen ist es wichtig, dass die Betriebs-wege an Bundeswasserstraßen gänzlich für den Fahrrad-verkehr freigegeben werden, und da, wo dies noch nichtmöglich ist, diese Wege für den Fahrradverkehr er-schlossen werden.zZBnhgbuoLamWFmlwAhDkrBwdkFgttekbB8fwnnFdisSdst
Wir reden nicht im luftleeren Raum. In England gibts bereits gute Erfahrungen damit, in Hochgeschwindig-eitszügen Fahrräder mitzunehmen. Das ist ohne Pro-leme möglich. Das sollte ein Beispiel sein, um dieahn zu überzeugen, diesen Trend nicht zu verpassen.0 Prozent der Deutschen halten laut einer Forsa-Um-rage solch ein Serviceangebot für eine gute Idee. Auchenn ich nur die Bahnkunden frage, würde sich immeroch die überwiegende Mehrzahl damit anfreunden kön-en und sagen: Jawohl, wir möchten gerne unser teuresahrrad mit in den Urlaub nehmen und es nicht unbe-ingt mit dem Auto in den Urlaub transportieren. – Dasst also ein wichtiger Punkt, wo die Politik ein Signaletzen kann.Meine Damen und Herren, wir müssen mehr für dieicherheit von Fahrradfahrern tun. Die CDU/CSU-Bun-estagsfraktion spricht sich deshalb dafür aus – jetzt pas-en Sie auf –, Radwege an Kreuzungen durch das Auf-ragen roter Farbe deutlich zu markieren. Das ist ein
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Gero Storjohannwichtiger Schritt für uns, den Sie anerkennen sollten. Esmacht auch Sinn, das Symbol „Fahrradfahrer“ auf dieFahrbahn aufzutragen. Auch die Mitnutzung von Bus-spuren durch Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrermacht Sinn. Außerdem müssen Fahrradfahrer aus demtoten Winkel raus. Hier sind leider schon zu viele Men-schen gestorben. Deshalb brauchen wir zum besserenSchutz von Fahrradfahrern Aufstellflächen vor Ampel-anlagen. So haben die Kraftfahrer die Zweiradfahrer im-mer im Blick.In dieser Woche haben wir über die Erhöhung derBußgelder für Verkehrsverstöße diskutiert. Dabei istdeutlich geworden: Wir brauchen eine höhere Kontroll-dichte. Das gilt auch für die Kontrolle von Fahrradfah-rern; denn ihr Verhalten wird oftmals zum Vorbild fürden gesamten Straßenverkehr in einer Stadt genommen.Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass Fahrradfahrer zuverkehrsgerechtem Verhalten angeleitet werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Anteil des Fahr-rads am gesamten Verkehr in Deutschland liegt bei9 Prozent. In den Niederlanden sind es 27 Prozent, inDänemark 16 Prozent. Wir können also noch aufholen –keine Frage. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten.
Das Wort hat jetzt der Kollege Patrick Döring von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieletzte Debatte zu diesem Thema im Jahre 2004 war ja zutiefer Nachtstunde angesetzt und fand dann gar nichtstatt, weil die Reden zu Protokoll gegeben wurden. Nunist das Thema Radverkehr aus nächtlicher Stunde auf ei-nen Donnerstagmittag vorgerückt, obwohl die Grünennicht mehr mitregieren. Man kann nur staunen, dass dieGroße Koalition erkannt hat, welches Potenzial in die-sem Bereich liegt. Wo Lob angebracht ist, möchte ich esauch äußern.Bei den Antworten auf die 109 Fragen in der GroßenAnfrage der Grünen – wahrlich eine Fleißarbeit – ist ei-niges schon interessant, auch wenn nicht alles ganz neuist.Als Erstes möchte ich einen Gedankengang, den derKollege von den Grünen angestellt hat, aufgreifen. Ersagte, weil weniger Geld für Radwege an Straßen inBaulast des Bundes ausgegeben werde, mache die Koali-tion weniger für den Radverkehr. Meine Erfahrung ist,dass an dieser Stelle kaum noch Potenzial vorhanden ist,weil viele Radwege an Bundesstraßen für die Nutzer inhohem Maße unattraktiv sind; denn die Verkehrslage aufden Bundesstraßen macht es nicht gerade zu einer ange-nehmen Erfahrung, nebenher auf dem Fahrrad zu fahren.Deshalb halte ich die Schlussfolgerung, dass, weil dortweniger investiert werde, insgesamt weniger für dieFahrradfahrer getan werde, für falsch, auch wenn das ob-jektiv das einzige Kriterium ist, das sich im Haushalt zudieser Frage findet. Meiner Meinung nach geht es da-rmdBgltb2uWmsTdsesTkDndsFfidwduWmvFwshVaHmnDfnwfddhKG
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Das Wort hat die Kollegin Heidi Wright für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe parlamentarische Fahrradfreunde! Aber auch diegroße Fahrradgemeinde in Stadt und Land grüße ichrecht herzlich. Die Kolleginnen und Kollegen vonBündnis 90/Die Grünen haben sich wirklich viel Arbeitdamit gemacht, diese 109 Fragen zu stellen, und das Mi-nisterium hat sich viel Arbeit damit gemacht, die klugenund die schwierigen Fragen zu beantworten, und unseine gute Grundlage für die weitere Arbeit geliefert.Herzlichen Dank dafür!Umfangreich war dies alles, weil sich nicht nur diewirtschaftlichen Aspekte des Fahrradtourismus, des al-ternativen Bereichs der Verkehrspolitik, darin widerspie-geln, sondern auch die gute Wirkung des Radfahrens fürdie Gesundheit, die entlastende Wirkung des Radfahrensim Bereich Klima- und Umweltschutz und die Notwen-digkeit des Ausbaus des Radverkehrs mit Blick auf einezukunftsgerichtete nachhaltige Stadtentwicklung.Dem Ministerium danke ich auch für die gute Zusam-menarbeit. Eine Person möchte ich namentlich nennen:unseren Staatssekretär Ulrich Kasparick, dem ich alsstellvertretende Bundesvorsitzende des ADFC heute zuseinem 50. Geburtstag gratuliere. Herzlichen Glück-wunsch unserem Fahrradfreund, der ebenfalls Mitgliedin diesem wichtigen Fahrradverband ist!
Die gute Zusammenarbeit auch mit unseren Haushäl-tern gipfelt darin, dass es ein gut aufgestelltes ReferatSW 24 mit guten Leuten gibt. Dazu bedurfte es einigerGespräche; aber das haben wir jetzt sichergestellt. LieberKollege Hofreiter, wir werden auch mit den vorhande-nen Haushaltsmitteln weiterkommen. Richtig ist, dass esbeschwerlich war, die Mittel auf 80 Millionen Euro he-runterzufahren. Ich bin sicher, dass im nächsten Jahrwieder 90 Millionen Euro für die Radwege an Bundes-straßen zur Verfügung stehen werden. Es gibt auch einegegenseitige Deckungsfähigkeit, sodass es am Geldwirklich nicht mangelt.dsbDdhgJdsdwrdugp„mdsDszKwdmznKADewDslAFRmehlasfaF
ass wir davon noch entfernt sind, erfahren wirchmerzlich; für mich gilt das ganz besonders.Liebe Freunde, im September dieses Jahres fandeneitgleich zwei Messen statt: in Frankfurt die IAA und inöln die IFMA, die Internationale Fahrradmesse. Wasar das in Frankfurt für ein Bohei! Die Kanzlerin halfem neuen Präsidenten des VDA vom Glatteis, und ge-einsam lobte man emissionsreduzierte Fahrzeuge bzw.umindest die Aussicht auf sie; denn noch gibt es sieicht ganz wirklich.Auf der IFMA in Köln hingegen – die Kollegenasparick und Bodewig waren dort – wurde eine ganzermada von Null-Emissions-Fahrzeugen präsentiert.abei handelte es sich um futuristische Geräte. Das warine tolle Schau. Da blieben keine Wünsche offen. Esurde deutlich, dass die 73 Millionen Fahrräder ineutschland einen sehr wichtigen Wirtschaftsfaktor dar-tellen.Warum gelingt es bei aller Fahrradfreude in Deutsch-and dennoch nicht, Fahrräder in gehörigem Maße in denlltagsverkehr zu integrieren? Warum gibt es bei derahrradnutzung in den unterschiedlichen Städten undegionen Deutschlands ein so großes Gefälle? Ich frageich: Warum hat das Fahrrad im Gegensatz dazu inuropäischen Hauptstädten wie Amsterdam und Kopen-agen für die Alltagsnutzung einen extrem hohen Stel-enwert?In Kopenhagen wird ein Modal-Split von 50 Prozentngestrebt. In Berlin hingegen liegt der Modal-Split zwi-chen 13 und 15 Prozent, und nach den Zahlen, die mirür München vorliegen – zugegebenermaßen sind sielt –, beträgt er auch dort 13 Prozent. Alle meinereunde aus München sagen mir allerdings: Nein, Mün-
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Heidi Wrightchen ist schon weiter, und hier wird etwas getan. – Dasfreut mich, und das muss auch so sein. In München wardie Velo-City-Konferenz 2007 mit einem tollen Pro-gramm und hohen Besucherzahlen. Das muss eine nach-haltige Wirkung haben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Zweiten Fahr-radbericht wurde aufgezeigt, dass es nicht am Wissenoder an der Erkenntnis mangelt, sondern an der Umset-zung einer guten Fahrradpolitik. Mit anderen Worten– ich habe das auch meiner Fraktion so gesagt –: ImKopf haben wir das schon; wir müssen das aber auch imHerzen haben. Oder sollte ich sagen: im Bauch? Wirmüssen mit Lust und Freude eine gute Fahrradpolitik be-treiben.
Es gibt viele gute Gründe für eine offensive Radver-kehrspolitik, zum Beispiel den Klima- und Umwelt-schutz. Auf allen Gebieten muss eine CO2-Reduzierungerfolgen: in der Industrie, im privaten Bereich und natür-lich – hier sind wir gefordert, Kolleginnen und Kollegen –im Verkehrsbereich.Ich bedaure sehr, dass das CO2-Reduktionsziel durchden Radverkehr in dem in Meseberg beschlossenen inte-grierten Energie- und Klimaprogramm nicht explizit auf-geführt wurde. Allerdings hat mir das Bundesverkehrs-ministerium jetzt geschrieben, dass die Bundesregierungin der Steigerung des Umfangs des Radverkehrs einegute Möglichkeit sieht, die CO2-Emissionen weiter zuverringern. Dazu sage ich: Nur zu! Außerdem wird ge-rade ein Forschungsprojekt durchgeführt, das unsschwarz auf weiß das Ergebnis liefert, wie groß die CO2-Reduktion ist, die wir dadurch erzielen können.Ein weiterer Grund für offensive Radverkehrspolitikist die Stadtentwicklung. In der Leipzig-Charta zur nach-haltigen europäischen Stadt vom Mai 2007 – Europalässt grüßen! – ist der Radverkehr zweimal aufgeführt,allerdings nur beiläufig. Ich sage: Nachhaltige städte-bauliche Entwicklung geht nur mit der Fortentwicklungdes Radverkehrs. Der Kollege Storjohann hat es deutlichgemacht: Parkplatznot, Flächenverbrauch, Schadstoff-emissionen, Verkehrslärm, Rushhour, Stau, hohe Ben-zin-, hohe Mobilitätspreise, das sind unsere Alltagssor-gen. Ein Ansatz zur Lösung dieser Probleme ist mehrRadverkehr.Fahrradpolitik in Form von Radwegen ist eine wich-tige Sache. Eine weitere wichtige Sache ist jedoch dasrichtige Klima, die Fahrradfreundlichkeit. Im Fahrradbe-richt der Bundesregierung wird festgestellt, dass dasEngagement der einzelnen Städte, Länder und Gemein-den bei der Radverkehrsförderung erhebliche Unter-schiede aufweist. Die Unterschiede vor Ort, muss manfeststellen, sind oft drastisch. Deshalb meine große Ein-ladung an die Kommunen: Nehmen Sie das Angebot derBundespolitik mit der Fahrradakademie, dem Bund-Län-der-Arbeitskreis und dem Fahrradportal im Internetintensiv wahr! Wir aus der Bundespolitik bieten mit un-serer Radverkehrspolitik den offenen Dialog und vielfäl-tige Möglichkeiten.BvEKbkdsbzIFWfgBGdgwn2dawJMSsDdfkc8FDl
Das Wort hat die Kollegin Dorothée Menzner für die
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ir reden über zwei Reifen. Der eine ist die Große An-rage von Bündnis 90/Die Grünen. Der andere, sozusa-en das Vorderrad, ist der Zweite Fahrradbericht derundesregierung. In ihm wird hervorgehoben, was allesutes für Radfahrer getan worden ist. Dagegen zielenie 109 Fragen der Kollegen darauf, Defizite aufzuzei-en. Hier tun die Kollegen recht. Auch wir fragen uns,ieso der Anteil des Radverkehrs in Deutschland immeroch bei unter 10 Prozent dümpelt und nicht längst bei0 Prozent ist.Gerade das Radfahren im Alltag muss attraktiver wer-en. Ich möchte ein Beispiel nennen, wo Radfahren un-ttraktiv oder problematisch ist. Wir müssen gar nichteit gehen, schauen Sie sich das Chaos hier an: Vor demakob-Kaiser-Haus sind Fahrräder, weil es keine andereöglichkeit gibt, so abgestellt, dass das Überqueren dertraße problematisch ist. Die Radfahrer wissen nicht, woie ihren Drahtesel lassen sollen.
a müssen wir dringend etwas tun. Es muss nicht immerer teure Edelstahlbügel sein, das kann auch eine Aus-ührung aus weniger edlem Metall sein.Ein zweites Beispiel, ebenfalls direkt aus dem Um-reis, ist der Berliner Hauptbahnhof. Ich habe recher-hiert: Am neu erbauten Berliner Hauptbahnhof gibt es60 Stellplätze für Autos, aber gerade einmal 30 fürahrräder.
a muss der Fahrradfahrer sehen, wo er sein Fahrradässt. Vielleicht meint ja mancher, das solle so sein.
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Dorothée MenznerDenn was will jemand mit dem Fahrrad am Bahnhof,wenn er es im ICE sowieso nicht mitnehmen kann?Zurzeit wird die erste ICE-Generation modernisiert.Bei dieser Gelegenheit könnte man die Fahrradmit-nahme relativ einfach ermöglichen. Aber maximal solles hier nur einen kleinen Versuch geben. Herr Mehdornhat das alles vor kurzem noch als Quatsch bezeichnet.Nun haben wir diese Woche im Spiegel von dieser verlo-renen Wette lesen können. Es gibt jetzt die EU-Richt-linie, die besagt, dass es auch im Schnellverkehr dieMöglichkeit geben muss, Fahrräder mitzunehmen. Viel-leicht brauchen wir einfach jemanden, der auch in unse-rem Auftrag die Interessen der Fahrradfahrer wahrnimmtund artikuliert.Allein durch diese Beispiele, die ich aufgezeigt habe,wird deutlich, dass ein Bundesradfahrbeauftragter – dasmuss kein Mann sein, das kann ja auch eine Frau sein –dringend nötig wäre und vielfältige Aufgaben hätte. EinBeispiel dafür ist, wie gesagt, die verbesserte Fahrrad-mitnahme nicht nur in Fernzügen, sondern auch in Regio-nalzügen, bei einer einheitlichen Tarifstruktur und einereinheitlichen bundesweiten Regelung. Das wäre ein An-satz, durch den das Fahrradfahren im Alltag attraktiverund eher möglich gemacht werden würde. Der oder dieFahrradbeauftragte – ich denke dabei an jemanden ausden vielen arbeitenden Verbänden – könnte sich für dieInteressen starkmachen und helfen, das Miteinander imVerkehr besser zu gestalten und die unterschiedlichenAnsprüche der Verkehrsteilnehmer in Einklang zu brin-gen.Radfahrer sind nicht waghalsige Verrückte, die sich inden Großstadtdschungel stürzen, sondern sie wollen ein-fach, schnell und kostengünstig von A nach B kommen.Ich glaube, sie brauchen unsere Unterstützung. Damitmehr Leute die Vorteile des Fahrradfahrens erkennenund sie auch nutzen, müssen wir es attraktiver machen.Wir meinen, hier gibt es noch viel zu tun. Die vorlie-genden Papiere sind ein guter Ansatz, aber wir werdengemeinsam eine Debatte darüber führen müssen. Dabeisollten wir unsere eigene Vorbildwirkung nicht unter-schätzen.Ich danke.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/6705 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a und 23 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun
Kopp, Rainer Brüderle, Martin Zeil, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP
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Andreae, Brigitte Pothmer, Christine Scheel, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Post braucht Wettbewerb – Wettbewerb
braucht faire Bedingungen
– Drucksache 16/6631 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Auch
azu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so be-
chlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
in Gudrun Kopp für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen!ei Debatten über Wettbewerb und über Monopole, dieu knacken sind, erleben wir, dass es allerhand Schwie-igkeiten gibt: im Energiebereich, bei der Telekom, beier Bahn und auch bei der Post. Ich glaube, am heutigenittag ist es notwendig, den wettbewerblichen Aspektes Quasimonopols der Deutschen Post AG hier nochinmal zu thematisieren.In dem Ihnen vorliegenden Antrag geht es ganz aus-rücklich um eine vollständige Abschaffung des jetztoch bestehenden Monopols für Briefe bis zu0 Gramm. Sie wissen, dass es vor zwei Jahren schoninmal eine Verlängerung dieses Briefmonopols gegebenat. Insofern ist es notwendig, in dem Bereich jetzt zu ei-em Ende zu kommen. Das ist auch vorgesehen. Wirerweisen aber darauf, dass die Abschaffung des Brief-onopols mit der Abschaffung aller weiteren Barrierenür die Marktteilnehmer einhergehen muss.
Es gibt erste sehr positive Entwicklungen auf demostmarkt, auf dem sich private Postdienstleister zu eta-lieren versuchen und dabei einigermaßen erfolgreichind, beispielsweise im Paketdienst. Paketdienstleisteraben teilweise sogar schon mehr Verkaufs- bzw.ienststellen als die Deutsche Post AG. Man sieht also,ass der Wettbewerb an dieser Stelle funktioniert.Wir möchten aber nicht, dass der Wegfall des Brief-onopols an die Einführung eines Mindestlohns gekop-elt wird. Auf diesem Weg käme es zu einer Aushöhlung
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Gudrun Koppdes neu entstandenen Wettbewerbs. Es ist einfach nichtin Ordnung, dass ein Tarifvertrag als Mittel zur Marktab-schottung benutzt wird. Dagegen wenden wir uns aus-drücklich. Außerdem fordern wir die Beendigung derBegünstigung der Deutschen Post AG durch das Mehr-wertsteuerprivileg, das ihr einen Preisvorteil von immer-hin 19 Prozent verschafft. Wenn sich die anderen Markt-teilnehmer als Wettbewerber am Markt behauptenwollen, dann müssen sie diese 19 Prozent in der Preisge-staltung ausgleichen. Das wiederum geht zulasten derLöhne. Genau das beklagen Sie hier, und zwar rechtscheinheilig, wie ich finde. Es wird sich zeigen, dass derWeg der Mindestlöhne, die insbesondere von der SPDgewünscht werden, schädlich ist. Ich kann die Union nurwarnen: Sie öffnen damit ein Einfallstor. Überlegen Siesich gut, was Sie tun! Es war nicht gut, dass die Kanzle-rin der Aufnahme der Postdienstleistungen in das Ent-sendegesetz zugestimmt hat. Sie werden sehen, dass da-mit die Tür für die Einführung von Mindestlöhnen inweiteren Bereichen geöffnet wird.
Das ist schädlich für den Wettbewerb.Bei den privaten Wettbewerbern stehen etwa 50 000Arbeitsplätze auf der Kippe. Es kommt darauf an, obsich diese und weitere Wettbewerber erfolgreich etablie-ren können. Dafür ist Wettbewerbsgleichheit – das heißtgleiche Bedingungen am Markt – notwendig statt einereinseitigen Bevorzugung des jetzigen Monopolisten.
Auch wir als FDP-Bundestagsfraktion wollen keineDumpinglöhne. Dabei stellt sich die Frage, was unterDumpinglöhnen zu verstehen ist. Es ist sehr interessant,wie die Deutsche Post AG auf dem niederländischenPostmarkt agiert. Dort sind 12 000 Briefträger für eineTochter der Deutschen Post AG tätig. Der dortige Min-destlohn beträgt 9 Euro pro Stunde. Die Tochter derPost AG zahlt zwischen 6 und 8 Euro brutto und liegtdamit unter dem Mindestlohn,
und zwar ohne dass sie Urlaubsgeld, Beiträge zur Lohn-fortzahlung im Krankheitsfall und zur Rentenversiche-rung zahlt.
In den Niederlanden zahlen die Arbeitnehmer die Bei-träge zu 100 Prozent selbst.
Die Post erwirtschaftet derzeit 50 Prozent ihres Um-satzes auf den internationalen, bereits liberalisiertenPostmärkten. Sie ist dabei höchst erfolgreich, gestütztauf die Monopolgewinne, die sie in Deutschland erzielt.Ich glaube, dass dieses große Unternehmen längst in derLddMwdHhaEaDncßMULnzEdtUEgPDg
Das Wort hat der Kollege Alexander Dobrindt für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!iebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kopp, es gehticht darum, einen Staatsmonopolisten vor Konkurrenzu schützen oder Konkurrenz zu verhindern.
s geht auch nicht um den Einstieg in einen flächen-eckenden Mindestlohn. Sie wissen, dass unsere Frak-ion das in höchstem Maße ablehnt.
m das alles, was Sie vorgebracht haben, geht es nicht.s geht um Wettbewerb; es geht um mehr Qualität. Eseht um Leistungssteigerung; es geht um günstigerereise; es geht um Nähe zum Kunden.
as ist das, worum es uns bei den Briefdienstleistungeneht, und das wollen wir durchsetzen.
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Alexander DobrindtSie haben recht: Am 1. Januar nächsten Jahres endetdas Postmonopol, und es wird zu einem flächendecken-den Wettbewerb bei den Briefdienstleistungen kommen;das ist gut so. Interessant ist, dass Sie sich in diesem Zu-sammenhang offensichtlich mehr Gedanken über denholländischen Markt machen,
dass Sie genau beschreiben können, was da los ist,
anstatt sich einfach einmal den deutschen Markt anzu-schauen, sich um die deutschen Beschäftigten auf demBriefdienstleistungssektor zu kümmern und vielleichteinmal auf das einzugehen, was das Wirtschaftsministe-rium im Juni in der Antwort auf eine Anfrage der Grü-nen-Fraktion mitgeteilt hat, nämlich dass von den600 000 Aufstockern, die es in Deutschland zurzeit gibt,1,4 Prozent – das sind 8 000 Menschen – bei alternativenBriefdienstleistern beschäftigt sind. Das heißt, dass manda mit einem sehr hohen Anteil an staatlichen Leistun-gen – im Prinzip mit Transferzahlungen –
Arbeitnehmer finanziert. Das sollten Sie vielleicht aucheinmal in Betracht ziehen und darüber nachdenken, wiesich das weiterentwickeln soll.
Also: Wir wollen fairen Wettbewerb. Wir wollen ei-nen Wettbewerb, der den Kunden, den Menschen inDeutschland etwas bringt. Aber dieser Wettbewerb sollnicht der Einstieg in einen Wettbewerb um die gerings-ten Löhne sein.
Wenn wir das Angebot an Briefdienstleistungen inDeutschland verbessern wollen, dann brauchen wir,glaube ich, damit dieser Wettbewerb profitabel wird,leistungsfähige Unternehmen, vor allem natürlich Mit-telständler. Leistungsfähige Unternehmen ihrerseitsbrauchen leistungsfähige Mitarbeiter. LeistungsfähigeMitarbeiter wird man dauerhaft nicht mit subventionier-ten Löhnen bekommen, vielmehr muss man leistungsfä-hige Mitarbeiter entsprechend motivieren.
Daraus soll nicht folgen, dass sich die Politik zukünf-tig in Lohnfindung einmischen soll.
– Überhaupt nicht, im Gegenteil: Lohnfindung ist Sacheder Tarifparteien. Daran wollen wir überhaupt nichts än-dern.
– Ja. – Aber wir wollen sichergestellt haben, dass objek-tive Bedingungen, die wir stellen, erfüllt sind, sodassnnw2wshtAuenggagiKdügdznDdntkfBnrthsWrDvmldid
ir wollen den Wettbewerb. Wir lassen uns nichts ande-es unterstellen.
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege
r. Herbert Schui das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieollständige Liberalisierung der Briefpost bis 2008 wirdit mehr Wettbewerb begründet. Die allgemeine Paroleautet: Wettbewerb ist einfach immer gut. Ich glaube,ass wir demnächst gemeinsam den Cantus „Im Marktst Wahrheit nur allein“ anstimmen werden. Wir werdenann dem Wettbewerb als neuem Heilsglauben huldigen.
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Dr. Herbert SchuiMarkt und Wettbewerb sind ein Heilsplan für dieMenschheit. Jedenfalls fehlt allen Plänen eine rationaleBegründung. Es handelt sich lediglich um eine Deduk-tion aus drei Glaubenssätzen; das war’s.
Staatsmonopolisten auflösen, das hört sich immerganz gut an. Das klingt nach antimonopolistischemKampf. Dabei könnte es einem als Linken warm umsHerz werden.
– Stimmt, wir beide waren in unserer Jugend entspre-chend aktiv.
Es geht aber um die Ziele. Es wird erwartet, dass dieBedarfsdeckung durch Wettbewerb und Markt optimalist und dass dann alles in bester Ordnung ist. Aber wel-ches ist das eigentliche Ergebnis der bisherigen Liberali-sierung im Postbereich? Von 1999 bis 2005 hat die altePost 34 000 Menschen weniger beschäftigt. Die privatenKonkurrenten beschäftigen 12 000 mehr. Das macht ei-nen negativen Saldo von 22 000.
– Nein, es ist schlechter geworden. – 2006 gab es 10 000sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in diesemGesamtbereich, die ihre Einkommen durch ALG II auf-stocken mussten. Das ist eine deutliche Verschlechte-rung der Einkommenslage.Die gesamten Leistungen dieses so modernisierten, li-beralisierten Postbereichs sind erheblich schlechter ge-worden. Es fehlen Poststellen und Briefkästen. Zudemsind die Leerungszeiten nicht mehr so günstig wie zuvor.Die Preise dagegen haben sich im Rahmen dieses soge-nannten Wettbewerbs und dieser Liberalisierung erheb-lich erhöht. Die Preise für die Paketbeförderung zumBeispiel sind von 2000 bis 2006 um ein Viertel gestie-gen. Wo sind denn nun eigentlich die Früchte Ihres Wett-bewerbs geblieben?
Sie bleiben bei den Managergehältern sowie den Gewin-nen und den ausgezahlten Dividenden, je nachdem, wiedas Unternehmen aufgestellt ist. Mehr ist nicht zu erwar-ten.Die Befreiung der Post von der Mehrwertsteuer isteine vernünftige Regelung, soweit aufgrund des 19-Pro-zent-Vorteils sichergestellt wird, dass wir eine flächen-deckende Versorgung mit Postdienstleistungen haben,und zwar auch dort, wo die Privaten aus Renditeerwä-gungen nicht tätig werden. Das ist eine gute Idee. Dieentscheidende Frage ist aber, wer das kontrolliert. Eskönnte sein, dass das Großunternehmen Post aufgrundder Besserstellung bei den Kosten die zusätzlichen Ein-nahmen dazu verwendet, Postzustellungsunternehmen inanderen Ländern aufzukaufen. Dann hätten wir eine so-genannte Zerschlagung der Monopole, aber auch mehrnationale bzw. internationale Konzentration. Also ist eseldnlfdBBNmsSwszsSUBksPPEPldK2fPMdgtb–tmBm
amit sie kontrolliert ihre Aufgaben wahrnehmen kann.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin
arbara Hendricks.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ach § 4 Nr. 11 b des Umsatzsteuergesetzes sind die un-ittelbar dem Postwesen dienenden Umsätze der Deut-chen Post AG von der Umsatzsteuer befreit; Kollegechui hat eben davon gesprochen. Mit dieser Vorschriftird das Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umge-etzt. Zu den unter die Steuerbefreiung fallenden Umsät-en gehören die Leistungen, die nach der Post-Univer-aldienstleistungsverordnung – für die Zuhörer hier imaal: Wir nennen sie PUDLV – aus dem Jahr 1999 zumniversaldienst gehören. Das ist die Beförderung vonriefsendungen bis 2 000 Gramm, von adressierten Pa-eten bis 20 Kilogramm und von Zeitungen und Zeit-chriften. Alle anderen Leistungen der Deutschenost AG sind ebenso wie die Dienstleistungen andererostdienstleister bereits jetzt umsatzsteuerpflichtig.Die Steuerbefreiung gilt aufgrund der zwingendenU-Rechtslage für die Leistungen der Deutschenost AG aus dem Bereich der gesetzlichen Exklusiv-izenz und die sonstigen Universaldienstleistungen nacher PUDLV völlig zu Recht. Nach dem Ergebnis derlausurtagung des Bundeskabinetts in Meseberg am4. August dieses Jahres bleibt die Mehrwertsteuerbe-reiung für flächendeckende Universaldienste in derostbranche erhalten.
aßgebend für diese Entscheidung ist insbesondere,ass mit der Steuerbefreiung für diese Leistungen sicher-estellt werden soll, dass Postdienstleistungen auch wei-erhin ständig flächendeckend und bundesweit ange-oten werden und für jedermann erschwinglich sind.Selbstverständlich wird kontrolliert, ob das eingehal-en wird. Die Bürgerinnen und Bürger würden soforterken, wenn das nicht eingehalten würde. – Unter dieegünstigung sollen deshalb Leistungen von Unterneh-en fallen, die eine zur Versorgung der Gesamtbevölke-
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricksrung ausgerichtete Unternehmensstruktur aufweisen unddurch Vorhalten einer entsprechenden Infrastruktur auchtatsächlich flächendeckend und bundesweit die Gesamt-heit des Leistungsspektrums der Postuniversaldienstleis-tungen erbringen.Eine solche Befreiung ist auch nach Gemeinschafts-recht vorzusehen. Postdienstleistungen, die dem Ge-meinwohl dienen, sind auch nach dem Wegfall einesPostmonopols von der Mehrwertsteuer zu befreien. Ichmöchte festhalten, dass unter die Steuerbefreiung Post-dienstleistungen aller Anbieter fallen können, also nebender Deutschen Post AG auch ihrer Mitbewerber, soweitdie von mir genannten Voraussetzungen insgesamt er-füllt werden. Damit ist sichergestellt, dass gleiche Um-sätze gleich behandelt werden. Wettbewerbsvor- oder-nachteile entstehen durch die Befreiung von der Mehr-wertsteuer nicht.Herzlichen Dank.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-
legin Kerstin Andreae das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Frau Staatssekretärin, ich weiß nicht genau, obder Jobwechsel, der am Wochenende eventuell für Sieansteht, eine gute oder eine schlechte Wahl ist. Auf jedenFall aber habe ich mich gefreut, Ihrer Rede lauschen zukönnen. Ich muss allerdings sagen, dass das, was inMeseberg verabredet wurde und was danach passiert ist,nicht deckungsgleich ist. So hat beispielsweise Bundes-kanzlerin Merkel das Steuerprivileg der Post attackiert.
Es gab – das ist zwei, drei Wochen her – die Diskus-sion, ob es einen Sinn ergibt, das Steuerprivileg der Postanzutasten. Ich sage Ihnen – so lautet auch unser An-trag –: Ja, es ist richtig, die Mehrwertsteuerbefreiung derPost auf den Prüfstand zu stellen. Es handelt sich umeine Form der Wettbewerbsverzerrung. Wir wollen einesteuerliche Gleichbehandlung aller Teilnehmer amMarkt. Deswegen muss die Mehrwertsteuerbefreiungder Post weg.
Aber wir stimmen dem Antrag der FDP nicht zu.
Wir wollen Wettbewerb, so lautet unser Antrag. Wirwollen, dass die Voraussetzungen für einen diskriminie-rungsfreien Wettbewerb geschaffen und Wettbewerbsbe-hinderungen und Wettbewerbsverzerrungen aufgehobenwerden. Das verlangt zum einen eine steuerliche Gleich-behandlung der Marktteilnehmer und zum anderen dieSchaffung von Mindestlöhnen. Es ist nicht gut, wennsich Anbieter durch Lohndumping Eintritt in den MarktvdsFEdadnswbPMdPshtMwwgwdgcvPgVsrSawittnzdLwbdd
ühren Sie doch beides zusammen! Sorgen Sie für dieinführung von Mindestlöhnen auf der einen Seite undie Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung auf dernderen Seite!Frau Kopp, Sie haben – völlig zu Recht – gefragt, woie Kreativität bleibt, sich einmal mit der Frage ausei-anderzusetzen, wie durch die notwendige Post-Univer-aldienstleistungsverordnung, PUDLV, gewährleisteterden kann, dass die Versorgung flächendeckend undezahlbar ist, dass ein Brief von Sankt Peter nach Sankteter-Ording genauso schnell transportiert wird wie vonünchen nach Berlin. Der bisher einzige Ansatz, umieses Ziel zu erreichen, besteht in der Befreiung derost von der 19-prozentigen Mehrwertsteuer.Es gäbe weitere Möglichkeiten. Die EU hat Vor-chläge gemacht. Im Übrigen ist es nicht so, dass wir unsier in einem luftleeren Raum bewegen: Es gibt ein Ver-ragsverletzungsverfahren, das den Umgang mit derehrwertsteuer zum Gegenstand hat. Das heißt, wirerden uns sowieso damit auseinandersetzen müssen,ie wir den anderen Anbietern auf dem Postmarkt dieleichen Bedingungen wie der Post gewährleisten undie wir im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher,er Kundinnen und Kunden, der Bürgerinnen und Bür-er ermöglichen können, dass die Postzustellung flä-hendeckend, sinnvoll und gut ist.Herr Schui, auch Ihnen täte ein bisschen mehr Kreati-ität bei der Beantwortung der Frage, warum sich derostmarkt so entwickelt hat, wie er sich entwickelt hat,ut. Wir leben im Zeitalter des Internets.
iele Briefe werden heutzutage als E-Mail versandt. Un-er Postmarkt ist völlig anders als 1995. Ich finde esichtig, sich Gedanken darüber zu machen, wie sich dieituation auf dem Arbeitsmarkt entwickelt. Es machtuch Sinn, sich zu fragen, ob Arbeitsplätze abgebauterden und wie die Arbeitsmarktbedingungen sind. Esst klug und vernünftig, darüber nachzudenken. Aber sta-isch zu denken und davon auszugehen, dass die Situa-ion in 2007 der von 1995 entspricht, ist wirklich zu we-ig.
Für uns Grüne ist klar: Ja zu den Mindestlöhnen, Jaur gleichen steuerlichen Behandlung, Ja zum Schutzer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Nein zumohndumping, Ja zu einer verbraucherfreundlichen Ent-icklung des Postmarkts. Es bedarf auf allen Seiten einisschen mehr Kreativität bei der Umsetzung der Anfor-erungen der Post-Universaldienstleistungsverordnung,amit es zu einer verbraucherfreundlichen Situation
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Kerstin Andreaekommt. Wenn das geschieht, sind wir auf dem richtigenWeg.Ich bin froh, dass die Große Koalition nicht mehr dar-über spekuliert, ob man die Abschaffung des Briefmono-pols doch noch hinausschiebt. Diese Diskussion ist tat-sächlich beendet, unter anderem, weil wir Grünengefordert haben, für die im Postmarkt BeschäftigtenMindestlöhne zu schaffen.
Jetzt müssen Sie noch für gleiche Wettbewerbsbedin-gungen sorgen. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Gerald Weiß für die Unions-
fraktion.
Gerald Weiß (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Für mehr Wettbewerb sind fast alle, natürlich bis
auf die, die am liebsten wieder volkseigene Betriebe hät-
ten. Aber wie soll der Wettbewerb auf dem Briefdienst-
leistungsmarkt in einem offenen Land, mitten in einem
riesigen Wirtschaftsraum künftig aussehen?
Herr Dr. Kolb, ich mache mir ein bisschen Sorgen um
das politische Langzeitgedächtnis der FDP;
denn die Instrumente, die die Große Koalition jetzt an-
wenden will, sind in der Zeit, als wir, Union und FDP,
gemeinsam regiert haben, entwickelt worden. Das Ent-
sendegesetz ist nichts anderes als ein Rahmen, durch den
aus Wettbewerbsordnungsgründen dort ein tariflicher
Mindestlohn ermöglicht werden soll, wo wir ihn brau-
chen. Das ist die Philosophie der Großen Koalition. Ich
wiederhole: Es geht darum, dort tarifliche Mindestlöhne
zu ermöglichen, wo wir sie aus Wettbewerbsordnungs-
gründen brauchen. Vieles spricht dafür, dass der Post-
dienstleistungsmarkt ein Markt ist, auf den das zutrifft.
Das Entsendegesetz hat seine Wurzeln in unserer ge-
meinsamen Regierungszeit.
Was das Postgesetz angeht – es stammt ebenfalls aus
den 90er-Jahren –, wollten wir nicht den Wildwestwett-
bewerb, Herr Dr. Kolb, den Sie jetzt offenbar wollen,
Stichwort „Rückkehr zu Ihren Wurzeln, Laisser-faire-
Liberalismus“. Mit § 6 Abs. 3 des Postgesetzes sollte
Wettbewerb um Servicequalität, um Effizienz und um
Preise geschaffen werden,
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n diesem Sinne wollten wir mit dem Postgesetz einen
eordneten Wettbewerb.
Es geht um die Frage: Wie viel Ordnung muss auf
iesem Markt sein? Es soll so viel Wettbewerb wie ir-
end möglich stattfinden – das fördert die Kreativität –,
ber es muss in gewisser Hinsicht auch eine Wettbe-
erbsordnung existieren, damit wir Fehlentwicklungen,
ie wir sie jetzt beobachten, beenden oder neuen Fehl-
ntwicklungen vorbeugen können. Es kann doch nicht
azu kommen, dass der Staat wegen des sehr niedrigen
ohnniveaus auf bestimmten Teilmärkten regelhaft zu-
ahlen muss nach dem Motto – der Arbeitsminister hat
s heute früh in der Debatte gesagt –: Den Rest holst du
ir bei Münte. – Wir dürfen nicht zulassen, dass man
ich den Rest bei Münte holen muss.
Das Mittel der Wahl ist kein einheitlicher gesetzlicher
indestlohn. Wir müssen vielmehr einen Rahmen schaf-
en, um – ich sage es noch einmal – einen tariflichen
indestlohn dort zu ermöglichen, wo wir ihn brauchen.
as ist der Weg über das Entsendegesetz.
Kollege Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Kolb?
Gerald Weiß (CDU/CSU):
Ja, bitte.
Herr Kollege Weiß, wer so redet wie Sie, fordert amnde einen flächendeckenden gesetzlichen oder tariflichereinbarten Mindestlohn.
Ich stelle fest – so habe ich es bisher immer verstan-en, auch den Kollegen Meyer heute Morgen –, dass dienion das sehr differenziert sieht.Die Tatsache, dass jemand zusätzliche Transferleis-ungen bekommt, kann nicht allein als Indiz für zu nied-ige Löhne herangezogen werden. Stimmen Sie mir iniesem Punkt zu? Der verheiratete Familienvaterräuchte beispielsweise einen Mindestlohn von etwa2 Euro, um sich und seine Familie zu ernähren.2 Euro, das ist noch mehr, als es die Linken vor einemahr gefordert hatten. Sie wollten damals 7,50 Euro, imuni dieses Jahres 8 Euro, und im letzten Antrag warens 8,44 Euro.
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Dr. Heinrich L. KolbEs geht also noch weit darüber hinaus. Sie können nichtsagen: Jeder, der zusätzlich etwas vom Staat bekommt,hat zu wenig. Dann kommen Sie nämlich zu einer Tarif-politik nach Familienstand. Das kann auch nicht die Lö-sung des Problems sein.
Gerald Weiß (CDU/CSU):In der Differenziertheit lässt sich die Union nichtübertreffen, wie Sie aus Begegnungen mit uns wissen.Der Bezug von Transferleistungen ist nicht das ein-zige Kriterium. In jedem einzelnen Fall muss die Fragesein: Gebietet es das öffentliche Interesse, hier eine un-tere Lohngrenze einzuziehen, weil es ansonsten zuLohndumping käme und wir – das ist ein zusätzlicheswichtiges Kriterium – auf dem Wege von Transferzah-lungen subventionieren müssten? Die Antwort daraufmuss derjenige geben, der sozusagen unter das Dach desEntsendegesetzes will.In den Bereichen Maschinenbau oder Chemie werdenwir nie über einen tariflichen oder gar gesetzlichen Min-destlohn reden müssen, aber es gibt arbeitsintensive,wettbewerbsintensive Branchen, in denen wir insbeson-dere in der Zeit eines Übergangs hin zu offenen Grenzenbzw. in einer Zeit nach jüngst geöffneten Grenzen so et-was wie eine Ordnung brauchen, damit der Wettbewerb– ich sage es noch einmal – sich nicht austoben kann unddas nicht auf die Knochen der kleinen Leute geht. – HerrKolb, erst jetzt dürften Sie sich setzen; Sie haben dasvorweggenommen.
Es geht also darum: Wettbewerb so weit wie möglich,Ordnung so weit wie nötig. Diese Kernfrage im vorlie-genden Fall der Briefdienstleistungen angemessen zu be-antworten, ist die Ambition des gesetzgeberischen Vor-habens. Wir prüfen sehr genau, auch als Fraktion, ob dieVoraussetzungen für den Weg, den das Entsendegesetzund die politischen Entscheidungen von Meseberg vor-gegeben haben – dazu gehört mindestens 50 Prozent Ta-rifbindung –, erfüllt sind. Die Regierung muss prüfen, obim Verfahrensgang die Bedingungen erfüllt werden.
Wir entwickeln Rahmenbedingungen, mit denen das ge-wünschte Ziel erreicht wird, einen Wettbewerb zulastender Kleinen zu verhindern und die Grundlage für einenfairen Wettbewerb in einem weit geöffneten Korridor zuschaffen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Klaus Barthel für die SPD-
Fraktion.
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DaUsambzVEddgSsodenBerichtig
ie FDP und die Grünen sind doch die Ersten, die jedembgebauten Briefkasten hinterherweinen und die dieniversaldienstverpflichtung hochleben lassen. Sie wis-en, dass die EU darauf keine Antwort gibt und dassuch wir bis jetzt keine Antwort darauf haben. Ichöchte einmal wissen, welche Argumente Sie den Ver-rauchern vortragen wollen, die die Mehrwertsteuer be-ahlen müssen, die aber keine Möglichkeit haben, denorsteuerabzug geltend zu machen. Sie wären doch diersten, die über staatlich verursachten Preiswucher re-en würden.Schönes Wochenende.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 16/6432 und 16/6631 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
ind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 7. November 2007, 13 Uhr,
in.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen
och eine erfolgreiche Woche.
Die Sitzung ist geschlossen.