Protokoll:
16020

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 20

  • date_rangeDatum: 17. Februar 2006

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:28 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/20 in Verbindung mit Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU) . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Gerd Andres, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Karl Richard Schiewerling (CDU/CSU) . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Irmingard Schewe-Gerigk, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Mindest- arbeitsbedingungen mit regional und bran- chenspezifisch differenzierten Mindestlohn- regelungen sichern (Drucksache 16/656) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . 1489 D 1491 B 1492 A 1493 A 1495 A 1497 A 1499 D 1500 A 1500 C 1501 B 1502 D 1503 B 1506 C 1506 D 1508 B 1509 D 1510 C Deutscher B Stenografisch 20. Sitz Berlin, Freitag, den 1 I n h a l Tagesordnungspunkt 15: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 16/99, 16/688, 16/689) . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Katja Kipping, Kornelia Möller und der Fraktion der LINKEN: Anglei- chung des Arbeitslosengeldes II in den neuen Ländern an das Niveau in den al- ten Ländern rückwirkend zum 1. Ja- nuar 2005 (Drucksachen 16/120, 16/688) . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . D E J T A D A M ( 1487 A 1487 B 1487 C Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1503 C undestag er Bericht ung 7. Februar 2006 t : Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . iana Golze (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lke Reinke (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . örn Wunderlich (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 16: ntrag der Abgeordneten Werner Dreibus, r. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: indestlohnregelung einführen Drucksache 16/398) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1503 D 1505 A 1505 B 1505 C 1506 C Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . 1510 D 1511 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Februar 2006 Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und der SPD eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittel- versorgung (Drucksachen 16/194, 16/691) . . . . . . . . . . . . Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . Frank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Dr. Thea Dückert, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Progressiv- Modell statt Kombilohn (Drucksache 16/446) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B M D G W T A M A f A f ( A D H S S D T A W A W g ( i Z A W g S V A l ( O J D D 1512 B 1513 B 1514 D 1516 D 1517 C 1519 B 1520 C 1520 D 1521 B 1521 D 1523 A 1524 A 1525 A 1526 C 1528 A 1528 B 1529 C 1530 B 1531 C 1533 B 1534 A 1535 A 1535 D 1536 B 1538 A 1538 B 1540 A rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . abriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . erner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 20: ntrag der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, ichael Kauch, Horst Meierhofer, weiterer bgeordneter und der Fraktion der FDP: Of- ene Fragen zur Entsorgung radioaktiver bfälle klären – Verantwortung für nach- olgende Generationen übernehmen Drucksache 16/267) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . r. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . ans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . igmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . ylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: ntrag der Abgeordneten Dr. Norman Paech, olfgang Gehrcke, Monika Knoche, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: eiter verhandeln – kein Militäreinsatz egen den Iran Drucksache 16/452) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 6: ntrag der Abgeordneten Jürgen Trittin, infried Nachtwei, Thilo Hoppe, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- ES 90/DIE GRÜNEN: Für ein friedliches orgehen im Konflikt über das iranische tomprogramm – Demokratische Entwick- ung unterstützen Drucksache 16/651) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . skar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . oachim Hörster (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . r. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 1540 A 1541 B 1543 A 1544 A 1545 C 1546 C 1546 C 1547 D 1549 A 1550 A 1551 B 1552 B 1553 C 1554 A 1554 B 1554 C 1555 C 1557 B 1558 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Februar 2006 III Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 8: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Haltung der Bundesregierung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Frank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . . Hermann Gröhe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Lutz Heilmann (DIE LINKE) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialge- setzbuch (Tagesordnungspunkt 15 a) . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Tagesordnungspunkt 15 a) 1559 A 1559 C 1560 C 1561 C 1561 C 1562 C 1563 D 1564 D 1565 D 1567 A 1568 B 1569 C 1570 D 1573 C 1574 C 1575 A 1577 A 1578 A 1578 A Jörn Thießen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . A A 1571 D 1572 D nlage 4 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1578 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Februar 2006 1487 (A) ) (B) ) 20. Sitz Berlin, Freitag, den 1 Beginn: 9.0
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Februar 2006 1577 (A) ) (B) ) Klug, Astrid SPD 17.02.2006 Zeil, Martin FDP 17.02.2006 Ibrügger, Lothar SPD 17.02.2006 Jung (Konstanz), Andreas CDU/CSU 17.02.2006 Wissmann, Matthias CDU/CSU 17.02.2006 Wolff (Rems-Murr), Hartfrid FDP 17.02.2006 Anlage 1 Liste der entschuldigt Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albach, Peter CDU/CSU 17.02.2006 Bätzing, Sabine SPD 17.02.2006 Beck (Bremen), Marieluise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 von Bismarck, Carl Eduard CDU/CSU 17.02.2006 Brase, Willi SPD 17.02.2006 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 17.02.2006 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 17.02.2006 Ernst, Klaus DIE LINKE 17.02.2006 Fischer (Frankfurt), Joseph BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 Freitag, Dagmar SPD 17.02.2006 Granold, Ute CDU/CSU 17.02.2006 Griefahn, Monika SPD 17.02.2006 Griese, Kerstin SPD 17.02.2006 Grund, Manfred CDU/CSU 17.02.2006 Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 Haustein, Heinz-Peter FDP 17.02.2006 Dr. Hendricks, Barbara SPD 17.02.2006 Hilsberg, Stephan SPD 17.02.2006 Hintze, Peter CDU/CSU 17.02.2006 Hinz (Essen), Petra SPD 17.02.2006 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 Hofbauer, Klaus CDU/CSU 17.02.2006 Hovermann, Eike SPD 17.02.2006 K K D L M M D M M N P P R S S S S S S D D T U W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten ramme, Anette SPD 17.02.2006 ünast, Renate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 r. Küster, Uwe SPD 17.02.2006 ips, Patricia CDU/CSU 17.02.2006 üller (Gera), Bernward CDU/CSU 17.02.2006 üller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 r. Müller, Gerd CDU/CSU 17.02.2006 üntefering, Franz SPD 17.02.2006 ulthaupt, Gesine SPD 17.02.2006 itzsche, Henry CDU/CSU 17.02.2006 flug, Johannes SPD 17.02.2006 ieper, Cornelia FDP 17.02.2006 oth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 chieder, Marianne SPD 17.02.2006 chmidt (Nürnberg), Renate SPD 17.02.2006 chneider (Erfurt), Carsten SPD 17.02.2006 cholz, Olaf SPD 17.02.2006 chultz (Everswinkel), Reinhard SPD 17.02.2006 chwanitz, Rolf SPD 17.02.2006 r. Stinner, Rainer FDP 17.02.2006 r. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 17.02.2006 illmann, Antje CDU/CSU 17.02.2006 lrich, Alexander DIE LINKE 17.02.2006 immer (Neuss), Willy CDU/CSU 17.02.2006 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 1578 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Februar 2006 (A) ) (B) ) Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Lutz Heilmann (DIE LINKE) zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zwei- ten Buches Sozialgesetzbuch (Tagesordnungs- punkt 15 a) Der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zum Ersten Gesetz zur Änderung des Zwei- ten Buches Sozialgesetzbuch stimme ich aus folgenden Gründen nicht zu: Erstens. Die Kürzungen im Rentenbereich führen zur Altersarmut Betroffener. Zweitens. Junge Erwachsene unter 25 Jahren werden durch die Neuregelung entmündigt. Drittens. Die Angleichung der Regelsätze Ost-West ist zwar richtig, wird aber mit den oben beschriebenen erheblichen Einschnitten verbunden. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) zur Abstimmung über den Ent- wurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (Tagesord- nungspunkt 15 a) Ich kann der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales nicht zustimmen. Zwar ist die Angleichung der Regelleistung Ost an West ein richtiger, längst überfälliger Schritt. Warum aber wurde diese erneute Diskriminierung Ostdeutschlands über ein Jahr lang von der übergroßen Mehrheit dieses Hauses zugelassen? Warum wird darüber hinaus nicht endlich zur Kennt- nis genommen, dass auch nach Untersuchungen der So- zialverbände selbst 345 Euro keine existenzsichernde Grundsicherung darstellen? Ausschlaggebend für mein Abstimmungsverhalten aber ist, dass Sie dieses grundsätzlich zu begrüßende Vorhaben mit weiteren Leistungskürzungen verbinden – Leistungskürzungen zulasten junger Arbeitsloser und zulasten künftiger Renten an heute Arbeitslose. Es ist unverschämt, mit welchen Mitteln Sie versu- chen, den Bundeshaushalt zu sanieren. Ich kann und will dem nicht zustimmen. Anlage 4 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 819. Sitzung am 10. Februar 2006 beschlossen, den nachstehenden Ge- setzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Arti- kel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: g G n (C (D – Erstes Gesetz zur Änderung des Seeaufgaben- gesetzes – Gesetz zu dem Protokoll vom 27. November 2003 zur Änderung des Europol-Übereinkom- mens und zur Änderung des Europol-Gesetzes – Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2005 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammen- arbeit und die Zusammenarbeit in strafrechtli- chen Angelegenheiten – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 14. April 2005 über den Beitritt der Tschechischen Re- publik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slo- wenien und der Slowakischen Republik zu dem Übereinkommen von 1980 über das auf ver- tragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht sowie zu dem Ersten und dem Zweiten Protokoll über die Auslegung des Übereinkom- mens durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Viertes Beitrittsübereinkom- men zum Schuldvertragsübereinkommen) – Gesetz zu dem Protokoll Nr. 14 vom 13. Mai 2004 zur Konvention zum Schutz der Men- schenrechte und Grundfreiheiten über die Än- derung des Kontrollsystems der Konvention – Zwölftes Gesetz zur Änderung des Außenwirt- schaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsver- ordnung – Gesetz zu dem Abkommen vom 8. April 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien über Soziale Sicherheit – Gesetz zu der Zweiten Änderung des Überein- kommens vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüber- schreitenden Rahmen (Zweites Espoo-Ver- tragsgesetz) – Gesetz zur Änderung des Abkommens vom 31. März 1992 zur Erhaltung der Kleinwale in der Nord- und Ostsee (Gesetz zur Ausweitung des ASCOBANS-Abkommensgebiets) – Erstes Gesetz über die Bereinigung von Bun- desrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundes- ministeriums des Innern – Gesetz über konjunkturstatistische Erhebun- gen in bestimmten Dienstleistungsbereichen (Dienstleistungskonjunkturstatistikgesetz – DIKonjStatG) Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mit- eteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der eschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den achstehenden Vorlagen absieht: Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 17. Februar 2006 1579 (A) (C) (B) ) Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 02 Titel 632 01 – Finanzierung der auf Grund der Entscheidung des Bundespräsidenten auf den 18. September 2005 vorge- zogenen Wahlen zum 16. Deutschen Bundestag – – Drucksachen 15/5949, 16/480 Nr. 1.19 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 15 13 Titel 636 23 – Erstattung von einigungsbedingten Leistungen an die – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2006 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 11 12 Titel 632 11 – Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unter- kunft und Heizung – – Drucksachen 16/350, 16/480 Nr. 1.34 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 15 09 Titel 632 51 – Kriegsopferfürsorge und gleichartige Leistungen – – Drucksachen 16/351, 16/480 Nr. 1.35 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben allgemeine Rentenversicherung – – Drucksachen 15/5966, 16/480 Nr. 1.21 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 08 02 Titel 632 11 – Verwaltungskostenerstattung an Länder – – Drucksachen 15/5990, 16/480 Nr. 1.26 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Überplanmäßige Ausgabe beim Einzelplan 06 bei Kapi- tel 06 40 Titel 681 12 – Eingliederungshilfen und Unterstützungsleistungen – – Drucksachen 15/5995, 16/480 Nr. 1.27 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 25 Titel 671 01 – Erstattungen an Dritte für die Durchführung der Fluggast- und Reisegepäckkontrolle – – Drucksachen 15/6006, 16/480 Nr. 1.29 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 15 09 Titel 681 05 – Bestattungsgeld auf Grund des Bundesversorgungsge- setzes und des Gesetzes zur Wiedergutmachung natio- nalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversor- gung für Berechtigte im Ausland – – Drucksachen 15/6013 (neu) , 16/480 Nr. 1.31 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Einwilligung in eine überplanmäßige Verpflichtungs- ermächtigung bei Kapitel 60 02 Titel 540 01 – Prägekosten, Metallbeschaffungskosten, Kosten für den Vertrieb von Sammlermünzen, die Unterhaltung des Münzumlaufs und die Bekämpfung der Falschmün- zerei – – Drucksachen 16/56, 16/135 Nr. 1.7 – m V P t (D itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- ung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 16/150 Nr. 1.18 Drucksache 16/150 Nr. 1.23 Drucksache 16/150 Nr. 1.38 Drucksache 16/150 Nr. 1.39 Drucksache 16/150 Nr. 1.50 Drucksache 16/150 Nr. 1.51 Drucksache 16/150 Nr. 1.54 Drucksache 16/150 Nr. 1.55 Drucksache 16/150 Nr. 1.56 Drucksache 16/150 Nr. 1.67 Drucksache 16/150 Nr. 2.7 Drucksache 16/150 Nr. 2.135 Drucksache 16/150 Nr. 2.198 Drucksache 16/288 Nr. 2.6 Drucksache 16/288 Nr. 2.7 Drucksache 16/288 Nr. 2.30 Drucksache 16/288 Nr. 2.31 Drucksache 16/288 Nr. 2.32 Drucksache 16/288 Nr. 2.33 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 16/150 Nr. 2.69 Drucksache 16/150 Nr. 2.72 Drucksache 16/150 Nr. 2.151 Drucksache 16/150 Nr. 2.234 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 16/150 Nr. 2.252 Drucksache 16/150 Nr. 2.270 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 16/150 Nr. 2.272 20. Sitzung Berlin, Freitag, den 17. Februar 2006 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602000000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf:

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten
Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch

– Drucksache 16/99 –

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(11. Ausschuss)


– Drucksache 16/688 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Brigitte Pothmer


(8. Ausschuss)


– Drucksache 16/689 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Waltraud Lehn

E
D

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t
w

Redet
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Dr. Gesine Lötzsch, Katja Kipping, Kornelia
Möller und der Fraktion der LINKEN

Angleichung des Arbeitslosengeldes II in den
neuen Ländern an das Niveau in den alten
Ländern rückwirkend zum 1. Januar 2005

– Drucksachen 16/120, 16/688 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Brigitte Pothmer

(C (D ung 7. Februar 2006 0 Uhr Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein ntschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/ ie Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege laus Brandner, SPD-Fraktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle innen und Kollegen! Heute ist ein guter Tag für die enschen in Ost und West. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja, das wollen wir mal sehen!)


(Beifall bei der SPD)

Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1602000100

an sollte ganz deutlich daran erinnern – auch Fritz
uhn weiß dies –, dass wir im letzten Jahr das Vorhaben
estartet haben, gleiche Regelsätze in Ost und West
inzuführen. Wir werden dieses Gesetz nun gemeinsam
it der CDU/CSU verabschieden. Insofern ist es wich-

ig, heute festzustellen: Das Arbeitslosengeld II ist künf-
ig in Ost und West gleich. Das entsprechende Gesetz
urde einer kontinuierlichen Bewertung unterzogen.

ext
Wir können heute sagen: Wir haben dem gesellschaftli-
chen Wandel Rechnung getragen. So sieht eine lernende
Gesetzgebung aus. Dafür steht die neue Koalition. Daran
wollen wir uns messen lassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will ganz klar feststellen: Wer glaubt, es bedürfe
in Deutschland nur einer abschließenden Reform, irrt.
Die Welt ist nicht statisch. Wir müssen an den Verände-
rungen arbeiten. Wir haben deshalb Schluss gemacht mit
der Vorstellung, dass das Nettoeinkommen und die Le-
benshaltungskosten im Osten niedriger sind, dass es im

rschiedliches Verbraucherverhalten gibt
lb ungleiche Regelsätze in Ost und West
nd. Wir haben sie auf ein Niveau zusam-
ir haben damit ein Stück Spaltung
Osten ein unte
und dass desha
gerechtfertigt si
mengeführt. W






(A) )



(B) )


Klaus Brandner
überwunden. Das ist das Ergebnis unserer Politik und
das finden wir richtig so.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich sprach von lernender Gesetzgebung. Das heißt
auch, dass wir die aktuellen Entwicklungen nicht aus
dem Auge verlieren dürfen. Dazu will ich ganz deutlich
sagen: Wir müssen den Erwartungen und den Verände-
rungen Rechnung tragen. Damit meine ich ganz konkret
die Frage, wie sich die Zahl der Bedarfsgemeinschaften
in Deutschland entwickelt hat. Denn die Zahl der Ein-
personenbedarfsgemeinschaften ist überdurchschnitt-
lich stark gestiegen: allein von Januar bis September
2005 um 19,5 Prozent.

Doch wer darin Missbrauch sieht – das will ich gleich
klar sagen –, liegt falsch. Denn CDU/CSU, SPD und
Grüne haben es gemeinsam zu verantworten, dass diese
Gesetzgebung ermöglicht worden ist und dies Rechtszu-
stand ist. Deshalb will ich mich klar gegen jegliche Form
von Diskriminierung derjenigen zur Wehr setzen, die nur
ihre rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.


(Beifall bei der SPD)


Ob das sinnvoll ist, ist eine ganz andere Frage. Wir müs-
sen darüber nachdenken, ob bei all den Ausgaben, die
die Gesellschaft zu tragen hat, die Justierung dieser Aus-
gaben in der bisherigen Form zu Recht erfolgt ist. Denn
es kann nicht Aufgabe des Staates sein, für Jugendliche
ein Auszugsprogramm zu organisieren.

Wir haben diesen Punkt aufgegriffen, wobei wir die
Sorgen der Menschen ernst nehmen. Wir wehren uns
– ich finde, zu Recht – gegen die Hysterie, die in diesem
Lande teilweise entfacht worden ist, dass es ganze Um-
zugskarawanen gegeben haben soll. Wir weisen aus-
drücklich darauf hin: Der Zustand, den wir jetzt erlebt
haben, ist so nicht gewollt gewesen. Aber von massen-
haftem Missbrauch kann auch nicht die Rede sein.

Deshalb wollen wir, dass klargestellt wird, dass auch
zukünftig jungen Menschen die notwendige Unterstüt-
zung bereitgestellt wird und dass es auch zukünftig keine
Zwangsfamilien geben wird. Um es klar zu sagen: Wer
gute Gründe hat, aus dem Elternhaus auszuziehen, der
hat dazu auch in der Zukunft die Möglichkeit. Wer zum
Beispiel eine Arbeitsstelle fernab vom Elternhaus antre-
ten will, der muss dazu die Möglichkeit haben.

Wir haben diese Jugendlichen nicht zu Bittstellern ge-
macht. Vielmehr haben wir im Gesetz drei konkrete
Gründe vorgesehen, bei denen man nach wie vor eine
Bedarfsgemeinschaft gründen kann. Denjenigen, die
schwerwiegende soziale Gründe vorweisen können, die
im Elternhaus vorliegen, wird weiterhin ein Umzug er-
möglicht. Diejenigen, die zur Eingliederung in den Ar-
beitsmarkt einen Umzug in Anspruch nehmen müssen,
können dies. Wir haben hinzugefügt, dass ein sonstiger
schwerwiegender Grund Anlass sein kann, aus der elter-
lichen Bedarfsgemeinschaft auszuziehen. Wir wissen,
dass dies zwei sehr konkrete Gründe und ein dritter,
nicht so konkreter Grund sind. Letzterer trägt aber den
Lebenswirklichkeiten Rechnung.

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(C (D Wir haben ein Verhältnis von 75 langzeitarbeitslosen ugendlichen pro Fallmanager entwickelt. Wir müssen rwarten können, dass dieser die Differenziertheit der ebenssituation aufgreift und im Notfall denjenigen, die esonderer individueller Hilfe bedürfen, diese zuteil ommen lässt. as ist Ergebnis unserer Politik. Da lassen wir auch icht nach. Wir wollen, dass die Jugendlichen in Deutschland ich auf uns, auf die Politik verlassen können. Denn wer m Vertrauen auf die bisherige Rechtslage bereits ausgeogen ist, muss nicht ins Elternhaus zurück und erhält uch weiterhin die 100-prozentige Leistung des rbeitslosengeldes II. Das heißt, das Arbeitslosengeld II nd die Kosten der Unterkunft werden wie bisher geahlt. Weder Zwangsfamilie noch Zwangsräumung ist ier angesagt. Das muss heute Morgen sehr deutlich largestellt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, in einer solidarischen Ge-
ellschaft müssen alle Verantwortung füreinander über-
ehmen. Deshalb sagen wir an diesem Punkt sehr deut-
ich, dass Jugendliche unter 25 Jahren künftig in der
egel 80 Prozent der Regelleistung erhalten. Sie werden
amit nicht schlechter gestellt als Ehe- bzw. Lebenspart-
er. Denn ein Alleinstehender erhält 100 Prozent der Re-
elleistung; kommt ein Partner hinzu, erhöht sich der
etrag um 80 Prozent. Genau das regeln wir auch für Ju-
endliche oberhalb des 18. Lebensjahres, die in der el-
erlichen Bedarfsgemeinschaft verbleiben. Das ist ange-

essen. Dazu stehen wir auch.

Manche haben das als Sparen bezeichnet. Aber wofür
paren? Wir sparen für Investitionen in die Zukunft, in
ie bessere Kinderbetreuung, in die bessere Ausbildung,
n mehr Fortbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.
arin zu investieren, kann kein Schade sein. Das sind In-
estitionen in die Zukunft. Dazu stehen wir. Das wollen
ir fortsetzen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Worauf kommt es an? Wir wollen den Beitrag an die
esetzliche Rentenversicherung für Arbeitslosen-
eld-II-Bezieher zukünftig absenken. Wir senken damit
ber nicht die Rentenzeiten ab. Wir minimieren damit
uch nicht den Versicherungsschutz in der gesetzlichen
entenversicherung. Er soll voll erhalten bleiben. Denn
ir wollen nicht, dass Menschen dauerhaft im Arbeitslo-

engeld-II-Bezug bleiben. Vielmehr wollen wir, dass
enschen die Chance bekommen, aus dem Arbeitslo-

engeld-II-Bezug wieder in normale Arbeitsverhältnisse
inzutreten. Insofern ist es uns wichtig, dass keine ge-
rochenen Erwerbsbiografien entstehen, sondern dass
urchgehende Versicherungsverläufe bleiben, dass
urchgängig Anspruch auf Rehabilitation bleibt und dass
ie vollen Leistungen bei Erwerbsminderung möglich
leiben. Das ist sozialstaatlich geboten. Dazu stehen wir.
as werden wir auch weiterhin einhalten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Klaus Brandner
Ich will in diesem Zusammenhang ganz deutlich sa-
gen, dass wir gemeinsam die Langzeitarbeitslosen, die
in der Vergangenheit oft als Sozialhilfeempfänger nicht
rentenversichert, nicht krankenversichert und nicht pfle-
geversichert waren, in das solidarische Sozialsystem
aufgenommen haben und damit Rechtsfortschritt in die-
sem Lande organisiert haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir waren es, die dafür gesorgt haben, dass man auf ei-
ner sicheren Grundlage die Zukunft angehen kann.


(Dirk Niebel [FDP]: Wir alle!)


Ich will ganz deutlich sagen: Dazu gehört auch, dass
diejenigen, die in der Vergangenheit ausgegrenzt waren,
erstmals Anspruch auf alle Leistungen am Arbeitsmarkt
haben. Alle arbeitsmarktpolitischen Instrumente stehen
den Langzeitarbeitslosen zur Verfügung. Das haben wir
durchgesetzt. Uns kommt es darauf an, den Menschen zu
helfen, sie zu unterstützen, sie nicht auszugrenzen.

In diesem Zusammenhang wird in vielen Fällen über
die Frage der Mietschulden – über Einzelfälle – disku-
tiert und die Frage gestellt: Gibt es auch zukünftig die
Möglichkeit, eine dem Einzelfall angemessene Regelung
zur Begleichung von Miet- oder Energieschulden zu
finden? Ich möchte ganz deutlich sagen: Wir wollen zu-
allererst, dass diejenigen, die Schulden machen, auch da-
für aufkommen müssen. Deshalb müssen sie zuallererst
– ich sage es hier klipp und klar – auf Darlehen verwie-
sen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich sage aber auch: Da, wo es im Einzelfall notwen-
dig ist, wo Härtefälle auftreten, wo zum Beispiel Woh-
nungslosigkeit droht, muss es möglich sein, dass anstatt
des Darlehens eine Beihilfe gewährt wird. Wir haben im
Ausschuss sichergestellt – das Ministerium hat das zwei-
felsfrei beantwortet –, dass der Gesetzestext genau dies
hergibt. Damit geben wir ein Signal an die Fallmanager,
an die Kommunen, an diejenigen, die Leistungen zur
Verfügung stellen, genau so zu verfahren: Die Beihilfe
ist nicht die Regel, aber sie ist im Einzelfall möglich.
Das wollen wir sichergestellt wissen.

Ich bin mir insgesamt darüber im Klaren, dass wir die
Jugend fördern und nicht alimentieren müssen. Das
muss unsere Orientierung sein: Wir müssen all unsere
Kräfte auf das Fördern konzentrieren. 2005, nachdem
dieses riesige Gesetzeswerk in Kraft getreten ist, hat das
noch nicht so geklappt, wie wir uns das vorgestellt ha-
ben.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist wohl wahr!)


Wir wissen: Viele Arbeitsgemeinschaften sind erst im
Laufe des Jahres 2005 entstanden; nur etwa 50 Prozent
der Aktivierungsmittel sind abgerufen worden. Das ist
bedauerlich. Das heißt aber nicht, dass der Reformschritt
nicht klug und richtig war. Vielmehr müssen wir genau
hier ansetzen, den Reformschritt mit mehr Fahrt umzu-
setzen und die Maßnahmen zu unterstützen.

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(C (D Wir bauen die Chancen für die Jugend aus. Deshalb agen wir ganz deutlich: Die Koalition sieht es als eine chwerpunktaktivität an, Vorfahrt für junge Menschen u gewähren. Der Pakt für Ausbildung und Fachkräfenachwuchs ist ein Element in diesem Paket. Die Verittlung und Qualifizierung junger Menschen sind ein chwerpunkt der Bundesagentur für Arbeit. Wir wissen, ass auf diesem Gebiet noch viel zu leisten ist. Die Bechäftigten der BA haben unsere volle Unterstützung daei, sich genau diesem Schwerpunkt stärker als in der ergangenheit zu widmen. Wir müssen auch daran erinnern, dass die Länder eine roße Verantwortung für die Erstausbildung tragen. enn nämlich junge Menschen ohne ein gutes Bildungs iveau die Schulen verlassen, ist ein Eintritt ins Arbeitseben nicht möglich. Hier haben die Länder zukünftig hre Aufgaben und ihre Verantwortung stärker wahrzuehmen. (Dirk Niebel [FDP]: Man darf sich auch nicht aus der Verantwortung für die jungen Arbeitslosen herausstehlen!)


ie können diese Aufgaben nicht einfach der Bundes-
gentur übereignen. Vielmehr fordern wir die Verpflich-
ung der Länder ein, hier das zu tun, was ihnen aufgrund
nserer Verfassung gebührt.

Wir wollen, dass die intensive Betreuung Jugend-
icher insbesondere in den Arbeitsgemeinschaften ver-
essert und ausgebaut wird. So verstehen wir die Verän-
erungen im Sozialgesetzbuch II, bei deren Umsetzung
ir alle mithelfen und mitwirken sollen, damit sie zu ei-
em Erfolg werden, damit zukünftig die arbeitslosen Ju-
endlichen, von denen – ich sage es deutlich – eine viel
u große Zahl keine abgeschlossene Berufsausbildung
at, eine nachhaltige Chance zum Eintritt ins Arbeitsle-
en erhalten. Das wird unsere Zukunftsaufgabe sein. Da-
ür sind wir angetreten; dafür haben wir die Veränderun-
en im Sozialgesetzbuch vorgenommen. Ich bitte Sie,
iese gemeinsam zu unterstützen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602000200

Nächster Redner ist der Kollege Dirk Niebel, FDP-

raktion.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602000300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe
nd Sozialhilfe sollte unter anderem Kosten sparen und
ie Vermittlung in Arbeit verbessern. Beide Ziele sind
ffenkundig nicht erreicht worden. Die Vermittlung in
rbeit, insbesondere der Langzeitarbeitslosen, ist nicht

ignifikant besser geworden; aber dafür sind die Kosten
ignifikant gestiegen: auf 26 Milliarden Euro statt
4 Milliarden Euro. Von daher ist es bemerkenswert,
ass die Angleichung des Arbeitslosengeldes II Ost auf
estniveau durchgeführt wird. Wir sind der Ansicht,

ass das Trennende zwischen Ost und West im 16. Jahr






(A) )



(B) )


Dirk Niebel
der deutschen Einheit nicht mehr Maßstab für Sozialge-
setzgebung sein darf.


(Beifall bei der FDP)


Allerdings gibt es Unterschiede nicht nur zwischen
Ost und West, sondern auch zwischen Nord und Süd. So-
gar in den ostdeutschen Bundesländern gibt es ganz un-
terschiedlich strukturierte Regionen, genauso wie in den
westlichen Bundesländern. Von daher wäre es sinnvoll
gewesen, die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
abzuwarten, um zu wissen, wo man im Land wie teuer
lebt, um das Problem dann differenzierter anzugehen.
Bei der Sozialhilfe für Nichterwerbsfähige tun Sie das
immerhin.

Es stellt sich zugleich die Frage, weshalb die große
Koalition nun beim Arbeitslosengeld II eine Anglei-
chung anstrebt, nicht aber bei den Sozialhilfeempfän-
gern, bei den Erwerbsunfähigen, denen es meist noch
schlechter geht als denen, die jung und gesund sind.

Fest steht: Um durch einen regulären Arbeitsplatz das
gleiche Einkommensniveau wie beim Arbeitslosengeld II
erreichen zu können, müssen je nach Familienstand zwi-
schen 8 und 10 Euro brutto pro Stunde verdient werden.
Das kann in der nächsten Debatte über die Mindestlöhne
nicht außer Acht gelassen werden.

In diesem Gesetz sind neben der Angleichung des
Arbeitslosengeldes II auch noch andere Dinge enthalten,
zum Beispiel die Absenkung des Rentenversicherungs-
beitrages für Langzeitarbeitslose um 2 Milliarden Euro.
Die maroden Rentenversicherungskassen werden noch
einmal zusätzlich um 2 Milliarden Euro belastet, damit
sich der Staat seinen Haushalt schönrechnen kann,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Skandal!)


obwohl wir seit gestern wissen, dass die Steuerschätzung
ergeben hat, dass wir in diesem Jahr 20 Milliarden Euro
Steuereinnahmen mehr als vorausgesehen haben werden.

Des Weiteren ist in dieses Gesetz die Neuregelung
für die jugendlichen Langzeitarbeitslosen eingearbei-
tet. Wir sind der festen Überzeugung: Jeder Mensch in
diesem Land darf aus dem Elternhaus ausziehen, wenn
er es sich leisten kann. Wir sind auch der festen Über-
zeugung: Wer es sich nicht leisten kann und dafür die
Hilfe der Allgemeinheit braucht, der muss sich schärfe-
ren Kriterien unterwerfen. In der Art und Weise, wie Sie
diese Regelung allerdings vorsehen, sind die Kriterien
der Überprüfung der schwerwiegenden Gründe für einen
Arbeitsvermittler nicht nachvollziehbar.

Sie schaffen es ja noch nicht einmal, festzustellen, ob
es eheähnliche Gemeinschaften gibt. Sie wollen doch
nicht hinter jeden jugendlichen Arbeitslosen einen Ar-
beitsvermittler oder einen „Arbeitslosenpolizisten“ stel-
len, um zu überprüfen, ob die Kriterien tatsächlich erfüllt
werden. Das wird in der Praxis kaum handhabbar sein,
insbesondere weil über die Frage, ob man ausziehen
darf, die abgebende Gemeinde entscheidet und nicht die
aufnehmende. Wenn also der Bezirk Kreuzberg Kosten
sparen möchte und der Jugendliche meint, er müsse drin-
gend ganz weit weg vom Elternhaus, weil es da kriselt,

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(C (D ach München ziehen, dann kann Kreuzberg das genehigen und die Münchener müssen das bezahlen. Viel reude dabei! Das wird einen enormen Verwaltungsaufand zwischen den Kommunen verursachen. Das Prolem wird dadurch nicht gelöst. Natürlich ist es problematisch, dass 58 Prozent aller edarfsgemeinschaften Einpersonenhaushalte sind. Das esetz, wie Sie es auf den Weg gebracht haben, hat zu iner wahren Zellteilung deutscher Familien geführt. er Anstieg der Zahl der unter 25-jährigen Arbeitslosen st mit 28 Prozent im letzten Jahr doppelt so hoch wie er Anstieg der Zahl der anderen Langzeitarbeitslosen it 14 Prozent. Das von Ihnen vorgelegte Gesetz setzt das fort, was ot-Grün gemacht hat. Ich wundere mich schon, dass ie Union dabei mitmacht. Denn es setzt Flickwerk fort. ie ist die Situation denn tatsächlich bei der Beweisfühung der eheähnlichen Lebensgemeinschaften? Was war it den zu viel abgeführten Krankenversicherungseiträgen der Bundesagentur? Das Geld ist immer noch icht zurückgekommen und die Krankenversicherungen erden natürlich ihre Kostenpauschale abziehen; da haen Sie wieder das Geld anderer Leute verprasst. Was ist it dem EDV-Programm A2LL? Ich höre immer wieder, ass es nicht funktioniert. Bei der Bundesagentur überegt man sich schon seit langer Zeit, ob man vielleicht in teures Nachfolgeprojekt braucht. Es würde mich icht wundern, wenn es noch teurer wird, wie alle andeen EDV-Projekte. Aber dass die Bundesagentur und übigens auch die Bundesregierung wissen, dass das, was ie hier vorlegen, erst zum 1. Januar 2007 EDV-techisch ernsthaft umgesetzt werden kann und sie es trotzem zum 1. Juli dieses Jahres einführen, das ist schlichteg verantwortungslos und führt die Menschen in die rre, die glauben, dass es ihnen jetzt besser gehen önnte, und die darauf setzen, dass Ihre Gesetzgebung ine minimale Halbwertzeit hat. Die Langzeitarbeitslosen müssen dort betreut werden, o man sich auf sie einstellen kann: in den kommuna en Job-Centern. Wir müssen endlich von der sozialen egleitung der Langzeitarbeitslosigkeit wegkommen nd auf den Pfad einer wachstumsorientierten Wirtchaftspolitik zurückkehren. Denn soziale Größe zeigt ich nicht an der Höhe einer Transferleistung, sondern aran, dass die Möglichkeit besteht, einen Arbeitsplatz u bekommen, damit man seinen Lebensunterhalt selbst rwirtschaften kann. Um das zu erreichen, dafür hat die große Koalition berhaupt nichts auf den Weg gebracht: weder in ihrer oalitionsvereinbarung noch in der Regierungserklä ung noch im Rahmen ihrer praktischen Gesetzgebung. eswegen werden wir den vorliegenden Gesetzentwurf it Enthaltung abstrafen. Denn er ist Flickwerk, bei dem ie genauso gemurkst haben, wie es früher Rot-Grün ge an hat. Herr Kollege Niebel, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr. Ja, Frau Präsidentin. Wie ich sehe, habe ich schon 40 Sekunden überzogen. Ich komme zu meinem letzten Satz. 45 Sekunden, Herr Kollege. Mittlerweile sind es 47 Sekunden. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)





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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602000400
Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602000500

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602000600
Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602000700

Den Entschließungsantrag der Grünen werden wir lei-
der ablehnen müssen; denn in ihm wird eine Ausweitung
der Leistungen gefordert. Hier geht es allerdings um das
Geld anderer Leute, das diese mit ihrer Hände Arbeit zu
erwirtschaften haben. Mit diesen Steuergeldern können
Sie offensichtlich nicht anständig umgehen. Wir Libe-
rale können das.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602000800

Das Wort hat der Kollege Gerald Weiß, CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Lieber Kollege Niebel, wenn Sie sagen, dass Sie
den vorliegenden Gesetzentwurf kraftvoll mit Enthal-
tung abstrafen werden,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


dann merkt jeder, dass etwas nicht stimmt. Ich selbst bin
gelernter Oppositionspolitiker und sage Ihnen: Wenn wir
uns, als wir noch in der Opposition waren, enthalten ha-
ben, war es immer so, dass das, was die Regierung vor-
gelegt hatte, gar nicht so schlecht war.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Man muss sich nun einmal entscheiden, wie man ab-
stimmt; das ist Ihr gutes Recht und das respektieren wir
auch.

Wir müssen die knappen Mittel unseres Sozialstaates
zielgenauer einsetzen; denn sie fließen nicht wie Milch
und Honig in einem Land der Verheißung, sondern sie
müssen von den Erwerbstätigen täglich hart erarbeitet
werden. Mit diesen knappen Mitteln müssen wir zielge-
richtet und verantwortungsvoll umgehen. Unser Sozial-
staat muss mit seinen begrenzten Mitteln mehr errei-

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(C (D hen. Eine der großen Fragen unserer Zeit ist, wie wir in nseren Systemen der sozialen Sicherung für mehr Effiienz und mehr Effektivität sorgen. Dieses Ziel auf einem wichtigen Sektor zu realisieren, at sich die große Koalition vorgenommen. Dabei geht s um den Bereich der Grundsicherung, vulgo: um das LG II und um Hartz IV. Hierbei handelt es sich um ine Erneuerung in Stufen. Wir wollen das ALG II zielerechter, sachgerechter und effektiver gestalten. Das ind wir den Malochern in unserer Gesellschaft schuldig, enen wir jeden Tag große Solidaropfer zumuten. Ich will vier Aspekte unseres Gesetzentwurfes darleen – Überschneidungen mit dem, was der Kollege randner gesagt hat, sind nicht zufällig, sondern großoalitionär bedingt –: (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Erstens. Das ALG II wird gerechter gestaltet. Wir
leichen den Zahlbetrag in Ostdeutschland an den Zahl-
etrag in Westdeutschland an, wie es uns auch der
mbudsrat nahe legt. Die Regelleistung in den neuen
undesländern wird um 14 Euro – von 331 Euro auf
45 Euro – erhöht. Das muss angesichts des linkspopu-
istischen Getöses der PDS immer wieder betont werden.


(Zuruf von der LINKEN: Aha!)


m mehr Gerechtigkeit zu schaffen, müssen wir mehr
eld ausgeben; daher wird diese Leistung erhöht. Dabei
eht es immerhin um einen Betrag von 260 Millionen
uro, den wir gemeinsam mit den Kommunen zur Verfü-
ung stellen. Nicht nur, aber auch deshalb müssen wir an
en Stellen, an denen wir eindeutig über das Ziel hinaus-
eschossen sind, Ressourcen einsparen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Zweitens. Da wir ein Faible für Fakten haben, sage
ch Ihnen Folgendes: Das neue Recht gilt ab dem
. Januar 2005. Seit diesem Zeitpunkt – Herr Brandner
at darauf hingewiesen – ist die Zahl der Einpersonenbe-
arfsgemeinschaften – so heißt dieses Wortungetüm –
m 19,6 Prozent gestiegen, sogar noch deutlich stärker
ls die Zahl der Mehrpersonenbedarfsgemeinschaften.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, die sind nämlich um 16 Prozent gestiegen! 16 Prozent und 19 Prozent, das ist wirklich ein deutlicher Unterschied!)


Ja, das ist deutlich mehr. Der Unterschied beträgt na-
ezu 4 Prozentpunkte.

Gleichzeitig ist die Zahl der erwerbsfähigen Hilfsbe-
ürftigen unter 25 Jahre um 28 Prozent gestiegen – Herr
urth, doppelt so stark wie die Zahl der erwerbsfähigen
ilfsbedürftigen über 25 Jahre. Diese beiden statisti-

chen Daten braucht man nur zusammenzubringen, dann
eiß man, was geschehen ist: Junge Leute sind auf
taatskosten, auf Kosten der Gemeinschaft von zu
ause ausgezogen; sie haben den zu großzügig bemesse-
en Rechtsrahmen genutzt, den der Gesetzgeber gestal-
et hat. Kollege Brandner, das ist natürlich kein Miss-






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Gerald Weiß (Groß-Gerau)

brauch. Aber es ist ein Mitnahmeeffekt, den wir nicht
wollen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deswegen verändern wir heute gemeinsam die Rahmen-
bedingungen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602000900

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Seifert?

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
Ja, bitte.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602001000

Herr Kollege Weiß, Sie haben gerade von einer zu

großzügigen Ausstattung der jugendlichen ALG-II-
Empfänger gesprochen. Würden Sie mir bitte erklären,
wieso ein 20-Jähriger oder ein 23-Jähriger als Soldat
nach Afghanistan geschickt werden kann,


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der SPD)


aber nicht einmal eine eigene Wohnung haben darf?


(Dirk Niebel [FDP]: Das darf er sehr wohl: wenn er sie selbst bezahlt!)


Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
So etwas kann ja nur einem Linken einfallen!


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen doch in den Kategorien von Eigenverant-
wortung, Familienverantwortung und gesellschaftlicher
Verantwortung denken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir schreiben doch niemandem seinen Lebensstil vor;
wir verordnen niemandem, wie lange er bei den Eltern
– gestern hat jemand vom „Hotel Mama“ gesprochen –
wohnen muss. Das ist Privatsache; das soll jeder selbst
entscheiden. Allerdings darf die Gemeinschaft mit dieser
privaten Lebenswegentscheidung nicht länger belastet
werden. Das ist die Folgerung aus dem Prozess, den wir
eben dargestellt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Grundsicherung, Herr Seifert, ist Hilfe für Hilfsbe-
dürftige, nicht aber die Finanzierung bestimmter Le-
benswegentscheidungen und persönlicher Lebensstile.
Grundsicherung ist Hilfe, auf die man angewiesen ist.
Deshalb hat Herr Brandner zu Recht die beiden Ausnah-
men angesprochen, die wir in den Gesetzentwurf aufge-
nommen haben. Die Genehmigung zum Auszug aus dem
Elternhaus und zur Gründung eines eigenen Hausstandes
– samt Umzug und Erstausstattung – auf Kosten der Ge-
meinschaft bleibt möglich, wenn schwer wiegende so-
ziale Gründe gebieten, dass der junge Mensch von zu
Hause auszieht. Manche, Herr Niebel zum Beispiel, hal-

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(C (D en „schwer wiegende soziale Gründe“ für reichlich unestimmt. So ist es aber nicht: Die Verwaltung hat viel rfahrung und Praxis auf diesem Feld und es gibt eine mfangreiche Rechtsprechung dazu. Außerdem ist da och der gesunde Menschenverstand. Die zweite Ausnahme greift, wenn jemand eine Areitsstelle antritt. Dann ist das Hilfe zur Selbsthilfe. enn jemand in Zukunft seinen Lebensunterhalt bestrei en kann, beim Start aber auf Hilfe angewiesen ist, müsen wir ihm selbstverständlich helfen. In diesen beiden ällen wird Hilfe gewährt; alle übrigen Fälle sind Privatache. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


eder muss sich schon selbst um seinen Lebensunterhalt
ümmern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ie Fehlanreize sind damit beseitigt. Die sozialpoliti-
che Wirksamkeit wird erhöht. Wir gestalten diese neue
orm mit dem allerbesten Gewissen; sie ist eine ver-
ünftige Balance zwischen Eigenverantwortung und ge-
ellschaftlicher Verantwortung.

Dasselbe gilt für meinen dritten Punkt: dass wir die
edarfsgemeinschaften präziser definieren. Bisher ist
s so, dass jemand, der volljährig wird, automatisch den
tatus einer Bedarfsgemeinschaft erhält, mit 100 Prozent
egelsatz. Die Lebenswirklichkeit ist doch die, dass je-
and, der zu Hause lebt, zu den Generalkosten – Versi-

herungen, Strom, haushaltstechnische Geräte – in der
egel nichts beizutragen hat. Da ist es nur recht und bil-

ig, wenn wir solche im Elternhaus wohnende junge
enschen in die elterliche Bedarfsgemeinschaft einbe-

iehen und ihren Regelsatz auf 80 Prozent kürzen. Auch
as bedeutet eine größere Treffsicherheit im Sozialstaat.
ir tun etwas Richtiges, wenn wir auf die Fehlentwick-

ungen, die wir beobachten, entsprechend reagieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Mein vierter Aspekt: Mehr Zielgenauigkeit auch mit
lick auf die EU-Ausländer. Die Freizügigkeit ist ein
ohes Gut. Gemeint sind auch nicht die EU-Ausländer,
ie hier bei uns den Status eines Arbeitnehmers besitzen,
eil sie gearbeitet haben. Wer aber aufgrund des Leis-

ungsrechts nach Deutschland einreisen will, den schlie-
en wir künftig von Leistungen aus.


(Beifall bei der CDU/CSU)


ch denke, auch das ist eine normale und richtige Folge-
ung. In Zukunft werden wir es nicht mehr zulassen, dass
ie Freizügigkeit genutzt wird, um nach der Einreise ein-
ig und allein Leistungen zu beziehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir handeln
erantwortungsbewusst und machen die Statik der
rundsicherung belastungssicherer und tragfähiger. Das

st ein erster Schritt einer großen Reform. Ich bin mir si-
her, dass es eine kluge Entscheidung ist.

Ich danke Ihnen sehr herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602001100

Das Wort hat die Kollegin Katja Kipping, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602001200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die ge-

planten Verschärfungen von Hartz IV sind ein Angriff
auf die Eigenständigkeit junger Menschen und auf Bür-
gerrechte.


(Beifall bei der LINKEN)


Dabei sind Sie es doch immer gewesen, meine Damen
und Herren von SPD und CDU, die nach mehr Selbst-
ständigkeit, nach mehr Flexibilität bei jungen Menschen
rufen.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Aber nicht staatlich gefördert!)


Dann degradieren Sie Volljährige unter 25 Jahre zu
Minderjährigen, dann verdonnern Sie junge Erwachsene
zum Sitzenbleiben im „Hotel Mama“ und kürzen gleich
noch die Regelleistungen auf 276 Euro. Das ist nun
wirklich die falsche Richtung.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich muss mich schon wundern, wie schnell Sie aus
dem Häuschen sind, wenn jemand Ihren Ansatz des
Sozialabbaus grundsätzlich nicht teilt. Daran werden
Sie sich gewöhnen müssen.


(Beifall bei der LINKEN – Ute Kumpf [SPD]: Ein bisschen Distanz, Frau Kollegin Kipping, dann ist es okay!)


Es kann ja sein, dass Sie in den letzten Jahren etwas ver-
wöhnt wurden. Man war halt mehr unter sich. Von der
Opposition gab es eher Kritik im Detail. Sie werden sich
jetzt aber daran gewöhnen müssen, dass es nicht mehr
nur zwei Frauen von der PDS gibt, die Ihren Grundkon-
sens durchbrechen, sondern dass im Bundestag jetzt wie-
der eine gesamte Fraktion sitzt, die der Meinung ist, dass
wir das Problem der Arbeitslosigkeit nicht auf dem Rü-
cken der Schwächsten austragen dürfen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Wir erschrecken schon! Wir zittern schon vor Angst!)


– Herr Brauksiepe, anstatt über Leistungskürzungen zu
reden, sollten wir mal darüber reden, was man beim Le-
ben jenseits von Armut eigentlich braucht.

Wenn man im 2. Armuts- und Reichtumsbericht nach-
schlägt, dann kann man lesen:

In Deutschland beträgt die so errechnete Armuts-
risikogrenze 938 Euro...

938 Euro, meine Damen und Herren von der SPD – das
ist die Zahl Ihrer Regierung!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Folgt man dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, so
stellt man fest, dass der Regelsatz mindestens 420 Euro

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(C (D etragen sollte. Die Angleichung der Regelsätze Ost nd West ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Es ist ahrlich schon ein Armutszeugnis für die Sozialdemoratie, dass es erst vehementer Montagsdemonstrationen nd der Linkspartei bedurfte, damit Sie überhaupt auf iese Idee kommen. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Ihr wisst, wie die Wirkung von Montagsdemonstrationen ist! – Katja Mast [SPD]: Das waren die Ombudsleute! – Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Andrea Nahles [SPD]: Ist das jetzt dreist oder ist das dumm?)


Indem Sie die Angleichung Ost an West mit Kürzun-
en bei den Rentenbeiträgen und bei den EU-Ausländern
owie mit einem faktischen Auszugsverbot für junge Er-
achsene verbinden, beweisen Sie eigentlich nur eines:
ie verfolgen nach wie vor die Politik des Gegeneinan-
er-Ausspielens der gesellschaftlichen Schichten, die so-
ieso am wenigsten haben. Daran werden wir als Linke
ns nicht beteiligen. Da brauchen Sie sich gar keine fal-
chen Hoffnungen zu machen.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD)


14 Monate lang prellen Sie die ostdeutschen Erwerbs-
osen nun schon pro Monat um 14 Euro. 14 Euro sind für
inen ALG-II-Empfänger wahrlich kein Klacks. Den of-
iziellen Berechnungen zufolge hat ein Erwerbsloser
eine gesamten Gesundheitskosten und seine gesamten
osten für die Körperpflege pro Monat von 13 Euro und
9 Cent zu finanzieren. Seien wir doch einmal ehrlich:
ie weit würden wir mit knapp 14 Euro kommen, um

amit die Kosten für Kosmetik und Gesundheit zu de-
ken? Da die Differenz zwischen Ost- und Westdeutsch-
and unrechtmäßig war, fordern wir Sie auf, diesen Be-
rag rückwirkend nachzuzahlen. Das ist für uns eine
elbstverständlichkeit.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun wenden Sie ein, das sei ein zu großer bürokrati-
cher Aufwand. Gut, wir müssen keine unnötige Arbeit
erursachen. Lassen Sie uns dann gemeinsam nach einer
nbürokratischen Lösung, beispielsweise einer einmali-
en Pauschale, suchen.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Hartz-IV-Begrüßungsgeld, oder was?)


propos bürokratischer Aufwand. Sie dürfen nicht so
un, als ob die von Ihnen geplanten Verschärfungen bei
en unter 25-Jährigen völlig unbürokratisch seien.


(Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Das haben wir auch nie gesagt!)


ie alle kennen die Stellungnahme der Bundesagentur, in
er ausgeführt wird, dass das Softwaresystem die Auf-
ahme der Kategorie „Volljährige Kinder, die das
5. Lebensjahr noch nicht vollendet haben“ in eine be-
tehende Bedarfsgemeinschaft nicht zulässt. Man könnte






(A) )



(B) )


Katja Kipping
fast meinen, das Softwareprogramm verfüge über ein
rechtsstaatliches Verständnis, von dem sich hier so man-
cher eine Scheibe abschneiden könnte.


(Beifall bei der LINKEN)


In den Debatten der letzten Tage wurden von den Be-
fürwortern der Kürzung vor allen Dingen vier Argu-
mente genannt, die ich gemeinsam mit Ihnen gerne nä-
her beleuchten möchte.

Erstens. Die Herausbildung falscher Verhaltensmuster
war ein Argument. Die Metapher von der Zellteilung
machte die Runde. Aber wenn man genauer nachfragt,
wo das belastbare Zahlenmaterial sei, dann wurde es
verdammt dünn. Um einmal Herrn Senius von der Bun-
desagentur – übrigens der Sachverständige, den die gro-
ßen Koalition benannt hat – zu zitieren: Man habe keine
gesicherten Angaben.


(Dirk Niebel [FDP]: Dass die Bundesagentur keine gesicherten Angaben hat, wundert uns nicht!)


Der Vertreter der Wohlfahrtspflege wurde noch deut-
licher. Ich zitiere: Nach unserer Interpretation – wir sind
sehr tief in die Statistik eingestiegen – gibt es keinerlei
Anzeichen, nach denen man auf ein so genanntes Phäno-
men der Zellteilung schließen kann. – Sie haben keine
belastbare Grundlage für Ihre Behauptungen. Aber Sie
nehmen Ihr diffuses Empfinden als Grundlage für tiefe
Einschnitte.


(Widerspruch bei der SPD)


Eine solche Politik aus dem Bauch heraus wird in Zu-
kunft zu weit mehr als Bauchschmerzen führen.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens. Menschen unter 25 Jahre – so Ihre Argu-
mentation – sollen sowieso in einen Ausbildungs- oder
Arbeitsplatz vermittelt werden. Dazu kann ich nur sa-
gen: Schön wäre es! Ihr Anspruch nützt jedoch dem Ju-
gendlichen, der bereits seine 50. Bewerbung vergeblich
geschrieben hat, leider sehr wenig.

Drittens. Es handele sich hier – so führen Sie an – um
eine steuerfinanzierte Leistung, für die die Menschen
aufkommen müssten, welche jeden Tag bei Wind und
Wetter zur Arbeit gehen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Es ist tatsächlich ein Problem, dass das Steueraufkom-
men immer mehr von den Menschen getragen wird, die
eine Arbeit haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Hier müssen wir tatsächlich etwas verändern. Also wa-
gen wir uns endlich daran, Gewinne und Vermögen bes-
ser zu besteuern, um die Beschäftigten etwas zu entlas-
ten.

Viertens. Sie sagen, die Familie sei eine Verantwor-
tungsgemeinschaft. Als emanzipatorische Linke habe
ich ein anderes Familienverständnis. Das mag Ihnen alt-
modisch vorkommen, aber ich bin nach wie vor der Mei-

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(C (D ung: Nicht finanzielle Abhängigkeit, sondern gegenseiige Achtung und gegenseitiger Respekt sollten die rundlagen des Zusammenlebens bilden. Mit Ihrem Familienverständnis, meine Damen und erren von SPD und CDU/CSU, beweisen Sie allerings, wie Recht Karl Marx hatte, als er im „Kommunisischen Manifest“ schrieb: Die Bourgeoisie hat dem Familienverhältnis seinen rührend-sentimentalen Schleier entrissen und es auf ein reines Geldverhältnis zurückgeführt. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU])


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Brauksiepe, Sie werden sich wieder daran gewöh-
en müssen, dass auch hier im Bundestag der in wissen-
chaftlichen Schriften am meisten zitierte Autor wieder
ine Rolle spielt.


(Lachen bei der CDU/CSU)


Die Argumente, die SPD und CDU/CSU für die Fort-
etzung ihres Kürzungskurses vorbringen, überzeugen
infach nicht. Wenn Frau Connemann argumentiert, der
taatlich finanzierte Auszug sei kein Bürger- und Men-
chenrecht, dann lässt das aufhorchen. Wollen Sie hier
twa einen Testballon für weitere Kürzungen steigen
assen? Ihre Logik, Frau Connemann, zu Ende ge-
acht, bedeutet, man könne die Grenze genauso gut
ei 35, 55 oder am besten bei 67 Jahren ziehen, um da-
ach nahtlos in Rente zu gehen.


(Beifall bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Das sind Karrieren, wie ihr sie euch vorstellt!)


Die Kürzungen, die heute Erwachsene unter
5 Jahren treffen, können von Ihnen schon morgen für
ie unter 35-Jährigen oder für die über 55-Jährigen dis-
utiert werden. Wir Linken meinen jedoch: Junge Men-
chen dürfen nicht zum Experimentierfeld für weitere
eistungskürzungen werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Zusammenfassend ist zu sagen: Hartz IV junior ist
ein Deut besser als Hartz IV senior. Es lohnt sich also,
ier in diesem Haus über Alternativen zu reden.

Erstens sollten wir endlich das Konstrukt der Bedarfs-
emeinschaft abschaffen


(Dirk Niebel [FDP]: Freies Geld für alle!)


nd schrittweise das Individualprinzip einführen. Es
eht schließlich um soziale Rechte jedes Einzelnen.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens sollten wir das Arbeitslosengeld II durch
ine bedarfsorientierte soziale Grundsicherung ersetzen,
ie ein Leben jenseits der Armut und unabhängig vom
inkommen der Verwandtschaft ermöglicht. Es ist
öchste Zeit dafür.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Katja Kipping
Drittens sollten wir – um die Finanzierung dieser
Maßnahmen sicherzustellen – endlich einen Kurswech-
sel in der Steuerpolitik vornehmen und uns daran wagen,
Vermögen und Gewinne von Unternehmen ordentlich zu
besteuern.


(Dirk Niebel [FDP]: Warum zahlen wir überhaupt noch Löhne? Alles enteignen und gleiches Taschengeld für alle!)


Ihre bisherige Steuerpolitik hat die Löcher in den Haus-
halten nur weiter vergrößert.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich denke, wir können es uns nicht mehr leisten, auf
diese Steuereinnahmen zu verzichten.

Es kann nicht sein, dass die Folgen Ihrer verfehlten
Steuerpolitik, die Sie zu verantworten haben, auf dem
Rücken der Ärmsten ausgetragen werden. Es ist höchste
Zeit für einen politischen Kurswechsel in diesem Land.

Besten Dank.


(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602001300

Das Wort hat der Kollege Markus Kurth, Bündnis 90/

Die Grünen.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602001400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

An dieser Stelle wird häufig das so genannte strucksche
Gesetz bemüht, demzufolge ein Gesetz nicht so aus dem
Parlament herauskommt, wie es dort eingebracht worden
ist. Meistens wird das in diesem Hohen Hause von Ab-
geordneten in der Hoffnung geäußert, dass das Gesetz,
das im Parlament beschlossen wird, besser ist als der
eingebrachte Gesetzentwurf. Dass auch der umgekehrte
Fall möglich ist, nämlich dass ein Gesetz das Parlament
in einer schlechteren Fassung verlässt, beweist der vor-
liegende Gesetzentwurf zur Änderung des als Hartz IV
bekannt gewordenen SGB II. Eingebracht wurde näm-
lich das Vorhaben einer durchaus sympathischen Anglei-
chung der Regelsätze in Ost und West. Herausgekom-
men ist dagegen ein relativ krudes und unsystematisches
Spargesetz mit weiteren Leistungseinschränkungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sparen ist an sich keine Sünde, sofern Begründung,
Ziel und Grundannahmen stimmen. Das alles stimmt im
vorliegenden Fall jedoch nicht. Sie behaupten, dass es
bei Hartz IV zu Kostensteigerungen gekommen ist. Sie
widersprechen nicht den öffentlich geäußerten Behaup-
tungen, dass es bei Hartz IV sogar zu einer Kostenexplo-
sion gekommen sei.


(Dirk Niebel [FDP]: Das stimmt ja auch!)


Sie treten auch nicht dem Eindruck entgegen, dass die
Leistungsempfänger dafür verantwortlich sind.

Wahr ist aber – das ist an dieser Stelle festzuhalten –:
Die gesamten Leistungen für Sozialhilfe, Arbeitslosen-
hilfe und Wohngeld, die zu zahlen gewesen wären, wenn

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(C (D s nicht zur Zusammenlegung von Arbeitslosenund Soialhilfe gekommen wäre, hätten sich im vergangenen ahr auf 40 Milliarden Euro belaufen. Die Kosten für das rbeitslosengeld II und die Kosten der Unterkunft betruen hingegen 41 Milliarden Euro. Ich kann da keine ostenexplosion entdecken. Berücksichtigt man zudem, dass 4,2 Milliarden Euro n die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt worden ind und ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstanen ist, so zeigt sich, dass die Leistungsempfänger – also ie Arbeitslosen – die Letzten sind, die für Kostensteigeungen verantwortlich gemacht werden können. Das Argument einer vermeintlichen Kostensteigerung der gar -explosion kommt Ihnen aber sehr gelegen, um ie Leistungsverbesserungen zu stutzen, die das rbeitslosengeld II – jedenfalls bisher – positiv von der rüheren Sozialhilfe unterscheiden. Es war das erklärte Ziel der rot-grünen Koalition vor allem vom Bündnis 90/Die Grünen – in der letzten egislaturperiode, mit dem Arbeitslosengeld II den Eintieg in eine Grundsicherung zu erreichen. Bei allen ängeln, die das Gesetz zweifellos aufweist, ist diese ielsetzung richtig. Wir sind dem Ziel in einigen Punk en schon ein ganzes Stück näher gekommen: gesetzlihe Krankenversicherung für alle, Rentenversicherungseiträge auf der Basis von 400 Euro, Zugang zur aktiven rbeitsmarktpolitik auch für frühere Sozialhilfebezieende und nicht zuletzt der Anspruch auf eine eigenstänige Leistung mit dem Erreichen der Volljährigkeit in erbindung mit der Verpflichtung der Job-Center, diesen ungen Menschen ein Angebot zu machen. Das war kein etriebsunfall in der Gesetzgebung; es ist vielmehr ein ichtiges Element der Grundsicherung des Arbeitslo engelds II. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aben Sie nicht selbst noch im Wahlkampf die teilweise inschneidenden Kürzungen durch Hartz IV mit genau iesen Verbesserungen begründet und gerechtfertigt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Jetzt seien Sie mal nicht so streng mit den Sozialdemokraten!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


st denn nicht Ihr Vorsitzender Platzeck im Hartz-Som-
er 2003 mit genau den Verbesserungen, die ich gerade

enannt habe, über das Land gezogen, um Stimmen zu
ewinnen, damit Sie mit einem blauen Auge davonkom-
en?

Jetzt bauen Sie den Popanz einer angeblichen Kosten-
xplosion und angeblicher Massenauszüge auf, um die
rundsicherungselemente von Hartz IV zu demontieren.
ie diskutieren hier hinlänglich über die unter 25-Jähri-
en; das ist sicherlich ein wichtiger Punkt. Aber bislang
at niemand erwähnt, dass der größte Kostenblock die
Milliarden Euro sind, die zulasten der Rentenversiche-

ung eingespart werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Markus Kurth
Sie erwecken den Eindruck, die Jugendlichen führten
auf Kosten der Steuerzahler ein Leben in Saus und
Braus. Sie unterschlagen aber geflissentlich, dass die Ju-
gendlichen bei Androhung der vollständigen Leistungs-
kürzung – 100 Prozent Leistungskürzung! – verpflichtet
sind, ein Angebot anzunehmen. Aber wo sind denn die
Angebote? Das Problem ist, dass es an Angeboten man-
gelt


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


und dass der Zugang zur Arbeitsförderung sowie zu
Qualifizierung und Zuschüssen, den wir im Gesetz vor-
gesehen haben, unzulänglich geblieben ist. Das mag na-
türlich auch mit dem schleppenden Aufbau der Job-Cen-
ter zu tun haben. Aber hier müsste der Gesetzgeber
herangehen; hier müsste man etwas machen. Fast die
Hälfte der bereitgestellten Mittel für das Fördern im
Rahmen von Hartz IV ist im vergangenen Jahr nicht aus-
gegeben worden. Tun Sie wirklich alles, damit sich das
in diesem Jahr nicht wiederholt? Ich habe nicht den Ein-
druck. Wenn Sie mit der gleichen Anstrengung, mit der
Sie Leistungskürzungen betreiben, Jugendliche förder-
ten, bräuchten wir uns um Auszüge beileibe nicht so
viele Gedanken zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie unterschlagen des Weiteren, dass es sich keines-
falls um ein Massenphänomen handelt. Herr Weiß und
Herr Brandner haben behauptet, die Zahl der Einperso-
nenbedarfsgemeinschaften sei um 19 Prozent gestie-
gen. Tatsächlich ist die Zahl der Bedarfsgemeinschaften
insgesamt angestiegen. Die Zahl der Mehrpersonenhaus-
halte ist um 16 Prozent angestiegen. Ich kann zwischen
einem Anstieg um 16 Prozent und einem um 19 Prozent
keine so gewichtige Differenz feststellen.


(Otto Fricke [FDP]: Das sieht man bei der Mehrwertsteuer!)


Es ist erstaunlich, dass Sie das für etwas Gravierendes
und Außergewöhnliches halten. Wenn es das Phänomen
der so genannten Zellteilung, also dass Jugendliche aus-
ziehen und Einpersonenbedarfsgemeinschaften grün-
den, tatsächlich gegeben hätte, hätte dann in der Statistik
nicht nachweisbar sein müssen, dass die Zahl der Zwei-,
Drei- und Vierpersonenhaushalte in Arbeitslosigkeit zu-
rückgegangen ist? Genau das Gegenteil ist der Fall.

Das Verfahren im Umgang mit den unter 25-Jährigen
ist exemplarisch. Ich nenne als weiteres Beispiel nur die
Mietschulden. Hier wird ebenfalls auf fadenscheinige
Art und Weise zu kurz gesprungen. Herr Brandner – wo
ist er denn? –, Sie haben behauptet, die Mietschulden
könnten nun auch im Rahmen der Beihilfe übernommen
werden. Tatsächlich deckt dies das Gesetz nicht ab. Ich
habe mir gerade aus meinem Büro den entsprechenden
Änderungsantrag kommen lassen. Hier steht: Geldleis-
tungen sollen als Darlehen erbracht werden. – Dabei hat
die Sachverständige aus der kommunalen Praxis eindeu-
tig gesagt: Die bestehenden Beihilferegelungen sind Pra-
xis in den Kommunen und sind günstig. Es rechnet sich
für die öffentliche Hand, wenn den Hilfsbedürftigen der
Mietschuldenrucksack abgenommen wird und sie sich

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(C (D uf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt konzenrieren können. Aber Sie handeln unwirtschaftlich. enn sich diese Art der Änderungen des Arbeitsloseneldes II fortsetzt, werden wohl Zug um Zug alle fortchrittlichen Ansätze des Zweiten Buches Sozialgesetzuch entfernt, sodass vermutlich am Ende nur noch eine erschlechterte Sozialhilfe übrig bleibt, die nicht nur auf er Leistungsseite defizitär ist, sondern das Ganze auch ürokratischer macht. Notwendig wären aber ganz andere Verbesserungen m SGB II. In unserem Entschließungsantrag sind ja die ringlichsten Vorhaben benannt, die man sofort umseten könnte. Wir bräuchten in erster Linie eine generelle berprüfung der Regelsätze auf Grundlage der aktuellen inkommensund Verbrauchsstichprobe. Wir müssen ie Regelleistung Arbeitslosengeld II in einem transpaenten Verfahren anpassen. Reden wir in diesem Zusamenhang einmal über die von Ihnen genannte Zahl, Frau ipping. Die 938 Euro umschreiben doch keinesfalls das oziokulturelle Existenzminimum, um das es in diesem all geht, sondern die Armutsrisikoquote. Das sind doch anz unterschiedliche Werte. Sie sollten sich einmal mit en Eckdaten des Sozialhilferechts und des Sozialrechts ertraut machen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ie jammern über die Höhe des Arbeitslosengeldes II.
ch erinnere Sie daran, dass die Regelsatzverordnung
ine Verordnung ist, die nicht im Parlament beschlossen
ird, sondern von der Bundesregierung zusammen mit
en Bundesländern erlassen wird. Sie sind doch in zwei
undesländern mit in der Regierung. Schauen Sie sich
inmal das Abstimmungsverhalten des Landes Berlin bei
er Regelsatzverordnung an, bevor Sie hier über die
öhe des Arbeitslosengeldes II Krokodilstränen vergie-
en!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Es sind weiterhin einige Veränderungen zu berück-
ichtigen. Es ist zum Beispiel nicht nachvollziehbar, wa-
um bei den Stromkosten ein 15-prozentiger Abschlag in
er Regelsatzverordnung vorgenommen worden ist. An-
esichts des Anstiegs der Energiekosten gerade der letz-
en fünf Jahre um fast 26 Prozent ist eine Nachbesserung
rforderlich. Ebenso ist die Gesundheitsreform mit den
uzahlungen nicht im Regelsatz systematisch verortet.

Das sind die entscheidenden Punkte. Fangen Sie da-
it an, Hartz IV zu einer echten Grundsicherung auszu-

auen! Wenn schon in der aktiven Arbeitsmarktpolitik
m Moment nicht alle Schritte getan werden können,
ann erfüllen Sie wenigstens das verfassungsrechtliche
ebot der Sicherung des soziokulturellen Existenzmini-
ums.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602001500

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär

Gerd Andres.

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Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1602001600


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Arbeit bedeutet Teilhabe und Teilhabe schafft
gesellschaftliche Chancengerechtigkeit. Diese Formel ist
so kurz wie zutreffend. Sie beschreibt die Zielsetzung,
mit der wir gemeinsam – jetzt schaue ich die Damen und
Herren in der Mitte an – die Arbeitsmarktreformen in der
letzten und in der vorletzten Legislaturperiode auf den
Weg gebracht haben. Wir wollten erreichen, dass dieje-
nigen, die im Sozialhilfesystem, aber erwerbsfähig wa-
ren, erstmals Zugang zu allen Leistungen der Bundes-
agentur für Arbeit erhalten. Wir wollten ihnen Chancen
auf Weiterbildung eröffnen, auf Qualifizierung und Ver-
mittlung. Wir wollten diesen Menschen alle Möglichkei-
ten eröffnen – das werden wir auch weiterhin tun –, da-
mit sie statt des Verharrens in einem Transfersystem
ihren Lebensunterhalt durch Arbeit selbst bestreiten kön-
nen. Das ist völlig richtig und das ist die Grundlage des-
sen, was wir uns in der großen Koalition vorgenommen
haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


„Fördern und fordern“ – das will ich nicht auslassen –
lautete das Schlagwort, mit dem wir die Zusammenle-
gung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für Erwerbs-
fähige zu einer einheitlichen Grundsicherung für Ar-
beitsuchende beschrieben haben. Dieser Grundsatz gilt
nach wie vor. Der Staat unterstützt diejenigen, die der
Hilfe bedürfen. Deshalb sollen die Leistungen auch nur
diejenigen erreichen, die ohne diese Unterstützung in
ernste Bedrängnis geraten würden. Diese Zielgenauig-
keit sind wir allen Steuerzahlern, aber auch den Men-
schen schuldig, die Tag für Tag durch ihre Arbeitsleis-
tung diese Unterstützung von Hilfebedürftigen in
unserer Gesellschaft ermöglichen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Einführung des Arbeitslosengeldes II hat in
Deutschland hohe Wellen geschlagen. Daran haben sich
viele die Finger gewärmt und das muss keinen erstau-
nen. Manchmal kommt der angebliche Fortschritt als
ganz plumper Populismus daher. Ich sage noch einmal
vor dem Hintergrund dessen, was ich hier dargestellt
habe: Wir hielten die Einführung dieses Systems für
richtig und wir halten es nach wie vor für richtig. Wir
lassen uns nicht bange machen. Wir haben versucht, auf
die Proteste und die populistischen Kampagnen großer
Boulevardzeitungen und anderer, die es gegeben hat, zu
reagieren, indem wir den Ombudsrat eingesetzt haben.

Der Ombudsrat hat empfohlen, die Angleichung der
Regelleistung Ost an die Regelleistung West vorzuneh-
men. Dieser Empfehlung folgen wir hiermit ausdrück-
lich. Er hat dafür eine ganz einfache Begründung gelie-
fert, die ziemlich stichhaltig ist: Die Löhne und Gehälter
sind ebenso wie Lebenshaltungskosten und Verbraucher-
verhalten von Region zu Region unterschiedlich. Sie

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(C (D ind nicht nur unterschiedlich zwischen West und Ost, ie sind auch unterschiedlich zwischen Nord und Süd, wischen ländlichen Regionen und Ballungsregionen sw. Eine gesonderte Abstufung nur für die östlichen undesländer ist deshalb überhaupt nicht zu rechtfertien. Wir setzen diese Empfehlung des Ombudsrates desalb gerne um, und zwar gemeinsam. Wir bekennen uns auch weiterhin und unmissvertändlich zur Einführung der Grundsicherung für Arbeituchende. Wir hatten dabei von Beginn an festgelegt, ass wir aus Erfahrung lernen und gegebenenfalls die onsequenzen ziehen wollen. ine derart komplexe und umfangreiche Reform darf icht von Anfang an in Stein gemeißelt sein. Sie muss aum für Anpassungen lassen, damit die notwendigen onsequenzen aus den gesammelten Erfahrungen gezoen werden können. Dieses SGB II gibt es jetzt 14 Monate. Wir sammeln rfahrungen. Wir haben Aufbauerfahrungen gemacht. ie Koalition hat im Koalitionsvertrag verschiedene onkretisierungen für den Regelungsbereich des SGB II eschlossen. Sie wurde darin nach intensiver Beratung n den Ausschüssen und in einer öffentlichen Anhörung on Sachverständigen bestätigt. Teil dieses Paketes ist ie Modifizierung von bisherigen Regelungen der rundsicherung für Arbeitsuchende. Bevor ich die Inhalte darstelle, möchte ich zunächst twas zur Kollegin Kipping sagen: Der wissenschaftlihe Sozialismus zeichnet sich dadurch aus – das haben ir gelernt –, dass diejenigen, die sich darauf berufen, mmer nur das zitieren, was man gebrauchen kann; den est lässt man weg. Wenn Sie schon Werke von Marx nd Engels zitieren, dann passen Sie auf, dass Sie nicht rgendwann bei den Stalin-Bänden landen. Alles, was arin steht, hat sich ja als äußerst brauchbar herausgetellt. nsoweit wollte ich mich doch mit Ihnen, Frau Kipping, useinander setzen, damit klar ist, worüber wir hier reen. Sie waren ja ganz stolz auf das Zitat; deswegen sollen Sie auch fair und korrekt sein. Ich sage Ihnen: Jede olitik beginnt damit, zur Kenntnis zu nehmen, was ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ie haben einen Satz des Sachverständigen Senius zi-
iert. Ich lese Ihnen seine Aussage jetzt im Zusammen-
ang vor:

Wir haben nur eine eingeschränkte Empirie, auf die
wir zugreifen können. Wir haben keine gesicherten
Angaben, wie groß die Anzahl der Ein-Personen-
Bedarfsgemeinschaften vor In-Kraft-Treten des
SGB II letztendlich war.

as kann Ihnen jeder hier bestätigen. Auch das müssten
ie einmal zur Kenntnis nehmen. Weiter sagt er:






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Gerd Andres
Fakt ist aber, dass seit 1. Januar 2005 die Zahl der
Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften um 19,6 Pro-
zent angestiegen ist, während die Zahl der Mehr-
Personen-Bedarfsgemeinschaften um „nur“ 16 Pro-
zent gestiegen ist.

Also haben wir hier zum einen eine deutlich stärkere
Steigerung der Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften,
zum anderen haben wir einen deutlichen Anstieg der
erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unter 25 Jahren. Der
war schlicht und einfach doppelt so stark im Anstieg wie
der Anstieg aller erwerbsbedürftigen Hilfebedürftigen:
14 Prozent zu 28 Prozent bei den über 25-jährigen er-
werbsfähigen Hilfebedürftigen.

Nachdem wir diese Zahlen dargelegt haben, will ich
sagen: Weil es so nicht beabsichtigt war, finde ich es völ-
lig korrekt, dass wir „Bedarfsgemeinschaft“ neu definie-
ren. Künftig gehört auch ein unter 25-Jähriger zur Be-
darfsgemeinschaft – er bildet nicht automatisch eine
eigene Bedarfsgemeinschaft –, sofern er im elterlichen
Haushalt lebt. Wenn er zur Bedarfsgemeinschaft gehört,
dann bekommt er nicht den vollen Satz von 345 Euro,
sondern nur 80 Prozent davon. Selbst Frau Pothmer hat
sich in der Aktuellen Stunde am vergangenen Mittwoch
dazu herabgelassen, zu erklären – das kann man im Pro-
tokoll nachlesen –, dass der Neuregelung eine gewisse
Systematik zugrunde liegt.


(Zuruf der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Ich habe zugehört. Ich komme gleich auf Sie zu spre-
chen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602001700

Herr Staatssekretär, ich muss Sie fragen, ob Sie eine

Zwischenfrage der Abgeordneten Kipping zulassen.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1602001800


Nein, ich möchte keine Zwischenfrage zulassen. Ich
möchte das jetzt hier darstellen.


(Zuruf der Abg. Katja Kipping [DIE LINKE])


– Sie haben Ihr Pulver schon verschossen. Es ist doch
gut.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Wir haben noch viel mehr!)


Frau Pothmer, Sie haben hier erklärt, dass Sie für die
Neuregelung großes Verständnis haben. Populistisch ha-
ben Sie aber hinzugefügt, dass die Reduzierung nicht auf
80 Prozent, sondern auf 90 Prozent erfolgen müsse. Das
habe ich schon verstanden.

Wir halten die Neuregelung für sachgerecht. Sie ist
richtig, weil derjenige, der zur Bedarfsgemeinschaft ge-
hört, anders als der Haushaltsvorstand keine Generalkos-
ten zu tragen hat: Man hat eine Waschmaschine, man hat
eine Küche und man hat bestimmte Aufwendungen nicht
zu erbringen. Deswegen halten wir die Neuregelung für
bedarfsgerecht und richtig.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Ich komme auf den nächsten Punkt zu sprechen. Manhe ziehen hier einen grenzenlosen Populismus ab. Ich inde die Argumentationsweise teilweise relativ übel. Ich ill noch einmal ganz deutlich sagen: Es geht überhaupt icht darum, dass diese Koalition, dass diese Regierung unge Menschen daran hindern möchte, selbstständig zu eben. Darum geht es überhaupt nicht. Das ist alles Uninn. Wir haben ein steuerfinanziertes Bedarfssystem. anach bekommt nur derjenige etwas, der bedürftig ist nd diese Bedürftigkeit nachweist. Wenn sich in einem ahr oder in 14 Monaten herausstellt – ich habe die entprechenden Zahlen vorgetragen –, dass dieses System azu führt, dass die Selbstständigmachung der Bedürftien mehr als die anderer gefördert wird, dann stimmt etas nicht. Was falsch war, das stellen wir jetzt richtig. ir sorgen dafür, dass ein unter 25-Jähriger nur mit Geehmigung des Leistungserbringers ausziehen kann. Ich alte das auch für angemessen. Hinzufügen will ich leich – wir haben auch das öffentlich erklärt –: Wir ollen nicht, dass junge Menschen im „Hotel Mama“ leen. Auch das ist Unsinn. Selbst wenn Zeitungen das chreiben, muss das noch nicht richtig sein. Das wollen ir gar nicht. Wir legen mit dem Gesetz mit dem Stichtag heute est, dass für die jungen Menschen unter 25 Jahren, die icht mehr im elterlichen Haushalt leben und die sich ach der bisher geltenden Gesetzesregelung verhalten aben, die gesetzlichen Änderungen, die wir jetzt vorehmen, nicht gelten. Es gibt da also einen Vertrauenschutz. Demjenigen, der bis heute ausgezogen ist und ine eigene Bedarfsgemeinschaft gegründet hat, wird iese nicht genommen. Wenn er künftig umziehen öchte, wird ihm auch nicht gesagt, dass er doch wieder u Mama oder Papa zurückgehen soll. Das wäre auch nsinn. Das wollen wir nicht. Ich sage auch hier noch einmal eindeutig – wir haben s schon dreimal im Ausschuss erklärt; ich kann es nur mmer wiederholen; Sie wollen es nicht begreifen und as ist das eigentliche Problem –, dass es diese Sicheung gibt und dass diejenigen, die künftig eine eigene edarfsgemeinschaft gründen wollen, dafür einer enehmigung bedürfen. Von diesem Genehmigungser ordernis gibt es Ausnahmen. Die sind auch vernünftig. enn wir nämlich einen generellen Genehmigungsvor ehalt festlegen, schaffen wir als Gesetzgeber nicht die öglichkeit, bestimmten Fällen, etwa dem Fall der Ar eitsaufnahme oder dem Fall, dass es den Betroffenen berhaupt nicht zugemutet werden kann, im elterlichen aushalt zu leben, gerecht zu werden. Für diese Fälle reffen wir Regelungen. Die sind vernünftig. Auch das ann man öffentlich vertreten. Als Nächstes komme ich zu dem Rentenversicheungsbeitrag. Ich will auf ein paar Spezialbereiche hineisen. Es gibt Menschen, die erwerbsfähig und auch ererbstätig sind und dazu ergänzende Hilfe bekommen. eil sie ergänzende Hilfe bekommen, wird für sie ein Parl. Staatssekretär Gerd Andres Rentenversicherungsbeitrag bezahlt, obwohl sie in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und schon aufgrund dieses Beschäftigungsverhältnisses Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden. Können Sie mir einmal erklären, warum der Staat das zweimal bezahlen soll? (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wieso der Staat? Einmal zahlt der Arbeitgeber!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


Erst wir – ich will das einmal ausdrücklich sagen –
haben die Rentenversicherungspflicht für diesen Perso-
nenkreis eingeführt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben lange darüber diskutiert und uns mit der
Frage auseinander gesetzt, wie wir das ausgestalten. Wir
haben das so ausgestaltet, dass alle Anwartschaftszeiten
genutzt werden können und Maßnahmen der Rehabilita-
tion sowie andere Dinge in Anspruch genommen werden
können. Aber wir reduzieren für den Staat die Beitrags-
zahlung von jetzt 78 Euro auf 40 Euro und sparen damit
– das ist auch überhaupt nicht zu leugnen; wir müssen
nämlich sparen – knapp 2 Milliarden Euro ein, die sonst
steuerfinanziert vom Staat dafür aufgebracht werden
müssten. Auch das halten wir für sachgerecht und regeln
es entsprechend.

Es ist schon einiges über den Leistungsausschluss
für Ausländer gesagt worden. Dazu muss ich noch ein-
mal Folgendes feststellen: Es geht nicht darum, dass
Ausländer nicht die ihnen zustehenden Leistungen erhal-
ten sollen. Aber wenn Personen in die Bundesrepublik
Deutschland einreisen, nur um ALG II zu erhalten, dann
muss dem ein Riegel vorgeschoben werden. Das tun wir
jetzt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich halte alles das, was wir machen, für sachgerecht
und notwendig. Damit niemand sagen kann, er habe es
nicht gewusst – es steht im Koalitionsvertrag; wir arbei-
ten auch schon an der Umsetzung –, will ich hier Folgen-
des ankündigen: Die große Koalition wird in den nächs-
ten Monaten mit einem Optimierungsgesetz in einer
ganzen Reihe von Positionen des SGB II und des
SGB III nachsteuern und da zu Veränderungen kommen.
Das ist auch sinnvoll.

Ich sage noch einmal: Ich halte die Reform, die am
1. Januar des vergangenen Jahres in Kraft getreten ist,
für eine gewaltige Sozialreform. Sie ist nur mit der gro-
ßen Rentenreform im Jahr 1957 oder mit der Einführung
der Arbeitsförderung im Jahre 1969 zu vergleichen. Sie
müssen sich einmal anschauen, wie viele Menschen da-
von betroffen sind. Es gibt 3,8 Millionen Bedarfsge-
meinschaften. Wir haben festgestellt, dass hier mehr als
300 000 Menschen aufgetaucht sind, die vorher in kei-
nem anderen System waren. Wer sich anschaut, wie sich
das SGB II entwickelt, der muss zugeben: Da muss
nachgesteuert werden; da muss verändert werden. Das
werden wir in diesem Jahre tun. Wir werden dabei auch
über den Ausschluss von Missbräuchen diskutieren. Wir

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(C (D erden bürokratische Hürden beseitigen. Was die Frage er Effizienz angeht, werden wir eine ganze Reihe von eränderungen vornehmen. Ich bitte Sie herzlich um hre Unterstützung und um Ihre Mitarbeit dabei. Nun will ich aus meiner eigenen Erfahrung, aus dem, as ich in den vielen zurückliegenden Jahren in diesem rbeitsfeld miterlebt habe, noch etwas zu den Grünen agen. Wenn es keine Neuwahl gegeben hätte, meine ehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, dann ätten wir in der alten Koalition in diesem Jahr genauso eränderungen vorgenommen, wie sie die neue Koali ion jetzt vornimmt. ch bin mir relativ sicher – das können Sie glauben, weil ir viele Dinge zusammen mit den handelnden Personen emacht haben –, dass viele der Maßnahmen, die wir etzt treffen, mit Ihnen ganz genauso getroffen worden ären. Deswegen habe ich die herzliche Bitte: Kommen ie ein bisschen weg von dem platten Populismus! (Dirk Niebel [FDP]: Aber so sind die Grünen! So waren sie eigentlich schon immer! Flach wie eine Flunder und populistisch!)


(Beifall bei der SPD)


rinnern Sie sich daran, was Sie in den sieben Jahren un-
erer gemeinsamen Koalition mitgetragen haben! Geben
ie sich einen Ruck und stimmen Sie diesem Gesetz zu!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602001900

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort an die

ollegin Katja Kipping.


Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602002000

Frau Präsidentin! Da Herr Andres den Eindruck er-

eckt hat, ich hätte beim Zitieren bewusst etwas wegge-
assen, und dann stolz präsentiert hat, es habe bei der
ahl der Ein-Personen-Haushalte einen Anstieg um
9 Prozent und bei Mehr-Personen-Haushalten einen
nstieg um 16 Prozent gegeben,


(Dirk Niebel [FDP]: Zwischen 16 und 19 Prozent haben die Sozialdemokraten Probleme! Das merkt man bei der Mehrwertsteuer!)


öchte ich schon noch einmal darauf verweisen, dass
uch in der Anhörung dargelegt wurde, dass die von Ih-
en so stolz zitierten Zahlen nicht das Phänomen der
ellteilung beschreiben. Als Beleg zitiere ich Herrn
chneider von der Bundesarbeitsgemeinschaft der
reien Wohlfahrtspflege:

Für das Phänomen der „Zellteilung“ wird sich je-
doch eine Abnahme bei den Mehr-Personen-Haus-
halten finden lassen müssen. Dann kann man von
einer „Zellteilung“ sprechen. Das ist nicht passiert.
Das heißt, es findet sich nirgendwo eine Auflösung
von Zwei- oder Mehr-Personen-Haushalten wieder.






(A) )



(B) )


Katja Kipping
Weiter führt Herr Schneider aus:

Es finden sich statistisch nicht nur keine Anhalts-
punkte für das Phänomen der Zellteilung, sondern
Indizien, dass es dieses nicht gibt.

Wenn Sie, Frau Nahles, dem Vertreter der Wohlfahrts-
pflege Realitätsverlust unterstellen,


(Andrea Nahles [SPD]: Ihnen!)


dann ist das Ihr Ding. Wir meinen, die genauen statisti-
schen Untersuchungen sprechen eine klare Sprache. Das
Phänomen Zellteilung ist so nicht belegbar.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602002100

Herr Staatssekretär, bitte.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1602002200


Ich bedanke mich herzlich für Ihre Kurzintervention,
weil ich dadurch die Gelegenheit habe, noch etwas zu
den Aussagen des Sachverständigen Schneider zu sagen.
Seine Argumentation ist wirklich toll. Er sagt, von einer
Explosion der Anzahl an Bedarfsgemeinschaften in
Form von Ein-Personen-Haushalten könne nur dann die
Rede sein, wenn es gleichzeitig eine Abnahme bei der
Zahl der Mehr-Personen-Haushalten gebe.


(Andrea Nahles [SPD]: Das ist doch Unsinn!)


Das ist blühender Unsinn; der müsste selbst Ihnen auf-
fallen. Wenn aus einer Bedarfsgemeinschaft, die aus vier
Personen besteht, einer auszieht, gibt es nach wie vor ei-
nen Mehr-Personen-Haushalt, nunmehr mit drei Perso-
nen, und zusätzlich entsteht ein neuer Ein-Personen-
Haushalt. So viel zu dem von Ihnen zitierten Herrn
Schneider.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte Ihnen ganz schlicht noch etwas sagen:
Wenn Sie in der Aktuellen Stunde dem zugehört hätten,
was beispielsweise Frau Connemann und andere gesagt
haben, dann wüssten Sie es. So muss ich Ihnen empfeh-
len, einmal verschiedene Arbeitsgemeinschaften aufzu-
suchen, sich dort umzuschauen und mit den Fachleuten,
die das genehmigen müssen, zu reden. Dann erhalten Sie
ganz viele Belege dafür, dass insbesondere die Zahl der
Ein-Personen-Haushalte mit unter 25-Jährigen kräftig
explodiert ist. Deswegen ist es richtig, dass wir hier die
Regelungen ändern.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602002300

Das Wort hat der Kollege Heinrich Kolb, FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! er Kollege Brandner – ich freue mich, ihn jetzt wieder ier im Plenum zu sehen – hat einleitend in seiner Rede esagt, heute sei ein guter Tag für die Menschen in unseem Lande. Nun, Herr Brandner, wenn der Tag ein guter ag ist, an dem ein stümperhaft gemachtes Gesetz nachebessert wird, dann mag es heute ein guter Tag sein. atsache ist, Sie handeln auf diesem wichtigen Feld der olitik nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“. n Warnungen vor der Gefahr, dass die Zahl der von uner 25-Jährigen gegründeten Haushalte zunehmen werde, at es ja damals im Gesetzgebungsverfahren wirklich icht gefehlt. Deshalb muss man hier klipp und klar und hne Umschweife feststellen: Mit geordneter Gesetzgeung hat das, was Sie in diesem Bereich in der Verganenheit getan haben und auch heute wieder tun – das ist ehr wahrscheinlich; ich komme darauf zurück –, wirkich nichts zu tun. Es wird über die Frage diskutiert, ob es massenhaften issbrauch gegeben hat. Diese muss man wahrschein ich mit Nein beantworten, weil diese Möglichkeit, Herr randner, im Gesetz ausdrücklich zugelassen war. Tatsahe ist und bleibt aber, Frau Kollegin Kipping, (Klaus Brandner [SPD]: Was denn jetzt, Herr Kolb?)

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1602002400

(Beifall des Abg. Dirk Niebel [FDP])


(Beifall bei der FDP)


ass die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II unter an-
erem auch deswegen gestiegen sind, weil viele volljäh-
ige Jugendliche, die ALG II bezogen, eine eigene Be-
arfsgemeinschaft gegründet und sich in einer eigenen
ohnung selbstverwirklicht haben. Ich habe keinen

weifel daran, dass es deren persönlicher Entwicklung
ut getan hat und dass das auch ihre Selbstständigkeit
ördert, aber in Ordnung ist das nicht, jedenfalls dann
icht, wenn es keine zwingenden Gründe dafür gibt und
enn es auf Kosten der Solidargemeinschaft geschieht.
as will ich hier sehr deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP)


eistungen der Solidargemeinschaft müssen den wirk-
ich Bedürftigen vorbehalten bleiben. Wir finden es rich-
ig, dass die Familie oder das Elternhaus finanziell wie-
er stärker in die Pflicht genommen wird, wenn junge
enschen nicht für sich selbst sorgen können.


(Beifall des Abg. Dirk Niebel [FDP])


Deswegen, Herr Kollege Brandner – das sage ich
uch den Kollegen von der Union –, finden wir es nicht
n Ordnung, wenn der Status quo jetzt sozusagen hono-
iert wird. Die Findigen werden belohnt, während die
nständigen, die die Hausstandsgründungsmöglichkei-

en auf Kosten des Steuerzahlers nicht in Anspruch ge-
ommen haben, nun die Dummen sind. Wir meinen, wo
s sinnvoll und möglich ist, muss es im Rahmen der
echsmonatigen Überprüfung der Anspruchsvorausset-
ungen auch einen gewissen Druck in Richtung einer






(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
Rückführung in die Haushalte geben, wenn ein offen-
sichtlicher Missbrauch von Steuergeldern zu erkennen
ist.


(Beifall bei der FDP)


Dann haben Sie so getan, Herr Kollege Brandner, als
ob mit diesem Gesetz nichts eingespart würde. Ich habe
mir einmal das Zahlentableau besorgt, das Sie im Ge-
setzgebungsverfahren vorgelegt haben. Das ist schon
sehr erheblich. Sie führen die Öffentlichkeit hier ein
Stück weit hinters Licht. Die Abschaffung der Renten-
versicherungspflicht von erwerbstätigen Leistungsbezie-
hern zum Beispiel bringt der Haushaltskasse in den
nächsten Jahren 150 Millionen Euro per anno. Hier muss
man eines sehr deutlich sagen: Die Abschaffung der
Rentenversicherungspflicht von erwerbstätigen Leis-
tungsbeziehern ist ein falsches Signal. Da widerspreche
ich ausdrücklich auch dem Kollegen Andres. Das ist
aber offensichtlich soziale Gerechtigkeit nach Lesart der
großen Koalition. Ein reiner ALG-II-Empfänger stellt
sich hinsichtlich der erworbenen Rentenansprüche bes-
ser als jemand, der eine Arbeit aufnimmt und hinzuver-
dient. Auch hier gilt: Die Fleißigen sind die Dummen.
Das ist Ihre Politik.


(Beifall bei der FDP)


Schließlich bleibt die Frage des In-Kraft-Tretens die-
ses Gesetzes. Ich habe ein Stück weit die Befürchtung,
dass sehenden Auges ein erneutes Chaos im Bereich
Hartz IV angerichtet wird. Sie wollen mit dem Kopf
durch die Wand. Der Ausschussvorsitzende, Herr Weiß,
hat in anderem Zusammenhang – bezogen auf das
Saisonkurzarbeitergeld, das in dieser Woche von der Ta-
gesordnung abgesetzt wurde – in diesen Tagen gesagt,
Sorgfalt gehe vor Schnelligkeit. Bei der Nachbesserung
von Hartz IV allerdings geht Sorgfalt offensichtlich
nicht vor Schnelligkeit, sondern hier soll politisches
Handeln demonstriert werden. Ob das Ganze am Ende
gelingt, ist mehr als fraglich. Es hat jedenfalls mit sorg-
fältiger Gesetzgebung nichts zu tun.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP – Peter Weiß gen)

nicht? – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L.
Kolb [FDP]: Das haben wir schon gesagt!)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602002500

Das Wort hat die Kollegin Maria Michalk, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Maria Michalk (CDU):
Rede ID: ID1602002600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Unser aller Leben ist gekennzeichnet von
permanenten Veränderungen. Mal sind es gewollte, mal
ungewollte, mal sind es kleinere, mal größere. Jetzt ste-
hen wir am Anfang eines langen Reformweges. Deshalb,
lieber Kollege Kurth: Emotionen runter! Sachlichkeit,
Nüchternheit, Beharrlichkeit und auch Gemeinsamkeit
sind angesagt. Der Herr Staatssekretär hat die Verbin-

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(C (D ung zwischen der vorigen und der jetzigen Wahlperiode ergestellt. Herzlichen Dank dafür, auch für die Sachichkeit in dieser Frage. Darüber, dass es sich bei der Zusammenführung der rbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe im Januar letzten ahres um eine große Veränderung für die betroffenen enschen und für unsere Gesellschaft handelt, sind wir ns, glaube ich, sehr einig. Deshalb ist es ganz natürlich, ass die Umsetzung dieser Reform einerseits mit besoners hohen Erwartungen verbunden ist. Andererseits ist s aber auch normal, dass so ein Prozess nicht ohne Fraen und Probleme ablaufen kann. Da es sich beim Arbeitslosengeld II grundsätzlich um ine bedürftigkeitsabhängige Leistung handelt, die nur n der Höhe gewährt wird, in der tatsächlich Hilfebedürfigkeit besteht, und die ausschließlich vom Steuerzahler rbracht wird, ist Sorgfalt und Kontrolle absolut notwenig. Einen kritischen Punkt hat die Bundesregierung auf mpfehlung des Ombudsrates aufgegriffen – nicht, Frau ollegin Kipping, weil Demonstrationen kurz vor Land agswahlen, vor allen Dingen in Sachsen, von Ihnen issbraucht worden sind; jetzt gibt es nämlich keine Deonstrationen mehr –, der den Prozess sachlich begleitet at, und jetzt ein erstes Änderungsgesetz mit den Inhalen, die heute schon angesprochen worden sind, vorgeegt. Ich will mich jetzt aber auf den Kernpunkt dieser orlage konzentrieren, nämlich die Angleichung des stbetrages auf das Westniveau. Mit der bisherigen Fassung der in den neuen und alten undesländern unterschiedlichen Regelleistungen zur icherung des Lebensunterhalts sollten die Unterschiede n der Verbrauchsstruktur und im privaten Konsumveralten berücksichtigt werden. Aber solche Unterschiede assen sich eben nicht an Himmelsrichtungen festmahen und gleichen sich, wie wir wissen, in der Summe er konsumtiven Verhaltensweisen in den Regionen aus. s muss der Bedarfsdeckungsgrundsatz erfüllt weren; das so genannte soziokulturelle Existenzminimum uss sichergestellt werden. Die Regelsätze der Grundsicherung für Arbeitsuhende sollen die Bedarfe des täglichen Lebens und für ine Teilnahme am kulturellen Leben der Hilfsbedürftien decken. Den größten Anteil am Regelsatz haben die usgaben für Nahrungsmittel und Getränke. Von der mtlichen Statistik werden gegenwärtig jedoch keine reional differenzierten Preisindizes für entsprechende arenkörbe ermittelt, aus denen sich eine objektiv nach ollziehbare Differenzierung der Lebenshaltungskosten ach Ost und West, nach Bundesländern oder gar nach reisen ableiten ließe. Die augenscheinlichste Differenzierung bei den ebenshaltungskosten liegt wohl bei den Wohnungsieten. Das ist unstrittig. Diese Kosten werden aber ber die Erstattung der Kosten für die Unterkunft separat edeckt. Sie beeinflussen die Regelsätze also nicht. Es st daher konsequent, das Arbeitslosengeld auf Westnieau zu vereinheitlichen. Maria Michalk 14 Euro mehr im Monat ist vielleicht für den einen oder anderen in diesem Hause gerade einmal der Preis für ein Mittagessen. Für den Betroffenen ist es eine große Summe, die ihm hilft. Besser wäre es natürlich, die Betroffenen hätten einen Arbeitsplatz und sie könnten sich durch ihr selbst verdientes Einkommen ihr Leben gestalten. Auch das ist unstrittig. Diese Erhöhung um 14 Euro pro Person und Monat führt zu einer jährlichen Mehrbelastung in Höhe von 260 Millionen Euro. Davon trägt der Bund 220 Millionen Euro und die Länder 40 Millionen Euro, wobei – auf diesen Punkt möchte ich ausdrücklich hinweisen – diese in der Revision nach § 46 Abs. 6 SGB II berücksichtigt werden sollen. Diese Kostenfrage sollte man nicht kleinreden, zumal als mittelbare Folge unserer heutigen Entscheidung, nämlich der Erhöhung von Sozialleistungen, grundsätzlich mit einer Ausweitung des Kreises berechtigter Personen zu rechnen ist, die dann erstmals – auch das sollte man nicht verschweigen – Anspruch auf aufgestockte Leistungen nach dem SGB II erhalten werden. Da die durchschnittlichen Bruttoverdienste in den neuen Bundesländern derzeit in vielen Branchen noch deutlich unter den durchschnittlichen Bruttoverdiensten im alten Bundesgebiet liegen, wird es auch zu einem Anstieg der Zahl der Bedarfsgemeinschaften kommen, was zu einer Erhöhung des Verwaltungsund Personalaufwandes zur Betreuung dieser Gemeinschaften führen kann. Als Beispiel will ich nur anführen, dass das monatliche Nettoeinkommen von 50 Prozent aller Erwerbstätigen in den neuen Bundesländern zwischen 400 und 1 100 Euro liegt. Die Bedenken, dass die sozialpolitische Wirkung eines verringerten Lohnabstandes zur Demotivation der arbeitsuchenden Personen führt, teile ich mit Blick auf die neuen Bundesländer nicht. Bis auf wenige Ausnahmen kenne ich ausschließlich Leute, die wirklich arbeiten wollen, die aber keine Arbeit aufnehmen können, weil ganz einfach die Arbeitsplätze fehlen. Das ist unser grundsätzliches Problem, an dessen Lösung wir weiter arbeiten müssen. Die Mobilität derjenigen, die Arbeit haben und alles dafür tun, diese zu behalten, können Sie heute am Freitag spätabends zum Beispiel auf der A 4 bewundern. Es gibt Kolonnen von Fahrzeugen, die von Westen in Richtung Bautzen und Görlitz fahren. Aus fachlicher und rechtssystematischer Sicht kann man bei der Angleichung des Ostbetrages auf das Westniveau schon Fragen stellen, da die Anpassungssystematik nach § 20 Abs. 4 SGB II eigentlich durchbrochen wird. Denn die Höhe der Regelleistung orientiert sich an den Veränderungen des aktuellen Rentenwertes und an den Regelsätzen des SGB XII. Wir müssen also sehen: Rechtssystematisch war der ursprüngliche Ansatz richtig. Wir folgen aber den Empfehlungen des Ombudsrates – insofern ist dies auch eine politische Entscheidung – und beschließen heute aus diesen politischen Gesichtspunkten die Vereinheitlichung der Regelsätze. Damit erfüllen wir unsere Ver p G s n s l r e E s f a r w f u S l b S h h w g g s b n d t M n n S w s h h A (C (D flichtung, die Festsetzung der Regelsätze nach dem leichheitsgrundsatz vorzunehmen. Um der Grundsicherung in der Bevölkerung insgeamt mit Blick auf das, was sie eigentlich sein sollte, ämlich Hilfe zur Selbsthilfe, wie mein Kollege Weiß chon ausführlich begründet hat, auf die sich jeder verassen, auf der sich aber keiner zulasten der anderen ausuhen kann, wieder Akzeptanz zu verschaffen, musste ine neue Balance gefunden werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


in überteuertes, uneffektiv gewordenes soziales Netz
trapaziert nicht nur unsere internationale Wettbewerbs-
ähigkeit. Es droht am Ende ein Wohlstandsverlust für
lle, am meisten für die sozial schwachen Gruppen unse-
er Gesellschaft, für die wir das soziale System erhalten
ollen.

Deshalb: Wir sind erst am Anfang eines langen Re-
ormprozesses. Ich bitte darum, dass wir diesen in Ruhe
nd vernünftig gemeinsam weitergestalten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602002700

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Karl

chiewerling, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1602002800

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Meine Damen und Herren! Wenn ich mir die De-
atte, die wir in dieser Woche – sei es in der Aktuellen
tunde und heute Morgen – zu diesem Thema geführt
aben, noch einmal durch den Kopf gehen lasse, dann
abe ich den Eindruck, dass eine ganze Menge an Ver-
irrung gestiftet worden und Nebel entstanden ist. Es
eht nicht um alle Jugendlichen in dieser Republik. Es
eht um diejenigen, die der Hilfe bedürfen, die arbeitslos
ind, in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern le-
en und ausziehen wollen, obwohl sie selbst keine eige-
en wirtschaftlichen Grundlagen haben. Um nichts an-
eres geht es hier.

Ich habe den Eindruck, als sollte nach außen vermit-
elt werden, wir hätten nichts anderes vor, als junge

enschen zu ärgern. Es geht nicht um Ärgern und auch
icht um Sozialabbau. Die Sozialpolitik richtet sich
icht danach aus, wie viel Geld irgendwohin fließt. Die
ozialpolitik richtet sich danach aus, was man mit dem,
as man einsetzt, bewirkt und erreicht. Eines der we-

entlichen Ziele der Sozialpolitik ist es, Hilfe zur Selbst-
ilfe zu gewähren. Nichts anderes ist in SGB II vorgese-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die letzten 14 Monate haben gezeigt – Staatssekretär
ndres hat es eindrucksvoll dargestellt –, dass es mit






(A) )



(B) )


Karl Richard Schiewerling
dem SGB II ein völlig neues Projekt zur sozialen Siche-
rung in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Das
SGB II ist natürlich an verschiedenen Stellen zu verän-
dern. Es gibt Handlungsbedarf.

Die immense Kostenexplosion, die wir erlebt haben,
hat unter anderem auch damit zu tun, dass vermehrt Ar-
beitslose zwischen 18 und 25 Jahren auf Kosten des
Staates aus dem Elternhaus ausziehen. Was anfänglich
dafür gedacht war, junge Menschen bei einem Auszug
zu unterstützen, weil sie in einer anderen Stadt einen
Ausbildungsplatz oder eine Arbeit gefunden haben, hat
sich mittlerweile unter jungen Menschen als kostenloses
Umzugspaket herumgesprochen.

Wenn junge Menschen in einer Kommune meines
Wahlkreises auf einen Ausbildungsplatz mit einer Ver-
gütung von knapp 350 Euro im ersten Jahr verzichten,
weil es finanziell attraktiver ist, nach SGB II zu leben,
das heißt eine Grundsicherung plus die Übernahme der
Mietkosten für die lang ersehnte eigene Wohnung und
dazu noch den Umzug finanziert zu bekommen, dann, so
behaupte ich, ist etwas falsch in unserer Gesellschaft, in
unseren Köpfen und damit auch in der Vorgehensweise
unseres Staates.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602002900

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Wunderlich?


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1602003000

Ja.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602003100

Vielen Dank. – Herr Kollege, Sie haben von Hilfe zur

Selbsthilfe gesprochen. Definieren Sie die Senkung der
Rentenversicherungsbeiträge bei ALG-II-Empfängern
und die damit einhergehende Rentenkürzung auch als
Hilfe zur Selbsthilfe?


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1602003200

Die Senkung der Rentenbeiträge hat mit Hilfe zur

Selbsthilfe nichts zu tun, sondern ist Auswirkung der
Einzahlungen in das Rentensystem.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen gehört das nicht in diese Diskussion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was tun Sie jetzt? – Weitere Zurufe von der LINKEN)


– Regen Sie sich nicht auf! Es geht hier um die Frage, ob
es uns gelingt, junge Menschen und Menschen, die der
Hilfe anderer bedürfen, aus der Sozialhilfe und damit
aus dem SGB II herauszuholen und ihnen eine Perspek-
tive aufzuzeigen. Das hat mit der Rentenversicherung
und mit der Absicherung der Rente nichts zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen rage des Kollegen Kurth? Ja, aber dann keine mehr. Herr Schiewerling, Sie haben gerade einen Auszubil enden, der 350 Euro verdient, einem Bezieher von rbeitslosengeld II gegenübergestellt. Würden Sie mir ber darin zustimmen, dass der Auszubildende, sofern er n einem eigenen Haushalt lebt, Anspruch auf ergänzenes Arbeitslosengeld II und die Übernahme der Kosten ür die Unterkunft hat und insofern dem Bezieher von rbeitslosengeld II, der keinen Ausbildungsplatz hat, leichgestellt ist? Die exakten Regelsätze habe ich im Augenblick nicht räsent. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um das Prinzip!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602003300
Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1602003400
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602003500
Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1602003600

eine Aussage bezog sich nicht auf die Höhe der Aus-
ildungsbeihilfe bzw. Ausbildungsvergütung. Meine
ussage bezog sich vielmehr darauf, dass, wenn jemand
ie Chance auf einen Ausbildungsplatz hat, auf diesen
ber verzichtet, weil das aus materiellen Gründen attrak-
iver ist, die Chancen in unserer Gesellschaft von den
inzelnen nicht richtig erkannt werden. Das war meine
otschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602003700

Herr Kollege, wir sind zwar nicht in der Fragestunde,

ber es gibt trotzdem noch die Bitte um Zulassung einer
wischenfrage, und zwar von der Kollegin Lötzsch.


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1602003800

Eine Frage lasse ich noch zu. Dann müssen wir aber

ehen, dass wir heute noch fertig werden.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602003900

Vielen Dank für die Großzügigkeit, Herr Kollege. –

ie haben gerade angemerkt, dass das Thema „Höhe der
entenversicherungsbeiträge“ nicht in diese Debatte ge-
öre. Stimmen Sie mir aber zu, dass mit der Entschei-
ung über diesen Gesetzentwurf, die jetzt zu treffen ist,
erade die Kürzung des Rentenversicherungsbeitrages
rfolgt? Ich könnte meine Frage vereinfacht formulieren:
aben Sie das Gesetz gelesen?


(Beifall bei der LINKEN – Dirk Niebel [FDP]: Sie hat natürlich Recht!)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1602004000

Durch die Senkung des Beitrags zur Rentenversiche-

ung senkt sich die Rentenanwartschaft von etwas mehr
ls 4 Euro im Monat auf 2,18 Euro. Das weiß ich






(A) )



(B) )


Karl Richard Schiewerling
natürlich. Aber das hat doch mit der Hilfe zur Selbst-
hilfe, die ich vorhin angesprochen habe, nichts zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bei aller Sympathie für die Emanzipation junger
Menschen: Es ist nicht Aufgabe des Staates, zu finanzie-
ren, dass junge Menschen nicht zu Stubenhockern wer-
den.

Lassen Sie mich auf einen Punkt eingehen, der wich-
tig ist. Ich gehe davon aus, dass Kinder, die bereits vor
Vollendung des 18. Lebensjahres im Haushalt ihrer El-
tern gelebt haben, nicht plötzlich mit Vollendung des
18. Lebensjahres von ihren Eltern an den Kosten der
Wohnung, zum Beispiel für Versicherungen und Fern-
sehgebühren, beteiligt werden. Deshalb halte ich es für
zumutbar, die Ansprüche junger Menschen auf 80 Pro-
zent zu reduzieren, vor allem dann, wenn sie nicht selbst
für sich sorgen können.

Dass wir hier nicht willkürlich vorgehen, ist im ge-
planten § 22 Abs. 2 a SGB II des vorliegenden Gesetz-
entwurfes, über den wir gleich abstimmen werden, gere-
gelt. Heute Morgen wurde schon ausführlich dargestellt,
unter welchen Bedingungen auch ein Auszug aus dem
Elternhaus akzeptiert und mitgetragen wird.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die
geplante Kürzung des Arbeitslosengeldes II keine Erfin-
dung im Rahmen der Hartz-IV-Reform ist. Die Anpas-
sung im Familienbereich ist bereits im SGB XII geregelt
und schon lange bewährte Praxis. Dies wird jetzt im
Prinzip nur auf das SGB II übertragen. Der gekürzte Re-
gelsatz für unter 25-Jährige gefährdet nicht das Existenz-
minimum dieser jungen Menschen. Wir haben im
SGB XII geregelt, dass Jugendliche, die im Haushalt ih-
rer Eltern leben, 237 Euro bekommen. Nach SGB II er-
halten die Jugendlichen – das ist bereits der gekürzte Be-
trag – 276 Euro. Das ist nicht weniger, sondern das sind
39 Euro mehr. Nicht alles was neu ist, ist unbedingt
schlecht.

Meine Damen und Herren, mit dem Prinzip des For-
derns und Förderns sind wir auf dem richtigen Weg.
Dieses Grundprinzip des SGB II trägt dazu bei, dass
Menschen ohne Arbeit gefordert werden, ihren Lebens-
unterhalt möglichst rasch wieder aus eigener Kraft be-
streiten zu können. Schließlich wollen wir Menschen in
Arbeit bringen und sie somit aus dem Bezug staatlicher
Leistungen herausholen.

Unser oberstes Ziel ist und bleibt die Bekämpfung
der Arbeitslosigkeit. Um dieses Ziel zu erreichen, müs-
sen alle mithelfen: jeder Einzelne, die Tarifpartner, der
Staat und die Gesellschaft.

Wir haben den Arbeitsgemeinschaften und den optie-
renden Gemeinden vorgegeben: Vorfahrt für junge Men-
schen. Junge Arbeitsuchende werden gezielt unterstützt.
Sie sollen umgehend in einen Ausbildungsplatz, ein
Praktikum oder einen Zusatzjob mit Qualifizierung kom-
men. Dass die Eingliederungsmaßnahmen fruchten, be-
legt auch die sinkende Zahl arbeitsloser junger Men-
schen. Sie ist im vergangenen Monat um über 52 000
gesunken.

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(C (D Es ist meines Erachtens eine Frage der Menschenürde, dass ein junger Mensch die Möglichkeit und die ufgabe hat, mit seines eigenen Kopfes und seiner eigeen Hände Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen. alls er das nicht kann, weil er nicht beliebig qualifizierar ist oder eine leichte Behinderung hat, muss ihm der taat helfen. Aber zunächst einmal ist jeder selbst geforert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen die jungen Menschen erreichen – das ist
in Punkt, der mir große Sorge bereitet –, die aus einem
lternhaus kommen, das bereits in zweiter oder dritter
eneration von Sozialhilfe lebt.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Die müssen da raus!)


as ist ein Themenbereich, der uns sehr bewegt. Ich
laube, dass es notwendig ist, gerade den jungen Men-
chen eine Perspektive aufzuzeigen, dass es sich lohnt,
ich zu engagieren, und dass es sich nicht lohnt, ein Le-
en lang von Transferleistungen des Staates zu leben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mein Appell an die jungen Menschen lautet: Ihr
önnt mehr, als ihr denkt! Ihr könnt mehr, als ihr euch
is jetzt vielleicht selbst zugetraut habt! Ich appelliere an
ie Eltern, gemeinsam mit ihren Kindern die Beratungs-
öglichkeiten und Unterstützung bei Berufsorientierung

nd Lebenshilfe anzunehmen, die vonseiten des Staates
nd der freien Träger angeboten werden, damit sie aus
igener Kraft die Brücke begehen können, die ihnen der
taat und die Gesellschaft bauen.

Ich fordere die Arbeitsgemeinschaften und die optie-
enden Kommunen auf, noch mehr als bisher jungen

enschen auf ihrem Weg in Arbeit beratend und beglei-
end zur Seite zu stehen, die vorhandenen Netzwerke zu
utzen und die Eingliederungsmittel, die der Bund zur
erfügung stellt, auch wirklich abzurufen und gut einzu-
etzen.

Eines ist klar: Das SGB II löst keine Probleme wie
ereinsamung, Schwierigkeiten in der Erziehung oder
ildungsarmut. Das SGB II gewährt eine Grundversor-
ung, nicht mehr und nicht weniger. Beim Sprung aus
er Grundversorgung wollen wir helfen, aber springen,
eine Damen und Herren, muss jeder selbst.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602004100

Ich schließe die Aussprache.

Bevor wir zur Abstimmung über diesen Tagesord-
ungspunkt kommen: Mir liegen Meldungen zu drei
ündlichen Erklärungen nach § 31 der Geschäftsord-

ung vor, und zwar von Diana Golze, Elke Reinke und
örn Wunderlich, die ich dann aufrufen werde. Außer-
em liegen mir noch zwei schriftliche Erklärungen zur






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung von
Dagmar Enkelmann und Lutz Heilmann vor.

Das Wort zu einer persönlichen Erklärung hat die
Kollegin Diana Golze.


Diana Golze (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602004200

Ich stimme gegen dieses Gesetz, da ich den Gedanken

der Gleichbehandlung konsequent zu Ende denke. Es
geht nicht, wie vorhin gesagt wurde, um ein staatlich ge-
fördertes Auszugsprogramm. Wir wollen auch keine
Umzugskarawane organisieren. Ich begrüße die längst
überfällige Angleichung der Regelleistungen Ost und
West, aber wir dürfen nicht gleichzeitig beschließen,
dass es Jugendliche erster und zweiter Klasse gibt. Wenn
wir nicht in der Lage sind, jedem jungen Menschen ei-
nen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu bieten, dürfen wir
sie nicht für unser Versagen bestrafen und zahlen lassen.

Wir führen jede millionenschwere Initiative zur Stär-
kung des Selbstbewusstseins und des Demokratiever-
ständnisses junger Menschen ad absurdum, wenn wir ih-
nen gleichzeitig kein eigenständiges Leben ermöglichen
und ihnen immer tiefer in die Tasche greifen. 345 Euro
sind schon zu wenig, aber 276 Euro für unter 25-Jährige
sind ein Skandal. Das hat mit Vorfahrt für Jugend nichts
zu tun.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN – Dirk Niebel [FDP]: Sprechzettel des SED-Politbüros!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602004300

Das Wort zu einer weiteren Erklärung erhält die Kol-

legin Elke Reinke.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Holen Sie jetzt Debattenbeiträge nach? Sie betreiben Missbrauch der Geschäftsordnung!)



Elke Reinke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602004400

Ich bedanke mich für die Möglichkeit, hier eine per-

sönliche Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten
abgeben zu dürfen.


(Ute Kumpf [SPD]: Das ist eine Ausweitung der Redezeit!)


Ich lehne den von der Bundesregierung eingebrachten
Gesetzentwurf ab, weil in ein Änderungsgesetz zum
längst überfälligen Ost-West-Angleich in einer Nacht-
und-Nebel-Aktion zusätzliche Hartz-IV-Verschärfungen
eingeflochten wurden. Sie stopfen Haushaltslöcher auf
Kosten junger Erwachsener und ihrer Familien. Mich er-
reichen täglich Anrufe, und zwar nicht nur von Hartz-IV-
Betroffenen. Die Menschen sind enttäuscht und zornig
über dieses Gesetz. Sie meinen, dass das wie Zuckerbrot
und Peitsche und eine riesige Sauerei ist. Sie sagen: Die-
sem Machwerk dürft ihr als Linke nicht zustimmen.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind hier nicht auf dem Marktplatz!)


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(C (D Zu einer weiteren Erklärung erhält das Wort Jörn underlich. (Unruhe bei der CDU/CSU – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind hier nicht im Bierzelt! Wir sind hier im Parlament!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602004500


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602004600

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kolle-

innen und Kollegen! Ich stimme gegen diesen Gesetz-
ntwurf. Denn als das Änderungsgesetz zum SGB II auf
rucksache 16/99 zum ersten Mal in den Ausschuss
am, ging es lediglich um die Angleichung des ALG II
om Ost- auf das Westniveau.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


em hätte ich noch zustimmen können. Es wurde dann
ber sofort von der Tagesordnung genommen.

In der jetzigen Form kann ich dem nicht mehr zustim-
en. Denn in Drucksache 16/688 sind noch schnell Ver-

chärfungen gestrickt worden, die sozial unerträglich
ind. Ich begrüße ausdrücklich eine Anhebung des
LG II. Aber aufgrund der massiven sozialen Ein-

chnitte kann ich dem Gesetzentwurf in der vorliegenden
orm nicht zustimmen. Was ich von den neuen Änderun-
en halte, habe ich – so denke ich jedenfalls – am Mitt-
och deutlich gemacht.

Ich stimme gegen diesen Gesetzentwurf, damit ich
orgen noch in den Spiegel schauen kann, ohne mich

chämen zu müssen.


(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Grotthaus [SPD]: Erschrick nicht, wenn du in den Spiegel schaust!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602004700

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-

esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
ung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, Druck-
ache 16/99. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales
mpfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfeh-
ung auf Drucksache 16/688, den Gesetzentwurf in der
usschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
eratung mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU bei
egenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der
raktion Die Linke und Enthaltung der FDP angenom-
en.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? –


(Zuruf von der CDU/CSU: Die PDS ist gegen die Ost-West-Angleichung!)







(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit mit dem-
selben Stimmenverhältnis wie in der zweiten Beratung
in der dritten Beratung angenommen.

Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druck-
sache 16/696 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Ich würde
jetzt gern wissen, wie das Abstimmungsverhalten der
Fraktion der Linken ist. Meiner Ansicht nach hat ein Teil
der Fraktion der Linken dagegen gestimmt und ein Teil
hat sich enthalten.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist ihr gutes Recht!)


– Das ist ihr gutes Recht, sehr richtig, Herr Kollege. –


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Damit ist der Entschließungsantrag mit den Stimmen
von SPD, CDU/CSU und FDP bei einigen Gegenstim-
men der Fraktion der Linken und einigen Enthaltungen
der Linken abgelehnt.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie „bei Konfusion der Linken“! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Es hat auch ein Teil zugestimmt!)


– Es hat kein Teil zugestimmt, Frau Kollegin
Enkelmann.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Doch!)


– Nein, Sie haben überhaupt nicht abgestimmt.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ich habe zugestimmt!)


– Ich habe Sie gesehen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie müssen auch zu uns herübersehen!)


– Frau Kollegin Enkelmann, mein Blick war auf die
Fraktion der Linken gerichtet. Sie haben definitiv über-
haupt nicht abgestimmt.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ach! – Gegenruf des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie müssen auch aufpassen!)


Tagesordnungspunkt 15 b. Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und So-
ziales auf Drucksache 16/688 zu dem Antrag der Frak-
tion Die Linke mit dem Titel „Angleichung des
Arbeitslosengeldes II in den neuen Ländern an das Ni-
veau in den alten Ländern rückwirkend zum 1. Januar
2005“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b sei-
ner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Druck-
sache 16/120 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Gegenprobe! –


(Gerald Weiß [Groß-Gerau] [CDU/CSU], zur Fraktion Die Linke gewandt: Na, also! Es geht doch! Weiter so!)


Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit
den Stimmen von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die

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(C (D rünen und FDP bei Gegenstimmen der Fraktion Die inke angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 sowie Zusatzpunkt 5 uf: 16 Beratung des Antrags der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Mindestlohnregelung einführen – Drucksache 16/398 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Wirtschaft und Technologie P 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Irmingard Schewe-Gerigk, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Mindestarbeitsbedingungen mit regional und branchenspezifisch differenzierten Mindestlohnregelungen sichern – Drucksache 16/656 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege regor Gysi für die Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Seit Jahren fordern alle Fraktionen im Deutschen undestag das Gleiche, schlagen allerdings höchst un erschiedliche Wege vor, um die Erwerbsmöglichkeiten n Deutschland auszubauen und die Arbeitslosigkeit abubauen. Die unterschiedlichen Vorstellungen, die es ierzu gibt, haben natürlich auch zu gravierenden politichen Auseinandersetzungen geführt. Dabei spielt zuehmend die Frage eine Rolle, was man eigentlich verient, wenn man sich in Erwerbstätigkeit begibt, (Ute Kumpf [SPD]: Das ist ganz unterschiedlich, lieber Herr Gysi!)

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602004800

nd ob man das, wie manche sagen, dem freien Spiel der
räfte überlassen kann.

In den letzten Jahren haben wir in Deutschland eine
ntwicklung erlebt, die es erforderlich macht, dass der
esetzgeber tätig wird:


(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


ariflöhne sind in den neuen Bundesländern zu einer
usnahme geworden und es gibt sie auch in den alten
undesländern immer seltener. Im Osten kommen sehr
äufig Haustarife zur Anwendung, kaum mehr Flächen-
arifverträge. In vielen Unternehmen gibt es nicht einmal
inen Haustarifvertrag; dort wird Monat für Monat






(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi
entweder ausbezahlt, was da ist, oder es werden andere
Kriterien zugrunde gelegt. Es gibt für die Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer also keine verlässlichen Maß-
stäbe mehr.

Solange überall bzw. in zumindest 90 Prozent der
Fälle Tarifverträge gegolten haben und die Gewerk-
schaften dafür sorgen konnten, dass angemessene Min-
destlöhne gezahlt wurden, konnte man auf eine Rege-
lung verzichten; das war in den früheren Jahrzehnten der
Bundesrepublik der Fall. Heutzutage ist das unverant-
wortlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Man muss sagen, was jemand pro Stunde Erwerbsarbeit
in Deutschland mindestens verdienen muss.

Ich höre schon jetzt, was die Redner der FDP, die ja
immer die Freiheit betonen, vermutlich sagen werden:
dass man all das wunderbar miteinander vereinbaren
kann.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Warten Sie doch erst einmal ab, Herr Gysi!)


– Das haben Sie früher immer gesagt. Warum also soll-
ten Sie heute etwas anderes sagen?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unverhofft kommt oft!)


Eines möchte ich Ihnen aber entgegenhalten: Selbst für
Ihre Klientel, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte


(Dirk Niebel [FDP]: Ach, Sie haben also FDP gewählt? Machen Sie das in Zukunft öfter!)


– leider gibt es eine ganze Reihe von ihnen, die zu Ihrer
Klientel gehören – und die Ärztinnen und Ärzte, gelten
Mindestlöhne. Diese Berufsgruppen haben Gebühren-
ordnungen, in denen steht, wie viel sie mindestens ver-
dienen. Hier haben Sie nichts dagegen. Darüber würde
ich an Ihrer Stelle einmal nachdenken.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sagen: Diese Art der Sicherheit brauchen auch
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutsch-
land.


(Dirk Niebel [FDP]: So, so! Herr Gysi gehört also zu unserer Klientel! Jetzt habe ich es endlich verstanden!)


Inzwischen gibt es in Deutschland mehr als 3 Millionen
erwerbstätige Menschen, die weniger als den pfändungs-
freien Betrag – dazu sage ich noch etwas – verdienen.
Darunter befinden sich sehr viele Menschen, die weniger
als 800 Euro im Monat verdienen. Mit Ausnahme jener,
die wirklich in dieser Situation waren, kann niemand
hier im Hause ernsthaft sagen, wie man von diesem Be-
trag leben kann.


(Beifall bei der LINKEN)


Da wir diese Frage nicht beantworten können, müssen
wir als Gesetzgeber eine andere Regelung schaffen.

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(C (D Die Zahl derjenigen, die sich in einer solchen Situaion befinden, nimmt zu. Hinzu kommt – auch daran öchte ich erinnern – die Bolkestein-Regelung. Hier urde ein Kompromiss erarbeitet. Dabei handelt es sich m einen Kompromiss für Rechtsanwälte; denn seine ormulierungen sind so schwammig, dass darüber – das st schon jetzt klar – irgendwann einmal der Europäische erichtshof wird entscheiden müssen. Weil man sich arauf nicht eindeutig verlassen kann, hilft uns diese Reelung nicht weiter. Ob in Deutschland oder in Frankreich, bei uns werden nternehmen aus anderen Ländern zu ganz anderen ohnbedingungen, zu ganz anderen Sozialbedingungen rbeit anbieten. Diese Konkurrenz bedeutet Dumping: eil sie ausschließlich auf das Drücken der Löhne hiausläuft. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Hören Sie doch auf!)


ie Kosten in Deutschland sinken aber doch nicht: We-
er wird die Miete geringer noch werden Busfahrten bil-
iger noch Bahnfahrten. Im Gegenteil, alles wird teurer.
eshalb ist es doch nicht zu viel verlangt, dass der Ge-

etzgeber von den Unternehmen die Zahlung eines Min-
estlohns erwartet und sie dazu verpflichtet.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/ CSU: Das wird Arbeitsplätze zerstören!)


Auf die Arbeitsplätze komme ich noch zu sprechen.

Wenn man für einen solchen Mindestlohn streitet,
uss man auch sagen, wo er liegen soll; dafür braucht
an einen Maßstab.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!)


ir können uns nach dem richten, was der Gesetzgeber
ls pfändungsfreies Einkommen festgelegt hat. Wenn Sie
emandem ein Darlehen gewähren, dieser es nicht zu-
ückzahlt und Sie nach drei Jahren endlich Ihren Voll-
treckungstitel haben, dann bekommen Sie, wenn diese
inzelperson nur 985 Euro netto hat, gar nichts davon.
rst wenn die Person mehr als 985 Euro hat, können Sie
fänden. Das ist doch ein Maßstab! Damit hat der Ge-
etzgeber – die Mehrheit im Bundestag – gesagt: An die-
en Betrag lassen wir auch einen Gläubiger nicht heran.
enau dieser Betrag muss der Mindestlohn in Deutsch-

and werden: Wer arbeitet, muss mindestens den pfän-
ungsfreien Betrag verdienen.


(Beifall bei der LINKEN)


o kommt unsere Rechnung zustande: Bei 8 Euro brutto
ro Stunde kommen Sie bei einer 40-Stunden-Arbeits-
oche auf einen Bruttolohn im Monat, dem netto etwa
iese 985 Euro entsprechen. Damit würde jeder mindes-
ens den pfändungsfreien Betrag verdienen. Das ist doch
icht zu viel verlangt.

Es gibt noch ein Argument für unser Anliegen:
4 europäische Staaten haben einen Mindestlohn einge-
ührt – und sie haben damit keine schlechten Erfahrun-
en gemacht.


(Andrea Nahles [SPD]: 19!)







(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi
Sagen Sie jetzt nicht: Die sind alle doof und wir sind als
einzige schlau. Nein, sie hatten gute Gründe, einen Min-
destlohn einzuführen.


(Beifall bei der LINKEN)


Reden Sie einmal mit einem Taxifahrer, mit einer Fri-
seuse, mit Leuten aus dem Bäckereihandwerk oder gar
mit Wachpersonal!


(Ute Kumpf [SPD]: Wann gehen Sie denn zum Friseur?)


– Ja, ich bin jetzt ein paar Jahre einem normalen Beruf
nachgegangen. Da lernen Sie viele Leute kennen. Da
müssen Sie mal wieder rein; das ist zur Abwechslung gar
nicht schlecht.


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie mit diesen Leuten reden, werden Sie eins fest-
stellen: Es gibt Leute, deren Bruttoeinkommen bei
3 Euro, 4 Euro die Stunde liegt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
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Herr Kollege, ich möchte Sie an Ihre Redezeit erin-

nern. Sie reden sonst auf Kosten Ihrer Kollegen.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
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So viele Überstunden können Sie gar nicht machen,

dass Sie davon Ihren Lebensunterhalt einigermaßen be-
streiten können. Ich sage, es ist eine Frage des Anstands,
dass wir – der Bundestag – dafür sorgen, nicht von Ar-
mut umgeben zu sein. Dafür brauchen wir den Mindest-
lohn.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602005100

Das Wort hat der Kollege Ralf Brauksiepe, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1602005200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Herr Gysi, nach Ihrem Beitrag bin ich in einer Hin-
sicht erleichtert: Anscheinend gibt es in Ihrer Fraktion
doch Leute, die die freie Rede beherrschen; das klang ja
vorhin bei den abgelesenen Erklärungen anders.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sie sind ja gerade heute ein feuriger Redner!)


Mir ist gleichwohl klar, dass die Zettel, die hier eben ab-
gelesen wurden, nicht aus SED-Zeiten stammen.


(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)


Denn zu DDR-Zeiten konnten die Leute auf solche Sum-
men, wie Sie sie hier einfordern, nicht hoffen; das waren
damals andere Zeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Dirk Niebel [FDP])


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(C (D s war schon etwas gespenstisch, wie das hier eben voretragen wurde; die Anmerkung sei mir vorweg gestatet. Mit der Forderung, die hier von der PDS erhoben orden ist, steht sie an der Spitze der Forderungen, die n Hinsicht auf die Höhe eines Mindestlohns erhoben orden sind. (Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Nicht ablesen! – Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Freie Rede!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ch würde Ihnen empfehlen, einmal nachzulesen, was
as Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in
ürnberg dazu gesagt hat, was das für das Lohngefüge
edeutet, gerade in den neuen Ländern, die Sie hier her-
orheben: 34 Prozent der Menschen, die in den neuen
ändern arbeiten – nehmen Sie den Fall: mit zwei Kin-
ern –, haben ein Einkommen im Monat, mit dem sie
en Betrag, den Sie hier gefordert haben, nicht errei-
hen. Für 34 Prozent der sozialversicherungspflichtig
eschäftigten würde das bedeuten: Ihr Arbeitsplatz ist
kut gefährdet, wenn das, was in Ihrem Antrag gefordert
ird, umgesetzt wird. In der Realität einer sozialen
arktwirtschaft, die sich im weltweiten Wettbewerb be-

aupten muss, ist so etwas nicht zu machen; das haben
ie gefälligst zur Kenntnis zu nehmen. Solche Forderun-
en kosten Arbeitsplätze, sie treiben zusätzlich Men-
chen in die Arbeitslosigkeit. Das ist reiner Populismus.


(Widerspruch bei der LINKEN)


eswegen lehnen wir diesen Antrag ab.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Selbst Großbritannien hat einen Mindestlohn!)


Nun wird man natürlich zur Kenntnis nehmen müs-
en, dass sich im Bereich des Niedriglohnsektors in den
ergangenen Jahren etwas verändert hat, und zwar auch
um Negativen. Im Vorgriff auf das, worüber wir gleich
ielleicht noch diskutieren, will ich ausdrücklich sagen:
uf unserem Arbeitsmarkt und im Niedriglohnbereich

st eben nicht alles wunderbar geordnet. – Traditionell
nd richtigerweise haben wir die Tarifautonomie. Die
arifvertragsparteien haben in den letzten Jahren aber an
indungskraft verloren.


(Dirk Niebel [FDP]: Zu Recht!)


ie Wirkungen der Vereinbarungen der Tarifvertragspar-
eien haben Bedeutung eingebüßt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Woran liegt das?)


eswegen ist es auch richtig, dass wir uns darüber Ge-
anken machen, wo in diesem Bereich politischer Hand-
ungsbedarf besteht.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nachtigall, ick hör dir trapsen!)







(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe
Die große Koalition hat sich das im Koalitionsvertrag
entsprechend vorgenommen. Wir haben uns vorgenom-
men, die Geltung des Entsendegesetzes zu erweitern.


(Zuruf des Abg. Dirk Niebel [FDP])


– Hören Sie zu, Herr Kollege Niebel! – Wir werden es
auf den Bereich der Gebäudereiniger ausweiten und wir
haben uns vorgenommen, eine weitere Ausdehnung auf
weitere Branchen zu prüfen. Das ist der eine Punkt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Prüfen heißt immer, dass ihr euch nicht einig seid! – Dirk Niebel [FDP]: Der Koalitionsvertrag ist ein einziger Prüfauftrag!)


Daneben haben wir uns vorgenommen, Lösungsmög-
lichkeiten für den Bereich der Kombilöhne vorzuschla-
gen – das werden wir im Laufe dieses Jahres machen –,
um auch im Niedriglohnbereich etwas zu tun.

Hier geht es natürlich darum, dass wir den Staat und
die Steuerzahler vor Ausbeutung schützen. Deswegen
wird darüber zu reden sein, wie man das, was ein Arbeit-
nehmer durch sein Markteinkommen und die hinzukom-
menden staatlichen Transfers erhält, justieren und in ein
vernünftiges Verhältnis zueinander setzen kann. Aus die-
sem Grund ist im Koalitionsvertrag an dieser Stelle auch
der Zusammenhang mit den Themen Mindestlohn und
Entsendegesetz aufgeführt. Wir haben deutlich gemacht,
dass eine Debatte über den Kombilohn natürlich auch
diese Themen berührt. Die Bundeskanzlerin hat in den
vergangenen Wochen mehrfach völlig zu Recht auf die-
sen Zusammenhang hingewiesen. Wir sind an dieser
Stelle offen, uns auch Gedanken darüber zu machen, wie
wir im Bereich des Niedriglohns vorankommen. Wir
sind hier offen und wir werden unaufgeregt, mit der nöti-
gen Sorgfalt und ohne irgendwelche ideologischen Vor-
behalte an diese Fragen herangehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war der Worthülsen genug!)


Ich möchte das ausdrücklich auch vor dem Hinter-
grund der Vereinbarungen sagen, die gestern im Euro-
päischen Parlament getroffen worden sind. Wir haben
nun die Dienstleistungsrichtlinie. Ich denke, das geht
im Grundsatz in die richtige Richtung. Ich finde es rich-
tig, dass der Bundesarbeitsminister und der Bundeswirt-
schaftsminister auch vor diesem aktuellen Hintergrund
gemeinsam bekräftigt haben, dass die Koalition bei ih-
rem Willen bleibt, den deutschen Arbeitsmarkt gegen
Lohndumping zu schützen und rechtzeitig entsprechende
gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen.

Ich denke, für die Koalitionsfraktionen gilt gemein-
sam, dass tarifliche Lösungen immer Vorrang vor ge-
setzlichen Lösungen haben. Deswegen werden die Mög-
lichkeiten, die uns durch das Entsendegesetz geboten
werden, in diesem Zusammenhang zu prüfen sein. Dabei
werden wir insbesondere auch unsere Möglichkeiten
prüfen, ein Absinken der Löhne ins Bodenlose zu ver-
hindern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sind Sie jetzt für oder gegen Mindestlöhne, Herr Brauksiepe? – l s d s u W n P G d w v e g D s K m L b w F S K d – d s g s d (C (D Dirk Niebel [FDP]: Sind Sie jetzt für Mindestlöhne?)


Im Übrigen will ich in diesem Zusammenhang deut-
ich sagen: Die Frage, was denn nun eigentlich eine an-
tändige Entlohnung für eine Arbeit ist, ist sehr alt. Ich
arf das sagen: Dies ist eine sehr christliche Frage und
ie hängt mit unserem Verständnis von Menschenwürde
nd mit unserem christlichen Menschenbild zusammen.
er anständig arbeitet, hat auch einen Anspruch auf ei-

en anständigen Lohn.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das ist nicht Gegenstand einer neuen Debatte. Schon
apst Leo XIII. hat Ende des 19. Jahrhunderts die ersten
edanken zu dieser Frage formuliert. Papst Pius XI. hat
ann in seiner Sozialenzyklika von 1931 darauf hinge-
iesen, dass bei der Bemessung eines gerechten Lohns
erschiedene Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind,
ben auch die allgemeine Wohlfahrt. Ich zitiere ihn sehr
erne. Schon damals hat er gesagt:

Die Gemeinwohlgerechtigkeit verbietet daher, ohne
Rücksicht auf das Gemeinwohl nur dem eigenen
Vorteil gemäß die Löhne über den zulässigen Spiel-
raum hinaus hinabzudrücken oder hinaufzutreiben;


as schrieb Pius XI. schon vor gut 80 Jahren. Da war er
chon sehr viel weiter als die Linke heute.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602005300

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Kolb?


Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1602005400

Aber gerne, Herr Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1602005500

Herr Kollege Brauksiepe, nachdem ich Ihnen auf-

erksam zugehört habe, weiß ich zwar jetzt, was Papst
eo XIII. und Papst Pius XI. in dieser Frage gedacht ha-
en. Aber so recht hat sich mir noch nicht erschlossen,
ie Ihre persönliche Position oder die Position Ihrer
raktion zu dem Thema Mindestlohn aussieht.

Wäre es zu viel verlangt, mir in Kürze zu sagen, ob
ie dafür oder dagegen sind?


(Beifall bei der FDP)



Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1602005600

Nein, das ist nicht zu viel verlangt, Herr Kollege

olb. Ich habe noch 3,25 Minuten an Redezeit, die ich
iesem Thema widmen werde.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben jetzt noch mehr!)


Ja, jetzt habe ich noch mehr Redezeit. – Ich will Ihnen
eutlich sagen: Es geht in der Tat darum, dass wir ver-
chiedene Gesichtspunkte gleichermaßen berücksichti-
en, auf die ich im Laufe der nächsten Minuten noch zu
prechen kommen werde. Ich beginne mit dem Punkt,
er eben angesprochen worden ist.






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe
Ich sage Ihnen erst einmal etwas zu der Frage der in
den anderen europäischen Ländern so weit verbreiteten
Mindestlöhne, die angeblich dafür sprechen, Mindest-
löhne auch in Deutschland einzuführen. Es heißt, dass es
in 14 Ländern einen Mindestlohn gibt. Ich will Ihnen die
Mindestlöhne in ein paar Ländern nennen: Lettland:
71 Cent die Stunde, Litauen: 85 Cent die Stunde, Est-
land: 93 Cent, Slowakei: 93 Cent. So viel zum Mindest-
lohn in anderen Ländern und den angeblich guten Grün-
den, die dafür sprechen. Genau das wollen wir nicht.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch mit England weiter!)


Jetzt zu der Frage, wie es in Deutschland sinnvoller-
weise laufen soll. Ich habe eben darauf hingewiesen: Es
gibt bei uns die Tradition der Tarifautonomie, die unser
Land aus guten Gründen von anderen Ländern unter-
scheidet. In Großbritannien gibt es seit 1909 Mindest-
löhne, in Frankreich seit 1915 und in anderen Ländern
sieht es ähnlich aus. Bei uns steht anstelle der Tradition
der Mindestlöhne die Tarifautonomie.


(Dirk Niebel [FDP]: Nein, die Sozialhilfe!)


Diese hat für uns Vorrang; das will ich Ihnen deutlich sa-
gen.

In der Frage, wie wir bei Niedriglöhnen, Kombilohn
oder Mindestlohn vorankommen können, sind drei Leit-
linien im Auge zu behalten. Ich hoffe, Herr Kollege
Kolb, dass wir darin mit Ihnen einig sind. Die erste Leit-
linie ist: Die Löhne in diesem Land dürfen nicht ins Bo-
denlose sinken. Es muss eine sittliche Untergrenze ge-
ben, unterhalb derer niemand arbeiten muss. Derjenige,
der anständig arbeitet, muss einen angemessenen Lohn
bekommen. Sollten die Tarifvertragsparteien bei den
Löhnen etwas übersehen haben, ist der Gesetzgeber ge-
fordert, dem Einhalt zu gebieten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die zweite Leitlinie, die zu beachten ist – ich denke,
auch da werden Sie uns zustimmen –: Es dürfen keine
zusätzlichen Anreize für Schwarzarbeit geschaffen wer-
den. Das setzt allen Regelungen, die wir treffen, Gren-
zen nach oben.

Die dritte Leitlinie ist: Die Löhne müssen für die Un-
ternehmen finanzierbar bleiben. Es dürfen keine zusätz-
lichen nicht tragbaren Belastungen für den Haushalt
entstehen. Das haben wir im Koalitionsvertrag im Zu-
sammenhang mit dem Kombilohn festgehalten. Es wird
und darf keine flächendeckende Subventionierung von
Unternehmen geben. – Um diese Leitlinien geht es.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Also: Erstens. Kein Absinken der Löhne ins Boden-
lose! Zweitens. Keine zusätzlichen Anreize für Schwarz-
arbeit! Drittens. Das Problem muss in einer Weise gelöst
werden, die den Staat insgesamt nicht finanziell überfor-
dert. Von diesen Linien lassen wir uns leiten. Wir haben
uns vorgenommen, dieses Thema in diesem Jahr anzuge-
hen, und das werden wir auch tun. Wir werden Lösungen

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(C (D inden, von denen ich sicher bin, dass sie tragfähig sein erden. Wir müssen aber von dem Denken in ideologischen ampfbegriffen wegkommen. Ich bin froh, dass im Zu ammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie dieses erede um das Herkunftslandprinzip vom Tisch ist. Es eht um die Sache, nicht um das Hochhalten irgendwelher Prinzipien. uch bei dieser Debatte geht es darum, wie wir im Niediglohnbereich vorankommen. Die Sozialdemokraten ntwickeln ihre Vorstellungen und wir entwickeln unsere orstellungen. In dieser Frage werden wir zu einer geeinsamen Lösung kommen: nideologisch, unaufgeregt und nach dem Motto Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, anstelle kurzfristiger opulistischer Erfolge, die den Menschen im Niedrigohnsektor nicht helfen. Um sie geht es uns. Vielen Dank. Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem ollegen Wolfgang Gehrcke. Sehr geehrter Herr Kollege Brauksiepe! Liebe Kolle innen und Kollegen! Nachdem sich das Parlament nun ine Vorlesung, eine geschichtliche Abhandlung zu den indestlöhnen, angehört und man vielleicht aufgrund es rhetorischen Feuerwerks die Logik nicht verstanden at, bleibt für mich eine einfache Frage. Sie haben Löungen angekündigt. Wann werden Sie diese Lösungen orstellen? In Ihrer Rede haben Sie das jedenfalls nicht etan. Ich habe noch eine Frage. Waren die Angaben zu den indestlöhnen in Litauen, Estland und Lettland viel eicht ein Hinweis darauf, welche Mindestlöhne in eutschland zu erwarten sind, wenn Sie darüber ent cheiden könnten? (Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Er hat das Gegenteil gesagt! Sie hätten nur zuhören müssen!)


(Dirk Niebel [FDP]: Bitte?)


(Beifall der Abg. Andrea Nahles [SPD])


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602005700
Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602005800


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602005900

Herr Kollege Brauksiepe, bitte.


Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1602006000

Herr Kollege, Sie wissen, dass ich genau das Gegen-

eil gesagt habe. Mit uns wird es kein Abgleiten der
öhne ins Bodenlose geben. Wir werden dazu Vor-
chläge erarbeiten, die wir noch in diesem Jahr vorlegen
erden.

Die von mir genannten Zahlen belegen eines: Je stär-
er der real existierende Sozialismus in der Vergangen-






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe
heit verbreitet war, desto größer ist das Elend der arbei-
tenden Menschen heute. Das und nichts anderes belegen
diese Zahlen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1602006100

Nächster Redner ist der Kollege Heinrich Kolb, FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1602006200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Linke und Grüne wollen mit der heutigen Debatte Druck
auf die zerstrittene Koalition ausüben, Mindestlöhne ein-
zuführen. In der Tat ist zu befürchten – das ergibt sich
auch aus dem, was Herr Kollege Brauksiepe gesagt bzw.
nicht gesagt hat –, dass die Koalition ernsthaft einen sol-
chen Schritt erwägt. Auch Äußerungen von Bundes-
arbeitsminister Müntefering lassen diesen Schluss zu.


(Vorsitz: Präsident Dr. Norbert Lammert)


In der Tat, es klingt durchaus heimelig, Herr Kollege
Brandner, wenn Herr Müntefering feststellt: „Wer seinen
Job richtig macht, muss auch so viel Geld bekommen,
dass er seine Familie davon ernähren kann.“


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Klaus Brandner [SPD]: Recht hat der Minister!)


Im Ergebnis stimme ich ihm zwar zu – das wird Sie
sicherlich wundern, Herr Kollege Brandner –, aber das
erreicht man nicht dadurch, dass man die Löhne auch für
einfache Tätigkeiten per Gesetz hochschraubt


(Klaus Brandner [SPD]: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!)


– hören Sie zu, Herr Brandner! –, sondern dadurch, dass
man Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht durch
ihre eigene Tätigkeit finanzieren können, bei Bedarf ei-
nen ergänzenden staatlichen Transfer gewährt, wie es die
FDP mit ihrem Konzept des Bürgergeldes vorgeschla-
gen hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich stelle für die FDP-Bundestagsfraktion klipp und
klar fest: Gesetzliche Mindestlöhne – egal, in welcher
Form – lösen keine Probleme; sie verschärfen sie.


(Beifall bei der FDP)


Das hat der jetzige Unionsfraktionsvorsitzende, Volker
Kauder, am 9. April 2005 in einem Interview mit der
„Welt“ noch genauso gesehen. Es ist wirklich erschre-
ckend, festzustellen, wie sich zwischenzeitlich die CDU/
CSU in dieser Frage immer mehr sozialdemokratischen
Positionen annähert.


(Beifall bei der FDP)


Mindestlöhne sind faktisch Arbeitsplatzvernich-
tungsprogramme. Sie führen – besonders im Bereich

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(C (D er gering Qualifizierten – zu einer Verdrängung von Areitsplätzen und fördern die Verlagerung von Arbeitslätzen ins Ausland. Im Übrigen fördern sie auch die chwarzarbeit. Ich wundere mich, liebe Kolleginnen und Kollegen on der Koalition, dass Sie das nicht sehen wollen. Jeder indestlohn – ob kollektiv oder staatlich vorgeschrieben – renzt einen unteren Produktivitätsbereich aus dem Areitsmarkt aus. chon jetzt wirken die staatlichen Transfers der soziaen Sicherung – auch das ALG II – faktisch wie ein indestlohn. Überproportionale Lohnerhöhungen bzw. ockellohnanhebungen haben schon in der Vergangeneit dazu geführt, dass in vielen Bereichen gering Qualiizierte verdrängt worden sind. Unter gesetzlichen Minestlöhnen haben in der Regel gering qualifizierte angzeitarbeitslose zu leiden. (Beifall bei der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Herr Kollege Kolb, wissen Sie, welche Niedriglöhne wir in Deutschland haben?)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])


Melden Sie sich doch zu einer Zwischenfrage, Herr
randner!

Die Forderung nach Mindestlöhnen lässt die aus mei-
er Sicht entscheidende Frage offen, wer zu solchen Be-
ingungen noch Arbeitsplätze schaffen soll. Die deut-
che Volkswirtschaft leidet schon jetzt unter massiven
roblemen: unter zu geringen Wachstumsraten, unter
berzogener Bürokratie, unter den hohen Steuer- und
bgabelasten und der zu hohen Regelungsdichte im Ar-
eits- und Tarifrecht.

Ich finde, es ist eher mehr als weniger Flexibilität not-
endig.


(Beifall bei der FDP)


ir brauchen ein flexibleres Tarifrecht, damit sich die
öhne wieder an der Produktivität orientieren können.
otwendig sind auch Öffnungsklauseln für betriebliche
ündnisse für Arbeit und ein funktionierender Nie-
riglohnsektor, damit sich auch die Aufnahme einer ge-
ing entlohnten Tätigkeit gegenüber der Inanspruch-
ahme staatlicher Transferleistungen lohnt.


(Beifall bei der FDP)


Ich habe bereits festgestellt, dass das von der FDP
orgeschlagene Bürgergeld – also das System einer ne-
ativen Einkommensteuer – in diese richtige Richtung
irkt. Ich kann Sie nur ermuntern, Herr Brandner, sich
amit zu befassen.


(Beifall bei der FDP – Andrea Nahles [SPD]: Wer soll das bezahlen?)


Abschließend stellt sich die Frage – die auch der Kol-
ege Gysi bereits angesprochen hat –, wie hoch der Min-
estlohn sein soll. Wir glauben, dass der Markt diese
rage beantwortet. Ich habe Ihre Angaben, meine Da-
en und Herren von der Linken, nachvollzogen und bin






(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
– diese Rechenaufgabe habe ich ohne Taschenrechner
gelöst – bei 985 Euro und einer Arbeitszeit von rund
160 Stunden im Monat – das ist zwar etwas mehr als
eine 35-Stunden-Woche, aber so rechnet es sich besser –
auf einen Stundenlohn von 6,15 Euro als gesetzlichen
Mindestlohn gekommen.


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Das eine ist brutto, das andere netto!)


– 985 Euro netto? Dann wird es ja sogar noch mehr. Ich
rechne gerne noch einmal nach


(Klaus Brandner [SPD]: Aber dann mit Taschenrechner!)


und werde mich nachher vielleicht noch einmal zu Wort
melden. Aber besser wird es dadurch nicht, Herr Gysi.


(Zuruf des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])


– Hören Sie mir zu! Ich entschuldige mich ja. Aber da-
durch wird es, wie gesagt, nicht besser; denn dann wer-
den noch mehr Arbeitsplätze und noch mehr Menschen
in Beschäftigung aus dem ersten Arbeitsmarkt ver-
drängt. Ich frage Sie, ob Sie das ernsthaft wollen.

Es bleibt festzuhalten: Mindestlöhne lösen keine Pro-
bleme, sondern schaffen welche.

Ein weiteres Problem, das noch zu nennen wäre, ist
die Bürokratie. Es bedarf letztendlich eines riesengro-
ßen Kontrollapparates, um festzustellen, ob die Mindest-
lohnregelungen eingehalten werden. Der Präsident des
Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Ludwig
Georg Braun, warnt daher zu Recht vor den bürokrati-
schen Folgen einer solchen Regelung.

Wir können klipp und klar, ohne Wenn und Aber,
ohne Wackeln und Herumeiern sagen: Wir sind gegen
gesetzliche Mindestlöhne in Deutschland.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602006300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Andrea Nahles,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Jetzt wieder was Qualifiziertes!)



Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1602006400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

Kollegen! Für die ostdeutsche Floristin, die für
1 000 Euro brutto 41 Stunden in der Woche arbeitet,
muss es wie Hohn klingen, wenn Sie, Herr Kolb, sagen,
dass der Markt dieses Problem letztlich schon lösen
werde. Das kann ich nur zurückweisen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden über diese Frage noch einmal ernsthafter
diskutieren müssen.

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(C (D Gestern ist im Europäischen Parlament eine Entscheiung getroffen worden, über die wir uns in Deutschland ehr freuen dürfen. Gemeinsam mit den christlich-konervativen haben die sozialistisch-sozialdemokratischen bgeordneten einerseits die Dienstleistungsfreiheit urchgesetzt und damit unnötige Hemmnisse für den reien Dienstleistungsverkehr in ganz Europa beseitigt. ndererseits ist das Herkunftslandprinzip, das einen eiteren unseligen Dumpingwettlauf um niedrige Löhne owie geringe Umweltund Sozialstandards ausgelöst ätte, auf dem Abfallhaufen der Geschichte gelandet. orthin gehört es auch. Darüber dürfen wir uns sehr reuen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nun ist das Herkunftslandprinzip zwar weg. Aber wir
aben im Zielland unsere Hausaufgaben noch nicht ge-
acht. Dass im gesamten europäischen Umland bei der
msetzung der Entsenderichtlinie der Europäischen
nion viel mehr Branchen als in Deutschland einbezo-
en worden sind, ist nun für uns ein Problem. Wenn in
en nächsten Jahren in Deutschland die volle Freizügig-
eit gilt, dann sind wir – unabhängig von der Dienstleis-
ungsrichtlinie – ohne eine Ausweitung der Entsende-
ichtlinie und des Entsendegesetzes auf weitere
ranchen verwundbar. Dann haben wir unsere Interes-

en nicht adäquat vertreten. Wir brauchen also eine Aus-
eitung des Entsendegesetzes hier in Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Es ist Angela Merkel gewesen, die festgestellt hat,
ass es in 19 europäischen Ländern einen Mindestlohn
ibt und dass es daher nur schwer zu erklären ist, warum
ir in Deutschland noch nicht einmal darüber sollen re-
en dürfen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Wer verbietet Ihnen denn das?)


ie entscheidende Frage, die sich hier stellt, ist, warum
ir überhaupt über die Einführung eines gesetzlichen
indestlohns diskutieren müssen. Dass es Steuerdum-

ing in Europa gibt, wissen wir alle. Es gibt aber auch
ohndumping. Wir müssen darüber nachdenken, wie

ich das verhindern lässt. In Deutschland gibt es mittler-
eile 3 Millionen Menschen, die Vollzeit arbeiten und
rmutslöhne bekommen. Es gibt dafür einen ganz kla-

en Gradmesser. Die Armutslohngrenze liegt nämlich
ei 1 400 Euro brutto. Jeder fünfte ostdeutsche Arbeit-
ehmer arbeitet zurzeit für weniger als 1 300 Euro. Das
ind Armutslöhne. Das heißt, dass das, was in den USA
ls Working Poor bezeichnet wird, längst Deutschland
rreicht hat.


(Dirk Niebel [FDP]: Nehmt denen weniger Steuern und Abgaben weg, dann bleibt auch mehr übrig!)


s gibt nämlich Armut trotz Arbeit. Das können wir So-
ialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht hinneh-






(A) )



(B) )


Andrea Nahles
men, das können wir nicht akzeptieren. Ich hoffe, das
gilt auch für die Bundesregierung.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Warum erhöht ihr die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte? Damit die Leute noch weniger haben?)


Es geht aber nicht nur darum, dass wir Armutslöhne
in Bereichen haben, in denen wir keine tarifvertraglichen
Regelungen haben.


(Dirk Niebel [FDP]: Gerade die Sozialdemokraten dürften die Mehrwertsteuer nicht erhöhen!)


Mittlerweile sind in Ostdeutschland nur noch
54 Prozent der Unternehmen tarifvertraglich gebunden.
Zieht man davon den öffentlichen Dienst ab, dann wird
man feststellen, dass die Zahl der tarifvertraglich nicht
gebundenen Unternehmen relativ noch höher ist.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist leider die Wahrheit!)


Es reicht also nicht, Löhne tariflich abzusichern oder
eine Tarifgruppe für allgemeinverbindlich zu erklären.
Das wird denen, die überhaupt nicht mehr tariflich ein-
gebunden sind, weil deren Arbeitgeber sich aus der Ta-
rifgemeinschaft herausgestohlen haben, nichts nützen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Deswegen müssen wir über diese tarifliche Absicherung
hinausgehen und auch deshalb brauchen wir Mindest-
löhne. Das steht für mich außer Frage.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602006500

Frau Kollegin Nahles, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Niebel?


Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1602006600

Gerne.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602006700

Vielen Dank, Frau Kollegin. Sie haben eben beklagt,

dass die verfügbaren Einkommen von vielen Men-
schen, insbesondere in den neuen Bundesländern, nach
Ihrem Dafürhalten zu gering sind. Widerspricht das nicht
dem Willen der großen Koalition, die auch von der SPD-
Fraktion mitgetragen wird, die Mehrwertsteuer um
3 Prozentpunkte zu erhöhen, weil damit den Menschen
noch mehr Kaufkraft entzogen wird?


(Jürgen Koppelin [FDP]: Merkelsteuer!)



Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1602006800

Herr Niebel, erstens wird diese große Koalition nicht

auch, sondern ganz ausdrücklich von der SPD mitgetra-
gen. Zweitens ist es selbstverständlich richtig, dass wir
die Frage der Mehrwertsteuererhöhung, die Sie offen-
sichtlich in jede Debatte hier im Deutschen Bundestag
einfließen lassen


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(C (D (Beifall bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist eine wichtige Frage! – Dirk Niebel [FDP]: Es betrifft die Bürger!)


das ist Ihr wichtigster Profilierungspunkt –, gerne an
nderer Stelle diskutieren können. Wenn Sie aber sagen,
ass Sie ausdrücklich keinen gesetzlichen Mindestlohn
ollen, dann ist das eine weitaus größere Bedrohung für
ntere Einkommensgruppen in Deutschland


(Lachen bei der FDP)


ls die Mehrwertsteuererhöhung. Lassen Sie uns darüber
treiten, wenn das Thema an der Reihe ist. Machen Sie
etzt bitte keine Show zu einem Thema, das heute gar
icht zur Debatte steht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Merkelsteuer!)


Man kann feststellen, dass das Problem der unteren
inkommensgruppen durch tariflich festgesetzte
öhne leider nicht gelöst wird. In den unteren Einkom-
ensbereichen gibt es Tariflöhne, die 4 Euro betragen,

eilweise sogar weniger. Es reicht also nicht, wie es
eute von den Grünen vorgeschlagen wird, beispiels-
eise durch das Gesetz zur Festsetzung von Mindestar-
eitsbedingungen die unteren Tarifgruppen festzuschrei-
en. Ich kann Sie nur auffordern, sich einmal die
abellen mit den tariflich festgelegten Löhnen im unte-
en Einkommensbereich anzusehen. Da wird Ihnen eini-
es auffallen. Sie sind den entscheidenden Schritt nicht
egangen. Sie vermeiden ja heute eine klare Aussage
um Mindestlohn. Das trauen Sie sich offensichtlich
icht. Ihre Vorschläge reichen nicht aus, um das Niveau,
as wir brauchen, zu erreichen und die Leute aus der Ar-
ut zu holen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie hoch ist das Niveau?)


Ich glaube auch, dass wir uns heute von der Linkspar-
ei nicht in eine Debatte treiben lassen sollten, in der es
m 20 oder 50 Cent mehr oder weniger Mindestlohn
eht.


(Zuruf von der LINKEN)


s geht zunächst einmal nicht um die Höhe des Mindest-
ohns, sondern um die Frage, ob wir eine untere Halte-
inie brauchen. Ich sage Ihnen: Ja. Muss das im Verbund
it den Tarifparteien und unter Berücksichtigung der
arifautonomie in Deutschland geschehen? Da sage ich
uch: Ja. Brauchen wir aber auch jenseits der Tarifver-
räge, die nicht mehr verhindern, dass die Löhne in
eutschland abrutschen, zusätzliche Regelungen? Auch
azu sage ich: Ja. Wir brauchen Mindestlöhne.

Warum schlagen Sie vor, dass das alles gesetzlich
estgelegt wird? Warum soll das alles über einen Kamm
eschoren werden? Sie treten hier dafür ein, dass ein be-
timmter Betrag festgelegt wird. Wir hingegen wollen
ine unabhängige Kommission – es gibt ein sehr gutes
orbild in Großbritannien –, die die Tarifparteien einbe-
ieht und die ein Mindestentgelt festlegt. Das ist ein an-
erer Ansatz als der, dass wir hier im Bundestag






(A) )



(B) )


Andrea Nahles
versuchen, einmal ein bisschen mehr oder ein bisschen
weniger gesetzlich festzulegen.

Mein Petitum hier ist: Lassen Sie uns denen, die von
der Sache wirklich etwas verstehen, beispielsweise den
Tarifparteien, eine Mitsprachemöglichkeit in Bezug auf
das, was auf diesem Gebiet in diesem Lande geschieht,
einräumen. Das ist besser, als hier von vornherein über
20 Cent mehr oder weniger zu streiten. Das ist kein hilf-
reicher Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir uns an dieser Stelle über Mindestlöhne
streiten, dann darf dabei nicht vergessen werden, was
Löhne eigentlich sind. Löhne sind eben mehr als ein
Kostenfaktor oder eine Variable im Standortwettbewerb.
Löhne stehen zunächst einmal für die schiere Existenz
vieler Menschen. Löhne bedeuten darüber hinaus ein
Stück weit die Absicherung des Lebensstandards. Löhne
haben aber auch etwas mit Würde zu tun: Für gute Ar-
beit bekommt man auch gutes Geld. Das hat auch etwas
damit zu tun, dass man überhaupt die Eintrittskarte für
diese Gesellschaft erhält.


(Dirk Niebel [FDP]: Deshalb brauchen wir auch Arbeitsplätze!)


Es muss uns heute darum gehen, dafür zu sorgen, dass
der eigentliche Zweck von Löhnen – Menschen erhalten
den Verdienst für ihre eigene Arbeit – gesichert und be-
fördert wird.


(Dirk Niebel [FDP]: Warum drängen Sie die Leute aus dem Arbeitsprozess heraus?)


In den letzten Jahren haben wir Folgendes erlebt: Auf
der linken Seite wurde so getan, als gäbe es irgendwo
eine Quelle der Geldvermehrung und als ginge es nur
noch darum, Grundeinkommen zu verteilen. Von dieser
Vorstellung ist auch das Modell des Bürgergeldes nicht
weit entfernt. Auf der anderen Seite wurde der Eindruck
erweckt, das Manko in Deutschland sei der Niedriglohn-
bereich und man müsse dafür sorgen, dass möglichst
viele Menschen in diesem Bereich tätig sind. Wir sind
ein Hochlohnland und wir wollen es bleiben. Deswegen
müssen wir in diesem Land in Bildung, Innovation und
Wachstum investieren.

Aber wir dürfen nicht zulassen, dass der untere Rand
unseres Hochlohnlandes entkoppelt wird, sodass ganze
gesellschaftliche Gruppen aus der Armutsfalle – sie exis-
tiert, auch wenn wir sie nicht bewusst herbeigeführt ha-
ben – nicht mehr herauskommen. Wir wollen Möglich-
keiten des Ausstiegs aus dem Niedriglohnbereich
organisieren. Deswegen wollen wir mehr Geld in Prä-
vention und Aktivierung investieren. Das bringt mehr,
als immer nur Transferleistungen zu erbringen. Die ge-
samte Arbeitsmarktpolitik, die wir in den letzten Jahren
vertreten haben, folgt dieser Logik.


(Beifall bei der SPD)


Demzufolge ist eine Hochlohnlandstrategie ohne eine
Definition von Mindestabsicherung, von würdigem Ent-
gelt für Arbeit in diesem Land nicht möglich. Wir kön-
nen uns nicht damit zufrieden geben, dass die Min-

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(C (D estabsicherung auf dem Niveau von ALG II liegt. ns muss doch klar sein, dass Arbeit anders als Trans erleistungen die Schaffung von Mehrwert bedeutet. Die öhe eines Mindestlohns sollte sich deshalb ganz chlicht daran orientieren, dass diejenigen, die Vollzeit rbeiten, mehr verdienen als diejenigen, die Sozialgeld, um Beispiel ALG II, beziehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Aber Arbeit ist doch auch auf der Höhe von ALG II zumutbar! Haben Sie das vergessen?)


Hier wird immer wieder behauptet – das fand ich sehr
nteressant, Herr Kolb –, der Mindestlohn würde scha-
en.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!)


as kann ich nicht feststellen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie waren auch noch nie in der Wirtschaft!)


ir haben diese Debatte in Großbritannien und in den
SA gehabt. In unserer Arbeitsgruppe Wirtschaft war
or einigen Tagen Herr Zimmermann vom DIW. Ob-
ohl er ein Gegner des Mindestlohns ist, hat er, mögli-

herweise zähneknirschend,


(Dirk Niebel [FDP]: Das Zähneknirschen kommt von eurer Gesundheitsreform! Er kann nicht mehr zum Zahnarzt gehen!)


agen müssen: Die Einführung von Mindestlöhnen hat
uf die Beschäftigung weder einen positiven noch einen
egativen Einfluss. – In Großbritannien, wo man 1999
inen Mindestlohn eingeführt hat – da wurde für die
irtschaft sozusagen der Untergang des Abendlandes

eschworen –, hat es nicht nur keinen negativen, sondern
ogar einen positiven Effekt auf dem Arbeitsmarkt gege-
en.

Das heißt, es geht bei der Frage Mindestlohn nicht um
ine Schwächung des Arbeitsmarkts,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es geht um die geringer Qualifizierten, darum, ob die noch Arbeit finden!)


ondern um die Stärkung von Arbeit gegenüber Transfer.
s geht um Würde und es geht darum, dass wir Armuts-

öhne und Sozialdumping in diesem Land verhindern.
eswegen brauchen wir das.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602006900

Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen erhält

un das Wort die Kollegin Brigitte Pothmer.


(Dirk Niebel [FDP]: Sagen Sie auch was zur Mehrwertsteuer! – Weitere Zurufe)



Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602007000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

ahles und Herr Brauksiepe als Vertreter der großen






(A) )



(B) )


Brigitte Pothmer
Koalition haben hier den Vorteil, dass sie wahrlich kom-
fortabel mit Redezeit ausgestattet sind.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das hat der Wähler so gewollt! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn ihr mehr Prozente gehabt hättet, hättet ihr die auch!)


Sie haben aber wieder unter Beweis gestellt: „Viel hilft
viel“ trifft nicht immer zu. Sie haben hier viel geredet,
aber nicht gesagt, was sie wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)


Frau Nahles, das trifft auch auf Sie zu, und ich finde
es schon ein bisschen absurd, dass Sie uns vorwerfen,
wir hätten keine klare Linie. Wir haben einen Antrag
vorgelegt, der sehr klar und sehr differenziert darstellt,
wofür sich die Grünen in dieser Frage einsetzen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das kommt erst in der nächsten Debatte!)


Wir setzen uns dafür ein, weil wir sehen, dass Sozial-
und Lohndumping inzwischen tatsächlich die Substanz
unserer Wirtschaftsordnung zu zerstören droht. Herr
Kolb, da hilft auch kein Mantra: „Die soziale Marktwirt-
schaft wird es schon richten“. Da hilft auch kein intensi-
ves Wünschen. Da müssen Sie schon handeln, wenn Sie
verhindern wollen, dass immer mehr Beschäftigte unter-
halb der Bedingungen des Mindeststandards arbeiten.

Es trifft inzwischen nicht nur den nicht organisierten
Bereich im Niedriglohnsektor. Es trifft inzwischen auch
den tariflich organisierten Niedriglohnbereich.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und in den tariflich organisierten Bereich wollt ihr eingreifen?)


Wir sehen, dass die Einkommen insgesamt immer stär-
ker unter Druck geraten. Natürlich müssen wir auf das
reagieren, was durch die Erweiterung der Europäischen
Union und durch die angekündigte Dienstleistungs-
richtlinie auf uns zukommt, wenn wir verhindern wol-
len, dass die Lohnspirale immer weiter nach unten geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich frage Sie, Herr Kolb, und Ihre Kollegen von der
FDP-Fraktion: Was ist eigentlich Ihre Antwort auf eine
Situation zum Beispiel im Bereich der Gebäudereiniger,
in dem es inzwischen Löhne von 3 Euro bis 4 Euro die
Stunde gibt? Das zeigt doch das Ausmaß dieser wirklich
irrwitzigen Entwicklung. Da können Sie nicht einfach
sagen: Die Marktwirtschaft wird es schon richten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Frage ist: Arbeit, ja oder nein?)


Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir von den Grünen
wollen unbedingt ein offenes und auch freizügiges Eu-
ropa, weil wir im Gegensatz zu vielen von Ihnen darin
eine richtig große Chance auch für unsere Unternehmen
und für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer se-
hen; denn denen wird es erleichtert, ihre hoch qualifi-

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(C (D ierten Dienstleistungen unbürokratisch im europäischen usland zu erbringen. Das schafft Arbeitsplätze auch in eutschland. Was wir aber nicht wollen, ist: Hungerlöhne und mierable Arbeitsbedingungen, die das Ergebnis von Unerbietungskonkurrenz und von Schmutzkonkurrenz ind. Dagegen müssen wir ganz deutlich Stellung bezieen. Ich will Sie noch einmal an den Fleischskandal des etzten Sommers erinnern. Allein in Nordrhein-Westfaen sind durch die Kontrollaktion der dortigen Landesreierung 50 Verdachtsfälle von illegaler Beschäftigung ur Anzeige gekommen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber illegale Beschäftigung ist ein anderes Thema! – Gegenruf des Abg. Klaus Brandner [SPD]: Das liegt aber nahe zusammen, Herr Kolb!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen aber schauen, wie wir auch darauf reagie-
en.

Statt zwischen acht und zehn Stunden – das wären die
ormalen Arbeitszeiten – ist da zum Beispiel
9,5 Stunden gearbeitet worden.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist aber illegal!)


ie Unterbringung hatte mit Menschenwürde wirklich
ichts mehr zu tun. Arbeiter sind zum Teil im Schweine-
tall untergebracht worden. Das ist soziale Realität!


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist doch illegal! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist alles illegal!)


Ja, genau, darauf komme ich jetzt. – Wir meinen, dass
ie Abschottung des deutschen Arbeitsmarktes keinen
eitrag dazu leistet, solche Situationen zu verhindern,

ondern im Gegenteil immer noch so wie in der Vergan-
enheit dazu führen kann, dass solches Handeln eher ge-
ördert wird, weil die Menschen in die Illegalität getrie-
en werden.


(Zuruf des Abg. Dirk Niebel [FDP])


Wir sind also der Auffassung, dass es falsch ist, die
rbeitnehmerfreizügigkeit noch einmal, wie es die
undesregierung plant, für weitere drei Jahre einzu-

chränken. Das ist der falsche Weg. Wir setzen auf eine
mfassende Festlegung von Mindestarbeitsbedingun-
en, die für in- und ausländische Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmer gleichermaßen gelten müssen.

Folgendes möchte ich an die Kolleginnen und Kolle-
en von der Linkspartei sagen:


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben doch ganz schön viel Redezeit, Frau Pothmer!)


it der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns be-
ibt man sich auf einen sehr schmalen Grat zwischen
chutz und Verderben gerade für diejenigen, für die wir
ns in besonderer Weise einsetzen wollen, nämlich für
ie Geringqualifizierten. Mindestlöhne können näm-
ich tatsächlich zum Einstellungshindernis werden, wenn






(A) )



(B) )


Brigitte Pothmer
sie, gemessen an der Produktivität der Arbeitskräfte, zu
hoch festgesetzt werden. Wenn sie hingegen zu niedrig
festgesetzt werden, können sie gleichsam eine staatliche
Legitimation für einen Niedriglohnbereich schaffen. Wir
brauchen also eine sehr fein taxierte Regelung, die auf
der einen Seite Lohndumping verhindert, auf der ande-
ren Seite aber nicht zur Ausgrenzung derjenigen führt,
um die es uns in besonderer Weise geht. In dieser Frage
haben Sie sich – das muss ich ganz ehrlich sagen – im
letzten Jahr nun nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Ursprünglich hatten Sie nämlich in Ihrem letztjähri-
gen Wahlprogramm 1 400 Euro Mindestlohn gefordert.
In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden aus den
1 400 Euro ganz schnell 1 000 Euro.


(Zurufe von den LINKEN – Klaus Brandner [SPD]: Der scharfe Wind!)


Ich frage mich, wie lang die Halbwertzeit Ihrer heutigen
Forderung nach 8 Euro Stundenlohn ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit dieser 8-Euro-Forderung laufen Sie Gefahr, dass
ganze Branchen plattgemacht werden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ach!)


Die Arbeitsbereiche von Wachpersonal, Verkäuferin-
nen, Floristinnen – dieser Bereich wurde ja schon ange-
sprochen –, aber auch Hilfstätigkeiten in der Landwirt-
schaft könnten so verloren gehen.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Wo sie Recht hat, hat sie Recht!)


Damit ist niemandem geholfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen regional- und branchenspezifisch differen-
zierte Lösungen. Wir schlagen Ihnen deswegen folgen-
den Dreischritt vor:

Erstens wollen wir die Ausweitung des Arbeitneh-
mer-Entsendegesetzes auf alle Branchen ermöglichen.

Zweitens wollen wir eine Reform der Allgemeinver-
bindlichkeitserklärung im Tarifvertragsgesetz, um
Mindestlöhne unterschiedlich gestalten zu können.

Drittens wollen wir eine Reform des Mindestarbeits-
bedingungengesetzes von 1952.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir mit
diesem Dreischritt tatsächlich die Gratwanderung zwi-
schen Lohndumping auf der einen Seite und Ausgren-
zung von Geringqualifizierten und Berufseinsteigerin-
nen und -einsteigern auf der anderen Seite
hinbekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Deutschland hat die Debatte um den Mindestlohn
ja leider eine lange und nicht immer rühmliche Ge-
schichte. Einer der Protagonisten war immer der Ex-Prä-

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(C (D ident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie ichael Rogowski. Er hat gesagt, wir brauchen auf gar einen Fall einen Mindestlohn, im Gegenteil, die tariflihen Untergrenzen müssen weiter durchbrochen werden. ch hoffe zutiefst, dass diese Position eine Position aus iner anderen Zeit ist. Diese Hoffnung speist sich aus einem Eindruck, dass sich etwas bewegt, sogar bei der DU/CSU, auch wenn die Formulierungen in der Rede on Herrn Brauksiepe noch sehr vorsichtig waren. (Dirk Niebel [FDP]: Das ist ein Euphemismus!)


anzlerin Merkel jedenfalls hat da schon einmal Posi-
ion bezogen. Bei Herrn Glos sieht das noch anders aus,
enn ich das richtig gelesen habe.

Insgesamt hat sich die große Koalition bis jetzt die-
em Thema verweigert. Nun kommt der Arbeitsminister
n die Strümpfe. Fehlt nur noch, dass die Regierung jetzt
atsächlich in die Siebenmeilenstiefel steigt. Unser Vor-
chlag zur Einführung von branchen- und regionalspezi-
ischen Mindestlöhnen könnte dafür vielleicht ein ganz
eeigneter Schuhanzieher sein.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602007100

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Gysi das

ort.


Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602007200

Herr Präsident! Frau Pothmer, ich wollte eine Sache

larstellen. Man muss politische Entwicklungen in ande-
en Parteien richtig verfolgen, wenn man sich dazu äu-
ern will. Es gab bei uns immer den Unterschied zwi-
chen 1 400 Euro brutto und 1 000 Euro netto
indestlohn.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Brutto-netto-Problem ist uns wirklich bekannt! – Dirk Niebel [FDP]: Das war doch Scharpings Problem! Lacht mal nicht so da drüben!)


Darf ich zu Ende sprechen? Ich sage gleich noch etwas
u dem Unterschied, den auch die FDP offensichtlich
icht mehr begreift. Früher kannten Sie den.

Der Parteitag hat ganz klar beschlossen, dass es bei
400 Euro brutto bleibt. Wir hatten einen Nettobetrag

orgeschlagen; aber er hat ganz klar so entschieden. In-
ofern gab es da keine Änderung.

Nun sage ich Ihnen, dass unser Antrag damit in Über-
instimmung steht. 985 Euro beträgt der pfändungsfreie
ettobetrag, der einer Bürgerin oder einem Bürger blei-
en muss. 985 Euro netto entsprechen etwa 1 440 Euro
rutto. Das ist die Situation in Deutschland. Die 8 Euro
ro Stunde, die wir fordern, sind brutto. Netto sind das
eniger. Mit diesen 8 Euro brutto kommen Sie in etwa

uf das Bruttogehalt von 1 440 Euro und damit netto auf
ie 985 Euro, die in Deutschland pfändungsfrei sind.






(A) )



(B) )


Dr. Gregor Gysi

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber für 8 Euro finden viele keinen Arbeitsplatz mehr, Herr Gysi!)


Ich will das einfach einmal sagen, weil das ein Maßstab
ist.

Jetzt wollen Sie das nach Branchen unterscheiden.
Die Lebenskosten in Deutschland sind aber gleich, unab-
hängig davon, ob ich in der einen Branche oder in der
anderen Branche arbeite.


(Beifall bei der LINKEN)


Es kann Branchen geben, die so produktiv sind, dass es
dort gar keine Mindestlöhne gibt, sondern höher bezahlt
wird. Aber der Mindestlohn in Deutschland ist die Min-
destanforderung, die wir an Arbeitgeber stellen.

Ich nenne einmal ein Beispiel. Die Union plädiert für
Kombilöhne. Wir sind nicht dafür. Aber wie wollen Sie
denn Kombilöhne einführen, wenn es keinen Mindest-
lohn gibt? Sie müssen doch einen Betrag ansetzen, bis zu
dem Sie aufstocken wollen. Da brauchen Sie einen Min-
destlohn; darum kommen Sie an dieser Stelle nicht he-
rum.

Das Zweite, was uns in dem Zusammenhang wichtig
ist: Das, was zur Schwarzarbeit gesagt worden ist, ist
wirklich kein Argument. Sie können doch nicht im Ernst
sagen, die Entnahme von Waren im Warenhaus müsse
geduldet werden, damit es weniger Diebstähle gibt. Ver-
stehen Sie? Schwarzarbeit ist eine Straftat. Wenn es
Mindestlöhne gibt, besteht zum ersten Mal ein klarer
Schadenersatzanspruch,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wer wird denn da bestraft?)


der sich auf die Differenz zwischen dem, was bezahlt
wurde, und dem Mindestlohn bezieht.

Dann noch ein Satz zu den Unternehmen. Natürlich
wissen auch wir, dass es kleinere Unternehmen gibt, die
heute nicht in der Lage sind, Mindestlöhne zu bezahlen.
Deshalb steht in unserem Antrag, dass es für diese Un-
ternehmen Übergangsregelungen geben muss.


(Dirk Niebel [FDP]: Bis die so reich sind, dass sie es zahlen können!)


Aber eines sage ich Ihnen auch: Wenn alle Bäcker, auch
der polnische und der tschechische, die in Deutschland
arbeiten, den Mindestlohn zahlen müssen, dann haben
wir wieder Wettbewerbsgleichheit; dann fällt das keinem
Bäckermeister schwer.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was kosten denn dann die Brötchen, Herr Gysi? – Dirk Niebel [FDP]: Dann gibt es auch staatliche Brotpreise!)


Das ist Marktwirtschaft; das müsste selbst die FDP be-
greifen.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Frau Pothmer, möchten Sie erwidern? Nein. Das war ja weniger an mich gerichtet als viel ehr an die CDU/CSU-Fraktion. (Dirk Niebel [FDP]: Und an uns! Ich würde schon gern erwidern!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602007300
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602007400


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602007500

Wir sind ja jedem dankbar, der sich im Sinne der Be-

irtschaftung der Redezeit nicht angesprochen fühlt und
amit keinen zusätzlichen Redeanspruch reklamiert.

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Paul
ehrieder für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1602007600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

iebe Kollegen! Die Linkspartei hat am 18. Januar 2006
en hier vorliegenden Antrag auf Einführung eines Min-
estlohns gestellt. Hierbei fällt auf, dass ein Vertreter der
inkspartei, Herr Lafontaine, noch gestern vor diesem
ohen Haus gefordert hat, das Steuerniveau müsse deut-

ich angehoben werden, da die Unternehmensteuern in
eutschland im internationalen Vergleich viel zu gering

eien.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Das ist richtig!)


Ja, ich habe aufgepasst.

Mit der nunmehr erhobenen Forderung nach Einfüh-
ung eines Mindestlohns ohne Berücksichtigung und au-
erhalb des Kontextes von so genannten Kombilohnmo-
ellen zeigt die Linkspartei abermals unverhohlen ihr
erständnis von Marktwirtschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Antrag führen Sie noch wortwörtlich aus:

Die Autonomie der Tarifparteien bei der Lohnfin-
dung ist ein hohes gesellschaftliches Gut in
Deutschland. Die Tarifautonomie ist auch in Zu-
kunft zu schützen.

twas weiter fordert die Linkspartei die Bundesregie-
ung auf,

schnellstmöglich einen Gesetzentwurf vorzulegen,
der sicherstellt, dass alle Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, einen
rechtlichen Anspruch auf einen Lohn von mindes-
tens 8 Euro/Stunde (brutto) haben.

Der Versuch der Reglementierung von Angebot und
achfrage, der Versuch der Reglementierung von Lohn-
öhen, aber auch von Verfügbarkeit von Arbeitsplätzen
at bei der Vorvorgängerin der Linkspartei, der SED,
ber 40 Jahre nicht funktioniert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Paul Lehrieder
Mit völlig untauglichen Rezepten versucht die Linkspar-
tei nun in offensichtlich populistischer Weise – mögli-
cherweise gar gegen besseres Wissen –, durch Einfüh-
rung eines Mindestlohnniveaus zum jetzigen Zeitpunkt
abermals eine Vielzahl von gering qualifizierten Arbeits-
plätzen zu beseitigen bzw. ins Ausland zu verlagern.

Vom Grunde her wird sich unsere Partei einer Diskus-
sion über Sinn und Höhe möglicher Mindestlohnrege-
lungen nicht entziehen. Zunächst wäre hier aber auch
mit unserem Koalitionspartner, mit unseren neuen
Freunden von der SPD, zu definieren, ob der Mindest-
lohn die Löhne am unteren Rand der Tariflöhne fest-
schreiben soll, um beispielsweise osteuropäische Billig-
anbieter abzuwehren und den Niedriglohnsektor
einzugrenzen, oder ob der Mindestlohn eine deutlich
niedrigere Untergrenze darstellen soll, mit der verhindert
werden soll, dass Arbeitgeber den von unserer Fraktion
angepeilten Kombilohn nur dazu nutzen, um die Löhne
allzu stark zu drücken.

Je nach Definition eines so genannten Mindestlohns
liegt hier eine enorme Bandbreite zwischen 3,50 und
7,50 Euro vor, sodass auf dem von der Linkspartei bean-
tragten Niveau von 8 Euro zum jetzigen Zeitpunkt eine
Mindestlohnfestsetzung beim besten Willen nicht erfol-
gen kann.


(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: So ist es!)


In den Tagesordnungen von Bundestag und Europäi-
schem Parlament gibt es dieser Tage interessante Berüh-
rungspunkte. Die Vorredner sind zum Teil bereits darauf
eingegangen. Gestern debattierte das Europaparlament
über die Dienstleistungsrichtlinie; es hat diese mit großer
Mehrheit verabschiedet. Heute reden wir hier über den
gesetzlichen Mindestlohn.

Die Debatte um die Dienstleistungsrichtlinie kreiste
bei uns in der Vergangenheit vielfach nicht nur um
Lohndumping und Billiganbieter aus Osteuropa, sie hat
auch die Diskussion um einen gesetzlichen Mindestlohn
stark beeinflusst. Schon 2001, also im Vorfeld der EU-
Osterweiterung, hat die Union vor uneingeschränkter
Dienstleistungsfreiheit gewarnt. Wir sind auch heute der
Ansicht, dass gegen unzumutbare Billiglöhne konse-
quent vorgegangen werden muss. Dabei ist die Autono-
mie der Tarifparteien auch in Zukunft zu gewährleisten.
Wie das mit einem flächendeckenden Mindestlohn von
8 Euro gehen soll, den Linkspartei und in ähnlicher
Höhe auch einzelne Gewerkschaften fordern, ist mir
schlicht schleierhaft.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was wäre denn angemessen?)


Probleme gibt es ja schon im Niedriglohnsektor ins-
gesamt – dazu gehören Jahreseinkommen unter
20 000 Euro – wie auch in den Branchen, in denen ein
tariflicher Mindestlohn eingeführt wurde. In Tarifver-
handlungen der Vergangenheit sind Löhne für einfache
Arbeiten so weit angehoben worden, bis diese für viele
Unternehmen schlicht zu teuer wurden.

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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es! Daraus kann man lernen!)


In der niedersächsischen Chemieindustrie werden in
er untersten Tarifgruppe 11,10 Euro gezahlt, in der Me-
all- und Elektroindustrie von Baden-Württemberg be-
rägt der niedrigste Stundenlohn 10,42 Euro. Im Bauge-
erbe – bestes Beispiel für tarifliche Mindestlöhne –
ommt im Zeitraum vom 1. September 2005 bis
1. August 2006 ein ungelernter Arbeiter im Westen auf
inen tariflichen Mindestlohn von 10,20 Euro und im
sten auf einen tariflichen Mindestlohn von 8,80 Euro.


(Dirk Niebel [FDP]: Mit massenhaften Arbeitsplatzverlusten im Osten!)


ür Maler und Lackierer liegt der Mindestlohn bei
,15 Euro im Osten bzw. bei 7,85 Euro im Westen. Bei
achdeckern sind es seit dem 1. Januar 2006 10 Euro.

Oft bleiben die niedrigsten Tarifgruppen jedoch unbe-
etzt. Stattdessen wurden in den vergangenen Jahren in
iesen Branchen Arbeitsplätze zu Hunderttausenden ge-
trichen oder ins Ausland verlagert, von der Schaffung
euer Stellen ganz zu schweigen.


(Dirk Niebel [FDP]: Also seid ihr jetzt gegen den Mindestlohn?)


Warten Sie noch ein wenig, Herr Niebel. Ich sage Ih-
en gleich das Ergebnis.

Dasselbe würde – natürlich in größerem Umfang – für
inen gesetzlichen Mindestlohn auf hohem Niveau gel-
en. Er würde zwar ausländische Billigarbeitskräfte fern
alten, aber auch Beschäftigungschancen für niedrig
ualifizierte verringern. Wenn ein Mindestlohn höher

st, als der Arbeitsmarkt eigentlich hergibt, dann sperrt er
erade diese Menschen aus dem Arbeitsmarkt aus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Hört! Hört!)


Sie dürfen ruhig lauter klatschen, Herr Niebel.

Soll ein Unternehmer zwischen den Alternativen
ählen, einen gering Qualifizierten bei hohem Mindest-

ohn einzustellen oder die Produktion in Länder mit
iedrigerem Lohnniveau zu verlagern, braucht man nicht
iel Fantasie zu haben, um sich vorzustellen, wofür er
ich letztendlich entscheidet. Diese Möglichkeit besteht
ür Global Player ungleich stärker als für einen kleinen
ittelständischen Handwerksbetrieb. Kleine und mittel-

tändische Unternehmen, die 75 Prozent der Arbeits-
nd Ausbildungsplätze in unserem Land stellen, werden
iesbezüglich entsprechend benachteiligt. Das kann aber
igentlich nicht im Interesse der Tarifvertragsparteien
ein. Es kann nicht darum gehen, das untere Lohnniveau
ber einen gesetzlichen Mindestlohn anzuheben und so
ls – unerwünschten – Nebeneffekt weite Teile unseres
rbeitsmarktes von unten stillzulegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Es ist ein sehr vielschichtiges Meinungsbild bei der Union!)







(A) )



(B) )


Paul Lehrieder
Darüber hinaus hat der Mindestlohn, per Gesetz fest-
gelegt, das Potenzial, die Tarifautonomie auszuhebeln.
Der Staat kann aber nicht Ersatz für die Tarifparteien
sein. Zudem würden bei Tarifverhandlungen die Ge-
wichte verschoben: Ein gesetzlich garantierter Mindest-
lohn birgt die Gefahr, dass dieser über gewerkschaftli-
chen Druck weiter angehoben wird. Für jede Regierung
wird es dann sehr schwer, diesen Mindestlohn im Sinne
einer dem Markt überlassenen Lohnfindung wieder zu
senken. Letztlich würden so die gesamten Arbeits-
marktreformen konterkariert. Der über das Arbeitslosen-
geld II gesunkene Anspruchslohn, mit dem gering Quali-
fizierte integriert werden sollen, würde durch die
Hintertür wieder angehoben.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])


Wie soll es nun weitergehen? Unsere Fraktion be-
schränkt sich nicht auf ein bloßes Nein zum vorliegen-
den Antrag der Linkspartei. Wir wollen, da die Forde-
rung nach einem Mindestlohnstandard ohne
Einbeziehung der Kombilohndiskussion grundsätzlich
keinen Sinn macht, im Rahmen der Einführung eines
Kombilohnmodells ohne Aufgeregtheit prüfen, ob und,
wenn ja, in welcher Höhe ein Mindestlohn in unser be-
stehendes System eingeführt werden kann.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na, viel Spaß!)


In jedem Fall soll vermieden werden, dass Ähnliches,
wie heute Morgen bei der vorherigen Abstimmung in
diesem Hohen Haus geschehen – als durch die Ein-
schränkung der Bildung von Bedarfsgemeinschaften
durch unter 25-jährige Hartz-IV-Empfänger bestehende
gesetzliche Möglichkeiten zurückgefahren werden
mussten –, bereits nach kurzer Zeit bei der Einführung
eines Mindestlohnmodells droht. Die finanziellen Aus-
wirkungen, die tariflichen Einschränkungen wie auch
die Auswirkungen auf das kollektive Arbeitsrecht sind
mit den jeweils betroffenen Gruppierungen zu erörtern,
bevor eine sinnvolle Diskussion über die Einführung ei-
nes Mindestlohnsektors zielstrebig geführt werden kann.

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich auf das zutref-
fende Sprichwort verweisen: Was immer du beginnst,
bedenke das Ende.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602007700

Herr Kollege Lehrieder, ich gratuliere Ihnen herzlich

zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag, verbun-
den mit allen guten Wünschen für die weitere Arbeit.


(Beifall)


Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Oskar
Lafontaine, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602007800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! In diesem Hause werden drei Positionen zu dem
heute zur Diskussion stehenden Thema vertreten. Ich

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(C (D ill vor dem Hintergrund unseres Antrages auf diese rei Positionen eingehen. Da ist zunächst die Position der Freien Demokratichen Partei, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die ist klipp und klar!)


ie klipp und klar gegen Mindestlöhne ist, allerdings nur
ür diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,
ie geringe Löhne erhalten. Denn Sie sind sehr wohl
Kollege Gysi hat bereits darauf hingewiesen – für

taatlich festgelegte Löhne und staatlich festgesetzte
reise, wenn es um Anwälte, Architekten, Ärzte usw.
eht.


(Zuruf von der FDP: Das ist eine Unverschämtheit!)


it der Forderung nach einem Honorar von 50 Euro pro
tunde für diesen Bereich sind Sie für gesetzliche
öhne. Aber wenn es um geringe Löhne geht, versagt
uf einmal Ihr Denkvermögen. Darin sehen Sie auf ein-
al eine große Gefährdung für den Arbeitsplatz.


(Beifall bei der LINKEN – Andrea Nahles [SPD]: Da hat er Recht!)


Insofern nehmen wir zur Kenntnis, dass Sie eine dezi-
ierte Position haben, die im Hinblick auf eine be-
timmte Klientel zwar akzeptabel, letztendlich aber un-
laubwürdig ist. Denn Sie können wirklich niemandem
rklären, wieso Sie bei Berufsgruppen, die viel verdie-
en, für Mindestlöhne sind, aber bei Berufsgruppen, die
enig verdienen, keine Mindestlöhne vorsehen wollen.
as ist niemandem in Deutschland zu erklären.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist Quatsch!)


Die große Koalition hat sich noch nicht verständigt.
s geht uns nicht darum – wie einige gemutmaßt haben –,
er großen Koalition irgendwelche Schwierigkeiten zu
ereiten, indem wir dieses Thema auf die Tagesordnung
esetzt haben. Wir glauben, dass wir in Deutschland im
oment die Situation haben, dass die Bruttolöhne sin-

en; ich sage das immer wieder. Das heißt, Lohndum-
ing wird ohne Einschränkung fortgesetzt. Menschen
erden arbeitslos, weil sie durch andere ersetzt werden,
ie bereit sind, für viel geringere Löhne zu arbeiten. Die-
en Prozess wollen wir stoppen. Wir haben nicht mehr
ie Zeit, noch lange zu quatschen. Wir müssen entschei-
en. Deshalb haben wir diesen Antrag auf die Tagesord-
ung gesetzt.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun möchte ich etwas zu der Argumentation des Kol-
egen Lehrieder von der CDU/CSU-Fraktion sagen. Es
st schön, dass Sie, wie ich Sie hier erlebt habe, so für
arifverträge eintreten. Es ist gut, dass Sie diese Posi-

ion einnehmen und auch in Zukunft für Tarifverträge
intreten. Nur, beim Mindestlohn geht es überhaupt
icht um diese Position. Sie leben außerhalb der Realität.
s gibt ganze Bereiche in Deutschland, wo die Tarifver-

räge überhaupt nicht mehr greifen und die Menschen






(A) )



(B) )


Oskar Lafontaine
gar keinen tarifvertraglichen Schutz mehr haben. Des-
halb brauchen wir Mindestlöhne.


(Beifall bei der LINKEN)


Reden Sie doch nicht völlig an der Wirklichkeit vorbei!
Es ist unglaublich, was man sich hier teilweise anhören
muss.

Wir sind gespannt, was aus dem Gesäusel wird, das
von der Kanzlerin vorgetragen worden ist: Wir brauchen
Mindestlöhne; ich nähere mich diesem Projekt. – Irgend-
wann muss man sich entscheiden. Die betroffenen Men-
schen können nicht mehr warten. Sie sind bereits seit
Jahren arbeitslos. Deshalb kann man dieses Thema nicht
in der Form ansprechen, wie Sie es getan haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Natürlich, Frau Kollegin Pothmer, gibt es Argumente
für die Position der Grünen. Sie krankt aber daran, dass
differenzierte Mindestlohnregelungen letztendlich zu
einem Lohn von 3,40 oder 3,90 Euro führen würden.
Wir lehnen dies schlicht ab. 3,40 oder 3,90 Euro stellen
in Deutschland keine Grundlage dafür dar, anständig le-
ben zu können. Hier unterscheiden wir uns von der Posi-
tion der Grünen.


(Beifall bei der LINKEN)


Was die Argumentation des Vorredners angeht,
8 Euro seien nun wirklich nicht vertretbar, so frage ich
mich, ob Sie nicht in der Lage sind, einmal über die
Grenze zu schauen. In Frankreich liegt der Mindestlohn
bei 8,13 Euro. Wieso stellen Sie sich also hierher und tun
so, als sei dies nicht machbar, als sei eine Massenabwan-
derung von Arbeitsplätzen die Folge? Sie betreiben eine
Irreführung der Öffentlichkeit. Was andere europäische
Länder können, können wir auch in Deutschland. Des-
halb sind wir für den Mindestlohn.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine letzte Bemerkung.


(Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602007900

Herr Kollege, würden Sie – –


Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602008000

Ja, ich weiß, Herr Präsident. – Die Bolkestein-Richtli-

nie stellt für uns eine Herausforderung dar – – Ach, es
geht um eine Frage. Entschuldigung!


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602008100

Sie hätten beinahe leichtsinnig die Möglichkeit der

Verlängerung Ihrer Redezeit ausgeschlagen und wir alle
hätten sagen können: Wir sind dabei gewesen.


Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602008200

Vielen Dank für den Tipp, Herr Präsident. Ich sehe,

Sie sind fürsorglich.

Bitte schön, Herr Kollege.

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(C (D Mir geht es eigentlich nicht um die Verlängerung Ih er Redezeit. Aber das muss ich wohl in Kauf nehmen. Sie reden ja so gerne über Tarifverträge. Nehmen Sie ur Kenntnis, dass das Land Berlin, in dem die PDS bzw. inkspartei mitregiert, Tarifflucht betrieben hat, und timmen Sie mir zu, dass hier auch öffentliche Aufgaben urch 1-Euro-Jobs erfüllt werden? Herr Kollege, ich habe schon viele Wahlkämpfe ge ührt. Es ist rührend, dass Sie jetzt versuchen, Wahlampf zu führen. Ich möchte Sie aber darauf hinweisen, ass der Tarifvertrag im Land Berlin, unter den der Kolege Bsirske seine Unterschrift gesetzt hat, differenziert usgestaltet ist und sogar dafür gesorgt hat, dass Solidaität innerhalb des öffentlichen Dienstes verwirklicht erden konnte. as sollten Sie zur Kenntnis nehmen, statt kleinkarierte ragen zu stellen, die einfach falsch sind. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602008300

(Heiterkeit)

Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602008400

(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zum Schluss: Die Bolkestein-Richtlinie,
ie sich zurzeit im Parlament in der Diskussion befindet
sie ist ja noch nicht verabschiedet worden –, wurde
ittlerweile stark verwässert. Ich will mich gar nicht in

ie Diskussion darüber einmischen – so viel Zeit steht
ir auch gar nicht mehr zur Verfügung –, wer sich wo

urchgesetzt hat. Nachdem nun aber die Bereiche So-
ialgesetzgebung und Verbraucherschutz herausgenom-
en worden sind, muss man schon genau hinsehen, was

ier eigentlich passiert.

Die Richtlinie stellt aber auf jeden Fall einen Grund
ar, in Deutschland endlich einen Mindestlohn einzufüh-
en. Sie wird nämlich nicht nur auf die Löhne Druck aus-
ben, die sich unterhalb der Schwelle bewegen – das ist
n Gesamteuropa mittlerweile akzeptiert –, sondern auch
uf die Löhne, die sich über den Mindestlöhnen bewe-
en. Das wird bei dieser Diskussion immer ausgeklam-
ert. Deutschland befindet sich mittlerweile in einer
ohnabwärtsspirale. Es ist höchste Zeit, diese Spirale zu
toppen, wenn man überhaupt noch ein Herz für diejeni-
en hat, die den Euro mehrmals umdrehen müssen, weil
ie nicht wissen, wie sie ihren täglichen Lebensunterhalt
ezahlen sollen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602008500

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Kolb

as Wort.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1602008600

Schönen Dank, Herr Präsident. – Herr Kollege

afontaine, damit es sich nicht versehentlich in Ihren
öpfen festsetzt, will ich auf Folgendes hinweisen: Bei






(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
der Gebühren- und Honorarordnung – das ist ein
Thema, über das man sicherlich trefflich streiten kann –
handelt es sich, wie Sie zu Recht gesagt haben, um eine
Preisregelung. Wir reden hier über den Umsatz bei-
spielsweise einer Rechtsanwaltspraxis oder eines Archi-
tekturbüros.

Ich weiß, dass die Linken ein Problem damit haben,
zwischen Umsatz und Gewinn zu unterscheiden.


(Lachen bei der LINKEN)


Deshalb will ich noch einmal darauf eingehen. Von dem,
was ein Rechtsanwalt erlöst, muss er noch die Miete für
die Kanzlei und die Löhne und Gehälter der Rechtsan-
walts- und Notargehilfin zahlen. Der Kollege Gysi kennt
das. Was am Schluss verbleibt – das hängt von vielen
Faktoren ab, auch davon, wie viele Fälle ein Rechtsan-
walt hat –, stellt die Vergütung des Anwalts dar. Dass das
ein gewisser Unterschied ist, sollte man zur Kenntnis
nehmen.

Einmal nachrichtlich zu den Honorar- und Gebühren-
ordnungen: Die für Architekten sind seit Jahren nicht
mehr angepasst worden, die für Anwälte vielleicht, weil
die eine relativ gute Lobby im Deutschen Bundestag ha-
ben, Herr Kollege Gysi. Bei den Architekten ist das
schwieriger. So üppig sind die Honorare jedenfalls nicht.

Ich will noch etwas anderes ausdrücklich festhalten:
Ich habe Ihre Anregung aufgenommen, erneut nachge-
rechnet – das war eigentlich nicht erforderlich, weil Sie
es hier gesagt haben – und festgestellt: Die Linke will ei-
nen Mindestlohn von 8 Euro. Sie verweisen auf Frank-
reich. Das Problem ist nur, dass die Franzosen in der Re-
gel einen Mindestlohn festlegen, diesen ins Schaufenster
legen, ihn dann jedoch mit sehr vielen Ausnahmen aus-
höhlen, sodass er in der Praxis nicht greift. Wenn wir in
Deutschland flächendeckend einen Mindestlohn von
8 Euro hätten, würde das einen Kahlschlag in vielen Be-
reichen hervorrufen. Es würden wahrscheinlich Hun-
derttausende von Arbeitsplätzen in Bereichen entfallen,
in denen die Löhne heute deutlich unter diesem Mindest-
lohn liegen. Deswegen kann man Ihrem Vorschlag nicht
mit gutem Gewissen und Verstand folgen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602008700

Zur Erwiderung, Herr Kollege Lafontaine.


Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602008800

Ich verstehe, dass die FDP Schwierigkeiten hat, wenn

man sie mit ihrer Widersprüchlichkeit konfrontiert.


(Dirk Niebel [FDP]: Wir haben keine Schwierigkeiten!)


Ich gehe zunächst einmal auf Ihren Beitrag ein, in
dem Sie so tun, als ginge es nur um eine Preisfestset-
zung. Das ist sachlich falsch.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? Kollege Gysi hat genickt!)


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(C (D elbst wenn man für staatlich festgesetzte Preise ist, verhrter Herr Kollege, ist das für die FDP kein Ruhmeslatt, weil Sie ja in jedweder staatlicher Festlegung von reisen ein Teufelswerkzeug sehen. Wieso haben Sie im ereich der Selbstständigkeit keine Probleme mit staat ich festgesetzten Preisen? Im Übrigen ist Ihr Hinweis schlicht und ergreifend achlich falsch. Wir haben Gebühren und Honorare. Die ebühren spiegeln – wenn man so will – die Preissteue ung wider. Honorare sind die Stundensätze. Bei Selbsttändigen mit höheren Einkommen – da kommen Sie icht raus – sind Sie für staatlich festgesetzte ordentliche indestlöhne, während Sie sie den Geringverdienern erwehren wollen. Das macht Ihre Unglaubwürdigkeit us. (Beifall bei der LINKEN – Dirk Niebel [FDP]: Sie handeln Ihre „Bild“-Zeitungshonorare doch auch frei aus!)


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602008900

Nun haben sich außer dem Präsidenten auch noch

iele Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege
afontaine, an der Vermehrung Ihrer Redezeit wirklich

atkräftig beteiligt,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


as ich wegen gelegentlicher Beschwerden noch einmal
usdrücklich festhalten möchte. Ich weise im Übrigen
ber schon jetzt darauf hin, dass ich weitere Kurzinter-
entionen zu diesem Tagesordnungspunkt nicht mehr
ulassen möchte, weil wir zu Beginn eine Vereinbarung
ber die Gesamtdebattenzeit getroffen haben.

Nun erhält als nächste Rednerin die Kollegin Katja
ast für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1602009000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

ollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat starten:


(Dirk Niebel [FDP]: Auch von Marx?)


Die Tarifvertragsparteien sind aufgefordert, bun-
deseinheitliche tarifliche Mindestlöhne in allen
Branchen zu vereinbaren.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist jedenfalls nicht Papst Leo XIII.!)


Soweit dies nicht erfolgt oder nicht erfolgen kann,
werden wir Maßnahmen für einen gesetzlichen
Mindestlohn ergreifen.

Ich zitiere das SPD-Wahlkampfmanifest aus dem
undestagswahlkampf des letzten Jahres.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Daran haltet ihr euch doch sonst nicht! – Dirk Niebel [FDP]: Was stand darin zur Mehrwertsteuer?)







(A) )



(B) )


Katja Mast
Es macht deutlich, dass die SPD in Gänze hinter dem
Ziel steht: Wer arbeitet, muss auch davon leben können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Unser Parteivorsitzender, Matthias Platzeck, hat völlig
Recht, wenn er fordert, existenzsichernde Löhne in
Deutschland zu garantieren.


(Beifall bei der SPD)


Heute diskutieren wir im Bundestag über existenzsi-
chernde Löhne. In jedem Gespräch mit Bürgerinnen und
Bürgern wird die Sorge deutlich: Ein Arbeitstag rund um
die Uhr, ohne den eigenen Kindern eine Ausbildung er-
möglichen zu können! Es gibt viele Beispiele, die eines
deutlich zeigen: Unser Handeln als Volksvertreter ist
dringend notwendig. Insgesamt gibt es in Deutschland
zurzeit 3 Millionen Menschen, die Vollzeit arbeiten und
dennoch unter der Armutsgrenze leben. Ich weiß nicht,
ob Sie sich alle vorstellen können, was das heißt, aber
ich denke, die meisten hier im Haus wissen das.

Es gibt Menschen in Deutschland, die bei einer Vier-
zigstundenwoche weniger als 600 Euro brutto verdienen,
zum Beispiel ein Angestellter im Gartenbau in Sachsen
mit einem Stundenlohn – wenn ich Sie jetzt schätzen
ließe, würden Sie nie auf diesen Stundenlohn kommen –


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir können das ausrechnen!)


von 2,74 Euro. Das sind 438 Euro brutto im Monat. Ein
Friseur in Thüringen bekommt 3,18 Euro pro Stunde.


(Dirk Niebel [FDP]: Wer hat die Tarifverträge unterschrieben?)


Nur zum Vergleich: Ein Arbeitslosengeld-II-Empfänger
bekommt inklusive Zuschuss zu Miete und Heizkosten
maximal 665 Euro.

Durch die Freizügigkeit in Europa hat sich unser Ar-
beitsmarkt verändert. Jeder Europäer kann vom Grund-
satz her überall in der Europäischen Union arbeiten.
Aber in den einzelnen europäischen Staaten sind die
Lohnunterschiede enorm. Für uns in Deutschland stellt
sich nun die Frage: Wollen wir uns an das Lohnniveau in
Polen, Rumänien oder Portugal anpassen? In Rumänien
beispielsweise sind Monatslöhne von 150 Euro keine
Seltenheit. Wir von der SPD wollen uns daran nicht an-
passen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Denn sonst wäre die Sorge der Menschen berechtigt. So-
wohl unser Wohlstand als auch unser Sozialstaat basie-
ren auf dem Prinzip: Wer arbeitet, muss davon seine
Existenz sichern können.

Nun ist natürlich die Frage spannend, wie hoch ein
existenzsichernder Lohn sein soll. Unsere Kolleginnen
und Kollegen von der PDS haben sich festgelegt: Min-
destens 8 Euro per Gesetz lautet ihre Forderung. Aber so
einfach ist die Welt nicht.


(Jörg Tauss [SPD]: Die machen es sich immer einfach!)


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(C (D elbst der DGB-Vorsitzende Michael Sommer und erdi-Chef Frank Bsirske legen sich auf einen Betrag arunter fest, nämlich 7,50 Euro. Aber ich frage mich: ollen wir nun einen Wettlauf starten, in dem jeder eine ndere Zahl nennt und die höchste ist die beste Zahl? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ein persönliches Verständnis von Politik sagt mir: Das
st falsch. Es geht um differenzierte Lösungen, die die
arifautonomie berücksichtigen.

Hilfreich finde ich auch einen Blick über die Grenzen.
8 von 25 EU-Mitgliedstaaten haben einen Mindest-
ohn, davon sind 16 gesetzlich festgelegt. In Großbritan-
ien, zum Beispiel, liegt der Mindestlohn unter
,50 Euro. Mindestlohn – dies ist vielleicht für die Kol-
eginnen und Kollegen von der FDP sehr wichtig – ist
chon längst ein international akzeptiertes Instrument als
ntwort auf die Globalisierung.


(Beifall bei der SPD)


Wie soll nun die Höhe des Mindestlohns in Deutsch-
and aussehen? Wir in der SPD sind der Meinung: Sie
uss die Regelungen der Tarifautonomie berücksichti-

en.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


as ist ein komplexes System, aber es hat sich in der Pra-
is bewährt. Wir in der SPD-Bundestagsfraktion setzen
ns deshalb mit den Gewerkschaften zusammen und dis-
utieren über Modelle. Unser Ziel ist es, ausgehend von
pezifischen Bedürfnissen der Branchen und auch der Re-
ionen, Instrumente zu entwickeln, die existenzsichernde
öhne garantieren. Dort, wo es Tarifverträge gibt, sollen
iese für die gesamte Branche gelten. Das erreichen wir
urch das Entsendegesetz oder die Allgemeinverbind-
ichkeitserklärung. Dort, wo es keine Tarifverträge gibt,
rauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn, der sich
benfall an den Besonderheiten orientiert.

Dieses komplexe System macht allerdings auch deut-
ich, dass ein Schnellschuss hierbei alles andere als sinn-
oll ist. Wir sind uns sicher, dass wir sowohl in der Zu-
ammenarbeit mit den Gewerkschaften als auch in
nserer Koalitionsarbeitsgruppe zu guten Ergebnissen
ommen werden.

Woher kommt diese Sicherheit? Die Zahl der Befür-
orter einer Neuregelung nimmt auch in konservativen
reisen zu.


(Dirk Niebel [FDP]: Ach!)


ute Lösungen brauchen Zeit. Diese Zeit wollen wir uns
n diesem Jahr nehmen.

Wie gesagt, es gibt in der Europäischen Union bereits
8 Länder mit einem Mindestlohn. Ab nächstem Jahr
ind es 19. Denn dann gehören wir dazu. Das sind wir
en Menschen schuldig, die darauf angewiesen sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602009100

Das Wort erhält nun der Kollege Dirk Niebel für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP – Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Jetzt sind wir gespannt!)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602009200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Gysi, wer Mindestlöhne festlegt, der wird
als nächsten Schritt auch die staatlichen Brot- und But-
terpreise haben.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Denn beidem liegt das gleiche Prinzip zugrunde. Deswe-
gen ist Ihr Antrag nicht zielführend.

Das Grundproblem in Deutschland ist ein ganz ande-
res – es ist bemerkenswert, dass die Bundesregierung in
dieser Debatte überhaupt nicht das Wort ergreift –: Das
Grundproblem besteht darin, dass viel zu viele Men-
schen in einer dauerhaft gefestigten Arbeitslosigkeit ver-
harren müssen.

Weshalb ist das so? 2 Millionen Menschen bzw.
39 Prozent der Arbeitslosen sind gering qualifiziert. Die
hohe Sockelarbeitslosigkeit, Herr Gysi, ist das Ergebnis
der in den vergangenen Jahrzehnten gut gemeinten und
durchgeführten Sockellohnerhöhungen, bei denen die
Löhne der unteren Lohngruppen deutlich höher – über-
proportional – angehoben worden sind als die Löhne der
anderen. Das war gut gemeint, aber man hat damit die
Menschen aus dem Arbeitsmarkt gedrängt; denn der
Preis für ihre Leistung war plötzlich zu hoch. Diese
Leistung wurde dann im Inland oder als legale Leistung
nicht mehr nachgefragt. Dass die Schattenwirtschaft mit-
tlerweile ein geschätztes Volumen von 346 Milliarden
Euro hat, ist unter anderem ein Ergebnis dieser gut ge-
meinten Sockellohnerhöhungen;


(Beifall bei der FDP)


denn der Faktor Arbeit ist darüber hinaus viel zu stark
durch Steuern und Abgaben belastet.

Wenn ich höre, was insbesondere vonseiten der So-
zialdemokratie gesagt wird, dann muss ich mich sehr
wundern: Einerseits beklagen Sie, dass die Menschen zu
wenig Geld haben, andererseits tragen Sie die Merkel-
Münte-Steuererhöhung, die Mehrwertsteuererhöhung
um 3 Prozentpunkte, mit, wodurch Sie den Menschen
noch mehr Geld aus der Tasche ziehen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE])


Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, warum
Sie nicht den umgekehrten Weg gehen: Sie sollten versu-
chen, die Menschen zu entlasten und dafür zu sorgen,
dass ihnen von ihrem selbst verdienten Geld mehr übrig
bleibt. Dann könnten sie investieren und konsumieren.
Dann könnten auch neue Arbeitsplätze geschaffen wer-
den,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist für die ja viel zu einfach!)


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(C (D odurch die Menschen die Chance hätten, wieder am esellschaftlichen Leben teilzuhaben. (Andrea Nahles [SPD]: Was ist denn mit dem Steuerfreibetrag? Sagen Sie dazu auch mal etwas!)


Indem man aber einen staatlich festgelegten Mindest-
ohn einführt, greift man in die Tarifautonomie ein.
rau Mast hat bereits angedeutet, dass in all den Berei-
hen, in denen es keinen Tarifvertrag gibt, ein staatlicher
indestlohn eingeführt werden soll. Hier widersprechen

ie sich selbst. Sie haben ja vorgelesen, wie hoch die Ta-
iflöhne sind. Auch ich habe mich darüber informiert.
eilweise ist es wirklich beängstigend, zu sehen, welche
egelungen die Tarifvertragsparteien, also auch die Ge-
erkschaftsfunktionäre, die Ihrer Partei angehören, un-

erschrieben haben. So gibt es zum Beispiel im privaten
ransport- und Verkehrsgewerbe in Mecklenburg-Vor-
ommern einen Tariflohn in Höhe von 3,91 Euro. Jeder
eiß, dass man in Deutschland nicht von einem solch
iedrigen Stundenlohn leben kann.

Aber man kann das Steuersystem auf vernünftige Art
nd Weise so organisieren – das hat auch der Herr Bun-
espräsident Anfang dieses Jahres im „Stern“ vorge-
chlagen; wir führen ja nachher noch eine Debatte
azu – und zu einem negativen Einkommensteuersystem
ommen, dass jemand sowohl durch Arbeit Geld verdie-
en als auch ohnehin vorhandene Transferleistungen be-
iehen kann, ohne dass durch Mitnahmeeffekte bei den
rbeitgebern die Arbeitsplätze „downgegradet“ werden.


(Abg. Jörg Tauss [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Herr Präsident, falls Sie Herrn Tauss nicht sehen,
öchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass er mich

twas fragen möchte. Ich würde mich auch fragen las-
en.


(Vereinzelt Heiterkeit)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602009300

Es ist ja sehr schwer, Herrn Tauss nicht zu sehen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihn nicht zu hören, das ist auch sehr schwer, Herr Präsident!)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602009400

Das ist wohl wahr, ja.


(Jörg Tauss [SPD]: Herr Niebel würde mich doch nie übersehen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602009500

Deswegen erweckt Ihre Nachfrage unnötigerweise

en Eindruck einer bestellten Zwischenfrage. Dass dem
o ist, möchte ich ausdrücklich ausschließen. Aber ich
ermute, dass Sie die Zwischenfrage des Kollegen Tauss
enehmigen möchten.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602009600

Ich würde mir diese Freude nie entgehen lassen, Herr

räsident.






(A) )



(B) )


Dirk Niebel

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist auch gut so! Der Kollege Tauss möchte nämlich etwas lernen!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1602009700

Lieber Herr Niebel, Ihre Freude wird sich noch stei-

gern. Ich will Sie fragen, ob Sie bereit sind, mit mir eine
Wette abzuschließen, und zwar darüber, ob es in den
letzten Jahren Sockellohnerhöhungen gegeben hat oder
nicht. Wenn Sie mir beweisen können, dass es in einem
Tarifvertrag in den letzten Jahren zu Sockellohnerhöhun-
gen gekommen ist, also zu Tariferhöhungen, von denen
die unteren Lohngruppen überproportional profitiert ha-
ben, würden Sie von mir eine Kiste unseres guten nord-
badischen Weins bekommen,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was heißt denn „in den letzten Jahren“? Welchen Zeitraum meinen Sie denn genau?)


und wenn Sie diesen Nachweis nicht erbringen können,
müssten Sie mir eine Kiste geben. Wären Sie bereit,
diese Wette mit mir abzuschließen, damit wir dieses
Thema im Deutschen Bundestag künftig nicht mehr auf
diese Art und Weise erörtern müssen?


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602009800

Lieber Herr Kollege Tauss, da ich weiß, dass Sie den

guten nordbadischen Wein nach den Landtagswahlen am
26. März dringender benötigen werden als ich, werde ich
diese Wette nicht annehmen;


(Jörg Tauss [SPD]: Warum denn das nicht?)


denn Sie haben von den „letzten Jahren“ gesprochen.
Diese Formulierung ist zunächst einmal zu definieren.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Genau so ist es! Meinen Sie die letzten 15 Jahre oder welchen Zeitraum? – Zurufe von der SPD: Das ist doch bloß eine Ausrede! – Jetzt weicht er aus! – Spielverderber!)


– Wenn Sie mir eine Frage stellen, müssen Sie auch mit
meiner Antwort leben.


(Jörg Tauss [SPD]: Dass ich nicht lache!)


– Sie können mich fragen, was Sie wollen, und ich kann
Ihnen antworten, was ich will; so handhaben wir das.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP], zu Abg. Jörg Tauss [SPD] gewandt: Wenn es Ihnen um die letzten 15 Jahre geht, nehme ich Ihre Wette an, Herr Tauss!)


Wenn Sie sich die Entwicklung der Arbeitslosenquote
in der Bundesrepublik Deutschland ansehen, werden Sie
feststellen, dass die Massenarbeitslosigkeit, die sich seit
dem Ölpreisschock gerade im Bereich der gering Quali-
fizierten verfestigt hat, das Ergebnis der Sockellohnerhö-
hungen ist, zu denen es damals gekommen ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein!)


Wenn Sie sich die Tarifverträge, die im öffentlichen Sek-
tor in den letzen 15 Jahren abgeschlossen worden sind,

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(C (D nsehen, werden Sie das ebenfalls feststellen. Aber nun ollten Sie sich einfach hinsetzen und sich um Ihre eigeen Probleme kümmern. (Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Wir haben doch gar keine! – Weitere Zurufe von der SPD: Buh! Buh! – Jetzt geht es aber los! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP], zu Abg. Jörg Tauss [SPD] gewandt: Also, Herr Tauss, ich nehme Ihre Wette an, wenn sie sich auf die letzten 15 Jahre bezieht!)


Ein Aspekt wurde gar nicht beachtet: das
rbeitslosengeld II. Sie haben das Arbeitslosengeld II

ls soziokulturelles Existenzminimum eingeführt. Im
ahmen des Vermittlungsverfahrens wurde richtiger-
eise festgestellt, dass jede legale Arbeit zumutbar ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP], zu Abg. Andrea Nahles [SPD] gewandt: Frau Nahles, Sie sollten lieber zuhören! Der Kollege Niebel möchte Ihnen nämlich etwas Wichtiges sagen!)


Mit dem Arbeitslosengeld II, bei dessen Berechnung
ie leider immer vergessen, die Wohn- und Energiekos-

en einzubeziehen, gibt es bereits einen staatlich festge-
egten Mindestlohn. Wenn Sie nun einen Anreiz dafür
chaffen wollen, dass die Betroffenen aus dem Bezug
on Transferleistungen herausgehen, dann müssen Sie
en Mindestlohn, den Sie neu einführen wollen, deutlich
öher als das Arbeitslosengeld II ansetzen. Denn ande-
enfalls hätte das den Effekt, dass kein Mensch einen
irtschaftlichen Anreiz hätte, statt des Bezugs einer
ransferleistung eine Arbeitsstelle anzunehmen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)


ir wollen doch nicht dauerhaft eine Gesellschaft von
aschengeldempfängern organisieren, in der den Men-
chen zuerst womöglich alles Selbstverdiente wegge-
ommen und ihnen dann etwas zugeteilt wird. Wir wol-
en den Menschen die Möglichkeit geben, durch eigener
ände Arbeit wieder ein Bestandteil der Gesellschaft zu
erden und ihren Lebensunterhalt – wenigstens teil-
eise – selbst zu verdienen. Das hat etwas mit der
ürde der Betroffenen zu tun; darum muss es uns ge-

en.


(Beifall bei der FDP)


Vor dem Hintergrund der heutigen Debatte fordere ich
ie noch einmal eindringlich auf: Kehren Sie um! Ver-

assen Sie den Weg, die Bürger immer weiter abzukas-
ieren! Fangen Sie damit an, dass Sie wenigstens auf die
erkel/Münte-Steuererhöhung verzichten.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])


orgen Sie dafür, dass in diesem Land investiert und
onsumiert werden kann! Nur das schafft Arbeitsplätze
nd nur das bringt die Menschen aus der Sockelarbeits-
osigkeit heraus, die unter anderem Sie, Herr Tauss,
urch Ihre falsche Tarifpolitik mit zu verantworten ha-
en.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602009900

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Hiller-

Ohm für die SPD-Fraktion.


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1602010000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich

glaube, es war Mitte 2004, als Franz Müntefering mit
seiner Forderung nach Mindestlöhnen die Republik in
Aufregung versetzt hat. Inzwischen hat sich der Pulver-
dampf zum Glück verzogen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt regt sich die Republik über andere Dinge auf!)


Ich erinnere mich noch sehr genau an die Bundestags-
debatte über Mindestlöhne im letzten Jahr,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Münte immer im Mittelpunkt!)


als wir mit den Grünen das Entsendegesetz entsprechend
anpassen wollten. Schade, dass die PDS zu diesem ihr
doch so wichtigen Thema damals nichts zu sagen hatte:
Kein einziges Wort zum Mindestlohn in dieser Debatte!
Heute lehnen Sie sich dafür umso weiter aus dem Fens-
ter. Voran bringt uns Ihr Schnellschussantrag leider
nicht. Mit Ihrer pauschalen Forderung von 8 Euro für
alle Tätigkeiten lassen sie die Vielschichtigkeit des The-
mas vollkommen außer Acht. Die Sorge ist aber berech-
tigt, dass mit einem beliebig gegriffenen Mindestlohn
– nach dem Prinzip Hoffnung – großer Schaden ange-
richtet werden kann. Was wir brauchen, sind differen-
zierte und möglichst branchenspezifische Lösungen.

Informieren Sie sich doch einmal bei den Gewerk-
schaften! Diese haben inzwischen einen dreistufigen An-
satz zum Schutz vor Lohndumping entwickelt: An ers-
ter Stelle Tarifverträge, an zweiter die Ausweitung des
Entsendegesetzes – mit dem Vorteil, dass nicht der Ge-
setzgeber, sondern die Tarifparteien selbst die Mindest-
löhne vereinbaren – und an dritter Stelle gesetzliche
Mindestlöhne. Ich finde diesen Ansatz gut. Er kommt
unseren Vorstellungen sehr entgegen. Ihnen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von der Linkspartei, sind die Lö-
sungsvorschläge der Gewerkschaften in dieser für die
Menschen im Niedriglohnbereich so wichtigen Frage of-
fensichtlich egal.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn man sich Ihren Antrag anschaut, wird man das Ge-
fühl nicht los, dass Sie Angst vor der eigenen Courage
haben. Wie sonst kann es sein, dass Sie Übergangsrege-
lungen für kleine und mittlere Unternehmen einführen
wollen, die damit überfordert sind, 8 Euro die Stunde zu
zahlen?! Wie lange sollen solche Übergangsfristen gel-
ten und wer soll das alles kontrollieren? Dazu finde ich
in Ihrem Antrag kein einziges Wort.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wovon leben die Menschen in der Zwischenzeit?)


Zum Antrag der Grünen. Ich will eine gewisse Sym-
pathie für Ihren Antrag nicht verhehlen.

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(C (D (Beifall der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na, na! Die rot-grüne Zeit ist vorbei!)


ber man merkt, dass er mit heißer Nadel gestrickt ist.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dabei haben wir so lange daran gearbeitet!)


ei einem so wichtigen Thema sollten wir uns aber die
ötige Zeit nehmen.

Wir lehnen beide Anträge ab.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber aus Prinzip!)


inister Müntefering hat angekündigt, bis zum Herbst
inen Vorschlag zu Kombi- und Mindestlöhnen vorzule-
en. Im Koalitionsvertrag haben wir verabredet, die
ohnstrukturen am Arbeitsmarkt gemeinsam unter die
upe zu nehmen, Kombilohnmodelle zu prüfen und da-
ei auch das Thema Mindestlohn anzupacken. Ich bin
uversichtlich, dass uns hier etwas Gutes gelingen wird.
enn in den Reihen der Union ist Bewegung zu erken-
en.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? – Dirk Niebel [FDP]: Das nennt sich auch Eiertanz! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das Laufen im Kreis ist auch eine Bewegung!)


enn der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium
ürmeling offen anspricht, dass er glaubt, dass wir in
ehr Branchen in Deutschland Mindestlöhne bekom-
en, und betont, dass auch er dafür sei, dann ist das eine

ute Verhandlungsgrundlage.

Diese Aussicht kann Sie, meine Herren von der FDP
Damen sind keine mehr da, obwohl gerade Frauen die-
es Thema enorm interessieren müsste –, natürlich nicht
efriedigen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ei Ihnen ist keinerlei Bewegung zu erkennen. Ich frage
ie: Warum lösen Sie sich nicht endlich aus Ihrer ideolo-
ischen Totenstarre und nehmen zur Kenntnis, dass
eutschland und Europa nicht nur aus Wettbewerb pur
estehen? Hier leben Menschen, die ein Recht auf Teil-
abe, Chancengleichheit und natürlich auch existenz-
ichernde Löhne haben. Die Menschen können frei wäh-
en, wo in Europa sie leben und arbeiten wollen. Wir
üssen dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen

timmen.

Wir haben gerade erlebt, was passiert, wenn wir nicht
ufpassen und den Rahmen nicht richtig setzen. Dann
erlieren die Menschen das Vertrauen in die Politik. Sie
enden sich von einem Europa ab, das ihnen das Gefühl
ermittelt, Verlierer zu sein. Der massive Protest der Be-
ölkerung gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie hat
ezeigt: Markt ist nicht alles, er kann nur in Überein-
timmung mit guten Standards im Sozial- und Arbeits-
echt funktionieren. Mindestlöhne sind hier ein wichti-
er Baustein.






(A) )



(B) )


Gabriele Hiller-Ohm
Herr Niebel, das ist auch ganz unabhängig von der
Mehrwertsteuererhöhung.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, nein, nein!)


Mit oder ohne Mehrwertsteuererhöhung: Wir brauchen
Mindestlöhne.


(Dirk Niebel [FDP]: Aber Sie brauchen wegen der Mehrwertsteuererhöhung 3 Prozent höhere Löhne!)


Herr Niebel, stellen Sie also endlich Ihre Nebelmaschine
ab.


(Beifall bei der SPD)


Inzwischen begreifen das immer mehr: Wissenschaft-
ler, Gewerkschafter und zum Glück auch unser neuer
Koalitionspartner.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na, na, na!)


Die FDP hingegen verteufelt den Mindestlohn als maxi-
malen Unsinn. Herr Brüderle spricht vom Antikapitalis-
mus der Sozialdemokraten, der sich in dieser Frage of-
fenbare, und erschrickt über die Sozialdemokratisierung
der Union, die sich in erschreckendem Tempo fortsetze.


(Beifall bei der FDP)


Frau Merkel wandele in dieser Frage inzwischen gar auf
den Spuren von Marx und Co.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Also ehrlich: Wenn es denn so wäre und wenn es den
Menschen dann nützt: Ich könnte nichts Schlechtes da-
ran finden, Herr Niebel.


(Beifall bei der SPD)


Meine Damen und Herren von der FDP: Sie sollten
sich einmal fragen, warum Sie mit Ihrer Einstellung zum
Mindestlohn zunehmend alleine stehen. Ich will es Ihnen
sagen: Sie haben sich zu weit von den Lebenswirklich-
keiten der Menschen entfernt.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Das glaube ich nicht! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das nehmen Sie jetzt sofort zurück!)


Herr Niebel, Sie haben im Oktober einen flotten Spruch
losgelassen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wieso im Oktober? Das macht er ständig! – Dirk Niebel [FDP]: Wieso denn nur einen?)


Mit Blick auf die SPD haben Sie gesagt:

Wer heute Mindestlöhne fordert, verlangt morgen
staatlich festgelegte Bierpreise.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Herr Kollege, richtig muss der Satz lauten: Wer heute
Mindestlöhne fordert, setzt sich für die Menschen ein,
die von ihrer Hände Arbeit leben müssen und dafür ihren
gerechten Lohn verlangen. – Das tun wir, Herr Niebel.

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(C (D Frau Kollegin. Über die Verstaatlichung der Bierpreise und die ehrwertsteuer reden wir dann ein anderes Mal. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Dass ich nur einen flotten Spruch gemacht habe, stimmt nicht! Das war mehr als nur einmal im Oktober!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602010100
Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1602010200


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602010300

Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes erhält der

ollege Laurenz Meyer das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich hoffe, er stellt diese Sache, die von der SPD gekommen ist, jetzt klar!)


ls Vertreter einer einschlägig ausgewiesenen Region
ird er die Frage nach der Entwicklung der Bierpreise

icher abschließend beantworten.


(Heiterkeit im ganzen Haus)



Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1602010400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf

as Thema Bierpreise werde ich mich hier überhaupt
icht kaprizieren. Ich schlage vor, dass wir das Thema
indestlohn so angehen, wie wir viele andere Themen

uch angehen,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Also gar nicht!)


ass wir uns in Europa umschauen und uns ansehen, was
ort funktioniert und was dort aus unserer Sicht mögli-
herweise auch nicht funktioniert.

Zunächst einmal muss ich dabei feststellen: In 19 von
5 Ländern gibt es einen Mindestlohn. Als Zweites stelle
ch fest – darauf hat der Kollege Brauksiepe schon hin-
ewiesen –, dass die Unterschiede in Europa riesengroß
ind: Der Mindestlohn bewegt sich innerhalb der EU
wischen 1 300 Euro und 120 Euro. Deswegen werden
ir uns das ansehen und schauen, ob andere es richtig
achen. Wenn es Möglichkeiten gibt, zu sinnvollen Lö-

ungen zu kommen, werden wir sie nutzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir brauchten keine andere Regierung, sondern eine bessere Koalition!)


Während ich mir heute die Debatte hier angehört
abe, habe ich nicht den Eindruck gewonnen, dass auf
llen Seiten ideologisch schon richtig abgerüstet worden
st. Bei der Rede von Herrn Gysi und durch den Antrag
er Linken habe ich etwas Bemerkenswertes erfahren.
enn ich Journalist wäre, dann würde ich mich bezüg-

ich der Rechnung von Herrn Gysi, mit der er auf seinen
indestlohn gekommen ist, nicht nur auf die 8 Euro,

ondern auch auf die 40 Stunden konzentrieren. Als
berschrift würde ich schreiben: Gysi fällt Bsirske in
en Rücken und akzeptiert die 40-Stunden-Woche.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)







(A) )



(B) )


Laurenz Meyer (Hamm)

Das ist die erste Botschaft des heutigen Tages und wir
sollten sie festhalten.

Ich komme nun zu dem, was Herr Lafontaine und
Herr Gysi über Anwälte und Architekten gesagt haben.
Herr Lafontaine, Herr Gysi, wenn Anwälte anders als
Sie nur einen Auftrag in der Woche haben, möglicher-
weise noch von einem Mandanten mit weniger Geld,
dann ist das für den Mandanten zwar gut, dass er einen
festen Satz bezahlen muss, aber nicht für den Anwalt.
Deswegen ist dieses ganze Gerede einfach nur Klassen-
kampf pur. Hier müssen wir uns fragen: Was wollen Sie
damit für die Menschen erreichen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In der Bauwirtschaft gilt das Arbeitnehmer-Entsen-
degesetz. Wir wissen aber auch, was in diesem Bereich
passiert. Das brauchen wir uns nur in Ruhe anzusehen.
Wenn einer staatlichen Stelle – Frau Nahles, selbst Ge-
werkschaften –, die einen Bauauftrag zu vergeben hat,
ein Angebot mit ausschließlich deutschen Kräften für
10 Millionen Euro und ein anderes Angebot mit Sub-
unternehmen aus dem Ausland für 8 Millionen Euro vor-
liegt, dann ist die Versuchung offensichtlich groß – für
staatliche Stellen wie für Gewerkschaften wie für Ar-
beitgeber –, das Angebot mit den Subunternehmen für
8 Millionen Euro anzunehmen. Damit sind die ganzen
Regelungen ausgehebelt und wir haben ein Problem.

Wenn dann noch die Arbeitszeiten nicht kontrollier-
bar sind und die betreffenden Arbeitnehmer bei gleichen
Löhnen fünf Stunden mehr arbeiten als die deutschen
Arbeitnehmer oder sogar Mieten für miserable Unter-
künfte bezahlen, wenn ihnen noch die Löhne wegge-
nommen werden, dann ist uns allen nicht geholfen. Da-
mit müssen wir uns beschäftigen. Deswegen müssen wir
mögliche Regelungen kritisch hinterfragen, ehe wir sie
als Lösung akzeptieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch bei uns gibt es Mindestlöhne. Wir haben den
Mindestlohn beim Arbeitslosengeld II in vielen Fällen
aufgestockt. Arbeitslosengeld-II-Empfänger können ei-
nen 400-Euro-Job oder 1-Euro-Job annehmen, sodass im
Grunde genommen eine Lohnhöhe vorgegeben ist. Je-
mand, der rational denkt, wird sich also fragen: Nehme
ich jetzt eine Arbeit an oder kombiniere ich das mit
Schwarzarbeit? So ist die Situation.

Frau Nahles, ich will es für uns noch ein bisschen
komplizierter machen. Sie haben gesagt, jedem fünften
Arbeitnehmer in Ostdeutschland stehen weniger als
1 400 Euro zur Verfügung.


(Andrea Nahles [SPD]: Unter 1 300!)


– Gut, also unter 1 300 Euro. Das ist aber für das, was
ich ausdrücken will, nicht entscheidend. Jeder von uns
ist sicherlich der Meinung, dass 1 300 Euro nicht viel
sind.


(Andrea Nahles [SPD]: Brutto!)


– Brutto. Natürlich gönnen wir es jedem, dass er mehr
als nur diese Summe verdient.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Aber die Fragestellung, die hinter dem steht, was wir
ier diskutieren, ist, offen ausgesprochen, ob wir Gefahr
aufen wollen, dass die 20 Prozent der Arbeitnehmer, die
eute weniger als 1 300 Euro verdienen, arbeitslos wer-
en, wenn wir den Mindestlohn bei 1 300 Euro ansetzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt hat er es!)


iese Fragestellung müssen wir diskutieren, bevor wir
ösungen zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ir müssen sicher sein, dass dieser Effekt nicht eintritt,
nd wir müssen den Menschen helfen, ihren Arbeitsplatz
u behalten. Wir dürfen sie nicht behindern oder durch
ut gemeinte Regelungen ihren Arbeitsplatz gefährden.

Bei einem anderen Punkt, den Sie genannt haben, will
ch Ihnen aus vollem Herzen widersprechen. Sie haben
esagt: Lohn hat etwas mit Würde zu tun.


(Dirk Niebel [FDP]: Nein, Arbeit hat etwas mit Würde zu tun!)


ch sage Ihnen: Arbeit hat etwas mit Würde zu tun. Ob
emand eine Arbeit zu menschenwürdigen Bedingungen
at, hat etwas mit Würde zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Habt ihr das im Koalitionsausschuss besprochen?)


Über diese Überlegungen werden wir sprechen.

Selbstverständlich wollen wir, dass Arbeit – der Kol-
ege Brauksiepe hat darauf hingewiesen – insgesamt so
ntlohnt wird, dass ein Mensch davon leben kann. Wenn
s unter den Bedingungen in Deutschland wegen der
roduktivität des Einzelnen nicht möglich ist, dass sein
ohn ausreicht, dann wollen wir ihn mit staatlichen
ransferleistungen aufstocken. Es sollte nicht so sein,
ass jemand ausschließlich von Transferleistungen lebt;
ielmehr geht es um eine Kombination von Arbeitsein-
ommen und Transferleistungen.

Schauen Sie sich einmal an, wie viele Menschen
eute einen 1-Euro-Job annehmen wollen, wie die Zahl
er Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen und ei-
en 400-Euro-Job haben, angestiegen ist. Da passiert
iniges. Gleichzeitig sehen wir, dass es natürlich eine
erlockung ist, neben dem 400-Euro-Job schwarzzuar-
eiten. Frau Nahles, auch Sie haben sicherlich schon
estgestellt, dass es sehr schwer ist, Schwarzarbeit in
ombination mit einem 400-Euro-Job zu kontrollieren,
eil die Betreffenden bei einer Kontrolle erklären, dies

ei der erste Tag ihres 400-Euro-Jobs.

Dabei dürfen wir uns nicht von ideologischen Vorstel-
ungen leiten lassen, sondern es geht in der Diskussion
arum: Was wollen wir erreichen?

ir wollen erreichen, dass Menschen Arbeit bekommen
nd dass die Mitnahmeeffekte in diesem Prozess auf ein
inimum reduziert werden.






(A) )



(B) )


Laurenz Meyer (Hamm)

Wir sollten insofern – wie es meines Erachtens heute
bei manchen der Fall war – nicht nur aus der Sicht derer
diskutieren, die bereits Arbeit haben, sondern auch aus
der Sicht derjenigen, die Arbeit suchen. Wir haben das
Problem, dass die Hälfte der Arbeitslosen Langzeitar-
beitslose sind. Viele von ihnen haben keine Berufsaus-
bildung und auch keinen Schulabschluss. Damit wird
sich die CDU/CSU-Fraktion nicht zufrieden geben.

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns fragen: Wol-
len wir, dass diese Zahlen immer weiter steigen, weil wir
nichts tun, oder wollen wir zumindest den ernsthaften
Versuch machen, auch diesen Menschen in Deutschland
wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu bieten?
Darum geht es – um nicht mehr und nicht weniger.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602010500

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 16/398 und 16/656 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offenkundig der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 18:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der
Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversor-
gung
– Drucksache 16/194 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit (14. Ausschuss)


– Drucksache 16/691 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Marlies Volkmer

Hierzu liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP, der Fraktion Die Linke und der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Auch
das ist offensichtlich einvernehmlich.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst der Kollegin Dr. Marlies Volkmer für die SPD-
Fraktion.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1602010600

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Seit der ersten Beratung des Gesetzentwurfs sind
ungefähr zwei Monate vergangen. Wir haben die Zeit
sehr gut dazu genutzt, alle Maßnahmen zu diskutieren.

Ich möchte gleich vorwegschicken: Wir sind der
Überzeugung, dass mit dem Gesetz die notwendigen
Einsparungen erzielt und die hohe Qualität der Versor-
gung der Versicherten gewährleistet werden können.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D ch möchte mich bei allen Beteiligten im Gesundeitswesen bedanken, die unsere Diskussion aktiv und onstruktiv begleitet haben. Es gibt im Gesundheitswesen aber auch Interessenertreter – insbesondere unter der Ärzteschaft –, die urch irreführende Behauptungen die Patienten massiv erunsichern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


in solches Verhalten ist unredlich und in intellektueller
insicht manchmal schon eine Zumutung. Aber solche
rgumentationen werden sich letztlich gegen die Urhe-
er selbst richten.

Ich kann die Patientinnen und Patienten nur ermuti-
en, sich nicht beirren zu lassen. Sie bekommen nach
ie vor die für ihre Behandlung notwendigen Medika-
ente.


(Beifall bei der SPD)


elegentlich kann es dazu kommen, dass der Arzt ein
nderes Medikament verordnet als früher. Das ist aber
icht schlimm. Sie kennen das bereits aus dem Bereich
er rezeptfreien Medikamente: Wenn Sie zum Beispiel
egen einer starken Erkältung eine Apotheke aufsuchen,


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sie machen hier Werbung!)


ann können Sie Aspirin, Acesal oder ASS kaufen. Das
ind verschiedene Medikamente zu unterschiedlichen
reisen, die aber denselben Wirkstoff enthalten.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Werbung!)


Ich mache keine Werbung, sondern ich habe alle ein-
chlägigen Medikamente aufgeführt. –


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Nicht alle!)


ine ähnliche Regelung wird in Zukunft auch bei den re-
eptpflichtigen Medikamenten gelten.

Etwa 45 Prozent der Ausgabensteigerung werden
urch einen Wechsel zu teureren, aber nicht wirksame-
en Medikamenten verursacht. Der Arzt entscheidet,
elches Medikament der Patient erhält. Er trägt die Ver-

ntwortung für eine wirtschaftliche Arzneimittelthera-
ie. Er hat den Stift in der Hand. Eine gesetzliche Rege-
ung, die genau an dieser Stelle ansetzt, ist daher
berfällig. Entgegen einer verbreiteten Ansicht ist die
teuerung der Arzneimittelausgaben über eine Len-
ung des ärztlichen Verordnungsverhaltens sehr wohl
öglich. Das zeigt der Blick auf die regionalen Unter-

chiede bei den Arzneimittelausgaben. Die Ärzte im
ereich der kassenärztlichen Vereinigungen mit den
iedrigsten Arzneimittelausgaben geben etwa ein Drittel
eniger aus als die mit den höchsten Ausgaben. Das

ind beachtliche Unterschiede.

Vor diesem Hintergrund haben wir uns für eine Rege-
ung entschieden, die Ansporn für alle regionalen Ver-
ragspartner sein soll, zu eigenen Lösungen zu kommen.
ute Ansätze gibt es zum Beispiel in der KV Nordrhein
nd in der KV Sachsen. Nun wird es zwar eine Bonus-






(A) )



(B) )


Dr. Marlies Volkmer
Malus-Regelung auf Bundesebene geben. Sie kann aber
außer Kraft gesetzt werden, wenn durch fristgerecht ver-
einbarte regionale Lösungen die Einsparziele der Bonus-
Malus-Regelung erreicht werden. Nur wenn also keine
regionale Regelung vereinbart wird, gilt das Bonus-
Malus-System. Der Malus greift dann, wenn ein Arzt
vereinbarte Durchschnittskosten für verordnungsstarke
Wirkstoffe um mehr als 10 Prozent überschreitet. Ur-
sprünglich sollte diese Zone schon bei 5 Prozent begin-
nen. Im Übrigen hat ein Arzt, der wirtschaftlich verord-
net, auch in Zukunft keinen Regress zu befürchten. Neu
ist, dass bei der Festlegung der Durchschnittskosten je
definierter Dosiereinheit die Besonderheiten unter-
schiedlicher Anwendungsgebiete berücksichtigt werden
müssen. Hier haben wir die Ergebnisse der Anhörung
berücksichtigt, um die bedarfsgerechte Versorgung der
Patientinnen und Patienten besser zu gewährleisten.

Im Gesetz stellen wir klar, dass der Gemeinsame
Bundesausschuss unzweckmäßige und unwirtschaftliche
Arzneimittel von der Versorgung ausschließen kann. Bei
seiner Entscheidung hat er neben dem Nutzen und der
medizinischen Notwendigkeit die Wirtschaftlichkeit ei-
nes Arzneimittels zu bewerten. Dies ist ein Schritt in
Richtung einer Kosten-Nutzen-Bewertung von Arz-
neimitteln, der Ärzten eine verlässliche Orientierung bei
einer wirtschaftlichen Verordnung von Arzneimitteln
bieten kann.


(Beifall bei der SPD)


Ein weiteres wichtiges Thema in der Diskussion war
die Festbetragsregelung. Wir haben klargestellt, dass
das bisherige Verfahren des Gemeinsamen Bundesaus-
schusses weiterhin angewendet werden soll. Die Neuar-
tigkeit allein wird auch künftig keine Freistellung bewir-
ken. Nur wenn ein Arzneimittel eine therapeutische
Verbesserung bringt, ist es vom Festbetrag freizustellen.
Das Festbetragssystem bleibt damit das wichtigste In-
strument der Preisregulierung bei den Arzneimitteln. Die
in der Anhörung vorgetragene Befürchtung, die Versor-
gung der Patientinnen und Patienten mit Medikamenten
zum Festbetrag sei nicht mehr vollständig sichergestellt,
haben wir sehr ernst genommen. Zum einen haben wir
eine Lösung gefunden, die sowohl notwendige Einspa-
rungen erreicht als auch für die Patientinnen und Patien-
ten genügend Arzneimittel zum Festbetrag zur Verfü-
gung stellt. Zum anderen haben wir zusätzlich den
Vorschlag der Spitzenverbände der Krankenkassen auf-
gegriffen, nach dem besonders preisgünstige Arzneimit-
tel gänzlich von Zuzahlungen befreit werden können.
Die Entscheidung darüber müssen die Krankenkassen
gemeinsam und einheitlich treffen. Wenn die Kassen die
Regelung umgesetzt haben, sollten die Patientinnen und
Patienten den Arzt auf die Verordnung solcher zuzah-
lungsfreien Arzneimittel ansprechen.

Das Gesetz ist ein Instrument, um die Ausgaben der
gesetzlichen Krankenversicherung für Arzneimittel mit-
telfristig im Zaum zu halten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nur mittelfristig?)


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(C (D atürlich muss es weitere Überlegungen geben, wie die edizinische Versorgung noch wirtschaftlicher durchge ührt werden kann. Ich denke hier zum Beispiel an die rzneimittelversorgung an der Schnittstelle zwischen rankenhaus und ambulanter Versorgung. Darüber sind ich alle Beteiligten sicherlich einig. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Nächster Redner ist der Kollege Daniel Bahr für die DP-Fraktion. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Das soll es also nun sein, das erste gesundheitspoliische Gesetz der großen Koalition, das einen Vorgechmack auf eine grundlegende Gesundheitsreform eben soll, das unter Beweis stellen soll, dass sich die roße Koalition auf grundlegende Reformschritte einigt, ie die Interessen von Patienten und Versicherten in den ittelpunkt stellt? (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602010700

(Beifall bei der FDP)

Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1602010800

as AVWG, das Arzneimittelspargesetz, ist ein Kosten-
ämpfungsmonstrum. Die Arzneimittelversorgung für
ie Patienten in Deutschland wird durch dieses Gesetz
rheblich verschlechtert, die freie Therapiewahl einge-
chränkt.


(Beifall bei der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Sagen Sie nicht etwas Falsches!)


Frau Kollegin Volkmer, Sie machen es sich meines
rachtens zu leicht, wenn Sie jetzt nur kritisieren, dass
ie Ärzte angeblich Fehlinformationen herausgeben oder
rotestieren. Wenn ich in 14 Tagen aus einer Praxis ei-
en großen Stapel von Protestschreiben mit Unterschrif-
en bekomme,


(Zurufe von der SPD: Oh!)


ann ist das bedenklich. Ignorieren Sie das nicht, son-
ern nehmen Sie das ernst! Es ist doch nicht normal,
ass 22 000 Ärzte in Berlin auf die Straße gehen, Haus-
rzte, Fachärzte, Zahnärzte, angestellte und niedergelas-
ene Ärzte. So etwas hatten wir noch nie.


(Beifall bei der FDP)


as findet in ganz Deutschland statt. Warum gehen sie
uf die Straße und warum protestieren die Patientinnen
nd Patienten? Weil sie Angst haben, dass dieses Gesetz
u einer weiteren massiven Rationierung führt.


(Elke Ferner [SPD]: Quatsch! Sie wissen genau, dass das nicht stimmt!)


ie Bonus-Malus-Regelung, die Sie, Frau Dr. Volkmer,
ngesprochen haben, wird dazu führen, dass der Arzt,
er bei der Verschreibung rationiert, bevorzugt wird.


(Elke Ferner [SPD]: Quatsch! Wo steht denn Rationierung?)







(A) )



(B) )


Daniel Bahr (Münster)

Eine solche Bonus-Malus-Regelung wird das Arzt-Pa-
tienten-Verhältnis erschüttern. Ich will nicht den Teufel
an die Wand malen, aber allein die Tatsache, dass Patien-
ten die Sorge haben, dass ein Arzt nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten verschreibt und nicht nach den Prin-
zipien der freien und richtigen Therapiewahl, wird das
Arzt-Patienten-Verhältnis massiv erschüttern.


(Beifall bei der FDP)


Es ist doch nicht so, als ob wir nicht schon Instrumente
hätten. Wir haben heute schon viele Instrumente, die den
Arzneimittelmarkt regulieren: Arzneimittelrichtlinien, von
der Erstattung ausgeschlossene Arzneimittel, Festbeträge
für Arzneimittel, Nutzenbewertung von Arzneimitteln,
Arzneimittelvereinbarung und Arzneimittelrichtgrößen,
Aut-idem-Regelung, Importförderung, Preisvergleichs-
liste und gesetzliche Zwangsrabatte. Das Arzneimittel-
sparpaket wird diese Unübersichtlichkeit und mangelnde
Planungssicherheit noch verschärfen und keine grundle-
genden Reformen voranbringen.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Mir kommen die Tränen, Herr Kollege!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602010900

Herr Kollege Bahr, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Zöller?


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1602011000

Bitte sehr.


Wolfgang Zöller (CSU):
Rede ID: ID1602011100

Herr Kollege Bahr, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu

nehmen, dass Ihre Äußerung, die Therapiefreiheit
werde eingeschränkt, falsch ist?


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zu dieser Meinung kann man nur kommen, wenn man
nicht zwischen Wirkstoffgruppen und Wirkstoff unter-
scheiden kann. In der Änderung ist nämlich klar festge-
legt worden, dass der Arzt den Wirkstoff frei wählen
kann. Die Therapiefreiheit bleibt voll erhalten.


(Iris Gleicke [SPD]: Richtig!)


Nur, wenn er sich für einen Wirkstoff entscheidet, soll er
sich preisbewusst verhalten. Bei den Preisen gibt es
Bandbreiten von 300 bis 400 Prozent. Die Therapiefrei-
heit wird mit diesem Gesetz gegenüber der bisherigen
Regelung sogar verbessert. Möchten Sie das bitte zur
Kenntnis nehmen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist unglaublich! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Alles wird gut!)



Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1602011200

Nein, Herr Kollege Zöller, das nehme ich so nicht zur

Kenntnis. Wir hatten schon im Ausschuss eine Debatte
darüber, dass es schwer abzuschätzen ist, wie die neue
Regelung der Durchschnittskosten je Dosiereinheit über-
haupt wirkt. Die Staatssekretärin hat mir auf Nachfrage

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(C (D rklärt, dass eine eigene Vereinbarung in der Region Frau Volkmer hat ja von unterschiedlichen regionalen erhältnissen gesprochen – nur in drei KV-Bezirken ach heutiger Sicht funktionieren kann. Das heißt, es ird bundesweit eine Bonus-Malus-Regelung geben, die eines Erachtens das Therapieverhalten des Arztes er eblich einschränken wird. Wir können das aber gerne in inem halben Jahr erneut diskutieren. (Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Als Begründung wird die Steigerung der Ausgaben
ür Arzneimittel herangezogen. Ich wage zu bezweifeln,
ass diese Steigerung der Ausgaben für Arzneimittel
icht abzusehen war; denn wir hatten mit dem GMG
iele Entscheidungen, die in der Folge dazu führten, dass
ie Arzneimittelausgaben stiegen. Wir hatten Vorzieh-
ffekte in 2003, es gab den Wegfall des zusätzlichen
wangsrabatts und viele andere Effekte, die dazu führ-

en, dass die Arzneimittelausgaben gestiegen sind. Ich
age zu bezweifeln, dass das der Grund für das Arznei-
ittelspargesetz ist. Ich habe den Eindruck, Sie machen

as Arzneimittelsparpaket, um im Bereich der gesetzli-
hen Krankenversicherung die drohende Mehrwert-
teuererhöhung, die ab 1. Januar 2007 geplant ist, zu
ompensieren. Ich vermute, dass das der wahre Grund
ür das Zustandekommen dieses Arzneimittelsparpakets
st.

Wir halten das für einen Fehler. Wir halten die Mehr-
ertsteuererhöhung für einen grundsätzlichen Fehler.
erade für den Arzneimittelbereich bedeutet sie eine er-
ebliche Einschränkung. Ich weise darauf hin, dass in
en meisten anderen Ländern beim Kauf von Arzneimit-
eln entweder der niedrigere Mehrwertsteuersatz An-
endung findet oder gar keine Mehrwertsteuer zu zahlen

st. Mit dem erhöhten Mehrwertsteuersatz beim Kauf
on Arzneimitteln ist Deutschland eine Ausnahme. Sie
ätten einmal darüber diskutieren sollen, den Mehrwert-
teuersatz für Arzneimittel erheblich zu senken. Eine
olche Senkung würde die gesetzlichen Krankenver-
icherungen entlasten.

Die Patienten werden aber auch durch die Neurege-
ung der Festbeträge massiv belastet. Es ist doch er-
taunlich, dass sogar die Krankenkassen vor dieser Neu-
egelung warnen. Die Krankenkassen haben den
uftrag, mit den Beiträgen der Versicherten besonders
ostengünstig umzugehen. Es ist doch spannend, dass
ie Krankenkassen die Neuregelung der Festbeträge
anz besonders infrage gestellt haben.

Durch die niedrigeren Festbeträge könnte beispiels-
eise der Preis für Antidepressiva um 65 Prozent sin-
en. Die Firmen der Pharmaindustrie werden ihre Preise
ber nicht zwangsläufig auf die Höhe der Festbeträge ab-
enken, sondern vielleicht nur ein bisschen. Das führt
ann zu Aufzahlungen für die Versicherten. Diese Auf-
ahlungen fallen – anders als die Zuzahlungen, die be-
timmten Grenzen unterliegen – nicht unter die Überfor-
erungsregelung, sondern sind voll wirksam. Das heißt,
m Sommer werden die Patientinnen und Patienten
ahrscheinlich massiv belastet.






(A) )



(B) )


Daniel Bahr (Münster)

Ich will noch etwas anderes aufgreifen, was die Pa-
tienten angeht. Frau Volkmer sprach von den regionalen
Unterschieden. Frau Volkmer, soweit ich weiß, sind Sie
aus Sachsen. Schauen Sie einmal nach Sachsen-Anhalt!
Sie können doch nicht die Ärzte für die regionalen Un-
terschiede im Verschreibungsverhalten verantwortlich
machen. Ein Grund für unterschiedliches Verschrei-
bungsverhalten ist vielmehr, dass beispielsweise die
Morbiditätsstruktur und die Versichertenstruktur in
Sachsen-Anhalt ganz anders als die in der Region Nord-
rhein sind. Weil es einige wenige KV-Bezirke gibt, in de-
nen dieser Ansatz gut funktioniert, sollen Ihrer Auffas-
sung nach sämtliche KV-Bezirke diese Regelung
übernehmen. Sie sollten schon berücksichtigen, dass es
woanders andere Strukturen gibt. Insofern sehe ich die
regionale Umsetzung sehr kritisch. Ich glaube, dass es
damit eher zu einer bundesweiten Bonus-Malus-Rege-
lung kommt.

Auch die Krankenhäuser werden arg gebeutelt, wie
wir feststellen. Von heute auf morgen erfahren die Kran-
kenhäuser, dass sie ihre Planungen für 2006 über Bord
werfen und auf niedrigerer Basis neu kalkulieren müs-
sen. Ihre Arzneimittel werden teurer, weil die Natural-
rabatte wegfallen. Gleichzeitig müssen sie ihre Ein-
kaufspolitik grundlegend ändern; denn zukünftig müssen
sie sich an das halten, was im vertragsärztlichen Bereich
Standard ist. Viele Vertragsärzte wenden sich an uns, um
uns mitzuteilen, dass sie viele ärgerliche Diskussionen
haben; denn sie müssen die Medikamentierung von Pa-
tienten umstellen, nachdem die Krankenhäuser sie auf
teure Medikamente eingestellt haben.

Ich wage aber zu bezweifeln, dass diese Regelung
wirklich ihre Wirkung entfaltet. Ich glaube, sie führt
eher zu einer Einschränkung bei der stationären Versor-
gung. Ich befürchte, dass gerade GKV-Patienten bei der
stationären Versorgung gegenüber Privatpatienten be-
nachteiligt werden.

Gestatten Sie mir, dass ich zum Schluss auf die Natu-
ralrabatte zu sprechen komme. Auch hier gab es sicher-
lich Auswüchse, über die man nachdenken muss. Die
Ursache dafür ist meines Erachtens die Aut-idem-Rege-
lung. Sie verbieten die Naturalrabatte sogar bei Tierarz-
neien. Diese Arzneien sind nun wirklich überhaupt nicht
vergleichbar mit der Arzneimittelversorgung von Patien-
tinnen und Patienten über die Apotheken. Das geht
wahrlich zu weit.

Die in diesem Gesetzentwurf verankerte Regelung
werden wir nicht mittragen. Wir haben einen Entschlie-
ßungsantrag eingebracht. Wir sind auf weitere Vor-
schläge der großen Koalition gespannt. Das „Arzneimit-
telspargesetz“ ist der falsche Weg.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602011300

Ich erteile das Wort nun der Kollegin Annette

Widmann-Mauz, CDU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! m Gesundheitswesen ist es immer dasselbe: Manche ähne glauben, dass die Sonne nur ihretwegen aufgeht. ie Gemüter haben sich in den letzten Wochen etwas be uhigt. Das ist zumindest der Anfang aller Vernunft. Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, ass man sie ignoriert. Nüchtern betrachtet ist die Lage och klar: Die Arzneimittelausgaben sind im vergangeen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um über 16 Prozent estiegen. Nicht alles lässt sich dabei mit dem Auslaufen er 10-Prozent-Zwangsrabatt-Regelung und normalen usgabezuwächsen durch Alterung erklären. Vieles das kann doch die FDP nicht leugnen – hat strukturelle ründe. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wie viel Prozent sind es denn?)

Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1602011400

adurch entstehen Kosten im Gesundheitswesen, die
ir nicht einfach hinnehmen können, die wir auch nicht

infach an die Patienten und Versicherten weitergeben
ürfen. Wir müssen diese Kosten jetzt auffangen.

Das wollen wir mit dem Gesetzentwurf, den wir vor-
elegt haben, erreichen. Wir wollen die Senkung der
rzneimittelausgaben und die nachhaltige Stabilisierung
er Arzneimittelversorgung erreichen.

Das AVWG ist in den vergangenen Wochen heftig
iskutiert worden. Ärzte, Patienten, Apotheker, Arznei-
ittelhersteller, die Krankenkassen, die Verbände, alle

aben sich zu Wort gemeldet. Da wurde gestreikt und
estritten, da wurde mobilisiert und polemisiert, aber es
urde eben auch sehr ernsthaft diskutiert, nicht zuletzt

m zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages;
enn alle wissen, dass es keine Einsparmaßnahme ist,
enn man sich nur billige Ausreden leistet.

Die zahllosen Gespräche und die Beratungen haben
ich gelohnt. Wir haben viele Anregungen aufgegriffen.

ir haben Änderungen und Präzisierungen in den Ge-
etzentwurf eingearbeitet. Viele Aspekte der Diskussion
urden berücksichtigt. Ich glaube, wir können heute mit
em Ergebnis zufrieden sein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das AVWG wird insbesondere die Arzneimittelver-
orgung besser als bisher an dem tatsächlichen medizi-
ischen Versorgungsbedarf der Patienten ausrichten.
edizinisch nicht notwendige Ausgabensteigerungen

önnen künftig besser vermieden werden. Dabei bleibt
ewährleistet – das möchte ich ausdrücklich betonen –,
ass Patientinnen und Patienten auch in Zukunft alles,
as medizinisch notwendig ist, auch verordnet bekom-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


as erste Ergebnis dieses Gesetzes ist also: Die Versor-
ung der Patienten ist und bleibt auf hohem Niveau ge-
ichert.

Lassen Sie mich auf die einzelnen Maßnahmen einge-
en. Zunächst zur Bonus-Malus-Regelung. Auf unser






(A) )



(B) )


Annette Widmann-Mauz
Drängen wird die viel gescholtene Bonus-Malus-Rege-
lung jetzt so gestaltet, dass es in der Hand der Ärzte und
der Krankenkassen liegt, ob diese gesetzliche Regelung
zur Anwendung kommt oder nicht. Das heißt, die Ärzte
entscheiden zusammen mit den Krankenkassen, ob diese
gesetzliche Regelung zum Tragen kommt oder nicht. Die
Frage ist, ob sie bessere Alternativen haben. Wenn die
KVen mit den Landesverbänden der Krankenkassen Ver-
einbarungen treffen, mit denen sie dieselben Ausgaben-
ziele bei den Arzneimitteln erreichen können, dann
kommt die gesetzliche Bonus-Malus-Regelung gar nicht
mehr zum Tragen. Das heißt, Vorfahrt für die Selbst-
verwaltung!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Selbstverwaltung erhält endlich mehr Verantwor-
tung und einen größeren Spielraum für eine praxisnahe
und partnerschaftliche Gestaltung. Also nur dann, wenn
es nicht zu einer solchen freiwilligen Vereinbarung
kommt, gilt die gesetzlich vorgesehene Bonus-Malus-
Regelung.

Sie ist jetzt sogar verbessert worden.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Besser ist aber noch nicht gut!)


Bei der Ermittlung der Durchschnittskosten je Dosier-
einheit, also den Tagestherapiekosten, ist jetzt auch die
Indikationsstellung zu berücksichtigen. Herr Bahr, wenn
Sie es immer noch nicht verstanden haben, dann mache
ich es Ihnen auch hier im Plenum noch einmal an einem
Beispiel deutlich.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Den Versuch sollte man schon unternehmen!)


Ein Wirkstoff wie der Betablocker Metoprolol wird je
nach Indikation in unterschiedlicher Dosierstärke ange-
wendet: bei Bluthochdruck 50 Milligramm, bei korona-
rer Herzkrankheit 100 Milligramm, bei Herzmuskel-
schwäche 200 Milligramm. Einen Dosiermittelwert über
die einzelnen Indikationen zu legen, ist nicht sachge-
recht – da sind wir uns einig –; es könnte – da haben Sie
Recht – zu einer Unterversorgung je nach Patienten-
klientel in der Arztpraxis führen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es! Deshalb haben wir das geändert! Ganz genau!)


Deshalb haben wir gesagt: Die durchschnittlichen Do-
siereinheiten können nur für die jeweilige Indikation und
nicht über die Indikationen hinweg zur Geltung kom-
men. Unterschiedliche Behandlungsbereiche müssen be-
rücksichtigt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Elke Ferner [SPD]: Lesen, denken, dann sprechen, Herr Bahr! – Gegenruf des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Herzlichen Dank! Das hat noch gefehlt!)


Der Malus wirkt auch nicht schon ab einem Über-
schreitungsbetrag von 5 Prozent. Wir haben jetzt eine
Grenze von 10 Prozent festgelegt.

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(C (D (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die FDP hat dagegen gestimmt!)


Ich will einen Hinweis zu einer Sache geben, die Sie
ritisch hinterfragt haben, zu der Verordnung aus dem
rankenhaus heraus. Für die Ärzteschaft ist ganz wich-

ig, dass wir hierbei Verbesserungen erreichen und die
rankenhäuser in der Weise in die Pflicht nehmen, dass
or der Entlassung die Präparate angewendet werden,
ie auch nachher im ambulanten Bereich, also im nieder-
elassenen Sektor, wiederum sparsam, verwendet wer-
en müssen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Warten Sie mal ab, ob das funktioniert!)


as Eintragen teurer Präparate in die ambulante Versor-
ung können wir nicht hinnehmen. Das ist eine Abhilfe,
ie wir gerade auch für die niedergelassenen Ärzte ver-
inbart haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Also, die Bonus-Malus-Regelung, wie sie im Gesetz-
ntwurf steht, muss nicht angewendet werden. Sie kann
ermieden werden. Die Therapiefreiheit wird gestärkt
nd die Versorgungssicherheit der Patienten bleibt ge-
ahrt.

Ein weiterer Punkt: die Zuzahlungsbefreiung. Wir
aben im AVWG die Möglichkeit geschaffen, dass die
assen ihren Versicherten bei der Wahl besonders preis-
erter Medikamente die Zuzahlung erlassen können.
en Krankenkassen wird also zum ersten Mal die Mög-

ichkeit eröffnet, Patientinnen und Patienten einen eige-
en ökonomischen Vorteil einzuräumen. Damit wird der
reiswettbewerb bei den Herstellern unterstützt. Das ei-
entlich Entscheidende ist aber: Der Patient hat zum ers-
en Mal ein eigenes ökonomisches Interesse, ein preis-
ertes Medikament vom Arzt verordnet zu bekommen.
as bedeutet auch, dass der Arzt erstmals nicht mehr al-

ein die Verantwortung für eine wirtschaftliche Verord-
ungspraxis trägt und damit in der Kritik steht. All das
ind wichtige Ergebnisse dieses Gesetzes.

Sie haben die Festbetragsregelungen angesprochen.
n den Festbetragsgruppen der Stufen 2 und 3 kann ge-
part werden. Wir wollen hier die Festbeträge ins untere
reisdrittel absenken. Wir haben aber wiederum auch Si-
herungslinien eingezogen; denn es müssen jeweils ein
ünftel aller Verordnungen und aller Packungen zum
estbetrag verfügbar sein. Damit bleibt die Versorgungs-
icherheit gewährleistet. Das sind wichtige Kriterien.

Wir wissen natürlich, dass diese Regelungen bei der
orschenden und bei der generischen Industrie auf Kritik
estoßen sind. Die Daten der Kassen zeigen jedoch auf,
ass insbesondere in der Stufe 2, in der Pharmamittel mit
harmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen zusam-
engefasst sind, noch gespart werden kann. Angesichts

napper Mittel in der gesetzlichen Krankenversicherung
önnen wir doch Innovationen nur dann angemessen be-
ahlen, wenn so genannte Scheininnovationen nicht zu
berhöhten Preisen abgegeben werden. Von daher ist
iese Absenkung vertretbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Annette Widmann-Mauz
Wir nehmen aber auch die Sorgen der Unternehmen
ernst, insbesondere hinsichtlich ihres Engagements bei
Forschung und Innovation. Deshalb haben wir in einem
weiteren Schritt die Innovationsschutzklausel verbes-
sert. Wir werden so, wie es im Koalitionsvertrag verein-
bart wurde, den Pharmastandort Deutschland stärken.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zwei Regelungen sind hier insbesondere in den Blick zu
nehmen:

Zunächst ermöglichen wir den Kassen, Rabattver-
träge mit Unternehmen abzuschließen, die ihre Präparate
nicht bis auf den Festbetragspreis absenken wollen. Dies
trifft genau auf das Beispiel zu, das Sie vorhin angeführt
haben, nämlich dass ein Unternehmen nicht bereit ist,
den Preis zu senken. Es kann nun, um den hohen Refe-
renzpreis im europäischen Ausland aufrechterhalten zu
können, Rabattverträge im Interesse der Versicherten
bzw. Patientinnen und Patienten mit den Kassen ab-
schließen, sodass hier überhaupt keine höheren Zahlun-
gen anfallen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602011500

Frau Kollegin Widmann-Mauz, gestatten Sie eine

Zwischenfrage des Kollegen Bahr?


Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1602011600

Ich gestatte sie.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1602011700

Frau Kollegin Widmann-Mauz, sind Sie mit mir der

Meinung, dass Einsparungen über den Weg der Rabatt-
verträge nur bei dem jeweiligen Medikament möglich
sind? Sind Sie außerdem mit mir der Meinung, dass die
Pharmaunternehmen eine so massive Absenkung der
Festbeträge nicht mitmachen werden und es damit zu
massiven Aufzahlungen für Patienten in diesem Sommer
kommen kann?


(Elke Ferner [SPD]: So ein Quatsch!)



Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1602011800

Nein, ich bin nicht dieser Auffassung. Ich bin der fes-

ten Überzeugung – die Vergangenheit hat es auch ge-
zeigt –, dass der deutsche Arzneimittelmarkt in Europa
von so großer Bedeutung ist, dass die Arzneimittelher-
steller in der Regel das Absenken des Preises auf den
Festbetrag für sich selbst als wirtschaftlicher und be-
triebswirtschaftlich sinnvoller erachten als das Aufrecht-
erhalten eines hohen Preises, was ja zur Folge hätte, dass
sie kaum Umsätze machen würden. Es kann natürlich
Unternehmen geben, für die es interessant ist, bei be-
stimmten Präparaten den Preis hochzuhalten. Auch diese
Unternehmen wollen das Auslandsgeschäft nicht gefähr-
den. Um nun aber die Möglichkeit zu haben, die Versi-
cherten in der Bundesrepublik Deutschland trotzdem mit
den eigenen Präparaten zu versorgen, ermöglichen wir
das Abschließen von Rabattverträgen. Ob sich das ins-
gesamt auf das Preisgefüge auswirken wird, können wir

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(C (D eute nicht abschließend beurteilen. Deshalb finden sich a im Gesetzentwurf und in den Entschließungsanträgen ufforderungen an das Parlament, diesen Prozess zu bebachten. An dieser Stelle muss man aber der FDP auch noch twas anderes zurufen: Wenn wir nie etwas Neues ausrobieren nd keine Möglichkeiten eröffnen, um neue Instrumente uszuprobieren, dann treten wir auf der Stelle. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ihr habt schon so viel ausprobiert!)


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


eshalb wollen wir neuem Denken eine Chance geben.
ährend wir das angehen, werden wir es sorgsam über-

rüfen und begleiten. Stillstand ist nicht das, was die
nion auszeichnet. Deshalb wollen wir auch hier neue
ettbewerbsinstrumente zur Anwendung kommen las-

en.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will noch einmal auf das Stichwort Innovation zu-
ückkommen. Wir haben diesbezüglich im Gesetzent-
urf weitere Verbesserungen, insbesondere was den the-

apeutischen Nutzen anbelangt, festgelegt. Dieser
utzen kann sich in der Praxis für die Patienten durch

ine Verbesserung der Lebensqualität darstellen. Er kann
ich auch auf einzelne Patientengruppen mit bestimmten
ndikationen erstrecken. Wenn die Verbesserungen nicht
it klinischen Endpunktstudien, bezogen auf Mortalität

nd Morbidität, nachgewiesen werden können, sind
ünftig auch andere Studien, die zur Verfügung stehen,
ulässig. Das sind wichtige Erfordernisse, um den Inno-
ations- und Forschungsstandort Deutschland zu stär-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Darüber hinaus haben wir neue Regelungen für die
aturalrabatte vorgesehen. Ich will nur noch kurz da-

auf eingehen. Die Gewährung von Naturalrabatten an
ffizinapotheken, Krankenhausapotheken und Tierärzte
urch Pharmaunternehmen wird ausgeschlossen. Das
eißt, die Gewährung von unentgeltlichen Packungen ei-
es apothekenpflichtigen Arzneimittels ist künftig nicht
ehr möglich. Möglich bleiben aber Verhandlungen mit

em Hersteller oder Händler über Mengen und Preise so-
ie Skonti. Egal ob im Krankenhaus, beim Tierarzt oder

m nicht verschreibungspflichtigen Bereich der Apo-
heke, es besteht keine Regelung für einen einheitlichen
erkaufspreis in diesem Sektor.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602011900

Frau Kollegin, Sie denken bitte an die Zeit.


Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1602012000

Ja. – Das Naturalrabattverbot und die Zertifizierung

on manipulationsfreier Praxissoftware sind ein Anreiz
u höherer Transparenz bei der Verordnung und der






(A) )



(B) )


Annette Widmann-Mauz
Preisgestaltung. Damit kommen niedrigere Preise zum
ersten Mal der Solidargemeinschaft zugute. Das war
vorher nicht der Fall. Deshalb ist auch dies ein wichtiger
Beitrag, den dieses Gesetz leistet.

Nicht alles ist neu; viele Instrumente kennen wir. Die
Handhabung erfordert von allen Beteiligten Augenmaß
und Verantwortungsbewusstsein. Das fordere ich von al-
len ein.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602012100

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Frank Spieth

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Frank Spieth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602012200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Frau Widmann-Mauz benutzte einen Vergleich mit
Hähnen. Sie sprach davon, dass einige Hähne meinten,
um sie würde die Sonne kreisen. Ich will einen anderen
Bezug herstellen. Es gibt einen alten Spruch, der da lau-
tet: Kräht der Hahn morgens auf dem Mist, ändert sich
das Wetter oder es bleibt, wie es ist. – Ein wenig kommt
mir das auch bei diesem Gesetzentwurf so vor, um das
einmal klar und deutlich zu sagen.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Gesetzgebungsverfahren zum AVWG lässt aus
meiner Sicht schlimme Ahnungen in Bezug auf die wei-
teren gesundheitspolitischen Projekte der großen Koali-
tion aufkommen. Das Ministerium macht einen Entwurf,
der, weil er nicht passt, von der CDU/CSU einkassiert
und anschließend verschlimmbessert als neuer Entwurf
präsentiert wird. Alle Akteure kritisieren die Unzuläng-
lichkeit dieses dann gemeinsamen Entwurfes und weisen
auf die handwerklichen Fehler hin. Es gibt massenhaft
Proteste. Daraufhin – immerhin – erfolgen vor der ab-
schließenden Beratung noch schnell Korrekturen. Im
Ausschuss werden diese Änderungsanträge – allerdings
ohne dass man wirklich Zeit hätte, die Argumente aus-
reichend zu bewerten –


(Dr. Marlies Volkmer [SPD]: Zwei Monate lang!)


durchgepeitscht, sodass dem Bundestag heute der Ge-
setzentwurf zur Beschlussfassung vorgelegt werden
kann.

Meine Damen und Herren, mit diesem Gesetz wird
nach meiner Überzeugung bei den Arzneimittelausgaben
nur ein begrenzter Effekt erreicht und im Kern schon
wieder die nächste Reform mit verankert. Das ist die
Realität. Hoffentlich wird dieses Verfahren nicht zur
Blaupause für die Gesundheitspolitik in der laufenden
Legislaturperiode.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Die Probleme bei der Preisgestaltung werden nach nserer Überzeugung eben nicht grundsätzlich angeackt, geschweige denn gelöst. Die Kostenentwicklung ird lediglich kurzfristig und sehr gering gebremst. Die insparungen werden am Ende durch die Mehrwertsteurerhöhung im Wesentlichen wieder aufgefressen. Dies at die Anhörung ganz deutlich erbracht. Ich bin übereugt, dass hier die Pharmalobby in doppelter Weise herorragende Arbeit geleistet hat. Es ist zwar nachvollziehbar, das Konzept für die Ta estherapiekosten zu modifizieren. Dennoch muss unere Bewertung an dieser Stelle negativ ausfallen. Die onus-Malus-Regelung ist weiterhin vorhanden. Sie elohnt im Zweifelsfall die Unterversorgung (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist wissentlich falsch!)


(Beifall bei der LINKEN)


nd belastet aufgrund des entstehenden Misstrauens – das
agen eben nicht nur Ärzte, sondern auch die chronisch
ranken, die Selbsthilfeorganisationen und die Sozial-
erbände – das Arzt-Patienten-Verhältnis.


(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie haben den Gesetzentwurf nicht genau gelesen! Das ist enttäuschend!)


Wir haben den Gesetzentwurf sehr genau gelesen und
usführlich darüber diskutiert.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Dann haben Sie ihn nicht verstanden!)


Wir meinen, dass es zu dem, was auf den Weg ge-
racht wird, eigentlich nur eine wirksame Alternative
ibt, nämlich die seit Jahren zunächst immer wieder ge-
chredderte und danach von allen Beteiligten geforderte
ositivliste.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das soll ein Beitrag zur Therapiefreiheit sein?)


enn die Positivliste, Frau Widmann-Mauz, führt zu
ehr Durchblick bei den Ärzten und auch bei den Pa-

ienten hinsichtlich ihrer Behandlung. Die Kassen wer-
en die Preisgestaltungsmöglichkeiten und die Kosten-
ntwicklung nachvollziehen können. Auch die Hersteller
issen genauer, auf was sie sich einlassen werden. Die
inführung der Positivliste wird am Ende also zu einer
eutlich besseren Versorgung führen.

Wir werden mit einer Positivliste eine gute Arznei-
itteltherapie sicherstellen. Die Auswahl zwischen zig-

ausenden Präparaten ist nicht mehr erforderlich. Ich
age auch: Durch eine Positivliste werden die Naturheil-
ittel ebenfalls erfasst. Diese Liste könnte durch das

QWiG erstellt und ständig aktualisiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)


Ich wundere mich nicht darüber, dass Sie von der
DU/CSU an dieser Stelle heftig intervenieren. Denn
eine letzten Aussagen sind auch in Veröffentlichungen

es Bundesgesundheitsministeriums zum Thema Posi-
ivliste von vor wenigen Jahren zu finden. Wir schließen
ns dieser Position grundsätzlich an.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Frank Spieth
Wir weisen darauf hin, dass wir neben der Einführung
der Positivliste auch endlich die Halbierung des Mehr-
wertsteuersatzes für Pharmaprodukte brauchen. Es ist
doch überhaupt nicht nachvollziehbar – ich bin kein
Tierfeind –, dass in unserem Land für Hundefutter nur
der halbe Mehrwertsteuersatz erhoben wird, während
man für verschreibungspflichtige Arzneimittel nach wie
vor den vollen Mehrwertsteuersatz verlangt.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir brauchen eine Politik, die zum sozialen Aus-
gleich zurückkehrt. Wir wollen eine Krankenversiche-
rung, in der alle Bürgerinnen und Bürger – unabhängig
von ihrem Einkommen – einen Anspruch auf eine quali-
fizierte medizinische Versorgung haben. Wir meinen,
dass eine Krankheit nicht zum humanitären und finan-
ziellen Risiko werden darf.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1602012300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgitt Bender,

Bündnis 90/Die Grünen.


Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602012400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ver-

treterinnen und Vertreter der Koalition haben ausführlich
dargelegt, wie lange man über den Gesetzentwurf bera-
ten und um Formulierungen gerungen habe. Das kann
ich aus Sicht eines Ausschussmitglieds der Opposition
bestätigen.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt)


Es gab eine ständige Begleitmusik, nämlich allgemei-
nes Zähneknirschen. Man hat richtig gehört, wie zwi-
schen der SPD und der Union und manchmal auch inner-
halb der einzelnen Fraktionen um Positionen gerungen
wurde. Es ging nicht wirklich darum, bessere Lösungen
zu finden. Im Grunde genommen hatte die Gesichtswah-
rung Vorrang vor der Suche nach überzeugenden Rege-
lungen.


(Beifall der Abg. Margareta Wolf [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn dies das Muster ist, nach dem die Koalition die
immer wieder angekündigte Gesundheitsreform stricken
will, dann kann ich nur sagen, dass das kein Vertrauen in
die Reformfähigkeit dieser Koalition geschaffen hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Sie werden sich wundern! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Zwei links, zwei rechts, eine fallen lassen!)


An diesem Gesetz ist nichts wirklich besser gewor-
den. Ich habe Ihnen in der ersten Lesung vorgehalten,
dass Sie durch eine Änderung der Festbetragsregelung
der Strategie der Pharmaindustrie, Scheininnovationen
auf den Markt zu bringen, Tür und Tor öffnen.

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(C (D Was haben Sie jetzt gemacht? Sie haben in die Beründung geschrieben, so sei es nicht gemeint. Soll ich as als Verbesserung ansehen? Sie haben – bei wohlwolender Interpretation – Rechtsunklarheit geschaffen. (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Nein, da müssen Sie mal in das Gesetz gucken! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Soll ich Ihnen die Passage vorlesen?)


uch dies kann man nicht als Verbesserung bezeichnen.
s bleibt dabei, dass Sie den Mittelstand mit einem
0-prozentigen Rabatt für die Generikahersteller in die
redouille bringen und damit am Ende den Wettbewerb,
en Sie angeblich wollen, beeinträchtigen.


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Auch die Bonus-Malus-Regelung wurde nicht wirk-
ich verbessert. Jetzt soll man – so sagen Sie in der Be-
ründung – Durchschnittskosten je definierter Dosier-
inheit – sozusagen die drei D – festlegen. Sie schaffen
amit hohen Verwaltungsaufwand im Vorfeld und hohen
erwaltungsaufwand bei der Kontrolle und bewirken
iel Ärger bei denjenigen, die diese Regelung umsetzen
ollen. So wird es nicht funktionieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch die Alternative, dass die Selbstverwaltung dies
egeln kann, verlagert die Konflikte nur in Richtung
elbstverwaltung. Strukturell haben Sie nichts verändert.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602012500

Frau Widmann-Mauz würde gern eine Zwischenfrage

tellen.


Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602012600

Bitte schön, Frau Kollegin.


Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1602012700

Frau Kollegin Bender, Sie haben gerade dargestellt,

ass wir bei der Festlegung von durchschnittlichen Kos-
en je Dosiereinheit nur in der Begründung eine Verän-
erung vorgenommen hätten. Wollen Sie zur Kenntnis
ehmen, dass in Abs. 7 a des § 84 SGB V eindeutig und
lar geregelt wird, dass – ich zitiere – „bei der Festle-
ung der Durchschnittskosten je definierter Dosierein-
eit Besonderheiten unterschiedlicher Anwendungsge-
iete zu berücksichtigen sind“? Wollen Sie mir
estätigen, dass es eine gesetzliche Vorgabe ist, diese
esonderheiten zu berücksichtigen, und Ihre Interpreta-

ion sehr tendenziös war?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Kann man mit Ja beantworten!)



Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602012800

Ich bestätige Ihnen gerne, dass Sie den Gesetzestext

eändert haben. Aber das Gesetz ist dadurch nicht besser
eworden. Das ist meine Kritik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aber Sie haben etwas anderes behauptet! Als wäre es nicht im Gesetzestext!)







(A) )



(B) )


Birgitt Bender
Wahr ist – das ist immer Ihr Ausgangspunkt, Herr
Kollege Zöller –, dass natürlich von den Ärzten abhängt,
was verschrieben wird. Nur, man kann die Ärzte nicht
allein lassen und sie nur den Informationen der Pharma-
referenten aussetzen. Man braucht eben andere Rahmen-
bedingungen. Das ist zum einen Aufgabe der kassen-
ärztlichen Vereinigungen. Sie müssen eine ordentliche
Beratung anbieten. Man kann und muss aber auch die
Kassen stärker einbinden. Es bräuchte zudem gewisser
Rahmenbedingungen, damit eine Kosten-Nutzen-Be-
wertung durchgeführt werden kann, damit die Ärzte wis-
sen, was sie tun. Das wäre unserer Ansicht nach der bes-
sere Weg.

Ein besserer Weg wäre es auch, wenn man das Ver-
tragsgeschehen insgesamt stärkt und mehr Verhandlun-
gen zwischen Arzneimittelherstellern und Kassen auch
unter Einschluss der Apotheken einführt. Wettbewerb ist
letztlich das Instrument, das auch in der Krankenversi-
cherung gelten muss.

Solange dies nicht umfassend gewährleistet ist, sind
Preisregulierungsmechanismen wie Festbeträge notwen-
dig. Wir bedauern, dass Sie diese Regelung verschlech-
tert haben. Unserer Ansicht nach müsste es darum ge-
hen, die Patienten stärker einzubeziehen und damit zu
einer guten Bewertung des Zusatznutzens zu kommen.

Meine Damen und Herren, ohne stärkeren Wettbe-
werb in diesem Bereich werden wir kein gutes Gesund-
heitssystem bekommen. Man kann nicht allen Ineffizien-
zen, die es gibt, hinterheradministrieren. Ich hoffe,
meine Kolleginnen und Kollegen von der Koalition:
Wenn Sie diesen Gedanken schon nicht in dem vorlie-
genden Gesetz berücksichtigt haben, dann sollten Sie ihn
zumindest als Leitlinie für die Gesundheitsreform beach-
ten. Denn es gibt einiges zu tun in diesem Sektor.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr habt es ja liegen lassen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602012900

Das Wort hat für die Bundesregierung die Parlamen-

tarische Staatssekretärin Frau Caspers-Merk.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1602013000


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Über den Beitrag der Kollegin Bender bin ich etwas ver-
wundert. Denn, Kollegin Bender, Sie haben zunächst
ausgeführt, wofür Sie nicht sind und wogegen Sie Be-
denken haben. Man muss der deutschen Öffentlichkeit
natürlich aber auch sagen, was wäre, wenn man dieses
Gesetz ablehnt. Wenn man dieses Gesetz ablehnt,


(Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann braucht man ein besseres!)


dann ist man dagegen, dass künftig manipulationsfreie
Praxissoftware benutzt wird.

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(C (D ir beenden nämlich ab einem bestimmten Stichtag die chlimme Praxis – sie wurde durch den „Stern“ aufgeeckt –, dass Generikafirmen Praxissoftware sponsern nd dadurch verzerrt verschrieben wird. Damit machen ir Schluss. Dazu haben Sie kein Wort gesagt. Wer gegen dieses Gesetz ist, ist dagegen, dass Patienen und Patientinnen zukünftig keine Zuzahlungen mehr eisten müssen, wenn sie sich Arzneimittel verschreiben assen, deren Preis um mindestens 30 Prozent niedriger ls der Festbetrag ist. Es ist das erste Mal, dass wir Paienten von der Zuzahlung freistellen und es den Kassen rmöglichen, hierzu einen einheitlichen Vorschlag zu achen. ind Sie also dagegen, dass die Patienten entlastet weren? Wer gegen dieses Gesetz ist, der will nicht, dass die nsägliche Praxis der Gewährung von Naturalrabaten an Apotheken aufgehoben wird, die sich momentan n einer Größenordnung von circa 500 Millionen Euro ewegen. Wer dagegen ist, will nach wie vor, dass dieses eld bei den Apotheken verbleibt und nicht den Kranenkassen zukommt, wo es eigentlich hingehört. Diese drei Elemente haben Sie nicht ausreichend ewürdigt. Aber darum geht es bei diesem Gesetzgeungsvorhaben auch. Wir sollten einmal gemeinsam eststellen, dass diese Elemente Bestandteil früherer Disussionen im Fachausschuss waren. Deswegen war klar, ass sich diese Bereiche im Gesetz wiederfinden müsen. Wir sollten auch gemeinsam darüber reden. Es stimmt, dass es unterschiedliche Auffassungen zu en Festbeträgen und zur Bonus-Malus-Regelung gibt. an sollte aber bitte schön bei der Wahrheit bleiben. atsache ist: Das Verordnungsverhalten der Ärztinnen nd Ärzte ist in der Bundesrepublik Deutschland sehr nterschiedlich; die Kollegin Volkmer hat darauf hingeiesen. Am sparsamsten verordnen die Ärztinnen und rzte in Bayern und Schleswig-Holstein, auf Platz drei iegt Baden-Württemberg. In anderen Bundesländern ird deutlich teurer verordnet. Herr Kollege Bahr, es stimmt nicht, dass das nur ein hema zwischen Ost und West ist. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


chauen Sie sich die Statistik, die ich Ihnen zugestellt
abe, einmal genau an. Brandenburg ist hier unterdurch-
chnittlich. Es lohnt sich also, wenn eine gute Beratung
rfolgt und wenn die Selbstverwaltung den Ärzten gute
nformationen an die Hand gibt. Wenn alle Ärzte so ver-
rdnen würden wie die Ärzte in Schleswig-Holstein und
ayern, hätten wir im Arzneimittelbereich 2 Milliarden
uro gespart, und zwar ohne dass den Patientinnen und
atienten Medikamente fehlen. Denn weder ist die Le-
enserwartung in Schleswig-Holstein und Bayern gerin-
er noch werden die Patienten dort nicht versorgt.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das sieht Herr Lauterbach anders! Da müssen Sie mal Herrn Lauterbach fragen!)


Auch das muss man der Öffentlichkeit einmal sagen.

Wir wollen hier ein Steuerungsinstrument, durch das
die ärztliche Verantwortung gestärkt wird. Wir haben
zwei Optionen. Die erste Option ist, dass es die Selbst-
verwaltung künftig in der Hand hat, die Medikamenten-
kosten selbst zu steuern. Wir stellen ihr dies frei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Sie waren es doch, die immer gesagt haben, die Selbst-
verwaltung müsse gestärkt werden. Warum würdigen Sie
dann nicht, dass wir ihr jetzt die Möglichkeit geben, ge-
nau das zu tun? Nur wenn dies nicht greift, kommt es zur
gesetzlichen Bonus-Malus-Regelung.

Hier wird immer so getan, als komme der Bonus dem
Arzt individuell zugute. Das stimmt nicht. Ein Blick ins
Gesetz erleichtert die Wahrheitsfindung. Die Boni kom-
men den kassenärztlichen Vereinigungen zu und werden
von dort wieder verteilt, gerade um den Arzt gegenüber
dem Vorwurf in Schutz zu nehmen, er verhalte sich so,
um den Bonus einzustecken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die sind beratungsresistent! Das ist das Problem!)


Wir haben doch reagiert. Man sollte draußen nichts an-
deres erzählen.

Nun stellt sich die Frage, wie man eine Medikamen-
tentherapie wirtschaftlich misst. Mit dem von uns ge-
wählten Konzept haben wir auf ein WHO-Konzept zu-
rückgegriffen. Dieses Konzept, Frau Kollegin Bender,
ist schon im GMG verankert; das haben Sie gemeinsam
mit uns verabschiedet. Es ist nichts Neues, keine neue
bürokratische Herausforderung.


(Zurufe von der FDP: Aha!)


Im GMG steht bereits, dass man die Wirtschaftlichkeit
aufgrund dieses Instruments ermitteln kann.

Weil auch auf den Bildschirmen in den Berliner U-Bah-
nen Unsinn verbreitet wird, will ich noch einmal auf das
Konzept eingehen: Es gängelt den Arzt weder bezüglich
der Anzahl der verordneten Pillen noch bezüglich der
Zahl seiner Patienten. Hier ist der Arzt nach wie vor frei.
Das Konzept regelt aber, dass der Arzt, wenn er sich für
einen Wirkstoff entschieden hat, in die Wirkstoffgruppe
schauen und dann das wirtschaftlichere Medikament
verordnen muss. Verantwortungsvolles wirtschaftliches
Handeln und Therapiefreiheit gehören unteilbar zusam-
men.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Verantwortliche Ärzte – das ist die Mehrheit – tun das
bereits. Deshalb müssen wir die Mehrheit der Ärzte bei
dem unterstützen, was sie bereits tun, müssen ihnen
mehr Informationen zur Verfügung stellen und uns öf-

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(C (D entlich dagegen verwahren, dass mit unsachlichen und nqualifizierten Äußerungen eine Kampagne gefahren ird, die jeglicher Grundlage entbehrt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es wäre wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ass Sie sich an der Sachaufklärung beteiligen und nicht
eiterhin bewusst die Unwahrheit sagen. Ich wiederhole
och einmal: Wir wollen eine Steuerung der Arznei-
ittelkosten. Hierbei wollen wir die Ärzte an unserer

eite wissen. Wir möchten sie besser informieren und
ir möchten mehr Transparenz und Wirtschaftlichkeit

m Versorgungswesen.

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das haben wir alles schon einmal gehört!)

Nicht gewürdigt wurde, dass zum ersten Mal – hier

in ich den Koalitionsfraktionen sehr dankbar – die
chnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Ver-
orgung in einem Gesetzentwurf angegangen wird. Die
iedergelassenen Ärzte warten seit Jahren darauf. Diese
agen, dass die aus den Krankenhäusern entlassenen Pa-
ientinnen und Patienten oft mit der Verordnung eines
ehr teuren Medikaments zu ihnen kommen. Wir wollen,
ass hier zukünftig stärker zusammengearbeitet wird
nd bei der Entlassmedikation die Wirtschaftlichkeit in
en Vordergrund gestellt wird.

Herr Kollege Bahr, dazu gibt es eine sehr interessante
tudie


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ist die auch von Herrn Lauterbach?)


on Ärzten in Lübeck. Ich stelle sie Ihnen gerne zur Ver-
ügung.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Immer her damit!)


s wurden 400 Hausärzte bezüglich der Entlassmedika-
ion befragt. 70 Prozent antworteten, dass der Arztkurz-
rief bzw. der Arztbrief keine Informationen zu ver-
leichbaren Wirkstoffen enthalte. Vielmehr würden
eilweise außer dem Namen des Originalpräparats über-
aupt keine Informationen gegeben. Wenn wir hier für
ehr Transparenz und Wirtschaftlichkeit bei der Verän-

erung dieser Schnittstelle sorgen,

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Da sind wir uns im Ziel einig!)

un wir das zum Wohle der Patientinnen und Patienten
nd weil wir glauben, dass wir damit im System enthal-
ene Effizienzreserven erschließen können.

Wer wie Sie diese unverantwortliche Kampagne un-
erstützt, versündigt sich auch ein Stück weit an den
atientinnen und Patienten


(Lachen des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


nd sorgt dafür, dass nicht fair und sachlich über das
hema Arzneimitteltherapie diskutiert wird.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602013100

Das Wort hat der Kollege Jens Spahn, CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1602013200

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!

Ich möchte kurz fünf Anmerkungen zum vorliegenden
Gesetzentwurf machen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Du hast nur fünf Minuten!)


Zum Ersten geht es um die Ausgangslage. Angesichts
drohender Beitragssatzsteigerungen und Kostensteige-
rungen möchten wir jetzt, um Beitragssatzsteigerungen
zu vermeiden


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Schon seit dem 1. Januar!)


– das ist das, was Sie in Ihrer Kritik ausblenden –, erst
einmal sparen, um im Sinne niedriger Lohnnebenkosten
und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt-
schaft die Beiträge gering zu halten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Mehrwertsteuer erhöhen!)


Damit bin ich bei meiner zweiten Anmerkung. Ich
kann insbesondere der FDP – der Oppositionsführung,
wie Sie sich immer nennen – nur bedingt folgen. Sie sa-
gen immer nur: Nein, das wollen wir nicht und das wol-
len wir auch nicht. Gleichzeitig haben Sie Vorschläge,
die Ausgabenerhöhungen bedeuten würden, so etwa be-
züglich der Finanzierung der Ärzte und der Krankenhäu-
ser. Das kann man alles wollen; aber zur Wahrheit gehört
dazu, den Versicherten und Patienten zu sagen, dass das
mehr kostet. Diesen Teil jedoch lassen Sie in der Diskus-
sion immer weg.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602013300

Herr Kollege Spahn, möchten Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Bender zulassen?


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Eigentlich hat er mich angesprochen!)



Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1602013400

Bitte schön.


Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602013500

Herr Kollege Spahn, Sie sprachen davon, dass Bei-

tragssatzsteigerungen in der gesetzlichen Krankenver-
sicherung drohen könnten. Sind Sie bereit, zuzugeben,
dass solche Beitragssatzsteigerungen durch Ihre Politik
drohen könnten,


(Beifall des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


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(C (D eil die Koalition entschlossen ist, den Steuerzuschuss n Höhe von 4 Milliarden Euro aus der GKV herauszuiehen, nd im Übrigen durch die Mehrwertsteuererhöhung ein ostenrisiko von etwa 800 Millionen Euro zusätzlich chafft? (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Erst im nächsten Jahr!)


(Beifall bei der FDP)



Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1602013600

Ich bin bereit, zuzugeben, dass in der Zukunft weitere

eitragssatzerhöhungen drohen können.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: 1. Januar!)


ber es geht erst einmal um die Situation, wie sie sich
eute darstellt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


s geht darum, dass wir bis zum Jahreswechsel die Kos-
en und die Beitragssätze im Griff behalten müssen, ver-
hrte Frau Kollegin Bender.

Insbesondere in den Entschließungsanträgen der Grü-
en und der FDP werden an der einen oder anderen
telle grundlegende Veränderungen gefordert. Selbst
enn Sie grundlegende Veränderungen bekämen, kämen
ie nicht von heute auf morgen. Sie müssten mit der Si-
uation, wie wir sie heute haben, umgehen und auf jeden
all darlegen, wie Sie die Beitragssätze stabil halten
ollen,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie sollten auch an morgen denken!)


der aber, wie ich es gerade schon erwähnte, den Versi-
herten ehrlich sagen – das sollten auch all die, die zu
emonstrationen aufrufen –, dass es am Ende mehr kos-

en wird.

Meine dritte Anmerkung ist die, dass viele der Maß-
ahmen im Sinne der Beitragssatzstabilität natürlich
icht schön, aber notwendig sind, etwa wenn es um ein
reismoratorium oder Zwangsrabatte geht. Wir haben in
er Frage der Festbetragsregelung eine Berichtspflicht
ingebaut. Ich bin gern dazu bereit – und ich glaube, die
oalition ist es auch –, im Zuge des Berichtes über all
ie Instrumente, die uns im Arzneimittelbereich zur Ver-
ügung stehen, zu sprechen und zu schauen, welches da-
on unser Ziel effektiv erreicht und am Ende in klare
nd deutliche Regelungen umgesetzt werden kann.

Zu der Bonus-Malus-Regelung und den Veränderun-
en, die insbesondere in den letzten Tagen vorgenom-
en wurden und die in den öffentlichen Darstellungen

owohl im Parlament wie außerhalb des Parlamentes
ielfach nicht gewürdigt worden sind, hat die Kollegin
idmann-Mauz schon einiges gesagt. Ich finde den Hin-
eis sehr wichtig, dass es die Möglichkeit gibt, vor Ort
on den Regelungen abzuweichen und eigene Regelun-
en zu treffen, die unserem Ziel, die Kosten in vertretba-






(A) )



(B) )


Jens Spahn
rem Maße – es geht ja nicht darum, dass es überhaupt
keine Kostensteigerung geben darf – zu halten, gerecht
werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Regelung berücksichtigt Besonderheiten bei be-
stimmten medizinischen Notwendigkeiten. Wenn es um
Wirkstoffe geht, tragen wir in jedem Fall dem Bedürfnis
nach Therapiefreiheit Rechnung; das wollen wir auch.

Viertens möchte ich die guten Ansätze, die dieses Ge-
setz beinhaltet und die auch Sie unterstützen müssten,
unterstreichen. Es geht um den Preiswettbewerb im Be-
reich der nicht verschreibungspflichtigen Medika-
mente, im OTC-Bereich, in dem wir die Naturalrabatte
verbieten. Es gehört auch zur Wahrheit, dass Preis- und
Mengenrabatte in diesem Bereich in Zukunft vollum-
fänglich möglich sind. Das müssten Sie doch mit kom-
munizieren. Wir erhoffen uns, dass die möglichen Di-
mensionen innerhalb der Preisbildung nicht nur bei
denen, die in der Leistungserbringung oder in den Ver-
triebsstrukturen sind, ankommen, sondern auch bei den
Versicherten. Denn eine Preissenkung hat es in diesem
Bereich bis jetzt nicht gegeben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Beim Punkt Innovation stellt sich die Frage: Was ist
therapeutische Verbesserung und welche Studien sind
vorzulegen? Es geht nicht nur um Endpunktstudien, wie
sie etwa im Bereich HIV nur bedingt sinnvoll sind, wenn
es um neue Medikamente geht, sondern eben auch da-
rum, dass es möglich sein muss, international anerkannte
Studien vorzulegen. Damit wird im Übrigen den Anlie-
gen chronisch Kranker Rechnung getragen. Sie, die
Linke, sind dafür bekannt, dass Sie immer gern und viel
auf die Pharmaindustrie schimpfen; so haben Sie es auch
gerade getan. Aber gerade chronisch kranke Menschen
profitieren doch davon, dass es Innovationen und neue
Medikamente gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


Deswegen müssen wir zwischen den Innovationen, die
uns tatsächlich nach vorne bringen und eine bessere Be-
handlung von chronisch kranken Menschen ermögli-
chen, und denen, die das eher nicht tun, sauber trennen.

Fünftens und abschließend möchte ich sagen, dass
dies natürlich ein Gesetz ist, das noch ein Stück weit in
der alten Tradition von Spargesetzen steht, die vor allem
unter dem Druck des Beitragssatzes entstehen.

Deswegen lade ich Sie alle herzlich ein, gemeinsam
mit uns an einer großen Reform zu arbeiten, die dem
Ziel näher kommt, aus dieser Beitragssatzdynamik und
dieser Kostensenkungsdynamik herauszukommen, lohn-
unabhängiger zu finanzieren, mehr Wettbewerb, vor al-
lem mehr Wettbewerb um Qualität, zuzulassen und
damit das Potenzial, das schon heute angesichts von
4,2 Millionen Beschäftigten in dieser Branche liegt, zu
steigern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
wenn Sie heute dabei helfen, den Beitragssatz stabil zu

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(C (D alten und die Ausgaben in den Griff zu bekommen, und enn Sie morgen dabei helfen, dieses Thema grundsätz ich anzugehen, dann tun Sie ein gutes Werk. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war wirklich gut, Herr Kollege Spahn!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602013700

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von den
raktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
esetzentwurf zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit

n der Arzneimittelversorgung auf Drucksache 16/194.
er Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Ziffer 1

einer Beschlussempfehlung auf der Drucksache 16/691,
en Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-
en. Ich bitte diejenigen, die dem zustimmen wollen,

m das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-
en? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung
it den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der
pposition angenommen.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
egenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetz-

ntwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
en der Opposition angenommen.

Unter Ziffer 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
er Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer
timmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! –
nthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit
en Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der FDP
nd der Fraktion Die Linke bei Enthaltung des Bündnis-
es 90/Die Grünen angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent-
chließungsanträge.

Entschließungsantrag der FDP auf Drucksache 16/697.
er stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
amit ist dieser Entschließungsantrag mit den Prostim-
en der FDP bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die
rünen und bei Gegenstimmen im Rest des Hauses ab-
elehnt.

Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf
rucksache 16/698. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit
st dieser Entschließungsantrag abgelehnt. Dafür haben
ie Abgeordneten der Fraktion Die Linke gestimmt. Da-
egen haben die Abgeordneten von FDP, CDU/CSU und
PD gestimmt. Enthalten hat sich die Fraktion des
ündnisses 90/Die Grünen.

Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnis-
es 90/Die Grünen auf Drucksache 16/699. Wer stimmt
ür diesen Entschließungsantrag? – Gegenprobe! – Ent-
altungen? – Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt
ei Prostimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die
rünen, Enthaltung der Fraktion Die Linke und Gegen-

timmen im Rest des Hauses.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Damit rufe ich Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Brigitte
Pothmer, Dr. Thea Dückert, Kerstin Andreae,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Progressiv-Modell statt Kombilohn

– Drucksache 16/446 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss

Interfraktionell ist für die Aussprache zu diesem Ta-
gesordnungspunkt eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, ihre Plätze
einzunehmen bzw. ihre Wochenendverabredungen drau-
ßen zu treffen.


(Dirk Niebel [FDP]: Oder sie sollen öffentlich machen, wer sich mit wem trifft! Auch das wäre doch interessant!)


Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Brigitte Pothmer, Bündnis 90/Die Grünen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602013800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aus

dem Problem der Massenarbeitslosigkeit ist in Deutsch-
land leider längst eine Dauerkatastrophe geworden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist auch in sieben Jahren Rot-Grün nicht besser geworden!)


Diese Dramatik wird noch dadurch gesteigert, dass die
Zahl der Langzeitarbeitslosen ständig zunimmt. Dabei
handelt es sich um eine Gruppe, die überwiegend sehr
schlecht ausgebildet ist oder gar keine Ausbildung hat.
Aufgrund der wirklich mangelhaften Ausbildungs- und
Bildungssituation in Deutschland steigt die Zahl der
Langzeitarbeitslosen leider von Jahr zu Jahr. Parallel
dazu schwinden die Arbeitsplätze, insbesondere solche
mit einfachen Anforderungen. Deshalb muss es vor allen
Dingen um eines gehen: zu klären, wie wir die Voraus-
setzungen dafür schaffen können, dass insbesondere für
die Gruppe der gering Qualifizierten Beschäftigungs-
angebote entstehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und das habt ihr, nachdem ihr sieben Jahre regiert habt, so plötzlich gemerkt?)


– Herr Kolb, die FDP-Fraktion hat in Deutschland sehr
lange mitregiert.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das waren gute Zeiten!)


– „Das waren gute Zeiten“? Herr Kolb, über Ihre Defini-
tion davon, was gute Zeiten sind, müssen wir hier noch
einmal reden. Jedenfalls ist das, was damals gut war,

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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei uns ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze um 3 Millionen gestiegen!)


eute offensichtlich schlecht. Sie hängen doch Ihre
ahne nach dem Wind!

Die Hauptursache für den Mangel an solchen Arbeits-
lätzen muss in den hohen Sozialversicherungsbeiträgen
esehen werden. Diese sind übrigens auch unter
chwarz-Gelb ständig angestiegen, Herr Kolb!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Sie waren es, die die 5-Millionen-Marke gerissen haben!)


ie hohen Lohnnebenkosten machen diese Arbeits-
lätze für die Arbeitgeber unwirtschaftlich und für die
rbeitnehmer unattraktiv. Das Ergebnis ist ein ständiges
nwachsen der Schwarzarbeit.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Wir schlagen mit unserem Progressivmodell vor, die
ohnnebenkosten im unteren Einkommensbereich ge-
ielt zu senken, und zwar nicht um 1 oder 2 Prozent-
unkte – das würde gar keine Wirkung entfalten –, son-
ern nach der Formel „Je geringer das Einkommen,
esto geringer auch die Sozialabgaben“. Wir glauben,
ass wir damit insbesondere im unteren Lohnbereich
eutlich bessere Ergebnisse erzielen werden, als es mit
em von der CDU favorisierten Kombilohnmodell je
öglich wäre.

Wir lehnen dieses Kombilohnmodell übrigens nicht
us ideologischen Gründen ab. Sie können sich viel-
eicht noch daran erinnern, dass wir Grünen seinerzeit
afür waren, Kombilohnmodelle auszuprobieren. Aber
ir müssen nach der Probephase zur Kenntnis nehmen,
ie die Ergebnisse sind:


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und?)


ie Ergebnisse sind grottenschlecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


eswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie die Finger davon!
ir wissen doch inzwischen, dass Kombilohnmodelle

eradezu absurd teuer sind: Je nach Ausgestaltung kos-
en sie 35 000 bis 70 000 Euro pro Jahr.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist ja wie ein Steinkohlearbeitsplatz!)


as ist ein Vielfaches von dem, was die Leute in diesem
nteren Lohnbereich verdienen.

Kombilohnmodelle setzen außerdem falsche Anreize:
ir haben die berechtigte Sorge, dass durch diese Mo-

elle Arbeit generell zu subventionierter Arbeit würde.
as können wir nicht wollen. Kombilohnmodelle, zu-
indest in großem Umfang, sind in Deutschland ge-

cheitert; das ist das Ergebnis.

Mit dieser Skepsis stehen wir Grünen wahrlich nicht
lleine da. Dass wir uns allerdings in Gemeinschaft mit
er FDP wieder finden, lässt mich noch einmal darüber
achdenken, ob wir uns richtig positioniert haben.






(A) )



(B) )


Brigitte Pothmer

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der FDP)


Wenn aber die Bundesagentur für Arbeit dagegen ist,
wenn die Arbeitgeberverbände, die Gewerkschaften, die
Mitglieder des Sachverständigenrates und große Teile
der SPD-Fraktion dagegen sind, dann muss doch klar
sein: Die Einführung von Kombilohnmodellen wäre ein
großer Fehler.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Wie war das mit der Million Fliegen, die sich nicht irren können?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602013900

Sie müssen bitte zum Schluss kommen, Frau

Pothmer.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602014000

Ich komme zum Schluss.

Ich will nur noch darauf hinweisen, dass bei der Ein-
führung unseres Progressivmodells auch die Mini- und
die Midijobs, deren Fehler sich im Rahmen der Evaluie-
rung von Hartz IV gezeigt haben, integriert wären. Da-
mit hätten wir den Vorteil, dass alle, die in diesem Be-
reich arbeiten, sozialversichert wären – ab dem ersten
Euro. Das ist sicher nicht umsonst zu haben; nach unse-
ren Schätzungen kostet es etwa 13 Milliarden Euro.
Doch das wäre nur ein Bruchteil von dem, was Kombi-
lohnmodelle an Kosten verursachen würden.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602014100

Das Wort hat der Kollege Michael Hennrich, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michael Hennrich (CDU):
Rede ID: ID1602014200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Frau Pothmer, ich fühle mich an alte Zei-
ten zurückerinnert, als es unter Rot-Grün Schnellschüsse
en masse gab, bei denen dann permanent nachgebessert
werden musste.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie wollen es jetzt doch besser machen!)


Die SPD hat dazugelernt, sie ist auf den Pfad der Tugend
zurückgekehrt und lässt sich Zeit. Bei Ihnen aber muss
es immer noch schnell gehen.

Sie legen uns heute ein Modell vor, bei dem allenfalls
noch der Name ein gewisses Interesse weckt. Was sich
dahinter versteckt, ist aber eine Luftblase.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie doch gar nicht verstanden!)


– Doch, dazu kommen wir jetzt gleich noch.

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(C (D Ich stimme mit Ihnen überein, dass die Bekämpfung er Arbeitslosigkeit ein ganz zentrales Thema für uns lle ist. Es ist für die Gesellschaft, für die sozialen Sicheungssysteme in unserem Land, für unsere Finanzen und n erster Linie für die Menschen in unserem Land ein entrales Thema. Vor einer Woche haben wir den Evaluierungsbericht u Hartz I bis III diskutiert. Dieses Projekt wurde von ot-Grün auf den Weg gebracht. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war nicht so doll!)


Wir müssen jetzt ja Rücksicht auf unseren Koalitions-
artner nehmen. Deswegen sagen auch wir nur: Es war
icht ganz so doll.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben das doch mit beschlossen!)


Ja, die zentralen Teile. Bei dem, was gescheitert ist, ha-
en wir eben nicht mitgemacht. Denken Sie nur an die
ersonalserviceagenturen: ein Verriss sondergleichen.
as haben wir vom ersten Tag an angemahnt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


etzt laufen wir wieder in genau die gleiche Richtung.

Der Evaluierungsbericht zu Hartz I bis III sollte uns
eutlich gemacht haben, dass wir jetzt Reformen brau-
hen, die greifen.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


a wir Reformen brauchen, die greifen, müssen wir sie
uch sachlich durchdiskutieren und erörtern. Wir müssen
as Pro und Contra abwägen


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt wird es aber interessant!)


nd es nicht so machen, wie Sie, nämlich einen Schnell-
chuss in die Welt setzen und sich dann wieder von der
iskussion verabschieden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt doch bitte noch was Inhaltliches! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bei Ihnen dauert das jetzt wieder vier Jahre!)


Ja, ja, aber wir sind ja noch am Anfang dieser Legis-
aturperiode, lieber Herr Kolb.


(Dirk Niebel [FDP]: Ich finde, Sie sind schon ganz schön fertig!)


Ihre Analyse zum Niedriglohnsektor und zur Be-
chäftigungsquote ist richtig. Sie sagen, die Beschäfti-
ungsquote im Hinblick auf die Langzeitarbeitslosen
nd die Geringqualifizierten ist immer noch zu gering.
ier sind wir vollkommen d’accord. In einem entschei-
enden Punkt liegen Sie meines Erachtens aber falsch.
enn Sie sagen, die Lohnzusatzkosten seien der Grund

ür die schwache Beschäftigung der Geringqualifizierten
nd der Langzeitarbeitslosen, dann haben Sie das Thema
erfehlt. Ich möchte Ihnen das an zwei Beispielen deut-
ich machen.






(A) )



(B) )


Michael Hennrich
Zunächst aus Sicht der Arbeitgeber: Schauen Sie sich
das Grenzgebiet zu Tschechien an. Wenn ein Arbeitneh-
mer in Bayern 8 Euro verdient, während man hinter der
Grenze in der Slowakei oder in Tschechien vielleicht
zwischen 3 und 5 Euro Lohn erhält, dann spielen Sozial-
abgaben in Höhe von 10, 15 oder 20 Prozent nur eine ab-
solut untergeordnete Rolle. Dieses Beschäftigungsver-
hältnis wird nicht attraktiv.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte immer, Sie seien für die Senkung der Lohnnebenkosten!)


– Stopp, stopp!

Das zweite Beispiel ist aus Sicht der Arbeitnehmer:
Schauen Sie sich das heutige System mit Hartz IV an.
Ein vierköpfiger Familienvater – –


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Er hat nur einen! – Weiterer Zuruf von der FDP: Monster! – Heiterkeit im ganzen Hause)


– Sie wissen, wie ich das gemeint habe. – Schauen Sie
sich einen Familienvater an, dessen Familie vier Perso-
nen umfasst – es sind also zwei Kinder, lieber Herr
Kolb – und dessen Stundenlohn, so nehmen Sie an,
9 Euro beträgt. Er arbeitet 160 bis 170 Stunden im Mo-
nat. Dadurch kommt er auf einen durchschnittlichen
Bruttolohn von circa 1 500 Euro. Das ist genau der Be-
trag, den er heute schon durch Hartz IV erhalten würde.
Auch er hat also keinen Anreiz, eine Tätigkeit aufzuneh-
men, weil er dieses Geld ja bekommen kann, ohne dass
er arbeitet. Auch für ihn spielen die Sozialversicherungs-
abgaben im Grunde genommen überhaupt keine Rolle. –
Das sind nur zwei Beispiele, die ich erwähnen wollte.

Jetzt möchte ich aber auch noch ein paar Fragen zu
Ihrem Antrag aufwerfen. Sie haben hier formuliert, dass
zusätzliche Steuergelder in Höhe von 13 Milliarden Euro
erforderlich sind.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Meine erste Frage lautet: Woher nehmen Sie die?


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür werden wir Ihnen einen Haushaltsvorschlag machen! Da können Sie sich ganz sicher sein!)


– Seien Sie doch bitte mal konkret. Wir wollen hier eine
ernsthafte und seriöse Politik betreiben. Deshalb bitte
ich Sie einmal, diese Frage ganz konkret zu beantworten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine zweite Frage, Frau Pothmer: Völlig ungeklärt
ist auch, wie sich die Situation im Alter darstellt, wenn
die betroffenen Personen keine Rentenversicherungsbei-
träge mehr zahlen. Wer keine Rentenversicherungsbei-
träge zahlt, erwirbt auch keine Rentenansprüche.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird durch Steuermittel kompensiert!)



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(C (D Sie müssen das aber in Bezug zur Erwerbstätigkeit seten. Wie lösen Sie dieses Problem? Da kommt nur Kopfchütteln und „Weiß ich nicht“. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Kopfschütteln!)


Diese Problembereiche zeigen uns deutlich, dass die-
er Antrag wenig durchdacht ist. Wie gesagt, damit ha-
en Sie einen Schnellschuss in die Welt abgegeben. Von
eriöser Politik haben Sie leider Gottes Abstand genom-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich stimme Ihnen völlig zu, dass wir ein Modell brau-
hen, das Lohndumping eindämmt. Deswegen sollten
ie Transferleistungen meiner Meinung nach beim Ar-
eitnehmer und nicht beim Arbeitgeber ankommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Das ist das einzig Vernünftige!)


iese Diskussion müssen und werden wir in der nächs-
en Zeit seriös führen. Wir haben gesagt, dass wir im
erbst ein Konzept vorlegen.

Aber ich möchte noch auf einen Punkt ganz deutlich
inweisen: Wir dürfen nicht dem Irrglauben unterliegen,
u denken, mit einem Kombilohn- oder Progressiv-
odell könnten alle Probleme in unserem Land gelöst
erden. Wir brauchen flankierende Maßnahmen, um
austellen wie die Deregulierung am Arbeitsmarkt, den
rbeitsschutz oder den Kündigungsschutz in den Griff

u bekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich freue mich, dass Sie applaudieren.

Wir müssen Bürokratie konsequent abbauen. Die
enehmigungsverfahren sind zu lang. Wer sich heute in
nserem Land selbstständig machen will, braucht für das
inholen der Genehmigung 46 Tage. In anderen europäi-
chen Ländern – um das einmal zu vergleichen – dauert
as zwischen zwei und zehn Tagen. Das ist ein entschei-
ender Unterschied. Wir müssen darüber hinaus mehr
ert auf Qualifizierung und Weiterbildung legen.

Ich habe nur einige Punkte angerissen, um deutlich zu
achen, wo die Baustellen der Zukunft liegen. Sie haben

inen kleinen Teilaspekt herausgegriffen, ohne dies in ei-
em Gesamtzusammenhang zu sehen. Deswegen lehnen
ir Ihren Antrag ab.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind doch gerade in der ersten Beratung!)


ch hoffe, Sie kehren auf den Pfad der Tugend zurück.
onzentrieren Sie sich wieder auf das Wesentliche und
ringen Sie inhaltlich ausgereifte Vorschläge ein!

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602014300

Das Wort hat der Kollege Dirk Niebel, FDP-Fraktion.


(Andreas Steppuhn [SPD]: Mehrwertsteuer!)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1602014400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich höre gerade den Zwischenruf „Mehrwert-
steuer“ vonseiten der Sozialdemokratie. Sie werden da-
mit leben müssen, dass Sie vor der Wahl etwas anderes
gesagt haben als das, was Sie hinterher machen.


(Beifall bei der FDP)


Natürlich wird auch die Frage der Mehrwertsteuererhö-
hung in dieser Debatte einen wesentlichen Bestandteil
meiner Ausführungen einnehmen; da können Sie gewiss
sein.


(Petra Ernstberger [SPD]: Das wissen wir!)


Nichtsdestotrotz ist der Ansatz, den die Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen mit ihrem Antrag verfolgt,
falsch. Sie will die Sozialversicherungsbeiträge im unte-
ren Einkommenssegment absenken und erst ab einem
Bruttoeinkommen von mehr als 2 000 Euro bei Sozial-
versicherungsabgaben von insgesamt 42 Prozent ankom-
men. Das ist grundsätzlich falsch, weil die Belastung
von Arbeit mit Steuern und Abgaben in diesem Land
insgesamt zu hoch ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jawohl!)


Sie bleiben in dem Korsett, unter dem wir schon jetzt lei-
den und das unter Ihrer Regierungszeit noch enger ge-
schnürt worden ist – dabei haben Sie die Energiekosten
von Arbeit sogar herausgerechnet –, anstatt zu sagen:
Wir brauchen einfache, niedrige und gerechte Steuern
und wir müssen die Beiträge zu den sozialen Sicherungs-
systemen in den Griff bekommen.


(Beifall bei der FDP)


Wir Liberale haben in zwei Bereichen Vorschläge ge-
macht. Wir sind der festen Überzeugung: Kombilöhne
als flächendeckendes Modell werden das Problem der
Massenarbeitslosigkeit gerade für Geringqualifizierte
nicht dauerhaft lösen, auch wenn zum Beispiel ältere Ar-
beitnehmer durch einzelne solcher Elemente – das ent-
nehmen wir dem Evaluierungsbericht – in einem be-
grenzten Umfang durchaus wieder integriert werden
können.

Wir müssen den Menschen und den Betrieben mehr
von ihrem selbst verdienten Geld übrig lassen, um so
Möglichkeiten für Investitionen und Konsum zu schaf-
fen. Deswegen haben wir vorgeschlagen und werden es
auch in dieser Legislaturperiode in den Bundestag ein-
bringen: ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuer-
system mit einem Grundfreibetrag von 7 700 Euro für
jeden Menschen, egal ob klein oder groß, und mit einem
Stufentarif mit drei Stufen von 15, 25 und 35 Prozent.
Das ist einfach: Jeder, der weiß, was er verdient, weiß,
was er an Steuern zu zahlen hat. Die Steuersätze sind
niedrig, sodass jedem Steuerzahler mehr bleibt als bei
der heutigen Regelung,

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(C (D (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So geht das! So einfach ist das!)


nd das System ist gerecht, weil 35 Prozent von
0 000 Euro mehr sind als 35 Prozent von 15 000 Euro.


(Beifall bei der FDP)


Wir wollen das alles kombinieren, um die Menschen
u unterstützen, die derzeit vom Arbeitsmarkt ausge-
renzt werden. Statt Kombilöhne zu planen oder ein Pro-
ressivmodell zu entwickeln, das nur an den Symptomen
erumdoktert, stellen wir zunächst einmal fest: Es gibt
uf dem deutschen Arbeitsmarkt einen Bereich, der in
er legalen Wirtschaft nicht nachgefragt wird, weil die
esamtkosten der Arbeit zu hoch sind. Bestimmte Tätig-
eiten werden hier in der legalen Wirtschaft nicht mehr
ngeboten.

Weil wir aber wissen, dass dauerhafte Arbeitslosig-
eit Freiheitsberaubung ist, wollen wir den Menschen
ie Möglichkeit geben, wenigstens einen Teil ihres Un-
erhalts wieder durch eigene Arbeit zu erwirtschaften.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


eswegen haben wir das so genannte Bürgergeld-
odell vorgeschlagen.


(Beifall des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


ir haben von unserem Herrn Bundespräsidenten eine
emerkenswerte und für uns sehr erfreuliche Unterstüt-
ung bekommen, als er Ende des vergangenen Jahres in
inem Interview im „Stern“ angeregt hat, in Deutschland
ber ein System der negativen Einkommensteuer nach-
udenken.

In dem von uns vorgeschlagenem Bürgergeldmodell
erden Einkommensteuer und Transfersystem zusam-
engefasst. In Deutschland gibt es 138 steuerfinanzierte
ransferleistungen – sehr große wie das Arbeitslosen-
eld II, aber auch sehr kleine wie die Heizkostenbeihilfe.
iese 138 steuerfinanzierten Transferleistungen werden
on 45 verschiedenen Behörden verwaltet. Wer da noch
urchblickt, ist so clever, dass er die Hilfe nicht braucht.
er aber Hilfe braucht, der blickt in dem System nicht
ehr durch. Das müssen wir ändern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Leider wahr!)


Deswegen müssen wir die steuerfinanzierten Trans-
erleistungen mit dem Steuersystem verbinden. Wer ein
eringes Einkommen hat, weil seine Arbeit eine geringe
ertschöpfung aufweist – notwendig sind produktivi-

ätsorientierte Löhne –, dem wird eine negative Ein-
ommensteuer angerechnet. Wer leistungsfähig ist und
ert schöpfende Löhne erzielen kann, der unterliegt der

teuerpflicht. Das ist vernünftig, weil wir damit den
enschen unterstützen statt einen Arbeitsplatz oder Be-

rieb. Das würde nur zu einem Downgrading der Ar-
eitsplätze in Bezug auf die Bezahlung und zu Mitnah-
eeffekten führen.


(Beifall bei der FDP)


Die Grünen schlagen ein Modell vor, in dem die
ini- und Midijobs absorbiert werden. Das ist in arbeits-
arktpolitischer Hinsicht Unsinn, weil erstens die






(A) )



(B) )


Dirk Niebel
Minijobs nach sieben Jahren rot-grüner Regierung die
einzigen noch verbliebenen flexiblen Möglichkeiten am
Arbeitsmarkt sind. Sie haben nämlich den gesamten Ar-
beitsmarkt zubetoniert. Es ist auch deshalb Unsinn, weil
zweitens durch die Minijobs zumindest die Schwarz-
arbeit eingedämmt worden ist. Dadurch haben Men-
schen wieder Zugang zur legalen Wirtschaft gefunden.
Das Prinzip erklären Sie in Ihrem Antrag auch für rich-
tig, nämlich die Entlastung der Einkommen im Bereich
gering bezahlter Tätigkeiten.

Wir schlagen in unserem Bürgergeldkonzept vor, die
Grenze für Minijobs von 400 Euro auf 600 Euro zu erhö-
hen und das Ganze in das geplante Steuer- und Transfer-
system aus einem Guss zu integrieren, um die Chancen
zur Erwerbsaufnahme im Bereich gering qualifizierter
Beschäftigung in der legalen Wirtschaft im Inland zu er-
höhen.

Deswegen können wir dem Modell in seiner jetzigen
Fassung nicht zustimmen.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602014500

Das Wort hat Gabriele Lösekrug-Möller, SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1602014600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Seit neun Uhr heute Morgen
verfolgen viele diese Plenardebatte. Was denken sie
wohl über uns? Wenn sie den Wortbeiträgen der Opposi-
tionsparteien zuhören, dann meinen sie sicherlich, dass
heute ein Tag der Vereinfachung ist. Denn Ihre Beiträge
waren von Vereinfachung und Schlichtheit geprägt und
es war auch hin und wieder Nachhilfe nötig. Aber auch
das gehört sicherlich zu einer Plenardebatte.

Es mag aber auch als ein Tag des Verschwendens er-
scheinen, wenn wir uns in Erinnerung rufen, worüber
wir seit neun Uhr heute Morgen diskutieren: Wir disku-
tieren aus gutem Grund über arbeitsmarktpolitische
Aspekte und Argumente – es ist bitter nötig, darüber zu
reden –, aber nun steht der Antrag der Grünen zur Dis-
kussion. Sein Titel klingt sehr fortschrittlich; wer kann
schon gegen ein Modell sein, das sich „progressiv“
nennt. Das muss doch wohl Fortschritt pur enthalten.
Aber schon die ersten fünf Punkte machen deutlich, dass
sich das Progressive auf die Überschrift beschränkt.

Frau Pothmer, Sie haben unterstrichen, dass Sie be-
reits eine klare und abschließende Einschätzung haben.
Wie Sie dazu gekommen sind, weiß ich nicht. Jedenfalls
gehen Sie wohl davon aus, dass es sich nicht lohnt, die
Idee von Kombilöhnen zu verfolgen. Das erscheint Ih-
nen als kleinliche Lösung. Sie aber sind für den großen
Wurf. Das finde ich gut.

Ich denke, Sie haben sich mit Ihrem Antrag Skandi-
navien zum Vorbild genommen. Sie glauben sicherlich,
wenn das Modell umgesetzt wird, dann schaffen unsere

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(C (D nternehmer viele neue Arbeitsplätze. Der Vorschlag ercheint Ihnen bestechend einfach. Ich sehe ihn in der radition des merzschen Bierdeckelkonzepts. Ich würde agen, Ihr Vorschlag passt auf ein Taschentuch oder eine erviette. Mein Kollege von der Union hat schon deut ich gemacht, wo überall offene Posten sind. Mit diesen uss man sich ganz sicher näher beschäftigen. Ihrem Progressivmodell liegt zugrunde, die Beiträge ur Sozialversicherung analog zum Steuerrecht zu getalten, also mit gleitender, stufenloser Steigerung bis zu inem Beitragssatz von 42 Prozent, wohlgemerkt: 42 Proent für Arbeitnehmer und Arbeitgeber in toto. Das beannte Prinzip aus dem Steuerrecht soll übertragen weren. Das klingt sehr einfach. Es bleiben aber ein paar leinigkeiten, beispielsweise die von Ihnen geschätzten selbstverständlich dann steuerfinanziert – Kosten in öhe von circa 13 Milliarden Euro. Mein Gott! Wer reet schon über eine so läppische Summe? Man ist direkt ersucht, von Peanuts zu sprechen, wenn man die Gealtigkeit Ihres Entwurfes sieht. In Ihrem Antrag gibt es aber einen Punkt, in dem Sie n Ihrer Argumentation absolut unlogisch sind. Sie meien, mit Ihrem Antrag ausschließlich denjenigen zu helen, die mit geringer Qualifikation Beschäftigung auf em Arbeitsmarkt suchen. Fakt ist aber, dass Ihr Modell ediglich jene Arbeitsuchenden begünstigt, die ein nicht o hohes Einkommen haben. Wenn man genauer hinchaut, dann stellt man fest, dass das möglicherweise wei verschiedene Personengruppen sind. Ich kenne iele Kolleginnen und Kollegen – nicht aus dem Bunestag, sondern von meiner alten Arbeitsstätte –, die urchaus für einen geringen Lohn oder Teilzeit arbeiten, ie aber sehr wohl einer hochwertigen Tätigkeit nachgeen. All diese Arbeitnehmer wären ebenfalls betroffen. ber darüber gehen Sie großzügig hinweg. Das heißt, er Verzicht auf Zielgenauigkeit ist ein wesentliches lement Ihres Antrages. Das Progressivmodell ist keine Alternative zum ombilohn. – Auch wenn Sie den Kopf schütteln, Frau othmer, möchte ich Ihnen sagen, worum es eigentlich eht, wenn wir über Kombilöhne reden. In der Tat haben ir drei bundesweite, unbefristete Modelle – davon war chon die Rede –: Minijobs, Midijobs und den anrechungsfreien Hinzuverdienst zum ALG II. Ich erwähne as nur, weil diese Details, die für viele den Alltag betimmen, gelegentlich völlig aus dem Blickfeld geraten. arüber hinaus gibt es bundesweite, aber befristete ombilöhne: das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II, den inderzuschlag, die Entgeltsicherung für Arbeitslose ab 0 sowie Lohnkostenzuschüsse für Langzeitarbeitslose. as sei der Vollständigkeit halber einmal erwähnt. Zu ätzlich gibt es noch sehr viele regional begrenzte Moelle, die sich in der Erprobung befinden. Das alles ist sicherlich ein bisschen viel. Wir müssen as konzentrieren und bündeln; darin werden mir sicherich alle im Haus zustimmen. Es ist aber notwendig, dass ir das sorgfältig und gut entwickeln. Genau das sieht er Koalitionsvertrag vor. In einem Punkt unterscheidet r sich allerdings völlig von dem, was Sie vorgeschlagen Gabriele Lösekrug-Möller haben. Wir wollen nicht, dass ein Kombilohn, wie er in der politischen Debatte ist, zu dauerhaften Subventionen von Unternehmen führt. Die Koalition steht im Wort und hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die nach sorgfältiger Prüfung bis zum Herbst dieses Jahres einen konkreten Vorschlag erarbeiten wird. Dieser wird – im Gegensatz zu Ihrem Modell – keine Antworten schuldig bleiben. Was Sie vorschlagen, ist nichts anderes als eine grundlegende Neuausrichtung der anteiligen Beitragsfinanzierung der Sozialversicherungssysteme. Wenn Sie schon davon sprechen, dann hätte ich es gut gefunden, wenn Sie dargelegt hätten – wie eine Entzauberung –, wie Sie das Ganze finanziell gestalten wollen. Im Ausschuss wie im Plenum reden wir oft über die Probleme, die wir mit der Finanzierung unserer Sozialversicherungssysteme, insbesondere der Krankenund der Rentenversicherung, haben. Aber Sie machen keinen Vorschlag zur Finanzierung, sondern sorgen für neue Löcher. Das ist einer der großen Nachteile Ihres Antrags. Nun haben Sie vorgetragen, dass Sie alles, was fehlt, nachliefern werden. Das mag ja sein. Aber mit dem Nachliefern ist das so eine Sache. Besser wäre es gewesen, wenn Sie ein komplettes Angebot gemacht hätten, über das man abschließend urteilen könnte. Dann ist mir eingefallen, woran das Ganze grundsätzlich krankt. Mir kam Ihr Vorschlag von Anfang an so bekannt vor. Das stimmt auch. Sie haben etwas aus der Schublade gezogen, was Sie im letzten Sommer entwickelt haben, als Sie in den Wahlkampf zogen und meinten, Sie müssten eine Alternative entwickeln. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Daran sehen Sie, dass das kein Schnellschuss ist! Daran arbeiten wir seit Sommer!)


(Beifall bei der SPD)





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(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist das gewesen, was heute auf den Tisch flattert und
hier zu beraten ist. Es ist keinen Deut anders als der Vor-
schlag des letzten Jahres. Der Vorschlag ist so ungenü-
gend und undetailliert wie vor einem Jahr.


(Dirk Niebel [FDP]: Haben Sie Ihre Unterlagen vorher nie ausgearbeitet?)


Deshalb sage ich: Gut, dass wir heute darüber geredet
haben. Etwas schade um die Zeit. Ich bin sehr gespannt,
ob es Ihnen gelingen wird, einen Gesamtzusammenhang
herzustellen. Das Ganze muss sich nicht nur für die ge-
samte Gesellschaft rechnen, sondern auch für den Staat;
denn mit den 13 Milliarden Euro sind Sie an der unteren
Grenze dessen, was man überhaupt kalkulieren kann. Ich
fürchte, es würde wesentlich mehr kosten. Abgesehen
davon geht es um die Etablierung eines Systems, über
dessen Sinnhaftigkeit man genau nachdenken sollte. An-
dere europäische Staaten haben anders finanzierte So-
zialversicherungssysteme. Sie haben zwar abgeschrie-
ben, aber wenn man abschreibt, dann sollte man richtig
abschreiben und nicht so wie Sie.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Das Wort hat der Kollege Werner Dreibus von der raktion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe olleginnen und Kollegen! Die Fraktion der Grünen hat ür ihr Vorhaben den Titel „Progressivmodell“ gewählt. (Dirk Niebel [FDP]: Das ist sehr hochtrabend!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602014700

(Beifall bei der LINKEN)

Werner Dreibus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602014800

as ist ohne Zweifel eine innovative Leistung.


(Dirk Niebel [FDP]: Das war es auch schon!)


as Wort „progressiv“ bezieht sich zwar in erster Linie
uf den Anstieg der Sozialabgabensätze, es soll aber ir-
endwie nach Fortschritt klingen.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist die Anlehnung an das Steuerrecht!)


Frau Pothmer, entschuldigen Sie bitte, aber ich kann
hnen den Vorwurf nicht ersparen, dass Sie uns unter der
euen Überschrift Ihres so genannten Progressivmodells
atsächlich alten Wein in neuen Schläuchen servieren.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir machen nach der Wahl, was wir vor der Wahl versprochen haben!)


ie behaupten, Ihr Modell sei eine Alternative zu tradi-
ionellen, auch hier in der Debatte bereits angesproche-
en Kombilohnkonzepten. Kombilohnmodelle in der
rt, wie wir sie auch hier gehört haben, sind zunächst

inmal nichts anderes als eine staatliche Subvention.
uch Ihr Modell sieht staatliche Subventionen vor.
ombilohnmodelle beinhalten eine Subventionierung
on Löhnen und Sozialabgaben. Ihr Modell will einen
eil der Sozialabgaben subventionieren. Kombilohnmo-
elle sehen ab einer Einkommensgrenze die Reduktion
der den vollständigen Wegfall der Subvention vor. Ihr
odell will das auch. Mir erschließt sich nicht, was da-

an wirklich progressiv oder neu ist. Allein ein Blick auf
ie Bilanz von Kombilöhnen hätte Ihnen zeigen können,
ass es vollkommen unzureichend ist, untauglichen In-
trumenten zumindest dieser Art einfach nur einen neuen
nstrich zu verpassen. Wenn Sie den CO2-Austoß Ihres
utos reduzieren wollen, fangen Sie doch auch nicht da-
it an, Ihren Wagen grün zu streichen.

Was lehren uns die Erfahrungen mit den diversen
ombilohnmodellen, soweit wir sie bisher überhaupt bi-

anzieren können? Die Arbeitsmarktstatistik zeigt, dass
ombilöhne traditioneller Art nicht zu einem nennens-
erten Aufbau von Beschäftigung geführt haben. Die
eispiele sind genannt worden. So ist etwa das so ge-
annte Mainzer Modell, auch mit Ihrer Unterstützung
ingeführt, kaum nachgefragt worden. Es wurden nicht
inmal 20 000 Beschäftigungsverhältnisse gefördert.
ieser Misserfolg – das sollten sich die Kolleginnen und






(A) )



(B) )


Werner Dreibus
Kollegen der Grünen bei ihren Kombilohnfantasien mit
der Marke „progressiv“ ins Gedächtnis rufen – hat be-
reits im Jahr 2003 zur Einstellung des Mainzer Modells
geführt.

Mein Fazit lautet zunächst jedenfalls: Diese Art von
Kombilöhnen schafft keine Arbeitsplätze. Kein Unter-
nehmen beschäftigt Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer, weil sie billiger oder teurer sind, sondern nur dann,
wenn tatsächlich zusätzliche Arbeit – also Nachfrage –
vorhanden ist.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von Schwarzarbeit haben Sie noch nichts gehört?)


An der Stelle ein Hinweis auf Ihre Begründung: Sie
schreiben, Hauptursache für den Mangel an solchen Ar-
beitsplätzen seien vor allem die höheren Sozialversiche-
rungsabgaben. Nun einmal in allem Ernst: Es ist doch
wirklich unter Niveau, auch unter Ihrem Niveau,


(Dirk Niebel [FDP]: Nicht wirklich!)


davon auszugehen, dass es an den Sozialversicherungs-
abgaben liegt, dass wir zu wenig Arbeitsplätze haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Kombilöhne sind eine Subvention für die Unterneh-
men, nicht für die Arbeitnehmer. Die Unternehmen wer-
den solche Subventionen kassieren, eventuell Arbeitslose
einstellen, aber – wenn es keine zusätzliche Nachfrage
gibt – zu teure Beschäftigte entlassen. Kombilöhne setzen
damit zwangsläufig eine Lohnspirale nach unten in Gang.
Das schwächt die Nachfrage und führt eher zu weiteren
Arbeitsplatzverlusten – ganz abgesehen von den horren-
den Kosten dieser Subventionen. Herr Steinbrück wird
sich freuen.

Unsere Position ist: Wir brauchen eine andere Be-
schäftigungspolitik, eine andere Wirtschaftspolitik, Re-
allohnsteigerungen und eine deutliche Stärkung der
Massenkaufkraft, eine Erhöhung der öffentlichen In-
vestitionen und den Ausbau eines modernen Dienstleis-
tungssektors. Außerdem brauchen wir – das sage ich an
diesem Freitag ganz bewusst, auch aus aktuellen Grün-
den – keine Arbeitszeitverlängerung, sondern eine Ar-
beitszeitverkürzung, um den geringeren Arbeitsumfang
besser und gerechter zu verteilen und mehr Beschäfti-
gung zu schaffen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602014900

Ich schließe die Aussprache.

Zwischen den Fraktionen ist die Überweisung der
Vorlage auf Drucksache 16/446 an die in der Tagesord-
nung ausgeführten Ausschüsse verabredet. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Über-
weisung so beschlossen.

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(C (D Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, Horst Meierhofer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Offene Fragen zur Entsorgung radioaktiver Abfälle klären – Verantwortung für nachfolgende Generationen übernehmen – Drucksache 16/267 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der ollegin Angelika Brunkhorst, FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Umweltminister Gabriel, nach sieben Jahren Stanation unter Ihrem Vorgänger Trittin ist es nun endlich n der Zeit, in der Frage der Endlagerung radioaktiver bfälle zu einer Lösung zu kommen. Das sind wir den achfolgenden Generationen schuldig. Herr Gabriel, ich ordere Sie wirklich auf, Mut zu zeigen und einen Konrapunkt der Vernunft zu setzen. Die FDP bekennt sich in Übereinstimmung mit andeen Staaten in der Europäischen Union zu einer Zweindlager-Konzeption. Die sicherheitstechnischen An orderungen an die Endlagerung hoch radioaktiver bfälle einerseits und schwach radioaktiver und mittel adioaktiver Abfälle andererseits sind sehr unterschiedich: Es bedarf einer getrennten Behandlung und Lageung. Das wurde uns von allen Experten bestätigt. Nicht ine einzige wissenschaftliche Expertise hat in der Einndlager-Lösung einen Vorteil konstatiert, nicht einmal er AK End, der nur diese Lösung bewerten sollte. ch fordere die Bundesregierung deshalb auf, sich von er Ein-Endlager-Konzeption deutlich zu distanzieren. Die Verschiebetaktik des ideologisch motivierten ehealigen Ministers Trittin wird höchstwahrscheinlich azu führen, dass unser Ziel, 2030 ein Endlager für hoch adioaktive Abfälle bereitzustellen, in weite Ferne geückt ist. Fachleute sprechen davon, dass wir wahrcheinlich von einer Zeitachse 2050 bis 2062 ausgehen üssen. Ich finde das fatal, auch unter dem Gesichts unkt, dass wir damit ein neues Problem heraufbechwören: Die Nutzungsdauer der Zwischenlager an en Kernkraftwerken beträgt nur 40 Jahre. Wir wissen icht, ob wir nach diesen 40 Jahren schon ein Endlager Angelika Brunkhorst haben. Falls nicht, werden die Zwischenlager zu Endlagern. Das ist die Realität, mit der wir es zu tun haben. Die Situation stellt sich heute so dar: 85 Prozent aller radioaktiven Abfälle sind schwach radioaktiv oder mittelradioaktiv. Sie kommen aus Forschungseinrichtungen und aus medizinischen Einrichtungen. Für zwei Drittel der Gesamtmenge ist der Bund verantwortlich. Herr Minister, deshalb appelliere ich hier an Sie. Wir haben ein planfestgestelltes Endlager für diese Art von Abfall, nämlich den Schacht Konrad. Herr Minister, ich möchte Sie daran erinnern, dass diese Planfeststellung erfolgt ist, als Sie Ministerpräsident und Wolfgang Jüttner Umweltminister in Niedersachsen waren. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sigmar, das hätte ich nicht von dir gedacht!)

Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1602015000

(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall der Abg. Birgit Homburger [FDP])





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


Sie erinnern sich sicherlich daran.

Die noch anhängigen Klageverfahren sollen Anfang
März entschieden werden. Ich möchte Sie wirklich bit-
ten, nach Rechtskraft dieser Urteile das Ihnen direkt un-
terstellte Bundesamt für Strahlenschutz anzuweisen, so-
fort den Antrag auf eine Nutzung zu stellen und die
Inbetriebnahme des Schachts Konrad auf den Weg zu
bringen.


(Beifall bei der FDP)


Das ist, finde ich, erforderlich, weil sonst die Notwen-
digkeit von Umkonditionierungen droht, was noch ein-
mal wieder Kosten verursacht.

Als möglicher Endlagerstandort für hoch radioak-
tive Abfälle – das sind die abgebrannten Brennstäbe aus
den Kernkraftwerken – wurde seit 1979 das Forschungs-
lager Gorleben erkundet. Die wissenschaftlichen Erkun-
dungen sind weit fortgeschritten. Investitionen in Höhe
von 1,4 Milliarden Euro wurden getätigt. Herr Minister,
ich fordere Sie auf, das Moratorium, welches von Ih-
rem Vorgänger im Jahre 2000 verhängt wurde, sofort
aufzuheben und die Erkundung unverzüglich weiterzu-
führen, natürlich ganz ausdrücklich ergebnisoffen.


(Beifall bei der FDP – Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Herr Trittin, hören Sie doch bitte zu!

Als Begründung für das Moratorium wurden vom da-
maligen BMU unter Beteiligung des Bundesamts für
Strahlenschutz und der RSK insgesamt zwölf konzeptio-
nelle und sicherheitstechnische Fragestellungen, so ge-
nannte Zweifelsfragen, formuliert. Die Ergebnisse der
Klärung dieser Zweifelsfragen wurden im September
2005 von den Fachleuten zugestellt. Es wurde des Weite-
ren ein nicht öffentlicher Workshop veranstaltet, auf dem
nochmals diskutiert und bewertet wurde. Der Synthese-
bericht wurde am 4. November 2005 vorgelegt.

In dem Bericht wird ganz eindeutig festgestellt, dass
alle zwölf Fragen abgearbeitet und beantwortet sind. In
dem Bericht wurde kein Negativvotum für Gorleben
ausgesprochen. Damit wurden eigentlich die wissen-

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(C (D chaftlich begründeten anderen Stellungnahmen zu Goreben, die es vorher schon gegeben hat, nach denen dort ine langzeitsichere Endlagerung höchstwahrscheinlich öglich ist und Eignungshöffigkeit gegeben ist, auf je en Fall – das will ich hier betonen – gestärkt. Herr Minister, die Begründung des Moratoriums ist eggefallen. Ich bitte Sie: Heben Sie das Moratorium uf! In der Presse der vergangenen Wochen erfuhren wir, err Minister Gabriel, dass Sie erwägen, den Vorschlag es AK End aufzugreifen und alternative Standorte erorschen zu lassen – unter der Prämisse, den bestmöglihen Standort zu finden. Auch diese Argumentation erlärt sachlich in gar keinem Fall die fortgesetzte nterbrechung der wissenschaftlich-technischen Erkunungsarbeiten. Sie müssen bitte zum Ende kommen, Frau runkhorst. Sofort. – Es müssen jetzt endlich Entscheidungen ge roffen werden. Zum Schluss möchte ich einen Appell an die Union ichten. Angesichts der inhaltlichen Ähnlichkeit der Arumente – die Pressemitteilung Ihrer Kollegin Reiche om heutigen Tag lässt mich zuversichtlich sein – kann ch Sie eigentlich nur ermuntern: Stimmen Sie unserem ntrag zu! Unterstützen Sie uns! Dann sind wir auf eiem guten Weg. Das Wort hat die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth, DU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen nd Kollegen! Zwischen CDU, CSU und SPD bestehen hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung unterschiedliche Auffassungen. (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das überrascht!)


(Beifall bei der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602015100
Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1602015200

(Beifall bei der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602015300
Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1602015400

Dies ist, wie Sie, meine Damen und Herren, sicherlich
emerkt haben, ein Zitat aus dem Koalitionsvertrag. Auf
ie Verdeutlichung dieses Sachverhalts haben Mitglieder
er Bundesregierung zu Anfang dieses Jahres einige
nergie verwendet. Diese Frage ist zwischen den Koali-

ionspartnern – das ist klar – unstrittig strittig.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: So weit waren wir schon! – Weiterer Zuruf von der FDP: Super! Bloß nichts entscheiden!)







(A) )



(B) )


Dr. Maria Flachsbarth
Ich zitiere weiter aus dem Koalitionsvertrag:

Deshalb kann die am 14. Juni 2000 zwischen Bun-
desregierung und Energieversorgungsunternehmen
geschlossene Vereinbarung … nicht geändert wer-
den.

Das heißt, die Koalition hat noch einmal unterstri-
chen, dass die friedliche Nutzung der Kernenergie in
Deutschland für die nächsten beiden Jahrzehnte festge-
schrieben ist und eine Strommenge von über
1 600 Terawattstunden aus Kernenergie erzeugt werden
soll.

Zur Erinnerung: Derzeit werden circa 28 Prozent des
Stroms durch Kernenergie erzeugt. Auch wenn dieses
Land den Anschein erweckt, es habe sich längst aus der
Kernenergie verabschiedet, profitiert es derzeit und zu-
mindest auch noch in den kommenden beiden Jahrzehn-
ten von relativ preiswertem Strom aus Kernenergie.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Relativ! Nur relativ!)


Daher ist es eine Frage von ethischer Dimension, eine
Frage von Generationengerechtigkeit, dass die heutige
Generation, die von Kernkraft unmittelbar profitiert, die
Kehrseite der friedlichen Nutzung der Kernenergie,
nämlich die Beseitigung der langlebigen und hochgifti-
gen Abfälle, nicht den kommenden Generationen über-
lässt. Deshalb hat sich die große Koalition – ich zitiere
erneut aus dem Vertrag, den wir geschlossen haben –

zur nationalen Verantwortung für die sichere Endla-
gerung radioaktiver Abfälle

bekannt und vereinbart,

die Lösung dieser Frage zügig und ergebnisorien-
tiert

anzugehen und noch

in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung zu
kommen.

Neben den radioaktiven Abfällen, die bei der Strom-
erzeugung anfallen und stark Wärme entwickelnd sind,
fallen bei der Anwendung von Radioisotopen in Indus-
trie, Gewerbe und Medizin zum Beispiel im Rahmen der
Krebstherapie, aber auch im Rahmen von Computerto-
mographien schwach oder mittel Wärme entwickelnde
Abfälle an, übrigens auch und gerade bei der Forschung.
Die will die neue Regierung ja insbesondere im Rahmen
der Sicherheitsforschung – dazu verweise ich ein letztes
Mal auf den Koalitionsvertrag – intensivieren. Deshalb
wird sich auch hier das Abfallaufkommen bzw. -volu-
men möglicherweise noch erhöhen.

Derzeit werden alle radioaktiven Abfälle in – natür-
lich – oberirdischen Zwischenlagern gesammelt, unter
Inkaufnahme entsprechender Kosten sowie einer Ge-
fährdung durch Unfälle oder gar Attentate. Die Lösung
der Endlagerfrage steht also gerade auch aus diesen
Gründen an.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Wärme entwickelnde Stoffe brauchen aus physikalichen Gründen andere Lagerbedingungen als nicht oder ernachlässigbar Wärme entwickelnde Stoffe. Dabei ind 85 Prozent des Volumens – Frau Kollegin runkhorst, da stimmen wir völlig überein – aller radioktiven Abfälle schwach oder mittel radioaktiv und viele er Zwischenlager für diese Stoffe haben ernsthafte Kaazitätsprobleme. Der Bund ist hier ganz besonders in er Pflicht, aber auch in der Bredouille; denn zwei Dritel der derzeitigen schwach bis mittel radioaktiven Stoffe tammen aus seinem Verantwortungsbereich. Wie sieht nun die weitere Agenda aus? Derzeit ist ein lageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss ür das Endlager Konrad für schwach radioaktive Abälle vor dem OVG Lüneburg anhängig; die Entscheiung steht Anfang März an. Liebe Kolleginnen und Kolegen von der FDP, Sie sollten die Urteile mit Respekt or dem Gericht abwarten (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Das ist echt wahr! Die haben eine Rechtsauffassung!)


nd bei Rechtssicherheit die anstehenden politischen
ntscheidungen treffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


s gibt aus meiner Sicht überhaupt keinen Grund, die
undesregierung zum Handeln zu mahnen, zumal es die
amalige niedersächsische Regierung Gabriel war, die
en Planfeststellungsbeschluss im Juni 2002 für das
ndlager Konrad genehmigt hat.

Bezüglich eines Endlagers für hoch radioaktive Ab-
älle sind im so genannten Ausstiegsvertrag Zweifels-
ragen benannt, die vor einer weiteren Erkundung des
alzstocks Gorleben ausgeräumt werden müssten. Zu
iesem Ziel wurde das drei- bis maximal zehnjährige
oratorium vereinbart. Nun ist man dabei, letzte Zwei-

el, die noch bestehen, auszuräumen. Da an der Ernsthaf-
igkeit und Vertragstreue der Bundesregierung keine
weifel bestehen, wird man dann auch Gorleben, wo seit
979 erkundet wird, in die Suche nach einem geeigneten
tandort einbeziehen.

Ein letztes Wort – auch als Niedersächsin – zur Forde-
ung eines Lastenausgleichs für die Standortkommunen:

ie auch immer und wo auch immer eine Standortent-
cheidung getroffen wird, es steht fest, einige Kommu-
en werden die nationale Aufgabe atomarer Endlage-
ung in besonderer Weise tragen müssen. Daher muss es
elbstverständlich sein, dass sie dafür einen angemesse-
en Ausgleich erhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin froh –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602015500

Kommen Sie bitte zum Ende.


Dr. Maria Flachsbarth (CDU):
Rede ID: ID1602015600

– ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin –, dass

ie Zeiten des Taktierens und Verschiebens von notwen-






(A) )



(B) )


Dr. Maria Flachsbarth
digen Untersuchungen und Entscheidungen auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag vorbei sind. Ich bin sicher, diese
Regierung, allen voran ihr Umweltminister Gabriel, wird
sich ihrer Verantwortung für diese Zukunftsfrage mit na-
tionaler Bedeutung nicht entziehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602015700

Es spricht für die Linke Hans-Kurt Hill.


(Beifall bei der LINKEN)



Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602015800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Eigentlich müssten wir der FDP
dankbar sein.


(Markus Löning [FDP]: Jawohl! Gute Idee!)


Mit Ihrem Antrag stellen Sie völlig zu Recht fest, dass
ein gefährliches Problem auf Halde liegt. Nach sieben
Jahren grüner Ankündigungspolitik gibt es noch immer
keine Lösung für die Unmengen giftigen Strahlenmülls.


(Beifall bei der FDP)


Das muss man sich einmal bewusst machen: Dieses
Land betreibt atomare Anlagen ohne funktionierendes
Entsorgungskonzept. Das Problem lagert in den Schub-
laden. Dabei reden wir hier wirklich nicht über Altpa-
pier.

Der Antrag der FDP zerfällt aber dennoch in seine wi-
dersprüchlichen Einzelteile. Um es noch einmal deutlich
zu machen: Voraussetzung für die Endlagersuche ist der
Atomausstieg. Die Linke verlangt einen schnellstmögli-
chen Betriebsstopp der Atommeiler.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist unverantwortlich, auch nur 1 Gramm Strahlenmüll
zu erzeugen, ohne eine sichere Entsorgung vorzuweisen.

Verantwortungslos, werte Liberale, ist der Betrieb der
Kernkraftwerke: Sie sind nach wie vor technisch nicht
beherrschbar, der Beitrag zum internationalen Klima-
schutz ist gleich null und die Importabhängigkeit beim
Uran beträgt 100 Prozent.

Im Übrigen: Wer Gorleben als Endlageroption an-
sieht, lässt jede Verantwortung gegenüber den Menschen
im Wendland vermissen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wissen alle, dass die Entscheidung für den Salzstock
vor fast 30 Jahren aus rein willkürlichen politischen
Gründen getroffen worden ist. Die damalige Zonenrand-
lage zur DDR war Ihnen von der CDU/CSU Argument
genug. Man rechnete mit wenig Widerstand der betroffe-
nen Menschen. Doch diese Rechnung ist nicht aufgegan-
gen.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das zeugt doch von profunder Unkenntnis!)


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(C (D Aktuelle Gutachten zeigen, dass Salzstöcke keinerlei orteile gegenüber anderen Gesteinen aufweisen. Gorleen erfüllt nicht einmal die fachlichen Mindestvorausetzungen. Mindestens 1,3 Milliarden Euro wurden in orleben bereits verbuddelt. Wie viel Geld wollen Sie enn noch dafür ausgeben, um immer wieder festzustelen, dass Gorleben nicht geeignet ist? Das ist und bleibt erantwortungslos. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


uss jetzt, nur weil wir da angefangen haben, alles nach
orleben? Das darf nicht die Prämisse sein.

Ein seriöses Suchverfahren muss folgende Punkte
rfüllen: Festhalten am Erkundungsstopp in Gorleben,
uche nicht nach dem besten, sondern dem geeignetsten
tandort, umfassende öffentliche Beteiligung – darauf
aben die Menschen nämlich einen Anspruch –, volle
ostenübernahme für Suche, Bau und Betrieb durch die
tomkraftbetreiber.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt noch ein Wort zum Schacht Konrad. Frau
r. Flachsbarth ist eben darauf eingegangen. Obwohl
as zuständige OLG den Planfeststellungsbeschluss erst
m 28. Februar prüft, verlangen Sie, dass bereits heute,
ach Abweisung in der ersten Instanz, Schacht Konrad
n Betrieb geht. Wenn das Ihre Rechtsauffassung ist,
iebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dann sage
ch Ihnen: Ihnen sind die Männer, Frauen und Kinder,
ie dort leben müssen, egal. Wenn Sie, wie in Ihrem An-
rag beschrieben, Transparenz schaffen wollen, wenn Sie
ür Vertrauensbildung in der Öffentlichkeit sind, dann
üssen Sie auch gerechte und umfassende Beteiligungs-

echte für die betroffenen Bürger und Bürgerinnen unter-
tützen. Aber das wollen Sie wohl nicht.


(Beifall bei der LINKEN)


Ihre Vorlage, meine sehr geehrten Kolleginnen und
ollegen von der FDP, ist nichts anderes als der plumpe
ersuch, Gorleben und Schacht Konrad durchzudrücken.
as geht auf Kosten der Frauen, Männer und Kinder, die
ort leben. Das ist ebenfalls verantwortungslos.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Angelika Brunkhorst [FDP]: Wo wollen Sie das machen?)


Es grenzt schon an politische Selbstüberschätzung,
enn Sie nach dem Sachstand in Gorleben glauben, der
achwelt ein funktionierendes System vorstellen zu kön-
en. Ich sage Ihnen: Sowohl in Gorleben als auch am
chacht Konrad ist nur das Versagen des Atomzeitalters
u besichtigen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN – Markus Löning [FDP]: Sie machen das bei sich im Wohnzimmer oder wo wollen Sie das endlagern?)







(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602015900

Für die Bundesregierung spricht der Bundesminister

Sigmar Gabriel.

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Kollege, Sie haben in Ihrem Wortbeitrag kritisiert, dass
sich die letzte Bundesregierung noch nicht für ein Endla-
ger entschieden habe. Es ist besser, man untersucht ein
bisschen länger, als dass man gleich alles nach Morsle-
ben kippt. Da gibt es ja eine Verantwortung in Teilen Ih-
rer Partei. Von daher wäre ich bei der Frage, wie man mit
so etwas umgeht, nicht ganz so forsch.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie repräsentieren ja Gott sei Dank nicht das Saarland,
sondern eine Partei, und die trägt zum Teil die Verant-
wortung für ein nukleares Endlagerproblem, das andere
Leute lösen mussten. Ich unterstelle, dass man daraus et-
was lernen kann. Aber dann sollten Sie ein bisschen we-
niger forsch auftreten.

Man kann zu Recht sagen – darüber gibt es keinen
Streit unter den meisten Mitgliedern dieses Hauses –,
dass wir das Endlagerproblem lösen müssen. Es kann
dabei nicht um die Frage gehen, ob man für oder gegen
Kernenergie ist; denn sowohl Gegner als auch Befürwor-
ter der Kernenergie müssen dafür sorgen, dass mit den
Abfällen nach bestem Wissen und Gewissen im Inte-
resse der zukünftigen Generationen adäquat umgegan-
gen wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Angelika Brunkhorst [FDP])


Ich will offen sagen: Weil die Lösung dieses Problems
so umstritten ist, hat die große Koalition in dieser Frage
eine große Verantwortung.

Zur Redlichkeit in der Debatte gehört aber auch, nicht
so zu tun, als habe eine Partei oder eine Parteienkonstel-
lation in Deutschland bei der Lösung dieser Probleme
versagt. Ich erinnere gerade die Kollegin aus der FDP
daran, dass es CDU und FDP in Niedersachsen waren,
die damals die Lösung dieses Problems mithilfe der
Wiederaufbereitung aufgegeben haben. Der damalige
Ministerpräsident Albrecht kommentierte dies mit den
Worten, dass diese politisch nicht durchsetzbar sei. Auch
die FDP hat die Wiederaufbereitung nicht durchsetzen
können.

Der CSU ist es mit Wackersdorf nicht anders gegan-
gen. Auch die rot-grüne Koalition hat es während ihrer
Regierungszeit nicht geschafft, das Endlagerproblem zu
lösen, das in den Vorgergrund rückte, weil man von der
Wiederaufbereitung weggekommen ist. Wir alle mitei-
nander haben bislang nicht die Kraft aufbringen können,
dieses schwierige Problem zu lösen. Daran sieht man
auch, welche dramatischen Auswirkungen der Einstieg
in die Kernenergie auf die Zukunft hat.

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(C (D Ich glaube, es geht nicht so sehr um die Frage, wem an Versagen in der Vergangenheit vorwerfen muss, ondern darum, dass wir jetzt den Mut aufbringen müsen, diese Probleme zu lösen. Ich persönlich bin der berzeugung, dass wir dazu eine historisch große hance haben. enn die beiden großen Volksparteien stellen die Regieung und akzeptieren ihre Verantwortung in dieser rage. Wir können nun einen Zug aufs Gleis setzen, was nter späteren Regierungskonstellationen, wie immer sie uch aussehen werden, verhindert, dass man sich durch aktisches Verhalten vor der Lösung dieser Probleme rücken kann. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU– Zuruf der Abg. Birgit Homburger [FDP])


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auch Sie in Niedersachsen.


(Zuruf der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Wenn Sie schon einen Zuruf machen, dann müssen Sie
uch eine Antwort riskieren.

Sie können nicht fordern, dass wir Gorleben weiter
rkunden und dieses Endlager eventuell fertig stellen,
enn Sie mir gleichzeitig Briefe schreiben, ich möge
och bitte im Interesse von Baden-Württemberg dafür
orgen, dass sich die Schweizer nicht auf ein Endlager
estlegen, sondern dass man die möglichen Standorte
rst einmal vergleiche. Sie müssen sich schon entschei-
en, was Sie wollen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hans-Kurt Hill [DIE LINKE])


as für die Schweiz gilt, gilt auch für Deutschland.

Sie können sich im Pressespiegel einmal die Position
er FDP in Baden-Württemberg zu dieser Frage an-
chauen. Es gab auch entsprechende Anfragen. Ich finde
s richtig, dass Sie wollen, dass in der Schweiz Standorte
erglichen werden und der geeignetste Standort heraus-
esucht wird. Aber die Bürgerinnen und Bürger in Nie-
ersachsen dürfen nicht schlechter gestellt sein, indem
ort nur ein „geeigneter“ Standort gesucht wird. Zwi-
chen einem „geeigneten“ und einem „geeignetsten“
tandort besteht nämlich ein großer Unterschied. Wir
ollen, dass in Deutschland auf Basis gesicherter Krite-

ien untersucht wird, welcher von den geeigneten Stand-
rten der „geeignetste“ ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie das nicht wollen, dann haben Sie nur ein
inziges Ziel – das werden wir Ihnen in jeder Debatte
orhalten –, nämlich dass Sie in Ihren eigenen Wahlkrei-
en nicht von der Debatte um die Endlagersuche belastet
erden wollen. Diesen Versuch unternehmen Sie hier.

ch finde, das hat mit Redlichkeit in der Debatte nichts
u tun. Wir brauchen Kriterien für die Auswahl eines
eeigneten Endlagers. Diese werden wir vorlegen. Sie
üssen bereit sein, die geeigneten Standorte zu verglei-






(A) )



(B) )


Bundesminister Sigmar Gabriel
chen. Wenn der geeignetste Standort Gorleben wäre,
dann könnte niemand etwas dagegen sagen, dass Gorle-
ben Endlager wird. Aber bis das festgestellt ist, müssen
auch andere Standorte untersucht werden. Das bedeutet,
dass Sie in Ihren eigenen Wahlkreisen und in Ihren eige-
nen Landesverbänden den Mut aufbringen müssen, zu
sagen, dass sie dafür einstehen, dass bei Ihnen zu Hause
im Interesse unserer Kinder, Enkel und Urenkel und aller
nachfolgenden Generationen entsprechende Untersu-
chungen stattfinden.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hans-Kurt Hill [DIE LINKE])


Ich sagen Ihnen: Den Mut werden wir haben. Wenn
Sie ihn nicht haben, dann ist das Ihr Problem. Damit ka-
tapultieren Sie sich aus der Debatte heraus.

Beim Thema Schacht Konrad hatte ich mir erhofft,
dass die Bürgerrechtspartei FDP, die ansonsten von sich
sagt, dass sie etwas von Recht und Gesetz versteht, we-
nigstens erklärt, dass man die Entscheidung des Ober-
verwaltungsgerichts abwarten muss und dass sich je
nach Ausgang des Verfahrens der nächste Instanzenweg
ergibt. Ich habe mir bislang eingebildet, dass man sich
bei Ihnen wenigstens darauf verlassen kann, ein Urteil
abzuwarten, bevor Sie erklären, was man danach unter-
nehmen soll. Dass wir uns im Falle des Schachts Konrad
an die Gerichtsurteile zu halten haben, gilt für uns alle.
Das gilt übrigens auch für mich. Denn Schacht Konrad
liegt in meinem Wahlkreis. Ich werde mich in dieser
Frage nicht, je nachdem wie das Urteil ausgeht, weg-
ducken. Aber ich erwarte von Ihnen, dass Sie bei der De-
batte um die Frage, ob ein oder zwei Endlager errichtet
werden sollen, und bei der Suche nach alternativen
Standorten den gleichen Mut aufbringen.

Wenn Sie im Übrigen schon so mutig für Gorleben
eintreten, dann sollten Sie aber den Teil Ihres Antrages
einstampfen, in dem Sie sagen, das Ein-Endlager-Kon-
zept sei vom Tisch. Gorleben ist nämlich als ein Ein-
Endlager-Projekt beantragt worden.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602016000

Herr Bundesminister, die Frau Homburger würde Ih-

nen gern eine Zwischenfrage stellen. Ist das möglich?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Aber liebend gern.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1602016100

Herr Minister, wollen Sie zur Kenntnis nehmen und

hier bestätigen, dass es, bevor es zu einer weiteren Er-
kundung von Gorleben kam, sehr wohl ein sehr langes
Prozedere gab und Abwägungsprozesse stattgefunden
haben, man seit langer Zeit eine Zwei-Endlager-Strate-
gie verfolgt, der AK End, der nicht von der FDP, sondern
von Rot-Grün eingesetzt wurde, eindeutig bestätigt hat,
dass es aus fachlichen Gesichtspunkten und vor allem
aus Sicherheitsgründen Sinn macht, zwei Endlager zur
Verfügung zu haben – dies ist der internationale Stan-

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(C (D ard –, und dass der gesamte Ablauf, den Sie hier so veement einfordern, in der Vergangenheit als Vorlauf ollzogen worden ist? Die zweite Frage, Herr Minister: Wollen Sie zur enntnis nehmen, dass die FDP stets betont hat: „Wir arten das Gerichtsurteil ab“? Sollte allerdings das Ge ichtsurteil die Zulassung des Schachtes Konrad ermögichen, dann fordern wir Sie auf, einen Sofortvollzug orzunehmen. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass wir ls Rechtsstaatspartei selbstverständlich Gerichtsurteile bwarten. Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturchutz und Reaktorsicherheit: Ich nehme zum Ersten zur Kenntnis, dass zum Zeitunkt der Erkundung von Gorleben keine Kriterien vorelegen haben – diese haben wir bis heute nicht angeandt –, anhand deren wir untersuchen können, welcher tandort geeignet ist. Damit geht es einmal los. Das eißt, dass ein Vergleich auf der Grundlage einer geeinsamen Basis bis heute gar nicht möglich ist. Sie ollen, dass wir die Erkundung von Gorleben vorantreien, und fordern gleichzeitig, dafür zu sorgen, dass sich ie Schweiz nicht auf einen Endlagerstandort konzenriert, weil Ihnen dieser unangenehm nahe ist. – Das ehme ich einmal zur Kenntnis. Ich nehme zum Zweiten zur Kenntnis, dass Sie in Ihem Antrag und in Ihren Reden bereits sagen, was man ach einem Gerichtsurteil machen soll, obwohl es noch ar nicht vorliegt. Ich nehme zur Kenntnis, dass im echtsstaat Deutschland nach dem Urteil des Oberveraltungsgerichts möglicherweise ein weiterer Rechtseg offen ist, nämlich der vor den Bundesgerichtshof. uch diese Möglichkeit sollten wir bitte schön einmal bwarten. (Birgit Homburger [FDP]: Die sollten Sie nicht abwarten! Sie sollten handeln! Das ist der Punkt!)


Ich nehme zum Dritten zur Kenntnis, dass wir gegen-
ber dem Deutschen Bundestag nach Durchsicht aller
kten zu erklären haben, wie wir die Frage eines Ein-
ndlager-Konzeptes bewerten. Das werden wir tun.
brigens, Frau Kollegin, hat die Frage, ob ein oder zwei
ndlager errichtet werden, mit Gorleben nichts zu tun.
uch bei der Konzentration auf ein Zwei-Endlager-Kon-

ept sollten Sie mit Blick auf die Endlagerung hoch ra-
ioaktiver Abfälle den Mut aufbringen, zu sagen: Ich als
DP-Politikerin in Baden-Württemberg bin bereit, dafür
inzutreten, dass zur Not auch bei uns Standorte unter-
ucht werden. Dann sind Sie in dieser Frage glaubwür-
ig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich nehme zum Vierten zur Kenntnis, dass für die
rage des Sofortvollzuges beim Schacht Konrad Ihr Par-

eikollege Sander zuständig ist. Der ist nämlich Umwelt-
inister in Niedersachsen. Ich gebe zu: Ich bedauere es






(A) )



(B) )


Bundesminister Sigmar Gabriel
ein bisschen, dass es dazu gekommen ist. Aber Sie woll-
ten die Verantwortung. Jetzt haben Sie sie.


(Angelika Brunkhorst [FDP]: Herr Sander wird mutig handeln! Tun Sie es auch!)


Wenden Sie sich in der Frage des Sofortvollzugs an ihn!

Meine Damen und Herren, ich habe deshalb ein biss-
chen engagierter zu dieser Frage gesprochen, weil es am
Ende nicht darum gehen wird, ob wir uns auf Konzepte
und Kriterien einigen. Ich glaube, das werden wir schaf-
fen. Am Ende geht es um die Frage, ob wir den Mut ha-
ben, Konsequenzen zu ziehen. Ich sage Ihnen: Diese
Regierung hat den Mut. Da sind sich CDU/CSU und
SPD einig. Wir wollen das Projekt „Endlager“ endlich
zu einem Ende bringen, damit wir sicher sein können,
wo wir die Endlagerung der Abfälle vornehmen.

Aber ich sage Ihnen auch: Wir brauchen dafür den
Mut aller. Wir sollten nicht ständig in der Öffentlichkeit
schwarzer Peter spielen und sollten zumindest für einen
gewissen Zeitraum den Mut aufzubringen, auch einmal
zu Hause mögliche Standorte zu untersuchen.

Dass man das tun muss – das ist meine letzte Bemer-
kung –, zeigt sich gut an dem Versuchsendlager
Asse II. Auch dieses befindet sich in meinem Wahlkreis.
Als wir das erste Mal – damals war ich 17 oder 18 Jahre
alt – dort hinfuhren, gab es drei Salzstöcke. Die
Salzstöcke I und II waren wegen Wassereinbrüchen ab-
gesoffen. Zu Asse II haben wir die Ingenieure gefragt:
Wenn zwei von drei Salzstöcken unmittelbar abgesoffen
sind, wieso sind Sie dann eigentlich so sicher, dass man
in dem dritten Salzstock ein Endlager errichten kann?
Die Ingenieure haben uns damals gesagt, das sei alles
kein Problem. Wir haben als Schüler staunend vor ihnen
gestanden und natürlich war keine Frage mehr offen. –
Seit Ende der 80er-Jahre gibt es in Asse II Salzlaugen-
einbrüche und wir wissen nicht, warum dies geschieht.
Wir wissen auch nicht, wie wir das in den Griff bekom-
men können.

Vorsicht ist hier ein guter Ratgeber. Man sollte nicht
mutig sagen, man wisse schon, wo der radioaktive Ab-
fall endgelagert werden könne. Es geht hier um den „ge-
eignetsten“ Endlagerstandort und nicht darum, aus der
Tiefe des Gemüts und aus Angst davor, selber einmal
mit diesem Problem konfrontiert zu werden, munter For-
derungen zu stellen. Das reicht nicht aus. Sie werden se-
hen, wir werden es besser machen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602016200

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin

Sylvia Kotting-Uhl.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602016300

Liebe Frau Präsidentin! Verehrter Herr Minister! Kol-

leginnen und Kollegen! Verehrte Frau Brunkhorst!
Schön war nicht nur die Rede des Umweltministers.
Schön ist, dass nun auch die FDP in Verbindung mit
Atomkraft endlich von ernst zu nehmenden Sicherheits-

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(C (D roblemen spricht, bisher aber lediglich bezogen auf ine befürchtete „Diskrepanz zwischen der ... Nutzungsauer der Zwischenlager und der ... Inbetriebnahme eies Endlagers“, so zu lesen in der Begründung Ihres Anrags. Aber immerhin wird damit der real existierende nd der noch zu produzierende Atommüll auch von dieen Kolleginnen und Kollegen endlich als Sicherheitsisiko benannt. Ich sage dazu nur: Welcome. rkenntnis ist der erste Schritt zur Einsicht. In einem ächsten oder übernächsten Schritt wird dann die Frage er Verlängerung von AKW-Laufzeiten vielleicht uch mit der weiteren Zunahme von Atommüll in Verindung gebracht. Lebenslanges Lernen ist die schöne rste Pflicht auch des Parlamentariers. Jetzt zum Inhalt des Antrags. Der Antrag bleibt bei ichtiger Nennung des Problems im falschen Ansatz steken. Richtig ist, dass die Endlagersuche aufgenommen erden muss. Richtig ist, dass wir hier eine Menge Ver ntwortung zu übernehmen haben. Falsch ist dagegen ie Ansicht, wir könnten hier Verantwortung für nacholgende Generationen übernehmen. Verantwortung für ie nachfolgenden Generationen der nächsten 40 000 Jahre übernehmen zu wollen – das ist die Kurzassung; viele Experten reden von einer 1 Million oder ogar mehreren Millionen Jahren –, ist nichts weniger ls Hybris. Deshalb ist es auch absurd, von einem sicheren“ Endlager zu sprechen. Wir können nur ein ach heutigem Kenntnisstand „möglichst sicheres“ Endager suchen. Die Schlussfolgerung des FDP-Antrags, an müsse nun die Erkundung des Salzstocks Gorleben ügig zu Ende bringen, ist daher aus mehreren Gründen erfehlt. Die Vorfestlegung auf Gorleben – genauso übrigens ie auf Schacht Konrad – wurde von der damaligen Reierung, also von Ihnen gemeinsam mit der Union, unter erzicht auf ein transparentes, offenes, vergleichendes uswahlverfahren vorgenommen. Ihre Wahl fiel wahr cheinlich nicht zuletzt deshalb auf Gorleben, weil es so chön am Ende Republik liegt; Gleiches gilt für Benken n der Schweiz. Die Folge für Gorleben sind nicht zur uhe kommende grundsätzliche Kritik an der Geeigneteit des Salzstocks und noch viel weniger zu Ruhe komender Widerstand der dortigen Bevölkerung. Will man icht ignorant an der Bevölkerung vorbeiregieren, muss an beides ernst nehmen. Deshalb kam es zum Morato ium der rot-grünen Regierung. Die Aufnahme eines Endlagers kann der Standortegion nur zugemutet werden, wenn der ausgewählte rt bei Anwendung von rechtlich verbindlichen Ausahlkriterien im Vergleich nachweislich die beste Vo aussetzung für eine sicherheitstechnisch optimierte ndlagerung besitzt. Besonders wichtig ist dabei, dass ieser Nachweis auch in den Augen und Ohren der beroffenen Bevölkerung gelingt. Deshalb bedarf es eines airen und transparenten Auswahlprozesses unter umfasender Beteiligung der Öffentlichkeit. All dies war, wie Sylvia Kotting-Uhl wir wissen, bei der Festlegung auf Gorleben und Schacht Konrad nicht der Fall. (Angelika Brunkhorst [FDP]: Warum haben Sie das denn nicht gemacht all die Zeit, als Sie an der Regierung waren?)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


– Kommt noch. Ich möchte zunächst zu Ihrem Antrag
reden. Das ist im Moment viel spannender.

Wenn Sie in Ihrer Begründung von „bis 1998 entwi-
ckelten und im internationalen Vergleich vorbildlichen
Entsorgungsstrukturen in Deutschland“ reden, kann man
das vielleicht gerade noch unter dem Aphorismus „Unter
Blinden ist der Einäugige König“ abhandeln. Es gibt
weltweit immer noch kein einziges genehmigtes Endla-
ger für radioaktiven Abfall. Wohl aber gibt es seit jüngs-
ter Zeit Standortauswahlprozesse in einigen Ländern
– ich nenne hier Finnland, Schweden und Japan –, die
sich mit unserem Ansatz auf den Weg gemacht haben
und damit weit bessere Erfahrungen machen als
Deutschland mit Gorleben oder die Schweiz mit Benken.

Ich stimme Ihrer ersten Forderung, Frau Brunkhorst,
zu, dass sich die Regierung ihrer Verantwortung in der
Endlagerfrage stellen muss. Ich möchte aber an dieser
Stelle noch einmal betonen, dass wir als heutige Genera-
tion uns zwar der Verantwortung stellen können, die
bleibende Verantwortung vielen nachfolgenden Genera-
tionen aber nicht abnehmen können. Genau das war für
uns Grüne schon immer eng mit der Frage grundsätzli-
cher Verantwortbarkeit von Atomkraftnutzung verbun-
den.

Die weiteren Forderungen Ihres Antrags sind in unse-
ren Augen keineswegs das, was auf der Basis der Be-
griffe „Sicherheit“ und „Verantwortung“ jetzt ansteht.
Deshalb lehnen wir ihn ab.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602016400

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602016500

Eine verantwortungsvolle Endlagerfestlegung muss

Kriterien folgen, wie sie heute hier schon ansatzweise
beschrieben wurden und wie sie vom vorigen Umwelt-
minister bereits in ein Gesetz gegossen wurden, das wie
manch anderes dann Opfer der Neuwahlen wurde. Hast
allerdings kann bei Fragen, die eine Reichweite von
140 000 bis Millionen Jahren haben, nicht das erste Kri-
terium sein.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602016600

Frau Kotting-Uhl, Sie müssen zum Schluss kommen.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602016700

Ich komme zum Schluss.

Die Zukunft wird für unüberschaubar lange Zeit von
den Hinterlassenschaften der Atomstromproduktion be-
lastet sein. Der immer weiteren Produktion von Atom-
strom kann die Zukunft schon allein aus diesem Grund
nicht gehören. Sie muss und wird den erneuerbaren

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(C (D nergien gehören und damit der gestern hier so genannen grünen Energie. Vielen Dank. Für die CDU/CSU spricht der Kollege Dr. Georg üßlein. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! rau Kotting-Uhl, Sie haben mit Verantwortung und erantwortbarkeit argumentiert, was mich zu einer sehr rundsätzlichen Bemerkung veranlasst: Die Grünen haen das Thema Kernenergie sieben Jahre lang federfühend – der Bundesminister a. D. sitzt da – verantwortet. erantworten kann man aber nur etwas, was man für erantwortbar hält. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr unlogisch!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602016800
Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1602016900

Das ist völlig logisch; ich verantworte nichts, was ich
ür unverantwortbar halte, wie Sie das tun. Wenn Sie
etzt sagen, das sei unlogisch, dann haben Sie Recht: Das
äre unlogisch.

Verantworten kann man nur Dinge, die man für ver-
ntwortbar hält. Damit ist die Sicherheitsdiskussion, die
on Ihnen immer so gern geführt wird, aus meiner Sicht
twas, was die Leute auf sehr unredliche Art und Weise
erunsichert.

Dasselbe gilt für das Thema Zwischenlager. Die
rüne Basis hat die Zwischenlager in Gorleben und
haus immer als Blechhütten oder Zeitbomben bezeich-
et. Demgegenüber hat die grüne Spitze beschlossen,
ass diese Zwischenlager so sicher sind, dass man die
utzungsdauer immerhin zwölffach multiplizieren kann.

In meinem Wahlkreis, zu dem Gundremmingen ge-
ört, gibt es nun auch ein Zwischenlager. Auch dort
das gebe ich gern zu – gab es ein gewisses Unbehagen,

ls beschlossen wurde, dort eine Zwischenlagerung vor-
unehmen. Mit dem Hinweis, dass es die Grünen sind,
ie das Thema letztendlich zu verantworten haben,
onnte man das Unbehagen etwas ausräumen, wenn
uch nicht ganz. Nun hat dieses Zwischenlager 30 Mil-
ionen Euro gekostet. Nimmt man diese Summe mal
wölf, kommt man auf 360 Millionen Euro. So hoch ist
er volkswirtschaftliche Schaden. Ich sage das deshalb,
eil die Transporte, die man offenkundig hat verhindern
ollen, irgendwann stattfinden müssen. Mir ist klar, dass
er damalige grüne Umweltminister nicht Dinge geneh-
igen wollte, gegen die er früher demonstriert hat.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es macht Sinn, ein Ziel zu haben!)


as ist mir völlig klar, aber Sie werden sehen, dass hier
ur nach dem Motto verfahren worden ist: Lasst uns die-
es Thema bis nach der Amtszeit der Grünen verschie-
en. Das ist nun offenkundig gelungen.






(A) )



(B) )


Dr. Georg Nüßlein
Jetzt sind wir bei der Endlagerung. Hier darf man
nicht genauso verfahren und sagen: Wir verschieben die
Entscheidung immer und immer wieder. Herr Minister
Gabriel hat eines richtig formuliert: Unabhängig von der
Frage, ob man für oder gegen den Ausstieg ist, ein End-
lager muss man am Ende haben.

Deshalb ist die Koalitionsvereinbarung an dieser
Stelle vollständig, logisch und konsequent. Wir sagen:
Wir sind uns über den Ausstieg uneinig, aber wir sind
uns darüber einig, dass wir Endlagerung brauchen. Ent-
scheidend ist, dass wir sagen: Wir brauchen die Endlage-
rung und eine Lösung dieses Themas noch in dieser Le-
gislaturperiode. Dazu hat sich der Herr Minister bekannt.
Das finde ich ganz besonders bemerkenswert. Ihnen,
Herr Minister, an dieser Stelle dafür herzlichen Dank.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602017000

Damit schließe ich die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 16/267 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Ich sehe, dass Sie
damit einverstanden sind. Dann ist die Überweisung so
beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 sowie Zusatz-
punkt 6 auf:

21 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Norman Paech, Wolfgang Gehrcke, Monika
Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der LINKEN
Weiter verhandeln – kein Militäreinsatz gegen
den Iran
– Drucksache 16/452 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Trittin, Winfried Nachtwei, Thilo Hoppe, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Für ein friedliches Vorgehen im Konflikt über
das iranische Atomprogramm – Demokrati-
sche Entwicklung unterstützen

– Drucksache 16/651 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, für die Bera-
tung eine halbe Stunde vorzusehen. – Dazu höre ich kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Zunächst erteile ich das
Wort dem Kollegen Oskar Lafontaine für die Linksfrak-
tion.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Bei der Behandlung dieses Tagesordnungspunkes befinden wir uns heute in einer ungewöhnlichen Siuation, und zwar deshalb, weil innerhalb der großen Kolition gegenseitige Vorwürfe erhoben werden, die wenn man die Erfahrungen der Republik der letzten ahrzehnte betrachtet – nicht alltäglich sind. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)

Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602017100

er kleine Koalitionspartner unterstellt dem größeren
oalitionspartner, dass die Vorsitzende militärische
ptionen gegenüber dem Iran erwäge. Anders sind die
usführungen und Auseinandersetzungen der letzten
age nicht zu verstehen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Doch!)


ass Sie versuchen, dies unter der Decke zu halten und
leich vielleicht wortreich bekunden, dass das alles gar
icht so sei, ist verständlich. Aber es ändert nichts an
em Sachverhalt, der öffentlich bekannt ist.

Ich will das für unsere Fraktion so kommentieren:
ntweder meint die SPD das ernst; dann würde ich mir
ls Sozialdemokrat die Frage stellen, ob ich mit so einer
anzlerin in einer gemeinsamen Regierung sein möchte.


(Beifall bei der LINKEN)


der sie meint es nicht ernst; dann ist es zumindest ein
erantwortungsloser Umgang mit diesem Thema. Denn
as Thema ist zu ernst, als dass man es auf diese Art und
eise behandeln könnte.

Ich will nun zum Thema selbst etwas sagen: Ich un-
erstelle der Kanzlerin nicht, dass sie auf militärische
ptionen zielt.


(Dr. Karl Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Das ist ein Fortschritt!)


ch will das hier im Deutschen Bundestag ausdrücklich
esthalten. Die Frage ist allerdings, ob die Iranpolitik der
undesregierung, wie sie derzeit angelegt ist, richtig ist,
m solche militärischen Optionen nicht weiter zu beför-
ern. Dazu von unserer Seite folgende Bemerkung: Wir
lauben, dass die Politik des Westens gegenüber dem
ran im Grundsatz nicht aufrechtzuerhalten ist. Warum?

Erstens gibt es eine ganze Reihe von Staaten, die im-
er noch sagen: Wir selbst wollen Atomwaffen haben,
ir verbieten es aber anderen, Atomwaffen herzustellen.
uf dieser Grundlage wird es keine atomare Abrüstung

n der Welt geben. Es wird immer so sein, dass es Staa-
en gibt, die ebenfalls Atomwaffen haben wollen. Auf
er Grundlage eines solchen Widerspruchs kann man
eine friedliche Politik machen.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Übrigen ist es selbstverständlich, dass der Iran
tomwaffen anstrebt. Alles andere wäre völlig unrealis-

isch. Sie können in jeder Tageszeitung des Vorderen
rients und darüber hinaus nachlesen, dass die Staaten
ort aus den kriegerischen Auseinandersetzungen der
etzten Jahre den Schluss gezogen haben: Nur derjenige,






(A) )



(B) )


Oskar Lafontaine
der Atomwaffen besitzt, läuft keine Gefahr, von den Ver-
einigten Staaten angegriffen zu werden. Ob es uns passt
oder nicht, das ist die Haltung dort. Diese muss man zur
Kenntnis nehmen. Deshalb ist es selbstverständlich, dass
sie Atomwaffen anstreben.

Nun zum zweiten Widerspruch. Es ist nicht nur so,
dass man eine Politik macht auf der Grundlage: Wir wol-
len Atomwaffen haben, ihr dürft sie nicht haben. Man
sagt auch: Wir halten uns nicht an den Atomwaffen-
sperrvertrag und euch verbieten wir, die Möglichkeiten
des Atomwaffensperrvertrages zu nutzen. Wie kann man
mit einer solch widersprüchlichen Politik überhaupt
Frieden erreichen wollen?


(Beifall bei der LINKEN)


Die Anreicherung von Uran ist im Atomwaffensperr-
vertrag ausdrücklich erlaubt. Die gegenwärtigen Atom-
mächte, die ihn unterschrieben haben – das liegt schon
Jahrzehnte zurück –, haben sich bereit erklärt, interna-
tional kontrolliert zu werden und vollständig abzurüsten.
Wenn man sich vor Augen hält, dass sie den Atomwaf-
fensperrvertrag gebrochen haben, dann erkennt man,
dass auf dieser Grundlage der Frieden nicht erhalten und
dieser Konflikt nicht geschlichtet werden kann.

Daher glaubt die Fraktion Die Linke, dass man vom
Grundsatz her anders vorgehen muss: Wir müssen ge-
genüber dem Iran ein faireres Verhalten an den Tag
legen, auch wenn sich das dortige Regime zurzeit tat-
sächlich auf eine Art und Weise verhält, die die Weltöf-
fentlichkeit nicht akzeptieren kann. Deshalb fordern wir
nach wie vor eine Friedenskonferenz für den Nahen Os-
ten. Wir fordern allerdings auch, Gewaltverzicht gegen-
über jedermann anzustreben und Nichtangriffsgarantien
auszusprechen; das ist ganz entscheidend.


(Beifall bei der LINKEN)


Selbstverständlich streben wir ebenso die Garantie
des Existenzrechts Israels an. Mit demselben Nachdruck
setzen wir uns allerdings auch für die Gründung eines
unabhängigen Palästinenserstaates ein. Hier im Deut-
schen Bundestag möchte ich betonen, dass dies für uns
eine genauso große Verpflichtung ist wie der Einsatz für
die Anerkennung des Existenzrechts Israels.


(Beifall bei der LINKEN)


Denn aufgrund unserer Geschichte haben wir auch ge-
genüber dem palästinensischen Volk eine Verantwor-
tung.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602017200

Herr Lafontaine, kommen Sie bitte zum Schluss.


Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602017300

Ja.

Mein letzter Punkt. Wie Sie dem von uns vorgelegten
Antrag entnehmen können, sind wir der Meinung, dass
wir die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Vor-
deren Orient anstreben sollten; dabei sollten wir das ein-
beziehen, was ich gerade gesagt habe. Auch wenn es um
den Vorderen Orient geht, kann man nicht einfach sagen:

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(C (D ie einen dürfen Atomwaffen besitzen, die anderen icht. So werden wir niemals Frieden erreichen. Für die CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege oachim Hörster. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß ar nicht genau, wozu die Diskussion, die wir aufgrund er Anträge des Bündnisses 90/Die Grünen und der raktion Die Linke in diesem Hohen Hause führen, dieen und wem sie nutzen soll. Wenn ich mir den Gegenstand dieser Debatte und den eg vor Augen führe, der bisher zurückgelegt worden st, um dem iranischen Atomprogramm zu begegnen und em Land zu helfen, auf den richtigen Weg zurückzuehren, dann sieht die gegenwärtige Situation, die sehr rnst ist, so aus: Die Europäische Union – vertreten urch die E 3 – und die USA, aber auch Russland und ie Vereinten Nationen vertreten gemeinsam die Posiion, dass der Iran sein Nuklearprogramm, das darauf usgerichtet ist, waffenfähiges Material herzustellen, benden und sich vollständig der Kontrolle durch die Interationale Atomenergiebehörde unterstellen muss. Angeichts dessen, was der Kollege Lafontaine gesagt hat, uss ich mich ein bisschen wundern. Denn der größte eil Ihrer Ausführungen findet sich in dem Antrag, den ie von der Fraktion Die Linke vorgelegt haben, nicht ieder. Vor allem haben Sie sich in einem Widerspruch zu Ihem Antrag verfangen. Denn dort heißt es: Der Deutsche Bundestag appelliert an den Iran, die Drohungen gegenüber Israel unverzüglich einzustellen, (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das hat er doch gesagt!)


(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602017400
Joachim Hörster (CDU):
Rede ID: ID1602017500

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


sich an seine Verpflichtungen aus dem Vertrag über
die Nichtverbreitung der Kernwaffen zu halten


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das hat er auch gesagt!)


und alles zu unterlassen, was zu einer Eskalation
des Konflikts um sein Atomprogramm beitragen
könnte.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja, genau! Das alles hat er angesprochen! – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Sie haben das nicht verstanden!)


Nein, Sie haben vorhin gesagt, es sei unsinnig, an die-
en Verpflichtungen des Atomwaffensperrvertrages fest-
uhalten, weil es in dieser Region und auch darüber hin-
us viele Staaten gebe, die ebenfalls Atomwaffen
esitzen wollten.






(A) )



(B) )


Joachim Hörster

(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Er hat sogar gemeint, es sei selbstverständlich, Atomwaffen zu haben! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Lesen Sie doch das Protokoll nach!)


Meine Damen und Herren, wir sollten uns vergegen-
wärtigen, wie dieser Konflikt überhaupt entstanden ist
– ich will jetzt allerdings nicht alle Stationen
aufzählen –: Im Jahre 2003 hat die IAEO Teheran vorge-
worfen, verschwiegen zu haben, bestimmte nukleare
Materialien hergestellt und entsprechende Aktivitäten
durchgeführt zu haben. Dann ist es zu Verhandlungen
gekommen. Später hat die IAEO die Feststellung getrof-
fen, dass waffenfähiges nukleares Material hergestellt
worden ist, von dem auch Spuren nachgewiesen werden
konnten. Letztlich mündete das Ganze in einer Erklä-
rung Teherans, die dazu führte, dass die Urananreiche-
rung im Iran ausgesetzt wurde.

Der Iran hat daraufhin ein Zusatzprotokoll zum
Atomwaffensperrvertrag unterschrieben, dass er die
Urananreicherung unterlassen werde. Allerdings hat er
in der Folgezeit nur unzureichend mit der IAEO koope-
riert, sodass es erneut zu Beanstandungen gekommen ist.
Im Anschluss daran gab es das Pariser Abkommen. Aber
im April 2005 – da liefen die Verhandlungen schon gut
zwei Jahre – hat der Iran angekündigt, sein Programm
zur Anreicherung von Uran wieder aufzunehmen. Der
neue iranische Präsident Ahmadinedschad hat angekün-
digt, dass das Land an seinen Atomplänen festhalten
werde; das war im Juni 2005. Im August 2005 hat der
Iran die umstrittene Atomanlage Isfahan wieder voll in
Betrieb genommen sowie Europa und die USA davor ge-
warnt, das Land im Atomstreit vor den Weltsicherheits-
rat zu zitieren. Dabei ist der Weltsicherheitsrat nach den
Regeln des Atomwaffensperrvertrages das Organ, das
sich damit befassen muss, wenn sich ein Staat, der dem
Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist, nicht an die Re-
geln hält. Es war ein ständiges Hin und Her. Im
September 2005 hat der iranische Präsident bekräftigt,
dass er am Atomprogramm festhalten werde. Er hat das
umfangreiche Programm, das die EU ihm für den Ver-
zicht auf sein Atomprogramm angeboten hat – umfäng-
liche Wirtschaftshilfen und Kooperationen –, abgelehnt.
Mit anderen Worten: Der Konfliktkurs gegenüber der in-
ternationalen Gemeinschaft ist eindeutig vom Iran ge-
fahren worden.

Es ist schade, dass ich die Begründung des Antrages
der Grünen erst am Ende der Debatte mitbekommen
werde. Ich will aber auf diesen Antrag verweisen; denn
er ist ausgesprochen lesenswert, was die Darstellung der
Verhältnisse im Iran anbetrifft. Die Grünen schreiben:

Die Entwicklung des Iran während der Amtszeit
des Präsidenten Khatami von 1997 bis 2005 war
widersprüchlich: Einerseits gelang es den reform-
orientierten Kräften in der iranischen Zivilgesell-
schaft, sich sukzessive größere politische, gesell-
schaftliche und kulturelle Freiräume zu erobern.
Andererseits blieb die fundamentale Machtstruktur
des Staates unangetastet. Massive Menschenrechts-
verletzungen waren weiterhin an der Tagesordnung,

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(C (D politische und bürgerliche Freiheitsrechte wurden weitgehend missachtet. Dann schreiben Sie: Innenpolitisch ist die Entwicklung im Iran seit der Wahl des Präsidenten Ahmadinedschad durch die Verschärfung der Verfolgung der Minderheiten, die Einschränkung gesellschaftlicher Freiräume und die wieder zunehmende Unterdrückung der Opposition gekennzeichnet. Dann verweisen Sie auf den Fall Gandji und einige ndere Fälle: Auch andere grundlegende politische Rechte werden im Iran regelmäßig missachtet. Jüngstes Beispiel ist die gewaltsame Verhinderung eines Streiks bei den Teheraner Verkehrsbetrieben. Sie beschreiben also in Ihrem Antrag permanente, robe Menschenrechtsverletzungen, die die iranische egierung begeht. Hinzu kommen die Äußerungen des ranischen Präsidenten, der im Zusammenhang mit Israel om „Mythos eines Massakers an den Juden“ redet und arüber schwadroniert, der Westen habe eine Legende eschaffen, die er höher als Gott, die Religion an sich nd die Propheten stellen würde. Wiederholt erhebt hmadinedschad seine Forderung, dass der Staat Israel n eine andere Weltgegend verlagert wird. Da frage ich ich, wie Sie angesichts Ihrer eigenen Bewertungen des olitischen Systems und der inneren Verhältnisse im Iran owie angesichts dieser Äußerungen über den Staat Isael – die übrigens genauso verwerflich wären, wenn sie m Hinblick auf irgendeinen anderen Staat geäußert woren wären – zu einer Formulierung kommen können, die om Iran nur als Appeasement verstanden werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


Diese Reaktion ist der Situation nicht angemessen.
ngemessen ist, dass die Europäische Union, vertreten
urch die E 3 – Deutschland, Frankreich und Großbri-
annien –, ihre außerordentlich erfolgreiche Arbeit fort-
etzt, die dazu geführt hat, dass der Iran am Verhand-
ungstisch geblieben ist.

Es ist in den Jahren der Verhandlungen gelungen, eine
emeinsame Position mit den Vereinigten Staaten und
er UNO zu finden. Bemerkenswert ist auch die Äuße-
ung des russischen Außenministers Lawrow, der gesagt
at: Unter rationalen Gesichtspunkten ist nicht nachvoll-
iehbar, warum der Iran ein Atomprogramm will. Unter
nergiegesichtspunkten braucht er es nicht. Das legt den
ringenden Verdacht nahe, dass es hier darum geht, die
oraussetzungen zum Bau einer Atomwaffe zu schaf-

en.

Wenn wir diese Perspektive vor Augen haben, die von
llen Mächten der Welt, von der internationalen Gemein-
chaft, geteilt wird, dann müssen wir uns doch fragen, ob
ir sehenden Auges auf eine Situation zutreiben wollen,

n der am Schluss ein Staat, dessen Präsident eine sol-
hen Geisteshaltung hat, über Atomwaffen verfügt. Dem
üssen wir von Anfang an mit Festigkeit begegnen.






(A) )



(B) )


Joachim Hörster
Die Grünen schreiben in ihrem Antrag ja selbst, dass
notfalls Sanktionen gebraucht werden müssen. Das will
ich auch noch in Erinnerung rufen. Gleichzeitig will ich
dabei festhalten, dass im Augenblick niemand an Sank-
tionen denkt.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Niemand“ stimmt nicht!)


Im Augenblick denkt jedermann nur daran, den Iran auf
den Pfad der Tugend zurückzuführen.

In diesem Zusammenhang darf ich auch die Erklä-
rung der E3/EU-Minister vom Januar zitieren, in der es
heißt:

Wir bekennen uns auch weiterhin dazu, diese Frage
diplomatisch zu lösen. Wir werden uns in den kom-
menden Tagen und Wochen mit unseren internatio-
nalen Partnern eng abstimmen. Wir sind der Auf-
fassung, dass die Zeit jetzt gekommen ist, den
Sicherheitsrat einzuschalten, um die Autorität der
IAEO-Resolutionen zu stärken. Wir werden daher
eine außerordentliche Tagung des IAEO-Gouver-
neursrats beantragen,

– sie hat inzwischen stattgefunden –

damit dieser die hierzu erforderlichen Schritte er-
greift.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602017600

Herr Hörster, kommen Sie bitte zum Schluss.


Joachim Hörster (CDU):
Rede ID: ID1602017700

Das ist die Position der Bundesregierung und auch die

Position der großen Koalition. Jeder, der bezüglich die-
ser Position vordergründig versucht, Streit zu stiften, der
dient dem Nuklearprogramm des Iran, aber nicht der
Festigkeit und Sicherheit der Region.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602017800

Jetzt erhält der Kollege Dr. Werner Hoyer von der

FDP-Fraktion das Wort.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1602017900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Krise aufgrund des iranischen Nuklearprogramms ist
weiß Gott eine der ernsthaftesten Sicherheitsbedrohun-
gen unserer Zeit. Dies verlangt ein besonnenes, verant-
wortliches Handeln. Handeln heißt hier natürlich auch
wirklich handeln und nicht nichts tun; denn eines ist
auch klar: Die Zeit arbeitet bei diesem Thema gegen uns.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben
gemeinsam mit dem Partner jenseits des Atlantiks eini-
ges erreicht. Daran ist weiter zu arbeiten. Diese diploma-
tischen Bemühungen müssen natürlich auch weiterhin
im Vordergrund stehen.


(Beifall bei der FDP)


Ich stimme all denen zu, die bei einem solchen Thema
immer sagen: Versetzt euch doch einmal in die Lage des

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(C (D etroffenen Landes. – Wäre es für den Iran, wenn er eine ationalere politische Führung hätte, eine angenehme ituation, wenn man sich einmal das nukleare Umfeld nsehen würde? Ich habe durchaus Verständnis dafür, ass man diese Frage mit Nein beantworten kann. Es eht hier aber nicht um einen demokratischen, aufgelärten Iran, der sich diese Frage stellt, sondern um eine ranische Führung, die das Ausradieren des Staates Israel n die Wand malt, eine Regierung, die uns zumindest mit orten direkt bedroht, eine Regierung, die keinen Bei rag zur Befriedung der überaus schwierigen Situation m Nahen Osten leistet. Deswegen ist das nicht rgendeine, sondern eine sehr problematische Regierung. Ich finde es beachtlich, dass in dem Beschluss des ouverneursrats der IAEO, der durch eine große diploatische Leistung herbeigeführt wurde, der Begriff massenvernichtungswaffenfreie Zone“ steht. Das ist ein roßer Schritt, zu dem zum Beispiel unsere amerikanichen Freunde erst einmal bewegt werden mussten. ompliment, dass das gelungen ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ieser Beschluss enthält Elemente, die Hoffnung verhei-
en. Es sind Angebote darin, und zwar gerade auch an
ie aufgeschlossene und nach Westen – übrigens mehr
ach Amerika als nach Europa – orientierte junge Gene-
ation im Iran. Sie müssen wir gewinnen. Wir dürfen sie
icht vor den Kopf stoßen. Wir dürfen diese junge Gene-
ation dem iranischen Staatspräsidenten nicht geradezu
n die Arme treiben.

Hier ist noch sehr viel zu tun. Das, was bisher geleis-
et worden ist, war nur möglich, weil geschlossen und
ntschlossen gehandelt worden ist. Deswegen ist es für
ich von herausragender Bedeutung, dass diese Ge-

chlossenheit und Entschlossenheit erhalten bleiben. Ich
alte nichts davon, Fragen zu beantworten, die sich uns
egenwärtig noch gar nicht stellen – uns sowieso nicht.

Natürlich denkt in Deutschland keiner über militä-
ische Optionen nach. Wir haben auch gar keine und
alten sie auch nicht für wünschenswert. Diejenigen, die
ehr viel stärker betroffen sind, mögen Überlegungen
nstellen, in der gegenwärtigen Situation kein taktisches
ittel aus der Hand zu geben, um bei ihrem Gegenüber

inen Zustand der Unsicherheit und Verunsicherung zu
ewahren. Das muss man respektieren. Dafür die Ge-
einsamkeit und Geschlossenheit des Westens und da-

über hinaus der Völkergemeinschaft aufs Spiel zu set-
en, halte ich für nicht sonderlich klug.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was uns aber in Wahrheit darob droht, ist eine innen-
olitische Dimension. Ich hoffe, es wird gelingen, sie
ußen vor zu lassen; denn der Versuch ist erkennbar
ewesen, hier gewissermaßen – da war doch einmal et-
as – einen virtuellen Marktplatz von Goslar aufzuma-

hen. Diesen Versuch an dieser Stelle erneut durchzufüh-
en, halte ich für unverantwortlich. Deswegen sollten wir






(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer
es lassen. Ich hoffe, dass dies in diesem Hause insgesamt
so gesehen wird.


(Beifall bei der FDP)


Ich füge allerdings hinzu: Um der Glaubwürdigkeit
der Bundesrepublik Deutschland willen wünsche ich
mir, dass wir seitens des Westens, der Europäischen
Union, der NATO und auch der Bundesrepublik
Deutschland etwas sichtbarer aktiv werden, wenn es da-
rum geht, bei der Nichtverbreitung und der Abrüstung
weiterzukommen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


Dort hat es in den letzten Jahren eine große Lücke gege-
ben. Hieran muss deutlicher gearbeitet werden; denn nur
dann werden wir denjenigen unter den gutwilligen Ira-
nern, die sich Gedanken darüber machen, was um sie he-
rum los ist, eine befriedigende Antwort geben können.

Wenn aber in der Frage der iranischen Nuklearbe-
waffnung die rote Linie überschritten wird, dann stehen
wir vor einem Dammbruch und einem totalen Kollaps
jeglicher Abrüstungs- und Nonproliferationspolitik.
Deswegen wünsche ich mir, dass die Bundesregierung
gemeinsam mit ihren Partnern in Europa, in Amerika, in
Russland und in China mit ihren Bemühungen Erfolg
hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602018000

Jetzt hat der Kollege Mützenich, SPD-Fraktion, das

Wort.


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1602018100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Ausgang der iranischen Atomkrise wird
sowohl die Entwicklung im Mittleren und Nahen Osten
als auch die Hoffnung im internationalen nuklearen Be-
reich insgesamt beeinflussen. Deswegen ist es gut, wenn
der Deutsche Bundestag erneut über den Iran debattiert.
Die Öffentlichkeit hat meines Erachtens ein Interesse
und ein Bedürfnis, dieses Thema zu erörtern.

Es ist aber unangemessen, die Menschen wissentlich
zu verunsichern.


(Beifall bei der SPD)


Nichts anderes aber tun Sie. Sie unterstellen, dass die
Atomkrise militärisch beantwortet werden soll. Kein
Mitglied der Bundesregierung aber hat eine militärische
Option ins Spiel gebracht. Im Gegenteil: Der Außen-
minister hat vor einer Militarisierung des Konflikts ge-
warnt. Die Bundeskanzlerin hat gestern in Interviews er-
neut die diplomatische Lösung unterstrichen. Ich sage
Ihnen ganz ehrlich: Sie unterstellen etwas und führen auf
dieser Grundlage eine falsche Debatte.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Oskar Lafontaine [DIE LINKE])


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(C (D Herr Lafontaine, Sie haben die Sicherheitskonferenz ngesprochen. Ich glaube, Sie waren dort nicht dabei, ber man kann sich die Mühe machen, das Protokoll achzulesen. In der Diskussion mit dem Vizeaußeninister des Irans hat die Bundeskanzlerin unter ande em gesagt, es gehe hier gar nicht um eine militärische ption, sondern es gehe um diplomatische Mittel. Damit at sie klar gemacht, was geht und was nicht geht. Deuticher, Herr Lafontaine, kann man nicht werden. Sie fühen eine Scheindebatte zulasten der Diplomatie und ines einheitlichen Auftretens der internationalen Geeinschaft gegenüber dem Iran. Zugleich – das muss ich Ihnen ehrlich sagen – ist der ntrag der Linken eine grobe Verzerrung. Sie erwähnen das haben Sie eben auch in der Debatte gesagt – Droungen Irans gegen Israel. Das ist zu wenig. Mehr noch: ch nenne das eine Verharmlosung des Gesagten. Warum erschweigen Sie in Ihrem Antrag, dass der iranische räsident den Holocaust leugnet? Warum schreiben Sie icht, dass er das Existenzrecht Israels infrage stellt? Das sind nicht nur Drohungen. Das derzeitige Verhalen des iranischen Präsidenten ist eine zutiefst inhumane anipulation der Geschichte. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Petra Pau [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ieses Schüren von Hass und Unfrieden hätten Sie be-
ennen sollen und müssen. Warum sagen Sie nicht, dass
er Iran in den vergangenen 18 Jahren gegen die Regeln
es Atomwaffensperrvertrages verstoßen hat? Warum
rwähnen Sie nicht, dass der Direktor der Internationa-
en Atomenergiebehörde, al-Baradei – aus meiner Sicht
in besonnener und unparteilicher Diplomat –, immer
och nicht ausschließen kann, dass der Iran ein militä-
isches Atomprogramm betreibt?


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602018200

Herr Mützenich.


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1602018300

Sofort. – Warum verschweigen Sie, dass der Iran in

er Regel den Inspekteuren nur das zeigt oder berichtet,
as bereits bekannt ist? Warum übergehen Sie die Tat-

ache, dass Trägersysteme entwickelt werden, die bis
uropa reichen? Warum berichten Sie nicht, dass der

ran das europäische Angebot ohne genaue Prüfung zu-
ückgewiesen hat?

Wenn Sie schon über die iranische Atomkrise debat-
ieren wollen, dann müssen Sie auch etwas über den
ern des Konflikts sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602018400

Herr Mützenich, möchten Sie jetzt die Zwischenfrage

von Frau Pau zulassen?


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1602018500

Wenn es nicht zulasten meiner Redezeit geht.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602018600

Natürlich nicht. – Bitte schön.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Vor allen Dingen muss man mal zuhören!)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1602018700

Ich habe die ganze Zeit zugehört!


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Das muss wohl in einem anderen Saal gewesen sein!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602018800

Haben Sie sich jetzt darauf geeinigt, dass Frau Pau die

Zwischenfrage stellt, Herr Lafontaine, oder wollen Sie
das gerne übernehmen? – Bitte schön, Frau Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602018900

Wir könnten den eindrucksvollen Katalog sowohl der

Bewertungen als auch der Vorwürfe gegenüber dem Prä-
sidenten des Irans sicherlich noch fortsetzen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Fragen! – Zuruf des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])


– Sie sind völlig richtig. Deswegen stellt sich für mich
die Frage, warum sie in dem vorliegenden Antrag noch
einmal aufgezählt werden sollen. Denn wir haben vor
Weihnachten der gemeinsamen Resolution des Deut-
schen Bundestages zur Verurteilung der Äußerungen
des iranischen Präsidenten, der abscheulichen Leug-
nung des Holocaust und der falschen Politik zugestimmt.
Waren Sie an dieser Resolution beteiligt und haben Sie
ihr – so wie die gesamte Fraktion der Linken – zuge-
stimmt? Etwas wird doch nicht dadurch besser, dass man
es immer wiederholt.


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1602019000

Der Punkt ist doch: Sie äußern sich zu der iranischen

Atomkrise und den militärischen Mitteln, die dort mögli-
cherweise eingesetzt werden. Seit dem Einbringen des
Antrags sind aber täglich neue Vorwürfe gegenüber Is-
rael erhoben worden. Warum nehmen Sie das nicht in
den Antrag mit auf, wenn er ohnehin auf Wiedervorlage
liegt? Das gehört doch alles mit in diese Debatte hinein.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602019100

Herr Kollege Mützenich.


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1602019200

Die rot-grüne Bundesregierung hat zusammen mit

den europäischen Partnern vor mehr als zwei Jahren das

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(C (D ichtige getan. Sie hat mit zivilen diplomatischen Miteln versucht, die Atomkrise zu entschärfen und zu löen. Herr Mützenich, es gibt noch eine zweite Zwischen rage, und zwar von der Kollegin Monika Knoche. (Zuruf von der SPD: Rolf, lass es jetzt nicht mehr zu!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602019300


Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1602019400

Bitte schön.


Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602019500

Herr Kollege, Sie kaprizieren sich im Moment sehr

arauf, der linken Fraktion zu unterstellen, ihr mangele
s an Sensibilität hinsichtlich der Bedrohung Israels
urch die Äußerungen des iranischen Präsidenten.


(Zustimmung bei der CDU/CSU)


abei beziehen Sie sich auf unseren Antrag.


(Zurufe von der CDU/CSU: Ihre Frage!)


Darf ich Sie bitten, zu kommentieren, wie Sie zu Ih-
em Urteil kommen? Wir haben in den dritten Absatz
nseres Antrags Folgendes aufgenommen:

Der Deutsche Bundestag appelliert an den Iran, die
Drohungen gegenüber Israel unverzüglich einzu-
stellen, sich an seine Verpflichtungen aus dem Ver-
trag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen zu
halten und alles zu unterlassen, was zu einer Eska-
lation des Konflikts um sein Atomprogramm beitra-
gen könnte.

ind Sie bereit, dies zur Kenntnis zu nehmen und Ihre
orhergehenden Äußerungen über die Haltung der Lin-
en zum Existenzrecht Israels zurückzunehmen?


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1602019600

Nein. Wenn Sie zugehört hätten, liebe Kollegin, dann

üssten Sie, dass ich aus Ihrem Antrag zitiert habe. Ich
abe aber auch das aufgezählt, was Sie unterlassen.

Ich darf Sie an unsere Diskussion im Auswärtigen
usschuss über das Thema erinnern – Sie waren dabei –,

ls der Kollege Paech sich dazu in keiner Weise geäußert
at.


(Zuruf von der SPD: Richtig!)


un Sie also nicht so, als hätten Sie eine Position vertre-
en! Beschreiben Sie Ihre Position und diskutieren Sie
ie mit uns! Das wäre viel besser.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Der Ansatz, den die damalige rot-grüne Bundesregie-
ung gewählt hat, hat weiterhin eine Chance. Die Unter-
tützung der Bundesregierung besteht auch fort. Am
ontag beispielsweise wird in Moskau mit Vertretern






(A) )



(B) )


Dr. Rolf Mützenich
Russlands und des Irans zu klären sein, ob auf russi-
schem Boden eine Urananreicherung möglich ist.

Der russische Vorschlag bedeutet zweierlei: Ange-
sichts der zahlreichen, langjährigen und bisher nicht auf-
geklärten Verstöße des Irans gegen die Regeln des
Atomwaffensperrvertrags soll das Land den Brenn-
stoffkreislauf nicht schließen. Die Anreicherung und Ab-
zweigung von Uran für militärische Zwecke wäre dem-
nach ausgeschlossen. Damit wäre die Atomkrise zwar
noch nicht gelöst, aber mithilfe dieser vertrauensbilden-
den Maßnahme könnten weitere Fragen in Ruhe ange-
gangen werden. Deswegen verstehe ich nicht, Kollege
Lafontaine, warum Sie beispielsweise diesen Vorschlag,
den die Russen eingebracht haben und den die Chinesen
und die Brasilianer unterstützen, nicht in Ihrem Antrag
und in Ihrer Rede aufgegriffen haben. Dieser Vorschlag
zeigt doch, dass diplomatische Lösungen möglich sind.
Darauf müssen wir bauen und daran müssen wir arbei-
ten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Der Iran sollte im eigenen Interesse diesen Vorschlag
aufgreifen. Das würde neues Vertrauen bilden. Danach
könnten weitere sicherheitsfördernde Schritte folgen.
Unverzichtbar ist dabei die politische Mitwirkung der
USA.

Des Weiteren brauchen wir – darüber haben wir schon
vor zwei Wochen im Rahmen einer Aktuellen Stunde
diskutiert; es herrschte damals großes Einvernehmen im
Haus; wahrscheinlich haben Sie, Herr Lafontaine, nicht
teilgenommen – regionale und weltweite Initiativen für
Rüstungskontrolle und Abrüstung. Wir müssen über die
atomare Rüstung, die Rolle und die Verbreitung von
Kernwaffen, sprechen. Solange Atomwaffen ein Be-
standteil der militärischen Ausrüstung und Planung in
wenigen, in der Regel mächtigen Ländern sind, werden
sich Fälle wie die des Irans oder Nordkoreas wiederho-
len. Deshalb müssen Rüstungskontrolle und Abrüs-
tung die Bemühungen um die Lösung der iranischen
Atomkrise flankieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei
Deutschlands, Matthias Platzeck, hat dies erst vor weni-
gen Tagen wiederholt; darin unterstützen wir ihn.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir brauchen eine weitere internationale Debatte.
Einzelne Staaten, vor allem die Atomwaffenstaaten, re-
klamieren für sich das Recht, allein zu entscheiden, ob
militärische Gewalt ein legitimes und angemessenes
Mittel sein kann, wenn nationale Interessen gefährdet zu
sein scheinen. Damit wird ein Prinzip ausgehöhlt, wel-
ches nach dem Ende des Ost-West-Konflikts eigentlich
hätte wieder belebt werden müssen: das Gewaltverbot.
Dieses Verbot zum Gegenstand der internationalen Poli-
tik zu machen, ist auch Aufgabe dieser Bundesregierung.
Darin unterstützen wir, die sozialdemokratische Frak-
tion, sie. Es geht nämlich auch um die Pflicht zur friedli-

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(C (D hen Streitbeilegung nach der UN-Charta. Das alles ist n die Bemühungen um eine friedliche Beilegung des onflikts mit dem Iran einbezogen. Es wäre gut, wenn er Deutsche Bundestag diesen Weg gegenüber der Bunesregierung unterstützte. Es ist wichtig, dass die iranische Atomkrise mit friedichen Mitteln gelöst wird. Das wäre nicht nur ein unchätzbarer Vorteil für die Region und ein Beispiel für ine gemeinsame europäische Außenpolitik, sondern uch stilbildend für die Lösung anderer internationaler risen. Wir wollen daran mitwirken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche hnen ein schönes Wochenende. So weit sind wir noch gar nicht, Herr Mützenich. Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege ürgen Trittin. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ox ord-Friedensforscher Paul Rogers hat dieser Tage einen ufsatz bzw. eine Studie veröffentlicht, in der er sich mit er Frage nach den Folgen eines solchen von einigen anedachten Militärschlags beschäftigt hat. Er kommt zu inem ganz einfachen Ergebnis: Eine Militäroperation egen den Iran wäre keine kurzfristige Angelegenheit, ondern würde ein Zusammenspiel komplexer und lang nhaltender Konfrontationen auslösen. Daraus folgt, ass militärische Aktionen strikt ausgeschlossen und alernative Strategien entwickelt werden sollten. Genau as ist der springende Punkt. Auch wir sind der Meiung, dass militärische Lösungen ein unkalkulierbares skalationsrisiko haben. Ich sage Ihnen: Diejenigen, ie als erstes die Zeche dafür zahlen müssten, wären Isael und die Menschen im gesamten Nahen Osten. Desegen sind wir gegen eine militärische Lösung. Wenn man aber Alternativen entwickeln will, dann arf man zwei Fehler nicht machen. Auf der einen Seite arf man sich die Situation nicht schöner reden, als sie st. Auf der anderen Seite darf man die eigenen Überleungen nicht schlechter reden, als sie sind. Das Erste haen Sie gemacht, Herr Lafontaine. Dem Iran ist doch die inrichtung einer massenvernichtungsfreien Zone angeoten worden. Das war Bestandteil des Vorschlags der U 3. Ich bin völlig dagegen, dass dieser Vorschlag gendert wird. Es ist falsch, zu behaupten, der Iran habe ich völkerrechtskonform verhalten. Tatsächlich befindet r sich im Zustand von Non-Compliance gegenüber dem tomwaffensperrvertrag. Das hat eine übergroße ehrheit der Mitglieder der Staatengemeinschaft festge tellt. Wenn man Multilateralismus und Völkerrecht ochhält, dann muss man die Ergebnisse von Multilatealismus und Völkerrecht an bestimmten Stellen auch inmal akzeptieren. Jürgen Trittin (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
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Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
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(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


Außerdem – es fällt mir als Atomkraftgegner schwer,
das zu sagen – haben wir den Iran nicht einmal aufgefor-
dert, er solle nicht anreichern. Wir beziehen uns aus-
drücklich darauf, dass die Anreicherung ausgesetzt
wird, aber unter internationaler Aufsicht in Russland
stattfinden soll. Wir unterstützen das, gerade weil wir
nicht der Logik folgen wollen, einem Land willkürlich
die Rechte abzusprechen, die andere Länder selbstver-
ständlich für sich in Anspruch nehmen, auch wenn das
Ökologen und Atomkraftgegnern an dieser Stelle schwer
fällt.

Ich bin ein Befürworter der Klarheit. Klarheit heißt
auch, den Charakter des iranischen Regimes klar zu be-
nennen und klar zu machen, dass der Iran mehr als ein
verbrecherisches Regime ist, dass er vielmehr ein Land
mit einer vielfältigen Zivilgesellschaft ist. Wenn man
über alternative Strategien spricht, dann ist es unsere
Aufgabe, diese Vielfalt der Zivilgesellschaft zu stützen
und zu stärken. Das ist der Kern unseres Antrags, den
wir hier vorgelegt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht um mehr Meinungsfreiheit und Unterstützung
dieser Kräfte.

Lieber Herr Kollege Hörster, Sie haben zu Recht ei-
nige Stellen unseres Antrages zitiert. Wie Sie nach der
Lektüre dieses Antrags dazu kommen können, unsere
Forderung nach einer zivilen Lösung des Konfliktes
mit dem Wort „Appeasement“ zu belegen, ist unver-
ständlich. Es ist genau der andere Fehler, die eigenen In-
strumentarien schlecht zu reden. Wir waren uns bis zum
Gebrauch des Wortes „Appeasement“ darin einig, dass
wir versuchen müssen, den Griff des iranischen Regimes
nach der Bombe mit zivilen, mit diplomatischen Mitteln
zu unterbinden. Das ist kein Appeasement. Wenn Sie
den Antrag zu Ende gelesen hätten, wäre Ihnen vielleicht
auch die Ziffer II. 4 aufgefallen. Darin steht – ich lese
Ihnen das gerne vor –:

4. Gemeinsam mit den Partnern der EU und den in-
ternationalen Partnern einen abgestuften Katalog
realistischer nichtmilitärischer Sanktionsmaßnah-
men zu entwickeln.

Wer das zu Appeasement erklärt, lieber Herr Hörster, der
steht in der Tat im Verdacht, dass er eine offene Flanke
hat und zu der Lösung tendiert, die ich am Anfang ge-
nannt habe. Deswegen glaube ich, dass unser Antrag
mehr als nötig gewesen ist.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602019900

Damit ist die Aussprache geschlossen.

Es ist verabredet worden, die Vorlagen auf den
Drucksachen 16/452 und 16/651 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. – Damit

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(C (D ind Sie offensichtlich einverstanden. Dann sind die berweisungen so beschlossen. Ich rufe Zusatzpunkt 8 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Haltung der Bundesregierung zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz Ich gebe als erstem Redner dem Kollegen Ernst urgbacher, FDP-Fraktion, das Wort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! as Bundesverfassungsgericht hat am Mittwoch ein Ureil gesprochen, mit dem wahrlich Rechtsgeschichte gechrieben wurde. Dieses Urteil hat allerdings niemanden irklich überrascht; denn spätestens nach der mündli hen Verhandlung war klar, dass § 14 Abs. 3 des Lufticherheitsgesetzes mit dem Grundgesetz unvereinbar nd nichtig ist. So hat es das Bundesverfassungsgericht m Mittwoch festgestellt. ieses Urteil erfüllt uns Liberale mit aufrichtiger reude; denn damit ist ein Sieg für den Rechtsstaat erungen worden. erne danke ich unserem ehemaligen Kollegen und Viepräsidenten des Deutschen Bundestages Dr. Burkhard irsch, der in brillanter Weise rechtsstaatliche Grund ätze vertreten und durchgesetzt hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der FDP)

Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1602020000

(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


Überraschend war das Urteil für die FDP schon gar
icht. Die FDP hat in den Beratungen in den Ausschüs-
en deutlich gemacht, dass eine Abwägung von Leben
egen Leben – dies ist beim Abschuss eines Flugzeuges
er Fall – mit Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht ver-
inbar ist.


(Beifall bei der FDP)


ie Sachverständigen hatten dies bestätigt. Trotzdem
ind die damaligen Regierungsfraktionen stur geblieben.

Wenn ich jetzt Kommentare der Grünen höre und
ese, dann muss ich die Kollegen von den Grünen schon
aran erinnern: Sie haben diesem Gesetz damals zuge-
timmt.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben es sogar mitformuliert!)


uch die Ausrede, Kollege Ströbele, dieses Gesetz be-
reffe den genannten Fall gar nicht, wurde vom Bundes-
erfassungsgericht ausdrücklich abgelehnt. Hören Sie






(A) )



(B) )


Ernst Burgbacher
also bitte damit auf, den Menschen Sand in die Augen zu
streuen! Haben Sie wenigstens den Mut, sich zu dem,
was Sie entschieden haben, zu bekennen!


(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


Auch die Bundesregierung muss jetzt klarstellen, wel-
che Konsequenzen sie aus diesem Urteil ziehen will. In-
nenminister Schäuble und andere wollen nach wie vor
einen Einsatz der Bundeswehr im Innern, wohl auch zur
Fußball-WM, durchsetzen.


(Zuruf von den LINKEN: Pfui!)


Innenstaatssekretär Altmaier hält dies für schwierig. Der
Verteidigungsminister Jung lehnt es ab. Die SPD weist
entsprechende Forderungen aus der Union zurück.


(Zuruf von der SPD: Kategorisch!)


Meine Damen und Herren von der Bundesregierung,
dieses Urteil war doch absehbar. Sie hätten sich doch
darauf vorbereiten können. Die Regierung der großen
Koalition ist völlig uneins und ordnungslos.


(Beifall bei der FDP)


Wir erwarten, dass die Bundesregierung jetzt Stellung
nimmt. Hier ist insbesondere die Kanzlerin gefordert,
auch wenn bei dieser Frage kein roter Teppich vor ihr
ausgerollt wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich fordere Sie, Herr Minister Schäuble, auf: Beenden
Sie endlich die Phantomdiskussion eines Bundeswehr-
einsatzes bei der WM.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir, die FDP, wollen diesen Einsatz nicht. Das war und
das ist die Überzeugung der FDP. Da sind wir übrigens
im Einklang mit vielen Betroffenen, zum Beispiel mit
dem Bundeswehr-Verband oder mit der Gewerkschaft
der Polizei.

Das Luftsicherheitsgesetz enthält weitere problemati-
sche Regelungen. So wird in § 7 dieses Gesetzes eine
Zuverlässigkeitsüberprüfung für alle Piloten von motor-
getriebenen Luftfahrzeugen vorgeschrieben, die alle drei
Jahre wiederholt werden muss. Diese Vorschrift ist völ-
lig überzogen und realitätsfern. Ich kündige deshalb für
die FDP-Fraktion an, dass wir Änderungen von § 7 be-
antragen werden, um die vielen Hobbypiloten von dieser
unsinnigen und kostspieligen Bürokratie zu befreien.


(Beifall bei der FDP)


Der Rechtsstaat ist mit dem Urteil von Mittwoch ge-
festigt worden. Heribert Prantl schreibt in der „Süddeut-
schen Zeitung“ – ich zitiere –:

Bei der Verteidigung des Rechts gegen den Terror
darf das Recht dem Terror nicht geopfert werden –
das ist das große Fazit dieses Urteils.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


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(C (D s liegt jetzt an uns, dem Parlament, dass wir im Reden nd im Tun uns an diesem Urteil orientieren und damit ür den Rechtsstaat und gegen den Terror kämpfen. Dieer Aufgabe haben wir jetzt alle miteinander nachzugeen. Die Bürgerinnen und Bürger sollen es wissen: Es gibt ine politische Kraft, deren Politik mit dem Urteil des undesverfassungsgerichts nahtlos übereinstimmt: Das st die FDP. All denen, die uns heute zuschauen, sage ch: Sie können sich auf die FDP als Rechtsstaatspartei erlassen. Herzlichen Dank. Für die CDU/CSU spricht der Kollege Wolfgang osbach. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man ag die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts egrüßen, wie es der Kollege Burgbacher getan hat. Man ag diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts egen möglicherweise schwerwiegender Folgen für die evölkerung bei einem terroristischen Anschlag bedaurn. Ganz gleich, wie man es sieht: Wir müssen die Entcheidung des Bundesverfassungsgerichts respektieren nd daraus die notwendigen gesetzgeberischen Konseuenzen ziehen. Herr Kollege Burgbacher, gestatten Sie mir zwei Hineise zu dem, was Sie gesagt haben, weil ich das sehr rnst nehme. Erstens – ich sage das, weil auch ich damals das Lufticherheitsgesetz im Grundsatz für richig gehalten habe –: enjenigen, die damals zugestimmt haben, liegen die enschenwürde und der Respekt vor dem menschlichen eben ebenso am Herzen wie denen, die das Gesetz abelehnt haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP])


(Beifall bei der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602020100

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1602020200

Das Zweite. Wir sollten uns gegenseitig zumindest
ugestehen, dass es Fälle gibt, in denen der Staat in ei-
em echten Dilemma steckt. Es kann fatal falsch sein,
ine Maschine mit Waffengewalt zu stoppen, also abzu-
chießen. Es kann aber auch fatal falsch sein, eine Ma-
chine nicht zu stoppen – mit der Folge, dass möglicher-
eise Tausende unschuldiger Menschen ihr Leben
erlieren.

Vielleicht sind wir auch an den Grenzen dessen ange-
angt, was ein Gesetzgeber regeln kann.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das ist der Punkt!)


ielleicht sind wir tatsächlich nicht in der Lage, alle
älle des Lebens zu regeln. Vielleicht – das hat das Bun-
esverfassungsgericht offen gelassen – muss man die






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach
Entscheidung darüber, wie in einem konkreten Einzelfall
hätte gehandelt werden müssen, auch einmal einer politi-
schen und möglicherweise sogar strafrechtlichen Würdi-
gung überlassen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das hätte ich damals auch gern vorgetragen!)


Vielleicht können wir gar nicht alle Fälle vorhersehen,
die das Leben für uns bereithalten kann.

Über den § 7 des Luftsicherheitsgesetzes – auch wenn
das nur ein Randproblem ist – sollten wir uns – das
möchte ich Ihnen ausdrücklich zugestehen – noch ein-
mal in Ruhe unterhalten. Wir erachten nicht die Intention
des Gesetzgebers als falsch, aber wir müssen auch die
praktischen Auswirkungen sehen, die eine gesetzliche
Neuregelung zur Folge haben kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der FDP)


Das Bundesverfassungsgericht hat auch entschieden,
dass bei einem unbemannten Flugobjekt das Gesagte
nicht gilt. Wenn in einer entführten Maschine nur An-
greifer sind, nur Entführer, aber kein entführter Passa-
gier ist, dann gilt das nicht.


(Zurufe von der SPD)


Der Staat muss doch dann die Möglichkeit haben, eine
solche Maschine zu stoppen, wenn die Gefahr droht, dass
Tausende ihr Leben verlieren. In einem solchen Fall hat
nach unserer Kompetenzordnung die Polizei die Kompe-
tenz zur Gefahrenabwehr, aber sie hat gar nicht die tech-
nischen Möglichkeiten; die technischen Möglichkeiten,
den Angriff abzuwehren, hat die Bundeswehr, aber sie
hat nicht die Kompetenz. Deswegen müssen wir für ge-
nau diese Fallkonstellation das Grundgesetz ändern.
Nichts anderes kann für Angriffe von See her gelten.
Wenn nur die Bundeswehr die Fähigkeit hat, einen terro-
ristischen Angriff abzuwehren, dann wäre es nicht nur
fahrlässig, sondern sogar unverantwortlich, wenn wir die
Bundeswehr nicht einsetzen dürften, um unsere Bevölke-
rung zu schützen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wissen spätestens seit dem 11. September: Wir
haben eine völlig andere Bedrohungslage als zur Zeit des
Kalten Krieges, aber es ist keine minder gefährliche. Wir
wissen, dass nichtstaatliche Akteure mit militärischen
oder paramilitärischen Mitteln aus dem Inland heraus
Angriffe, Attentate verüben können – mit Folgen in mili-
tärischer Größenordnung, mit Tausenden von Toten. Ich
darf bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass bei den
Anschlägen am 11. September doppelt so viele Men-
schen gestorben sind wie beim Angriff auf die amerika-
nische Pazifikflotte in Pearl Harbor. Wir müssen das
Grundgesetz dieser neuen Bedrohungslage anpassen.
Die Mütter und Väter des Grundgesetzes sind bei der
Wehrverfassung von einer völlig anderen Gefahrenlage
ausgegangen, als wir sie heute haben.

Das bedeutet nicht, dass CDU und CSU die innere Si-
cherheit militarisieren wollen.

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(C (D iemand hat das vor. Wir wollen der Bundeswehr nicht eu à peu Polizeiaufgaben übertragen. Wir wollen die undeswehr nicht zu einer zweiten Bereitschaftspolizei achen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch!)


(Zuruf von der LINKEN: Genau das!)


Nein.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90 DIE GRÜNEN]: Zu den Weltmeisterschaften will Herr Schäuble das!)


Nein, auch Herr Schäuble möchte nicht,

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sondern?)

ass die Bundeswehr den Schutz der Fußballweltmeis-
erschaft übernimmt. Herr Schäuble sagt vielmehr: Wenn
ine Kombination von einer besonderen Bedrohungslage
urch den internationalen Terrorismus und von Großver-
nstaltungen vorliegt, bei der wir Polizeikräfte in einem
aß binden, dass die Polizei ihre eigentlichen Aufgaben

icht mehr wahrnehmen kann, dann muss es möglich
ein, dass die Bundeswehr Teile der Objektschutzaufga-
en übernimmt, damit wir die Bevölkerung so schützen
önnen, wie wir sie schützen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Im Übrigen – auch das sollte an dieser Stelle einmal
esagt werden, weil ich glaube, dass das zwar nicht bei
llen, aber doch bei manchen im Hinterkopf eine Rolle
pielt –: Die Bundeswehr verdient exakt das gleiche Ver-
rauen, das unsere Polizei verdient.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gleiche Vertrauen, aber nicht für die gleiche Tätigkeit! Das sagt der Bundeswehr-Verband selbst!)


as ist der Grund dafür, dass wir die Kolleginnen und
ollegen nicht nur des Koalitionspartners, sondern des
anzen Hohen Hauses zu einem Gespräch darüber einla-
en, wie wir Deutschland sicherer machen können.

Danke fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602020300

Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt Petra Pau.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1602020400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

as Bundesverfassungsgericht hat vorgestern das so ge-
annte Luftsicherheitsgesetz für verfassungswidrig und
amit für null und nichtig erklärt. Ich persönlich möchte
nmerken: Ich bin darüber sehr froh. Das Luftsicher-
eitsgesetz war eine Lizenz zum Töten.


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU)







(A) )



(B) )


Petra Pau
Noch vor ein paar Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass
ausgerechnet Rot-Grün so etwas beschließen würde. Sie
taten es dennoch.

Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt: Nie-
mand hat das Recht, Menschenwürde zu gewichten und
das Leben der einen zu schützen, indem man das Leben
der anderen dem Tode weiht. Niemand heißt, auch der
Staat darf es nicht, nicht die Regierung, nicht das Parla-
ment. Karlsruhe hat mit diesem Urteil zugleich die Kern-
argumente der FDP und der damaligen PDS im Bundes-
tag bestätigt.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen es:
Es ging beim Luftsicherheitsgesetz nicht nur um die
Frage, ob ein von Terroristen entführtes Flugzeug mit-
samt der als Geiseln genommenen Passagiere abge-
schossen werden darf. Es ging immer auch um die Frage,
ob die Bundeswehr umfassender, als es im Grundgesetz
ohnehin erlaubt ist, im Innern der Bundesrepublik einge-
setzt werden darf. Die Linksfraktion sagt dazu Nein.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Es gibt gute Gründe für das Gebot der Trennung von
Polizei und Bundeswehr: historische, politische und
sachliche. Es gibt auch gute Gründe dafür, dass die Bun-
deswehr Bundessache ist und die Polizei Ländersache.
Die Erfinder des Luftsicherheitsgesetzes wollten beides
umgehen: das Trennungsgebot und die jeweiligen Zu-
ständigkeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat das in
seiner Begründung als Kompetenzüberschreitung des
Parlaments kritisiert. Seitdem – so liest und hört man je-
denfalls – grübeln insbesondere Unionspolitiker darüber,
wie sie trotz des Karlsruher Urteils die Bundeswehr im
Innern einsetzen könnten. Ich finde, das ist arrogant und
auch tollkühn.


(Beifall bei der LINKEN)


Es gibt hierzulande eine Gruppe, die in letzter Zeit auf-
fällig oft mit der Verfassung bricht, nämlich ausgerech-
net die Minister, die für den Schutz der Verfassung zu-
ständig sind. Die regelmäßige Folge des Ganzen ist, dass
wir uns immer wieder vor dem Bundesverfassungsge-
richt treffen.

Die Frage nach dem Einsatz der Bundeswehr im In-
nern ist inzwischen uralt und wird immer wieder einmal
von der Union aufgeworfen, so auch schon vor 15 Jah-
ren, als Wolfgang Schäuble ebenfalls Innenminister war.
Seitdem sucht sich die Union für die Umsetzung dieses
Vorhabens ständig neue Anlässe. Nunmehr ist es die
Fußballweltmeisterschaft. Der Anlass ist gut gewählt,
denn angesichts der zunehmenden Euphorie werden
Grundrechte ganz schnell an den Rand gedrängt. Gerade
deshalb mahne ich: Die Weltmeisterschaft soll kommen,
aber die Grundrechte müssen bleiben. Ich appelliere
auch an Sie: Die Fußballweltmeisterschaft darf nicht län-
ger mit Ängsten beladen und politisch missbraucht wer-
den. Jeder weiß, Großveranstaltungen sind immer beson-
dere Herausforderungen für die innere Sicherheit. Eine
seriöse Debatte darüber wäre durchaus sinnvoll, eine
Geisterdebatte zum Einsatz der Bundeswehr ist es nicht.

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(C (D Dieser Tage fand übrigens hier in Berlin ein europäicher Polizeikongress statt. Auf ihm sprach auch Branenburgs Innenminister Schönbohm. Er sprach verblüfend offen und für mich auch erhellend. Es könne sein so sein Szenario –, dass sich 1.-Mai-Krawalle in Berlin inziehen, bis die Polizei erschöpft ist. Dann müsse doch ie Bundeswehr eingreifen; das müsse sie dann auch ürfen. Ich danke Herrn Schönbohm für diese Offenheit. ch gehöre nicht zu denen, die alles schwarzweiß oder chwarzrot sehen. ber zur selben Zeit, da der Ex-General über Bundesehreinsätze in Berlin-Kreuzberg nachdenkt, erhalten ir Botschaften aus Osnabrück. Dort soll die Polizei -Euro-Jobbern den Weg gebahnt haben, damit diese en aktuellen Verdi-Streik brechen. Das wäre ein Einriff in die Tarifautonomie. Das alles lässt natürlich ichts Gutes ahnen. Im Gegenteil, es nährt den Verdacht, ie Koalition bereite sich sehr wohl auf verstärkte soiale Auseinandersetzungen und Unruhen vor und benöige dafür die Bundeswehr im Innern. Auch deshalb vermute ich, Ihr Kollege Schönbohm at Ihnen, Herr Bundesinnenminister Schäuble, mit seien offenen Worten hier in Berlin einen Bärendienst eriesen. Allerdings ist das Ihr Problem. Schönbohm hat estätigt, was ohnehin in der Luft liegt: Es geht gar nicht m die Fußballweltmeisterschaft, sondern um die Militaisierung der Innenpolitik. Ich denke, genau das dürfen emokraten und Liberale nicht zulassen. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Interessante Formulierung: „Demokraten und Liberale“!)


(Zurufe von der CDU/CSU: Ach nein!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602020500

Der Kollege Fritz Rudolf Körper spricht jetzt für die

PD-Fraktion.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1602020600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das

arlsruher Urteil, so darf man wohl sagen und formulie-
en, beschäftigte sich mit einem Spezialfall eines terro-
istischen Angriffes aus der Luft. Der Beratung zum
uftsicherheitsgesetz, an der ich – dazu bekenne ich
ich auch – teilgenommen und bei der ich mich einge-

racht habe, lag die Erfahrung des terroristischen Ereig-
isses vom 11. September 2001 zugrunde. Es gab dann,
err Ströbele, noch einen besonderen Anlass, als ein
eistig Verwirrter mit einem Kleinflugzeug um den
rankfurter Henninger-Turm flog.


(Markus Löning [FDP]: Hier in Berlin hatten wir doch auch mal einen!)


Das Karlsruher Urteil – ich glaube, da gibt es über-
aupt kein Problem, es zu respektieren – ist meiner Auf-
assung nach klar und eindeutig: Der Staat darf nicht
um Täter und der Mensch nicht zum Objekt gemacht
erden.

Das Luftsicherheitsgesetz hatte das Ziel, den Ab-
chuss eines von Terroristen entführten und als Waffe
ingesetzten Passagierflugzeuges als so genanntes letz-






(A) )



(B) )


Fritz Rudolf Körper
tes Mittel zu erlauben, um eine noch schlimmere Kata-
strophe zu verhindern. Das war die Fragestellung, mit
der wir uns auseinander gesetzt haben. Ich muss es auf
einen einfachen Nenner bringen, lieber Herr Burgbacher:
Eine solch schwierige Frage, der wir uns zugewendet
und für die wir Lösungen gesucht haben, ist für eine
platte parteipolitische Auseinandersetzung völlig unge-
eignet.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Widerspruch des Abg. Ernst Burgbacher [FDP] – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Damit kriegt man bei der Regierung immer Beifall!)


– Lesen Sie einmal Ihre Rede nach, Herr Burgbacher. Ich
bin ein bisschen enttäuscht darüber. Denjenigen, die da-
mals mit darüber entschieden haben, den Vorwurf zu
machen, sie wollten die Menschenwürde mit Absicht
verletzen, halte ich für abstrus und absonderlich. Einen
solchen Vorwurf finde ich ungeheuerlich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wer hat das denn gesagt? Quelle! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Keine Pappkameraden aufbauen!)


Das Urteil kommt zu dem klaren Ergebnis, dass die
Abwägung Leben gegen Leben nicht erlaubt und somit
nicht verfassungsgemäß ist. Mit ihrer Verfassungsbe-
schwerde machten die Beschwerdeführer geltend, sie
würden durch das Luftsicherheitsgesetz unmittelbar in
ihren Grundrechten beeinträchtigt. Das Gericht kommt
zu dem Ergebnis, dass eine Abwägung Leben gegen Le-
ben nach dem Maßstab, wie viele Menschen möglicher-
weise auf der einen und wie viele auf der anderen Seite
betroffen seien, unzulässig sei. Die angegriffenen Rege-
lungen, so das Gericht, verletzten auch den verfassungs-
rechtlichen Vorbehalt in Art. 87 a Abs. 2 Grundgesetz,
nach dem die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur ein-
gesetzt werden dürfen, soweit das Grundgesetz dies aus-
drücklich zulässt.

Das Gericht bestätigt uns damit in der Auffassung,
dass ein bewaffneter Einsatz der Bundeswehr im Inland
verboten ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dem Bund ist ein Kampfeinsatz der Streitkräfte mit spe-
zifisch militärischen Waffen weder bei der Bekämpfung
besonders schwerer Unglücksfälle noch bei einem über-
regionalen Katastrophennotstand erlaubt.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann
die Bundeswehr auch in Zukunft nur zur Landesverteidi-
gung oder im Rahmen der Amtshilfe eingesetzt werden.
Darüber hinausgehende Forderungen, die Bundeswehr
auch zu polizeilichen Aufgaben einzusetzen, sind meiner
Meinung nach unzulässig, weil sie nicht verfassungsge-
mäß sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Es fehlt der Beifall, Genossen!)


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(C (D Trotz der neuen und schwierigen Bedrohungslage ollte es bei der Trennung zwischen der inneren und der ußeren Sicherheit bleiben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


oldaten sind weder Ersatz- noch Hilfspolizisten. Wir
erden sie auch nicht zu solchen machen.

Ich wäre im Übrigen dankbar, wenn die öffentliche
ebatte und die Erörterung dieses Urteils ein bisschen
eniger heftig und dafür sachlicher geführt würden. Ich
in der Bundeskanzlerin sehr dankbar, dass sie sich in
hnlicher Weise geäußert hat. Ich denke, das ist sehr
ichtig.

Wir werden uns das Urteil genau anschauen und wer-
en es prüfen. Dann werden wir sehen, was getan wer-
en kann, aber auch, was vielleicht nicht getan werden
ann.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602020700

Das Wort hat der Kollege Hans-Christian Ströbele,

ündnis 90/Die Grünen.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Er hat es auch nicht leicht!)



(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat im
ahr 2004 diesem Gesetz zugestimmt.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aha!)


ch selber war an der Ausarbeitung und Formulierung
erade dieses in Rede stehenden Absatzes des § 14 des
uftsicherheitsgesetzes beteiligt.


(Zuruf von der FDP: Hört! Hört! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Ein Punkt für Ehrlichkeit!)


Trotzdem muss ich feststellen:


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Ich ziehe den Punkt gleich wieder ab!)


ir, Bündnis 90/Die Grünen, und ich selber respektieren
icht nur, sondern wir begrüßen diese Entscheidung des
undesverfassungsgerichts aus voller Überzeugung und
it ganzem Herzen, weil sie historisch zu nennen ist,
eil sie richtig ist und weil in ihr die Würde des Men-

chen als unantastbar bezeichnet wird, wie es in Art. 1
es Grundgesetzes verankert ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt komme ich zu der Frage, wie man diesen Wider-
pruch auflösen kann.






(A) )



(B) )


Hans-Christian Ströbele

(Lachen bei der CDU/CSU – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Gute Frage! – Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Darauf warten wir jetzt!)


Wir haben mit diesem Gesetz das Richtige gewollt und
bei der Einbringung in den Deutschen Bundestag ent-
sprechend zum Ausdruck gebracht.


(Zuruf von der FDP: Aber nicht gemacht!)


Allerdings haben wir dann eine falsche Formulierung ins
Gesetz geschrieben.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Wollen Sie damit sagen, dass Sie uns nur benutzt haben, um dieses Urteil zu kriegen?)


Ich will ohne Wenn und Aber die Kritik an unserem Ver-
halten akzeptieren.

Ich persönlich habe die Formulierung „den Einsatz
unmittelbarer Waffengewalt zulassen“ so verstanden,
dass damit nicht gemeint ist, ein Passagierflugzeug mit
in der Tat unbeteiligten Passagieren abschießen zu dür-
fen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So habe ich das hier im Bundestag formuliert und so
habe ich auch auf eine Frage eines Kollegen von der
FDP seinerzeit geantwortet, der auf das Dilemma hinge-
wiesen hat. Ich habe klar gesagt, dass das mit unseren
moralischen Grundsätzen und auch mit Art. 1 des
Grundgesetzes nicht zu vereinbaren ist.

Wir akzeptieren diese Kritik. Wir haben das Problem
nicht mit der genügenden Klarheit gesehen und das Ge-
setz nicht mit der genügenden Klarheit formuliert. Wir
begrüßen, dass das Bundesverfassungsgericht diesen
Fehler glücklicherweise richtig gestellt hat.

Wir haben vorher diese Kritik in den Diskussionen in
der Öffentlichkeit wahrgenommen. Zu dieser Formulie-
rung ist es gekommen – daraus mache ich keinen Hehl –,
weil der Koalitionspartner ein Recht auf Abschuss in
einer Notsituation auch für Passagierflugzeuge, in dem
unbeteiligte Passagiere sitzen, schaffen wollte. Die da-
malige Bundesregierung, insbesondere der damalige
Bundesinnenminister, wollte das von uns. Wir wollten
das aber zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen. Wir
haben gesagt, dass das nicht in Betracht komme. Wir ha-
ben versucht, eine Formulierung zu finden, mit der beide
Koalitionspartner – wie das leider in Koalitionen so ist;
davon wissen auch Sie von der FDP und andere ein Lied
zu singen – leben können. Wir dachten, wir hätten eine
geeignete Formulierung gefunden. Aber wir haben die
falsche gewählt.

Jetzt ist die Frage, welche Schlussfolgerung man aus
dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zieht. Die
Schlussfolgerung darf keinesfalls lauten, dass wir erneut
Versuche unternehmen, der Bundeswehr zusätzliche
Rechte im Inneren unseres Staates zuzubilligen.

Ein Grund, uns für einen Kompromiss auszusprechen
und zu einem Kompromiss zu kommen, war für uns da-

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(C (D als, dass wir befürchteten, dass, wenn wir diesem ompromiss nicht zugestimmt hätten, in den Verhand ungen mit der Opposition bzw. der Union, also sozusaen in einer großen Koalition – auch damals wäre für ine Grundgesetzänderung die Zustimmung der CDU/ SU notwendig gewesen –, ein Kompromiss herausgeommen wäre, der einen zusätzlichen Einsatz der Buneswehr im Inneren möglich gemacht hätte. as war für uns ein unerträglicher Gedanke. (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das war damals unbegründet und ist heute unbegründet!)


(Zurufe von der CDU/CSU: Ach so!)


eshalb war schon damals der Hintergrund unserer
berlegungen, das auf gar keinen Fall zuzulassen.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Erzähle ruhig weiter!)


enn wir wussten, dass dies die Union und Teile der
PD seit dem Erlass der Notstandsgesetze immer wieder
efordert haben, auch vor zehn bzw. 15 Jahren. Wir
ussten, dass dies nach wie vor auf der Agenda der
nion und von Teilen der SPD stand.

Heute stehen wir vor dem Problem: Wollen wir in der
useinandersetzung über die Schlussfolgerungen aus
iesem Urteil einen zusätzlichen Einsatz der Bundes-
ehr im Inneren schleichend möglich machen? Dazu sa-
en wir genauso eindeutig: Nein. Wir wollten damals
icht, dass das Grundrecht in Art. 1 des Grundgesetzes
angiert wird,


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das wollen wir auch heute nicht!)


nd wir wollen jetzt nicht, dass die Bundeswehr im Inne-
en zusätzliche Aufgaben übernimmt, für die die Polizei
uständig ist. Das ist weder richtig noch notwendig. In
iner Zeit, in der Polizeistellen abgebaut und der Objekt-
chutz nicht nur an Kasernierungsstandorten der Bun-
eswehr, sondern auch beim Polizeipräsidium in Berlin
on Privatfirmen übernommen wird, ist es völlig unzu-
ässig und neben der Sache, zu fordern, dass die Bundes-
ehr im Inneren Polizeiaufgaben zusätzlicher Art über-
immt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602020800

Herr Ströbele, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Das ist der falsche Weg. Das wäre genau die falsche

chlussfolgerung aus diesem Urteil des Bundesverfas-
ungsgerichtes.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602020900

Für die Bundesregierung spricht der Bundesminister

r. Wolfgang Schäuble.






(A) )



(B) )

Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-
nern:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der An-
lass dieser Debatte ist so ernst, dass ich der Versuchung
widerstehen will, Herr Kollege Ströbele, Ihre Art von
Rabulistik zu sehr aufzuspießen. Es ist ehrenwert, dass
Sie sich dazu bekannt haben, dass Sie dem Luftsicher-
heitsgesetz zugestimmt haben. Der Versuch der Irrtums-
begründung war ein bisschen mühsam.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Götzer [CDU/ CSU]: Peinlich!)


Frau Kollegin Pau, Sie sollten in Zukunft ein biss-
chen sorgfältiger formulieren. In meiner Verantwortung
als Bundesinnenminister können Sie mir keine Verfas-
sungsbrüche vorwerfen. Was immer Sie ansonsten sagen
wollen, dies sollten Sie bitte nicht tun. Meine jetzige
Amtszeit ist noch ein bisschen kurz. Schauen Sie einmal
genau nach, ob Sie in meiner früheren Amtszeit irgend-
etwas dazu finden.


(Petra Pau [DIE LINKE]: Einen solchen Vorwurf habe ich nicht gemacht!)


– Gut, dann sind wir uns schon einig.

Ich möchte diese Gelegenheit gern zum Anlass neh-
men – denn es ist ein ernstes Thema –, dafür zu werben,
das wir beim Umgang miteinander unterscheiden zwi-
schen der Frage, was nach dem geltenden Grundgesetz
erlaubt ist und was nicht – da gilt natürlich das Urteil des
Verfassungsgerichts; es legt das geltende Grundgesetz
verbindlich aus –, und dem legitimen politischen Anlie-
gen, zu sagen: Ich schlage eine Ergänzung bzw. Ände-
rung des Grundgesetzes vor. Darüber kann man unter-
schiedlicher Meinung sein.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: So ist es!)


Aber es wäre falsch – das ist völlig klar –, daraus den
Vorwurf abzuleiten, derjenige, der dies sagt, wolle die
Verfassung brechen. Für alle Mitglieder des Bundesta-
ges, alle Mitglieder der Bundesregierung und alle Lan-
desminister gilt: Sie alle wollen und werden nur im Rah-
men der Verfassung handeln. Wir alle haben übrigens
unseren Amtseid darauf geschworen, das Grundgesetz
und die Gesetze des Bundes zu achten und zu respektie-
ren.

Niemand will in irgendeiner Weise außerhalb des
Grundgesetzes handeln. Trotzdem kann man unter-
schiedlicher Meinung sein. Das muss in einer Demokra-
tie erlaubt sein. Man kann darüber streitig diskutieren,
ob es richtig ist, zu sagen: Wir müssen das Grundgesetz
an dem einen oder anderen Punkt ergänzen.

Ich füge ganz leise hinzu:


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ganz leise!)


Die damalige Opposition hat nicht zuletzt unter Feder-
führung des Kollegen Bosbach und mir gesagt – wie es
im Übrigen die Bundesregierung nach dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts getan hat –, dass sie das
Schutzanliegen des Gesetzes für richtig hält. Deswegen
haben wir zugestimmt. Wir haben aber gleichzeitig ge-

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(C (D agt, dass wir nicht glauben, dass es eine hinreichende erfassungsrechtliche Grundlage dafür gibt. Das ist die istorische Wahrheit. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Art. 1 haben Sie damals nicht im Sinn gehabt! Das müssen Sie mal nachlesen!)


Langsam, Herr Kollege Ströbele. Wir sollten dem
hema angemessen darüber diskutieren.

Die Sicherheit während der Fußballweltmeisterschaft
st ein ganz anderes Thema. Mit der Entscheidung zum
uftsicherheitsgesetz haben wir das Problem, dass wir

ür den Fall eines 11. September eine Regelungslücke
aben. Ich will übrigens darauf aufmerksam machen,
ass der Weltsicherheitsrat nach den Terroranschlägen
om 11. September 2001 gemäß Art. 51 der UN-Charta
estgestellt hat, dass es sich um einen Angriff gegen die
ereinigten Staaten von Amerika und einen Anschlag
uf den Weltfrieden handelt. Am Tag danach hat die
ATO – übrigens mit Zustimmung der damaligen Bun-
esregierung – beschlossen, dass hier nach Art. 5 des
ATO-Vertrages – wenn Sie mögen, lese ich Ihnen die
assage vor – ein bewaffneter Angriff gegen ein Land
orliegt. Das war die Situation nach dem 11. September
001.

Der gestrige Empfang der Sozialdemokratischen Par-
ei für Hans-Jochen Vogel hat mich veranlasst, an Mün-
hen 1972 zu denken. Den wenigsten von Ihnen wird be-
usst sein, dass wir schon einmal einen 11. September
atten – der 11. September scheint ein schwieriges Da-
um zu sein –, nämlich im Jahr 1972. Wenn Sie mögen,
önnen Sie das in den Memoiren des damaligen Bundes-
erteidigungsministers Georg Leber mit dem Titel „Vom
rieden“ nachlesen, die 1979 erschienen sind. Darin
childert er die Abschlussfeier am 11. September 1972
nd die Situation, als – das war nach dem Anschlag – die
eldungen kamen, dass ein Flugzeug im Anflug auf das
lympiastadion sei und Bomben auf das Stadion abge-
orfen werden sollten. Zum Glück ist es dazu nicht ge-
ommen.

Machen Sie es sich und uns nicht zu einfach! Ich habe
erade davon gesprochen, dass der Amtseid des Minis-
ers beinhaltet, das Grundgesetz zu achten. Darin heißt
s aber auch, Schaden vom deutschen Volk zu nehmen.
uch das ist vom Amtseid umfasst. Deswegen müssen
ir über diese Fragen sorgfältig nachdenken. Das wird
ach diesem Urteil nicht einfacher. Aber es enthebt uns
icht unserer Verantwortung.

Ich möchte eine zweite Bemerkung machen. Es ist
och völlig klar – das hat in der gemeinsamen Sitzung
on Innen- und Sportausschuss der hessische Kollege
ouffier diese Woche sehr eindrucksvoll gesagt –, dass
ie Innenminister von Bund und Ländern bei den Sicher-
eitsvorbereitungen für die Fußballweltmeisterschaft
die auf einem guten Wege sind, obwohl die Herausfor-

erungen insbesondere wegen des Phänomens des Pu-
lic Viewing eine Dimension haben, wie wir sie bisher
icht gekannt haben – nur im Rahmen dessen planen,
as das Grundgesetz erlaubt. In diesem Rahmen leistet






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
die Bundeswehr übrigens wie bei vergangenen Großver-
anstaltungen jede Menge. Sie hat daher Anspruch auf
Respekt und Anerkennung, auch auf Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich sage dies auch, weil ich zunehmend die Sorge
habe, dass von irgendjemandem – das könnte auch ich
sein; ich will es aber nicht – der Vorwurf der Militarisie-
rung der Innenpolitik erhoben wird. Das klingt so, als
seien die Soldaten der Bundeswehr schießwütige Cow-
boys. Das sind sie nicht. Der Kollege Bosbach hat zu
Recht gesagt, dass sie dasselbe Vertrauen verdienen wie
die Polizeibeamten von Bund und Ländern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Frage, was wir tun können, wenn wir an die
Grenzen dessen gestoßen sind, was die Polizei zu leisten
im Stande ist, kann man unterschiedlich beurteilen. So-
lange wir hier nicht zu einer Grundgesetzänderung kom-
men – der Zeitraum ist eng; das ist mir klar –, bereiten
wir uns so gut wir können im Rahmen dessen vor, was
das Grundgesetz erlaubt. Über alles andere können wir
streitig diskutieren. Dies enthebt uns aber nicht unserer
Verantwortung. Um nicht mehr, aber auch um nicht we-
niger möchte ich anlässlich dieser Debatte werben.

Wir freuen uns alle auf die Fußballweltmeisterschaft.
Wer wird denn so blöd sein, im Zuge dessen immer von
Sicherheit zu reden? Am liebsten würden wir nicht da-
rüber reden. Das enthebt uns aber nicht unserer Verant-
wortung. Wir sind in Vorfreude auf eine hoffentlich tolle
Weltmeisterschaft, zu der viele Zehntausend Menschen,
vielleicht 1 Million, zu uns kommen und bei der Milliar-
den Menschen auf unser Land schauen. Das ist eine
großartige Chance, uns als Gastgeber zu erweisen und
eine fröhliche Fußballweltmeisterschaft zu veranstalten.
Wir dürfen aber die Sicherheitsbelange nicht vernachläs-
sigen; sonst würden wir unserer Verantwortung nicht ge-
recht werden.

Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes können
sich darauf verlassen, dass diese Bundesregierung und
diese Koalition ihrer Verantwortung im Rahmen des
Grundgesetzes gerecht werden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602021000

Der Kollege Dr. Westerwelle spricht für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1602021100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst
zwei Vorbemerkungen machen. Erstens. Herr Kollege
Körper, ich halte es für nicht richtig und für nicht ange-
messen, dass Sie Herrn Burgbacher in Heftigkeit etwas

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(C (D nterstellen, was er nicht gesagt hat, um sich rhetorisch agegen aufbringen zu können. Das gehört sich meines rachtens nicht. Zweitens möchte ich denjenigen etwas sagen, die diees Gesetz schließlich beschlossen haben; mittlerweile ill ja niemand mehr Vater des Gesetzes gewesen sein. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso denn?)


Sie sagen, Sie seien es gewesen, aber so gemeint hät-
en Sie es nicht.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich auch damals schon gesagt! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das haben wir damals schon gesagt!)


as ist eine drollige Verdrehung von Tatsachen.


(Beifall bei der FDP)


Ich will Ihnen an dieser Stelle einmal sagen: Sie
üssten sich heute nicht dieser Kritik stellen, wenn Sie

s nicht gewesen wären, und zwar SPD und Grüne, die
ie verfassungsrechtlichen Bedenken der Freien Demo-
raten in Bausch und Bogen abgetan haben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht! Lesen Sie nach, was wir damals gesagt haben!)


Es ist sogar der Verfassungsminister Ihrer Regierung
ewesen, Otto Schily, der der Freien Demokratischen
artei wörtlich unterstellt hat, sie sei ein Sicherheits-
isiko für Deutschland. Weil wir die Menschenwürde
chützen wollten, ist uns unterstellt worden, wir seien
in Sicherheitsrisiko.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So etwas haben wir uns von Ihnen auch schon oft anhören müssen!)


ch finde, es wäre an der Zeit, dass Sie sich heute in der
ebatte für solche Entgleisungen entschuldigen, um das

inmal klar auf den Punkt zu bringen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Jetzt kommen wir aber zu dem eigentlichen Gehalt.
nteressant ist, dass ein Teil hier erklärt, er will das
arlsruher Urteil achten, sich ein anderer Teil aber

ängst Gedanken darüber macht, wie man von dem Ur-
eil wegkommt. Die Reaktion der Politik auf das Urteil
es Bundesverfassungsgerichts ist es nicht gewesen, in
eiten Teilen anzuerkennen, was das Verfassungsgericht

us Sorge um das Recht auf Leben und die Menschen-
ürde entschieden hat. Das Erste, was die Ministerpräsi-
enten von Hessen und Bayern, der Kollege Koch und
er Kollege Stoiber, getan haben, ist, zu sagen, jetzt gebe
s eine große Lücke im Gesetz, ein Sicherheitsrisiko sei
ieder entstanden. Jetzt müsse man neue Initiativen er-
reifen, um die Verfassung zu ändern. Das ist die völlig
alsche Konsequenz.






(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle
So, wie Sie bei der Frage der Menschenwürde, der
Verfassung, der Rechtsstaatlichkeit falsch lagen, als Sie
dieses Gesetz beschlossen haben, so liegen Sie falsch,
wenn Sie meinen, Sie könnten die Menschenwürde oder
das Recht auf Leben, also das Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts, durch einen neuerlichen Anlauf relativie-
ren. Die Menschenwürde, das Recht auf Leben kann
durch keine Mehrheit im Deutschen Bundestag und
durch keine Mehrheit im Bundesrat beseitigt werden.
Gott sei Dank gibt es noch eine Partei und Gott sei Dank
gibt es noch ein Verfassungsgericht, das dies so klar und
deutlich formuliert.


(Beifall bei der FDP – Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Wer will das denn? – Rüdiger Veit [SPD]: Pappkameraden!)


Sie fragen: Wer will das denn? Darf ich Sie darauf
aufmerksam machen, dass es genau diese Abwägung ge-
wesen ist. Man kann das Leben von Unschuldigen nicht
gesetzlich gegeneinander abwägen. Das ist im Kern die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das ist
die Garantie der Menschenwürde. Wenigstens jetzt soll-
ten Sie dieses Prinzip anerkennen und sich nicht Gedan-
ken darüber machen, wie man möglicherweise durch
eine Verfassungsänderung diesem klaren Auftrag des
Bundesverfassungsgerichts entgehen kann.

Herr Kollege Schäuble, ich hatte eigentlich gehofft
und auch darauf gewartet, dass Sie neben den richtigen
allgemeinen Betrachtungen – dass Ihnen keiner unedle
Motive unterstellt, wenn Sie beispielsweise Ihre Pläne
vertreten, ist doch selbstverständlich – auch die Konse-
quenzen, die für Ihre bisherige Politik aus diesem Urteil
zu ziehen sind, erläutern. Dazu haben Sie keinen Ton ge-
sagt.

Ich mache darauf aufmerksam, was am heutigen Tag
in der Zeitung steht. Die eine Zeitung schreibt: Schäuble
beharrt auf Grundgesetzänderung und zitiert Sie. Die
nächste Zeitung, die einen etwas späteren Andruck hatte,
schreibt: Merkel gibt Schäubles Plan für die WM auf.

Das ist die derzeitige Lage. Ich finde, der Deutsche
Bundestag muss schon erwarten können, dass wir bei so
einer empfindlichen Frage, nämlich des Einsatzes der
Bundeswehr im Inland, von Ihnen jetzt eine Antwort be-
kommen, und zwar hier im Plenum. Ich bitte Sie, das
Wort zu ergreifen und das für die Bundesregierung klar-
zustellen.


(Beifall bei der FDP)


Wir Freie Demokraten begrüßen ausdrücklich, dass
die Bundeskanzlerin diese Pläne des Bundesinnenminis-
ters fallen lassen will. Wir erwarten vom Innenminister,
dass er dies akzeptiert und beidreht. Das ist das Aller-
mindeste, was man von Ihnen als Konsequenz aus dem
Karlsruher Urteil erwarten kann.


(Beifall bei der FDP)


Damit komme ich zum letzten Punkt, den ich anspre-
chen möchte. Das hört sich gut an: Die Soldaten haben
dasselbe Vertrauen verdient. Als ob irgendjemand in die-
sem Raume nicht den Damen und Herren Soldatinnen
und Soldaten vertrauen würde. Selbstverständlich! Aber

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(C (D oldaten sind eben keine Hilfspolizisten. Sie sind vielehr für die äußere Sicherheit zuständig. Für die innere icherheit sind die Polizei bzw. die Polizeibehörden zutändig. Diese klare Trennung muss so bestehen bleiben. esser wäre es, die Polizei ordentlich auszustatten und ie entsprechend in die Lage zu versetzen, unsere Sichereit besser zu gewährleisten, statt eine Hilfspolizei grünen zu wollen, indem man die Bundeswehr regelmäßig m Inneren einsetzt. Das ist gegen die Verfassung und brigens auch gegen die Sicherheit unseres Landes. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602021200

Für die Fraktion der SPD spricht der Kollege Frank

ofmann.


Frank Hofmann (SPD):
Rede ID: ID1602021300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch möchte am Anfang meiner Rede die zwei Beiträge
er FDP ansprechen. Sie haben für heute eine Aktuelle
tunde zur Haltung der Bundesregierung zum Urteil des
undesverfassungsgerichts zum Luftsicherheitsgesetz
eantragt. Doch es ging Ihnen – ich spreche über die
eiträge von Ihnen, Herr Burgbacher und Herr
esterwelle – nicht darum, die Haltung der Bundesre-

ierung zu erfahren.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Doch! Danach habe ich gerade gefragt!)


enn auch Sie wissen: Wenn die Bundesregierung zwei
age nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
ine abschließende Bewertung zum Urteil abgeben
ürde, wäre das fahrlässig.


(Petra Pau [DIE LINKE]: Aber eine Meinung dazu!)


rwarten Sie hier etwa tatsächlich von den Rednern,
ass sie in ihren Redebeiträgen von fünf Minuten dieses
ichtige Urteil richtig einschätzen,


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Die Bundeskanzlerin konnte es in 30 Sekunden!)


nalysieren und künftige Gesetzesvorhaben daraus skiz-
ieren? Das kann nicht Ihr Ernst sein. Sie wollten eine
elbstbeweihräucherung der FDP. Das war alles.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mittwoch in der Fragestunde hat die Bundesregierung auch nichts sagen können!)


Sie haben eben gesagt, dass die Bundeskanzlerin dies
onnte. Wenn Sie die Meldung genau gelesen hätten,
üssten Sie, dass sie so einen Einsatz nur für die Fuß-
allweltmeisterschaft ausgeschlossen hat. Ansonsten
enne ich keine Aussage der Bundesregierung dazu, wie
s insgesamt weitergehen soll.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der LINKEN)







(A) )



(B) )


Frank Hofmann (Volkach)

Ich will für mich sagen: Ich war Berichterstatter der
SPD zum Luftsicherheitsgesetz. Wir hatten Vertreter des
Innenministeriums und des Justizministeriums in vielen
Sitzungen dabei, die es verfassungsrechtlich beurteilt ha-
ben. Wir haben eine Sachverständigenanhörung durch-
geführt, in der die Meinungen unterschiedlich waren.
Eine Eindeutigkeit, wie sie jetzt dargestellt worden ist,
hat es nicht gegeben. Es war für mich mehr als überra-
schend, dass sich das Bundesverfassungsgericht so ein-
deutig geäußert hat. Das war aus meiner Sicht vorher
nicht erkennbar.

Wir sind nun in einem moralischen Dilemma, das sich
rechtsstaatlich nicht lösen lässt. Das wurde schon von
Herrn Bosbach angesprochen. Das Urteil lässt nur die
Möglichkeiten zu, ein unbemanntes oder nur mit Terro-
risten besetztes Flugzeug mit militärischen Mitteln zu
bekämpfen, und zwar nur dann, wenn zuvor das Grund-
gesetz geändert und die Bundeswehr damit in diesem
speziellen Fall zum Einsatz ermächtigt wird. So verstehe
ich im Moment das Urteil.

Nicht einfach ist es für mich, damit umzugehen, dass
man nicht tätig werden darf, wenn Unbeteiligte invol-
viert sind. Denn das Bundesverfassungsgericht untersagt
den Einsatz von Waffen bei entführten Passagiermaschi-
nen, die nach dem Muster des 11. September 2001 geka-
pert werden.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass das Luft-
sicherheitsgesetz wesentlich weiter geht. Der Grundsatz
des Luftsicherheitsgesetzes lautet: Entführungen werden
am Boden ermöglicht und sollten dort verhindert wer-
den. Wir tun das meiste vorher am Boden durch die
Überprüfungen im Flughafen. Ich denke, man muss das
Luftsicherheitsgesetz insgesamt sehen.

Gestört hat mich auch, dass nach dem Bekanntwerden
des Urteils Teile der CDU und der CSU sehr hektisch re-
agiert haben; ich meine, auch ein bisschen hysterisch.
Der „Spiegel“ hat nur zwei Stunden später berichtet:
„Union drängt auf Grundgesetzänderung“. Auf diese
Weise wird schon wieder Zeitdruck erzeugt, damit man
quasi mit heißer Nadel die eigene Position innerhalb der
Koalition verbessern kann. Ich finde, so geht das nicht.
Wir halten uns an die Koalitionsvereinbarung. Dort heißt
es:

Angesichts der Bedrohung durch den internationa-
len Terrorismus greifen äußere und innere Sicher-
heit immer stärker ineinander. Gleichwohl gilt die
grundsätzliche Trennung zwischen polizeilichen
und militärischen Aufgaben. Wir werden nach der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum
Luftsicherheitsgesetz prüfen, ob und inwieweit ver-
fassungsrechtlicher Regelungsbedarf besteht.

Im Koalitionsvertrag steht nicht – auch daran will ich er-
innern –, das dieses Gesetz vor Beginn der
Fußballweltmeisterschaft 2006 im Gesetzbuch zu ste-
hen hat.

Der Druck, der im Zusammenhang mit der Fußball-
weltmeisterschaft aufgebaut wurde – ich hoffe, damit ist
es nun vorbei –, verdeutlicht das Dilemma, in dem sich
die Innenminister der Länder befinden: In den letzten

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(C (D ahren kam es bei der Polizei in den Ländern zu tausendachem Stellenabbau, allein in den letzten fünf Jahren m 7 100 Stellen. Jetzt wird so getan, als stünde die WM berraschend vor der Tür. Die einzige Lösung des Prolems sieht man nun in der Einbeziehung der Bundesehr. Das ist, finde ich, eine Bankrotterklärung der Inenminister, die jetzt laut nach der Bundeswehr rufen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


CDU und CSU haben möglicherweise ein Konzept
ür den Einsatz der Bundeswehr im Innern im Kopf, sie
erschweigen es aber. Lange bevor der neue internatio-
ale Terrorismus aufkam, hatte Innenminister Schäuble
ich bereits für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern
usgesprochen. Dabei geht es nicht lediglich um Objekt-
chutz. Nein, vielmehr hatten schon immer einige füh-
ende Köpfe in der CDU/CSU die Sehnsucht, eine Na-
ionalgarde aufzubauen. Das wollen wir aber nicht. Für
o etwas wollen wir nicht unsere Hand reichen.

Ich erinnere daran, dass es noch nicht einmal ein Jahr
er ist, dass Bayerns Innenminister Beckstein nach Luft-
bwehrraketen und Kampfhubschraubern der Bundes-
ehr, die gegen Modell- und Kleinstflugzeuge einge-

etzt werden sollten, rief. Herr Schönbohm hat in den
etzten Tagen allerdings den Vogel abgeschossen, als er
agte, die neue Bedrohungslage durch den Terrorismus
telle so etwas Ähnliches wie einen Spannungsfall dar.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602021400

Herr Hofmann, Sie müssen bitte zum Schluss kom-

en.


Frank Hofmann (SPD):
Rede ID: ID1602021500

Ja, nur noch eine Sekunde. – Damit hat er auch die

rage der Wehrpflicht verknüpft. Das geht aber zu weit.
ch erwarte von unserem Koalitionspartner, dass er sich
n den Koalitionsvertrag hält und alle Kämpfe unter-
ässt, die die Stabilität einer auf vier Jahre angelegten
oalition untergraben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602021600

Der Kollege Hermann Gröhe spricht für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hermann Gröhe (CDU):
Rede ID: ID1602021700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

n der Tat: Die heutige Aktuelle Stunde kann nur der Be-
inn der Debatte über die Entscheidung des Bundesver-
assungsgerichts vom vorgestrigen Tage sein. Denn die
egründung der Entscheidung, die Vorschrift des § 14
bs. 3 Luftsicherheitsgesetz für nichtig zu erklären, ver-

angt nach einer eingehenden Prüfung, um den Umfang
es nunmehr gebotenen gesetzgeberischen Handelns
uszuloten.






(A) )



(B) )


Hermann Gröhe
Verehrter Kollege Hofmann, insbesondere dann,
wenn man möglicherweise noch keine Zeit hatte, diese
eingehende Prüfung vorzunehmen, sollte man diese De-
batte nicht nutzen, um über Themen zu sprechen, die mit
dieser Entscheidung nichts zu tun haben.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Obwohl es in den letzten beiden Tagen zu manch
schneller, ja sogar vorschneller Kommentierung der Ent-
scheidung gekommen ist, sei festgehalten: Die vom
Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärte Bestim-
mung wurde in der letzten Legislaturperiode von der da-
maligen rot-grünen Mehrheit auch gegen die Stimmen
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beschlossen. Soweit
das Bundesverfassungsgericht erklärt hat, für die für
nichtig erklärte Vorschrift gebe es keine Gesetzgebungs-
kompetenz des Bundes, entspricht diese Auffassung ge-
nau jener rechtlichen Bewertung, die seinerzeit die
Union veranlasste, gegen den damals vorgelegten Ge-
setzentwurf zu stimmen,


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch Ihr Vorschlag wäre für verfassungswidrig erklärt worden! Auch Ihr Kompetenzvorschlag hätte nicht gereicht!)


und die die Landesregierungen Bayerns und Hessens
veranlasste, ebenfalls das Bundesverfassungsgericht an-
zurufen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die angegriffene
Bestimmung auch in materieller Hinsicht für mit dem
Grundgesetz unvereinbar erklärt. Auch angesichts
manch anderer Debatte über den Schutz der menschli-
chen Würde am Beginn und am Ende menschlichen Le-
bens halte ich das kraftvolle Bekenntnis des Gerichts zur
Unbedingtheit der menschlichen Würde für begrüßens-
wert. Ich bin gespannt, ob wir im Rahmen anderer De-
batten ähnlich konsequent über die Schlussfolgerungen,
die gezogen werden sollen, nachdenken. Allerdings be-
kenne ich: Auch ich habe, was die konkreten Schlussfol-
gerungen des Gerichts betrifft, noch einige Fragen.

Die Union hat sich stets zum Schutzzweck des Luft-
sicherheitsgesetzes bekannt; darin waren wir uns mit der
damaligen rot-grünen Mehrheit einig. Wir sollten ge-
meinsam die verfassungsrechtlichen Grundlagen dafür
schaffen, diesen Schutzzweck innerhalb der vom Bun-
desverfassungsgericht gezogenen Grenzen zu erreichen.
Insofern kann von einem Ende der Debatte über notwen-
dige Grundgesetzänderungen nicht die Rede sein, zumal
– auch dies wurde erwähnt – die Koalitionsvereinbarung
ausdrücklich auch das Ziel eines „Seesicherheitsgeset-
zes“ benennt.

Wo auch das Bundesverfassungsgericht materiell
Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren ausdrücklich für
zulässig hält, beispielsweise bei einem unbemannten
Flugzeug oder bei einem Flugzeug, in dem sich aus-
schließlich die Entführer befinden, bleibt gleichwohl
eine Verfassungsänderung geboten, um eine notwendige
Gesetzgebungskompetenz zu schaffen. Wir sollten daher
mit allem Ernst prüfen, worin wir schon heute überein-
stimmen, was sachlich zusammengehört und was noch
die Erarbeitung einer mehrheitsfähigen Position ver-

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(C (D angt. Zu prüfen wird ferner sein, welche Möglichkeiten ie Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur bwehr der Gefahr durch ein entführtes Flugzeug voller nschuldiger Fluggäste bietet, wenn dieses Flugzeug leichsam als Waffe gegen Wohngebiete oder indusrielle Anlagen gerichtet wird. Das Bundesverfassungsgericht gibt in seiner Entcheidung lediglich den Hinweis, nicht über eine nachrägliche strafrechtliche Bewertung einer Entscheidung n einer konkreten Situation entschieden zu haben. Aber st die Möglichkeit strafausschließender Entschuldiungsgründe – Stichwort: übergesetzlicher Notstand – irklich der einzige und ist sie ein geeigneter Ausweg us einem derart dramatischen Dilemma? Ein durch eien übergesetzlichen Notstand entschuldigtes Verhalten ann seinem Wesen nach nicht Bestandteil einer Beehlskette sein; denn rechtswidriges Handeln kann nicht efohlen werden. Was bedeutet dies aber, wenn Entcheidungen innerhalb von Minuten und damit zugegeenermaßen mit dem Risiko einer Fehlentscheidung geroffen werden müssen? Es gibt eben nicht nur die ramatische Ausweglosigkeit der unschuldigen Opfer erroristischer Entführer, die das Bundesverfassungsgeicht so eindringlich beschrieben hat; es gibt auch die ramatische Ausweglosigkeit jener, die entscheiden und andeln müssen und die wissen, dass nicht nur jedes andeln, sondern auch jedes Nichthandeln sie gegebeenfalls – zumindest moralisch – schuldig werden lässt. uch diese Menschen haben einen Anspruch auf eine erlässliche Rechtsgrundlage für ihr Entscheiden und andeln. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Tür hat das Bundesverfassungsgericht geschlossen!)


ei allen Schwierigkeiten, dafür eine generalisierende
egelung zu finden, dürfen wir doch nicht darauf hoffen,
ass in solchen Situationen erst der Gehorsam gegenüber
ffen rechtswidrigen Befehlen den Schutz großer Men-
chenmengen, die bedroht sind, möglich macht.

Lassen Sie uns also gemeinsam prüfen, wie wir im
espekt vor unserem Grundgesetz und vor der Entschei-
ung des Bundesverfassungsgerichts den bestmöglichen
chutz unserer Bevölkerung vor dramatischen Bedro-
ungen erreichen – in der Hoffnung, dass uns, vor allem
ber den Entscheidern und den Handelnden sowie den
on diesen Entscheidungen Betroffenen solche Konflikt-
agen erspart bleiben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602021800

Es spricht Jörn Thießen für die SPD-Fraktion.


Jörn Thießen (SPD):
Rede ID: ID1602021900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

as Bundesverfassungsgericht hat vorgestern klarge-
tellt: Eine Abschussbefugnis, wie sie im Luftsicher-






(A) )



(B) )


Jörn Thießen
heitsgesetz vorgesehen war, gibt es unter keinen Um-
ständen. Der Einsatz der Bundeswehr zur akuten
Bekämpfung terroristischer Gefahren – ob aus der Luft
oder von der See – im Inneren ist mit diesem Urteil er-
schwert, wenn nicht verboten worden. Das Bundesver-
fassungsgericht hat jede Möglichkeit ausgeschlossen,
beispielsweise gegen Passagierflugzeuge vorzugehen,
die von Verbrechern als Waffen genutzt werden. Der
Staat darf sich demzufolge nicht der gleichen Handlun-
gen schuldig machen, die von Terroristen begangen wer-
den. Das ist richtig und das ist gut. Aber es bietet keine
Veranlassung, die grundlegende Absicht des Luftsicher-
heitsgesetzes zu diffamieren.

Im Koalitionsvertrag hat sich die Regierung bereits
auferlegt, nach diesem Urteil zu prüfen, „ob und inwie-
weit … Regelungsbedarf besteht“. Es ist sinnvoll und im
Sinne aller Betroffenen, sich einer klarstellenden Ände-
rung der Gesetzeslage, die sich auf spezifische Fälle ei-
ner Bedrohung aus der Luft oder von der See bezieht,
nicht von vornherein zu verschließen. Wenn eine solche
Bedrohung ausschließlich mit militärischen Mitteln und
nur von der Bundeswehr tatsächlich bekämpft werden
kann, dann muss dazu eine Grundlage geschaffen wer-
den.

Der Einsatz gegen unbemannte oder nur mit Terroris-
ten besetzte Flugzeuge wird nicht ausgeschlossen. Er ist
heute allein deshalb nicht möglich, weil nach geltendem
Recht keine militärischen Mittel dafür eingesetzt werden
dürfen. Bei einer möglichen Änderung des Art. 35 des
Grundgesetzes wird man sich aber höchstens darauf be-
schränken, den Einsatz der Bundeswehr gegen solche
Bedrohungen rechtlich überall dort abzusichern, wo es
notwendig ist, zu Waffen zu greifen, die der Polizei nicht
zur Verfügung stehen.

Wir wissen, dass moralische Dilemmata nicht durch
Gesetzestexte zu lösen sind. Wir als Gesetzgeber sind
dennoch in der Pflicht, auch in unwahrscheinlichen Fäl-
len für die straf- und zivilrechtliche Sicherheit der Han-
delnden zu sorgen. Wir müssen diejenigen absichern, die
unsere staatlichen Instrumente unmittelbarer Gewalt am
Ende in den Händen halten. Diesen Schutz haben alle
verdient und diesen Schutz müssen wir ihnen gewähren.

Aus dem Urteil folgt: Auch in Zukunft kann die Bun-
deswehr selbstverständlich zur Landesverteidigung und
im Rahmen der Amtshilfe eingesetzt werden. Weiterge-
hende Forderungen, Soldaten auch für polizeiliche Auf-
gaben einzusetzen, sind ausgeschlossen. Nicht ausge-
schlossen sind akute und präventive Maßnahmen zur
Abwehr möglicher nationaler Unglücksfälle. Dazu ge-
hört eben auch der Schutz vor einer denkbaren terroristi-
schen Bedrohung. Hier können und dürfen Einrichtun-
gen der Streitkräfte angefordert und verwendet werden.
Diese Amtshilfe wird schnell und erfolgreich geleistet.
Das ist heute der Fall und das wird auch morgen der Fall
sein. Damit können wir dieses Kapitel schließen.

Ein zeitliches Zusammentreffen von Ereignissen ist
aber mitnichten auch ein inhaltliches Zusammentreffen
in der Sache. Wenn die Fußballweltmeisterschaft die
Länder in Schwierigkeiten bringt, weil sie bei ihren Poli-
zeien zu viel gespart haben, dann können wir allenfalls

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(C (D rüfen, was die Bundespolizei tun kann, mehr aber nicht. ersonelle und materielle Nöte sind keine ausreichenden ründe, die Bundeswehr zu einer Reservetruppe zu erlären. Mit diesem Vorschlag nimmt man weder die Poizisten noch die Soldaten mit ihren jeweiligen Ausbilungen, Kernkompetenzen und Berufsbildern ernst. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [FDP])


uf diese Ausbildungen, Kernkompetenzen und Berufs-
ilder ist unser Land nach innen und nach außen ange-
iesen.

2 000 Soldatinnen und Soldaten werden ihre Kräfte
nd Mittel während der Weltmeisterschaft in den Berei-
hen Sanität, ABC-Schutz und Verpflegung zur Verfü-
ung stellen. Das ist gut, das können sie, das ist vom Ge-
etz gedeckt und das reicht.

Klug handelt, wer gerade diejenigen Dinge sorgfältig
in zweites Mal anschaut, bei denen er sich auf den ers-
en Blick nicht ganz sicher war. – Dieser weise Satz gilt
uch für erfahrene Bundesminister, insbesondere dann,
enn sie den Bereich des Inneren verantworten. Einer
erschmelzung von polizeilichen und militärischen Auf-
aben – und sei sie zeitlich noch so begrenzt – wird die
ozialdemokratie keinen Vorschub leisten.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602022000

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wolfgang Götzer,

DU/CSU-Fraktion.


Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1602022100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Durch

ie Entscheidung über das Luftsicherheitsgesetz hat das
undesverfassungsgericht dem Gesetzgeber bei der Be-
ämpfung von terroristischen Bedrohungen im Luftraum
nge Grenzen gesetzt.

Das hat zumindest viele Juristen nicht wirklich über-
ascht, es hinterlässt aber doch zwiespältige Gefühle.
enn zum einen ist der Staat verpflichtet, seinen Bür-
ern den größtmöglichen Schutz zu gewähren, zum an-
eren steht fest, dass die Abwägung von Leben gegen
eben den Kernbereich aller Ethik und allen Rechts be-

rifft. Konkret geht es um die Opferung der Leben einer
erhältnismäßig kleinen Zahl Unschuldiger, um die Le-
en einer größeren, möglicherweise sehr viel größeren
ahl Unschuldiger zu retten. Hier stoßen wir an die
renzen unserer gesetzgeberischen Möglichkeiten.
iese hat Karlsruhe klar gezogen.

Wir müssen aber auch erkennen, dass Terrorangriffe
ie die vom 11. September in New York eine völlig
eue Dimension von internationaler politischer Gewalt
edeuten, die uns zwingt, diese Kampfansage des inter-
ationalen Terrors als Kriegserklärung an die westliche
elt und ihre Werte zu begreifen. Das bedeutet: Wir
üssen das herkömmliche Verständnis der Abgrenzung

on Krieg und Kriminalität, von Kriegsführung und Ver-






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Götzer
brechensbekämpfung überwinden und diese neu definie-
ren.

Völlig neue Bedrohungen verlangen neue Schutzkon-
zepte. Mit dem Urteil vom vergangenen Mittwoch ist es
jedenfalls nicht mehr möglich, diesen Bedrohungen so
zu begegnen, wie es mit dem Luftsicherheitsgesetz ge-
plant war. Das hat die Politik zu respektieren. Allerdings
hat das Bundesverfassungsgericht immerhin die Mög-
lichkeit eröffnet, ein Flugzeug abzuschießen, das allein
mit Terroristen besetzt ist, ohne dabei gegen das Recht
auf Leben oder die Menschenwürde zu verstoßen. Doch
brauchen wir hierzu eine Grundgesetzänderung, da der
militärische Einsatz der Bundeswehr im Innern in diesen
Fällen vom Grundgesetz nicht zugelassen ist. Das hat die
Union schon im Jahre 2004 – das ist bereits angespro-
chen worden – bei den Beratungen zum Luftsicherheits-
gesetz erkannt und damals einen entsprechenden Antrag
zur Änderung des Grundgesetzes vorgelegt.

Deshalb ist es jetzt umso wichtiger, dies unverzüglich
nachzuholen und den gesetzgeberischen Spielraum, den
uns Karlsruhe gelassen hat, auszuschöpfen, also die vor-
handene Ermächtigung im Grundgesetz auf eine breitere
Basis zu stellen. Ich hoffe, wir sind uns alle darüber ei-
nig, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen schaffen
muss, um derartige terroristische Attacken wirksam be-
kämpfen zu können. Dies ist von Staats wegen zum
Schutz der bedrohten Menschen dringend geboten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Übrigen müssen wir unverzüglich gewissenhaft
prüfen, welche weiteren Gestaltungsspielräume uns
überhaupt noch bleiben, um die Sicherheit der Bevölke-
rung in den Fällen bestmöglich zu gewährleisten, in de-
nen uns nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
die Hände gebunden sind. Hier ist meines Erachtens
Handlungsbedarf gegeben. Die „Frankfurter Allgemeine
Zeitung“ hat zu Recht am 16. Februar dieses Jahres ge-
schrieben – ich zitiere –:

Durch das Gerichtsurteil ist die Sicherheitslücke
objektiv vergrößert worden … Also muß man sich
um so intensiver bemühen, die Lücke wieder zu
verkleinern.

Dabei gilt es, für die Sicherheitskräfte im Ernstfall
eine präzise und verfassungsrechtlich unzweifelhafte
Rechtslage zu schaffen. Das sind wir nicht nur der Be-
völkerung, sondern auch den Soldaten schuldig. Mögli-
cherweise bleibt für diese wahrlich furchtbare Situation
nur das Rechtsinstitut des übergesetzlichen Notstands.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Ein Satz in der Urteilsbegründung, der auf das Strafrecht
Bezug nimmt, könnte dahin gehend zu verstehen sein.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)


Unabhängig von dieser speziellen Problematik brau-
chen wir eine stärkere Verzahnung aller Sicherheits-
kräfte, um den Schutz der Bevölkerung im Inland besser
gewährleisten zu können, insbesondere im Falle der Be-

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(C (D rohung aus der Luft, für den nur die Bundeswehr gerüset ist. Dass dies mit einer Grundgesetzänderung mögich ist, darin sehen wir uns durch Karlsruhe bestätigt. iesen Weg sollten wir jetzt gehen. Ich bedanke mich. Für die SPD spricht Gerold Reichenbach. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ch will nicht verhehlen, dass das Bundesverfassungsgeicht mit seiner Entscheidung die Abwehr terroristischer efahren aus der Luft oder von See deutlich erschwert at. Wenn ein von Terroristen gekapertes Flugzeug mit nschuldigen an Bord dazu benutzt wird, eine Katastrohe mit dem Ziel herbeizuführen, weitere unschuldige enschen zu töten, so sind dem Gesetzgeber nach dem rteil unverändert die Hände gebunden. Für eine undif erenzierte Einwirkung mit Waffengewalt bleibt ledigich das Konstrukt des übergesetzlichen Notstandes. Das Verfassungsgericht hat uns aber mit seiner Entcheidung etwas anderes deutlich gemacht. Bei der Löung des moralischen Dilemmas, das durch die Formen es Terrorismus entstehen kann, springt derjenige zu urz, der zur Ultima Ratio nur auf undifferenzierte miliärische Waffen zurückgreifen kann. Wir sind nach dem rteil vielmehr gefordert, noch mehr in die Entwicklung nd den Ausbau polizeilicher Fähigkeiten zu investieren, eil diese im Gegensatz zu militärischen Mitteln schon ufgrund ihrer Natur zielgenauer auf die Täter einzuchränken sind. Nur so – mit polizeilichen Mitteln – ird das Dilemma aufzulösen sein, das uns das Verfas ungsgericht mit seiner klaren Aussage zum Schutz des ebens Unbeteiligter in solchen Terrorszenarien aufgeeben hat. Deswegen springen auch alle zu kurz, die ach dem Urteil nur in Richtung militärischer Mittel disutieren. Es bleibt nur ein schmaler Bereich, wenn es darum eht, ein unbemanntes oder nur mit Tätern besetztes lugobjekt unschädlich zu machen, und der Polizei die afür notwendigen technischen Möglichkeiten fehlen. usschließlich über diesen schmalen Bereich werden ir reden können. Das gilt analog auch für den Seebe eich. Das haben wir in der Koalition hinsichtlich der rüfung der gesetzlichen Möglichkeiten nach dem Urteil es Bundesverfassungsgerichts vereinbart. Die Forderungen, die Bundeswehr voll bewaffnet uch für polizeiliche Aufgaben einzusetzen, sind von en Richtern in ihrer Urteilsbegründung zurückgewiesen orden. Die Richter haben in ihrer Begründung klar wischen militärischem und polizeilichem Handeln unerschieden. Genau diese Trennung entspricht dem Geist nserer Verfassung und wird von uns bekräftigt. Natürlich gehen wir nicht davon aus, dass Soldaten chießwütig sind, wie kolportiert wurde. Der in diesem usammenhang immer wieder geäußerte Hinweis – etwa on dem Verfassungsrechtler Scholz –, die Bundeswehr Gerold Reichenbach übernehme schließlich auch im Ausland Polizeiaufgaben, trifft nicht den Kern der Sache. Das ist zwar richtig, aber die Bundeswehr nimmt diese Aufgaben nur hilfsweise und unter großen Schwierigkeiten wahr. Sie nimmt diese hilfsweise wahr, weil in den Ländern entweder kriegsoder bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen oder weil es keine funktionierende Polizei gibt. Wir haben aber in Deutschland keine bürgerkriegsähnlichen Zustände und wir haben eine funktionierende Polizei. Wir haben sogar eine sehr gut funktionierende Polizei. Herr Götzer, wir sollten unser Land nicht in eine Art permanenten unerklärten Kriegszustand hineinreden, um einen Waffeneinsatz der Bundeswehr im Inneren zu legitimieren. (Widerspruch bei der CDU/CSU – Jörg van Essen [FDP]: Das sind ja Töne in der Koalition! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: So geht ihr miteinander um! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Götzer, lassen Sie das mal sein!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602022200
Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1602022300




(A) )


(B) )


Das sollten wir auch und gerade vor dem Hintergrund
des internationalen Terrorismus nicht tun. Denn in einem
solchen Denken verschwimmt das zivile Bild unserer
Gesellschaft und erleidet auf Dauer Schaden. Damit ar-
beiten wir indirekt denen in die Hände, die diese offene
und freie Gesellschaft diskreditieren wollen.


(Jörg van Essen [FDP]: Recht hat er!)


Nun wollen Ministerpräsidenten der Union die Bun-
deswehr für den Objektschutz einsetzen. Lassen Sie
mich ein Beispiel nennen. In meinem Heimatbundesland
Hessen sind nach Aussagen des Innenministers 900 bis
1 000 Polizisten im Objektschutz gebunden. Demgegen-
über sollen bis 2007 bei der hessischen Polizei 2 300 Stel-
len abgebaut werden. Das übertrifft die theoretisch mög-
liche Entlastung um das Mehrfache.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Gut, dass wir diese Debatte beantragt haben!)


Das ist ein Offenbarungseid.


(Jörg van Essen [FDP]: So ist es!)


Denn es heißt letztlich: Grundgesetz nach Kassenlage.
Das ist mit uns Sozialdemokraten nicht zu machen.


(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für uns gilt, was im Koalitionsvertrag festgeschrieben
ist: die grundsätzliche Trennung zwischen militärischen
und polizeilichen Aufgaben. Diese Aufgaben werden
wir auch nicht vermischen.


(Beifall bei der SPD und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602022400

Das Wort hat der Kollege Bernd Siebert, CDU/CSU-

Fraktion.

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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! er in dieser Situation Schadenfreude zeigt oder eine deologische Grundsatzdiskussion führt, setzt sich meier Ansicht nach mit dem Urteil des Bundesverfassungserichts nicht solide auseinander. Man muss sich länger Zeit nehmen, als das bis zur heuigen Diskussion möglich war, um das Urteil im Detail zu nalysieren, die schriftliche Begründung entsprechend zu ewerten und daraus die notwendigen Schlüsse zu zieen. Für mich gibt es gar keinen Zweifel, dass sich die Soialdemokraten, die Christdemokraten, die Christsoziaen und – ich gehe noch weiter – auch die FDP darüber erständigen – das muss sein –, welche Rechtsgrundlagen ir angesichts der terroristischen und anderer Gefahren rauchen, um die Sicherheit Deutschlands und insbesonere unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Wir müssen aber auch Rechtssicherheit für denjenien herbeiführen, der die Entscheidung umsetzen muss. abei spielen natürlich die Bundeswehr und insbesonere der in der Handlungskette stehende Soldat eine ichtige Rolle. Wer sonst sollte einer Bedrohung aus der uft oder über See mit Aussicht auf Erfolg entgegentre en? Wer sonst außer der Bundeswehr hat im Bereich der BC-Abwehr eine schnelle Reaktionskompetenz im ge amten Spektrum möglicher Gefahren? s geht nicht darum – darin sind wir uns alle sicherlich inig –, dass unsere Soldaten als Hilfspolizisten beim acheschieben vor Bahnhöfen oder Fußballstadien zum insatz kommen sollen. Wenn es aber darum geht, Einlugschneisen von Flughäfen gegen Raketenbeschuss zu ichern, Kernkraftwerke oder große Industrieanlagen, hemische Anlagen zum Beispiel, zu schützen oder ahnlinien abzusichern, muss man sagen: Hier verfügt ie Bundeswehr über eine sehr hohe Kompetenz. Das leiche gilt für das Herstellen einer schnellen Führungs ähigkeit bei großen Katastrophen oder terroristischen nschlägen. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, dass wir im usland die Bundeswehr dort quasi im Innern zur Si herheit der dortigen Bevölkerung einsetzen, aber in eutschland in dieser Frage einen rechtsfreien Raum ntstehen lassen. Mit dem Bundesverfassungsgerichtsureil ist eben nicht alles erledigt. Ganz im Gegenteil: Wir ind nun zu besonders besonnenem Handeln und zu verntwortungsbewussten Entscheidungen aufgefordert. ir müssen ausloten, wo und was wir im Grundgesetz ndern müssen, damit wir optimal gegen asymmetrische edrohungen aufgestellt sind. Ich habe den Eindruck auch nach dieser Aktuellen Stunde –: Die Tür zu einer ernünftigen Lösung ist noch nicht zugestoßen. Eine solhe Lösung erwarten die Menschen in unserem Land nd insbesondere die Soldaten von uns zu Recht. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bernd Siebert (CDU):
Rede ID: ID1602022500

(Beifall bei der CDU/CSU)


(Zuruf von der SPD: Die Berufsfeuerwehr!)







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Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1602022600

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Ak-

tuelle Stunde.
Wir sind am Ende unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung auf Mittwoch, den

8. März 2006, 13 Uhr, ein.

Nehmen Sie die gewonnenen Erkenntnisse mit und
genießen Sie sie am Wochenende.

Ich schließe die Sitzung.