Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a und 28 b so-
wie die Zusatzpunkte 8 und 9 auf:
28 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Neufassung der Freibetragsregelun-
– Drucksache 15/5446 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk
Niebel, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Hinzuverdienstmöglichkeiten zum Arbeitslo-
sengeld II im Interesse einer Beschäftigung im
ersten Arbeitsmarkt verbessern
– Drucksache 15/5271 –
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Redet
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss
ZP 8 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes
– Drucksache 15/5445 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung un
Landwirtschaft
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16580 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005
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Darum diskutieren wir heute über die Änderung des Ent-sendegesetzes. Mit den neuen Regelungen schaffen wirerstens die Möglichkeit, Sozial- und Lohndumpingeinzudämmen, und zweitens schaffen wir die Rahmen-bedingungen dafür, dass ein fairer Wettbewerb in Europagesichert bleibt.Hierbei dürfen ausländische Unternehmen nicht be-nachteiligt werden. Sie dürfen aber auch nicht, wie bis-her, aufgrund fehlender Regelungen durch Lohn- undSozialdumping Arbeitsplätze in unserem Land gefähr-den. Dass man sich durch unfairen Wettbewerb Vorteileverschafft, muss in diesem Land ausgeschlossen werden.
Deshalb wollen wir mit der Änderung des Entsende-gesetzes auch ausländische Arbeitgeber verpflichten,Mindestlöhne zu zahlen und Mindestarbeitsbedingun-gen wie Entlohnung von Überstunden, Urlaubsdauer,Urlaubsgeld usw. zu gewährleisten.Bislang galt das Entsendegesetz für die Baubereiche.Es ist bedauerlich – das will ich hier klar sagen –, dassdie Ausweitung auf andere Bereiche erst jetzt erfolgt.Wir hätten dies schon 1996 erreichen können.
Damals hat die SPD genau das gefordert und einen ent-sprechenden Gesetzentwurf eingebracht.
Meine Damen und Herren, schauen Sie sich den der-zeitigen Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen an, wo ins-besondere die sozialen Missstände beklagt werden. Da-bei sind allerdings diejenigen unglaubwürdig, die sichgegen eine Ergänzung des Entsendegesetzes ausgespro-chen und damit eine bessere Bekämpfung von Miss-brauch, der zu unfairen Arbeitsbedingungen führt, ver-hindert haben. Auch das muss heute gesagt werden.
Faktisch schaffen wir mit der Ausweitung des Entsen-degesetzes zunächst einheitliche Rahmenbedingungenfür alle Branchen. Zukünftig soll es den Tarifvertrags-parteien überlassen bleiben, selbst Regelungen für diejeweiligen Branchen zu treffen und durch ein bundes-weites Tarifgefüge sicherzustellen, dass keine Niedrigst-löhne mehr gezahlt werden und unfaire Wettbewerbsbe-dingungen gar nicht erst entstehen können. Ich sage ganzbewusst: Das ist eine Regelung im Rahmen der Tarif-autonomie. Alle, die nichts von einem allgemeinen ge-setzlichen Mindestlohn halten, sollten daran erinnertwerden, dass es darum geht, die Tarifautonomie zu stär-kaknWAmedHFmMdcHLassMEapBBfdltfBkkwü1tldAdlrkDduggW
ir, meine Damen und Herren, werden die Situation imuge behalten. Wir werden die Verantwortung wahrneh-en und, wenn es sein muss, natürlich auch über einenrweiterten Spielraum reden.In der Union ist man durch die Zustände, die wir iner Fleischwarenindustrie erlebt haben, wach geworden.err Stoiber erklärte, nachdem die Probleme in derleischindustrie deutlich wurden, ganz schnell, manüsse sich ernsthaft Gedanken über einen gesetzlichenindestlohn machen. Das veranlasste Frau Merkel kurzarauf dazu, öffentlich festzustellen, dass ein gesetzli-her Mindestlohn mit der Union nicht zu machen sei.err Pofalla hat diese Haltung bestätigt, während Herraumann sagte, einer solchen Diskussion stehe er sehrufgeschlossen gegenüber, und Herr Weiß von der CDAagte, ein staatlicher Mindestlohn stelle eine diskus-ionswürdige Alternative dar.Nun wollen wir nicht gesetzlich einen allgemeinenindestlohn festlegen. Wir wollen als ersten Schritt einntsendegesetz, das zulässt, dass im Rahmen der Tarif-utonomie faire Bedingungen durch die Tarifvertrags-arteien für jede Branche separat geregelt werden. Jederanche soll feststellen, welche Verdiensthöhe in ihremereich notwendig und richtig ist. Wenn die Union, wieührende Politiker von ihr sagen, aufgeschlossen überas Thema sprechen will, dann hat sie heute die Mög-ichkeit, das unter Beweis zu stellen. Ihre Vertreter soll-en also nicht nur die Lippen spitzen, sondern auch pfei-en und mithelfen, dass Regelungen, die für faireedingungen am Arbeitsmarkt sorgen, erlassen werdenönnen.
Meine Damen und Herren, über die Frage der Wir-ungen des gesetzlichen Mindestlohns im Baubereichird viel gestritten. Wer kann eigentlich besser Auskunftber die Wirkungen eines solchen Gesetzes, das seit996 in Kraft ist, geben als die Bauindustrie selbst? Na-ürlich kann ich durch ein Entsendegesetz, das die Mög-ichkeit zur Festlegung eines Mindestlohns gibt, nichten Strukturwandel verhindern. Das ist auch nicht dieufgabe. Der Strukturwandel ist aber auch nicht behin-ert worden. Das stellt die Bauindustrie selbst in aktuel-en Stellungnahmen fest. Sie sagt darüber hinaus, der ta-ifliche Mindestlohn hat nicht preistreibend gewirkt, esam zu keiner Verdrängung inländischer Baunachfrage.as jedenfalls steht in der jüngsten Stellungnahme dereutschen Bauindustrie, die auch Ihnen, meine Damennd Herren von der Opposition, mit Sicherheit zugegan-en sein wird.Insofern sind Aussagen, die das Entsendegesetz oderesetzliche Mindestlöhne verteufeln, Schall und Rauch.er das verteufelt, will nicht, dass für faire Arbeitsplatz-
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Klaus Brandnerbedingungen in Deutschland gesorgt wird, will nicht,dass es ein Regelwerk gibt, das die Bereitschaft derMenschen, Ja zu Europa zu sagen, erhöht. Sie werdennämlich nur dann Ja zu Europa sagen, wenn sie wissen,dass es in Europa fair und korrekt zugeht.
Fest steht, das Entsendegesetz ist ein Element, um Ar-beits- und Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Wirt-schaft fair zu gestalten. Es kommt bei der Umsetzungdarauf an, dass alle mithelfen: die Sozialpartner, dieöffentlichen Hände und all diejenigen, die Überwa-chungs-, Kontroll- und Gestaltungsaufgaben wahrneh-men. Die Bundesregierung geht gegen schwarze Schafeund diejenigen, die die Dienstleistungs- und Niederlas-sungsfreiheit missbrauchen, konsequent vor.
Der Bundeskanzler hat eine Taskforce eingerichtet. DerStaatssekretär Andres, der gleich noch reden wird, wird– ich bin davon überzeugt – über einige Erfolge ihrer Tä-tigkeit berichten.Die Taskforce zeigt: Es darf nicht nur Sanktionen ge-ben, sondern wir müssen auch weiter an einer effizientenKontrolle arbeiten. Dazu muss zum Beispiel die Melde-pflicht ausländischer Arbeitgeber angepasst und durchelektronische Kommunikationswege verbessert werden.Es kommt darauf an, dass Bund und Länder in dieserFrage noch enger zusammenarbeiten als bisher; denn wirsind davon überzeugt, dass ein präventiver Ansatz denMenschen am ehesten hilft, eine wirksame Kontrolle imBereich des Entsendegesetzes und des Missbrauchs vonNiederlassungsfreiheit zu erreichen.Ich will aber auch sagen, meine Damen und Herren,dass nicht die ganze Fleisch- und Schlachthofbranche inVerruf gebracht werden darf. Wer dieses Thema nur zumVerteufeln nutzt, der dient der Sache nicht. Bei schwar-zen Schafen wurden gravierende Missstände aufgedeckt.Aber es gibt eine große Zahl von Unternehmen, die be-reit sind, einen Ehrenkodex und ein Markenzeichenfür Qualitätsprodukte auszuarbeiten, das dafür steht,dass die Qualitätsprodukte unter fairen Bedingungenhergestellt und bearbeitet worden sind.
Dieser Initiative müssen wir Unterstützung verleihen.Auch ein Großunternehmen aus meinem Wahlkreis, dasUnternehmen Tönnies, ist bereit, einen solchen rundenTisch mit zu organisieren, weil es darum geht, Arbeits-plätze und Ausbildungsplätze in Deutschland zu erhal-ten, und das zu fairen Bedingungen.Dahinter steckt doch auch, dass es um Investitionenam Standort Deutschland geht. Es geht darum, dass diehier vorhandene Arbeit zu menschenwürdigen Bedin-gungen geleistet wird. Dazu müssen die entsprechendenOrganisationsformen hergestellt werden. Ein solcherrunder Tisch kann dazu dienen, letztlich sicherzustellen,dssmzhahhembbtrbzmmjebKvdliWrAcmaDmzuCDgH
Ich hoffe, meine Damen und Herren, dass die Unionit ihrem Zickzackkurs aufhört. Sie hat das ja bei demweiten Thema, das wir zum Schluss positiverweise ein-eitlich geregelt haben, gezeigt. Ich will damit ganz klaruf die Zuverdienstregelung zu sprechen kommen. Wirätten eine Zuverdienstregelung natürlich schon längstaben können; denn Rot-Grün hatte einen Gesetzentwurfingebracht, der einen höheren Zuverdienst vorsah, da-it sich auch die Aufnahme einer geringer bezahlten Ar-eit lohnt. Im Verfahren hat die Union eingelenkt. Dasegrüße ich sehr. Wir legen heute eine Regelung vor, dieansparent ist, die einen echten Anreiz bietet, auch Ar-eit in Teilzeit oder mit einer geringeren Bezahlung auf-unehmen, und damit den Weg in den ersten Arbeits-arkt eröffnet.Ich begrüße dies sehr und freue mich, dass die Unionit ihrem Zickzackkurs Schluss gemacht hat. Es kommttzt darauf an, dass wir den Prozess insgesamt voran-ringen. Wir konnten gestern Konjunktursignale zurenntnis nehmen: Im ersten Quartal 2005 haben wir seitier Jahren das erste Mal wieder ein Wachstum, mitem wir in Europa Spitzenreiter und eben nicht Schluss-cht sind.
ir werden gleich hören, dass Sie das alles wieder klein-eden. Das ist völlig klar; das kennen wir schon.
ber es ist in dieser Zeit doch wichtig, deutlich zu ma-hen: Hier bewegt sich was! Reden Sie doch nicht im-er schlecht, sondern helfen Sie mit, wie Sie das auch innderen Bereichen in der Vergangenheit getan haben!ie Opposition kann zeigen, dass sie durch die Zustim-ung zu beiden Gesetzentwürfen, zum Zuverdienst undum Entsendegesetz, ein gutes Signal für Deutschlandnd für den Arbeitsmarkt setzt.
Das Wort hat nun Kollege Karl-Josef Laumann,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ieser Tagesordnungspunkt umfasst ja zwei Gesetz-ebungsvorhaben der Regierung: Der eine Teil sind dieinzuverdienstregelungen bei Hartz IV, die wir für
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Karl-Josef Laumannsinnvoll halten, die wir in einem gemeinsamen Gesetz-entwurf eingebracht haben und die ich teilweise per-sönlich ausgehandelt habe. Der andere Teil ist das Ent-sendegesetz. Ich glaube, dass dieses Entsendegesetzüberhastet entstanden ist.
Ich bin fest davon überzeugt, dass es in vielen Bereichengegen die soziale Partnerschaft gerichtet ist, etwa da-durch, dass der Bundesminister auf dem Wege der Ver-ordnung auf Antrag nur einer Tarifvertragspartei einenentsprechenden Prozess in Gang setzen kann.Zu dem Gesetzentwurf zu den geänderten Hinzuver-diensten möchte ich sagen: Man kann immer darüberstreiten, ob die Freibeträge, die gewährt werden, so rich-tig sind oder ob sie höher oder niedriger sein sollten. Dasmöchte ich einmal dahingestellt lassen.Wichtig ist aus meiner Sicht, dass das Arbeiten ineinem regulären Job auf dem so genannten erstenArbeitsmarkt attraktiver sein muss als zum Beispiel ein1-Euro-Job, der immer im zweiten Arbeitsmarkt ange-siedelt ist. Ein regulärer Job für einen Empfänger vonArbeitslosengeld II muss auch so attraktiv sein, dass derBetreffende lieber arbeitet, als endlose Runden in geför-derten Maßnahmen zu drehen. Nichts qualifiziert ausmeiner Sicht für den Arbeitsmarkt so gründlich, wie dasArbeiten im ersten Arbeitsmarkt, auch wenn es nur we-nige Stunden in der Woche sind.Ich glaube, dass die bisherigen Regelungen, nämlichnicht nur – wie es früher der Fall war – mit einem Frei-betrag zu arbeiten, sondern auch mit Zuverdiensten inprozentualer Höhe, zwar im Prinzip gut und hinsichtlichder Anreizwirkung richtig waren, aber im Bereich derJobs bis zu einem Verdienst von 400 Euro gegenüberdem Bereich der 1-Euro-Jobs schlicht und ergreifend un-attraktiv waren.Ich meine, dass wir hier eine vernünftige Lösung ge-funden haben. Ich bin auch sehr froh, dass wir eineLösung gefunden haben, mit der im Regelfall die Zu-verdienstmöglichkeiten der größeren Bedarfsgemein-schaften, also der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern,gegenüber den Zuverdienstmöglichkeiten von Leuten,die keine Kinder haben, verbessert wurden. Dadurchwird das Lohnabstandsgebot besser gewahrt.Wir sollten nicht nur sehen, dass wir das Gesetz zügigverabschieden, sondern wir sollten vor allen Dingen da-für sorgen, dass die Bundesagentur für Arbeit in derLage ist, diese Änderungen zügig zu administrieren.
Mir macht schon ein wenig Sorgen, dass unter Umstän-den, wie man hören kann, die Regelungen erst zum1. Januar des nächsten Jahres in Kraft treten. Wir solltenim Interesse der Menschen zusehen, dass diese Regelun-gen spätestens zum 1. August oder 1. September umge-setzt werden.ezcEBteASnAssMBinPmnbnßrginwdbsOsWßUgnmassDeggd
enn diejenigen aus Osteuropa, die in den Schlacht-etrieben arbeiten, kommen zunächst einmal als Selbst-tändige.
b diese nun alle, Herr Kollege Niebel, Scheinselbst-tändige sind, möchte ich bezweifeln. In Nordrhein-estfalen wurden in den letzten Monaten in allen gro-en Schlachtbetrieben Kontrollen in einem erheblichenmfang durchgeführt. Natürlich ist es zu Beanstandun-en gekommen. Aber es gab auch ganz viele Fälle, in de-en die Situation nicht zu beanstanden war. Auch dasuss man sagen.Sie werden dieses Problem mit den Selbstständigenus Osteuropa, die Aufträge beispielsweise in deut-chen Schlachthöfen übernehmen, über ein Entsendege-etz nicht lösen können.
as Problem hängt damit zusammen, dass es in Europaine Dienstleistungsfreiheit gibt, die diese Selbstständi-en nach dem EU-Beitritt nutzen können.
Obwohl der Bundesrat die Bundesregierung dazu auf-efordert hat, ist diese Dienstleistungsfreiheit nicht wieie Arbeitnehmerfreizügigkeit für einen Übergangszeit-
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Karl-Josef Laumannraum eingeschränkt worden. Darin liegt das Problem. Indem EU-Vertrag mit Bulgarien und Rumänien hat dieBundesregierung eine Fußnote durchgesetzt, dass wirunseren Arbeitsmarkt relativ rasch für diese Menschenöffnen wollen. Das zeigt, dass Sie genau das Gegenteilvon dem tun, was Sie den Menschen vorzutäuschen ver-suchen. Da kann man doch einfach nicht mitmachen.
Nehmen wir ein anderes Beispiel, eine andere Bran-che, in der es zurzeit Schwierigkeiten gibt: Das sind dieFliesen- bzw. Plattenleger. Zum Beispiel in der Hand-werkskammer Münster – ich komme von dort – habendie Anmeldezahlen in dieser Branche um 85 Prozent zu-genommen. Die Menschen, die jetzt in diesem Bereichein Gewerbe anmelden, sind fast ausschließlich aus Ost-europa. Wenn diese ihre Dienstleistung als selbststän-dige Fliesenleger bei uns anbieten, dies aber zu Quadrat-meterpreisen, mit denen man einen deutschenFliesenleger weder nach Tarif noch im Hinblick auf dasUrlaubsgeld und die Sozialversicherung, wie es bei unsder Fall ist, bezahlen kann, dann lösen Sie dieses Pro-blem nicht über den Gesetzentwurf, den Sie heute vorge-legt haben.
Sie lösen das Problem damit nicht und sollten dies auchden Menschen nicht vorgaukeln. Es ist doch verrückt,den Leuten zu sagen: Mit diesen Mindestlöhnen könnenwir eure Situation ändern. Dieses Parlament trägt dieVerantwortung dafür, dass diese Situation bei den Flie-senlegern entstehen konnte, indem wir den Meister-zwang beseitigt haben
und damit die europäische Richtlinie über die beruflicheQualifikation nicht mehr greift. Das ist die Wahrheit.
Sie waren aus ideologischen Gründen dafür, den Meis-terbrief abzuschaffen. Sie haben es zum Schlimmen ver-ändert.Wollen Sie den Fliesenlegern helfen? Das kann derBundestag in einem Tag machen. Dann müssen Sie denMeisterzwang für diesen Bereich wiederherstellen. Dannkönnen Sie zumindest verhindern,
dass sich Menschen, die nicht schon heute im Auslandselbstständig sind, in diesem Bereich selbstständig ma-chen. Das wäre die einzige Möglichkeit, um dieser Bran-che zu helfen.
Oder sagen Sie: „Wir wollen diesen Wettbewerb“?Dann muss man aber auch dazu stehen. Nur, ich bin ge-spannt, wie wir Wettbewerb im gehobenen Dienstleis-tungsbereich herstellen wollen, wo wir etwa bei NotarennDkwlsggEnASdsDdhEdnBSLrELstpmblDUsBmm
Natürlich muss es, auch was die Löhne ausländischerrbeitnehmer, die in Deutschland arbeiten, angeht,pielregeln geben. Es ist wahr, dass es Bereiche gibt, inenen die Tarifvertragsbindung zwar auf dem Papierteht, aber in der Realität sehr zu wünschen übrig lässt.ass es ganz klar ist: Auch für die CDU/CSU ist Lohn-umping nicht in Ordnung; dagegen muss man vorge-en.
s ist für uns nicht in Ordnung – das sage ich hier ganzeutlich –, wenn wir teilweise Strukturen haben, in de-en einzelne Unternehmer die Höhe der Löhne in ihrenetrieben allein festsetzen können. Das ist nicht daspiel, wie wir Koalitionsfreiheit verstehen. Schoneo XIII. – der Mann war von 1878 bis 1903 Papst derömisch-katholischen Kirche – hat gesagt:
s ist nicht in Ordnung, wenn Unternehmen einseitigöhne festlegen können. – Das ist ein wesentlicher Be-tandteil der christlichen Soziallehre, die in meiner Par-ei und in keiner anderen in Deutschland ihren Schutz-atron hat.
Deswegen sage ich Ihnen: Es ist ganz normal, Allge-einverbindlicherklärungen von Tarifverträgen abzuge-en. Es gibt in Deutschland über 450 allgemein verbind-ich erklärte Tarifverträge.
ie meisten kommen im Übrigen aus der Zeit, in der dienion regiert hat. Dies war immer ein ganz normales In-trument der Politik.Aber man muss sich dieses Instrument Branche fürranche anschauen. Man muss genau abwägen: Kannan damit Probleme lösen oder muss man andere Instru-ente in die Hand nehmen, um die Probleme zu lösen?
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Karl-Josef LaumannIch habe neben anderen ein großes Problem mit IhremVorschlag, der in der Anwendung demnächst im Grundefolgendermaßen funktionieren soll: Eine Tarifvertrags-partei einer Branche sagt: Wir sind der Meinung, dass inunserem Bereich keine Ordnung herrscht. Dann musszwar der Bundesminister mit der anderen Tarifvertrags-partei reden; aber im Grunde kann er durch eine Verord-nung am Parlament und der anderen Tarifvertragsparteivorbei entscheiden, was er in diesem Bereich will. Dasist nicht unsere Vorstellung.Unsere Vorstellung ist vielmehr – das haben wir auchnach 1998, als Sie dieses Gesetz verändert haben, sehrdeutlich gesagt –: Wir sind der Meinung, dass sich dieTarifvertragsparteien einer Branche über die Frage ver-ständigen müssen, ob Unordnung in ihrem Bereich be-steht, und dann der Politik sagen müssen: Wir beantra-gen eine Allgemeinverbindlichkeit. Aus unserer Sichtkann der Bundesminister dann nach einem Prüfungspro-zess entscheiden; denn ich glaube, dass die Sozialpart-nerschaft in den Branchen eine wichtige Voraussetzungfür die Tarifautonomie ist, die sich im Grundsatz be-währt hat. Wir, die Politik, sollten uns nicht danach seh-nen, die unteren Löhne festzusetzen. Hinter der Frage,ob wir das besser als die Tarifvertragsparteien könnten,mache ich ein ganz großes Fragezeichen.
Sie werden die Tarifautonomie dann stärken, wennSie es zumindest dabei belassen, dass sich beide Tarif-vertragsparteien über diese Frage verständigen müssen.Schönen Dank.
Ich erteile das Wort der Kollegin Thea Dückert, Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorungefähr einem Monat, am 8. April, konnten wir in der„FAZ“ lesen, dass Herr Stoiber bei einem Besuch inBrüssel erklärte, dass man sich „ernsthaft über einen ge-setzlichen Mindestlohn Gedanken machen muss“. HerrLaumann hat dem zugestimmt und applaudiert.
Er hat, wie auch Herr Stoiber, darauf hingewiesen, dasswir in verschiedenen Branchen so etwas wie Mindest-löhne haben müssen, um genau dies in Deutschland zuvermeiden.Die Ausweitung des Entsendegesetzes ist ein Mittel– eines von vielen denkbaren, unterschiedlichen Mit-teln –, um genau das, was von Ihnen beklagt wird, aufzu-greifen, dem etwas entgegenzusetzen und das zu tun,was Herr Laumann gerade eingefordert hat: sich unterBerücksichtigung der Branchen auf die Autonomie derTarifvertragsparteien zu beziehen, um in einzelnen Bran-chen Mindestlöhne einzuziehen, um Lohndumping undSozialdumping in Deutschland zu verhindern.hLMSUdIvkAAsbütegSgABnPHAwzp
Nur zwei Wochen später, vielleicht sogar noch eher,at sich die Union von den Ausführungen von Herrnaumann und Herrn Stoiber distanziert, ganz nach demotto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern.
ie haben wieder einen Beweis dafür geliefert, dass dienionsparteien die Parteien der Unberechenbarkeit undes Populismus sind.
hre populistischen Versprechen haben Halbwertszeitenon zwei Wochen.
In der Tat gilt es, Armutslöhne in Deutschland wir-ungsvoll zu bekämpfen; das ist überhaupt keine Frage.uch gilt es, jede mögliche Chance dazu zu nutzen.ber was schlagen Sie vor? Sie mäkeln am Entsendege-etz herum. Herr Laumann sagt: Wir müssen noch einisschen prüfen. Er fragt: Wie ist das in Deutschlandberhaupt? Dabei hat das Entsendegesetz seinen Praxis-st schon bestanden.
Was schlagen Sie vor, außer dass Sie an den Vorschlä-en, die wir gemacht haben, herummäkeln?
ie schlagen zum Beispiel eine Abschottungspolitik ge-enüber Europa vor. Herr Laumann, Sie haben dieserbschottungspolitik mit Hinweisen auf Rumänien undulgarien wieder das Wort geredet. – Wie ich sehe,icken Sie.
Gleichzeitig haben Sie im Zusammenhang mit derroblematik mit den Fliesenlegern wieder einmal dasohelied auf das alte Zunftwesen gesungen.
uch Sie, Herr Laumann, wissen, dass dieses Zunft-esen und diese Form der Handwerksordnung, die wirum Glück modernisiert haben, in keinem unserer euro-äischen Nachbarländer existieren.
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Dr. Thea DückertIn genau diesem europäischen Kontext, in den wir ein-steigen wollen, um ein soziales und offenes Europa zuschaffen, sind solche Formen von Sonderregelungen undAbschottung, wie Sie sie betreiben wollen, kontrapro-duktiv.
Was Sie hinsichtlich der Lohnentwicklung in Europawollen – das hat Herr Pofalla in den letzten Wochen ge-sagt und das ist auch von Frau Merkel gesagt worden –,ist die Möglichkeit eines Niedriglohnsektors. Sie wolleneine Abschottung und Sie wollen einen Niedriglohn-sektor; das ist Ihre Antwort.
Kollegin Dückert, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Brandner?
Sofort, Herr Brandner, nachdem ich meinen Gedan-
ken zu Ende geführt habe. – Es geht darum, dass genau
die flächendeckenden Niedriglöhne, die Sie vorschlagen,
das Gegenteil von einem Kampf gegen Armutslöhne in
Deutschland bedeuten. Das, meine Damen und Herren,
machen wir nicht mit und deswegen schlagen wir Maß-
nahmen wie das Entsendegesetz vor.
Herr Brandner.
Frau Kollegin Dückert, Sie haben gerade berichtet,
dass die Union sich gegenüber Europa abschotten will.
Ist Ihnen die Aussage von ihrem ehemaligen europapoli-
tischen Sprecher Peter Hintze bekannt? Er hat gesagt,
der Vorschlag der EU-Kommission, für die Arbeitneh-
merfreizügigkeit nach der EU-Erweiterung bis zu sieben
Jahre als Übergangsfrist vorzusehen, sei zu zögerlich
– wörtlich –:
Solch lange Fristen sind weder politisch noch wirt-
schaftlich gerechtfertigt.
So zu lesen in einer Presseerklärung der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion. Wie erklären Sie sich das?
Es ist relativ schwierig, sich die ständigen Positions-veränderungen innerhalb der Union zu erklären,
außer vielleicht damit, dass es sich auch hier um tages-politische, um populistische Äußerungen handelt – wiein diesem ganzen Bereich – nach dem Motto „Was schertmich mein Geschwätz von gestern?“.
Sie wollen Abschottungspolitik und Sie werfen unsvor, dass das Entsendegesetz ein Arbeitsvernichtungs-programm sei; Sie verweisen dabei auf das Bau-gewerbe. Herr Laumann, Sie wissen sehr genau, was diePSdzsdSadBHKimrgimgLLwhSmKbikgBLwtrisaddEaGemZhazgamlSrdGvw
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Deswegen ist es richtig, dass wir hier einfache pauscha-lierte Regelungen und eine Möglichkeit geschaffen ha-ben, gerade bei Tätigkeiten in Teilzeit und bei erstenSchritten in den ersten Arbeitsmarkt Unterstützung zubieten. Dies ist besser als die 1-Euro-Jobs; sie sind die-sen überlegen. Ich begrüße das sehr und freue mich, dassSie hier mit im Boot sind. Es hat lange gedauert.Den Betroffenen hat das übrigens einiges gekostet.Das finde ich sehr schade. Ab dem 1. Januar 2005 habeneinige der Betroffenen auf Zuverdienst verzichten müs-sen. Das, was Sie da ausgebremst haben, hat den Men-schen geschadet. Jetzt sind Sie auf dem richtigen Weg.Es ist gut, dass Sie hier mitkommen.Danke schön.
Ich erteile das Wort Kollegen Dirk Niebel, FDP-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die rot-grüne Bundesregierung bereitet mit die-sem Gesetzgebungsverfahren den Weg für die Enttäu-schung vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inDeutschland. Sie suggerieren den Menschen, die Angstum ihre Arbeitsplätze haben, einen Lösungsweg und imEndeffekt streuen Sie ihnen doch nur Sand in die Augen.
Wenn wir uns anschauen, welche Situation wir vorge-funden haben – ich nehme einmal die Fleisch verarbei-tenden Betriebe –, müssen wir feststellen
– Herr Brandner, nun lernen Sie doch mal ein bisschendazu, ich habe ja noch gar nicht richtig angefangen undSie blöken schon wieder dazwischen; vielleicht kann ichIhnen hier ja noch etwas erklären –:
Viele Selbstständige aus osteuropäischen Ländern sindhier tätig. Wir stellen aber auch fest, dass nicht alle vor-her in ihren Herkunftsländern tatsächlich selbstständiggewesen sind.dDiblgadtLgaoigpsMaIscdzAMdwsaAttgSw
Selbst, wenn Sie das dann gemacht und herausgefun-en haben, dass nur noch richtige Selbstständige dort tä-ig sind, greift das Entsendegesetz – das hat der Kollegeaumann bereits angesprochen – überhaupt nicht. Dasreift nämlich nur bei Angestellten. Also können Sieuch hier keine Lösung herbeiführen. Sie tun aber so, alsb den Menschen in den Betrieben geholfen würde. Dasst schäbig.
Mindestlöhne, seien sie tariflich oder staatlich fest-elegt, sichern und schaffen keinen einzigen Arbeits-latz; sie vernichten Arbeitsplätze in der regulären Wirt-chaft.
indestlöhne in anderen Ländern haben eine komplettndere Funktion als Mindestlöhne in Deutschland.
n anderen Ländern, in denen es Mindestlöhne gibt, be-teht der Zweck darin, ein Mindesteinkommen zu si-hern, damit es nicht zur Armut kommen kann. Exaktieser Zweck wird in der Bundesrepublik durch die so-ialen Sicherungssystemen verfolgt, nämlich durch dasrbeitslosengeld II und die Sozialhilfe.Mindestlöhne, wie Sie sie diskutieren, setzen einenindestpreis für eine bestimmte Leistung fest. Wenniese Leistung im Wettbewerb den Preis allerdings nichtert ist, dann wird sie zumindest in der regulären Wirt-chaft nicht mehr nachgefragt und die Menschen werdenus dem Arbeitsmarkt faktisch ausgeschlossen.
us diesem Grund setzen wir als FDP-Bundestagsfrak-ion auf Lohnzuschüsse statt auf Mindestlöhne.Ich bin sehr froh, dass wir auf unserem Bundespartei-ag am letzten Wochenende beschlossen haben, ein Bür-ergeld einzuführen, durch das die steuerfinanziertenozialtransfers mit dem Steuersystem zusammengeführterden,
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Dirk Niebeldamit hier ein geregelter Niedriglohnsektor geschaffenwerden kann, der auch Menschen mit geringerer Qualifi-kation die Möglichkeit gibt, ihren Lebensunterhalt we-nigstens teilweise wieder durch eigene Arbeit zu verdie-nen.
Denn eines ist doch völlig klar: In einer arbeitsteili-gen Gesellschaft wie der unsrigen ist Massenarbeits-losigkeit eine der größten Freiheitsberaubungen, die esgibt. Deswegen müssen wir dagegen angehen, dass Men-schen immer weiter aus dem Erwerbsprozess gedrängtwerden. Was ist denn der Grund oder zumindest einwichtiger Grund für die hohe Sockelarbeitslosigkeit ge-rade im geringqualifizierten Bereich? Das sind die star-ken Sockellohnerhöhungen der vergangenen Jahrzehnte,
die, Frau Kramme, gut gemeint, aber schlecht gemachtwaren. Die unteren Tariflohngruppen wurden überpro-portional angehoben. Damit sind die Menschen mit ih-rem Gehalt aus der Produktivität herausgewachsen. DerArbeitsmarkt wurde faktisch verschlossen. Die Men-schen wurden zu 100 Prozent in die Transferleistungenüberführt. Das ist menschenunwürdig und hat mit demmündigen Bürger, wie wir ihn uns vorstellen, überhauptnichts mehr zu tun.
Abschottungsprozesse werden auf Dauer nichts nüt-zen. Man sollte vielmehr über flexible Übergangsfris-ten – auch im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie, diewir noch zu erwarten haben – nachdenken, die branchen-spezifisch und regional unterschiedlich sind.Ich möchte auch auf den zweiten Entwurf, der hiervorliegt, eingehen. Ich erkenne an, dass Schwarz, Rotund Grün hier eine Verbesserung der Hinzuverdienst-möglichkeiten vorsehen. Ich habe – vielleicht könnenSie sich noch daran erinnern – schon im Vermittlungs-verfahren gefordert, dass wir bessere Hinzuverdienst-möglichkeiten erreichen. Natürlich muss derjenige, derarbeitet, mehr Geld übrig haben als derjenige, der nichtarbeitet. Natürlich muss man einen Anreiz schaffen, imersten Arbeitsmarkt zu verdienen und nicht vorzugs-weise im zweiten Arbeitsmarkt.Das passt übrigens ganz gut zusammen mit der vor-hergehenden Position. Die Baubranche sagt nämlich im„Mannheimer Morgen“ von gestern – ich zitiere –:Bau beklagt Lohn-Dumping – Billig-Konkurrenzdurch Ich-AGs und Ein-Euro-Jobs… wegen der Konkurrenz mit staatlich subventio-nierten Ich-AGs seien reguläre Bautarife häufignicht mehr zu bezahlen. Missbraucht würden auchdie Regelungen zum Einsatz von Ein-Euro-Job-bern. Langzeitarbeitslose würden inzwischen häu-fig von Kommunen und Krankenhäusern bei derIwmtWgAsetVfsn–dAFmnWkbdsmHznr
Ich verstehe, Frau Dückert, dass Sie traurig sind, weilie Grünen so etwas Ähnliches auch einmal wollten.
ber Sie sind natürlich wieder einmal platt wie einelunder vor Ihrem Koalitionspartner umgefallen. Es tutir furchtbar Leid. Wir werden uns bemühen, dass Ih-en dieses Leid in Zukunft nicht mehr entgegentritt.
ir werden dafür sorgen, dass Sie wieder in Ruhe dielaren grünen Thesen, die es irgendwann einmal gege-en hat, vertreten können, und zwar in dem Moment, inem wir die rot-grüne Bundesregierung abgelöst haben.
Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staats-
ekretär Gerd Andres.
G
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Wir diskutieren hier in verbundener Debattewei für den Arbeitsmarkt sehr wichtige Gesetze. Dieeue Hinzuverdienstregelung wird stärkere Arbeitsan-eize als bisher in allen Einkommensbereichen setzen,
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Parl. Staatssekretär Gerd Andreszugleich aber auch eine vereinfachte Lösung für den un-teren Einkommensbereich bieten. Darüber hinaus enthältdie Neuregelung große Transparenz für die Hilfebedürf-tigen und eine Kinderkomponente.Künftig wird es nur noch zwei Freibetragsstufen ge-ben. Bis zu einem Bruttoeinkommen in Höhe von800 Euro beträgt der prozentuale Freibetrag 20 Prozentdes 100 Euro übersteigenden Einkommens. Das heißtübersetzt, 100 Euro darf man immer behalten. Der da-rüber hinausgehende Betrag wird zu 20 Prozent nicht an-gerechnet. Für Bruttoeinkommen über 800 Euro beträgtder zusätzliche prozentuale Freibetrag 10 Prozent. Dasheißt zum Beispiel, bei einem 400-Euro-Minijob wirdkünftig Einkommen in Höhe von bis zu 160 Euro freige-stellt. Jeder erwerbsfähige Hilfebedürftige kann künftigsehr einfach ausrechnen, wie viel er mehr in der Taschehat, wenn er eine Arbeit aufnimmt, als wenn er nicht ar-beitet.Der Gesetzentwurf sieht weiterhin vor, dass die Rege-lungen zum so genannten Einstiegsgeld geändert wer-den. Einstiegsgeld kann künftig auch dann gewährt wer-den, wenn die Hilfebedürftigkeit durch oder nachAufnahme einer Beschäftigung entfällt. Damit wird einweiterer möglicher Fehlanreiz beseitigt.Ich darf ganz ausdrücklich sagen: Dieser Gesetzent-wurf ist durch gemeinsame Gespräche zwischen derBundesregierung und der CDU/CSU zustande gekom-men. Er beendet eine Regelung, die bürokratisch und un-logisch war und die uns im letzten Jahr im Vermittlungs-verfahren durch die CDU/CSU aufgezwungen wurde.Die Union hat erklärt, der neuen Regelung im Bundesratzuzustimmen. Herr Laumann, dafür bedanken wir unssehr. Sie beseitigen mit der Zustimmung zu diesem Ge-setz den Unfug, den Sie im letzten Jahr angerichtet ha-ben. Herzlichen Glückwunsch dazu!
Sie behaupten etwas anderes; es gibt aber genügend, diedabei waren.Die FDP ist bei dieser Regelung entbehrlich; sie wares auch bei der alten. Man muss, wenn man sich denFDP-Antrag anschaut, wissen, dass der Vorschlag, derda gemacht wird, ziemlicher Unsinn ist. Jede Zuver-dienstregelung muss nämlich die Balance halten: Siesoll einerseits Anreiz für zusätzliche Beschäftigung– raus aus dem Bezug von Transferleistungen – sein; siedarf andererseits nicht zementieren, dass man die Trans-ferleistungen weiter bezieht und nebenbei ordentlich da-zuverdient.
Wer sich die FDP-Regelung anschaut, der wird fest-stellen, dass sie einen saftigen Zuverdienst von bis zu600 Euro einräumt. Er wird, wenn er ein bisschen Ah-nung hat, weiter feststellen, dass man mit dieser Rege-lung die Zahl der Bedarfsgemeinschaften deutlich erhö-hen würde. Herr Niebel, mein Vorschlag ist also:Machen Sie erst einmal ordentlich Ihre Hausaufgaben,bevor Sie irgendeinen Unsinn erklären!mUdgdeGzPpwMkslafnLvrvhdDdlSrwksewgHSSgBss
Nun sind wir beim zweiten Thema. Dazu ist – dasuss ich hier wirklich einmal sagen – auch ganz vielnsinn erzählt worden. Ich möchte etwas zum Entsen-egesetz sagen. Wir glauben, dass auch das Entsende-esetz dazu beitragen wird, Arbeit in Deutschland wie-er attraktiver zu machen. Wir haben es erlebt: Deminen geht der Gesetzentwurf nicht weit genug; auch dieroße Anfrage der CDU/CSU zum Sozialdumpingeigt, wie stark die politischen Strömungen, die mehrrotektionismus und sogar Abschottung innerhalb Euro-as fordern, sind. Dem anderen geht der Entwurf viel zueit, weil er ein Entsendegesetz mit einem gesetzlichenindestlohn verwechselt. Kritikern von beiden Seitenann ich nur entgegnen: Wir liegen offenbar richtigchön in der goldenen Mitte.Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz ist kein Mindest-ohn, der generell den Wettbewerb ausschaltet. Ich sageusdrücklich: In unserem Haus, im Bundesministeriumür Wirtschaft und Arbeit, gibt es keine Überlegung, ei-en solchen allgemeinen Mindestlohn einzuführen.ohnfindung ist und bleibt primär die Aufgabe der Tarif-ertragsparteien, nicht die des Staates.Mit der Gesetzesänderung können in Zukunft die Ta-ifpartner aller Branchen eine bundesweit geltende tarif-ertragliche Lohnuntergrenze vereinbaren. Damitaben sie die Möglichkeit, sicherzustellen, dass auslän-ische Arbeitgeber, die Arbeitnehmer zur Arbeit nacheutschland entsenden, verpflichtet werden, ihnen deneutschen Mindestlohn zu zahlen. Bisher ist diese Rege-ung im Wesentlichen auf den Baubereich beschränkt.ie soll jetzt auf alle Branchen ausgedehnt werden.Herr Laumann, ich bitte Sie, einen Moment zuzuhö-en. Wir oktroyieren niemandem etwas auf. Sie müssenissen, dass auch bei der Allgemeinverbindlichkeitser-lärung eine Tarifvertragspartei alleine einen Antragtellen kann.
Sie haben hier wortreich – mit viel Geklingel – vielrklärt. Sie haben aber nicht erklärt, was Sie machenollen. Ich habe sogar gelernt, dass auch Papst Leo XIII.egen einseitige Lohnfestlegungen war. Donnerwetter,err Laumann! Sie haben mit keinem Wort gesagt, wasie gerne machen würden.
ie haben hier wunderbar etwas beklagt. Das war übri-ens streckenweise überhaupt nicht haltbar. Ich weiß:ei Ihnen sitzen die BDA und andere nicht nur nebenan,ondern auch im Nacken; Herr Göhner wird ja hier nochprechen.
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Parl. Staatssekretär Gerd AndresMit diesem Entsendegesetz – damit das völlig klarist – sind wir auf die Mithilfe der Tarifvertragsparteienangewiesen. Zum Tarifvertrag gehören immer zwei Par-teien – Herr Laumann, auch dazu herzlichen Glück-wunsch! –, die ihn bundesweit abschließen und die dafürsind, dass er einen Mindestlohn festlegt. Schon mit derVerabredung des Tarifvertrages macht man doch deut-lich, dass man das eigentlich will. Deswegen sind allIhre Vorhalte heiße Luft im Wahlkampfgeklingel.Ich sage Ihnen: Wir bringen dieses Entsendegesetz– einen schönen Gruß an Herrn Pofalla und andere –jetzt ein. Es reicht nicht mehr, dass Herr Stoiber, Sie undandere vom Arbeitnehmerflügel schöne Sonntagsredenhalten und im Bundesrat das Entsendegesetz kaputtma-chen. Wir werden Sie jeden Tag und jede Woche vorfüh-ren.
Ich will etwas zu bestimmten Branchen sagen, weilauch dazu sehr viel Unsinn erzählt wird. Es gibt inEuropa und damit auch in Deutschland Dienstleistungs-freiheit. Das bedeutet, dass Selbstständige, die hierherkommen, ihre Dienstleistungen anbieten dürfen. Sie dür-fen das im Zweifelsfalle für 1 Euro die Stunde tun; darankann sie niemand hindern. Genauso kann sich ein deut-scher Selbstständiger so billig verkaufen, wie er Lusthat. Aber bestimmte Bedingungen müssen eingehaltenwerden. Sie können sich darauf verlassen, dass wir dieseBedingungen knochenhart durchsetzen; auch wenn Siedie Vorlage im Bundesrat liegen lassen.Zur Selbstständigkeit gehört nach europäischerRechtsprechung so etwas wie eine Mindestform vonNiederlassung. Es reicht nicht, wenn sich 32 polnischeMenschen – ich habe nichts gegen diese Menschen – ineiner Vorstadtwohnung anmelden und alle als Fliesenle-ger arbeiten wollen. Der Zentralverband des DeutschenHandwerks und deutsche Behörden dürfen diesen Men-schen nicht einfach ungeprüft die notwendigen Beschei-nigungen und Zulassungen erteilen. Das kann nicht sein.Dagegen werden wir vorgehen, damit Sie das wissen.
Es muss sich um echte Selbstständige handeln. Wir wer-den das prüfen und entsprechend vorgehen.Zum Entsendegesetz will ich Ihnen Folgendes sagen:Ich glaube, dass es seine Wirkung für die Tarifvertrags-parteien entfaltet, die das wollen. Das deutsche Gebäu-dereinigerhandwerk und das Gewerbe wollen diese Re-gelung nutzen. Davon sind zwischen 700 000 und800 000 Menschen betroffen.
Auch die deutsche Landwirtschaft will von dieser Rege-lung profitieren. Sie alle haben kein Problem damit, dassman dies einseitig beantragen kann. Sie aber, HerrLaumann, machen deswegen viel Wind. Die Allgemein-verbindlichkeitserklärung eines Tarifvertrages wird ge-gen den erklärten Willen der Bauwirtschaft, der Bauin-daosuGdlWdgdgA–hDhefLlwmTl1MdDsfmsmtbzbbhLw
ir machen das Entsendegesetz. Damit steht der Bun-esrat vor der Nagelprobe. Ich sage noch einmal: Hiereht es nicht um Sonntagsreden vor Wahlkämpfen, son-ern hier sind Bekenntnisse gefragt.
Ich könnte Ihnen hierzu noch viel erzählen. Deswe-en brauchen wir für die Beantwortung Ihrer Großennfrage noch etwas Zeit, Herr Laumann.
Passen Sie auf: Wir müssen eine ganze Reihe Daten er-eben. Dafür brauchen wir die Mitwirkung der Länder.amit Sie eines wissen: Für den kommenden Dienstagaben wir die versammelte deutsche Fleischwirtschaftingeladen. Ich führe viele Gespräche mit vielen Betrof-enen. Wir werden auch dafür sorgen, dass Teile derandwirtschaft – das haben wir schon verabredet –,andwirtschaftliche Helfer und Facharbeiter, möglicher-eise auch Saisonarbeiter in diese Regelung aufgenom-en werden. Wir können das nur da machen, wo dies diearifvertragsparteien wollen. Da, wo sie das nicht wol-en, geht es nicht.Ich sage ganz ruhig und gelassen, Herr Laumann: In3 europäischen Ländern gibt es einen gesetzlichenindestlohn. Wer keinen gesetzlichen Mindestlohn will,er muss guten Willens sein und mithelfen, dass ineutschland Lohndumping nicht flächendeckend umich greift. Das wäre eine Benachteiligung für die betrof-enen Arbeitnehmer und ehrliche Arbeitgeber, die sichit vernünftigen Wettbewerbsbedingungen auseinanderetzen. Eine Regelung nützt also beiden.
Wer Lohndumping nicht will, der muss uns helfen,it allen Mitteln und Möglichkeiten gegen illegale Prak-iken vorzugehen – das werden wir tun –, und der mussereit sein, mit den Tarifvertragsparteien Verabredungenu treffen, die wir mit dem Entsendegesetz für alle ver-indlich regeln können. Diese würden dann auch für Ar-eitgeber aus Europa gelten, die mit ihrem Personal hier-er kommen. Das ist auch in anderen europäischenändern so. Also, Herr Laumann: weniger Nebelkerzenerfen, weniger Wahlkampfreden, sondern bei der
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Parl. Staatssekretär Gerd AndresUmsetzung handfest mithelfen, damit wir diese Miss-stände abstellen.Schönen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Alexander Dobrindt,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der EU-Osterwei-terung entsteht, ohne dass dies heute von allen Men-schen bewusst wahrgenommen worden ist, eines der re-gional größten Wohlstandsgefälle.
Dies findet sich mitten in der Europäischen Union. Ankeiner anderen Ländergrenze innerhalb Europas machtsich dieses Wohlstandsgefälle so deutlich bemerkbar.Dass daraus ganz besondere Probleme entstehen, ist, soglaube ich, leicht nachvollziehbar. Dass sich diese Pro-bleme auch in einer besonderen Weise in der Arbeitsweltwiderspiegeln – nicht nur da, aber zu einem großenTeil –, ist zum einen vorhersehbar, zum anderen deutlichbei den beschriebenen Problembereichen, zum Beispielbeim Fleischergewerbe und bei den Fliesenlegern, er-kennbar geworden. Es werden – da bin ich mir sicher –weitere Branchen folgen.Wir diskutieren hier im Deutschen Bundestag in allerRegel sehr ausgiebig über die Wettbewerbsfähigkeit derdeutschen Unternehmen. Zu Recht macht man sich Ge-danken darüber, wie in einer globalisierten Welt die in-ternationale Konkurrenzfähigkeit aufrechterhalten wer-den kann. Das Problem aber, das wir heute diskutieren,besteht in der Konkurrenzfähigkeit unserer Arbeitneh-mer und der kleinen Handwerker gegenüber den Wettbe-werbern aus dem osteuropäischen Raum.
Die Unternehmer leben heute – einfach dargestellt –zum Teil von einer Mischkalkulation von günstigen Pro-duktionsstätten und von teureren Produktionsstätten. DerArbeitnehmer hat diese Möglichkeit nicht. Die Mobilitätist ihm nicht gegeben. Den Konkurrenzkampf über diePreisschraube vor Ort kann er natürlich auch nicht ge-winnen. Dass beide Mechanismen in einem Zusammen-hang stehen, ist klar. Unsere Aufgabe ist es, die Waagezu halten. Wir müssen die Abwanderung der Unterneh-men nach Osten genauso zu verhindern versuchen wieden Einsatz der Billiglohnkräfte, die die einheimischenArbeitskräfte verdrängen.Die Antwort, die die Bundesregierung auf diese kor-respondierende doppelte Problemstellung hat, ist dieAusweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes aufalle Branchen. Das Entsendegesetz löst dieses Problemmit Sicherheit nicht, das ganz offensichtlich auf Miss-brauch beruht bzw. aus der Umgehung der Einschrän-klLbggdbgAbdEnmNwcsAgshbdskmrESluidksgzswVbNdwbwT
och viel wichtiger ist, wo denn zukünftig mit Lohn-umping zu rechnen ist. Es wäre nämlich sinnvoller,enn sich die Bundesregierung im Vorfeld mit den Pro-lemen auseinander setzen und tragfähige Konzepte ent-ickeln würde, anstatt zu diskutieren zu beginnen, wennausende von neuen Arbeitslosen auf der Straße stehen.
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Alexander Dobrindt
Erst wenn ein solcher fundierter Lohndumpingberichtvorliegt, können wir darüber reden, ob es neben demBaugewerbe sensible Branchen gibt, für die eine Aus-weitung des Entsendegesetzes sinnvoll sein kann.Wir verlangen von der Bundesregierung, dass sie sichder Wurzel des Problems stellt. Meine Damen und Her-ren, Sie brauchen uns nicht immer mit irgendwelchenAbschottungstheorien zu kommen: Hauptursache für alldie entstehenden Verdrängungswettbewerbe am deut-schen Arbeitsmarkt sind die fehlerhaften Verhandlungender Bundesregierung bei der EU-Osterweiterung.
Sie haben die Arbeitnehmerfreizügigkeit einge-schränkt, aber auf die Einschränkung der Dienstleis-tungsfreiheit verzichtet. Darin liegt das ursächlicheProblem. Sie haben keine Übergangsfristen bei derDienstleistungsfreiheit verhandelt. Dass dies möglichgewesen wäre, haben uns andere Länder – beispiels-weise Österreich – bewiesen. Obwohl Ihnen dies be-kannt ist, haben Sie den gleichen Fehler in der Beitritts-akte für Rumänien und Bulgarien wiederholt. Sie habenauch hier die Dienstleistungsfreiheit nicht eingeschränkt.Damit sind Sie für weiteres massives Lohndumping ver-antwortlich, das auf die Arbeitnehmer in diesem Landzukommen wird.Wir fordern Sie deswegen auf: Verhandeln Sie an die-ser Stelle nach! Bekämpfen Sie die Ursachen und versu-chen Sie nicht, mit Notoperationen die AuswirkungenIhrer eigenen fehlerhaften Politik zu vertuschen!Danke schön.
Ich erteile Kollegin Petra Pau das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirreden über Hartz IV, konkret über die Freibeträge, dieEmpfängerinnen und Empfängern von Arbeitslosen-geld II gewährt werden, wenn sie einen Minijob haben.Die Freibeträge sollen angehoben und die Regeln ihrerAnwendung vereinfacht werden.Ich stelle für die PDS fest: Die vorgeschlagene Rege-lung ist besser als die bisherige, aber sie ist nicht gut.
Denn sie bricht nicht mit der Logik von Hartz IV; sie ge-staltet sie nur aus. Sie lindert ein Gesetz, das dennoch– und zwar für Millionen Betroffene – in die falscheRichtung weist.Lindern ist zunächst einmal nichts Schlechtes. DiePDS unterbreitet in diesem Sinne seit Monaten zweiVd4FGläF4gmFrHKRuetreSHinleDdhHfdkpgcaWdsanew
ür die Ost-West-Differenz gibt es keinen sachlichenrund. Sie entspringt Mauern in politischen Köpfen, diengst verschwunden sein sollten.
ür die Anhebung des Arbeitslosengeldes II auf14 Euro gibt es gute Gründe. Das belegen Berechnun-en von Sozialverbänden über minimale Alltagskosten.Lindern kann auch noch andere Formen anneh-en. Rot-Rot in Berlin – konkret: Kultursenatorlierl – hat gemeinsam mit den Berliner Kulturein-ichtungen ein 3-Euro-Ticket eingeführt, sodass auchartz-IV-Betroffene wieder Zugang zum Theater, zumonzert oder zur Oper haben.
ot-Rot in Berlin hat auch – anders als in der Uckermarknd in weiteren Regionen – eine Wohngeldregelung ver-inbart, sodass nicht obendrein unzählige Hartz-IV-Be-offene umziehen müssen.Aber Lindern ist nicht Heilen. Deshalb mache ichine andere Rechnung auf als der Wirtschaftsminister.ie müssten diese Rechnung eigentlich kennen; dennarald Wolf, Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen Berlin, und Helmut Holter, Arbeitsminister in Meck-nburg-Vorpommern, haben sie schon mehrfach in dieebatte eingebracht.Die Frage lautet schlicht: Warum ist es nicht möglich,ie Bundes- und Landesmittel, die für den Lebensunter-alt, das Wohnen und die materielle Absicherung vonartz-IV-Betroffenen sowie für 1- bzw. 2-Euro-Jobs undür die Qualifizierung der Betroffenen eingesetzt wer-en, zusammenzuführen? Würde man das tun, dannönnte man – öffentlich gefördert – reguläre Arbeits-lätze schaffen, die den Betroffenen ihre Würde wieder-eben und den gesellschaftlichen Bedürfnissen entspre-hen. Das wäre allerdings etwas anderes als Hartz IV.
Alle mir bekannten Berechnungen ergeben: Es ginge,llein es fehlt der Wille, und zwar der von Rot-Grün; derille der Opposition zur Rechten fehlt sowieso. Ich wie-erhole: Hartz IV ist ein schlechtes Gesetz. Denn es ent-orgt ein gesellschaftliches Problem – die Massen-rbeitslosigkeit – bei den Betroffenen.Deshalb halte ich an die Adresse der SPD gewandtoch einmal fest: Kapitalismuskritik ist sicherlich gut fürinen Vereinsabend. Aber von einer Regierungsparteiird mehr erwartet.
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Ich erteile Kollegin Anette Kramme, SPD-Fraktion,
das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lieber Herr Niebel, Sie stolzieren zwar mitt-lerweile wie King’s Majesty durch diese Räumlichkei-ten.
Aber Ihre Politik ist dadurch keineswegs aufrichtigerund besser geworden.
Lassen Sie mich ein wenig auf die Geschichte derEuropäischen Union eingehen. Folgende zwei Aspektewaren der Grund für die Schaffung der EuropäischenWirtschaftsgemeinschaft: Friedenssicherung durch wirt-schaftliche Verflechtung einerseits und Schaffung vonProsperität durch wirtschaftliche Verflechtung anderer-seits. Daraus konnte nur eines resultieren, nämlich einBinnenmarkt, der freien Warenverkehr, freien Kapital-verkehr und die Freiheiten einräumt, die uns momentanso große Probleme bereiten, nämlich die Niederlas-sungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Arbeit-nehmerfreizügigkeit. Allen Staaten, die nach 1957 derEU beigetreten sind, sind diese Rechte gewährt worden.So haben auch Sie, meine Damen und Herren von derOpposition, den neuen Beitrittsstaaten in den Europaab-kommen in den 90er-Jahren uneingeschränkt Niederlas-sungsfreiheit gewährt: zum Beispiel Polen ab 1994,Tschechien ab 1995 und den baltischen Staaten ab 1998.Herr Laumann und Herr Niebel, Ihr Erinnerungsvermö-gen scheint insoweit miserabel zu sein. Mit dem Beitrittim Jahre 2004 sind dann auch Dienstleistungsfreiheitund Arbeitnehmerfreizügigkeit eingeräumt worden, al-lerdings mit erheblichen Beschränkungen.Gestatten Sie mir, dass ich an dieser Stelle den he-rausragenden Verhandlungserfolg des Bundeskanzlershervorhebe.
Am Brüsseler Verhandlungstisch haben wir uns mit Ös-terreich in einer Situation der politischen Isolation be-funden. Es hat wenig Verständnis für Übergangsfristengegeben. Irland und Großbritannien haben immer wiedersignalisiert, dass sie ihre Arbeitsmärkte sofort öffnenwollen. Aber es ist zäh verhandelt worden und damit ha-ben wir schließlich Erfolg gehabt. Das war ein großerErfolg. Ich möchte an dieser Stelle den Bundesge-schäftsführer des Bundesinnungsverbandes des Gebäu-dereiniger-Handwerkes zitieren:Nur dank der Zwei-plus-Drei-plus-Zwei-Regelun-gen, für die wir auch im Interesse unserer Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer äußerst dankbarsind, konnte das– gemeint ist das Sozialdumping –zum aktuellen Zeitpunkt noch verhindert werden.tBn3csgWsAmuSgdaBnnWnzSSssbkfleCDigluabtaWDsgdAMW
ir wollten das nicht.Zur derzeitigen Situation gehört aber auch Folgendes:ie Schutzregelungen im deutschen Recht sind insge-amt unzureichend. § 138 Abs. 2 BGB setzt ein auffälli-es Missverhältnis zwischen Arbeitsleistung und Ver-ienst voraus. Die Vergütungsvereinbarung muss unterusnutzung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit, desangels an Urteilsvermögen oder einer erheblichenillensschwäche zustande gekommen sein.
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Anette KrammeDas BAG konkretisiert: Lohnwucher liegt erst dannvor, wenn weniger als zwei Drittel des Tariflohns bzw.des ortsüblichen Lohns gezahlt wird. In der Bundes-republik gibt es demzufolge einen ausgeprägtenNiedriglohnbereich. 7,8 Millionen Vollzeitarbeitnehmerverdienen weniger als 75 Prozent des Durchschnittsein-kommens. 12 Prozent der Vollzeitarbeitnehmer verdie-nen sogar weniger als 50 Prozent des Durchschnitts.Die Erfahrungen mit dem Entsendegesetz sind posi-tiv. Das sagen sowohl die IG Bau als auch der Arbeitge-berverband. Ich zitiere Michael Knipper:Ohne dieses Gesetz wären weitere 250 000 Jobsweggefallen.18 von 25 Staaten in der EU haben Mindestlohngesetze.Von der OECD stammt die Aussage: Zwischen der Exis-tenz von Mindestlöhnen und der Beschäftigungshöhe intraditionellen Niedriglohnbranchen besteht kein nach-vollziehbarer Zusammenhang. Die Hans-Böckler-Stif-tung berichtet: Neuere Untersuchungen aus den USAund mehreren europäischen Ländern bestätigen dieOECD.Wir zählen auf Angela Merkel. Am 11. April 2005 hatsie im „Handelsblatt“ Folgendes gesagt:Wenn jetzt andere Branchen, wie aktuell diefleischverarbeitende Industrie, mit ähnlichen Pro-blemen wie die Baubranche konfrontiert werden,muss die Politik die vorhandenen Möglichkeitenprüfen, die Probleme zu lösen.Wir setzen ausnahmsweise auf Jürgen Rüttgers. Er hatgesagt, das Entsendegesetz sei ein „geeignetes Mittel,Auswüchse zu verhindern“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der Opposi-tion, ich fordere Sie auf: Tun Sie etwas gegen Lohndum-ping! Tun Sie etwas gegen Schwarzarbeit! UnterstützenSie uns im Bundestag und Bundesrat!
Ich erteile das Wort Kollegen Reinhard Göhner,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Dieser Gesetzentwurf ist gut gemeint. Lohn- und So-zialdumping zu verhindern ist eine vernünftige Zielset-zung. Aber was wird dieser Gesetzentwurf tatsächlichbewirken? Die Wahrheit ist: Der Gesetzentwurf gibtkeine Antwort auf diese Frage; er gibt nicht einmal eineAntwort auf die Frage, Herr Andres, für wen er geltensoll.Sie sind der Auffassung, dass das die Tarifvertrags-parteien entscheiden sollen.
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Nun tragen Sie hier vor, das solle nur für Branchenit bundesweiten Tarifvertragsstrukturen gelten. Im be-tehenden Entsendegesetz wie in Ihrem Gesetzentwurfteht davon kein Wort. Das ergibt sich auch aus keinernderen Rechtsvorschrift, insbesondere auch nicht ausuroparecht. Wenn das Ihre politische Absicht ist, dannagen Sie doch bitte wenigstens, in welchen Branchen,n denen es heute bundesweite Tarifvertragsstrukturenibt, Sie von dieser Verordnungsermächtigung Gebrauchachen wollen, damit wir jedenfalls ungefähr erahnenönnen, wen Sie eigentlich mit dieser Regelung treffenollen.Zurzeit gibt es bundesweite Tarifvertragsstrukturenei Banken, bei Versicherungen, in der Druckindustrie,n der Entsorgungswirtschaft und in der Papierverarbei-ung. Wollen Sie denn ernsthaft in diesen Branchen perechtsverordnung gesetzliche Tariflöhne schaffen? Fürntsendearbeitnehmer würden Sie damit nichts bewir-en. Sie würden nur nicht tarifgebundene deutsche Un-ernehmen in Tarifbindungen zwingen. Wollen Sie das?
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Dr. Reinhard GöhnerWenn Sie das wollen, dann sagen Sie das und sagen Siegefälligst, für welche Branchen Sie das anwenden wol-len!
In einer Branche gibt es bundesweite Tarifverträge,die Sie bei dem von Ihnen vorgesehenen Weg außerKraft setzen würden, nämlich in der Zeitarbeitsbranche.Ihnen geht es um die Gebäudereiniger. Das ist einBereich, über den Sie mit uns reden können, was dieAusdehnung des Entsendegesetzes angeht. Bei den Ge-bäudereinigern gibt es einen bundesweiten Tarifvertrag,den Sie dann außer Kraft setzen würden. Wollen Sie das?Wollen Sie diese Tarifkonkurrenzen eröffnen? Das hät-ten Sie klären müssen, bevor Sie einen solchen Gesetz-entwurf vorlegen.
Es gibt in Deutschland aus guten Gründen nur zweiBranchen, in denen für allgemein verbindlich erklärtebundesweite Tarifverträge bestehen, die Bauwirtschaftund die Gebäudereiniger. Tarifautonomie kennt auch ne-gative Koalitionsfreiheit, das heißt die Entscheidung vonArbeitgeber und Arbeitnehmer, nicht tarifgebunden zusein. Dass in der Gebäudereinigerbranche, in der das füralle deutschen Unternehmen gilt, die Frage aufgeworfenwird: „Warum dann nicht auch für unsere europäischenWettbewerber?“, ist völlig in Ordnung. Aber prinzipiellmuss es nach unserer Überzeugung für eine temporär be-schränkte, also befristete, Ausweitung des Entsendege-setzes drei Voraussetzungen geben: Erstens müsseneinzelne Branchen konkret benannt werden und darfnicht eine Blankoermächtigung für alle erteilt werden.Zweitens müssen beide Tarifparteien dies wollen; esreicht nicht, wenn, wie nach Ihrem Gesetzentwurf vorge-sehen, nur eine Tarifpartei das will. Drittens müssenFakten auf dem Tisch liegen, die zeigen, dass in dieserBranche Missbräuche nicht schon mit dem bestehendenRecht abgestellt werden können.Letzteres ist ein wichtiger Punkt. In dieser Debattewird völlig übersehen, dass das Entsendegesetz bereitsheute weitgehend für weite Bereiche des Arbeitsrechts,zum Beispiel den ganzen Arbeitsschutz und weite Berei-che des Sozialrechts für alle Branchen gilt. Es gibt nurein Vollzugsdefizit. Alle bisher bekannt gewordenenMissbrauchsfälle – alle, die die Bundesregierung be-nannt hat, alle, die in der Öffentlichkeit benannt wordensind – sind bereits nach heutigem Recht, nämlich durchAnwendung des bestehenden Entsendegesetzes, zu un-terbinden.
Es gibt Vollzugsdefizite. Das Gesetz über die Arbeit-nehmerüberlassung gilt selbstverständlich auch für Un-ternehmen aus Polen, die hier Werkverträge überneh-men. Ich erwarte selbstverständlich, dass das Recht, dasfür deutsche Unternehmen gilt, genauso auch auf diesepolnischen Unternehmen angewandt wird. Da haben diezuständigen Vollzugsbehörden jahrelang geschlafen.Jetzt sind Missstände bekannt geworden. Aber Sie kön-nen sie alle abstellen. Alle Fälle, in denen illegale Ar-bzmhdshSsddgWedukzdssdwkswBusAao1adDs
Da Sie bislang – ich wiederhole das – nicht einen Fallargelegt haben, in dem man den Missbrauch mit demeltenden Recht nicht abstellen kann, frage ich einmal:as soll der neue Gesetzentwurf, bei dem Sie uns nichtinmal sagen, für wen die Regelungen gelten sollen?
Sie können mit uns über die Ausdehnung des Entsen-egesetzes auf Gebäudereiniger reden. Sie können mitns über die Frage reden, wie die Allgemeinverbindlich-eit ausgedehnt werden kann. Es gibt aus guten Gründenwei Branchen und nicht mehr. Ich glaube nicht daran,ass in diesem Bereich weiterer Regelungsbedarf be-teht. Wenn er aber von Ihnen begründet wird, indem Sieagen, dass ansonsten Missbräuche nicht abgestellt wer-en können, dann können wir darüber reden. Aber Sieerden uns nicht überzeugen können, Ihnen einen Blan-oscheck, den Sie hier verlangen, auszustellen. Einenolchen Persilschein erhalten Sie von uns nicht.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzent-urf auf Drucksache 15/5446 zur federführendeneratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeitnd zur Mitberatung an den Finanzausschuss, den Aus-chuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, denusschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung sowien den Haushaltsausschuss gemäß § 96 der Geschäfts-rdnung zu überweisen. Die Vorlagen auf Drucksachen5/5271 und 15/5445 sollen an die in der Tagesordnungufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Gibt esazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.ann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 sowie die Zu-atzpunkte 10 bis 12 auf:25 Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenDr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart,Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der FDPVereinfachung des deutschen Steuerrechts– Drucksachen 15/501, 15/1548 –
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Präsident Wolfgang ThierseZP 10 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurSicherung der Unternehmensnachfolge– Drucksache 15/5448 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOZP 11 Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Michael Meister, Heinz Seiffert, OttoBernhardt, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der CDU/CSUHerausforderungen der Globalisierung anneh-men, Unternehmensteuern modernisieren,Staatsfinanzen durch mehr Wachstum sichern– Drucksache 15/5450 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschussZP 12 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENSteuervereinfachung im Vollzug – Vorteil fürBürger, Betriebe und Verwaltung– Drucksache 15/5466 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen, wobei die Fraktionder FDP zehn Minuten erhalten soll. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenVolker Wissing, FDP-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!118 Gesetze, 87 Rechtsverordnungen, 3 235 Schreibendes Bundesfinanzministeriums – so sehen die Eckdateneines Steuersystems aus, das weltweit berühmt ist, abernicht etwa für seine Effizienz, sondern dafür, dass eskompliziert und umständlich ist.
Die Menschen verstehen unser Steuersystem nichtmehr. Selbst Experten tun sich immer schwerer. Das istein Alarmsignal. Da reicht es nicht aus, wenn die Bun-desregierung erklärt, sie habe seit ihrem Amtsantrittkonsequent an der Modernisierung und Vereinfachungdes Steuersystems gearbeitet. Meine Damen und Her-ren, wenn Sie das Ziel der Vereinfachung jemals vor Au-gen gehabt haben sollten, haben Sie es wirklich verfehlt.
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ir brauchen eine klare Reform unseres Steuersystemsin zu einem einfachen und transparenten System. Dasäre ein Befreiungsschlag für unser Land und der besteeitrag zu mehr Steuerehrlichkeit.
Rot-Grün fehlt offenbar die Kraft zu entschlosseneneformen. Sie verschicken lieber Schreiben und schrau-en an kleinen Rädchen herum, statt einen mutigen Neu-nfang zu wagen, beispielsweise einen solchen Neuan-ang, wie wir ihn von der FDP mit unseremteuerkonzept vorgeschlagen haben. Ihre Antwort aufie Große Anfrage der FDP-Fraktion ist ein einziger fi-anzpolitischer Offenbarungseid. Es ist sozusagen dieehisste weiße Fahne eines Bundesfinanzministeriums,as mit dem Ändern von Gesetzen und Verordnungenicht mehr hinterherkommt. Allein im Einkommensteu-rgesetz haben Sie über 100 Paragraphen gleich mehr-ach geändert. Kaum war eine Änderung in Kraft, kamchon wieder die nächste, weil Sie sich geirrt hatten. Ex-erimentierfreude ist eine durchaus positive Eigenschaft;chüler können damit viele Erfahrungen sammeln. Aberxperimentierfreude ist nicht die beste Grundlage, umin Steuersystem effizient zu gestalten.
Wie sollen sich denn Unternehmen in Deutschlanduf klare Rahmenbedingungen einstellen, wenn Sie dieesetze immer wieder ändern? Statt Investoren zu be-chimpfen, sollten Sie lieber Ihre Hausaufgaben machennd für ein gerechtes Steuersystem sorgen. Das aberleiben Sie seit Jahren schuldig. Ihren für heute groß an-ekündigten Antrag zur Körperschaftsteuer- und Erb-chaftsteuerreform haben Sie auf die Schnelle auch wie-er vertagt.
Weder aus der Sicht der Unternehmen noch aus dericht der Bürgerinnen und Bürger ist unser Steuersystemerecht. Sie sollten einmal die Arbeitnehmerinnen undrbeitnehmer fragen, was sie empfinden, wenn sie ihreohnabrechnung anschauen. Die Menschen in unseremand fühlen sich doch regelrecht abgegrast.
Die hohe Steuerbelastung ist schon schlimm genug,ber dass man auch noch auf so komplizierte Art undeise zur Kasse gebeten wird, dafür kann man von denetroffenen kein Verständnis mehr erwarten. Sie habens in Ihrer Antwort selbst dargelegt: 17 Seiten Formulare
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16596 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005
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Dr. Volker Wissingmuss ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt aus-füllen, um den Wissensdurst der Finanzbehörden zu stil-len.
– Das haben Sie geantwortet. – Ein umsatz-, gewerbe-und körperschaftsteuerpflichtiges Unternehmen, das zu-dem noch eine Investitionszulage beantragen möchte,muss sich durch mehr als 50 Seiten quälen. Das gilt fürGroßunternehmen mit eigener Steuerabteilung genausowie für kleine und mittelständische Unternehmerinnenund Unternehmer.
Meine Damen und Herren, viele Unternehmen inDeutschland treffen ihre Investitionsentscheidungenlängst nicht mehr nach den Regeln des Marktes, sondernnach der Steuergesetzgebung. So kann eine Gesellschaftnicht erfolgreich sein.
Ihre Formularlawine belastet auch die Finanzbehörden,die alle Angaben nicht nur einsammeln, sondern auchkontrollieren und auswerten müssen. Auf 185 Formularekommt die Bundesregierung und das ist nur eine grobeSchätzung. In der Antwort auf unsere Anfrage schreibenSie selbst, dass Sie die Gesamtzahl der Formulare nichtkennen.
– Dass das für Sie klar ist, Herr Schild, wundert michnicht. Aber für mich ist eines klar, nämlich dass Sie denÜberblick verloren haben.
Niemand liebt Steuern und niemand in Deutschlandoder auch anderswo wird Steuern jemals lieben. Aberdie Bürgerinnen und Bürger sind bereit, sie zu akzeptie-ren, wenn die Steuersätze niedrig sind, wenn das Systemgerecht und transparent ist. Nichts von alledem ist beiuns noch erfüllt.Wer ein System nicht versteht, der kann es nicht ausÜberzeugung mittragen. Steuerehrlichkeit ist untrenn-bar mit einem einfachen und gerechten Steuersystem mitniedrigen Steuern verbunden.
Die Antwort der Bundesregierung, Herr Poß, zeigt über-deutlich, welche Auswüchse unser Steuersystem ange-nommen hat. Ich kann Sie nur auffordern: Wenn Sie et-was Gutes für dieses Land tun wollen, dann stellen Sieschnellstmöglich Ihren Steuerreparaturbetrieb ein. Waswir jetzt brauchen, sind Reformen und kein Stillstand.Ich fordere Sie auf: Sagen Sie Ja zu einem einfachen undgerechten Steuersystem mit niedrigen Steuern, Transpa-renz und Verständlichkeit, damit die Bürger wieder wis-skFkmEdncsudcnmssddtddhomnkmSt–hGdmgezuTs–wz
Ich erteile das Wort Kollegen Reinhard Schultz, SPD-
raktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ja einraftvoller Einstieg in die Debatte, Herr Wissing; dasuss ich schon sagen. Die Kollegin Frechen wird iminzelnen darstellen, was diese Bundesregierung aufem Gebiet der Steuervereinfachung gerade für Arbeit-ehmer bereits getan hat und welche praktischen Versu-he – Stichwort Experimentierfreudigkeit – zum Bei-piel das Land Nordrhein-Westfalen unternommen hat,m Arbeitnehmern, die nur eine Einkommensart haben,as Leben gegenüber dem Finanzamt einfacher zu ma-hen. Hoch kompliziert ist es natürlich immer für dieje-igen, die sämtliche Einkunftsarten ausschöpfen. Dauss man dann ein bisschen mehr ausfüllen und ein bis-chen genauer hinschauen. Aber diese Leute bedienenich in der Regel des Rates von Fachleuten und machenas nicht alleine; so sind sie letztendlich gut beraten.Mein Thema ist heute eigentlich mehr die Auseinan-ersetzung mit der Frage: Was kann man tun, um im in-ernationalen, auch im europäischen Steuerwettbewerben Standort Deutschland zu stärken und zu verhin-ern, dass es zu unnötigen und in großem Maße nichtinnehmbaren Gewinnverlagerungen ins europäischeder außereuropäische Ausland kommt, und was kannan tun, damit insbesondere kleine und mittlere Unter-ehmen ihre Unternehmensnachfolge so geregelt be-ommen, dass die Nachfolger nicht erst zur Bank gehenüssen, weil sie einen großen Teil dessen, was sie anubstanz geerbt haben, durch die Erbschaftsteuerbelas-ung wieder verlieren?
Doch, darüber reden wir sehr gern. Herr Wissing, Sieaben eben gesagt, wir hätten dazu keine Anträge oderesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht. Die Bun-esregierung hat – die Koalition trägt das natürlich vollit – in den Bundesrat zu beiden Feldern verabredungs-emäß Gesetzentwürfe eingebracht: auf der einen Seiteinen Gesetzentwurf zum Thema Standortverbesserung,u dem Komplex Senkung des Körperschaftsteuersatzes,nd auf der anderen Seite einen Gesetzentwurf zumhema Unternehmensnachfolge, Stichwort: Erbschaft-teuer.
Wir hatten diesen Punkt auf der Tagesordnung, weilir uns im Rahmen des üblichen Gegenstromverfahrenswischen Bundestag und Bundesrat einen Zeitgewinn
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versprachen. Aber da der Bundesrat einer Fristverkür-zung zugestimmt hat, ist eine schnelle Einbringung nichtmehr erforderlich. Wir werden auch so vor der Sommer-pause dieses Gesetzgebungsvorhaben punktgenau ab-schließen. Ich verstehe deswegen Ihre Aufregung nicht.
Ich will etwas zur Sache selbst sagen. Zunächst ein-mal ist es wichtig, festzustellen, dass wir bei der Unter-nehmensteuerreform nicht bei null anfangen. Wir habenschon seit vielen Jahren sehr große Anstrengungen aufdem Gebiet der Steuerreform im Allgemeinen und aufdem Gebiet der Unternehmensteuerreform im Speziellenunternommen.Der Eingangssteuersatz wurde deutlich herabgesetztund die Grundfreibeträge wurden heraufgesetzt. Das hatdazu geführt, dass 1 Million Steuerbürger überhauptkeine Steuern mehr zahlen müssen und mit dem Finanz-amt so gut wie überhaupt nichts mehr zu tun haben.Durch den Progressionsverlauf zwischen dem Eingangs-steuersatz von 15 Prozent und dem Spitzensteuersatzvon 42 Prozent wurde die Steuerbelastung für alle, auchfür mittlere Unternehmen, deutlich abgesenkt. Dadurchhaben wir auch erreicht, dass die Personengesellschaf-ten, die nach wie vor etwa 90 Prozent unserer Unterneh-men ausmachen, deutlich entlastet worden sind. Ver-stärkt wird dieser Effekt noch dadurch, dass dieGewerbesteuer in einem großen Umfang von der Ein-kommensteuerschuld abgezogen werden kann.
Wir haben natürlich auch viel für die großen Körper-schaften getan, indem wir die Definitivbesteuerung ein-geführt haben. Was im Unternehmen bleibt, wird mit25 Prozent besteuert, und lediglich das, was aus demUnternehmen in Form von Dividenden oder Ausschüt-tungen herausgenommen wird, wird mit der Hälfte despersönlichen Einkommensteuersatzes besteuert. Dassind große Reformschritte gewesen.Trotzdem ist nicht zu verkennen, dass sich die Kulisseum uns herum in Europa, insbesondere nach der Ost-erweiterung der EU, deutlich verändert hat, was die Un-ternehmensteuersätze angeht. Natürlich haben wir keinInteresse daran, dass Unternehmen ihre Erträge oder so-gar Unternehmen selbst aus Gründen der Steuerver-meidung ins Ausland verlagern. Deswegen haben derBundeskanzler und die Opposition beim Jobgipfel ver-abredet, dass es zu einer Absenkung des Körperschaft-steuersatzes von 25 auf 19 Prozent kommen soll.
Auch das haben wir verabredungsgemäß in den Bundes-rat eingebracht. Wir werden uns damit in kurzer Zeit imBundestag beschäftigen.Eine solche Absenkung wird dazu führen – davonsind wir fest überzeugt –, dass es Gewinnverlagerungenins Ausland – zum Beispiel durch überhöhte Verrech-nungspreise – nicht mehr in dem Maße wie bisher gebenwddfrnlzmbdFdksfgsndsnbnAbdmfDtgÜMEtressaifdmge
Wir werden deswegen solche Steuerstundungsmo-elle nicht mehr zulassen. Wir gehen davon aus, dassich dann diejenigen, die solche Fonds auflegen, Alter-ativen suchen müssen, die in erster Linie das Ziel ha-en, möglichst schnell eine reale Wertschöpfung und ei-en positiven Ertrag zu erreichen. Ansonsten werdennleger solche Fonds künftig meiden.Sie wissen doch genauso gut wie ich, dass es nicht un-edingt sinnvoll ist, die halbe Hollywoodproduktion auseutschen Steuermitteln über solche Verlustzuweisungs-odelle zu finanzieren. Es ist auch nicht sinnvoll, Fondsür Windkraftanlagen durch die so genannte doppelteividende zu finanzieren, indem zum einen eine garan-ierte Mindestvergütung bei der Stromeinspeisung vor-esehen ist.
ber ein Steuerstundungsmodell soll dann zum zweitenal in die Kasse der Allgemeinheit gegriffen werden.
s gibt Beispiele noch und nöcher, über die wir im wei-eren Beratungsverfahren mit den Betroffenen diskutie-en wollen.Wir schlagen vor, dass angesichts der Tatsache, dassine Reihe von Unternehmen eine Vielzahl von Grund-tücken und Immobilien zum Teil seit Jahrzehnten alstille Reserve ungenutzt bei sich bunkern, aber nicht zuktivieren wagen, weil sie Angst vor dem Fiskus haben,n einem überschaubaren Zeitraum eine Lösung geschaf-en werden muss, damit diese Unternehmen andereniese Immobilien für wirtschaftliche Zwecke im Rah-en einer deutlich verminderten Steuerlast zur Verfü-ung stellen, sprich: damit sie sie verkaufen können. Wirrhoffen uns dadurch einen Einstieg in zusätzliche
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wirtschaftliche Aktivitäten, insbesondere in Regionenmit alten industriellen Kernen.Aber wir wissen auch, dass solche Ansätze miss-brauchsanfällig sein können. Deswegen werden wir imweiteren Verfahren sehr darauf achten, dass dieser Ge-setzgebungsvorschlag für sich betrachtet auf der einenSeite so wasserdicht ist, dass es keine Kreislaufgeschäftein dem Sinne gibt, dass diese steuermindernd veräußer-ten Grundstücke hinterher auf Umwegen wieder bei demVeräußerer landen. Auf der anderen Seite muss dies na-türlich im Licht der noch nicht endgültig entschiedenenDiskussion über die REITs betrachtet werden; denn dabewegen sich zwei Dinge aufeinander zu, was geradeunter dem Gesichtspunkt der Steuerschonungsmodelleein großes Maß an Aufmerksamkeit von uns Finanzpoli-tikern erfordert.Wir müssen uns darüber hinaus Gedanken darübermachen, ob nicht aus der Sphäre der Körperschaft- undUnternehmensteuer insgesamt ein zusätzlicher De-ckungsbeitrag erwirtschaftet werden muss. Denn wennman sich die Finanztableaus der vorliegenden Gesetzeanschaut, dann sieht man, dass das Ergebnis für die Ge-meinden in hohem Maße erfreulich, für die Länder ge-rade noch erträglich und für den Bund ziemlich schlechtist.
Deswegen muss man ernsthaft darüber nachdenken, obman nicht aus Gründen einer gewissen sozialen Balanceund der Außenwirkung solcher steuerpolitischen Vorha-ben die Besteuerung von Entnahmen bzw. der Dividen-denausschüttung zumindest in dem Maße, wie man denKörperschaftsteuersatz senkt, erhöht.
Ich habe in dem Gesetzentwurf der CDU/CSU gele-sen – was die Unternehmensnachfolge betrifft, beziehtsich ja in diesem Falle alles auf Bayern; Herr Faltlhauserist ja anwesend –, dass zur Gegenfinanzierung der Aus-fälle im Bereich der Erbschaftsteuer vorgeschlagen wird,die Besteuerung der Ausschüttung etwas zu erhöhen,nämlich als Bemessungsgrundlage 57 Prozent zugrundezu legen.Da vermischen sich die Systeme sehr stark. Die Erb-schaftsteuer ist ein System für sich, eine Ländersteuer.Der Vorschlag, das zu machen, kam im Wesentlichenvon den Ländern, vor allem aus Bayern. Wir werdengerne dabei helfen, das so zu gestalten, dass es nicht zueinem Fass ohne Boden für die betroffenen Bundeslän-der wird. Aber die Frage der Herabsetzung der Körper-schaftsteuer und die Frage der Besteuerung von Aus-schüttungen und Dividenden ist etwas, was imZusammenhang betrachtet werden muss. Dies mussauch im Hinblick darauf geschehen, wie der Normalbür-ger, der alles zu seinem persönlichen Steuersatz versteu-ern muss, darauf reagiert, dass wir im Steuerwettlauf derunterschiedlichen Länder in Europa gezwungen sind,nEassuzisrüLvbwtbggnrfDSCrDnflrsDKB
ie Gewerbesteuer bleibt eine Scheibe innerhalb desystems der Unternehmensbesteuerung.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Meister,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Lieber Kollege Schultz, es ist schon eine schwererohung gegenüber dem deutschen Volk, wenn Sie,achdem am gestrigen Tag die Steuerschätzung veröf-entlicht worden ist, bei den Steuergesetzen eine Punkt-andung ankündigen. Wenn die Koalition nach dem gest-igen Tag eine Punktlandung ankündigt,
age ich nur: Schlimmer kann es für die Bundesrepublikeutschland nicht mehr kommen.
Es ist ein absoluter Offenbarungseid, dass sich dieoalition aus SPD und Grünen heute in den Deutschenundestag traut, aber nicht in der Lage ist, die Gesetz-
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Dr. Michael Meisterentwürfe zur Körperschaft- und Erbschaftsteuer, die sieim Kabinett beschlossen hat, dem Deutschen Bundestagvorzulegen.
Sie reden zwar über Ihre Gesetzentwürfe, trauen sichaber nicht, sie vorzulegen.
Dieser Offenbarungseid ist nicht zu überbieten.
Nun könnte man das – wie Sie, Frau Scheel, es tun –mit Formalien abtun und über Bundesrat und Bundestagsprechen.
Hier geht es allerdings um das Essenzielle unserer Poli-tik, die Frage: Wie viel Vertrauen haben die Menschen inden Gesetzgeber? Mit dieser Vorgehensweise zerstörenSie massiv das Vertrauen der Investoren.
Dann wundern Sie sich, dass nicht in Deutschland inves-tiert wird,
dass wir kein Wachstum haben und dass unsere Wirt-schaft nicht in Fahrt kommt.
Lieber Herr Poß, die Vorsitzenden beider Unionspar-teien sind ins Kanzleramt gekommen und haben demRegierungschef die Hand gereicht, um gemeinsam darü-ber nachzudenken, wie wir in Deutschland mehr Be-schäftigung und Wachstum zustande bekommen.
Dabei wurden Vereinbarungen zur Körperschaft-steuer und zur Erbschaftsteuer getroffen. Der Bundes-finanzminister hat, um einen Gesetzentwurf zur Körper-schaftsteuer auf den Weg zu bringen, der sechs DIN-A4-Seiten und neun Paragraphen umfasst,
sechs Wochen gebraucht. Meine Damen und Herren, ichfrage mich: Warum haben wir vor dem Hintergrund derbedrückenden Arbeitslosigkeit in Deutschland einenFinanzminister, der nicht in der Lage ist, diese sechs Sei-ten in kürzerer Zeit aufzuschreiben?–UhSpfszisuteGEFdheinShedaWSwEh
Lieber Herr Schultz, wir haben etwas aufgeschrieben.nser Gesetzentwurf zur Erbschaftsteuer liegt Ihneneute mit seriöser Gegenfinanzierung vor.
ie sind zwar nicht in der Lage zu handeln, aber die Op-osition ist in der Lage zu handeln.
Zu diesem Vorgang will ich Ihnen schlicht und ergrei-end Folgendes sagen: Das, was am heutigen Tag ge-chieht, zeigt dreierlei: Erstens. Unsere Kritik an der un-ureichenden Gegenfinanzierung Ihrer Gesetzentwürfet berechtigt. Sie wird von Frau Scheel von den Grünennd auch von Mitgliedern aus den Reihen der SPD ge-ilt. Ihre eigenen Koalitionskollegen haben erklärt, dieegenfinanzierung von Herrn Eichel sei nicht seriös.
s gibt keine Blockade der Union. Vielmehr ist iminanzministerium unseriös gearbeitet worden. Das ister Punkt.
Der zweite Punkt: Ihre Regierung ist nicht mehrandlungsfähig. Sie hat im Deutschen Bundestag keineigene Mehrheit mehr. Dies dokumentieren Sie heute,dem Sie nicht in der Lage sind, Ihre Entwürfe zurteuergesetzgebung vorzulegen.
Zum Dritten: Ich frage mich, wohin die SPD will. Sieaben einen Partei- und Fraktionsvorsitzenden, der aninem Strang zieht, und Sie haben einen Bundeskanzler,er an einem Strang zieht. Es ist zwar derselbe Strang,ber beide ziehen in die entgegengesetzte Richtung.
ohin will die SPD? Wollen Sie mehr Investitionen amtandort oder weniger? Wollen Sie mehr Wachstum odereniger? Wollen Sie mehr Beschäftigung oder weniger?rklären Sie sich doch einmal! Aber vor dem 22. Maiaben Sie dazu keinen Mut, Herr Poß.
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Dr. Michael MeisterSie sitzen nur da und schreien dazwischen, machen aberkeinen Lösungsvorschlag. Das ist das Problem.
Herr Kollege Poß, da Sie für die Finanzpolitik derSPD verantwortlich sind, will ich Ihnen sagen: Sie habenüberhaupt keine Linie. Sie haben überhaupt keine Vor-stellung davon, wie sich die Finanzpolitik in Deutsch-land entwickeln soll. Sie haben jegliche Verlässlichkeitund jegliches Vertrauen verspielt. Eben hat sich der Kol-lege Schultz so wunderbar zum Thema Fonds geäußert.Das ist ein spannendes Thema. Mich würde interessieren– Frau Kollegin Scheel hat ja gleich das Wort –,
ob das Bündnis 90/Die Grünen der Meinung ist, dass dieFörderung von Windparks und Windenergie abgeschafftwerden soll. Auch würde mich interessieren, ob die Ko-alition einheitlich die Linie vertritt, dass diese Förderungabgeschafft werden soll. Das wäre eine klare und deutli-che Positionierung. Wir sind gespannt, von Frau Scheelzu hören, ob sie das unterstützt, was Herr Schultz geradevorgetragen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, statt Ge-setzentwürfen und klaren Ansagen legen Sie heute einenlapidaren Antrag vor, in dem Sie behaupten, Sie hättendas Steuerrecht gerechter und einfacher gemacht.
Gehen Sie doch einfach einmal in Ihre Wahlkreise undreden Sie einmal mit jemandem, der in einer Firma tätigist, und fragen Sie ihn, ob er denn in der Lage ist, zu er-kennen, wie einfach und gerecht Sie das deutscheSteuerrecht bei der Gesellschafterfremdfinanzierung– § 8 a KStG – gemacht haben!
Gehen Sie doch einmal in ein kleines Unternehmen undfragen Sie, ob die Einnahmen-Überschuss-Rechnung,für die Sie dieses tolle Formular vorgelegt haben, einBeitrag ist, das deutsche Steuerrecht einfacher und ge-rechter zu machen.
Wenn Sie das dort hören, würde es mich wundern;zeigen Sie mir den Menschen, der das erklärt! ZeigenSie mir einen Menschen, der sagt, Ihre rückwirkendenEingriffe hätten das deutsche Steuerrecht einfacher undverlässlicher gemacht! Sie werden keinen finden.
DsShdcWllsznGDszeHvldudrLDzh4dEgHaFiDeh
Wir sind bereit, die notwendigen Reformen anzupa-ken, wir sind handlungsfähig.
ir haben einen Gesetzentwurf zur erbschaftsteuer-ichen Behandlung von Betriebsübergängen vorge-egt. Nach unserer Übergangsregelung soll die Erb-chaftsteuerschuld gestundet werden und innerhalb vonehn Jahren in Jahresschritten abgegolten werden kön-en. Diesen Gesetzentwurf haben wir mit einer seriösenegenfinanzierung ausgestattet.
ies hilft dem Mittelstand, der das Rückgrat unserer Ge-ellschaft ist und hilft, Arbeitsplätze und Beschäftigungu sichern. Deshalb geht es in die richtige Richtung unds wäre an der Zeit, dass Sie nicht dazwischenrufen,err Poß, sondern dass Sie sagen: Jawohl, das ist einernünftiger Vorschlag; wir haben das im Bundeskanz-eramt gemeinsam verabredet und jetzt beschließen wiras, um Klarheit zu schaffen, um Vertrauen zu schaffen,m Berechenbarkeit zu schaffen.
Dann gibt Ihr Finanzminister Hans Eichel den wun-erbaren Hinweis, unsere Gegenfinanzierung sei unse-iös, man wolle hier dem Bund Geld abnehmen, um denändern etwas zu geben.
ie Erbschaftsteuer fließt den Ländern zu 100 Prozentu. Zur Gegenfinanzierung bei der Einkommensteueraben wir den Vorschlag gemacht, sie zu teilen:2,5 Prozent bekommt der Bund, 42,5 Prozent die Län-er, den Rest die Gemeinden. Und dann behauptet Herrichel, der mehr Geld bekommt, ihm würde etwas weg-enommen.
at er denn nicht verstanden, wie die Einkommensteueruf die verschiedenen Ebenen aufgeteilt wird? Hat Ihrinanzminister nicht einmal diesen primitiven Gedankenm Kopf?
a würde ich mir die Frage stellen, was an dieser Stelleigentlich zu tun ist. Der Vorwurf, den Herr Eichel er-ebt, ist unqualifiziert.
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Dr. Michael MeisterEr ist eines Finanzministers der BundesrepublikDeutschland gar nicht würdig.
Ich will zu dem Gesetzentwurf sagen: Wir erleben oftin der Beratung, dass die Koalition, wenn sie etwas vor-legt, zwar Sachverständige zur Anhörung einlädt, aberder Sachverstand eigentlich gar nicht gefragt ist.
Wir haben die Absicht, eine Sachverständigenanhörungzu unserem Erbschaftsteuervorschlag durchzuführen.Wenn es aus dem Kreis der Sachverständigen sachver-ständige Vorschläge gibt, werden wir sie auch berück-sichtigen und einarbeiten. Wir nehmen den Sachverstandin Deutschland ernst.
Deshalb wollen wir ein parlamentarisches Verfahren, dasernsthaft geführt wird und in dem Vorschläge ernsthaftgeprüft werden.Ich will aber auch deutlich machen: Ein paar PunkteKörperschaftsteuer, die Erleichterung bei der Erbschaft-steuer, das sind Steuersatzänderungen, das sind Erleich-terungen für den Mittelstand. Aber das ist doch keineUnternehmensteuerreform.
Bei einer Unternehmensteuerreform müssten wir uns mitder Gewerbesteuer beschäftigen, wir müssten Rechts-formneutralität herstellen. Denn 20 Prozent unserer Un-ternehmen sind Kapitalgesellschaften, 80 Prozent sindPersonenunternehmen. Denen ist mit Veränderungen beider Körperschaftsteuer überhaupt nicht geholfen. UnserSteuerrecht muss EU-tauglich gemacht werden. KeinWort sagen Sie dazu. Es fehlt das Engagement der Bun-desregierung, auf europäischer Ebene eine gemeinsameBemessungsgrundlage anzustreben.
– Liebe Frau Hendricks, ich würde mir mehr Engage-
ment wünschen. Bisher haben Sie bei der Gesellschafter-
fremdfinanzierung – ich habe das angesprochen – und
bei anderen Themen immer die Position bezogen: Wir
warten ab, was der EuGH urteilt. Und wenn der EuGH
geurteilt hat, haben Sie darauf reagiert. Wir brauchen
kein Reagieren, wir müssen agieren,
wir brauchen eine Strategie, wir müssen nach vorne ge-
hen. Daran fehlt es dieser Bundesregierung.
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Ich glaube, notwendig wäre nicht nur die Kraft, in der
teuergesetzgebung einen großen Wurf vorzulegen
wie wir mit dem Konzept 21 – und zu beschließen,
ondern wir bräuchten dringend auch auf den anderen
eformbaustellen endlich eine mutige, entschlossene
nd kraftvolle Bundesregierung, um voranzukommen.
as vermissen wir und wir vermissen leider auch, dass
ie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün,
berhaupt wissen, wohin Sie wollen.
Kollege Meister, wenn Sie noch ein bisschen reden
ollen, dann bleiben Sie da; denn Frau Parlamentarische
taatssekretärin, die Kollegin Hendricks, möchte Ihnen
ine Zwischenfrage stellen.
Frau Abgeordnete Hendricks, ja.
Wenn Frau Hendricks so nett ist, mir eine Frage stel-
en zu wollen, dann werde ich dies selbstverständlich ge-
tatten. Bitte sehr.
Herr Kollege Meister, sind Sie bereit, mit mir gemein-am zu sehen, dass die Bundesregierung alle Anstren-ungen unternimmt, um in Europa zu einer einheitlichenemessungsgrundlage für die Besteuerung der interna-ional tätigen Unternehmen zu kommen? Sind Sie bereit,u sehen, dass es die Bundesregierung war, die den ers-en Vorschlag, der aus der Kommission – damals nochon dem Kommissar Frits Bolkestein – gekommen ist,ufgegriffen hat?
Sind Sie bereit, mit mir zu sehen, dass die letzte Zu-ammenkunft auf der Arbeitsebene hier in Berlin stattge-unden hat und dass mittlerweile 13 Länder unsere Ini-iative stützen?
ind Sie bereit, mit mir zu sehen, dass wir alles daraufnlegen, im ersten Halbjahr 2007, wenn die Bundesre-ierung erneut den Ratsvorsitz hat, zu einem Abschlussu kommen? Sind Sie bereit, mit mir zu sehen, dass wiriese Verabredung mit den Ländern getroffen haben, dieor und nach uns die Ratspräsidentschaft haben, nämlichit Slowenien und Finnland? Sind Sie bereit, mit mir zuehen, dass dies alles ist, was man zurzeit tun kann, und
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Dr. Barbara Hendricksdass wir wirklich auf dem Weg sind, über diese13 Länder hinauszukommen? Denn selbstverständlichwerden irgendwann auch andere Länder, wie zum Bei-spiel Großbritannien, merken, dass man gerade vor demHintergrund der von Ihnen angesprochenen EuGH-Ur-teile nicht mehr ganz allein eine nationale Steuerpolitikmachen kann.
Vielen Dank für die Fragen, Frau Dr. Hendricks.
Ich will zunächst einmal sagen, dass wir einig in dem
Ziel sind – das will ich ausdrücklich unterstreichen –,
dass wir dringend eine gemeinsame europäische Bemes-
sungsgrundlage für die Körperschaftsteuer und im Prin-
zip für die gesamten Unternehmensteuern benötigen,
weil das sowohl den Unternehmen bei grenzüberschrei-
tenden Tätigkeiten helfen als auch viele Dinge im Steu-
errecht erleichtern würde.
Ich bin ausdrücklich der Meinung, dass wir die
Gedanken – die es an der einen oder anderen Stelle
gibt –, dass deshalb auch die Steuersätze harmonisiert
werden müssten, nicht teilen. Ich bin der Meinung, bei
den Steuersätzen sollten wir Wettbewerb anstreben.
– Ich bin gefragt worden, zwar nicht von Ihnen, Frau
Scheel, aber von Frau Hendricks, und ich bin jetzt dabei,
zu antworten.
Ich bin ausdrücklich der Meinung, dass wir bei den
Steuersätzen Wettbewerb brauchen, weil es auch bei der
Leistung Wettbewerb gibt. Deshalb muss auch die Be-
preisung über Steuersätze möglich sein.
Ich bin nicht der Auffassung, Frau Hendricks, dass
rechtzeitig und ausreichend etwas getan worden ist. Ich
habe das Beispiel der Gesellschafterfremdfinanzierung
eben genannt. Mittlerweile gibt es auch weitere Urteile,
bei denen es um die Bemessungsgrundlage bei der Kör-
perschaftsteuer geht. Sie selbst als Vertreterin des Fi-
nanzministeriums haben im Finanzausschuss immer
wieder vorgetragen: Wir warten mal die Urteile des
Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg ab und dann
versuchen wir, diese Urteile in das deutsche Steuerrecht
einzubauen. Meine Ansage ist: Nein, das ist der falsche
Weg. Wir müssen selbst versuchen, eine Idee dafür, wie
eine Bemessungsgrundlage aussehen kann, in die Euro-
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Sie machen es leider zu spät und mit zu wenig Engage-
ent. Wir brauchen hier mehr Tempo und mehr Ge-
chwindigkeit, sonst werden wir einen solchen Tag, wie
ir ihn gestern erlebt haben, immer wieder erleben;
enn auf diesem Weg fließt das Steuersubstrat schneller
b, als wir als nationaler Gesetzgeber hinterherlaufen
nd korrigieren können.
Danke schön.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort Kolle-
en Joachim Poß, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Lieber Kollege Meister, Sie hattenich mehrfach angesprochen, deswegen will ich gernearauf eingehen.
Sie haben das, was Sie ausgeführt haben, garniert miter waghalsigen Behauptung, Sie hätten eine Linie iner Steuer- und Finanzpolitik.
er die Zeitungen seit dem 17. März 2005 aufmerksamelesen hat, der konnte feststellen,
ass Sie jeden Tag in die Büsche abgetaucht sind.
ie sind nur einmal konkret geworden, nämlich mit Hilfees Kollegen Faltlhauser bei der Erbschaftsteuer, übereren Relevanz im Einzelnen noch zu diskutieren seinird.
Schauen Sie sich doch nur die heutigen Agenturmel-ungen an! Dort steht: Union uneins über Entgegenkom-en in Sachen Erbschaftsteuer.
hr Generalsekretär Söder will zur Stabilisierung desaushalts Sozialleistungen kürzen, er sagt aber nichtonkret, was er meint.
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Joachim Poß
Herr Meister will auch in Leistungsgesetze einschnei-den.
Er sagt aber nicht, welche Maßnahmen er dabei im Augehat. Demgegenüber sagt Herr Böhmer, er könne keinenVorschlag dazu machen, an welcher Stelle er in seinemHaushalt noch Einsparungen vornehmen könne. Er fügthinzu, er wisse auch nicht, wo der Finanzminister nochkürzen solle.Mit diesen Beispielen will ich Folgendes deutlich ma-chen: Wenn die Union behauptet, eine Linie in derSteuer-, Finanz- und Haushaltspolitik zu haben, so istdiese Behauptung abenteuerlich. Sie jedenfalls habenkeine Linie. Es gibt nirgendwo so viele Widersprüchewie bei der CDU/CSU.
Sie sind nicht regierungsfähig. Das muss man ganz ein-deutig feststellen.
Ministerpräsident Koch – auch das ist eine heutigeAgenturmeldung – kündigt einen neuen Vorschlag zurSteuerreform an.
Das ist der dritte Steuerreformvorschlag in den letztenbeiden Jahren. Der erste Vorschlag war das Bierdeckel-konzept von Herrn Merz. Der Bierdeckel ist verschwun-den.
– Herr Merz ist auch verschwunden, er ist jetzt bekann-terweise bei einem Hedgefonds tätig, den ich jetzt nichtcharakterisieren will.
Dazu kann sich jeder selbst seine Gedanken machen.Ihr zweites Konzept war das gemeinsame Konzept 21der Union, das eine Nettoentlastung in Höhe von über10 Milliarden Euro bringen sollte. Das gilt jetzt nichtmehr. Herr Koch kündigt an: Es gibt keine Nettoentlas-tung mehr. Sie haben lange gebraucht, um zu diesen Er-kenntnissen zu kommen.Angesichts dieser Meldungen behaupten Sie weiter-hin, Sie hätten eine Linie? Meine Damen und Herren,Herr Kollege Meister, das, was Sie heute Morgen gebo-ten haben, ist lächerlich.
Herr Kollege Meister, wenn Sie wollen, können Sie
arauf reagieren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ehr geehrter Herr Poß, Ihre Koalition ist dafür verant-ortlich, dass dem öffentlichen Gemeinwesen gestern6,8 Milliarden Euro entzogen wurden.
ie macht die Opposition dafür verantwortlich undringt nicht die Kraft auf – ich sage das zu Ihnen, Herroß, als stellvertretendem Fraktionsvorsitzenden derPD –, dafür die Verantwortung zu übernehmen. Stattie Opposition zum Rücktritt aufzufordern, wäre es not-endig, Vorschläge zu machen, wie Sie diese Löchertopfen wollen.
ie sind in der Verantwortung, Sie haben zu regieren. Sieüssen Deutschland sagen, welche Korrekturen Sie vor-ehmen wollen.
Darüber hinaus will ich Ihnen sagen, was Ihr Bundes-inanzminister, der heute Morgen leider nicht hier seinann, heute in der „Welt“ sagt:Das ist nicht die Finanzpolitik, die ich ursprünglichmachen wollte.ier stellt sich schon die Frage, welche Finanzpolitik ge-acht werden müsste. Dazu erwarten wir im Haushalts-nd im Steuerbereich Vorlagen.
Zur Union: Wir haben heute, auch wenn es Ihnenicht gefällt, in Bezug auf die Erbschaftsteuer einen Ge-etzentwurf mit voller Gegenfinanzierung vorgelegt. Wiraben zur Ertragsbesteuerung, zur Einkommensteuer,ur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer in der letztenitzungswoche unser Konzept 21 behandelt. Das ist einlares Konzept für die Steuerreform in Deutschland.
s liegt nur an der von Ihnen nicht erteilten Zustim-ung, dass dieses klare Konzept nicht umgesetzt wor-en ist. Wir haben ein klares Konzept.
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Dr. Michael MeisterIhr Finanzminister verletzt seit drei Jahren dieMaastricht-Kriterien und missachtet seit drei Jahren dasGrundgesetz. Er erzählt uns seit drei Jahren, dass er kei-nen neuen Nachtragshaushalt macht, wenn die Steuer-schätzung kommt. Am Jahresende plant er lediglich ein,wie groß die Verluste geworden sind. Wo ist die Kraft,gegenzusteuern? Warum gibt es keine Haushaltssperre?Warum gibt es nicht sofort einen Nachtragshaushalt?Warum begreifen Sie nicht, dass Sie nicht ständig zulas-ten künftiger Generationen weitere Schulden machenkönnen? Wo ist Ihre Verantwortung, Herr Poß, für diejunge Generation und für die künftigen Generationen?Zwischenrufe, Lachen und Beschimpfen der Oppositionhelfen nicht. Sie müssen Ihrer Verantwortung gerechtwerden.
Ich erteile Kollegin Christine Scheel vom Bünd-
nis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! HerrDr. Meister, anscheinend ist Ihnen entgangen, dass dieSteuerschätzung sowohl für den Bund als auch für dieLänder und die Kommunen gilt. Nach der Steuerschät-zung der Bund-Länder-Kommission werden wir bis zumJahre 2009 56 Milliarden Euro mehr an Steuereinnah-men haben, aber eben nicht so viel, wie ursprünglich ge-schätzt wurde. In der Konsequenz heißt das: Es tut sichgegenüber den heutigen Einnahmen kein Loch auf, son-dern lediglich der Aufwuchs der Einnahmen fällt in dennächsten Jahren geringer aus. Das ist etwas völlig ande-res. Die Schuld dafür können Sie auch nicht der Bundes-regierung in die Schuhe schieben, sondern hier muss diegesamtwirtschaftliche Situation betrachtet werden, dieauch Grundlage der Schätzungen ist. Das wissen Siesehr gut. Deswegen brauchen Sie hier auch keinen sol-chen Popanz aufzubauen.
Zu Ihren Überlegungen hinsichtlich des Verhaltensder deutschen Bundesregierung in Europa kann man nursagen: Guten Morgen, Herr Dr. Meister. Anscheinend istdie Union aus dem Tiefschlaf erwacht.
Im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages habenwir bereits mehrmals darüber diskutiert, wie sichDeutschland auf europäischer Ebene im Hinblick auf dieUnternehmensbesteuerung für die Zukunft positioniert.
Frau Dr. Hendricks hat es klipp und klar gesagt: Esgeht um eine einheitliche Bemessungsgrundlage. DieBduAggdsirtzhrdhFzau1DBDeDcgSwHgAbtt
Zu diesem Popanz, den Sie mit der aktuellen Diskus-ion zu diesen beiden Gesetzentwürfen aufbauen, kannch Ihnen nur sagen: Ich bin sehr froh, dass der Bundes-at bzw. das Gremium, das über die Einhaltung der Fris-en entscheidet, mit großer Weisheit eine Fristverkür-ung beschlossen hat. Damit haben wir vom Verfahrener ein Optimum erreicht, indem wir jetzt beide Regie-ungsentwürfe von Rot-Grün schon im Bundesrat haben.
Die Stellungnahme des Bundesrates wird erstellt under Finanzausschuss des Bundestages – das haben wireute Morgen besprochen und gemeinsam mit allenraktionen vereinbart – kann am 15. Juni eine Anhörungu diesem Sachverhalt durchführen. Damit können diebschließende Beratung im Finanzausschuss Ende Junind die zweite und dritte Lesung hier im Bundestag am. Juli stattfinden.
anach können die Beschlüsse des Bundestages demundesrat zu seiner Sitzung im Juli zugeleitet werden.as ist genau so, wie wir es immer gesagt haben und wies sich der Bundeskanzler gewünscht hat.
eswegen bitte ich Sie: Hören Sie auf, hier einen sol-hen Popanz aufzubauen, als ob es uns um Verzögerun-en gehen würde.
In der Zeitung liest man jetzt: Front gegen rot-grünesteuergesetz bröckelt! CDU-Finanzminister Stratthausirkt auf Union ein! Ich finde das sehr interessant.
err Stratthaus, der immerhin Finanzminister eines sehrroßen, von der CDU regierten Bundeslandes ist, ist deruffassung, dass wir diese Reformen jetzt dringendrauchen. Er sagt, wenn sie jetzt scheitern, wäre die Ent-äuschung in der Wirtschaft ein weiterer Belastungsfak-or für die Stimmung in Deutschland.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005 16605
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Christine ScheelDa kann ich nur sagen: Da hat Herr Stratthaus völligRecht.
Deswegen ist es wichtig, dass wir hier vereinbaren,
ein Stück voranzukommen, und zwar sehr schnell. Hö-ren Sie von der Union auf, Ihre schon ausgetretenenPfade noch weiter auszulatschen.
Hören Sie mit diesen polemischen Auseinandersetzun-gen auf.
Gehen Sie mit uns auf die Fachebene. Der Jobgipfel istein Aufbruchsignal.
Letztendlich wollen wir alle, dass die Steuersätze imUnternehmensbereich mit Blick auf Europa gesenkt wer-den und auch Entlastungen für die kleinen und mittel-ständischen Unternehmen erreicht werden. Natürlichwollen auch wir keine Finanzlöcher.
So ist es – Frau Merkel ist jetzt gerade nicht anwesend –vereinbart. Alle Seiten – ich sage das wirklich sehrernst –, Rot-Grün und die Union, müssen jetzt an derUmsetzung dieser beiden Gesetzentwürfe konstruktiv ar-beiten.
Fest steht: Wir sind für Finanzierungsvorschläge ge-sprächsbereit.
Die Union ist bis heute – genau das ist das Problem – da-für, die Steuersatzsenkungen umzusetzen, sagt aber, dassdas, was an Finanzierungsvorschlägen vonseiten desFinanzministeriums vorliegt, im Kabinett von Rot-Grünverabschiedet,
nicht ausreichend ist. Sie selbst hat aber noch keinen ein-zigen Vorschlag gemacht.OksdkgcGVtengSliEicFddvdaawWSEsbWV
Ziel ist natürlich, dass wir in Richtung Rechtsform-eutralität gehen. Das ist überhaupt keine Frage. Dazuibt es auch einen Vorschlag von den Grünen. Herrtoiber hat diesen Vorschlag der Grünen übrigens öffent-ch als mehr oder weniger guten Vorschlag bezeichnet.
r hat auch die Wortwahl übernommen. Inzwischen binh gespannt, was der Finanzminister sagen wird. Inernsehsendungen hat sich der bayerische Ministerpräsi-ent in dieser Frage eindeutig geäußert.
Fest steht aber auch, dass es keinen Sinn macht,
ie Körperschaftsteuer zum jetzigen Zeitpunkt – das iston Herrn Glos gesagt worden, der immerhin CSU-Lan-esgruppenchef ist, das ist von Herrn Dr. Meister unduch von Edmund Stoiber unterstrichen worden – nuruf 22 Prozent zu senken.
Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition,enn man so etwas tut, dann muss man es richtig tun.
ir brauchen auch für Investoren ein europapolitischesignal.
s macht keinen Sinn, in Holperschritten Steuersätze zuenken, die uns international keinen Schritt nach vorneringen.
enn wir es machen, dann machen wir es gescheit. Dieorschläge liegen auf dem Tisch.
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Christine ScheelIch bitte Sie – das sage ich zum dritten Mal –, sich darankonstruktiv zu beteiligen.
Sie können Ihre Rede jetzt freiwillig beenden, aber
Sie können sie nach Überschreiten der Redezeit nicht
noch durch das Zulassen einer Frage verlängern.
Das ist sehr schade; denn ich hätte gerne gehört, was
Herr Kalb dazu zu sagen hat. Vielleicht hätte er für die
Union einen Vorschlag gemacht, wie sich die Union die
Finanzierung dieser Steuersenkung vorstellt.
Ich hoffe, wir kommen in der Auseinandersetzung wie-
der auf einen ruhigen Pfad und können die Polemik ins-
gesamt beenden.
Dann können wir für das Land gemeinsam entscheiden,
wohin wir wollen. Wir von Rot-Grün wissen, wohin wir
wollen. Beteiligen Sie sich daran. Das wäre schön.
Danke schön.
Zu einer Kurzintervention erhält das Wort der Kollege
Hans Michelbach für die CDU/CSU-Fraktion.
Nachdem Sie die Frage des Kollegen Bartholomäus
Kalb nicht zugelassen haben, bitte ich Sie – –
Einen Augenblick, bitte. Gelegentlich empfehle ich
vor unnötigen Zwischenrufen, einen Blick in die Ge-
schäftsordnung des Deutschen Bundestages zu werfen.
Nach dieser ist es völlig unerheblich, ob es für eine
Wortmeldung zu einer, wie es in der Geschäftsordnung
heißt, Zwischenbemerkung einen unmittelbaren Anlass
gibt, den der vorherige Redner geboten hat. Im Übrigen
muss ich auch nicht darauf hinweisen, dass die meisten
solcher Anlässe notfalls kunstvoll hergestellt werden.
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Herr Kollege Michelbach, Sie sind doch jemand, dermmer wieder fordert, dass wir Kapitalgesellschaftennd Personengesellschaften gleichbehandeln sollen.ie sind jemand, der fordert, genau wie Herr Dr. Meisteras heute getan hat, was ich übrigens richtig finde, dassir, was die Unternehmensbesteuerung anbelangt, zuiner rechtsformneutralen Lösung kommen sollten. Kön-en Sie mir bitte einmal erklären, warum Personenge-ellschaften eine andere Regelung haben, was steuerli-
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Christine Scheelche Abzugsfähigkeiten für Kosten im Zusammenhangmit steuerfreien Einnahmen anbelangt, als das bei denKörperschaften der Fall ist?
Wir haben bei den Körperschaften die Situation, dasses steuerfreie Einnahmen gibt, auf der anderen Seite aberein steuerliches Abzugsverbot für Kosten im Zusam-menhang mit diesen steuerfreien Einnahmen so nichtexistiert. Unser Ziel ist eine Gleichbehandlung von Per-sonengesellschaften und Körperschaften. Wir müssenuns gemeinsam überlegen, wie wir diesem Ziel näherkommen. Jedenfalls kann es nicht sein, dass man sich– die Entwicklung hat in den letzten Jahren zugenom-men – über Abzugsmöglichkeiten in Deutschland steuer-lich auf Kosten derjenigen, die hier Steuern zahlen, sa-niert.
Die Konsequenz ist nämlich, dass die Verlagerung vonArbeitsplätzen steuerlich indirekt subventioniert wird.Das ist der Punkt. Dafür bedarf es einer Lösung. Ich bitteSie, zu bedenken, dass es für Personengesellschaften undfür Körperschaften eine gemeinsame Zielrichtung gibt.Personengesellschaften können das nämlich nicht. Inter-national operierende Unternehmen aber können das. Ichweiß, dass wir eine europataugliche Regelung brauchen.Das ist richtig.
Es gibt Vorschläge, die nicht europarechtswidrig sind,über die wir im Verfahren diskutieren werden.Danke schön.
Das Wort erhält nun der Staatsminister für Finanzen
des Freistaats Bayern, Professor Faltlhauser.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eigentlichbin ich ja für 9 Uhr hierher bestellt worden.
Die Absetzung der Einbringung des Gesetzes scheintmir ein bemerkenswerter Vorgang zu sein.
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Ich stelle fest, dass die Bundesregierung keine Vor-rbeiten für eine große Steuerreform getroffen hat, Herroß.
ie Opposition hat dies sehr wohl getan. In diesem Hausiegt ein einstimmig beschlossener Entwurf der CDU/SU vor, der das gesamte Einkommensteuerrecht bis insetail abdeckt.
r muss zwar noch um die Komplexität der Unterneh-ensteuerreform ergänzt werden, aber – dies hat Herroch heute in der Presse angekündigt – wir werden iniesem Jahr rechtzeitig vor den Wahlen ein Gesamtkon-ept vorlegen. Dabei handelt es sich nicht um ein völligeues, sondern um ein ausgearbeitetes Konzept. Ichätte mir gewünscht, dass die Bundesregierung ein sol-hes Konzept vorgelegt hätte. Das ist ihre Aufgabe.
Beim Jobgipfel wurde hinsichtlich der Vorschlägeur Steuersenkung – die wir ausdrücklich begrüßen,rau Hendricks – die volle Gegenfinanzierung klar ver-inbart. Damit ist eine belastbare Gegenfinanzierung ge-eint. Gegenfinanzierung heißt nicht, dass irgendwelcheteuerentlastungen auf Pump vorgenommen werden.ies ist heute nicht mehr vertretbar. Eine volle Gegen-inanzierung bedeutet: keine virtuellen Einnahmen,eine Einnahmen nach dem Prinzip Hoffnung.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auf Nord-hein-Westfalen zu sprechen kommen. Nordrhein-estfalen wird nach der jüngsten Steuerschätzung imächsten Jahr wohl zusätzliche Einnahmeausfälle inöhe von 1,5 Milliarden Euro zu verkraften haben. Wieoll die dortige Regierung – sicherlich eine andere alsetzt – dann noch zusätzlich Löcher stopfen können, die
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Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser
sich aus irgendwelchen virtuellen Einnahmen ergeben,wie es nach den Vorstellungen der Bundesregierung not-wendig wäre? Insofern muss die Gegenfinanzierung so-lide sein.Wir haben doch beim Amnestiegesetz bereits ent-sprechende Erfahrungen gemacht, meine Damen undHerren von der Regierungsseite. Zunächst hatte man auf20 Milliarden Euro gehofft. Im Gesetz selber ging mandann noch von 5 Milliarden Euro aus. Im Ergebnis sindes dann 1,2 Milliarden Euro geworden. Aus dieser Er-fahrung muss man doch lernen. Es geht doch nicht an,auch weiterhin von solchen Hoffnungen auszugehen,
wie es im Gesetzentwurf der Bundesregierung der Fallist. Darin heißt es:Durch die Senkung des Körperschaftsteuersatzeswird bei vorsichtiger Schätzung– ich betone: bei vorsichtiger Schätzung. –davon ausgegangen, dass zunächst 6,5 MilliardenEuro zukünftig wieder der deutschen Besteuerungunterworfen werden, da sich eine Gewinnverschie-bung in ein anderes EU-Land vielfach steuerlichnicht mehr lohnt. Hieraus ergeben sich Mehrein-nahmen von 2,2 Milliarden Euro.
Das ist doch eine Illusion. Sie können doch nicht glau-ben, dass Unternehmen in Massen zur Besteuerung indieses Land zurückkehren, in dem gleichzeitig die Ge-winnerwirtschaftung durch die Unternehmen verteufeltwird und eine rüde Kapitalismusdebatte stattfindet. Da-hin kehrt kein einziger Unternehmer zurück.
Das Vertrauen in dieses Land ist zerstört. Deshalbwerden die Unternehmer nicht zurückkehren. Insofernist die Annahme, dass zusätzliche Einnahmen in Höhevon 2,2 Milliarden Euro anfallen werden, in höchstemMaße illusionär.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein. – Auf der Grundlage dieser virtuellen Einnah-men können Sie mit uns keine seriöse Vereinbarungschließen.
– Auch wenn Sie so laut schreien, retten Sie Nordrhein-Westfalen nicht mehr, Herr Poß.
Ich habe den Eindruck, das ist ein Hilferuf nach außen.Sgl5mgMnimgnek2lssdigadddVdDskDghugdsDkSeb
ie machen bis zum übernächsten Sonntag nichts mehrut.
Lassen Sie mich etwas zu der Möglichkeit der Ver-ustverrechnung anmerken, deren Beschränkung Sie auf0 Prozent anheben wollen. Wir haben bereits im Ver-ittlungsausschuss deutlich gemacht: Der Sinn des Job-ipfels liegt doch in der Schaffung von Arbeitsplätzen.it dieser Erhöhung der Mindestbesteuerung ver-ichten Sie aber Arbeitsplätze. Das ist die Realität. Dasst das Gegenteil von dem, was wir wollen.
Auch die Hebung der stillen Reserven bei Unterneh-ensimmobilien, um die es in der Debatte um REITseht, ist kompliziert genug. Aber davon Steuermehrein-ahmen in Höhe von 700 Millionen Euro oder mehr zurwarten, ist doch, halten zu Gnaden, windig. So etwasönnen wir doch nicht ernsthaft diskutieren wollen.
Ich bin bis zur Hälfte mit der Finanzierung – also,5 Milliarden Euro – einverstanden. Alles, was darüberiegt – bis zu den 5,2 Milliarden Euro –, ist ein unseriö-er Ansatz. Sie brauchen auch nicht mit dem ausge-treckten Finger auf die Opposition zu zeigen. Es istoch Ihre Aufgabe, seriöse Vorschläge zu machen. Dasst die Aufgabe der Regierung.Lassen Sie mich noch etwas zum Erbschaftsteuer-esetz sagen. Pro Jahr stehen etwa 70 000 Unternehmenn der Schwelle zu einem Generationenwechsel. 10 000avon hören dabei auf zu existieren. Richtig ist zwar,ass es schon heute eine Stundungsregelung gibt. Aberiese ist für einen Vergleich völlig ungeeignet; denn dieoraussetzungen für eine Stundung sind restriktiv undurch die Rechtsprechung noch restriktiver geworden.ie kann kein Unternehmen erfüllen. Wer das zum Maß-tab für den zukünftigen Erfolg des Gesetzes nimmt, hateine Ahnung.
ie Praxis wird beweisen, dass die von uns vorgeschla-ene Regelung tatsächlich greift und Arbeitsplätze er-ält. Gott sei Dank hat die Bundesregierung das erkanntnd einen – abgesehen von zwei Abweichungen – wort-leichen Gesetzentwurf vorgelegt.Aber das Gesetz steht nur auf einem Bein. Es kannoch nicht angehen, dass eine Regierung ein großes Ge-etzeswerk ohne Gegenfinanzierung verabschiedet.as hat es noch nie gegeben. Wohin sind Sie denn ge-ommen, Frau Hendricks? Das geht doch nicht. Wennie einen Gesetzentwurf vorlegen, müssen Sie auch fürine entsprechende Gegenfinanzierung sorgen. Wir ha-en das getan.
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Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser
Zur Gegenfinanzierung will ich noch eines sagen:Frau Hendricks, wenn wir mit einer Gegenfinanzierungin einer Größenordnung von 2,5 Milliarden Euro ein-verstanden sind, dann kommen Sie auf eine Senkung desKörperschaftsteuersatzes auf 22 Prozent. – FrauHendricks, Sie irren nicht nur in der Politik, sondern nunsogar auch hier herum.
Wenn Sie also von einer Gegenfinanzierung in Höhe von2,5 Milliarden Euro ausgehen, dann können Sie denKörperschaftsteuersatz auf 22 Prozent senken. Das heißtnicht, dass das unser Ziel ist. Aber bis dahin reicht es.Darüber hinaus muss die Bundesregierung zusätzlicheVorschläge vorlegen. Es ist dann logisch, dass man dasauf die Besteuerung der Dividenden umlegt. Herr Solms,es ist aber keine Erhöhung, sondern eine Anpassung derDividendenbesteuerung an eine Senkung der Körper-schaftsteuer.
Herr Minister, darf die von Ihnen angesprochene Kol-
legin Hendricks eine Zwischenfrage stellen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aber sehr gerne, Frau Kollegin.
Bitte schön.
Herr Kollege Faltlhauser, darf ich Ihnen die Frage zu-
rückgeben? – Sie haben mich gerade mehr oder weniger
rhetorisch gefragt, wohin wir gekommen seien, und ge-
sagt, das habe es noch nie gegeben, dass eine Regierung
einen Steuergesetzentwurf ohne Gegenfinanzierung vor-
gelegt habe. Darf ich Sie daran erinnern, dass erstens
jede Nettoentlastung notwendigerweise ohne Gegen-
finanzierung stattfinden muss und dass zweitens diese
Bundesregierung Nettoentlastungen in einer Größenord-
nung von 56 Milliarden Euro für Familien, Arbeitneh-
mer und mittelständische Unternehmen durchgesetzt
hat? Darf ich Sie im Übrigen daran erinnern, dass es ge-
rade Ihre Seite – nicht zuletzt Frau Merkel – war, die uns
immer dann, wenn wir eine Gegenfinanzierung ange-
mahnt haben, das Wort von „rechter Tasche, linker Ta-
sche“ vorgehalten hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin, zum Thema Gegenfinanzierung zweiAntworten: Erstens. Ich habe gestern und heute in denZeitungen gelesen, dass Herr Eichel behauptet: Die Lö-cher, die nun im Haushalt entstanden sind, sind nicht zu-letzt deshalb da, weil die Opposition im Bundesrat nichtbereit ist, den Abbau bestimmter Subventionen mitzu-tragen.
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azu haben Sie nichts vorgelegt. Sie hätten ja sagenönnen: Ich will diese Erbschaftsteuerregelung nicht.ber die Bundesregierung hat sie beschlossen. Offenbaribt es in Ihren Reihen – die entsprechenden Leute sindicht anwesend – ein Murren. Das ist der eigentlicherund, warum Sie dafür gesorgt haben, dass die Debatteber die Körperschaftsteuer abgesetzt wird. Das, was Sieufführen, ist eine erbärmliche Veranstaltung.
Frau Kollegin Hendricks, um Sie zu trösten, möchtech noch etwas zu dem Wunderfinanzierungsvorschlagon Frau Scheel sagen. Hier bin ich nämlich völlig Ihrereinung. Sie haben der Vorsitzenden des Finanzaus-chusses ein ausgezeichnetes zweiseitiges Papier zuge-chickt.
ieses Papier entspricht völlig meiner Auffassung. Daeißt es: Die Vorstellung von Frau Scheel verfälscht underkürzt die tatsächliche Rechtslage.
ußerdem heißt es: Die Umsetzung des Absetzungsver-ots scheitert aber regelmäßig daran, dass es praktischicht möglich ist, die nicht abziehbaren Betriebsausga-en den Beteiligungserträgen direkt zuzuordnen. Danneißt es: Nicht zuletzt hätte eine Verschärfung des Be-riebsausgabenabzugsverbotes zudem nachteilige stand-rtpolitische Wirkungen. – Sehr wahr, Bundesregierung!ch fordere Sie auf: Einigen Sie in dieser Koalition sichndlich auf wichtige steuerpolitische Maßnahmen.
ie haben völlig unterschiedliche Auffassungen. Sieelbst versagen und geben dem Bundesrat die Schuld. Esommt auch vor, dass der eine Koalitionspartner etwasöllig anderes als der andere sagt. Dieses Doppelspieluss endlich aufhören.
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Staatsminister Dr. Kurt Faltlhauser
Ich glaube, dass der Jobgipfel und die entsprechendenSteuersenkungsvorhaben eine Chance sind. DieseChance muss aber entschlossen und auch korrekt genutztwerden. Frau Hendricks, ich glaube, dass die Bundes-regierung hier noch viele Hausaufgaben machen muss.Wir sind zwar konstruktiv eingestellt, aber wir sind nichtdiejenigen, die für Sie die Arbeit erledigen. Sie sind ge-wählt worden, um konkrete Vorschläge zu machen. Ma-chen Sie sie endlich!
Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele
für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenKolleginnen und Kollegen! Am 17. März hat der Bun-deskanzler hier, im Plenum des Deutschen Bundestages,eine Regierungserklärung abgegeben
und am Nachmittag fand im Kanzleramt der Jobgipfelstatt. Dort hat der Bundeskanzler nach Abstimmung mitden Grünen erklärt, dass die Körperschaftsteuer gesenktund der Betriebsübergang für Familienunternehmen er-leichtert werden soll. Das Kabinett hat dann mit denStimmen der grünen Minister einen solchen Gesetzent-wurf beschlossen.Heute, knapp zwei Monate später, sollte dieser Ge-setzentwurf hier im Deutschen Bundestag debattiert wer-den. Ich muss fragen – ein Großteil der Debatte drehtsich um genau diese Entwürfe –: Warum debattieren wirüber diese Entwürfe hier eigentlich nicht ordentlich?Warum liegen diese Entwürfe hier nicht vor?
Das hat einen ganz simplen Grund: Am Dienstag fin-gen die Grünen an, dem Kanzler auf der Nase herumzu-tanzen. Die Fraktion der Grünen hat sich geweigert, die-sen Gesetzentwurf in den Deutschen Bundestageinzubringen. Darum wurde die heutige Debatte abge-setzt.
Das zeigt: Die rot-grüne Koalition ist überhaupt nichtmehr handlungsfähig.Parallel zeigt die Steuerschätzung vom gestrigenTage, dass die gesamte Politik von Rot-Grün ein einzi-ges Chaos, eine einzige Konfusion darstellt.
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n seinen Hochzeiten erklärte er: Im Jahr 2005 werdenir keine Neuverschuldung mehr haben und ab demahr 2006 wird der Staatshaushalt Überschüsse produ-ieren. Nun zeigt die Steuerschätzung, dass es in denächsten Jahren ein Steuerloch in Höhe von8 Milliarden Euro geben wird. Das ist das Ergebnis ei-er gescheiterten Politik. Über dieses Ergebnis kannan nicht hinwegtäuschen, indem man sagt: Im erstenuartal gab es ein Wachstum von 1 Prozent. Darüberreuen auch wir uns. Aber die Regierung ist von,7 Prozent ausgegangen und auch dieser Wert ist nichtrreicht worden.
In neun Tagen ist Landtagswahl in Nord-hein-Westfalen. Die letzte rot-grüne Landesregierung,ie es in Deutschland als Auslaufmodell überhaupt nochibt, steht auf dem Prüfstand. Es sind schwierige Zeitenür Rot-Grün. Ich erinnere mich noch an früher: Gerade der SPD galt in schwierigen Zeiten immer, Solidari-ät mit seinen Partnern zu üben.Jetzt erleben wir, wie sich die Grünen vor der Land-gswahl in NRW gegenüber ihrem KoalitionspartnerPD in unglaublicher Weise profilieren. Der Kabinetts-ntwurf wird von den Fraktionen nicht übernommen undie Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschenundestages, Frau Scheel – derzeit zieht sie dem Verfol-en der Debatte das Telefonieren vor –,
at erklärt, dass es in der nächsten Sitzungswoche nur ei-en Gesetzentwurf der Regierung und keinen der Koali-onsfraktionen geben wird.Heute haben wir die vorläufige Tagesordnung für dieächste Sitzungswoche erhalten und auf dieser Tages-rdnung steht ein solcher Koalitionsentwurf nicht; da-auf steht nur die Debatte über die beiden Regierungs-ntwürfe. Wenn das in der nächsten Sitzungswoche aberas Einzige ist, über das wir uns in dem Zusammenhangnterhalten, frage ich mich: Warum haben wir das dannicht heute schon behandelt?
arum konnte dann heute nicht zumindest über die Re-ierungsentwürfe förmlich diskutiert werden? – Das istin abenteuerliches Verhalten.Das zeigt: Solidarität ist eine Sekundärtugend – sourde sie von Lafontaine einmal bezeichnet – und dieseekundärtugend ist den Grünen fremd. Sie zeigen Soli-arität nicht einmal gegenüber dem KoalitionspartnerPD. Das führt dazu, dass die SPD die Grünen öffentlicheschimpft und sagt, die Grünen sollten aufhören, Pfeileufs eigene Lager zu schicken.Ein solcher Koalitionspartner ist kein Partner, mitem man verantwortungsvoll Politikmodelle, über die
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Carl-Ludwig Thielewir ja diskutieren können, verfolgen kann. Wer in einersolchen Form zeigt, dass er überhaupt keine Rücksichtauf den Partner nimmt, der hat Vertrauen verspielt.Ich wünsche mir, dass wir zu einer Einigung in die-sem Bereich kommen. Die FDP steht dafür bereit. Ge-rade bei der Erbschaftsteuer geht es um das Modell,das die FDP als einzige Partei ins Wahlprogramm ge-schrieben hat.Einen Punkt verstehe ich an der Stelle allerdingsnicht. Wie lässt sich dann, wenn der Betriebsübergangerleichtert werden soll, eine Grenze von 100 MillionenEuro rechtfertigen? Wir halten sie für verfassungswidrig.Es wird ja gesagt, die Arbeitsplätze stünden im Vorder-grund. Bei Kapitalgesellschaften ist es so: Wenn ein Ak-tionär verstirbt, wird das Depot bewertet, ein Wert fest-gelegt und die entsprechende Summe gezahlt. DieAktiengesellschaft verliert keinen Cent Kapital. Das istim Mittelstand anders.
Herr Kollege Thiele – –
Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident. – Wir
brauchen aber eine Stärkung des Mittelstands, weil dort
die Arbeitsplätze sind.
Es macht keinen Sinn, zu sagen: „Bei 100 Millionen
Euro, also wenn ein Unternehmen besonders erfolgreich
ist, gilt das nicht mehr“; denn diese Firmen haben genau
dieselben Probleme. Insofern appelliere ich an die
Union, diese Grenze zu überprüfen.
Herzlichen Dank.
Ich erteile der Kollegin Gabriele Frechen, SPD-Frak-
tion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lieber Herr Dr. Wissing, ich bin Ihnen ausge-sprochen dankbar dafür, dass Sie Ihren Regierungsent-wurf, den Sie zurückgezogen haben, noch einmal er-wähnt haben.
– Ihren Gesetzentwurf, Entschuldigung. Sie werden aberauch ab 2006 keine Regierungsentwürfe machen, auchwenn sich Herr Thiele hier gerade als neuer Koalitions-partner – statt der Grünen – angebiedert hat.
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Auf Ihre Große Anfrage, die heute auf der Tagesord-ung steht – auch wenn es ungewöhnlich ist, möchte ichber das sprechen, was auf der Tagesordnung steht –,omme ich gern zurück. Die Bundesregierung hat Ihneneantwortet: niedrigere Steuersätze, weniger Ausnah-en und kein Reformschritt ohne Vereinfachung. Dieundesregierung wird ihre Steuerpolitik auch in Zukunftn diesen bewährten Maximen ausrichten.
iese Auffassung teilt die SPD-Bundestagsfraktion vollnd ganz. – Ich habe gewusst, dass an der Stelle ein Zwi-chenruf kommt. Ich werden Ihnen das nachweisen, Herrr. Wissing.Erste Maxime: niedrigere Steuersätze. Zu Ihrer Zeitusste jeder und jede Steuerpflichtige vom erstenteuerpflichtigen Euro an – wir hatten damals noch die-Mark; aber die Kolleginnen und Kollegen können in-oweit, denke ich, folgen – 25,9 Cent Einkommensteuerezahlen. Heute sind es noch 15 Cent. Wir haben denpitzensteuersatz von 53 auf 42 Prozent sowie den Kör-erschaftsteuersatz auf 25 Prozent gesenkt. Die Planungür die nächste Zeit sieht eine Senkung auf 19 Prozentor. Das ist in Europa wettbewerbsfähig.
Herr Dr. Meister, Sie haben eben angemerkt, dass dieersonengesellschaften nichts von der Senkung desörperschaftsteuersatzes hätten. Da gebe ich Ihnenecht. Aber was ist denn mit der Anrechnung der Ge-erbesteuer auf die Einkommensteuer? So etwas hat esu Ihrer Zeit nie gegeben. Für Personengesellschaften istoch die Gewerbesteuer heute überhaupt kein Themaehr.
ie sehen also, die erste Maxime wurde voll erfüllt.Zweite Maxime: weniger Ausnahmen. Jetzt könnteh natürlich das von Ihnen blockierte Steuervergüns-gungsabbaugesetz anführen oder die Eigenheimzu-ge. Das ist aber, wie ich denke, schon zu oft getan wor-en. Ich gehe noch ein bisschen weiter in dieergangenheit zurück. Erinnern Sie sich noch an dasteuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002?
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Gabriele Frechen
Darin enthalten waren: Begrenzung der Verlustverrech-nung, Streichung der Abzugsfähigkeit von Verlusten ausausländischen Betriebsstätten in DBA-Staaten, Beseiti-gung des Missbrauchs beim Zwei-Konten-Modell, Ab-zugsverbot von Schmier- und Bestechungsgeldern imAusland. Das sind nur vier von 70 Ausnahmen, die mitdiesem Gesetz wirksam beseitigt wurden.Das Finanzamt Bad Homburg, ein Finanzamt mit zu-gegebenermaßen überdurchschnittlich vielen gut verdie-nenden Menschen, musste noch 1997 3,1 MillionenEuro mehr an Einkommensteuer auszahlen, als es einge-nommen hatte. Im Jahr 2001 dagegen betrug die veran-lagte Einkommensteuer 128,3 Millionen Euro und in2002 181,9 Millionen Euro.
Also war auch die zweite Maxime erfolgreich.
Dritte Maxime: Vereinfachung. Wer hätte nicht gerneein Steuerrecht, das einfach und gleichzeitig gerecht istund dem Staat die Einnahmen bringt, die er zur Erfül-lung seiner Aufgaben braucht?
Aber keines der konkurrierenden Modelle – das habendie Landesfinanzminister festgestellt; ich erinnere an dieDiskussion von vor drei Wochen – erfüllt diese Bedin-gungen. Ein Modell ist nämlich entweder einfach odergerecht. Beides geht nicht. Die Folge der Umsetzung ei-nes der Reformmodelle wäre, dass eine Umverteilungvon unten nach oben vorgenommen würde. Das gilt üb-rigens auch für das Modell, das sich die Union auf dieFahnen geschrieben hat und mit dem im Moment HerrRüttgers versucht, den Menschen in Nordrhein-Westfa-len Sand in die Augen zu streuen.
Die Vereinfachung besteht nämlich unter anderem darin,dass Sie die Pendlerpauschalen sowie die Steuerbefrei-ung für Sonn- und Feiertagsarbeit und für Nachtzu-schläge streichen wollen. Auf dieser Basis wollen Siedie Steuersätze senken. Wenn Sie noch mehr Beispielebrauchen, empfehle ich Ihnen, meine Rede von vor dreiWochen durchzulesen. Bergmannsprämie, Wohngeldund Mutterschaftsgeld habe ich da erwähnt.Es gibt aber noch einen weiteren Ansatzpunkt fürVereinfachung, nämlich die Steuervereinfachung imVollzug, so wie es in unserem Antrag steht: Steuerver-einfachung betreiben, ohne dabei die Gerechtigkeit ausden Augen zu verlieren. Die Frage, die sich stellt und aufdie wir in Nordrhein-Westfalen eine Antwort gefundenhaben,lpegzevltaznzfpZSWHrwFblgulauSlDegUwsüAB
autet: Wie machen wir es einfacher für den Steuer-flichtigen? Dafür ist die Höhe des Steuersatzes wenigerrheblich. Entscheidend ist das Verfahren. Dienstleistun-en, Bürgerorientierung, Härte gegenüber Steuerhinter-iehern zeigen und zuvorkommend gegenüber Steuer-hrlichen sein – das sind die Dinge, auf die es ankommt.
Der SPD-Finanzminister Jochen Dieckmann hat dieereinfachte Steuererklärung in Nordrhein-Westfa-en zusammen mit Finanzbeamtinnen und Finanzbeam-en entwickelt, erprobt und auf alle Finanzämter in NRWusgeweitet. Ich will meinen Rat aus der letzten Sit-ungswoche wiederholen: Besuchen Sie doch endlich ei-es der dieses Verfahren anwendenden Finanzämter,um Beispiel in Bochum, Geldern oder Herne. Ein Zu-riedenheitsgrad von 96 Prozent der betroffenen Steuer-flichtigen spricht für Jochen Dieckmann.
wei von drei Steuerpflichtigen können damit ihreteuerklärung auf einem einzigen Blatt Papier abgeben.er Kinder hat, braucht zwei Blätter. Für mehr als dieälfte der Steuerpflichtigen wird damit die Steuererklä-ung deutlich einfacher und der Gerechtigkeitsanspruchird nicht angetastet. Da wundert es nicht, dass dieinanzminister aller Länder, also auch Herr Faltlhauser,eschlossen haben, diese Form ab 2005 in allen Bundes-ändern zuzulassen.Sie sehen, die von Ministerpräsident Peer Steinbrückeführte Landesregierung hält nicht so viel von Steuer-topien, die von Vereinfachung sprechen und Umvertei-ung meinen. Sein „Bierdeckel“ hat DIN-A4-Format,ber er hat den großen Vorteil, dass es ihn wirklich gibt,nd zwar in ganz großer Zahl.
Wir stimmen überein, dass die Vereinfachungen imteuerrecht weitergehen müssen, sowohl in der materiel-en als auch in der praxisorientierten Anwendung.
ie Weiterverarbeitung der elektronischen Steuer-rklärung zur elektronischen Steuerkarte ist ein wichti-er Schritt auf diesem Weg; die Abgabe der Lohn- undmsatzsteuervoranmeldungen auf elektronischem Wegar ein weiterer. Seit der Einführung von Elster-Lohnind 35 Millionen elektronische Steuerbescheinigungenbermittelt worden. Jede Lohnbuchhalterin und jederuszubildende im Betrieb kann Ihnen sagen, was das anürokratieabbau bedeutet.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005 16613
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Gabriele FrechenDie einheitliche Wirtschaftsidentifikationsnum-mer soll ein weiterer Baustein sein. Ich gehe davon aus,liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema ist Ihnenebenfalls noch bekannt. Eine bundeseinheitliche Wirt-schaftsnummer, die die Steuernummer ersetzt und diedie Betriebsnummer bei Krankenkassen und Arbeits-agentur sowie die Beitragskontonummer bei der Berufs-genossenschaft und den Kammern ersetzen könnte,klingt bei dem Nummernsalat, den wir in den Betriebenhaben, fast wie eine Vision. Es ist aber keine. DieserPunkt nahm, wie im Protokoll nachzulesen, breitenRaum in der Ausschusserörterung zum Steueränderungs-gesetz 2003 ein. Das Ergebnis kennen Sie; es war wieimmer: Sie haben Nein gesagt.Stattdessen fragen Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-gen von der FDP, unter Nr. 34 Ihrer Großen Anfrage– man höre! –:Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass dieAbschaffung ganzer Steuergesetze das Steuerrechtvereinfacht?Ich finde die Frage echt toll. Ich hoffe nur, dass im In-nen- und Rechtsausschuss niemand auf die Idee kommt,Strafgesetze abzuschaffen, um die Bürokratie zu verein-fachen.
Natürlich führt die Abschaffung von ganzen Gesetzengrundsätzlich zu Vereinfachung, Bürokratieabbau undEinsparungen in der Verwaltung,
aber nur, wenn man sie ersatzlos streicht, FrauHomburger. Zum ersatzlosen Streichen gehört auch, dassman sich im Klaren ist, was dann passiert, und dass mandas den Menschen auch sagt.
Diese Diskussion hatten wir vor drei Wochen zu demBierdeckelkonzept von der CDU/CSU, das auch nichtkonkret geworden ist.Ich gebe zu, dass ich ziemlich gespannt war, was sichhinter dem Titel „Herausforderungen der Globalisierungannehmen, Unternehmensteuern modernisieren, Staats-finanzen durch mehr Wachstum sichern“ verbirgt. Siehatten – so war in der Presse zu lesen – erwartet, dassunsere Entwürfe zur Umsetzung der Ergebnisse aus demJobgipfel diese Woche debattiert werden; sie werdenerst nächste Woche debattiert. Also haben Sie ganzschnell ein Papier auf den Weg gebracht. Ich halte es fürrichtig, dass wir einen Entwurf vorlegen, in dem sich alleMitglieder der Koalitionsfraktionen wiederfinden, hinterdem alle stehen. Wenn es Differenzen oder Unstimmig-keiten gibt, dann lösen wir sie vorher.Sie wählen einen anderen Weg: Sie haben die Erb-schaftsteueränderung aus Bayern ins Konzept 21 über-nommen und jetzt eingebracht. Was lese ich heute Mor-gen im „Handelsblatt“?AisAsükladinDsbwesrzrzEzDa–sAnLmzP
lso bitte: Wir streiten vorher, Sie streiten hinterher.Wir streiten überhaupt nicht darüber, ob es sinnvollt, die Unternehmensnachfolge steuerlich zu erleichtern.ber wir können sehr wohl über die Gegenfinanzierungtreiten. Wir wollen auch nicht darüber streiten, ob manber eine Erhöhung der Dividendenbesteuerung redenann. Aber wir sollten darüber reden, ob sich eine Ent-stung der kleinen und mittelständischen Unternehmen,er Familienunternehmen bei der Erbschaftsteuer nichtnerhalb der Ländersteuern gegenfinanzieren lässt.ie Erbschaftsteuer ist eine Ländersteuer. Deshalb ist esinnvoll, dass sich die Länderkammer vorrangig damitefasst.Was bei dem Papier, über das Sie heute debattierenollen, herausgekommen ist, spricht Bände:
in dreiseitiger Schnellschuss mit den üblichen Textbau-teinen in Floskelform. Ganz am Ende wird die Bundes-egierung in vier Spiegelstrichen aufgefordert, ein Kon-ept für niedrigere Steuersätze vorzulegen, eineechtsformneutrale Unternehmensbesteuerung darin ein-ubetten,
insparvorschläge für die Senkung der Steuersätze vor-ulegen und die Kapitalismuskritik zu unterlassen.
as ist alles, liebe Kolleginnen und Kollegen.Nach meiner Einschätzung klappt die Zusammen-rbeit im Finanzausschuss ganz gut.
Ich habe ihn gelesen, auch wenn es mir manchmalchwer fällt, das zu lesen, was Sie zu Papier bringen.
ngesichts dieses Papiers frage ich mich – sicherlichicht nur ich, sondern auch die Menschen draußen imand –: Ist es Oppositionspolitikern eigentlich verboten,itzuwirken, eigene Vorschläge zu machen oder Kon-epte zu entwickeln? Für mich ist Ihr Antrag ein Fetzenapier, der nur Floskeln enthält.
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16614 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005
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Frau Kollegin, bevor Sie nun vollends in Begeiste-
rung ausbrechen, möchte ich Sie auf Ihre abgelaufene
Redezeit aufmerksam machen.
Eine letzte Bemerkung. In der „Westdeutschen Zei-
tung“ vom 16. April ist zu lesen:
Merkels liebstes Konzept: Konzepte einfordern. Ob
Körperschaftsteuer oder Lohndumping: Die Union
vollzieht eine ordnungspolitische Wende nach der
anderen. Ist das Taktik oder Unvermögen?
Egal was es ist, liebe Kolleginnen und Kollegen: Auf je-
den Fall ist es zu wenig.
Ich danke Ihnen.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Hartmut Schauerte, CDU/CSU-Fraktion.
Liebe Frau Frechen, da Sie für die gegenwärtig not-wendigen Maßnahmen kein Konzept haben – die Koali-tion ist in diesem Punkt völlig zerstritten; ich kommedarauf noch zurück –, beschäftigen Sie sich mit der Ver-gangenheit, mit lang zurückliegenden Dingen, die – wiewir heute wissen – nicht wirklich geholfen haben; denndie wirtschaftliche und finanzpolitische Situation istnach wie vor katastrophal.
Die Steuerschätzung – auch in diesem Punkt ist IhrVerhalten interessant – weist ein zusätzliches Defizit inden nächsten vier Jahren in Höhe von 66 Milliar-den Euro aus.
Sie haben sich also für den Zeitraum von vier Jahren um66 Milliarden Euro verschätzt. Sie sagen dazu, es liegenicht an der Bundesregierung, sondern an den Schätzern.
Entschuldigung! Wo sind wir denn hier? Auf welcherBasis wird denn geschätzt? Es wird auf Basis der Rah-mendaten, die die Bundesregierung vorgibt, geschätzt.Dazu gehören die Daten der Bundesregierung hinsicht-lich des Arbeitsmarktes und des Wachstums.
Da sich die Bundesregierung schon seit Jahren jedesMal katastrophal verschätzt, stelle ich heute die Frage:Ist das nur Pech oder ist das Absicht?MbHAdDsddehfWUEdtJdDdmDWSkEsBumg
iese Art und Weise, mit den Zahlen umzugehen, ist ab-olut unseriös. Herr Poß, dass Sie sich so aufregen, zeigt,ass Sie wissen, wie unseriös Sie arbeiten.
Zweite Bemerkung: Sie legen heute – Sie regierenoch seit sechseinhalb Jahren – einen Antrag zur Steu-rvereinfachung vor. Was Sie selber machen können,ätten Sie nicht in Ihren Antrag aufnehmen, sondern ein-ach nur umsetzen müssen.
as Sie von anderen in diesem Antrag verlangen, istnsinn. Sie können mit diesem Antrag nichts erreichen.r lenkt nur von Ihrer momentanen Schwäche und voner Tatsache ab, dass Sie nicht mehr wissen, wie es wei-ergehen soll.Ich komme zu meiner dritten Bemerkung. Was sindobgipfel eigentlich noch wert? Früher gab es einmalen „Basta“-Kanzler.
er war auch nichts wert. Dann wurde ein Jobgipfelurchgeführt. Die Regierung hat zugesagt, dass sie etwasacht.
ie Opposition hat zugesagt, dass sie mitwirkt.
ir legen heute unseren Gesetzentwurf vor. Aber weilie immer noch nicht wissen, was Sie wollen, legen Sieeinen eigenen Gesetzentwurf vor.
In diesem Zusammenhang gibt es zwei sehr wichtigentwicklungen. Eine Entwicklung findet bei den Grünentatt. Die Grünen haben uns bestätigt, dass das, was dieundesregierung bisher vorgelegt hat, völlig unseriösnd nicht finanzierbar ist. Die Grünen sind der Meinung,an könne das nicht vorlegen, weil es nicht seriös ge-enfinanziert ist.
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Hartmut Schauerte
Das ist die Entwicklung bei den Grünen.Die SPD hat den Gesetzentwurf ebenfalls nicht vorle-gen wollen – jetzt wird es spannend –, weil in der SPDTag für Tag der Druck wächst, dieses Programm nicht zuverwirklichen.
Sie stehen auch inhaltlich zunehmend nicht mehr dahin-ter. Ich äußere hier die große Sorge, dass in der SPD dietotale Konfusion eintreten wird, wenn sie in Nordrhein-Westfalen – was vermutlich passiert – ihre Mehrheit ver-liert
und sich die Münteferings mit ihrer Kapitalismuskritikbei diesem Gesetzgebungsvorhaben durchsetzen wer-den.
Ich habe die Sorge, dass der Kanzler seine Zusage,die er der Oppositionsführung gemacht hat, nicht durch-setzen kann. Sie sind auf dem besten Wege, diese nega-tive Entwicklung voranzutreiben.
Nun eine vierte Bemerkung, Thema „Erbschaftsteuerund Kapitalismuskritik“. Im Zusammenhang mit derErbschaftsteuer wäre es zum Beispiel eine wirklichvernünftige Maßnahme, den Verkaufsdruck und den Ab-wanderungsdruck von mittelständischen Unternehmernund Unternehmen im Falle des Erbübergangs so zu ver-ringern,
dass die von Ihnen so kritisierten Hedgefonds deutlichweniger Aufgaben in Deutschland bekommen.
Das ist eine wirklich praktikable Maßnahme, mit der Ar-beitsplätze erhalten werden, was ja unser oberstes Gebotist.Ich weiß, was bei Ihnen in der Fraktion los ist. Beidiesem Thema haben Sie noch keinen inneren Friedengeschlossen. Die Zahl derer, die dieses Thema kritisierenund sich damit nicht auseinander setzen wollen, wächststündlich. Ich garantiere: Es wird in den nächsten Wo-chen – es dauert drei Wochen, bis wir uns wieder mitdiesem Thema beschäftigen können,
und nicht eine Woche, Frau Frechen; diese drei Wochensind wieder verloren –, also nach der Landtagswahl, ausIhrer Fraktion eine Serie von Meldungen dazu geben,dass man sich mit diesem Thema nicht mehr beschäfti-gen will. Ich warne vor dieser Korrektur. Dann haben SiesumZiUw–srgDh–snzddDgmbfnDzvsbdz
as ist die Unternehmensbelastung in Deutschland.
Wichtig und interessant, Frau Frechen, ist: Wegen derohen Gewerbesteuer – –
Die war bis 1998 sehr hoch, weil wir, als wir sie 1997enken wollten, von Herrn Lafontaine und weiteren Mi-isterpräsidenten Ihrer Partei,
um Beispiel von dem jetzigen Finanzminister Eichel,aran gehindert worden sind, eine große Steuerreformurchzusetzen.
ie ist hier im Bundestag verabschiedet und von Ihnenestoppt worden. Sie haben den deutschen Unterneh-en, der deutschen Wirtschaft und den deutschen Ar-eitnehmern fünf Jahre verspätet Steuersenkungen gelie-ert. Wir hätten das fünf Jahre vorher haben können,ämlich beginnend ab 1997.
as haben Sie verhindert; das ist schlimm.Noch einmal zurück.
Zurück, Herr Kollege Schauerte, heißt in diesem Fall,
um zügigen Ende zu kommen.
– Ja, Herr Präsident. – Die Belastung liegt nach wieor bei über 40 Prozent. Das ist im europäischen Maß-tab immer noch entschieden zu hoch. Ich hoffe, dass Sieeim Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen auch wegener Höhe der Steuerbelastung eine ganz niedrige Quoteu erwarten haben.Herzlichen Dank.
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Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 15/5448, 15/5450 und 15/5466 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist offen-
sichtlich der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
schlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a und 29 b auf:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfüh-
rung der projektbezogenen Mechanismen
nach dem Protokoll von Kioto zum Rahmen-
übereinkommen der Vereinten Nationen über
Klimaänderungen vom 11. Dezember 1997 und
zur Umsetzung der Richtlinie 2004/101/EG
– Drucksache 15/5447 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit
Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael
Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Mehr Klimaschutz zu geringeren Kosten
durch nationale Projekte ermöglichen
– Drucksache 15/4948 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre
ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Ulrich Kelber für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Heute beginnt der Deutsche Bundestag einen Ge-setzgebungsprozess, mit dem im Rahmen des europäi-schen Treibhausgasemissionshandels weitere Optionenzum Klimaschutz ermöglicht werden sollen. Das ist einegute Nachricht, besonders für diejenigen deutschen Un-ternehmen, die am Emissionshandel teilnehmen; dennzusätzliche Optionen wirken natürlich kostendämpfend.Ganz konkret: Die im Gesetzentwurf vorgesehene Ein-führung der projektbezogenen Mechanismen des Emis-sionshandels, Clean Development Mechanism und JointImplementation, werden helfen, den Börsenpreis fürEmissionszertifikate zu senken.Wir liegen in diesem Gesetzgebungsprozess übrigensvoll im Zeitplan, auch wenn die Opposition im Vorfeldritualisiert etwas anderes behauptet hat. Ich hoffe, dassSie das heute ein Stück weit korrigieren.–uEgk–blmIDBgrznmöfsubKjijarfgtDCEszUndklkdVmMdsEdTsa
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Deswegen muss die EU den Einsatz der projektbezoge-nen Mechanismen auf einen bestimmten Anteil der zuerbringenden Emissionsminderungen begrenzen. DieserAnteil sollte möglichst in der ganzen EU einheitlichsein.Positive Folge einer solchen gemeinsamen europäi-schen Regelung ist: Staaten wie Deutschland, die bereitseinen Großteil ihrer Emissionsminderungen erbracht ha-ben, können für ihre restlichen Maßnahmen relativ unbe-grenzt auf die projektbezogenen Mechanismen zurück-greifen. Staaten wie zum Beispiel Italien, die noch weitvom verbindlich eingegangenen Klimaschutzziel ent-fernt sind, müssten dagegen einen Großteil der Emis-sionsminderungen im eigenen Land erbringen und –auch das ist unsere Hoffnung – auf deutsche Technolo-gien, die wir als Schrittmachernation entwickelt haben,zurückgreifen.Im Gesetzentwurf ist die Frage der Begrenzung derprojektbezogenen Mechanismen noch nicht geregelt.Darüber werden wir sicherlich im Rahmen der Fachbera-tungen sprechen müssen. Der offenen Beratung über Än-derungen im Gesetzentwurf stehen wir positiv gegen-über.Dazu zählt auch die Frage der Zulässigkeit nationa-ler Projekte im Rahmen von Joint Implementation.Darum geht es ja im Antrag der FDP, über den wir heuteauch beraten. Ich habe Sympathie für diesen Vorschlag,da er durchaus Potenzial für Vereinfachungen bietet. ImRahmen der EU ist darüber schon diskutiert worden. DieEU hat beschlossen, über diese Frage in näherer Zukunftzu entscheiden. Allerdings tendiere ich auch hier zu ei-ner europaweit einheitlichen Lösung. Das wäre dasBeste für unsere Unternehmen, insbesondere für die Un-ternehmen, die europaweit agieren; denn bei einer reinnationalen Umsetzung kämen weitere Probleme zu denohnehin vorhandenen Schwierigkeiten bei der prakti-schen Umsetzung nationaler Projekte hinzu. Man müsstenicht nur auf die Doppelzählung achten, sondern, wennwir nur national umsetzen, müssten wir neben dem EU-Emissionshandel auch ein Gutschriftensystem schaffen.Daher möchte ich vonseiten der SPD-Fraktion ein Ange-bot zum Antrag der FDP-Fraktion machen: Lassen Sieuns diese Probleme in Kürze in einem überfraktionellenExpertengespräch behandeln – wir sind ja auch von derKreditanstalt für Wiederaufbau angesprochen worden –,damit wir schauen können, ob wir zu einer einheitlichen,einvernehmlichen Lösung kommen.Zusammenfassend: Die projektbezogenen Mechanis-men sind die richtige Ergänzung zu den schon umgesetz-ten Teilen des Emissionshandels. Wir sollten den heutebeginnenden Gesetzesprozess daher zügig abschließen.CmhEUdBtdvccassftPjHuIPK1nedddTlVgEgstuVUBn
Nächste Rednerin ist die Kollegin Marie-Luise Dött,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss
ich schon sehr wundern: Vor exakt drei Wochen noch
at Herr Kelber die Plenardebatte um die Umsetzung der
U-Verbindungsrichtlinie als Wahlkampfgetöse der
nion abgetan. Dabei handelt es sich um ein bedeuten-
es Thema: Durch die Verbindungsrichtlinie wird eine
rücke zwischen dem Emissionshandel und den interna-
ionalen Klimaschutzbemühungen gebaut. Es wird Zeit,
ass diese Instrumente ineinander greifen und sich sinn-
oll ergänzen können. Deswegen haben wir vor drei Wo-
hen die Bundesregierung aufgefordert, die entspre-
hende Gesetzgebung möglichst schnell vorzulegen und
uf den Weg zu bringen. In der Plenardebatte hierzu hat
ich die SPD-Fraktion leider jeglicher inhaltlichen Aus-
age zum Thema verweigert. Vielleicht waren Sie ein-
ach noch nicht so weit. Das Versprechen des SPD-Ver-
reters in der Debatte vor drei Wochen, man könne seine
ositionen hierzu auf seiner Internetseite nachlesen, war
edenfalls eine leere Floskel. Ich habe dort nachgesehen,
err Kelber: Zur Umsetzung der Verbindungsrichtlinie
nd dem Projekt-Mechanismen-Gesetz findet sich auf
hrer Homepage gar nichts – keine einzige Position oder
ressemitteilung.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Kelber?
Nein, in diesem Falle nicht.Heute scheint sich die Haltung der SPD-Fraktion um80 Grad gedreht zu haben: Sie sind unserer Forderungachgekommen und haben zusammen mit den Grüneninen Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Verbin-ungsrichtlinie vorgelegt. Dazu war heute auch ein Re-ebeitrag der SPD zu hören. Beides begrüße ich aus-rücklich. Der Gesetzentwurf ist taufrisch: Gerade einenag liegt er dem Bundestag vor. Eine inhaltliche Stel-ungnahme abzugeben wäre aufgrund der kurzfristigenorlage nicht angebracht. Die Komplexität des Themasebietet es, sich ausführlicher als nur einen Tag mit demntwurf auseinander zu setzen.Ich möchte mich daher auf grundsätzliche Erwägun-en beschränken. Zum einen werden wir Sie auch in die-em Gesetzgebungsverfahren immer wieder dazu anhal-en, saubere gesetzgeberische Arbeit zu leisten; es istnsere Aufgabe als Opposition, darauf zu achten. Dieergangenheit lehrt uns, wie wichtig dieser Aspekt ist:nklare Definitionen und Verweisungen, wie sie zumeispiel im Zuteilungsgesetz enthalten sind, solltenicht noch einmal passieren. Ich erinnere hier nur an die
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Marie-Luise DöttOptionsregel, die zwar Arbeitsplätze bei der Anwalt-schaft und den Gerichten schafft, in Sachen Rechtsklar-heit aber glatt ein Fehlgriff ist.Zum anderen werden wir als CDU/CSU-Bundestags-fraktion darauf achten, dass die Anerkennung derZertifikate möglichst hier in Deutschland gebundenwird, damit keine Ausweichbewegungen ins Auslandstattfinden. Natürlich besteht die Gefahr, dass die Zerti-fikate vor allem in den Mitgliedstaaten umgetauschtwerden, die die schlankesten und effizientesten Systemeanbieten; die Zertifikate können ja problemlos inDeutschland verwendet werden, egal wo sie umge-tauscht wurden. Ein solcher Trend würde sich zuunguns-ten der kleinen und mittelständischen Unternehmen aus-wirken, die nicht europaweit aufgestellt sind. GroßeFirmen haben einen oder mehrere Sitze im europäischenAusland und können den Umtausch dort vornehmen.Unternehmen, die nur in Deutschland ansässig sind, sindallerdings an das hiesige System gebunden. Um solcheUmgehungsbewegungen gar nicht erst aufkommen zulassen, gibt es verschiedenste Möglichkeiten:Erstens. In Deutschland dürfen die Kosten des Aner-kennungsverfahrens nicht höher werden als in den ande-ren Mitgliedstaaten. Das bedeutet auch, dass die behörd-lichen Kosten nicht eins zu eins auf den Antragstellerumgewälzt werden können.Zweitens. Die Genehmigungskriterien müssen sicheng an die europäische Richtlinie anlehnen und europa-weit harmonisiert werden. Damit meine ich, dass von zu-sätzlichen Anforderungen, die weder nach europäischemnoch nach internationalem Recht vorgesehen sind, abge-sehen werden muss.Drittens. Das Verfahren darf nicht zu aufwendig undlangwierig sein. Das bedeutet, dass vor allem mit Paral-lel- und Vorregistrierungsverfahren zurückhaltend um-gegangen werden sollte.Wenn in dem Gesetzentwurf diesen Punkten Beach-tung geschenkt wird, dann haben wir die gute Gelegen-heit, die Anerkennung von internationalen Zertifikatenin Deutschland reibungslos zu gestalten. Damit würdenwir den internationalen Klimaschutz nach Deutschlandholen und fest verankern.Vielen Dank.
Da die Kollegin Dött ihre Redezeit in vorbildlicher
Weise unterboten hat, gebe ich jetzt dem Kollegen
Kelber die Gelegenheit zu einer kurzen Kurzinterven-
tion, auf die sie gegebenenfalls, wenn nötig, reagieren
kann. Bitte schön.
Vielen Dank, Herr Präsident. – In der Debatte vor drei
Wochen zum gleichen Thema habe allerdings auch ich
meine Redezeit unterschritten, und zwar um 16 Minuten
und 40 Sekunden. Wir haben damals keine ausführliche
Auseinandersetzung geführt, da nicht einmal 1 Prozent
der CDU/CSU-Fraktion bei der Debatte über ihren eige-
nen Antrag anwesend war.
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Dem Kollegen Küster wird jetzt vielleicht einleuch-en, warum seine Anmeldung einer dringlichen Kurzin-ervention bei mir nicht sofort auf spontane Zustimmungestoßen ist.Nun erteile ich dem Bundesminister Jürgen Trittin dasort.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-chutz und Reaktorsicherheit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dött,ch finde, Sie sollten keine Kontroversen führen, wo eseine gibt.
Wir alle sind dafür, dass Klimaschutz effizient undostengünstig betrieben wird. Was wir heute vorlegen,st ein weiteres Instrument dafür, diese Kosten zu opti-ieren. Was das betriebswirtschaftlich bedeutet, kannan an Folgendem erkennen: Die niedersächsischen Un-ernehmensverbände haben das in 50 Anlagen, die ammissionshandel teilnehmen, untersucht und dabei fest-estellt, dass es mit den heutigen Techniken in diesennlagen ein Minderungspotenzial für Treibhausgase von5 Prozent gibt. Dies würde pro Tonne deutlich unter0 Euro kosten. Damit läge man unter dem Preis, derurzeit an der Strombörse im Rahmen des Emissions-andels gezahlt werden muss. Das zeigt doch, dass wirlle gemeinsam aufhören sollten, Klimaschutz als eineast zu betrachten. Wir sollten stattdessen dazu überge-en, Klimaschutz als eine Chance zu betrachten, Kosteninzusparen und unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stär-en.
Dafür gibt uns das, was wir heute hier vorgelegt ha-en – das Gesetz zu Joint Implementation und zumlean Development Mechanism –, ein weiteres Instru-ent in die Hand. Indem Unternehmen in klimafreundli-he Techniken im Ausland investieren, können sie ihremissionsminderungen dort erbringen, und zwar häufig
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Bundesminister Jürgen Trittinzu geringeren Kosten als hier. Die Voraussetzung ist klar– sie sind übrigens auch international vereinbart; dassteht schon im Protokoll, das Sie ja mit ratifizierthaben –: Es muss sich dabei um zusätzliche Emissions-minderungen handeln; es darf also nicht einfach eineFortschreibung im Sinne von Business as usual sein. Wirhaben – übrigens auch international – zum BeispielAtomprojekte ausgeschlossen, weil wir dann den Klima-schutz mit unglaublichen Mengen strahlender Altlastenerkaufen müssten. Auch dies wollten wir alle nicht.Der Gewinn dieser flexiblen Instrumente ist ein drei-facher: Es werden Treibhausgase vermieden, die Unter-nehmen sparen Kosten und Entwicklungsländer profi-tieren – das ist für den Zusammenhang von Umwelt undEntwicklung von zentraler Bedeutung – von den Investi-tionen in moderne Technologien. Das ermöglicht Län-dern wie China, Indien oder Brasilien, vielleicht eine an-dere Entwicklung zu durchlaufen, als wir es getan haben.Sie gehen vielleicht nicht den Umweg über eine ineffi-ziente, hochgradig Treibhausgase emittierende Industria-lisierung, sondern nutzen gleich effiziente, Ressourcensparende und klimaschonende Technologien.Genau darüber – deshalb passt der Gesetzentwurfheute sehr gut in die Debatte – werden wir ab Montag imWahlkreis des Kollegen Kelber, in Bonn, mit Vertreternvon über 170 Ländern diskutieren. Wir werden die Frageaufwerfen, was nach Kioto, also nach 2012, kommensoll.Wenn wir über Clean Development Mechanism spre-chen, müssen wir uns über eines besonders im Klarensein: Das, was wir heute verabschieden, ist auch einFaustpfand dafür, dass der Klimaschutzprozess über dasJahr 2012 hinaus weitergeht. Wir müssen verhindern,dass die globale Erwärmung um mehr als 2 Grad steigt.Darüber waren sich alle Europäer einig. Sie haben beimFrühjahrsgipfel gemeinsam festgestellt, dass die Indus-trieländer bis zum Jahre 2020 zwischen 15 und 30 Pro-zent ihrer CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 ein-sparen müssen, um die schadhafte Erwärmung zuvermeiden. Aus diesem Grunde muss der Prozess nach2012 weitergehen.Warum ist CDM, sind die Maßnahmen zur sauberenEntwicklung etwas Besonderes? Wenn der Klimaschutz-prozess nicht fortgesetzt wird, dann gibt es auch keinenAnlass mehr für Investitionen in moderne Technologien.Das gilt gerade für die Entwicklungsländer. Deswegenist das Signal von heute gerade mit Blick auf das, waswir gemeinsam tun wollen – wir haben die Beschlüsseimmer in einem breiten Konsens gefasst –, so wichtig.Wir wollen dafür sorgen, dass die BundesrepublikDeutschland eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz ein-nimmt. Der heute eingebrachte Gesetzentwurf enthältdie richtigen Instrumente, zum Nutzen des Weltklimas,zum Nutzen der hiesigen Unternehmen und auch zumNutzen der Entwicklungsländer.
Eigentlich war ich am Ende meiner Rede, aber dannkönnte Frau Dött keine Frage mehr stellen.tdsmsmiiedvlWEddkrlaewsnsllgsvDkLthC
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Ich erteile das Wort der Kollegin Birgit Homburger,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirberaten heute über einen Gesetzentwurf, der das zentraleScharnier zwischen dem internationalen und dem natio-nalen Klimaschutz sein wird, nämlich über die Verbin-dung des Emissionshandels mit den flexiblen Instrumen-ten des Kioto-Protokolls. Hier – das haben Sie, HerrTrittin, in Ihrer Rede auch heute wieder gemacht – tra-gen Sie die marktwirtschaftlichen Instrumente seitneuestem wie eine Monstranz vor sich her, nämlich seitSie nicht mehr anders können. Wenn man dann aller-dings schaut, was Sie tatsächlich tun, kommt man zudem Ergebnis, dass Sie bisher die Nutzung der markt-wirtschaftlichen Mechanismen, der flexiblen Elementedes Kioto-Protokolls, die es möglich machen, auch imAusland erzielte Emissionsminderungen im Inland ange-rslaLSbIMbDzmtdbaghKTgCmdsdwn–sW–Gkuildbbekgdjlr
Nein, ich will es Ihnen gerne sagen. Herr Kelber, Sieelber haben die nationalen Aktivitäten angesprochen.ir als FDP haben einen Antrag vorgelegt. Sie wissenalle Experten sagen Ihnen das –: Wenn Deutschlandast- und Investorland zugleich ist, dann braucht eseine weitere europarechtliche Grundlage. Lassen Siens doch diese riesigen Emissionsminderungspotenzialen Deutschland, die beispielsweise im Gebäudebestandiegen, um Himmels willen endlich nutzen, indem wiriese Mechanismen hier zulassen. Diese Forderung ha-en wir an Sie. Ich danke Ihnen, Herr Kelber, dass Sieereit sind, mit uns darüber zu sprechen; der Minister ists bisher nicht.
Joint-Implementation-Projekte sind ohne Möglich-eit der Verlängerung bis 2012 begrenzt. Das heißt, an-esichts eines Entwicklungsvorlaufs, der dazu führt,ass eine Realisierung von heute ins Auge gefassten Pro-ekten überhaupt erst in den Jahren 2009 oder 2010 mög-ich ist, bedeutet diese Befristung eine massive Behinde-ung von Investitionen in diesem Bereich. Ein anderes
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Birgit HomburgerBeispiel: Herr Minister, Sie haben gerade so sehr betont,dass wir internationale Abkommen umsetzen. Warumum Himmels willen lassen Sie dann Senkenprojektenicht zu? Das ist doch in Marrakesch vereinbart worden.
Nur noch ein Beispiel, Herr Präsident, dann kommeich zum Ende: Es sind Zustimmungsvoraussetzungen ineinige Teile des Gesetzentwurfs hineingeschrieben wor-den. Wenn ich sehe, dass für eine CDM-Maßnahme inder guten deutschen Art und Weise, mit der wir vorge-hen, eine UVP, also eine Umweltverträglichkeitsprü-fung, im Ausland vorgeschrieben werden soll,
dann kann ich nur sagen: Eine bessere Idee, Projektträ-ger abzuschrecken, hätte Ihnen beileibe nicht einfallenkönnen, Herr Minister.
Abschließend: Wir brauchen einen Klimaschutzpro-zess, der über das Jahr 2012 hinausreicht. Wenn Sie auchandere Länder überzeugen wollen, beispielsweise dieUSA, dann wäre es gut, wenn die Umsetzung dies Kioto-Protokolls funktionierte. Wir müssen die ökonomischenund ökologischen Vorteile nutzen. Mit dem Gesetzent-wurf, den Sie heute vorgelegt haben, werden Sie dem inkeiner Weise gerecht. Mit dem, was in diesem Entwurfan Bürokratie enthalten ist, bremsen Sie, statt den Kli-maschutz zu fördern. Ich hoffe sehr, dass es uns in denBeratungen im Ausschuss und im Parlament gelingt,dies zu ändern, um diese Mechanismen mit einem gutenGesetz tatsächlich nutzen zu können.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Wilfried Schreck, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letztenDebatte zum Thema Emissionshandel haben wir uns am15. April mit der Forderung zur Umsetzung der EU-Linking-Directive, also der so genannten Verbindungs-richtlinie, auseinander gesetzt. Heute liegt uns der Ent-wurf zu einem Projekt-Mechanismus-Gesetz vor und wirkönnen nun zum Inhalt kommen.Dazu aus meiner Sicht einige Gedanken: Der Emis-sionshandel ist durch die Verbindung ökologischerForderungen und ökonomischer Anreizsysteme nachvorherrschender wissenschaftlicher Meinung die wir-kungsvollste Methode des Klimaschutzes – wenn erdenn funktioniert. Voraussetzung ist, dass die Regel-werke des europäischen Emissionshandelssystems in na-tionales Recht umgesetzt werden. Genau dabei sind wiridsEnWaEdWcktntRwSgsdghpBhddeCfiltdtDpkuNdHgbekgl
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Auch ich halte ihn für sinnvoll. Insofern könnten wirauch auf diesem Feld zügig vorankommen. Ich wünscheuns eine zielführende und vor allem zügige Beratung.Vielen Dank.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Roland Dieckmann, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit demheute hier vorliegenden Gesetzentwurf zur Ergänzungs-richtlinie für flexible Mechanismen debattieren wir nachdem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz und dem Zu-teilungsgesetz das dritte Gesetz zur Umsetzung desEmissionshandels in Deutschland. Durch die Nutzungder flexiblen Mechanismen des Kioto-Protokolls wird esden am Emissionshandel beteiligten Unternehmen er-möglicht, ihre Klimaschutzanstrengungen kosteneffi-zienter und flexibler zu gestalten.Hintergrund der flexiblen Mechanismen ist, dass esim Hinblick auf den ökologischen Effekt völlig egal ist,wo klimaschädliche Treibhausgase verursacht oder ver-ringert werden. Deshalb ist es sinnvoll, Klimaschutz-maßnahmen dort durchzuführen, wo diese zu den ge-ringsten Kosten möglich sind oder,adkkuhlidTdlaHmmuAmdsknKAbDnMwVrSdbdnuLn
ierdurch hätte nicht zuletzt ein erheblicher Beitrag zuehr Planungssicherheit bei den betroffenen Unterneh-en geleistet werden können.Die EU-Richtlinie selbst sieht im Gegensatz zu Ihremrsprünglichen Gesetzentwurf keine Grenzwerte für dienrechnung von Maßnahmen aus flexiblen Mechanis-en vor. Ich halte dies auch für richtig und bin froh, dassie Europäische Union die restriktive Haltung des ur-prünglichen Entwurfs nicht fortgeführt hat.
Auch der heute vorliegende Gesetzentwurf enthälteine Grenze für die Anrechnung der flexiblen Mecha-ismen. Damit widersprechen sowohl die Europäischeommission als auch die Bundesregierung ganz klar deruffassung, die die SPD-Bundestagsfraktion in der De-atte im November 2003 vertreten hat.
amals haben Sie – das konnte ich nachlesen – nämlichoch gesagt, dass eine völlige Freigabe bei den flexiblenechanismen das Ende des Klimaschutzes bis 2012äre. Mit dieser Auffassung sind Sie inzwischen allein.ielleicht haben Sie aber auch dazugelernt, was Sie eh-en würde, liebe Kolleginnen und Kollegen von derPD.
Die Vorteile der flexiblen Mechanismen liegen aufer Hand: Sie schaffen mehr Kosteneffizienz und Flexi-ilität zur Erreichung von Klimaschutzzielen und senkenen Preis der Zertifikate deutlich. Sie fördern den Tech-ologietransfer in Schwellen- und Entwicklungsländernd erhöhen dadurch deren Umwelt-, Gesundheits- undebensstandards und sie verknüpfen ökologische, öko-omische und entwicklungspolitische Ziele. Die Chan-
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Roland Dieckmanncen der flexiblen Mechanismen sind also enorm und dür-fen deshalb auf keinen Fall ungenutzt bleiben.Zu viele Regelungen und Beschränkungen führendazu, dass der Klimaschutz und der EU-Emissionshan-del unnötig verteuert werden, was die Wettbewerbs-fähigkeit der deutschen Wirtschaft aufs Spiel setzt undTausende von Arbeitsplätzen gefährdet. Am Ende gibt esdann wieder nur Verlierer: die Umwelt, die Wirtschaftmit den Unternehmen und den Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern und die Entwicklungs- und Schwellen-länder unserer Erde.
So weit darf es gar nicht erst kommen.Deshalb werden wir uns als CDU/CSU-Bundestags-fraktion in den weiteren Beratungen für eine schlanke,unbürokratische und einfache Regelung zur Anrechnungder flexiblen Mechanismen einsetzen.Mit Blick auf die Zeit möchte ich an dieser Stelle zumEnde kommen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Lieber Kollege Dieckmann, ich gratuliere Ihnen zuIhrer ersten Rede im Plenum des Deutschen Bundesta-ges, verbunden mit allen guten Wünschen für die parla-mentarische Arbeit.
Ich schließe die Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage aufDrucksache 15/5447 zur federführenden Beratung anden Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit und zur Mitberatung an den Ausschuss fürWirtschaft und Arbeit sowie an den Ausschuss für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu über-weisen.Die Vorlage auf Drucksache 15/4948 soll an den Aus-schuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitüberwiesen werden. Gibt es dazu anderweitige Vor-schläge? – Das ist dankenswerterweise nicht der Fall.Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 a bis h auf:a) Beratung des Antrags der AbgeordnetenKatherina Reiche, Dr. Maria Böhmer, ThomasRachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder CDU/CSUForschungs- und Innovationsförderung für dieArbeitsplätze der Zukunft– Drucksache 15/5016 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Innenausschuss
Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. MariaBöhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder CDU/CSULage der Forschung in Deutschland– Drucksachen 15/2528, 15/4793 –c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
– zu dem Antrag der Abgeordneten CorneliaPieper, Ulrike Flach, Christoph Hartmann
, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDPDie europäische Spallations-Neutronen-quelle in Deutschland fördern– zu dem Antrag der Abgeordneten KatherinaReiche, Thomas Rachel, Dr. ChristophBergner, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der CDU/CSUSachgerechte Planungsentscheidungenzum Bau einer europäischen Spallations-Neutronenquelle ermöglichen– Drucksachen 15/472, 15/654, 15/5174 –Berichterstattung:Abgeordnete Andrea WickleinDr. Christoph BergnerHans-Josef FellCornelia Pieperd) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
zu dem Antrag der Abgeordneten KatherinaReiche, Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSUInformatives Berichtswesen als Grundlage ei-ner guten Forschungs- und Technologiepolitik– Drucksachen 15/4497, 15/5101 –Berichterstattung:Abgeordnete Jörg TaussKatherina ReicheHans-Josef FellUlrike Flache) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
zu dem Antrag der Abgeordneten Helge Braun,
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Vizepräsident Dr. Norbert LammertKatherina Reiche, Thomas Rachel, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion der CDU/CSU7. EU-Forschungsrahmenprogramm wirksamausgestalten– Drucksachen 15/3807, 15/4712 –Berichterstattung:Abgeordnete Ulrike FlachAndrea WickleinHelge BraunHans-Josef Fellf) Beratung des Antrags der Abgeordneten HelgeBraun, Katherina Reiche, Thomas Rachel, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSUStärkung der klinischen Forschung in derHochschulmedizin– Drucksache 15/5246 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschussg) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungBericht zur technologischen Leistungsfähig-keit Deutschland 2005undStellungnahme der Bundesregierung– Drucksache 15/5300 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheith) Beratung des Antrags der Abgeordneten UlrikeFlach, Daniel Bahr , Rainer Brüderle,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPDeutschland muss aufholen – 2006 bis 2016 –Dekade der Innovationen– Drucksache 15/5360 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache 75 Minuten vorgesehen. – Ich höre dazukeinen Widerspruch. Dann kann auch dies als vereinbartgelten.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst für die Bundesregierung der BundesministerinEdelgard Bulmahn.
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issenschaft und Forschung in Deutschland gehören zureltspitze. Die Produktion in forschungsintensivenirtschaftszweigen wächst deutlich schneller als in an-eren Sektoren. Beim Export forschungsintensiver Güteraben deutsche Unternehmen mit 15,6 Prozent nach denSA den zweithöchsten Welthandelsanteil.
Im internationalen Vergleich spielt Deutschland beier Forschungs- und Wissensintensität der Wirtschaftanz vorne mit. Mit 277 weltmarktrelevanten Paten-en auf je 1 Million Erwerbstätige unterstreichen wirieses Potenzial und diese Leistungsfähigkeit. Damit lie-en wir vor den USA, aber auch vor Großbritannien undrankreich sowie deutlich über dem EU- und OECD-urchschnitt. Im 6. EU-Forschungsrahmenprogrammat sich die deutsche Beteiligung nun auf rund 21 Pro-ent gesteigert. Als kleiner Vergleich: 1997 lagen wirur bei 16 Prozent.
Auch das Ausland gibt laut aktueller Forsa-Studieem Standort Deutschland gute Noten. Deutsche Pro-ukte und Technologien zählen in vielen Branchen welt-eit zur Spitzengruppe. Deutschland ist weltweit füh-end bei Zukunftstechnologien, wie zum Beispiel deranotechnologie, der Mikrosystemtechnik oder in be-timmten Bereichen der Biotechnologie.
as hier auch einmal gesagt werden sollte: Die Gewinneeutscher Unternehmen wachsen stärker als die der US-merikanischen. Das zeigt diese internationale Studiebenfalls.In ihrem wirtschaftspolitischen Deutschlandberichtat die OECD im vergangenen Jahr bestätigt, dasseutschland nach Großbritannien das attraktivste Ziel-and für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen vonm Ausland tätigen US-amerikanischen Unternehmenst.
So viel zur Realität. Das ist die Wirklichkeit, über dieir hier diskutieren sollten und die wir zur Kenntnisehmen sollten. Gleichwohl zeigt der Bericht zur tech-ologischen Leistungsfähigkeit – auch das will ich klar
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Bundesministerin Edelgard Bulmahnsagen –, dass die Herausforderungen im internationa-len Wettbewerb nicht abnehmen, sondern zunehmen;denn neben den bekannten forschungsstarken Länderninvestieren inzwischen auch die so genannten Schwel-lenländer erheblich in Forschung und Entwicklung.Dazu gehören China und Indien. Aber auch unsere euro-päischen Nachbarländer wie Großbritannien und Frank-reich investieren erheblich in Forschung und Entwick-lung.Die Bundesregierung hat seit 1998 Bildung und For-schung konsequent gefördert und ihre Bedeutung klarherausgestellt. Wir haben hier massiv investiert. Wir ha-ben diesem Bereich die notwendige Priorität eingeräumtund damit auch ein klares Signal an die Wirtschaft gege-ben. Von 1998 bis 2003 haben Wirtschaft und Staat inDeutschland den Anteil der Ausgaben für Forschung undEntwicklung am Bruttoinlandsprodukt von 2,27 Prozentauf 2,51 Prozent erhöht. Das hört sich vielleicht garnicht so viel an. Aber es sind Milliardenbeträge, die zu-sätzlich in Forschung und Entwicklung investiert wor-den sind. Damit haben wir mühsam aufgeholt, was inden 90er-Jahren von der damaligen CDU/CSU-geführ-ten Bundesregierung verspielt worden ist und durch einefalsche Politik verloren gegangen ist.
Wir haben die Entwicklung umgekehrt. Wir haben hiereinen klaren Schwerpunkt gesetzt. Wir haben das Geld,das wir dort zusätzlich investiert haben, eingesetzt, wosich die Innovationskraft unseres Landes am besten ent-falten kann, damit die Menschen in unserem Land ganzkonkret von diesen Investitionen profitieren.Ich will die Schlüsseltechnologien nennen. Seit 1998hat mein Ministerium die Projektfördermittel für Bio-technologie um rund 80 Prozent erhöht, und zwar mitklarem Erfolg; denn die Zahl der Biotechnologieunter-nehmen, insbesondere die der kleinen und mittleren, istsehr stark gestiegen. Hier liegen wir inzwischen inEuropa an der Spitze. Wir haben uns vom Importeur zumweltweit führenden Anbieter der ganzen Bandbreite op-tischer Technologien – Stichwort „Lasertechnologien“ –entwickelt. Unsere Führungsposition in der Welt ist an-erkannt. Auch die Nanotechnologie ist inzwischen zumWachstumstreiber für viele aufstrebende Branchen, zumBeispiel für die Automobilbranche, für die Pharmain-dustrie oder für den Bereich der optischen Technik, ge-worden. Hier liegen wir ebenfalls an der Weltspitze.Unsere Strategie ist klar: Wir fördern das, wasArbeitsplätze schafft. Es geht uns um die Wahrung undum die Schaffung von zukunftssicheren Arbeitsplätzen,damit die Menschen hier, in Deutschland, auch noch infünf, in zehn und in 15 Jahren eine Lebensperspektivehaben.
Weil wir wissen, dass dabei gerade kleinere undmittlere Unternehmen eine ganz wichtige Rolle spie-len, haben wir mit ganz viel Engagement, mit ganz vielKzVkF1ssmwdpftmdzwtohewhvlesbAifevbBmjw1abswaDgl
Die Steigerung der Lebensqualität der Menschen,um Beispiel die Verbesserung ihrer Gesundheit, ist eineiteres wichtiges Ziel, das wir mit der Forschungspoli-ik meines Hauses verfolgen. Die Angst vor Alzheimerder Parkinson soll irgendwann der Vergangenheit ange-ören, weil Diagnosemöglichkeiten die Früherkennungrheblich verbessern und weil wir hoffentlich irgend-ann ausgereifte Medikamente zur Therapie haben. Wiraben die Haushaltsmittel für Gesundheit und Medizinon 295,4 Millionen Euro im Jahre 1998 auf 405 Mil-ionen Euro im Jahre 2005 gesteigert. Das ist im Übrigenine Steigerung von 37,2 Prozent.Gefördert wird auch das, was zum nachhaltigen undchonenden Umgang mit den natürlichen Ressourceneiträgt, damit unsere Umwelt schützt und gleichzeitigrbeitsplätze schafft. Auch auf diesem Gebiet sind wirnzwischen anerkannt und weltweit führend. Das spieltür die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landesbenfalls eine ganz erhebliche Rolle.Programme und Geld allein schaffen noch keine Inno-ation. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Wirenötigen mehr denn je gut ausgebildete Menschen. Dieundesregierung hat auch dazu die notwendigen Refor-en auf den Weg gebracht. Endlich hat die Anzahl derungen Menschen, die ein Studium aufgenommen haben,ieder zugenommen.
998 waren wir gegenüber allen anderen Ländern weitbgeschlagen: Damals lag die Studienanfängerquoteei 27,8 Prozent. Inzwischen sind es 37,5 Prozent. Ichage ausdrücklich: Das ist ein gutes Zwischenergebnis;ir müssen das Ziel 40 Prozent im Auge behalten unduch erreichen.
ie BAföG-Reform hat dabei eine ganz wichtige Rolleespielt. Deshalb werden wir den Weg, die Studienmög-ichkeiten zu verbessern, konsequent weitergehen.
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Bundesministerin Edelgard BulmahnMit der Einführung international anerkannter Ab-schlüsse und mit der erweiterten Autonomie der Hoch-schulen, etwa bei der Auswahl der Studierenden, habenwir auch den Universitäten ein zusätzliches Mittel in dieHand gegeben und wir haben auch dafür Sorge getragen,dass die deutschen Universitäten an Attraktivität gewin-nen, was man an der in den letzten Jahren deutlich ge-stiegenen Anzahl ausländischer Studierender sehenkann.Die Juniorprofessur bietet exzellenten jungen Köp-fen die Chance, früh selbstständig zu forschen und zulehren. Die Habilitation und das Lehrstuhlprinzip mit derstarken Bindung der Doktoranden an einen Professorsind international längst unüblich. Eine ausführlicheDarstellung im Zusammenhang mit der Stellung derWirtschaftswissenschaften konnte man vor zwei Tagenim „Handelsblatt“ lesen. Es ist notwendig, dass auch die-ser Weg, den wir hier so erfolgreich beschritten haben,konsequent weitergegangen wird.Ich bin davon überzeugt, dass die Hochschulen nochdeutlich mehr Eigenständigkeit und Selbstständigkeit er-halten müssen. Dazu reicht es leider nicht aus, die Zahlder Vorschriften im Bundesrecht deutlich zu verringern– das haben wir getan –; vor allem müssen die Länderbereit sein, ihren Hochschulen die Eigenständigkeit undSelbstständigkeit zu geben, die sie so dringend brauchen.
Mit dem Pakt für Forschung und Innovation garantie-ren wir den Forschungsorganisationen bis 2010 einenjährlichen Mittelzuwachs von mindestens 3 Prozent. Sieerhalten damit Planungssicherheit und ein Plus von rund150 Millionen Euro pro Jahr. Davon trägt der Bund al-lein über 100 Millionen Euro.Dieser Pakt wird durch die Exzellenzinitiative er-gänzt, die außerordentlich wichtig ist, damit auch dieUniversitäten in unserem Land die Chance erhalten, diesie so dringend brauchen, damit sie sich weltweit ein Re-nommee erarbeiten können, damit sie sich zu for-schungsstarken Spitzenuniversitäten entwickeln könnenund so auch mit den Universitäten weltweit konkurrierenkönnen.Meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Frak-tion, ich finde es, gelinde gesagt, erstaunlich
– ich fand es erstaunlich; ich kann auch sagen: Ich habemich über die Gedankenakrobatik, die Sie dort vollführthaben, etwas gewundert –, dass Sie in Ihrem Antrag for-dern, die Zuweisungen an die Forschungsorganisationenzwischen 2005 und 2010 verlässlich und angemessen zuerhöhen, und zwar genau so, wie wir das im Pakt fürForschung vereinbart haben. Beide Programme – daswissen Sie – liegen unterschriftsreif auf dem Tisch.
Frau Ministerin, ich darf nur – –
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it Ihrer Blockadepolitik, liebe Kolleginnen und Kolle-
en von der CDU/CSU, fügen Sie dem Land wirklich
roßen Schaden zu.
Albert Einstein hat einmal gesagt:
Wir müssen unser Bestes tun. Das ist unsere heilige
menschliche Verantwortung.
iese Verantwortung macht vor Ministerpräsidenten ge-
auso wenig Halt wie vor Parlamentariern.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Katherina Reiche,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Wir müssen um so vieles besser sein, wie wir teurerind. – So Horst Köhler am 15. März dieses Jahres ineiner Grundsatzrede zu Wirtschaft und Gesellschaft.Frau Bulmahn, ich stimme Ihnen ausdrücklich darinu, dass Forschung, Entwicklung und Wirtschaftswachs-um in einem signifikanten positiven Zusammenhangtehen, weshalb alle Anstrengungen darauf gerichteterden müssen, sie zu befördern.Deutschland hat ohne Zweifel Potenzial. Das sagt iner Tat auch der Bericht zur technologischen Leistungs-ähigkeit. Nanotechnik, Optik, Medizintechnik sind eineleg dafür. Aber oftmals klemmt der Innovationsreiß-erschluss. Er klemmt, weil Rot-Grün in vielen Feldernuf der Fortschrittsbremse steht. Aus dem Kanzler dernnovation ist längst ein Kanzler der Illusion geworden.Was Frau Bulmahn bisher vorgelegt hat, ist geschei-ert, entweder vor dem Bundesverfassungsgericht oderm berechtigten Widerstand der Länder
der an fehlenden Mitteln oder in Ermangelung einertrategie. Erfolg lässt sich eben nicht herbeireden odererbeirechnen;
rfolg ist ein Ergebnis von echter Leistung.
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Katherina ReicheEgal ob Sie den Bericht zur technologischen Leis-tungsfähigkeit vorstellen oder Fragen beantworten: Sierechnen sich die Zahlen schön, Sie picken einzelne Er-gebnisse heraus, so wie sie Ihnen passen, und erweckendamit den Eindruck, als hätten Sie den Überblick verlo-ren, oder spielen bewusst falsch.
Ihren Aufwuchs klauben Sie zusammen, indem SieMittel für Ganztagsschulen oder die Sanierung von bau-fälligen Gebäuden als Forschungsmittel deklarieren. DieWahrheit ist aber, dass die Gesamtausgaben des Bundesfür Forschung und Entwicklung sinken, und das seitmehreren Jahren: im Jahr 2001 um 1,6 Prozent, im Jahr2003 um 0,7 Prozent und im vergangenen Jahr um nocheinmal 3,4 Prozent. Das sind Kennzahlen einer Ab-wärtsspirale und nicht eines Aufschwungs.
Hans Eichel will Ihnen 2006 500 Millionen bis700 Millionen Euro aus Ihrem Forschungshaushalt he-rausschneiden. Ich bin wirklich gespannt, ob Sie sich imInteresse der Hochschulen und der Forschung in diesemLand gegen ihn durchsetzen können.Wenn sie ehrlich wären, müssten Sie auch zugeben,dass Sie das 3-Prozent-Ziel von Lissabon bis 2010nicht erreichen werden. Da hilft auch nicht der gebets-mühlenartig vorgetragene Verweis auf die Eigenheimzu-lage. Sie haben keinen weiteren Vorschlag gemacht, wieder Kraftakt bewältigt werden soll. Anstatt Kinder undFamilien gegen den Rest der Gesellschaft auszuspielen,sollten Sie lieber an Vergangenheitssubventionen wie dieSteinkohleförderung gehen.
Immer mehr Unternehmen verlagern ihre Forschungund Entwicklung ins Ausland. Beim letzten Innovations-check der „Wirtschaftswoche“ bekam der Forschungs-standort Deutschland nur noch die Note 3,7. Das ist zuwenig für ein Land wie Deutschland.
Als Ergebnis von sieben Jahren Rot-Grün kann fest-gehalten werden: fast 5 Millionen Arbeitslose und40 000 Insolvenzen pro Jahr. Auch der Bericht zur tech-nologischen Leistungsfähigkeit zieht eine beängstigendeBilanz. Aus diesem resümiere ich jetzt, Frau Ministerin:Deutschlands aktuelle Platzierung ist bei fast allenKennzahlen schlechter als noch Anfang der 90er-Jahre.Das ist die Wahrheit. So steht es im Bericht.
Ich mache Ihnen heute fünf Vorschläge und biete Ih-nen an, gemeinsam dafür zu arbeiten, dass Forschungund Innovation wieder zu mehr Wachstum in diesemLand führen:Erstens. Wir sollten die Hochschulen gemeinsamstärken. Sie haben vollkommen korrekt gesagt, dass dieHochschulen die Basis für unser Forschungssystem sind.Ja, sie sind in der Tat der Humus für Innovationen in un-serem Land. Sie aber haben den Boden ausgelaugt undjazH8evZksEuWzwdVHdrtetiwWsDehlawDmbrfF1FntsdfsAsTs
agen Sie mit uns einen Einstieg in die Vollkostenfinan-ierung! Wir halten zudem den Geist Humboldts wach,enn Forschung und Hochschule wieder mehr miteinan-er verzahnt werden. Sie weisen auch zu Recht auf dieerantwortung der Länder hin, wenn es darum geht, denochschulen wieder mehr Freiheiten zu geben. Aber inem Moment, wo Sie den Zeigefinger auf die Länderichten, zeigen drei Finger auf Sie selbst. Auch Sie soll-n überlegen, wo der Bund weitergehen kann.Zweitens. Deutschland muss wieder zum Gravita-onszentrum für junge Wissenschaftler aus aller Welterden.
ir haben einen großen Kongress mit 500 Jungwissen-chaftlern aus dem In- und Ausland durchgeführt.eutschland ist nicht unattraktiv, aber andere Nationenntfalten eine sehr viel stärkere Dynamik und Anzie-ungskraft. BAT und Professorenbesoldung müssenngfristig durch flexible Vergütungssysteme ersetzterden.
ie Juniorprofessur war gut gedacht, jedoch schlecht ge-acht. Sie ist eben kein Tenure-Track-System, aber dasrauchen wir.Drittens. Deutschland braucht international konkur-enzfähige Förderinstrumente. Im internationalen Um-eld beobachten wir eine starke Präferenz für indirekteinanzierungshilfen für Forschung und Entwicklung. In8 OECD-Ländern gibt es mittlerweile eine steuerlicheorschungsförderung. Wir schlagen hier und heute er-eut eine solche Forschungsprämie vor, gemäß der Un-ernehmen, die mit Forschungseinrichtungen und Hoch-chulen zusammenarbeiten, belohnt werden.
Viertens. Deutschland braucht eine Nationale Aka-emie der Wissenschaften. Was uns in Deutschlandehlt, ist ein geistiges Zentrum einer innovativen Gesell-chaft. Es muss nicht Sache der Politik sein, eine solchekademie zu errichten. Aber das Gutachten des Wissen-chaftsrates liegt jetzt seit über einem Jahr auf demisch. Das Thema muss wieder auf die Tagesordnung.Vorschlag Nummer fünf: Wir brauchen ein strategi-ches Forschungs- und Innovationsministerium.
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Katherina ReicheManchmal hat man den Eindruck, dass Ihr Haus, FrauBulmahn, in den letzten Jahren zu einer Mischung ausPR-Agentur und Schulministerium geworden ist. DerDirektor des Albert-Einstein-Instituts, Professor Nicolai,hat es im Einstein-Jahr dann auch auf den Punkt ge-bracht:Hinter der glänzenden Fassade wird genau die Phy-sik, die Einstein betrieb, demontiert.Das Geld für die Riesen-PR-Kampagne im Einstein-Jahrhätten Sie möglicherweise besser für die Einrichtung ei-nes Einstein-Lehrstuhls ausgegeben.
Die Energieforschung ist auf vier Ministerien aufgeteilt,die sich gegenseitig blockieren. Wir haben nach wie vorkein komplettes Energieforschungsprogramm. Die Inno-vationsförderung für den Mittelstand, derentwegen Siegerade Ihr Haus gelobt haben, wird zwischen BMBF undBMWA zerrieben.
Der Grünen Gentechnik geht es schlecht. Sie fördern,Frau Künast blockiert. Ebenso sieht es im Bereich LifeScience aus.Frau Bulmahn, ich weiß nicht, ob Sie die Kraft haben,alle Ministerien zu überzeugen, dass Innovation nicht et-was ist, was in Ihrem Haus betrieben wird, sondern alleangeht. Manchmal können einem da Zweifel kommen.Ein strategisches Innovationsministerium ist mehr alsnur eine Forschungsverwaltung. Es bedeutet nicht nurein Klein-Klein von Projekten und Programmen, son-dern es ist ein Impulsgeber einer innovativen Gesell-schaft.Setzen Sie, meine Damen und Herren von der Koali-tion, gemeinsam mit uns die Vorschläge um, auch die,die ich nicht erwähnen konnte, die aber in den Anträgenzusammengefasst sind. Vielleicht gelingt es dann we-nigstens, das Jahr 1 nach dem Jahr der Innovation zu ei-nem solchen zu machen.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Josef Fell,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Forschung und Innovation für eine starkeWirtschaft ist das berechtigte Anliegen aller Fraktionenin diesem Hause. Sie, meine Damen und Herren von derUnion und der FDP, behaupten seit Jahren unentwegt,dass Deutschland wirtschaftliches Schlusslicht in Europasei.
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Doch Deutschland ist – das müssen Sie endlich ein-al begreifen – die stärkste Wirtschaftsnation in Europand eine der stärksten in der Welt.
a, Deutschland hat sogar die Kraft, dieses hohe Niveaueiter zu steigern. So lag das Wachstum des Brutto-nlandsproduktes im ersten Quartal dieses Jahres um,0 Prozent höher als im Vorquartal. Damit hat Deutsch-and nicht nur absolut, sondern sogar prozentual dietärkste wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung in derurozone; so die neuesten Zahlen von Eurostat.Im Wesentlichen bestätigt wird die starke Wirt-chaftsnation auch durch den der heutigen Debatte zu-runde liegenden Bericht zur technologischen Leis-ungsfähigkeit Deutschland 2005. So heißt es in derusammenfassung des Berichtes:Das Durchsetzungsvermögen der exportierendenIndustrie ist aktuell uneingeschränkt hoch, siebricht auf den Weltmärkten alle Rekorde.uch zur Forschung gibt die Zusammenfassung eineindrucksvolle positive Bewertung. Frau Ministerinulmahn hat dies deutlich gemacht.Aber weiter heißt es in diesem Bericht auch:Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologiehaben in Deutschland seit einigen Jahren auch inden öffentlichen Haushalten wieder einen leicht hö-heren Stellenwert bekommen. Vielfach gelingt es inanderen Staaten jedoch erheblich schneller, dieBudgets gezielt auf mehr Investitionen zur Verbes-serung der technologischen Leistungsfähigkeit aus-zurichten.iese Mahnung, meine Damen und Herren von dernion, sollten Sie sich viel ernsthafter zu Herzen neh-en. Die rot-grüne Parlamentsmehrheit und die Bundes-egierung haben seit Jahren mit mehr Mitteln für Bil-ung und Forschung für einen höheren Standard alsnter der alten Regierung gesorgt. Frau Bulmahn hat daseutlich gemacht.
Jedoch die gerade für unsere Hochschulen und For-chungseinrichtungen weiteren notwendigen Erhöhun-en der Ausgaben blockieren Sie in unverantwortlichereise. Allein durch die von Ihnen verursachte Verzöge-ung des Paktes für Forschung entgehen den institutio-ell geförderten Forschungseinrichtungen schon in die-em Jahr gut 150 Millionen Euro.180 Millionen Euro fürie Juniorprofessur stehen wegen Ihrer Blockade nichtur Verfügung.
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Hans-Josef Fell
Die Exzellenzinitiative haben Ihre Ministerpräsidentenschon wieder gestoppt. Damit fehlen den Hochschulenallein in diesem Jahr 380 Millionen Euro. Mit Ihrer Blo-ckade der Abschaffung der Eigenheimzulage verhindernSie notwendige Finanzierungen im Hochschulbau oderverschiedene Forschungsprojekte, beispielsweise für er-neuerbare Energien, im Umweltministerium.
Meine Damen und Herren von der Union, es ist uner-träglich, wie Sie Forschung, Bildung und Innovation inDeutschland zunehmend schädigen.
Sogar die ansonsten sehr zurückhaltenden Forscher undHochschullehrer haben dies bereits in aller Deutlichkeitkritisiert. Am 18. Februar haben Wissenschaftsrat, DFGund Hochschulrektorenkonferenz gemeinsam ange-mahnt:Wir halten es für untragbar, dass die Realisierungvon „Pakt“ und „Exzellenzinitiative“ im Zuge derFöderalismusdebatte zum Spielball wissenschafts-fremder Interessen geworden ist.
Seitdem sind schon wieder drei Monate verstrichen, indenen Sie von der Union hier zwar mit Krokodilstränendas Abwandern von jungen Wissenschaftlerinnen undWissenschaftlern bedauern, zu wenig Aufwuchs bei denForschungsmitteln beklagen und Deutschland als Wis-senschafts- und Wirtschaftsstandort schlecht reden. AberIhre Handlungen intendieren genau dies.
Statt Ihre Blockade gegen Bildung und Forschung end-lich aufzugeben, legen Sie heute eine Reihe von Anträ-gen vor, in denen Sie dann auch noch behaupten, innova-tiv zu sein. Aber das ist doch nur ein Bauchladen volleralter Ladenhüter, die Sie schon immer gebracht haben;nichts Neues ist enthalten.
Ich muss an dieser Stelle einen dringlichen Appell andie Forscher und an die Hochschulen richten. Auchwenn sich diese bereits einige Male deutlich gegen diebildungs- und forschungsfeindliche Politik der Uniongeäußert haben: Die Proteste aus diesem Bereich sind of-fensichtlich immer noch nicht ausreichend.
Angesichts des Ausfalls von Steuermitteln droht imkommenden Jahr erstmals ein Rückgang der Mittel fürBildung und Forschung.
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Ansonsten, meine Damen und Herren von der Union,ekommen wir wieder Verhältnisse in Deutschland wienter dem ehemaligen so genannten Zukunftsministerüttgers. Unter dessen Verantwortung im Zeitraum von992 bis 1998 ist der Anteil der Ausgaben für Bildungnd Forschung im Haushalt von 4,7 Prozent auf,2 Prozent radikal zusammengestrichen worden.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Die Gesellschaft muss wissen, auf wen sie sich ein-
ässt, wenn sie die wirklichen Forschungs- und Bil-
ungsfeinde der Union wählt.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Flach, FDP-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herrell, ich habe das Gefühl, die Gesellschaft weiß im Au-enblick nicht so recht, was sie von dieser Debatte über-aupt halten soll. Die eine Seite sagt so und die andereeite sagt so.
ch ziehe es aus diesem Grunde vor, an dieser Stelle je-anden zu zitieren, der nicht zu unserem erlauchtenreis gehört. Herr Bullinger hat treffend gesagt: „Ohneie Automobilindustrie kann man Deutschland kaumoch als Hightechland bezeichnen.“Herr Bullinger ist sicherlich unverdächtig, für eineartei zu sprechen. Er ist der technologische Chefberater
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Ulrike Flachder Bundesregierung. Frau Bulmahn, ich muss mich alsofragen, inwieweit Sie überhaupt noch in der Lage sind,die Situation realistisch zu beurteilen.
Ich muss auch fragen, inwieweit Sie noch in der Lagesind, über diese für unser Land grundlegenden Fakten zudiskutieren.
Es gibt inzwischen Dutzende von Berichten, die da-vor warnen, dass unser Forschungsstandort von derGrundsubstanz lebt, dass wir im Wettbewerb zurückfal-len und dass das gesunde Fundament unterhöhlt wird.Frau Bulmahn, niemand erwartet von Ihnen – ich schongar nicht –, dass Sie wie Moses das Meer für uns teilenund dass Sie die internationalen Globalisierungswinde,die um uns wehen, aufhalten. Wir erwarten aber natür-lich von Ihnen, dass Sie unser Land in diesem Bereichseefest machen.
Aber das Manko liegt in Ihrer Haushaltspolitik. Wir er-warten deswegen von Ihnen eine verlässliche Haushalts-politik. Herr Fell, ich bin entsetzt, dass Sie davon spre-chen, der Kanzler denke jetzt darüber nach, seineVersprechen nicht einzuhalten, die er gegenüber derWissenschaft gemacht hat.
Wir erwarten natürlich auch mutige Reformen unsererzum Teil wirklich altbackenen Strukturen. Seit Jahrengibt Deutschland zu wenig für Forschung und Entwick-lung aus. Dem Ziel, 3 Prozent des BIP für diesen Be-reich auszugeben, haben wir uns in den letzten Jahrennicht sonderlich erfolgreich genähert. Der Anteil liegtbei 2,5 Prozent.
Wenn das BIP jetzt steigt, müssen wir sogar noch einwenig Geld mehr in die Hand nehmen.Wir sind nicht nur auf finanziellem, sondern auch aufpolitischem Gebiet nicht viel weiter gekommen. DenkenSie an die Entrümpelung des HRG, Frau Bulmahn! Den-ken Sie an den Wissenschaftstarifvertrag und an die Ex-zellenzinitiative, die wirklich nur schleppend voran-kommt!
Liebe Frau Bulmahn, Sie leisten sich Spiegelfechte-reien mit den Ländern. Das Geschrei von Herrn Taussunterstreicht das.
Ich muss einmal eine Analogie zum wirklichen Lebenziehen. Nach nunmehr sechs Jahren Amtszeit leben Siemit den Bundesländern zusammen wie ein altes Ehepaar.Jes–hdsLHevWzklaIdsItss–zdhWwzsjwEuPd
Lieber Herr Tauss, ich kann Sie beruhigen. Ich feiereeute Silberne Hochzeit und führe eine gute Ehe.
Der Pakt für Forschung, die Exzellenzinitiative undie Finanzierung des Bologna-Prozesses sind inzwi-chen Symbole der Politikunfähigkeit von Bund undändern geworden. Darauf sollten wir alle in diesemause nicht besonders stolz sein. Der ewige Kleinkriegrfreut zwar die Medien; er hat aber lange verdeckt, dassiele Akteure den Forschungsstandort verlassen haben.ir haben hier immer wieder darüber diskutiert.Frau Ministerin, die offene Bilanz Ihrer Regierungs-eit ergibt unter dem Strich vor allen Dingen eines: Sieämpfen verzweifelt gegen die internationale Techno-ogiekonkurrenz. Das ist ganz bestimmt ehrenhaft, hatber ausgesprochen geringen Erfolg.
n der Elektrotechnik werden wir von Asien überholt. Iner Informationstechnologie haben wir zwar aufgeholt,ind aber nicht mehr Technologieführer.
n der Mikroelektronik sehen nur 16 Prozent der Exper-en Deutschland als Innovator. In der Nanotechnologieind wir nach wie vor Spitze in der Grundlagenfor-chung.
Selbstverständlich. – Aber wir füllen nicht die Lückewischen der Grundlagenforschung und dem Produkt. Iner Stammzellforschung und in der Pharmaforschungaben wir die Marktführerschaft verloren.
ir sind selbst bei der Automatisierung dabei, den preis-erten Anbietern aus den asiatischen Bereichen Raumu geben und unseren Spitzenplatz zu verlieren.
Betrachten Sie den Antrag zur ESS: Die Engländerind gerade dabei, dieses wirklich hochinnovative Pro-ekt abzugreifen. Es ist aus Deutschland verschwunden,eil Sie an dieser Stelle nicht in der Lage waren, Herrnichel oder auch andere in diesem Lande, die Sie hättennterstützen können, dazu zu überreden, dass man diesesrojekt auf die Schiene bringt. Also hat es wieder einmalie europäische Konkurrenz übernommen.
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Ulrike FlachUnter dem Strich ist eines klar: Der Wettbewerb istknallhart und wird natürlich durch die aufstrebenden Na-tionen China und Indien sowie in Osteuropa noch härter.Andere Länder fördern ihre Forschung und Entwicklungdeutlich entschlossener, konsequenter, abgestimmter undstrategisch klarer ausgerichtet.
Frau Bulmahn, ich frage Sie ganz im Ernst: Wie beab-sichtigen Sie in den verbleibenden anderthalb Jahren,auf die industriepolitische Herausforderung unserereuropäischen Partner zu reagieren? Dazu höre ich vonIhnen keine Antwort. Wir haben es mit Frankreich zutun, das allein im Raumfahrtbereich das Zigfache vondem ausgibt, was wir ausgeben. Wir haben es mit Italienund Belgien zu tun, die uns natürlich überholen. Ich hörevon der Bundesregierung keine Antwort auf diese gro-ßen europäischen Herausforderungen. Ich wäre Ihnensehr dankbar, wenn wir dazu eine wirklich maßgeblicheDebatte führen könnten.
Ihr Haushalt ist schon heute Makulatur; Herr Fell hates eben erwähnt. Ich bin gespannt, ob diese düsteren Vo-raussagen auch zutreffen werden. Wenn man zu denHochschulen und den Wissenschaftlern geht, erkenntman überall, dass dies auch draußen angekommen ist.Optimismus greift eben leider nicht um sich, so wie Siees eben dargestellt haben.
Lassen Sie mich etwas zu dem sagen, dass man in derBundesregierung versucht, dies rhetorisch glänzend zuheilen. Der Kanzler hat vor wenigen Tagen erneut vondem Gründerfonds gesprochen. Jetzt bekommen wirplötzlich die Entsperrungsmitteilung unserer Haushalts-experten auf den Tisch, dass dieses große Gründer-fondsprojekt auf die Schiene gestellt wird. Das, wasdurch die Medien gegangen ist, umfasst knappe 5 Mil-lionen Euro in diesem und knappe 20 Millionen imnächsten Jahr. Sie glauben doch wohl nicht, dass ich, alsich dies auf dem VDI-Kongress vor wenigen Tagen dendort Versammelten mitteilte, Begeisterung geerntet habe.Gelächter, Frau Bulmahn! Das sind kleine Trippelschritt-chen, mit denen wir diesem Standort leider nicht weiter-helfen werden und über die wir vor allen Dingen in denMedien in dem Sinne lesen werden, dass etwas getanwerden soll, aber noch nicht in der Realität umgesetztist.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Tauss?
Kollege Tauss darf heute leider nicht reden.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
it der wir auch sehr intensiv arbeiten, wie Sie alle wis-en, wenn Sie unsere Anträge lesen. Auch heute liegt Ih-en ja wieder einer vor. Das ist das Erste.Das Zweite. Herr Tauss, falls Ihre Frage die Aufforde-ung an mich sein sollte,
as nächste Mal für die Landesliste von Baden-ürttemberg zu kandidieren, kann ich dies als Nord-hein-Westfälin entschieden zurückweisen. Ich bin undleibe Nordrhein-Westfälin.
Das Dritte. Lieber Herr Tauss – darüber haben wirchon oft diskutiert –,
ie kennen meine persönliche Meinung, dass die Eigen-eimzulage in die Mottenkiste gehört.
as wissen Sie und das ist nichts Neues. Allerdings dis-utieren wir über dieses Thema nun bereits seit einemahr. Die Bundesregierung ist diejenige, die längst hätteeagieren müssen.
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Ulrike FlachIch frage mich: Gibt es für Sie eigentlich nur die Eigen-heimzulage und keine andere Subvention, an die Sie he-rangehen könnten?
Wie sieht Ihr Haushalt überhaupt aus? Sie „verdumm-deudeln“ die Leute, indem Sie ständig von einem einzi-gen Subventionspaket reden,
und Sie haben offensichtlich nicht genug haushalterischeFantasie, um das Ganze anders zu gestalten.
Sie wissen, dass das nicht funktioniert. Insofern ist dasnichts als ein rhetorischer Gag,
der immer wieder gut funktioniert, der den Leuten imLande – das muss ich Ihnen sagen – aber nicht helfenwird.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die FDP-Fraktion in den letzten Jahren – übrigens als einzigeFraktion – immer wieder dafür gesorgt hat, dass entspre-chende Sparvorschläge auf dem Tisch lagen. Ich habeunser dickes Büchlein heute nicht dabei; nächstes Malbringe ich es wieder mit. Auch wissen Sie, dass wir imAugenblick in Nordrhein-Westfalen heftig über eineKürzung der Subventionen für die Steinkohle diskutie-ren.
Gerade Sie rasten dabei völlig aus.
Bei der FDP haben wir es also mit einer Fraktion zu tun,die haushalterisch ausgesprochen ausgefeilte Vor-schläge vorlegt. Wir sind bereit, dieses Geld in For-schung und Entwicklung zu stecken. Genau das werdenwir 2006 tun.
Frau Kollegin, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem
25-jährigen Ehejubiläum am heutigen Tag.
Das Wort hat die Kollegin Martina Eickhoff, SPD-
Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Innovation und Forschungind unverzichtbare Bausteine für die wirtschaftlichentwicklung unserer Gesellschaft. Diesem Leitsatz hatie rot-grüne Bundesregierung in den vergangenen Jah-en Taten folgen lassen. Das zeigen die heute gehörtenusführungen der Bundesministerin für Bildung undorschung.Nochmals sei gesagt: Zwischen 1998 und 2003 sindie Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwick-ung um 1 Milliarde Euro auf rund 9 Milliarden Euro ge-tiegen. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklungn Deutschland insgesamt sind von 44,6 Milliarden Eurom Jahr 1998 auf 53,3 Milliarden Euro im Jahr 2003 ge-tiegen. Das ist ein beachtlicher Zuwachs von mehr als9 Prozent.
ach den USA hat Deutschland mit 15,6 Prozent denweithöchsten Weltmarktanteil bei forschungsintensi-en Gütern. Bescheinigt wird dies zum Beispiel durchen „Wirtschaftsbericht Deutschland“ der OECD.Die SPD-Fraktion ist sich bewusst, dass der Wohl-tand unserer Gesellschaft auf Produktinnovationenasiert. Unsere Forschungspolitik wird die Menschen zunnovationen befähigen. Nachweislich besteht ineutschland ein positiver Zusammenhang zwischen For-chungsinvestitionen und Wirtschaftswachstum. Darstel-n lässt sich das am Beispiel der Nanotechnologie. Ichitiere aus der Antwort der Bundesregierung auf dieroße Anfrage der CDU/CSU mit dem Titel „Lage derorschung in Deutschland“:Die Forschung zur Nanotechnologie in Deutschlandwird von deutschen Firmenvertretern als weltweitführend eingestuft … Die Mittel für die Förderungvon Forschungsvorhaben im Bereich Nanotechno-logie wurden seit 1998 um 440 % auf 125 Mio. €im Jahr 2004 gesteigert.ch wiederhole: um 440 Prozent.
Mit Unterstützung der vom BMBF initiierten undgeförderten Kompetenzzentren der Nanotechnolo-gie wurden ab 1998 ca. 40 neue Firmen gegrün-det …Der von der CDU/CSU-Fraktion eingebrachte AntragForschungs- und Innovationsförderung für die Arbeits-lätze der Zukunft“ ist ein bunter Strauß von Forderun-en, ein wenig tief gehender Rundumschlag, der der an-esprochenen Bedeutung der Innovationspolitik nichterecht wird. Aber gut, in wenigen Tagen ist Wahl inordrhein-Westfalen. Einige Details: Sowohl im Antrag
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Martina Eickhoffder CDU/CSU-Fraktion als auch im FDP-Antrag wirddas Thema Energieforschung angesprochen. Meine Da-men und Herren der Opposition, zu Recht weisen Siedarauf hin, dass besonders der Energiesektor eineenorme Wirkung auf die wirtschaftliche Entwicklungunseres Landes hat und deshalb immens wichtig ist.Dass dieses Thema für die Regierungskoalition nicht neuist, wissen Sie. Bekanntermaßen haben SPD und Bünd-nis 90/Die Grünen zum Jahreswechsel einen Antrag for-muliert und beschlossen, der da heißt: „Nationales Ener-gieforschungsprogramm vorlegen“. Einige Stichpunkteaus diesem Antrag lauten: Steigerung der Energieeffi-zienz, gezielte Förderung von erneuerbaren Energien so-wie Entwicklung klimaschonender Techniken zurStromerzeugung aus fossilen Energieträgern.
Wir streben einen Mix an, der die Potenziale der un-terschiedlichen Energieträger angemessen berücksich-tigt, Effizienzsteigerung erreicht sowie Versorgungssi-cherheit gewährleistet. Die Bundesregierung wird einneues Energieforschungsprogramm vorlegen, das vonder Grundlagenforschung bis zur anwendungsnahen For-schung reicht. Die genannten Stichworte tauchen hierwieder auf. Konkrete Forschungsfelder werden unter an-derem: Technologien zur Nutzung erneuerbarer Ener-gien, Kraftwerkstechnologien, Brennstoffzellen und En-ergieeinsparungstechnologien.Liebe Kolleginnen und Kollegen, Erfolge der Ener-gieforschung lassen sich jedoch schon heute benennen.Das gilt für den Bereich der erneuerbaren Energien,deren Anteil am Primärenergieverbrauch aufgrund ent-sprechender Entwicklungen stetig steigt. Das technolo-gische Potenzial der erneuerbaren Energien und die da-mit verbundenen Exportchancen sind anerkennenswertund bemerkenswert.
Aber auch bei den fossilen Energieträgern zeigt sichder Erfolg von Forschungsprojekten: Moderne Kraft-werkstechnologien können entscheidenden Einfluss aufdie Energieversorgung der Zukunft und den globalenUmweltschutz nehmen. Darauf hat Ende 2003 unter an-derem der von der Bundesregierung eingesetzte Rat fürNachhaltige Entwicklung hingewiesen. Im Weltdurch-schnitt pendelt sich der Wirkungsgrad aller Kohlekraft-werke zurzeit bei 31 Prozent ein. In Deutschland liegenwir durchschnittlich bei einem Wirkungsgrad von38 Prozent. Wir erreichen Spitzenwerte von 45 Prozent.Damit sind wir weltweit führend. Wirkungsgrade von55 Prozent werden in den kommenden zehn Jahren an-gestrebt.
Länder wie China und Russland liegen mit 23 Prozentweit zurück. Das heißt, wir stehen bei der Kraftwerks-tzdCuDUrtv„hCKvkwgDnDeKs–tmE–wD–vDr
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Maria Böhmer,
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Ich finde es schon bemerkenswert, wie heuteon Regierungsseite und auch vonseiten der Regierungs-oalition die Realität ausgeblendet wird. Seit gesternissen wir: Die Bundesregierung steht finanziell am Ab-rund.
ie Steuerschätzung hat deutlich gemacht: Es ist mit ei-em Minus von mehr als 40 Milliarden Euro zu rechnen.
as bedeutet, dass Ihre Planungen, Frau Bulmahn, wiein Kartenhaus zusammenbrechen werden. Das ist eineatastrophenmeldung für Bildung und Forschung in un-erem Land.
Der Bundesfinanzminister hat schon vor einiger Zeit wohl wissend offensichtlich – angekündigt, dass dras-ische Kürzungen im Bereich Ihres Haushalts vorzuneh-en wären. Es ist die Rede gewesen von 1 Milliardeuro.
1 Milliarde Euro, die dann fehlen wird. Das heißt, hiererden Hoffnungen und Planungen in den Sand gesetzt.as ist so nicht haltbar.Ich halte es auch für absurd, dass immer wiederauch heute – versprochen wird, dass es zu höheren In-estitionen für Bildung und Forschung kommt.
er Kollege Fell hat immerhin angedeutet, womit zuechnen ist. Diese Ehrlichkeit rechne ich ihm hoch an.
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Dr. Maria BöhmerAnsonsten muss ich Ihnen sagen: Es fehlt Ihnen an Geld.Mit ungedeckten Schecks ist hier niemandem gedient.
– Lieber Herr Tauss, ereifern Sie sich weiterhin. Esmacht jede Debatte munter, wenn Sie so dabei sind.Das gilt auch für das Versprechen, das Sie mantraartigwiederholen und das richtig ist, dass nämlich die Inves-titionen für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf3 Prozent des Bruttosozialprodukts zu steigern sind. Die-ser Weg muss gegangen werden. Stellen wir uns abereinmal vor, was das für Sie bedeutet: Wenn Sie diesesZiel erreichen wollten, dann müssten Sie ab jetzt eineSteigerungsrate von sage und schreibe 9 Prozent vorle-gen. Diese Steigerungsrate ist angesichts der finanziellenVerhältnisse, die Sie zu verantworten haben, doch völligillusorisch.
Im Übrigen: Da Sie vorhin behauptet haben, zu unse-rer Zeit wären die Dinge so viel schlechter gewesen,
muss ich Ihnen sagen: Sie weisen heute einen Anteil derInvestitionen am Bruttosozialprodukt von 2,51 Prozentaus. Wir haben es eben von der Ministerin gehört. Zu un-serer Regierungszeit waren es 2,9 Prozent.
– Das ist Fakt.
Ich will Ihnen auch noch einmal sehr deutlich sagen,dass die Mittel von staatlicher Seite zurückgefahren wor-den sind: 1995 betrug der Anteil der staatlichen Mittel38 Prozent, heute sind es ganze 31 Prozent.
Die Leistungen, die im FuE-Bereich dafür sorgen, dassDeutschland mit 2,51 Prozent gerade noch über die Run-den kommt, sind die Leistungen der Wirtschaft undnichts anderes.
Angesichts dieser riesigen Haushaltslöcher frage ich Sieauch, Frau Ministerin: Wie wollen Sie den Pakt für For-schung und die Exzellenzinitiative noch finanzieren?Woher nehmen Sie die Mittel?
Oder wird das alles jetzt Makulatur?Sie wissen: Wir stehen zum Pakt für Forschung undInnovation.
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ir sind auch für die Stärkung der universitären For-chung. Ich sage Ihnen aber deutlich – da können Sieoch so laut schreien –: Man muss es richtig machen.
ei dem Weg, den Sie einschlagen wollten, denke ichmmer noch an „Brain-up“ und an den Wettbewerb derpitzenuniversitäten. Der erste Vorschlag für diesenettbewerb grenzte ja schon an Lächerlichkeit. Das istn Verhandlungen mühsam auf den Weg gebracht wor-en. Man kann Elite nicht verordnen, sondern man mussür die Elite günstige Rahmenbedingungen bis hin zurbernahme der vollständigen Kosten für Forschungs-rojekte schaffen. In dieser Situation werfen Sie unslockade vor und legen Sie sich ständig quer. Das istoch die Wahrheit.
ehen Sie auf unsere Vorschläge ein, dann können wirn Kürze abschließen und die Hochschulen und außer-niversitären Forschungseinrichtungen werden endlich,o Sie es finanzieren können, die finanziellen Mittel ha-en.
Das Trauerspiel verfolgen wir auch bei der Föderalis-usdebatte. Das ist der nächste Akt, auf den wir genauchauen werden. Ihr Parteivorsitzender hat endlich eineinsicht gehabt. Er hat nämlich den Föderalismus in Bil-ungsfragen akzeptiert. Frau Bulmahn, was haben Sieetan? Sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als wieder da-egen zu gehen und wieder deutlich zu machen, dass Sieuch weiter in die Schulpolitik hineinregieren wollen.
ie haben eine Pressekonferenz zum Thema Ganztags-chulen einberufen. Sie wissen genau: Schulpolitik iständersache. Dies soll auch in Zukunft so bleiben; dennnsere Länder sind die Besseren.
Die von Ihnen so viel gepriesene Innovationsoffen-ive hat keinen messbaren Ertrag gebracht. Da könnenie hier noch so viel vorrechnen. Woran liegt das? Einer-eits ist Deutschland in der Grundlagenforschung her-orragend. Wir haben in unserem Land exzellente For-cher. Man muss sich aber immer wieder fragen, wieange viele noch in unserem Land bleiben werden.Deutschland verfügt über Unternehmen, die innova-ionsbereit und offen sind für neue Ideen und Techniken.ber viele hervorragende Forschungsergebnisse bleibenn den Labors und finden keine Anwendung. Das ist derunkt, an dem wir arbeiten müssen. Wir müssen aus derrundlagenforschung über die Entwicklung in die An-endung kommen.
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Dr. Maria Böhmer
Nicht nur das Ausland darf aber von dem profitieren,was in Deutschland erforscht worden ist. Die Anwen-dung sollte primär in Deutschland stattfinden. Dafürmüssen wir die Rahmenbedingungen setzen.
Ich will Ihnen die Antwort mit den Worten von PeterGruss, dem Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft,geben. Er hat gesagt:Das virtuelle Staffelholz zwischen den Forschungs-einrichtungen und innovativer Wirtschaft darf …nicht zu Boden fallen.Ich glaube, wir sind gut beraten, uns dem Vorschlagder Max-Planck-Gesellschaft zuzuwenden. Sie schlägtdie Schaffung von Innovationsfonds vor. Mit diesen In-novationsfonds kann die Brücke zwischen Forschungund Wirtschaft geschlagen werden. Wir stehen hinterdieser Idee, wir sind dafür, dass diese strukturelle Lückeschnellstens geschlossen wird. Wir fordern Sie auf: Ma-chen Sie mit! Tun Sie etwas dafür, dass Forschungser-gebnisse auch zu entwicklungsfähigen Produkten wer-den, damit die Chancen wachsen, in unserem Land zuArbeitsplätzen und Wachstum zu kommen.
Man darf an dieser Stelle eines nicht unerwähnt las-sen: Die Diskrepanz zwischen Reden und Handeln istbei Ihnen immer wieder riesig.
Das wird an keinem Beispiel so deutlich wie an dem derGrünen Gentechnologie.
Sie müssen verantworten, dass die Chancen für Deutsch-land verloren zu gehen drohen. Rund um den Globuswerden auf 70 Millionen Hektar gentechnisch verän-derte Pflanzen angebaut, in Deutschland gerade einmalauf 673 Hektar. Das weltweite Marktpotenzial wird auf500 Milliarden Dollar geschätzt.Schauen Sie sich vor Ort, dort, wo die Industrie indiesem Bereich forscht und Arbeiter auf Arbeitsplätzehoffen, um. Gehen Sie einmal zur BASF. Dort werdenbis zum Jahr 2010 700 Millionen Euro in den Ausbauder Pflanzenbiotechnologie investiert. Ich sage: mög-lichst in Deutschland!
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Reinhard Loske,
ündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Böhmer, es ist schon ein wenig abenteuerlich. Ei-ige Ihrer Argumentationen habe ich durchaus verfolgt.
in Argument ist mir besonders aufgefallen. Bis jetzt ha-en Sie bei jeder Debatte behauptet, die Forscherinnennd Forscher liefen aus Deutschland weg, alles sei ganzurchtbar. Braindrain war Ihr Stichwort. Jetzt haben Sieffenbar gemerkt, dass Sie, wenn Sie den Standorteutschland immer so schlechtreden, wie Sie es in derergangenheit getan haben, die Argumentation leicht än-ern müssen. Jetzt heißt es: Wer weiß, wie lange die For-cherinnen und Forscher noch bleiben? Die Realität istine ganz andere: Sie kehren zurück, und zwar wegennserer Politik und der Rahmenbedingungen, die wiretzen.
Ein Zweites können wir Ihnen nicht durchgehen las-en. Das sind Ihre Zahlen. Sie müssen schon bei derahrheit bleiben.
998 lag der Anteil der Ausgaben für Forschung undntwicklung am Bruttoinlandsprodukt bei knapp,3 Prozent, heute liegt er bei 2,5 Prozent, das ist eineutlicher Aufwuchs. Diese Ansicht könnten Sie mögli-herweise teilen. Ihre These ist, der öffentliche Anteil seiurückgegangen. Auch diese These stimmt nicht; denner Anteil des Bundes ist zwischen 1998 und heute von,2 auf knapp 9 Milliarden Euro gestiegen. Sie sagen
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Dr. Reinhard Loskehier also die Unwahrheit und das können wir nicht ak-zeptieren.
Jetzt zu Frau Flach. Ich hoffe – ich nehme an, das hatauch die Frau Präsidentin so gemeint –, wir haben vorhinnicht über Ihre Ehe gesprochen.
Da ich auch Ihren Mann kenne, gehe ich eigentlich festdavon aus, dass Sie sich nicht morgens darüber Gedan-ken machen, wie man dem Partner Steine in den Wegrollen kann. Vielleicht beschreibt das Beispiel das Ver-halten der Länder ganz gut, aber ganz sicher nicht IhreEhe.
Die CDU hat die These vertreten: Früher war allesbesser. Dazu komme ich gleich noch. Sie haben dieThese vertreten: Andere sind durchweg besser. Dass wirbesser werden müssen, darüber besteht Einvernehmen.Auch darüber, dass die Skandinavier mehr Mittel fürForschung und Technologie bereitstellen als wir, bestehtEinvernehmen.Betrachten wir dazu einmal die nüchternen Zahlen:Der Anteil der Forschungsausgaben am Bruttoinlands-produkt beträgt bei uns 2,5 Prozent. In Amerika beträgter 2,6 Prozent, ist also nur geringfügig höher. Im Verei-nigten Königreich liegt er bei 1,9 Prozent, in Frankreichbei 2,3 Prozent. Sie sollten uns also nicht ständig soschlechtreden. Wir müssen besser werden, aber wir sindnicht schlecht. Das möchte ich noch einmal betonen.
Das sehen wir auch alle, unabhängig von der Parteizuge-hörigkeit.Ein Argument finde ich besonders heuchlerisch undverlogen, auch wenn es auf der Metaebene natürlichstimmt, nämlich das Argument: Es ist zu wenig Geld da.Ja, das stimmt. Warum aber ist zu wenig Geld da?
Es ist zu wenig Geld da, weil Sie systematisch den Paktfür Forschung und Innovation blockieren, weil Sie syste-matisch die Exzellenzinitiative blockieren, weil Sie demAbbau aller möglichen Subventionen nicht zustimmen.Das war nicht nur bei der Eigenheimzulage so, sondernauch beim Agrardiesel und anderen Subventionen. Siesprechen hier also mit gespaltener Zunge und sind nichtglaubwürdig. Das muss man ganz klar sagen.
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nd diese Position an der Weltspitze wollen wir durchie Setzung entsprechender Rahmen, beispielsweiseurch das BMBF, weiter ausbauen. Hierdurch werdenir unsere Position an der Weltspitze halten.
nterstützen Sie das und blockieren Sie das nicht dau-rnd! Das machen Sie nämlich gerade bei der Novellees Gentechnikgesetzes. Die Vereinfachung, die wir unsm Bereich der Weißen Biotechnologie, also im ge-chlossenen System, vorgenommen haben, versuchenie gerade wieder zurückzunehmen.Ihre sonstigen Vorstellungen im Vermittlungsaus-chuss sind wahnsinnig: Erstens. Bezüglich der Haftungür Schäden durch gentechnisch veränderte Pflanzenollen Sie beispielsweise, dass nicht der Verursacheraftet, sondern dass im Prinzip der Betroffene den Scha-en trägt. Sie wollen die Gewinne privatisieren und dieerluste sozialisieren. Das machen wir ganz eindeutigicht mit.
Zweitens wollen Sie das Standortregister wiederchließen. Sie wollen, dass die Leute keinen Einblick ha-en. Auch das ist unakzeptabel. Wir sind für Transpa-enz. Drittens. Völlig inakzeptabel ist, dass Sie denchutz ökologisch sensibler Gebiete komplett kippenollen. – Hier bestehen zwischen uns gewaltige Unter-chiede. Das ist erkennbar.Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen: Sie for-ern immer wieder ein konsistentes Energieforschungs-rogramm ein.
ir sind da dran. Das ist jedoch schwierig. Sie jedochetzen völlig einseitig auf Atomenergie bzw. Fusions-nergie. Aber das ist die Energie der Vergangenheit undicht die Energie der Zukunft. Ich will Ihnen dazu ein-al einige Zahlen nennen. Seit den 50er-Jahren sind0 Prozent der gesamten öffentlichen Energiefor-chungsmittel innerhalb der OECD in Kernspaltung und
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Dr. Reinhard LoskeKernfusion geflossen. Gedeckt werden dadurch nur noch7 Prozent des Weltenergiebedarfs. Ich fordere Sie daherauf: Kommen Sie weg von Ihrer einseitigen Fixierungauf Atomenergie und Kernfusion! Gehen Sie mit uns denWeg der erneuerbaren Energien und der Energieeffi-zienz. Dann sind Sie auf der richtigen Seite.Danke schön.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Marion Seib, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren!Die Bereitschaft der Wirtschaft zu Innovationen amStandort Deutschland hat zwar zugenommen. Unsi-cherheit über die mittelfristigen Absatz- undWachstumsaussichten begrenzt jedoch das finan-zielle Engagement bei Investitionen in Forschungund Entwicklung, in hoch qualifiziertes Personalund in Sachanlagen.Und:Vielfach gelingt es in anderen Staaten jedoch erheb-lich schneller, die Budgets gezielt auf mehr Investi-tionen zur Verbesserung der technologischen Leis-tungsfähigkeit auszurichten.Diese zwei Zitate aus dem Bericht zur technologischenLeistungsfähigkeit 2005 der Bundesregierung bringen estatsächlich auf den Punkt.Kurzum: Unsere Ausgaben für Forschung und Ent-wicklung stehen hinter der internationalen Entwick-lung deutlich zurück. Das Forschungs- und Innovations-geschehen ist in anderen Ländern weitaus dynamischer.China hat seine Forschungs- und Entwicklungsaufwen-dungen allein seit Mitte der 90er-Jahre vervierfacht undsich mit FuE-Ausgaben von 72 Milliarden US-Dollarauf Rang drei der forschungsreichen Länder katapultiert.Die trübe Entwicklung zeigt sich auch im gestern ver-öffentlichten Wettbewerbsindex des International Insti-tute for Management Development in Lausanne; daskonnte man in der „FAZ“ nachlesen. Im Vergleich von60 Staaten ist Deutschland mittlerweile auf den 23. Platzabgerutscht. Vor einigen Jahren befand sich unser Landnoch auf Platz 13. Klarer kann sich das rot-grüne Regie-rungsversagen nicht ausdrücken.
Forschungs- und Innovationsförderung für dieArbeitsplätze der Zukunft – wenn wir dieses Themadiskutieren, so stehen wir in Deutschland vor einem Di-lemma. Wir benötigen ganz dringend Arbeitsplätze, vorallem aber in den Spitzentechnologien, um unsere Kon-kksvtdcbanlittnsI1zlEmsDsWWSWBVIknbEcsggndcA
Was fehlt, ist eine klare Linie der Bundesregierung.s fehlt die Botschaft, dass Spitzentechnologieunterneh-en in Deutschland ohne Wenn und Aber willkommenind.
er Bundesregierung fehlen der Mut und die Entschlos-enheit, auf die Herausforderungen der globalisiertenirtschaft angemessen zu reagieren und damit auf dieissensgesellschaft einzugehen. Die bereits erwähntetudie aus der Schweiz fasst dies mit den folgendenorten zusammen:Deutschland muss die Reform des Steuersystems,die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen, dieEntwicklung und Anwendung einer umfassendenInnovationsstrategie und die Verbesserung des Aus-bildungswesens in Angriff nehmen.esser hätten auch wir das nicht formulieren können.Zwei Beispiele für das widersprüchliche zaghafteerhalten der Bundesregierung sind besondert markant.m Bereich der Biotechnologie stolpert die Regierungs-oalition hin und her. Einerseits unterstützt sie die so ge-annte Weiße Gentechnik vollmundig, andererseitsrandmarkt sie die Grüne Gentechnik als Teufelszeug.inen Schlingerkurs fährt die Regierung ebenso in Sa-hen Energieforschung. Auch wenn Herr Trittin nocho laut Hurra schreit, wenn ein Atomkraftwerk vom Netzeht: Deutschland fehlt ein konsistentes neues Ener-ieforschungsprogramm, das alle technologischen Optio-en untersucht und offen hält.Bemerkenswert ist das Themenpapier aus dem Bun-esministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-herheit mit dem Titel „Atomkraft: Wiedergeburt einesuslaufmodells?“. Hier heißt es zum Beispiel lapidar:
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Marion SeibDer nationale Strom-Mix verändert sich wie seitden Siebziger und Achtziger … nicht mehr. Damalsveränderten Atomkraftwerke die Struktur derStromerzeugung; jetzt sind es die unerschöpflichenEnergien aus Wind, Sonne, Wasser, Biomasse undErdwärme.Wirklichkeitsferner geht es nicht mehr. Außer blumigenWorten fehlt jeder konkrete Hinweis, Herr Kollege Fell,darauf, wie die Kernenergie kurz- und mittelfristig durchalternative Energien in Deutschland ersetzt werden kann.
Zu einer zukunftsgerichteten Forschungs- und Inno-vationsförderung gehört auch eine preiswerte und vonäußeren Einflüssen weitgehend unabhängige Energie-versorgung.In der Antwort auf unsere Große Anfrage zur Lageder Forschung in Deutschland schreibt die Bundesregie-rung:Die Verbindungen zwischen FuE, Innovation undArbeitsplatzschaffung sind in einer arbeitsteiligenVolkswirtschaft vielschichtig und komplex.Da hat die Bundesregierung Recht, doch sie lässt dieserErkenntnis keine Taten folgen. Ihre Aktionen sind kurz-atmig und oft nicht richtig durchdacht. Auf der einenSeite fördert sie junge Unternehmen mit Innovations-fonds, auf der anderen Seite will sie genau diesen Unter-nehmen mit einem übertriebenen Antidiskriminierungs-gesetz das Leben schwer machen.
Forschungs- und Innovationsförderung ist langfristigeZukunftsplanung. Die heutigen Weichenstellungen wer-den sich erst langfristig auswirken. Deswegen müssenwir die Technologien mit Innovationspotenzial rechtzei-tig identifizieren und unterstützen. In unserem Antraghaben wir einige Bereiche, natürlich ohne Anspruch aufVollständigkeit, genannt. Jetzt kommt es darauf an, eineoptimale Verzahnung von Finanzmitteln, Wissenschaftund Wirtschaft zu fördern, damit gut bezahlte Arbeits-plätze der Zukunft in Deutschland entstehen und auchmit exzellent ausgebildeten Fachkräften besetzt werdenkönnen.Die geschätzten Steuerausfälle in Höhe von 67 Mil-liarden Euro zeigen deutlich, dass der Spielraum der öf-fentlichen Hand in den nächsten Jahren gering bleibt.Umso wichtiger ist es, die Hebelwirkung der Förderpro-gramme zu optimieren und ständig zu evaluieren. Mitgutem Beispiel geht hier Bayern mit seiner Politik derClusterbildung voran. In den letzten zehn Jahren hatBayern zum Beispiel durch den Einsatz von mehr als3 Milliarden Euro aus Privatisierungserlösen Schlüssel-technologien wie Life Science, Informations- und Kom-munikationstechnologie oder Mechatronik gezielt ge-stärkt und damit den Boden für leistungsfähigeWirtschafts- und Wissenschaftscluster bereitet.WveeDSDdmDfmggNtuudSLAe–AfdIhubDksf
Nächste Rednerin ist die Kollegin Andrea Wicklein,
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er springende Punkt auch bei dieser Debatte ist, dassie Reden und die Taten der Union einfach nicht zusam-enpassen.
ie Vorschläge der Union in den vorliegenden Anträgenür Bildung und Forschung sind marginal, bunt zusam-engewürfelt und lassen keine wirklich ehrliche Strate-ie erkennen. Zum Beispiel fordern Sie in Ihren Anträ-en mehr Geld für optische Technologie und für dieanotechnologie. Wussten Sie eigentlich, dass die Mit-el für die Nanotechnologie von 1998 bis 2003 um sagend schreibe 440 Prozent
nd die für Biotechnologie um 80 Prozent erhöht wur-en?
ie fordern weiter, die deutsche und die europäischeuft- und Raumfahrt zu unterstützen. Festzustellen ist:uch dank der Bundesförderung ist Europa die Nummerins in der Luftfahrtindustrie.
So ist es. – Der neue Airbus A380 soll bereits im erstennlauf allein in Deutschland 4 000 Arbeitsplätze schaf-en, viele davon in der mittelständischen Wirtschaft.
Sie wissen, dass selbst aus Ihrer Sicht die Strategieer rot-grünen Bundesregierung für mehr Forschung undnnovation richtig und notwendig ist. Doch Ihre Mehr-eit im Bundesrat nutzen Sie lediglich, um zu blockierennd um zu verhindern.Sehr überrascht hat mich auch Ihr Antrag zur rei-ungslosen Umsetzung des Bologna-Prozesses ineutschland, den wir gestern hier debattiert haben. Ichann mir nicht verkneifen, Ihnen daran Ihre Wider-prüchlichkeit heute nochmals deutlich zu machen. Ichreue mich sehr, dass Sie den Umsetzungsprozess in
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Andrea WickleinDeutschland als mustergültig für andere Länder hervor-heben. Umso weniger verstehe ich dann, dass Sie denhessischen und den bayerischen Ministerpräsidenten of-fensichtlich nicht daran hindern können, sich regelmäßigals Bremsklötze zu betätigen,
wollen diese doch mit einer Klage vor dem Bundesver-fassungsgericht den Bund gerade daran hindern, den Bo-logna-Prozess zu beschleunigen. Aus meiner Sicht istdas alles schizophren.
Auch ist es grandios, dass Sie sich im selben Antragdarüber besorgt zeigen, dass die Bundesmittel für denHochschulbau gekürzt werden könnten. Wir habenheute wieder Ihre diesbezüglichen Befürchtungen ge-hört.
Ist nicht auch das eine unzulässige Einmischung desBundes in die Länderkompetenz? Vielleicht gibt es auchhinsichtlich des Hochschulbaus demnächst eine Klagevor dem Bundesverfassungsgericht durch einen IhrerMinisterpräsidenten.
In der Union gibt es auf breiter Front Widersprüchezwischen Fordern und Handeln, Herr Rachel. In den An-trägen fordern Sie mehr Geld. Gleichzeitig lehnen Sie imBundesrat Vorschläge ab, die mehr Geld bedeuten, undbeharren dort auf der Eigenheimzulage.
Das Verhalten der Union ist insgesamt wenig vertrauens-würdig, wenig durchschaubar und aus meiner Sicht un-ehrlich.In den Beratungen zum Haushalt 2005 zum Beispielhaben Sie in Anträgen zum Thema Bildung und For-schung auf der einen Seite Kürzungen in Höhe von100 Millionen Euro und auf der anderen Seite Mehraus-gaben in Höhe von 400 Millionen Euro vorgesehen. Dassind unterm Strich 300 Millionen Euro mehr. Vorschlägezur Gegenfinanzierung blieben allerdings aus. Interes-sant ist auch, wo Sie sparen wollen: bei Ganztagsschu-len, bei der Chancengleichheit von Frauen und – manhöre und staune – auch bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses.Lassen Sie mich ein weiteres treffendes Beispiel dafüranführen, was Sie mit Ihrer Politik beabsichtigen: Siewollten allein bei der Arbeitsforschung um18 Millionen Euro kürzen. Dabei stehen wir gerade inder Arbeitswelt vor riesigen Herausforderungen. Innova-tionen sind Menschenwerk. Menschen denken, forschenund gestalten. Daher genügt es nicht, nur neue Technolo-gtMWIInblebDlusEimd6E8gweinvdnrdLugbgFurLBu
ir brauchen gerade hierfür neue Konzepte und Ideen.m Mittelpunkt unserer Politik stehen die Menschen.hre Ideen und Potenziale sind entscheidend für die In-ovationsfähigkeit der Volkswirtschaft.Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter Rot-Grün ha-en wir in Forschung und Entwicklung Beachtliches ge-istet. Das ist unstrittig. Wir sind gut aufgestellt undrauchen den internationalen Vergleich nicht zu scheuen.
ie Ausgaben des Bundes für Forschung und Entwick-ng sind – das haben wir heute schon mehrfach gehört –eit 1998 um 1 Milliarde Euro auf über 9 Milliardenuro gestiegen. Im Übrigen ist auch unser Engagement Rahmen der europäischen Forschungsförderung anieser Stelle herauszustellen. Schon beim laufenden. EU-Forschungsrahmenprogramm geht jeder fünfteuro nach Deutschland. Unsere Wissenschaftler sind an0 Prozent der ausgewählten Vorhaben beteiligt. Wir lie-en damit auf Platz eins.
Derzeit legen wir gerade den Grundstein dafür, dassir auch im 7. EU-Forschungsrahmenprogramm diesenrfolgreichen Weg fortsetzen, indem wir uns jetzt aktiv den Entstehungsprozess einbringen. Dennoch sind wiron unserem gemeinsamen Ziel, die Ausgaben für Bil-ung und Forschung bis 2010 auf 3 Prozent zu steigern,och weit entfernt. Darin sind wir uns einig.Doch Sie von der Union hindern uns permanent da-an, dass wir bei Forschung und Innovation noch etwasrauflegen können.
angsam müsste es Ihnen peinlich sein, die Hochschulennd Forscher in unserem Land im Stich zu lassen,
enauso wie übrigens die Unternehmen, die gut ausge-ildete Fachkräfte und innovatives Wissen brauchen.Albert Einstein sagte einmal: „Es lässt sich schwer sa-en, was Wahrheit ist, aber manchmal ist es leicht, etwasalsches zu erkennen.“ Denken Sie einmal darüber nachnd beenden Sie Ihre Blockaden im Interesse der Studie-enden, der Forscher und Wissenschaftler in unseremand! Machen Sie den Weg für mehr Innovationen inildung und Forschung und damit für mehr Wachstumnd Beschäftigung frei!Vielen Dank.
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16640 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005
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Nächster Redner ist der Kollege Helge Braun, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir haben heute eine Rede von der Bundes-ministerin für Bildung und Forschung gehört,
in der sie die ganze Zeit den Status quo beschrieben unddie Zahlen, die diesen Status quo bestimmen, schön-geredet hat.
Wir haben während der gesamten Rede der Bundes-ministerin nicht einen einzigen Vorschlag gehört, wiesich die Forschungslandschaft in Deutschland in denkommenden Jahren unter den Herausforderungen, vordenen wir stehen, weiterentwickeln soll. Das ist keinSignal des Aufbruchs im Bereich Forschung und Bil-dung.
Es geht hier aber nicht um das Bund-Länder-Verhält-nis, sondern darum, dass der Bund erst einmal seine ori-ginären Kompetenzen im Bereich der Forschung nutzt,um Strukturen und Rahmenbedingungen zu schaffen, dieernsthaft dazu beitragen, dass Deutschland besser wird.Da heute offenbar der Tag der Familienvergleiche ist,würde ich das Verhältnis zwischen Bund und Länderneher als eines zwischen zwei kleinen Kindern beschrei-ben. Dabei hat der Bund als eines der beiden kleinenKinder ständig Interesse genau an dem Spielzeug, dasder andere hat, während alle Spielzeuge, die er selber inder Hand hat, automatisch uninteressant sind. Deshalbsage ich: Frau Bundesforschungsministerin, beschäfti-gen Sie sich genau mit den Aufgaben, die Sie selber ha-ben, und lassen Sie den Ländern ihre Kompetenz undVerantwortung, für die sie zuständig sind!
Das, was uns im Bund fehlt, ist eine strategischeAusrichtung der Forschungspolitik im Ganzen. Heutewäre anderthalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahldie letzte Chance gewesen, eine entsprechende Strategiedeutlich zu machen.
Die entscheidende Frage ist: Wie können wir die Karrie-rewege von Forschern in Deutschland so organisieren,dass sie ihre Exzellenz ununterbrochen in Deutschlandausüben können? Sie haben die Juniorprofessur ange-sprochen. Aber auf unserem Nachwuchswissenschaftler-kongress wurde deutlich, dass es gerade an dem Punkt,an dem dieses Instrument aufhört, große Probleme gibt;denn wir haben nicht wie in Amerika ein Tenure-Track-System oder Ähnliches. Junge Forscher in Deutschlandkönnen realistischerweise nicht sagen: Wer exzellent ist,der kann auch auf Dauer seinen Weg in der WissenschaftgownFgrbesmnsnuwrRteIehDimhCldzrceAmAsgrdrwusgZuzmsRszC
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005 16641
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Die Kritikfähigkeit der Bundesregierung in diesemHaus leidet immer wieder. Heute Morgen war ich eigent-lich guter Dinge, als ich die von Wissenschaftsrat, Deut-scher Forschungsgemeinschaft und BMBF gemeinsamherausgegebene Presseerklärung „Sorgenkind klinischeForschung“ las. Natürlich sehen wir uns im Bereich derklinischen Forschung großen Herausforderungen ge-genüber. In der Gesundheitsforschung – mit diesem Be-reich sind zentrale Interessen unseres Landes verbun-den – arbeiten immer mehr Mediziner. Am Montag derletzten Woche fand in Deutschland eine große Demons-tration statt; junge Ärzte sind auf die Straße gegangen,um kundzutun: Wir wollen keine Feierabendforschungbetreiben. Deutschland wird nicht konkurrenzfähig,wenn Ärzte mit einer regulären Arbeitszeit von42 Stunden pro Woche – hinzu kommen zehn Überstun-den pro Woche, zum Beispiel durch die Patientenversor-gung nach Dienstschluss – erst am Feierabend ins Laborgehen.
Wir brauchen endlich wieder eine Forschungspolitik,die die strategischen Aufgaben dieses Landes auch wirk-lich bewältigt. Diese Bundesregierung hat heute erneutdie Chance verpasst, dazu konstruktive Vorschläge zumachen.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Ulla Burchardt von der SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die Opposition wollte diese Debatte, um eineBilanz der Forschungs- und Innovationspolitik zu zie-hen.
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Wer sich heute zu Gemüte geführt hat, was die Oppo-itionsfraktionen hier geboten haben, der hat festgestellt:as waren im Wesentlichen Mäkelei, Schwarzmalereind Herumjammern. Man kann wirklich den Eindruckaben: Sie verwechseln eine Plenardebatte mit einemasting für eine Show „Wer ist die beste Jammertruppe ganzen Land?“.
Kommen wir zur Bewertung Ihrer Konzepte.
azu ist bereits etliches gesagt worden. Ihre Konzepteestechen durch drei Merkmale:Erstens. Angesichts der Widersprüchlichkeit Ihrerorderungen sind Sie von der selbst aufgelegten Mess-tte einer konsistenten Forschungs- und Innovations-olitik weit entfernt. Mit dem Hinweis auf die Finanz-ebatte heute Morgen möchte ich an einem Beispiel klarachen, was überhaupt nicht zusammenpasst: Sie for-ern einerseits viel mehr Geld für Forschung und auf dernderen Seite versprechen Sie im ganzen Land Steuer-enkungen in Milliardenhöhe. Ich wiederhole: Das iston einer konsistenten Forschungs- und Innovationspoli-k weit entfernt.
ie fordern Fortschritte in der Forschungs- und Innova-onspolitik; gleichzeitig sind Sie die personifiziertelockade, und zwar nicht nur hier im Bundestag, son-ern auch in den Ländern. Das haben die Kolleginnen,ie vor mir gesprochen haben, sehr deutlich dargestellt.Zweitens. Das, was notwendigerweise und sinnvoller-eise zu tun ist – man beachte Ihre Anträge und manchehrer Vorschläge, die heute vorgetragen wurden; dasetzt sich aus den Textbausteinen der letzten zwei Jahreusammen –, haben die rot-grüne Koalition und die For-chungsministerin bereits in Angriff genommen. Auchazu wurden diverse Beispiele genannt. Ich verweise nuruf die Forderung – sie wird in beiden Anträgen ge-tellt –, regionale Cluster zu fördern. Gehen Sie dochinmal durchs Land und schauen Sie sich um! Wenn Sieas getan haben, dann stellen Sie fest, dass die Förde-ung regionaler Cluster schon lange Wirklichkeit ist.
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Ulla BurchardtDas dritte Merkmal – das scheint mir nun wirklichdas Bemerkenswerteste zu sein; da muss man schonnach der Innovationsfähigkeit Ihrer Politikkonzepte fra-gen – ist ein Manko. In Ihren Vorstellungen und Vor-schlägen kommt der Mensch als zentrale Quelle für tech-nologische, organisatorische und soziale Innovationnicht vor; er spielt keine wesentliche Rolle. Das ist derzentrale Unterschied zwischen Oppositionsvorstellungund Regierungspolitik. Für uns steht der Mensch im Mit-telpunkt. Deswegen setzen wir auf die strategische Ver-zahnung von Bildungs-, Forschungs- und Innovations-förderung. Deswegen sind wir auch erfolgreich.
Ich komme gern zu den Vergleichen. Frau Reiche hatgesagt, man könne nur echte Leistung messen. Verglei-chen wir also einmal die Politik der Forschungsministe-rin der rot-grünen Bundesregierung mit der Forschungs-politik der Regierungen bis 1998! Wenn man IhreBenchmarks nimmt, bleiben sie weit hinter dem zurück,was nach Ihrer Vorstellung eine fähige Forschungspoli-tik ist.Das Problem ist: Sie haben uns im Forschungs- undInnovationssystem eine Erblast hinterlassen, die ange-sichts der zeitlichen Reichweite von Investitions- undModernisierungsbedarfen nach wie vor – das ist doch dieWahrheit – schwer auf diesem Land liegt.
Darum können Sie sich nicht herumdrücken nach demMotto – den Eindruck hat man bei allen Rednern derUnion gehabt –: Ich bin damals noch nicht dabei gewe-sen.Sie haben die Forschungsausgaben kontinuierlich ge-senkt. Frau Böhmer, die Zahl von 2,9 Prozent bezog sichauf die Jahre 1982/83, also auf die Zeit, als Sie gerade andie Regierung gekommen waren.
Alle Forschungsminister, die es bei Ihnen gegebenhat, haben die notwendigen, vom Wissenschaftsrat auchdamals schon empfohlenen Strukturreformen im For-schungssystem systematisch ausgesessen. Sie sind da-mals völlig überhöhte Verpflichtungen für Nuklearfor-schung und Raumfahrt eingegangen und haben diewirklichen Zukunftstechnologien ausgebremst.
Von strategischer Forschungsförderung in Ihrem prakti-schen Regierungshandeln – auch die FDP war damalsdabei; vielleicht ist Ihnen das im Nachhinein peinlich –ist bei über 10 000 Einzelprojekten keine Spur.Herzlichen Glückwunsch, dass Sie endlich den wis-senschaftlichen Nachwuchs entdeckt haben! Der kamnämlich in den 16 Jahren Ihrer Bildungs- und For-schungspolitik überhaupt nicht vor.WwtpnAWHdsIANDHdrg–f3ddfsPzdbDHWg
ir sind für lebenslanges Lernen. Es wäre ganz prima,enn auch Sie dem Rechnung trügen.Der absolute Skandal lag darin, dass Sie bei der Ver-eilung von Fördermitteln 16 Jahre systematisch partei-olitische Klientelpolitik und systematisch auch eine Be-achteiligung SPD-geführter Länder betrieben haben.
uch unter einem Minister Rüttgers ist Nordrhein-estfalen systematisch benachteiligt worden. Wennerr Rüttgers heute von Heimatliebe spricht, dann istas angesichts dessen, was er für dieses Land oder bes-er gegen dieses Land getan hat, purer Zynismus.
Er ist sich auch nicht zu schade, den Forschungs- undnnovationsstandort schlechtzureden. Aus gegebenemnlass dazu noch ein paar Fakten:
RW ist Exportmeister und exportiert mehr Waren undienstleistungen als Hessen, Niedersachsen, Schleswig-olstein, Sachsen und Berlin zusammen. NRW ist Grün-erland. Über alle Branchen hinweg werden in Nord-hein-Westfalen mehr Unternehmen pro Einwohner ge-ründet als beispielsweise in Baden-Württemberg.
Ich sage das, damit Sie ein bisschen über das Land er-ahren, Frau Reiche. – NRW ist Investorenland. Mehr als0 Prozent aller Auslandsinvestitionen gehen direktorthin. Den Rest teilen sich die anderen 15 Bundeslän-er.Dass heute in Nordrhein-Westfalen Kohle mit Köp-en, mit dem Know-how und der Kreativität der Men-chen gemacht wird, ist der klugen und weitsichtigenolitik sozialdemokratisch geführter Landesregierungenu verdanken,
ie damit zu Beginn des Strukturwandels angefangen ha-en.
ort gibt es heute mit 57 Hochschulen die dichtesteochschullandschaft in ganz Europa. In Nordrhein-estfalen sind 59 der 264 Sonderforschungsbereiche an-esiedelt.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005 16643
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Ulla BurchardtIn Nordrhein-Westfalen sind Clusterbildung, Vernetzungvon Hochschulen, Forschung und Wirtschaft, Wirklich-keit geworden. Bei uns sind die Pro-Kopf-Ausgaben fürBildung und Wissen stärker gestiegen als in jedem ande-ren Bundesland.
Wir haben den Weg zur Selbstständigkeit von Schulenund Hochschulen verordnet.
Ich komme noch einmal auf Herrn Rüttgers zurück.Dass seine damaligen Äußerungen zu Studiengebührenvöllig konträr zu denen sind, die er jetzt macht, ist keinWunder. In Nordrhein-Westfalen ist die „Rolle Rüttgers“mittlerweile eine stehende Redewendung.Was alle wissen sollten – auch Sie; vielleicht ist es Ih-nen entgangen –, ist Folgendes: Herr Rüttgers hat jetztim Wahlkampf ein Zukunftsprogramm vorgestellt.
– Wenn Sie das gut finden, ist Ihnen vielleicht noch nichtaufgefallen, dass Forschung in diesem Zukunftspro-gramm überhaupt nicht vorkommt.
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluss kom-
men.
Wer die Forschung in dem Programm vergisst, mit
dem er regieren will, der ist nicht nur ein Standortrisiko;
der hat die Zukunft lange hinter sich.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 27 a: Inter-
fraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Druck-
sache 15/5016 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.
Tagesordnungspunkt 27 c: Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung auf Druck-
sache 15/5174. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 sei-
ner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/472 mit dem
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Beides ist eine Illusion, beides geht nicht auf, und das inSerie.Wer trägt die Lasten dieser verfehlten Politik? Sie ha-ben dadurch in den letzten Jahren 200 Milliarden Euroneue Schulden aufgetürmt und zusätzlich 60 MilliardenEuro Vermögenswerte aufgelöst. Das ist eine Politik zu-lasten der zukünftigen Generationen. Es ist in hohemMaße eine unsoziale Politik, die Sie hier betreiben.
Es ist nicht erkennbar, auch nicht nach dem Bericht,den wir vorhin im Haushaltsausschuss bekommenhaben
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ass Sie hier eine verantwortliche Politik betreiben.enn auf Ihren Haushalt kommt – Sie haben sich ja ge-ade so stark für Bildung und Innovation ausgesprochen –m nächsten und in den Folgejahren folgende Situationu: Nach der neuen Schätzung fehlen Ihnen weitere0 Milliarden Euro für die Folgejahre. Die Ausgabenollen in der mittelfristigen Finanzplanung nur um einiertel Prozent steigen. Das sind Ihre Pläne. Wenn Sieas ernst meinten, müssten Sie aber schon jetzt Vor-chläge vorlegen, die eine Ausgabensenkung von jähr-ich mindestens 4 Prozent zum Gegenstand hätten.
as heißt, Sie müssen jetzt umsteuern
der Sie werden Ihrer Verantwortung nicht mehr ge-echt.Wir fordern deshalb, dass Sie einen Kassensturz ma-hen, endlich dem Deutschen Bundestag und der deut-chen Öffentlichkeit ehrlich die Haushaltslage darstellennd nicht immer wieder eine Verschleierung vortragennd sich hinter Schätzungen verstecken, für die Sieelbst die Prognosedaten geliefert haben, für die Sie alsoelbst verantwortlich sind. Ein ehrlicher Kassensturz,ffenlegung aller Risiken in den Ausgabenbereichen,orlage eines Nachtragshaushaltes, der deutlich macht,ass Sie umsteuern wollen, und in Verbindung damit einaushaltssicherungsgesetz!Wir haben Ihnen als FDP den Weg gewiesen. Wir ha-en schon bei den Haushaltsberatungen 2005 ein „Spar-uch“ über 12,5 Milliarden Euro vorgelegt. Diesesönnten Sie umsetzen. Wir haben ein Subventionsabbau-egrenzungsgesetz in den Deutschen Bundestag einge-racht.
Subventionsbegrenzungsgesetz. – Sie können ihm zu-timmen; es liegt vor. Voriges Jahr haben Sie es abge-ehnt. Außerdem haben wir einen Gesetzentwurf für ei-en nationalen Stabilitätspakt eingebracht, um dieaastricht-Kriterien ins Grundgesetz zu schreiben.Meine Damen und Herren, Sie haben die Chance, aufen Pfad einer vernünftigen Haushalts- und Finanzpoli-ik zurückzufinden. Wenn Sie die Kraft dazu nicht mehrinden – bisher haben Sie sie nicht gezeigt –, dann soll-en Sie Ihre Stühle räumen und es anderen überlassen,ür das Land das Notwendige zu tun.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005 16645
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Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
beim Bundesminister der Finanzen, Karl Diller.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Haushaltsausschuss hat sich mit dem Ergeb-nis der Steuerschätzungen gerade zwei Stunden langsehr intensiv und, wie ich finde, in einer parteiübergrei-fend sehr sachlichen Debatte auseinander gesetzt. In derTat, die Steuerschätzungen sind für Bund und Länderschlechter, als die Steuerschätzer uns noch im Novemberfür dieses Jahr prognostizierten: für den Bund3,5 Milliarden Euro, für die Länder 2,5 Milliarden Euro.Erfreulich ist, dass sich die Steuerschätzer im Novem-ber bei der Steuerschätzung hinsichtlich der Gemeindenin einem positiven Sinn getäuscht haben. Die Gemein-den haben nämlich 800 Millionen Euro mehr an Einnah-men in diesem Jahr zu erwarten.Die Steuerschätzer haben im November nicht dasSteueraufkommen für 2006 geschätzt. Diese Prognosewird erst im Mai aufgestellt. Deswegen müssen wir dieSteuerschätzung vom Mai dieses Jahres mit der vom Maides letzten Jahres vergleichen. Daraus ergibt sich, dassder Bund nächstes Jahr 10 Milliarden und die Länderknapp 7 Milliarden Euro weniger zu erwarten haben.Die Gemeinden haben erfreulicherweise noch einmal400 Millionen Euro mehr an Einnahmen zu erwarten alsim vergangenen Jahr geschätzt.Die Gründe für diese Entwicklung sind, dass das no-minale Bruttoinlandsprodukt weniger stark wächst alsdamals unterstellt.
In diesem Jahr beträgt das Wachstum statt 2,7 Prozentnur 1,6 Prozent. In den nächsten Jahren wird es ebenfallsgeringer ausfallen. Daraus ergeben sich die bereits er-wähnten Mindereinnahmen bei den Steuern.
Was die Steuerschätzer in ihre Schätzungen übrigensnicht mehr einbezogen haben, war eine Zahl, die das Sta-tistische Bundesamt gestern mitteilen konnte.
Wir haben im ersten Quartal dieses Jahres gegenüberdem letzten Quartal des vorigen Jahres
ein Wirtschaftswachstum in Höhe von 1 Prozent. Damitwaren wir Spitze in Europa. Im nationalen Vergleich wares das höchste Wachstum seit vier Jahren.–QsfWdurdZdrbedFmdtsewKsvnbdtßieDls1ksüsF
Diese Zahl ergibt sich aus dem Vergleich des erstenuartals dieses Jahres mit dem Vorquartal. Sie beziehtich also nicht auf das ganze Jahr, mein lieber Herr Pro-essor. Das müsste ein Professor eigentlich wissen.
ir haben deswegen die Hoffnung, dass die Prognosener Steuerschätzer für dieses und für das nächste Jahr imnteren Bereich absolut sicher sind und wir keine weite-en Einbrüche mehr haben werden.Auf der Ausgabenseite gibt es Belastungen, die sichadurch ergeben, dass wir Neuland betreten, nämlich dieusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe,ie wir gemeinsam beschlossen haben. In diesem Be-eich gibt es überhaupt keine Erfahrungswerte. Wir ha-en aber mittlerweile die Erkenntnis gewonnen, dass esine nicht unerhebliche Mehrbelastung in einer Milliar-engrößenordnung zu verkraften gilt.Die Frage ist: Ist diese Mehrbelastung die typischeolge einer Strukturreform – sehr oft ist es der Fall, dassan nach einer Strukturreform zunächst mehr Geld inie Hand nehmen muss, bevor sich mittel- und langfris-ig Einspareffekte einstellen – oder ist es die Folge des-en, dass sich Menschen in diesem System befinden, dieigentlich dort nicht hineingehören? Ich nenne beispiels-eise arbeitsunfähige Sozialhilfeempfänger, die von denommunen in die Finanzzuständigkeit des Bundes ver-choben worden sind. Es gibt auch noch andere Fälleon Beziehern, die eigentlich nicht in dieses System hi-eingehören.Lassen Sie uns noch auf die Ernsthaftigkeit der De-atte in der Vergangenheit rekurrieren. Die FDP hat beien Beratungen zum Bundeshaushalt für dieses Jahr An-räge gestellt und Kürzungsvorschläge in Milliardengrö-enordnung gemacht. Aber bei näherem Betrachten be-nhalteten diese Vorschläge einen Gesetzesbruch bzw.inen Rechtsbruch.
enn die Kürzung der Arbeitslosenhilfe um einen Mil-iardenbetrag hätte bedeutet, dass den Menschen der An-pruch, den sie für Dezember 2004 hatten und der am. Januar gebucht wurde, verweigert worden wäre.
Sie wollten zweitens den Bundeszuschuss an die BAürzen. Sie wollten außerdem tiefe Einschnitte in mehr-telliger Millionenhöhe in einem Bereich vornehmen,ber den wir gerade diskutiert haben: bei der For-chungsförderung und -entwicklung. Sie wollten bei derorschungszusammenarbeit kürzen.
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Parl. Staatssekretär Karl DillerSie wollten bei den Unternehmungsgründungen kürzen.
Sie wollten bei den innovativen Wachstumsträgern undbei den Existenzgründungen kürzen.
Wir dagegen wollen in diesem Jahr für Bildung und For-schung, für Ausbildung und Weiterbildung 30 Prozentmehr ausgeben als Sie in Ihrer Regierungszeit.
Auch die CDU/CSU soll betrachtet werden. Im Jahre2003 haben Sie es vorgezogen, keinen einzigen Antragim Hinblick auf den Haushalt 2004 zu stellen.
Das zeigte Ihre Ratlosigkeit.
Im Jahre 2004 haben Sie im Hinblick auf den Haus-halt 2005 Anträge in Milliardenhöhe gestellt, die folgen-des Qualitätsmerkmal hatten: Sie waren rechtswidrig.Sie wären ein Vertragsbruch gewesen. Den Zuschuss fürdie Steinkohle von heute auf morgen auf null zu setzen
oder um eine Milliardengrößenordnung zu kürzen stelltden Bruch eines Vertrages dar, den übrigens noch dieKohl-Regierung abgeschlossen hat und den wir bedienenmüssen.
Der Gipfel der Unverschämtheiten war Ihr Vorschlag,12 Prozent aller flexibilisierten Mittel zu kürzen. Dashätte nämlich bedeutet, dass wir von heute auf morgenTausende von Beamtinnen und Beamten nicht mehr hät-ten bezahlen können.
Das wäre ein klarer Rechtsbruch gewesen.
Bei der Befragung der Haushaltsdirektoren des Bun-desrechnungshofes und des Bundesverfassungsgerichts,was diese 12-prozentige Kürzung der flexibilisiertenMittel für sie bedeuten würde, haben diese mit derSchulter gezuckt. Beim Bundesrechnungshof wärenplötzlich Stellen nicht mehr bezahlbar gewesen.BSgkAVszDifAkDvdzSWEeiPgd
eim Bundesverfassungsgericht hätten wir einen ganzenenat einsparen müssen und damit hätte Ihre Klage ge-en den Haushalt überhaupt nicht bearbeitet werdenönnen. So logisch sind Ihre Anträge.
Sie fordern ein Haushaltssanierungskonzept.
ls ersten Beitrag zu dieser Debatte würde ich folgendenorschlag machen: Ziehen Sie Ihre Anträge zu Steuer-enkungen,
ur Abschaffung der Gewerbesteuer sofort zurück!
enn das reißt ein Loch von 20 Milliarden Euro im Jahrn die Etats des Gesamtstaates. Das ist nicht zu bezahlen.
Der Union empfehle ich, den in ihrem Antrag „Paktür Deutschland“ gemachten Vorschlag, den Beitrag zurrbeitslosenversicherung von 6,5 auf 5 Prozent zu sen-en, sofort zurückzuziehen.
enn das reißt in die Bundesagentur für Arbeit ein Lochon 11 Milliarden Euro. Sie könnte keine Weiterbil-ungs- und Fortbildungsförderung und auch keine Hilfeur Existenzgründung mehr bezahlen.
ie müsste zusätzlich das halbe Personal entlassen.enn Sie das nicht wollten, müssten Sie die fehlendeninnahmen dem Bundeshaushalt entnehmen. Dann gäbes zwar eine Senkung des Beitragssatzes, aber wir hättenm Bundeshaushalt zusätzlich ein 11-Milliarden-Euro-roblem.
Ich könnte das fortsetzen, was Ihre Vorschläge an-eht.Ich will auf Folgendes hinweisen: Die SPD hat Ihnenen Vorschlag gemacht,
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 176. Sitzung. Berlin, Freitag, den 13. Mai 2005 16647
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Parl. Staatssekretär Karl Diller
einen Pakt für die Finanzen zu schließen.
Dazu liegen Ihnen Vorschläge vor. Steuerhinterziehungist energisch zu bekämpfen.
Administrative Missstände in der Zusammenarbeit derLänder untereinander und mit dem Bund im Rahmen derFinanzverwaltung sind zu überwinden. Wir haben denLändern vorgeschlagen, ihre gesamte Finanzverwaltungdurch den Bund übernehmen zu lassen, damit die beste-henden Missstände endlich beseitigt werden.
Dann sollten sich Ihre beiden Fraktionen endlich dazuentschließen, Subventionen nicht nur auf der Ausgaben-seite zu kürzen. Da waren wir sehr erfolgreich – dennwir konnten dies allein beschließen –,
indem wir in der Zwischenzeit die Hälfte aller Subven-tionen gekürzt haben. Wir sind bei den Subventionen aufder Ausgabenseite von 11 Milliarden auf 5,9 MilliardenEuro heruntergekommen, weil Sie dagegen nichts unter-nehmen konnten.
Aber unserem Vorschlag, die Subventionen auch auf derEinnahmenseite zu kürzen, haben Sie bisher immer wi-dersprochen, weil Sie Ihre Klientel, die davon betroffenwäre, schützen wollen. Das können wir uns nicht weitererlauben.
Das Wort hat der Kollege Steffen Kampeter, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Bundeshaushalt im Jahre 2005 hat bei Ge-samtausgaben von 254 Milliarden Euro eine strukturelleUnterdeckung in einer Größenordnung von 60 Milliar-den Euro. Der für den Haushalt zuständige Staatssekre-tär stellt sich hier hin
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acht selbst aber keinen einzigen Vorschlag zur Verbes-erung der gegenwärtigen Situation.
as zeigt – ebenso wie die Abwesenheit nahezu der ge-amten Arbeitsgruppe Haushalt der SPD-Fraktion, dieffenbar die Wahrheit kennt –,
ass die Regierung mit ihrem finanzpolitischen Lateinollständig am Ende ist.
Wenn jeder vierte im Bundeshaushalt eingeplanteuro nicht durch dauerhafte Steuereinnahmen finanziertst, dann ist das ein finanzpolitischer Offenbarungseid.
enn gleichzeitig auch der letzte noch vorhandene Ver-ögenswert mobilisiert wird, den man in der Zukunftielleicht noch sinnvoll hätte verwenden können, dannst das die umfassendste Plünderung der Zukunftschan-en der nachfolgenden Generationen und Politiker.
Die Steuerschätzung, die den Anlass für diese Debatteiefert, leidet seit Jahren unter den falschen Vorgaben derundesregierung.
ie Bundesregierung zwingt die Steuerschätzer durchberhöhte Wachstumsangaben, die Einnahmesituatio-en des Bundes, der Länder und der Kommunen zu be-chönigen. Gleichzeitig legt sie Haushalte vor, die – wieeispielsweise der gegenwärtige Bundeshaushalt – alleinm Bereich der Arbeitsmarktpolitik unter einer Unterde-kung in Höhe von 11 Milliarden Euro leiden, und gau-elt den Menschen bei der Verabschiedung des Haus-alts vor, alles wäre in Ordnung.An dieser Situation sind nicht, wie ich es in diesen Ta-en in der Zeitung lese, die Steuerschätzer schuld. Daranst vielmehr die Regierung schuld, die vorsätzlich fal-che Angaben macht, mit denen sie uns alle in die Irreühren will.
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Steffen KampeterDie Regierung kennt auf alle Haushaltsprobleme nureine Antwort: Steuererhöhungen, Steuererhöhungen,Steuererhöhungen. Erst kürzlich haben Sie die Tabak-steuer erhöht. Wir haben davor gewarnt, so vorzugehen,wie Sie es getan haben, waren aber im Grundsatz nichtdagegen. Wir haben Ihnen allerdings gesagt: Die von Ih-nen geplante Anhebung der Steuersätze wird zu geringe-ren Einnahmen führen. Das Ergebnis der in dieserWoche durchgeführten Steuerschätzung ist, dass dieSteuerschätzer – anstatt, wie angekündigt, Mehreinnah-men auszuweisen – die Einnahmen aus der Tabaksteuerum 2 Milliarden Euro nach unten korrigiert haben.
Die Tatsache, dass das Haushaltsloch des Bundes in die-sem Jahr 3,5 Milliarden Euro beträgt, macht deutlich,dass es handwerkliche Schlampigkeiten waren, die zuder gegenwärtigen Haushaltssituation geführt haben.
Sie werden nie begreifen, dass hohe Steuersätze nichtzwangsläufig hohe Steuereinnahmen bedeuten. Sie wer-den nie begreifen, dass die Bürgerinnen und Bürger indiesem Land nicht begeistert sind, Steuern zu zahlen. Siehaben noch nie begriffen, dass Steuerpolitik nicht nurGesellschafts-, sondern auch Wirtschaftspolitik ist
und dass es in der Steuerpolitik ein ehernes Gesetz ist,dass Senkungen der Steuersätze und Befreiungen derBürger ihre Leistungsbereitschaft erhöhen und zu Mehr-einnahmen im Haushalt führen können.
Wann werden Sie das endlich einmal begreifen?
Sie fordern uns auf, unsere Gesetzentwürfe zur Sen-kung der Steuersätze in bestimmten Bereichen, die Sieverzerrt wiedergegeben haben, zurückzuziehen. Ihr Ka-binett hat gerade einen, wie ich finde, richtigen Gesetz-entwurf zur Senkung des Körperschaftsteuersatzes be-schlossen, weil offensichtlich auch Sie der Meinungsind, dass zu hohe Steuersätze in Deutschland einBremsklotz für Wachstum und Beschäftigung sind undunsere Haushalte eher ruinieren.Wenn wir diese Initiative auch für den Mittelstandnutzbar machen, für eine Steuerentlastung der Jobbrin-ger, der kleinen und mittelständischen Unternehmen sor-gen und dieses Vorhaben auch noch solide finanzierenkönnten, dann hätten wir endlich einmal einen positivenBeitrag zur Verbesserung der Situation in unserem Landgeleistet, anstatt uns einfach nur gegenseitig zu be-schimpfen, ohne aber Vorschläge in den Deutschen Bun-destag einzubringen.
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ir haben bei dem in den Koch/Steinbrück-Vorschlägenorgesehenen Subventionsabbau mitgemacht und nurwei Vorschlägen, die wir nicht für richtig halten, nichtugestimmt: der vollständigen Streichung der Eigen-eimzulage und der Kürzung der Kilometerpauschale.Ich will Ihnen sagen: Damit stehen wir nicht allein.ragen Sie einmal die Sozialdemokraten in Hessen, wasie zur Kürzung der Eigenheimzulage sagen. Da hierben bereits nordrhein-westfälischer Wahlkampf ge-acht wurde, frage ich Sie: Wollen Sie den Bürgerinnennd Bürgern in einem solchen Flächenland zum gegen-ärtigen Zeitpunkt tatsächlich – vor dem Hintergrundines Spritpreises pro Liter Super in Höhe von 1,20 Eurois 1,25 Euro – auch noch die Kilometerpauschale kür-en oder streichen?
ie Art und Weise, in der Sie argumentieren, ist unsolidend unseriös. Das können wir Ihnen nicht durchgehenssen.
Das Letzte, worauf ich hinweisen möchte, ist Folgen-es: Herr Kollege Diller – –
Herr Kollege, Sie haben keinen letzten Punkt mehr,
eil Sie keine Zeit mehr haben.
Die Anzeige blinkt doch erst!
Herr Kollege, Sie haben keine Zeit mehr.
Konsolidierung, verbunden mit wachstumsfördernden
trukturreformen, größere Flexibilität auf dem Arbeits-
arkt,
Herr Kollege Kampeter, Sie sind im Minus!
niedrigere Steuersätze und ein produktiver Finanz-arkt erzeugen Wachstum und konstante Steuereinnah-en.)
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Steffen KampeterDiesen Satz von Theo Waigel sollten Sie endlich einmalbeherzigen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kampeter, ich will mit der ruhigeren Ton-lage weitermachen, mit der Sie auch begonnen haben.
Sie haben von struktureller Unterdeckung des Haushaltsgesprochen. Das finde ich gut, das hat mich fast hoff-nungsvoll gestimmt. Wenn Sie von struktureller Unter-deckung des Haushalts reden, erwecken Sie den Ein-druck ernsthafter Analysefähigkeit. Doch die Unionreagiert darauf entweder mit Steuersenkungsvorschlägen
oder mit Kritik an der Minderveranschlagung bei Ausga-ben im Haushalt; das waren Ihre Vorschläge. Sie polemi-sieren immer gegen Steuererhöhungen. Sie haben einKonzept, nach dem Sie die Steuern massiv senken wol-len, doch umgekehrt haben Sie eine Klage beim Verfas-sungsgericht eingereicht, in der Sie uns den Vorwurf ma-chen, wir würden die Ausgaben im Haushalt nichtehrlich benennen. Gleichzeitig wollen Sie ebendieseAusgaben, nämlich im Arbeitsmarktbereich, weiter ab-senken. Das passt nicht zusammen. Das zeigt, dass SieAngst haben, einen eigenen, belastbaren Kurs einzu-schlagen.
Ich möchte jetzt etwas zum Thema „Union und Steu-ern“ sagen. Sie sprechen von katastrophalen Steueraus-fällen. Das ist unglaubwürdig, weil Sie nicht die Kraft zuwirklichem Subventionsabbau im Steuerbereich haben.
Das haben Sie hier gerade noch einmal ganz deutlich un-terstrichen: 2- und 4-Prozent-Schritte bei Koch/Steinbrück, das geht gerade eben noch, aber an die rich-tig großen Steuersubventionstatbestände heranzugehenhaben Sie nicht die Kraft; das wollen wir hier einmalfesthalten.
Jetzt komme ich einmal dazu, was die Union mit ih-em Programm vorschlägt – Herr Meister hat sich da derffentlichkeit gegenüber hervorgetan –: dass man beien Ausgaben kürzen müsse. Herr Meister hat davon ge-prochen, 5 Milliarden Euro im Haushalt einzusparen;as sind ungefähr 2 Prozent der Ausgaben. Imahr 2004, im letzten Jahr, hat diese rot-grüne Regierungie Ausgaben im Vergleich zum Jahr 2003 um 2 Prozent,m ebendiese 5 Milliarden Euro, zurückgeführt – trotziner wahrlich nicht einfachen wirtschaftlichen Situa-ion. Das will ich Ihnen einmal sagen, weil Sie immeravon reden, wir würden so viel ausgeben.
ch möchte von Ihnen wissen, was Sie vorschlagen, da-it wir im Haushalt 2005 zusätzlich 5 Milliarden Euroinsparen. Inflationsbereinigt haben wir die Ausgabenieder gesenkt.
uf Ihre Vorschläge trifft das nicht zu. Ich will Ihneninmal sagen, was Herr Meister vorschlägt – das mussan einmal so ehrlich analysieren –: 5 Milliarden Euroind 2 Prozent. Er sagt ausdrücklich: überall ein biss-hen. Ein Anteil von 2 Prozent bei der Rente entspricht,5 Milliarden Euro. Das heißt: Im Durchschnitt verliertder Rentner beim Vorschlag der Union 100 Euro.
ertreten Sie das nach außen! Dann sind Sie ehrlich.Oder Sie wollen die Rentner mit dem vollständigenassenbeitrag zur Krankenversicherung belasten; dasntspricht derselben Größenordnung. Herr Meisterpricht von Klarheit und Wahrheit und Sie verlangen dasuch.
ann sagen Sie doch ganz klar, dass Ihnen die Nullrundeei den Rentnern nicht reicht,
ass Sie 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro zusätzlich sparenollen. Wenn Sie diesen Vorschlag nach außen vertre-n, dann kommt in Ihre eigene Debatte mehr Ehrlich-eit; das möchte ich hier einmal deutlich festhalten.
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Anja HajdukIch will jetzt etwas zur Analyse sagen, warum wirdiese Haushaltssituation haben und was wir tun sollen;danach fragen Sie ja.
Ich finde, dass wir in den letzten Jahren eine sehr restrik-tive Ausgabenpolitik geplant und im Haushaltsvollzugauch eingehalten haben – bis auf den Bereich Arbeits-markt, wo wir bislang gescheitert sind.Wir sind bis jetzt an unseren Zielsetzungen beim Ar-beitsmarkt gescheitert; das gebe ich auch zu. Man siehtauch an dieser Steuerschätzung, dass wir zum Beispielim Bereich der Lohnsteuerentwicklung im laufendenJahr einen großen Einnahmeverlust haben werden. ImAusgabenbereich, auch in der Sozialversicherung, wer-den wir zusätzlich schwere Belastungen haben.
Ich sage deswegen: Wir müssen die Lösung – auchfür die Haushaltsprobleme – im Bereich des Arbeits-marktes und dort insbesondere der sozialversicherungs-pflichtigen Beschäftigung suchen.
Dazu hat diese Regierung schon eine Menge Reformpro-zesse auf den Weg gebracht. Darin liegt auch eine lang-fristige Lösung der Probleme bei den öffentlichen Finan-zen.Ihre Polemik – hier nehme ich die Union noch schär-fer ins Blickfeld, die die Ausgaben mithilfe der Rasen-mähermethode, also pauschal um einen bestimmten Pro-zentsatz, senken will – entbehrt jeder Konkretion. Wennman Ihnen das mit der Rente hier sagt, dann erschreckenSie mächtig. Das passt auch nicht mit dem zusammen,was Herr Storm hier gestern vertreten hat.Tschüs.
Das Wort hat der Kollege Otto Fricke, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen!
– Ja, natürlich komme ich wieder mit dem dicken Buch,Herr Diller, dazu aber später. – Wenn man sich anschaut,widKeeIsseawksPegIgü–hHpDMHsgm2imSvsCedt
ch werde auch begründen, warum. Zu der Frage, warumie nicht hoffnungslos ist, haben Sie hier fast nichts ge-agt, außer der Tatsache, man wolle beim Arbeitsmarktin bisschen tun.Wenn man hier jetzt eine Liste der Haushaltsrisikenufstellen wollte, in der steht, was alles passiert, dannürde sie beinhalten: Hartz IV, Zuschüsse zu den Kran-enkassen, ERP-Vermögen, Bundesbankgewinn, Steuer-chätzungen, Postpensionen aller Art, Rentenfragen,flegeversicherungsprobleme usw. Sie haben keineninzigen Bereich, in dem Sie sagen können, dass Sie ir-endwo Licht am Ende des Tunnels sehen.
ch glaube, bei Ihnen ist es sogar so weit, dass Sie nochar nicht wissen, in welche Richtung Sie im Tunnelberhaupt gehen.
Ja, ich habe wirklich das Gefühl.Jetzt komme ich zu der Frage, ob man denn Hoffnungaben kann.
err Diller sagt da wieder: Ihre Vorschläge von der Op-osition, die Sie gemacht haben, sind alle nichts. – Herriller, ich sage auch noch einmal Ihren Koalitionären:an muss Mut haben.
ören Sie, was der Verfassungsgerichtspräsident sagt. Eragt: Ich erwarte vom Parlament mutigere Entscheidun-en. – Darum dreht es sich beim Haushalt. Der doku-entierbare Mut fehlt.
Diese 450 Seiten unseres „Liberalen Sparbuchs005“, das ich Ihnen hier zeige, mögen falsch und nichtn Ordnung sein, aber sie sind ein Versuch. Ich kannich nicht erinnern, dass irgendeine Fraktion, etwa alsie in der Opposition waren, irgendwelche Kürzungs-orschläge, außer beim Jäger 90, gemacht hat. Sie habentattdessen immer nur erhöht. Wir als FDP – die CDU/SU etwas weniger; vielleicht wird sie demnächst abertwas mutiger – haben das gemacht. Was ist übrigensas Ergebnis? Hier liegt dann auch unsere Verantwor-ung gegenüber dem Bürger.
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Otto Fricke
Es ist nicht so, dass man sagt, es sei gut, dass die Vor-schläge gemacht werden. Nein, man versucht, es klein-zureden.Seien wir alle ehrlich: Das Hauptproblem, das wir alsHaushälter haben, ist doch ein anderes. Wir haben heuteauch im Ausschuss darüber gesprochen und da wundereich mich wirklich nicht, dass so wenige Haushälter derSPD da sind. Es ist doch ganz einfach so, dass wir ge-genüber früher folgendes Ergebnis haben: Als Haushäl-ter entscheiden wir doch nicht mehr wirklich darüber, obunser Haushalt ins Defizit rutscht. Das Defizit entstehtdurch Leistungsgesetze, die uns die Sozial- und Arbeits-marktpolitiker unserer eigenen Fraktionen – meine mussich dabei ausdrücklich ausnehmen – vorlegen.Ich weiß gar nicht, wo sich Herr Diller jetzt hinbe-wegt hat.
– Ah, er sitzt da vorne. – Jetzt kommt Herr Diller undsagt, unsere Vorschläge seien schlecht. Ich nenne nur einkleines Beispiel, nämlich den Steuerzuschuss an dieKrankenkassen. In diesem Jahr gehen 2,5 Milliar-den Euro an die Krankenkassen. Die CDU/CSU hat bravmitgeholfen, die SPD hat sich nicht dagegen gewehrt.Die Gesundheitsministerin hat sogar gelächelt und sichgefreut, während der Finanzminister – das möchte ichausdrücklich sagen – wirklich in die Tischkante gebissenund gesagt hat, er sei ein solidarischer Minister und ertue das.
Jetzt stellen Sie aufgrund der Klauseln, die Sie selbsteingefügt haben, fest, dass Sie das am liebsten rückgän-gig machen wollen. Als wir aber den Antrag hier gestelltund gesagt haben, dass wir das genau so machen sollten,um einzusparen, da war das unsozial.
Nachher kommen Sie immer wieder zu dem Ergebnis,dass die Vorschläge, die auf den ersten Blick kurzfristigunsozial sind, das sind, was der Haushalt sein sollte,nämlich langfristig verantwortungsvoll.Denn jeder Euro, den Sie an Neuverschuldung auf-nehmen – Sie tragen die Verantwortung –, ist ein Euro,den wir und unsere Kinder und Kindeskinder irgend-wann einmal über Steuern zurückzahlen müssen. Dasmüssen Sie den Bürgern sagen. Jeder neue Euro Schul-den heißt: Ihr zahlt später höhere Steuern. Hier nehmenwir als Politiker – das will ich für die FDP ausdrücklichsagen – eine Verantwortung wahr. Wir haben sie übri-gens auch durch die Verfassungsklage wahrgenommen.–DsVdEgwmhuhmssgwgwaMddtfAfSrngsSu
Sie steht nicht dazu im Widerspruch.
as Gericht urteilt unabhängig vom Verhalten der Oppo-ition über den eigentlichen Gesetzentwurf und dessenerfassungsmäßigkeit. Dabei ist egal, was dagegen oderafür beantragt wird.
s ist eine objektive Kontrolle. Ich wäre froh – und ichlaube, das gilt, wenn wir ehrlich sind, für uns alle –,enn das Verfassungsgericht uns Haushaltspolitikeranchmal in die Schranken weisen würde. Wir Politikeraben immer wieder einen Fehler gemacht, von dem wirns als FDP mit diesem Buch nun getrennt haben: Wiraben den Bürgern immer wieder mehr versprochen, alsöglich war.Wir müssen die Bürger mitnehmen, wir müssen ihnenagen, dass wir über unsere Verhältnisse leben. Wir müs-en überall sparen, jeder muss seinen eigenen Gürtel en-er schnallen, um überhaupt auf die Füße zu kommen.Zum Schluss: Der Bundeskanzler hat einmal gesagt,
oran man ihn messen soll. Er hat das klar und deutlichesagt. Ich frage Sie daher: Wollen Sie nicht ehrlicher-eise zugeben, dass der Bundeskanzler, wenn man ihnn den Haushaltszahlen und Wirtschaftsdaten misst, dieesslatte nicht nur unterschreitet, sondern darunterurchtaucht? Das ist das Ergebnis Ihrer Haushaltspolitik,as liegt in Ihrer Verantwortung.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Petra Merkel, SPD-Frak-
ion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich binroh, dass die Atmosphäre etwas ruhiger geworden ist.uch im Ausschuss haben wir in Ruhe diskutiert. Dasinde ich bei diesem Thema wirklich wichtig; denn dieituation ist ernst und wir nehmen sie auch ernst. Es istichtig, was Herr Fricke gesagt hat: Die Situation isticht hoffnungslos.Herr Fricke, Sie haben Ihr Buch hoch gehalten, schla-en Sie doch einmal eine beliebige Seite auf. Sie werdenicher einen Volltreffer landen; denn Sie haben auf jedereite um 1 000 Euro gekürzt. Wenn Sie auf 440 Seitenm jeweils 1 000 Euro kürzen, kommt etwas heraus.
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Petra-Evelyne Merkel
Ich gebe ja zu, dass Sie sich Mühe geben. Das ist dochschon etwas.
Vielleicht hätten Sie sich aber schon am Anfang der Le-gislaturperiode Mühe geben müssen, als es wirklich umden drastischen Abbau von Subventionen ging.
Wo waren Sie, als es um das Steuervergünstigungsab-baugesetz – ein Wortungetüm, hinter dem drastischerSubventionsabbau steckt – ging? Damals haben wir unsnahezu mit jedem und jeder im Land angelegt. Ich kannmich noch sehr gut erinnern: Damals sind Sie abge-taucht, damals wollten Sie nicht mitmachen. Sie schreienbei jedem Punkt, wir sollen Subventionen abbauen, aberdamals haben Sie nicht mitgemacht.Ich kann mich noch gut an die Gespräche erinnern,die ich darüber mit meinem Blumenhändler an der Eckegeführt habe. Wir haben darüber gefightet, dass wir dieMehrwertsteuer von für ihn 7 auf 16 Prozent erhöhenwollten. Er sagte: Wie können Sie das machen? Dannmüssen wir entlassen. Das ist dramatisch. – Das war imNovember.
Wir haben das weiterverfolgt und gesagt: Wir müssenjetzt rangehen und alle gleichermaßen runtersetzen.
Wir dürfen zum Subventionsabbau nicht nur ein Lippen-bekenntnis ablegen, sondern müssen ihn wirklich ma-chen.Wissen Sie, welches Ergebnis es gab? Anfang Januarhatten wir das Gesetz zwar nicht umgesetzt, aber dieBlumen waren teurer. Als ich fragte, wie kommt das ei-gentlich, antwortete mein Blumenhändler: Mehrwert-steuererhöhung. Ich sagte, das kann doch gar nicht sein,wir haben sie doch gar nicht erhöht. Der Großhandel hatdie Preise erhöht.
Vor diesem Hintergrund muss ich sagen, wir müssenschneller arbeiten, schneller herangehen und manchmalmutiger springen. Wir dürfen nicht so kleinmütig wie inder Vergangenheit sein.
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ach langen Kämpfen im Vermittlungsausschuss konn-en wir die Subventionen um 11 Milliarden Euro kürzen.nser Ziel waren aber 42 Milliarden Euro. Sie sind weg-etaucht, weil Sie sich nicht mit ihrer eigenen Klientelnlegen wollten.
o kommen wir aber nicht weiter. Unsere Vorschlägeiegen auf dem Tisch. Ich bin sicher, ihre Umsetzungäre möglich.
Herr Kampeter, niemand hat ein Patentrezept. Keinerennt den Königsweg.
ir aber haben eine Möglichkeit vorgeschlagen. Sie je-och haben nicht eingeschlagen, sondern sind weg-etaucht.
Ich finde es gut, dass die SPD heute noch einmal ei-en Vorstoß zum Abschluss eines Finanzpakts gemachtat. Hier müssen wir schauen, was bei Steuerhinterzie-ung, beim Abbau von Steuervergünstigungen – unseronzept dazu liegt immer noch auf dem Tisch –, bei derrbschaftsbesteuerung und was bei den Föderalismus-trukturen passiert.
ir dürfen nicht nur darüber reden, sondern wir müssena rangehen.Wenn heute einer in diese Diskussion reinzappt,chlägt er die Hände über dem Kopf zusammen. Wirüssen doch weiterkommen und ich denke, dazu gibt esuch eine Möglichkeit; denn jeder sieht, dass wir dierobleme lösen müssen und nicht nur darüber reden dür-en.Wir haben auch eine Menge gemacht. Es ist nicht so,ass wir untätig gewesen sind. Das gilt beispielsweiseür die Stabilisierung der Sozialsysteme. Auch das isticht einfach gewesen. Wir haben die Sozialversiche-ungsbeiträge so stabilisiert, dass sie nicht angehobenorden sind. Da ging es um 4 bis 5 Prozent. Das warine unglaubliche Leistung. Bei den Krankenkassenbei-rägen ist eine Senkung erfolgt und die Rentenbeiträge
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Petra-Evelyne Merkelsind auf 19,5 Prozent stabilisiert worden und nicht auf21 oder 22 Prozent gewachsen.
Wir haben also die Begleitkosten von Arbeit stabil ge-halten bzw. gesenkt.Wir wissen alle, dass wir noch mehr machen müssen.Das Gesundheitssystem ist noch nicht so stabil, wie wires brauchen. Deswegen stellt sich auch die Frage nacheiner Bürgerversicherung, nach neuen Systemen, um un-ser System im Vergleich zu anderen europäischen Län-dern zu verbessern. Die Bürgerversicherung ist eine Ant-wort auf die Fragen zum Gesundheitssystem. Meinepersönliche Auffassung ist, dass wir in dieser Form– alle sind beteiligt und alle müssen mit einzahlen – auchan die Rente herangehen müssen. Diesen Vorschlagmüssen wir weiter ausbauen.Wir haben weit reichende Reformen auf dem Arbeits-markt auf den Weg gebracht. Das fiel uns allen nichtleicht, aber wir haben es geschafft. Auch durch die Zu-sammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe habenwir eines geschafft: Wir haben den Kommunen durchden Wegfall der Sozialhilfe Luft verschafft; denn über90 Prozent der Sozialhilfeempfänger sind aus der Sozial-hilfe herausgefallen –
Frau Kollegin, auch Sie müssen zum Ende kommen.
– und beziehen jetzt Arbeitslosengeld II. Das schafft
den Kommunen genau wie die Gemeindefinanzierung
Spielraum.
Ich kann nur den Gemeinderäten und Stadtvätern raten:
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.
Schauen Sie nach, was Sie dadurch alles gewonnen
haben, und investieren Sie in die kleinen und mittelstän-
dischen Betriebe und die Handwerker.
Machen Sie Ihre eigenen Aufträge.
Schönen Dank und schöne Pfingsten.
Das Wort hat der Kollege Bartholomäus Kalb, CDU/
CSU-Fraktion.
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etzt will Eichel die Mehrwertsteuer erhöhen, nicht zu-etzt ausgelöst durch das Papier von Frau Hajduk,
ie jedoch heute nichts, aber auch gar nichts dazu gesagtat.
s wäre doch sehr interessant gewesen.Minister Eichel hat gestern in der Pressekonferenzoch einmal begründet, warum er eine Mehrwertsteuer-rhöhung für notwendig hält. Er führt aus, dass die Steuer-stquote so dramatisch gesunken sei, dass dies so nichtleiben könne. Die Steuerlastquote jedoch ist nur ein sta-istischer Durchschnittswert. Hier muss die Frage ge-tellt werden: Wer trägt bei uns im Lande überhauptoch die Steuerlast? Das sind die vielen Leistungserbrin-er, die immer geringer werdende Zahl der Erwerbstäti-en, die die komplette Steuer- und Abgabenlast zu tra-en haben.
as alles ist Ausfluss der katastrophalen wirtschaftli-hen Lage, in der wir uns befinden.Wir haben heute früh über die Steuerreformen und dieorschläge diskutiert. Von einigen ist eine strukturelleeform des Steuerrechts angemahnt worden. Aber0 verschiedene steuerrechtsändernde Gesetze, die Sien sechs Jahren auf den Weg gebracht haben, haben dochicht zur Vereinfachung und zu mehr Durchsichtigkeitnd Nachvollziehbarkeit des Steuerrechts geführt, son-ern zu einer Verkomplizierung in einem bisher nicht füröglich gehaltenen Ausmaß.
Der Kollege Kampeter hat schon darauf hingewiesen:ie haben sich darauf gestützt, Steuern zu erhöhen. Sierauchen sich nur den BMF-Bericht für den Monat Aprilnd die Einnahmenentwicklung der letzten Jahre bei denerbrauchsteuern anzuschauen. Sie werden dann mer-en, dass die Einnahmen in den Bereichen Mineralöl-teuer, Tabaksteuer, Ökosteuer, Energiesteuer undtromsteuer nicht gestiegen, sondern gesunken sind.ies müsste man zumindest doch berücksichtigen.Der Haushalt gerät immer stärker aus den Fugen. Ichill doch darauf hinweisen, wie weit Sie jeweils von derirklichkeit entfernt sind. Im Jahre 2002 haben Sie für
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Bartholomäus Kalbden Haushalt eine Neuverschuldung von 21 MilliardenEuro eingeplant, abgeschlossen haben Sie ihn mit31,9 Milliarden Euro; 2003 waren 18,9 Milliarden Eurogeplant, abgeschlossen wurde mit 38,6 Milliarden EuroNeuverschuldung; 2004 waren 29,3 Milliarden Euro ein-geplant, abgeschlossen haben Sie mit 39,5 MilliardenEuro Neuverschuldung, und zwar nur wegen der statisti-schen Tricks. Wir sind schon gespannt, wie am Ende die-ses Jahres die Zahl aussehen wird. Dazu sind hier schonAngaben gemacht worden.Sie selber widersprechen heute nicht mehr. Als Kol-lege Austermann die Defizite, die im Zusammenhangmit den Hartz-IV-Gesetzen entstehen würden, mit5 Milliarden Euro beziffert hat, gab es hier noch großeEmpörung und Gelächter. Heute sagen Koalitionsvertre-ter und Regierung übereinstimmend, die Differenzkönnte ungefähr 6,5 bis 9 Milliarden Euro ausmachen.Sie haben jedoch keine Antwort auf diese Fragen.Stattdessen kündigen Sie gleichzeitig an, dass Siemehr Investitionen tätigen wollen. Letztes Jahr habenSie dem Haushalt in der Bewirtschaftung 2,4 MilliardenEuro an Investitionen zur Deckung anderer Ausgabenentzogen. Die Investitionsquote liegt heute weit unter9 Prozent und wird auch in diesem Jahr weit unter9 Prozent liegen. Es handelt sich in diesem Land um eineklassische Desinvestition. Das heißt, neben die expliziteVerschuldung tritt auch noch die implizite Verschuldung,weil wir auch bei der Infrastruktur der nachfolgendenGeneration die Lasten übertragen.Mich hat das, was der Herr Staatssekretär gesagt hat,etwas empört. Es heißt immer: Wenn die OppositionVorschläge macht, dann sind sie sozial ungerecht unddann müssten verschiedene Dinge genauer benannt wer-den. – Ich kann nur sagen: Die Zeit ist vorbei, in der wiruns diese Spielchen leisten können. Wir können unskeine grünen Spielwiesen mehr leisten wie Antidiskrimi-nierungsgesetz und Widerstand gegen die Planungs-rechtsvereinfachung.
Wir können es uns auch nicht mehr leisten, jeweils mitdem Finger auf die anderen zu zeigen, sondern wir müs-sen – das ist die Verantwortung von uns Bundespoliti-kern – auch Vorschläge machen, wie wir auf der Ausga-benseite für alle staatlichen und kommunalen EbenenEntlastungen erreichen, weil uns sonst die öffentlichenHaushalte irgendwann völlig um die Ohren fliegen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Kollegin Christine Scheel, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch finde es Klasse, wenn Sie mir immer so schöne Vor-aben machen und mir sagen, wozu ich hier sprechenoll. Aber keine Sorge: Das weiß ich selbst immer nochm besten.
Die FDP hat heute diese Aktuelle Stunde im Verbundit dem Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen beantragt.s ist völlig klar, um welche Themen es eigentlich geht.
n diesem Kontext hat sie so getan, als ob wir dann,enn die FDP an die Regierung käme, in Deutschlandeine Probleme mehr hätten, weder im Haushalt noch inerschiedensten strukturellen Zusammenhängen, wasoziale Sicherungssysteme anbelangt.
azu kann ich Ihnen nur sagen: Es wäre eine Katastro-he, wenn das, was Sie in den letzten Jahren und Mona-en vorgeschlagen haben, Realität werden würde.
Ich sage Ihnen, warum. Sie haben uns zwar Ihr libera-es Sparbuch vorgestellt, was Sie immer mit sich herum-ragen.
uf der anderen Seite haben Sie einen Gesetzentwurfur Steuerreform vorgelegt, ihn dann aber zwischenzeit-ich wieder zurückgezogen,
eil er inhaltlich überhaupt nicht mehr aktuell ist, nichtinanzierbar ist und Sie dafür keine Unterstützung ausen von Ihnen mitregierten Ländern bekommen. Das istoch die Wahrheit.
eswegen: Hören Sie auf, immer solche Luftschlösserufzubauen. Das Gleiche gilt übrigens für Ihre Bürger-ersicherung. Von der wissen Sie auch, dass sie nichtinanzierbar ist.
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Christine Scheel
Wir haben das letzte Mal gesehen, was wir von Ihremwunderbaren Vorschlag, beim Subventionsabbau die Ra-senmähermethode anzuwenden, gehabt haben. Wir hat-ten nämlich das letzte Mal das Problem, dass wir bei denInvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur plötzlich Ein-brüche gehabt haben, die sich sehr negativ auf den Bun-desverkehrswegeplan ausgewirkt haben.
Die Konsequenz war, dass jetzt Finanzierungen aufge-baut worden sind, um die örtliche Bauwirtschaft zu stär-ken und das zu tun, was letztendlich im Zusammenhangmit Investitionen in diesem Sektor notwendig ist. Dasheißt, alles das, was Sie vorschlagen, passt hinten undvorne nicht zusammen. Das sind nur ein paar Fragmenteund viele Prosatexte, aber in Wirklichkeit ist nur Luft da-hinter.
Die Union hat ein Steuerkonzept vorgelegt und ge-sagt: Das ist die Zukunft für die Nation, die Steuererklä-rung passt auf einen Bierdeckel.
Dann konnten wir hier feststellen, dass das Steuerkon-zept weg war, der Bierdeckel weg war und Herr Merzweg war. Dann gab es einen neuen Vorschlag, der„Steuerkonzept 21“ hieß. Heute ist in den Tickermeldun-gen nachzulesen, dass Herr Koch, bekanntlich Minister-präsident in Hessen und CDU-Mitglied,
einen neuen Vorschlag gemacht hat, weil das, was dieUnion in Sachen Steuer vorgeschlagen habe, nichts ge-wesen sei. Wie der neue Vorschlag aber genau aussehensoll, darüber müsse man noch reden und Überlegungenanstellen. Das heißt: viel Prosatext, viele Ankündigun-gen, aber nichts dahinter.
Dann gibt es immer noch die Überlegungen zur Kopf-pauschale. Aber auch die ist nicht finanzierbar.
Das heißt konkret: Sie haben alle paar Monate einenneuen Vorschlag, der im Widerspruch zum vorhergehen-den Vorschlag steht, und was danach kommt, weiß manauch nicht. Dann gute Nacht, schöne Welt. Ich möchtenicht, dass wir mit einer solchen Beliebigkeit konfron-tiert werdenuglCFnuwFDnh1hggcSbhis1EhzWda
nd dass dann auch noch der Anspruch erhoben wird, re-ierungstauglich zu sein. Sie sind nicht regierungstaug-ich, weil Sie nicht einmal eine klare Position zwischenDU und CSU hinbekommen, geschweige denn mit derDP. Es gelingt Ihnen nicht, eine klare Linie zu irgendei-em Thema im Zusammenhang mit der Steuer-, Finanz-nd Abgabenpolitik zu finden.
Ich muss abschließend sagen, dass das gelungen ist,as der Bund aus eigener Kraft leisten kann, nämlich dieinanzhilfen des Bundes zu reduzieren.
ie Finanzhilfen des Bundes sind in einer Größenord-ung von rund 50 Prozent zurückgefahren worden. Wiraben die Ausgaben des Bundes seit 1990 von5,2 Prozent auf mittlerweile 11,4 Prozent reduziert. Wiraben die niedrigste Staatsquote seit der Wiedervereini-ung, meine Damen und Herren von der FDP. Von we-en: Staatsquote runter. Hören Sie auf, immer einen sol-hen Unsinn zu erzählen, wir hätten eine exorbitant hohetaatsquote und das sei das Problem für die Bundesrepu-lik Deutschland!
Wir sind der Auffassung, dass die Dinge gut vorange-en. Wir haben einen Rückgang der Schwarzarbeit. Dasst sehr positiv. Wir haben einen Rückgang des Umsatz-teuerbetrugs. Vor einem Jahr betrug die Größenordnung8 Milliarden Euro, heute liegt sie bei 15 Milliardenuro, was immer noch schlimm genug ist, aber wir sindier am Ball. Es geht darum, die Steuern vernünftig ein-uziehen.
ir wollen keine Steuererhöhungsdebatten führen, son-ern die Bodenhaftung behalten und keine Luftnummernbziehen.Danke schön.
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Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle, CDU/
CSU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Frau Kollegin Scheel, zum Thema Haushalts-risiken und Mehrwertsteuer haben wir leider nicht vielvon Ihnen gehört.
Dafür gab es eine kräftige Beschimpfung der Oppo-sition.
Das scheint die Strategie der Regierung zu sein. Manmuss leider feststellen, dass solche Debatten in diesemHause regelmäßig wiederkehren. Man kommt sich schonfast wie am Silvesterabend bei „Dinner for one“ vor: Thesame procedure as every year.Wir erleben immer wieder, dass Herr Clement denJahreswirtschaftsbericht, den er vorgelegt hat, im folgen-den Jahr wieder korrigieren muss. Zuerst erzählt er uns:Die Welt ist wunderbar. Wir erleben Wachstum; jetztgeht es aufwärts. – Im Jahr darauf muss er sich selbstkorrigieren.Finanzminister Eichel bietet uns dasselbe Schauspiel.Erst sagt er uns, die Steuereinnahmen würden wieder zu-nehmen, wir würden die Maastricht-Kriterien einhaltenund die Neuverschuldung werde niedriger ausfallen alsim Vorjahr.
Dann muss auch er sich Jahr für Jahr korrigieren. Es istimmer wieder dasselbe Prozedere.Wir Haushälter sagen ja, der Haushalt sei das Schick-salsbuch der Nation.
Das ist es auch tatsächlich. Aber unter dieser Regierungund diesem Finanzminister ist daraus ein Märchenbuchgeworden. Das ist das eigentlich Schlimme an dieserEntwicklung.Leider hat dieses Vorgehen schon ein Stück weit Sys-tem. Immer dann, wenn wichtige Wahlen vor der Türstehen, erleben wir eine seltsam verfälschte Wahrneh-mung der Dinge. Ich will in diesem Zusammenhangdaran erinnern, wie es seinerzeit bei der Bundestagswahl2002 war. Die Menschen draußen im Lande vergessendas ja sehr schnell. Im September 2002 hat Herr Eichelfestgestellt: Wir sind auf dem Weg zu einem Bundes-haushalt ohne Neuverschuldung. Er sagte noch im Juli:„Mit uns wird es keine Kehrtwende zurück in den Ver-schuldungsstaat geben; wir machen keine neuen Schul-den“ und so weiter und so fort.sSESIHtdBiNdWneem9–fhggharms
Der Höhepunkt war dann das Wahlplakat mit der Auf-chrift: „Stoiber heißt: Neue Schulden – Armer Staat.chröder heißt: Solide Finanzen – Aktiver Staat.“
igentlich müsste Ihnen angesichts dieses Plakats diechamesröte ins Gesicht steigen.
ch würde mir wünschen, dass Herr Müntefering underr Schröder einen Canossagang zu Herrn Stoiber un-ernehmen, um sich für dieses Plakat zu entschuldigen,enn die Wirklichkeit sieht doch ganz anders aus.Wie sieht denn die Pro-Kopf-Verschuldung aus? Inayern beträgt die Verschuldung 3 012 Euro pro Kopf,n Baden-Württemberg etwas über 4 000 Euro und inordrhein-Westfalen 7 244 Euro. Das ist die Wahrheit,ie Sie endlich einmal zur Kenntnis nehmen sollten.
Wenn wir schon beim Thema Neuverschuldung sind:ir müssen Jahr für Jahr eine Neuverschuldung von an-ähernd 40 Milliarden Euro in Kauf nehmen. Ich habeinmal ausgerechnet, was das bezogen auf diese Aktu-lle Stunde bedeutet. Justament in dieser einen Stundeachen wir neue Schulden in einem Volumen von576 000 Euro.
Das dürfen Sie zu Hause gerne ausrechnen. Ich halte esür erschreckend, dass solche Angaben permanent mitumorigen Bemerkungen weggesteckt werden.Lassen Sie uns etwas sachlicher werden. Frau Kolle-in Hajduk, ich durfte vor wenigen Tagen in der „Stutt-arter Zeitung“ ein Zitat von Ihnen nachlesen, das ichoffentlich richtig wiedergebe:„Man muss zur Kenntnis nehmen, dass angesichtsverfestigter Ausgabenstrukturen und schmaler ge-wordenen Einnahmeerwartungen verfassungsge-mäße Haushalte auf Jahre nicht gesichert sind.“Damit droht der Verstoß gegen Artikel 115 Grund-gesetz zur Regel zu werden.Ich gebe Ihnen Recht, was die Aussage dieses Zitatsnbelangt. Dem kann man nicht widersprechen; es ist soichtig. Nicht richtig ist aber, was Sie in diesem Zitatitbehaupten. Sprachwissenschaftler nennen das Prä-upposition.
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Norbert BarthleDie Formulierung „angesichts verfestigter Ausgaben-strukturen“ stimmt nicht, Frau Kollegin, denn die Aus-gabenstrukturen haben Sie verfestigt. Wir sind der Auf-fassung, dass man auch bei den konsumtiven Ausgabenansetzen muss statt nur bei den Einnahmen. Das ist dergroße Unterschied.
Wenn ich Ihre Einlassungen heute früh im Haushalts-ausschuss richtig verstanden habe, dann sind Sie sogarbereit, diesen Weg mitzugehen.
Aber ganz offensichtlich ist diese Koalition nicht dazubereit; denn Sie geben mit dieser Äußerung die Auffas-sung der Mehrheitskoalition wieder. Das ist der entschei-dende Punkt. In diesem Land fehlt es – wenn Problemebestehen – an der Bereitschaft, ernsthaft zu sparen, stattnur die Einnahmen zu erhöhen.
Meine Redezeit ist leider abgelaufen.Danke.
Nächster Redner ist der Kollege Ortwin Runde, SPD-
Fraktion.
Wenn man sich die Steuerschätzung ansieht,
dann stellt sich die Frage, welche Lehre daraus zu ziehenist. Es gibt ein positives Signal, das sich auf die Gemein-definanzen bzw. die Gewerbesteuer bezieht.
Dank gemeinsamer Anstrengungen ist es uns imDezember 2003 im Vermittlungsausschuss nicht nur ge-lungen, diese Steuer zu stabilisieren, sondern auch dafürzu sorgen, dass die Gemeinden statt eines Gewerbesteu-eraufkommens in Höhe von 22 Milliarden Euro, wie esvor einigen Jahren der Fall war, mittlerweile etwa28 Milliarden Euro verbuchen können.
Laut Steuerschätzung sind hier in diesem Jahr0,8 Milliarden Euro und im nächsten Jahr 0,4 MilliardenEuro mehr zu erwarten. Eine positive Entwicklung! Dassollte man sich als Beispiel nehmen. Es geht auch da-rum, Besteuerungsgrundlagen zu festigen, Bemessungs-grundlagen zu verbreitern und Schlupflöcher zu schlie-ßvEl32siKwgSgwtfzeIskiAKmdDbHLhmswA1Mndzdi
s ist aber eine gefährliche Situation, dass der Bund imaufenden Jahr bei den Steuereinnahmen ein Minus von,5 Milliarden Euro und die Länder ein Minus von,5 Milliarden Euro zu verzeichnen haben.Herr Kampeter, es gibt ja einen interessanten Gegen-atz. Wenn ich die Pressestimmen vernehme, dann stellech fest, dass alle Ländervertreter, insbesondere Herroch und Herr Stratthaus, sagen: Angesichts der gegen-ärtigen Situation dürfen keine weiteren Steuersenkun-en versprochen oder vorgenommen werden. Was habenie aus der Finanzsituation gelernt? Das bedeutet dochanz klar, dass man mit dem Klammersack gepudertäre, wenn man die Gewerbesteuer mit einem momen-anen Aufkommen in Höhe von 28 Milliarden Euro in-rage stellte.
Ich habe Herrn Faltlhauser heute Morgen ganz genauugehört. Er hat gesagt, zum Herbst hin wolle die Unionin abgestimmtes Unternehmensteuerkonzept vorlegen.ch bin gespannt, was mit der Gewerbesteuer geschehenoll. Ich kann Ihnen garantieren, dass es zum Herbst hinein Konzept geben wird; denn die entscheidende Fragest, wie Sie die Gewerbesteuer mit einem momentanenufkommen in Höhe von 28 Milliarden Euro auf dieörperschaftsteuer sowie auf die Lohn- und Einkom-ensteuer umlegen wollen. Ich möchte sehen, wie Sieas hinbekommen.
iese Nummer wird noch viel tragischer als das, was wirei der Kopfpauschale erlebt haben.
ier wären Sie gut beraten, sich noch einmal mit denändern abzustimmen und zu schauen, was möglich ist.Das hat natürlich auch mit der Frage zu tun – hierabe ich heute Morgen ebenfalls genau zugehört –, oban den Körperschaftsteuersatz senken soll, um deut-che Unternehmen im europäischen Vergleich wettbe-erbsfähiger zu machen. Wir sind übereinstimmend deruffassung, dass der Körperschaftsteuersatz von 25 auf9 Prozent gesenkt werden muss. Das ist eine sinnvolleaßnahme, die – so die Länderseite – voll gegenzufi-anzieren ist. Aber so wie die Haushaltssituation nacher Steuerschätzung aussieht, ist eine volle Gegenfinan-ierung ohne Inkaufnahme von Haushaltsrisiken erfor-erlich. Das wird die Herausforderung sein, vor der wirn den nächsten Wochen stehen.
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Ortwin RundeEin bisschen enttäuscht bin ich, dass Herr Faltlhauserin der Debatte über die Erbschaftsteuer, die ja Angele-genheit der Länder ist und ihre Haushalte betrifft,
keine Vorschläge für eine Gegenfinanzierung gemachthat.
Ich weiß von den Länderkollegen, die ich ja alle aus derVergangenheit kenne, dass darüber sehr kontrovers dis-kutiert wird. Diese sagen: Solche Einnahmeausfälle kön-nen wir uns eigentlich nicht leisten; so wünschenswerteine steuerliche Förderung von Unternehmensübergän-gen auch ist, müssen wir darauf achten, welche Einnah-meausfälle damit verbunden sind und ob unsere Gestal-tungsspielräume eingeengt werden. Ich bin auf dieweiteren Beratungen in den nächsten Wochen gespannt.
Wir können aus den Ergebnissen dieser Steuerschät-zung lernen, dass es sinnvoll ist, im kooperativen Föde-ralismus bei der Festigung der Besteuerungsgrundlagenzusammenzuwirken. Wenn man das tut, kann man sichüber die Absenkung von nominalen Steuersätzen unter-halten.
Herr Kollege!
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Georg Fahrenschon, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Diese Debatte ist auf jeden Fall in einer Hinsichtspannend: Wir haben gerade den fünften Redner der Re-gierung bzw. der sie tragenden Koalition gehört; dochzum Thema hat bislang kein einziger einen Vorschlaggemacht.
Das zeigt wieder einmal, wer in dieser Republik Vor-schläge macht und am politischen Prozess teilnimmt undwer die Verhältnisse einfach nur noch hinnimmt, weil ernicht mehr regierungsfähig ist.hhesrdSwvR3MsÖvDDMdstrPEBsse2bnWdnZ–dshN
Ein Jahr nach der Regierungsübernahme, genau ge-agt: am 9. Oktober 2000, ging es darum, die Höhe derkosteuer zu reduzieren. Der Kanzler prüfte Alternati-en zur Ökosteuer und brachte die Mehrwertsteuer in dieiskussion.Den Wechsel von der Ökosteuer zur Mehrwertsteu-ererhöhung könnte Schröder noch vor dem Jahres-ende ankündigen. Damit könne, so SPD-Strategen,der öffentliche Druck aus der nächsten Stufe derÖkosteuer-Erhöhung zum Januar 2001 genommenwerden.as stand in der „Welt“ vom 9. Oktober 2000. Dieehrwertsteuerdebatte war damit eröffnet.Etwa sechs Monate später, am 2. März 2001, mussteer Finanzminister Pläne zur Erhöhung der Mehrwert-teuer dementieren. Es hieß, die Finanzierung der Ren-enkasse durch die Ökosteuer sei gesichert. Die Äuße-ungen des Ministers Hans Eichel seien, so seinressesprecher am Tag danach, überinterpretiert worden.s hieß, Rot-Grün plane keine Mehrwertsteuererhöhung.Dann war Pause, weil das desaströse Finanzloch imundesetat vor der Bundestagswahl 2002 bewusst ver-chwiegen wurde – Kronzeuge ist Oswald Metzger –;onst hätten Sie 2002 ebenfalls über eine Mehrwertsteu-rerhöhung debattiert.Nach der Bundestagswahl 2002 hat es bis zum5. November 2002, also nur wenige Wochen, gedauert,is die Mehrwertsteuer wieder ein Thema war. Der Fi-anzminister sagte in einem Interview mit dem „Focus“:enn wir unsere Vorschläge nicht durchsetzen können,enken wir über eine Änderung der Mehrwertsteuerach.Im Oktober 2003 präsentierte der Finanzminister imusammenhang mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2003oh Wunder! – Ideen zur Mehrwertsteuererhöhung;enn er musste das erste Mal – um es auf Bayerisch zuagen – die Hosen herunterlassen und einen Nachtrags-aushalt in Höhe von 43,4 Milliarden Euro – das warachkriegsrekord – vorlegen. Da er Angst hatte, diesen
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Georg FahrenschonNachtragshaushalt über neue Schulden finanzieren zumüssen, hat er selber eine Mehrwertsteuererhöhung insGespräch gebracht.
Ein halbes Jahr später kam es dann zum Super-GAU– ich zitiere –:Gestern wurde in Koalitionskreisen bekannt, dassKanzler Gerhard Schröder und der SPD-VorsitzendeFranz Müntefering am Mittwoch vergangener Wo-che Pläne Eichels für eine Mehrwertsteuererhöhungum fünf Prozentpunkte in drastischer Weise zurück-gewiesen haben.Hans Eichel wollte mit den Mehreinnahmen von jährlich45 Milliarden Euro – er wollte sich die Arbeit leicht ma-chen – einerseits die Lohnnebenkosten senken und ande-rerseits den Etat sanieren.Fünf Monate später, im Oktober 2004, sagte der da-malige Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein:Wir verlassen die politische Debatte über das Sparen;wir schlagen lieber eine Erhöhung der Mehrwertsteuervor.Aufgrund der von ihr von Anfang an betriebenenPolitik ist diese Regierung mittlerweile ein Standort-risiko in Deutschland.
Angesichts des derzeitigen Zustands der deutschenVolkswirtschaft ist es, liebe Frau Hajduk, für die Binnen-konjunktur wirklich Gift, wieder einmal eine Mehrwert-steuererhöhung ins Spiel zu bringen. Es ist schon einspannendes Bild, wie Sie jetzt hier ganz allein an derSpitze der grünen Bundestagsfraktion sitzen; Ihre eige-nen Leute haben Sie nämlich im Stich gelassen.
In der Debatte um die Streichung von Steuersubven-tionen habe ich noch eine spannende Idee für Sie.
Sie sagen doch immer, wir müssten Steuersubventionenstreichen.
Erwägen Sie doch einmal folgenden Gedanken, der zuIhnen passen würde: Während die Mehrwertsteuer inDeutschland 16 Prozent beträgt, beträgt sie zum Beispielin Schweden und in Dänemark 25 Prozent. Im Grundeist das niedrige Mehrwertsteuerniveau bei uns im Ver-gleich zu Schweden und Dänemark eine Steuersubven-tion des Staates.
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ie wir die Entwicklung in Deutschland voranbringen.ir müssen dabei die Steuereinnahmen – das hat dertaatssekretär schon gesagt – auch unter der Bedingunges wirtschaftlichen Wachstums sehen. Ich bin ent-äuscht worden. Den Damen und vor allem den Herrener Opposition geht es offensichtlich nur darum, dieenschen in unserem Land zu verunsichern. Gerade deretzte Beitrag war ja eine Arie über die Mehrwertsteuer-rhöhung.
ch darf darauf hinweisen, dass die letzte Mehrwertsteu-rerhöhung 1997 war und mit Ihren Stimmen im Bun-estag beschlossen worden ist.
eshalb sage ich Ihnen: Seien Sie vorsichtig!
Wir haben damals zugestimmt. Wir waren dafür, dieehrwertsteuer zu erhöhen, weil wir den Rentenver-icherungsbeitrag nicht erhöhen wollten. Das war diergumentation.
Nun ist der Herr Barthle schon weg; wahrscheinlichar es so wichtig, dass er nicht mehr zuhören konnte.
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Karin Roth
Herr Barthle hat gesagt, wir müssten an die Ausgabenrichtig rangehen. Er hat leider vergessen zu sagen, wo.
Im Haushalt gibt es einen großen Posten, nämlich80 Milliarden Euro, die wir im Rahmen der Steuerfinan-zierung der Rente ausgeben. Möchte Herr Barthle beidiesen Ausgaben einsparen? Wenn er das möchte, dann– das hat meine Kollegin Hajduk schon angemerkt –muss er den Rentnern sagen, dass er die Renten kürzenwill. Sie müssen es den Menschen sagen.
Dazu sind Sie nicht in der Lage. Im entscheidenden Mo-ment ducken Sie sich immer weg.
Das gilt für die CDU/CSU, für die FDP sowieso.
Wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir sagen– Ortwin Runde hat schon deutlich gemacht, wie schwerdas ist, sowohl für die Länder als auch für den Bund –:Wir müssen die Staatsausgaben konsolidieren,
aber wir dürfen die Konjunktur nicht abbremsen – das istwichtig –; denn die Konjunktur ist Voraussetzung fürWachstum und Beschäftigung sowie Steuereinnahmen.
Das Wissen um diese Logik ist bei Ihnen abhanden ge-kommen.Man sieht diesen Zusammenhang auch. Wir haben imersten Vierteljahr zur Überraschung aller eine doppelt sohohe Wachstumsrate, als erwartet worden ist. Wir sind inder Eurozone jetzt vorn.
Kaum haben wir ein bisschen mehr Wachstum und Be-schäftigung,
machen Sie jetzt Folgendes – das gilt vor allem für dieFDP –: Sie reden es schlecht.
Wir brauchen eine andere Debatte.lKSAWlnsdaIaiDDmtbwfBmkSuaswdd
Für uns ist wichtig, dass wir die Staatsfinanzen stabi-isiert haben. Die Frage ist, was Sie machen, Herroppelin. Sie erzählen ständig über Subventionsabbau.ie halten Ihr Gebetsbuch hoch.
ber wenn es um die Fakten geht, dann – das ist dieahrheit – rudern Sie zurück und sagen: Nein, das wol-en wir nicht. Das ist ein Missverständnis. – Ich sage Ih-en: Wer sonntags über Steuersubventionen redet undich montags nicht mehr daran erinnert,
er besitzt nicht die Fähigkeit zum Regieren. So sieht esus.
Es geht Ihnen nur darum, im Steuerbereich etwas fürhre Klientel zu tun,
ber umgekehrt sind Sie nicht bereit, Ihre Verantwortungm Bundesrat wahrzunehmen.
er Bundesrat blockiert nämlich den Subventionsabbau.as ist der entscheidende Punkt. Wir haben deutlich ge-acht, was wir wollen. Sie haben aber die von uns un-erbreiteten Vorschläge nicht Realität werden lassen.
Der Vorschlag der CDU/CSU, den Beitrag zur Ar-eitslosenversicherung um 1,5 Prozentpunkte zu senken,ürde dazu führen, dass im Haushalt der Bundesagenturür Arbeit 11 Milliarden Euro fehlen. Wenn Sie diesenetrag über Steuereinnahmen gegenfinanzieren wollen,üssen Sie hier und heute sagen, wie Sie sich das kon-ret vorstellen. Sie können doch nicht auf der einen Seiteteuern senken, auf der anderen Seite aber Vorschlägenterbreiten, die dazu führen, dass noch weitere Staats-usgaben erforderlich werden.
Aus meiner Sicht weisen Ihre Forderungen in die fal-che Richtung. Wir müssen die Investitionen stärken,ir müssen
ie Verkehrsinfrastruktur ausbauen, also Dinge tun, dieie Konjunktur ein Stück weit anregen.
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Karin Roth
Damit sorgen wir für mehr Wachstum. So werden auchwieder mehr Steuereinnahmen kommen. Diese Logik le-gen wir zugrunde, nicht nur die einfache Logik des Spa-rens, das am Ende nichts bringt.
Das Wort hat der Kollege Peter Rzepka, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Alle Jahre wieder das gleiche Bild. Steuerschät-zung Mai 2002: 65 Milliarden Euro weniger, Steuer-schätzung Mai 2003: 126 Milliarden Euro weniger,
Steuerschätzung Mai 2004: 61 Milliarden Euro weni-ger und Steuerschätzung Mai 2005: 66 Milliarden Euroweniger als ursprünglich angenommen und den Haus-haltsplanungen zugrunde gelegt.
Wieder einmal werden die optimistischen Wachstums-prognosen dieser Bundesregierung in dramatischerWeise von der Realität widerlegt. Jedes Jahr aufs Neuewerden im Bundeshaushalt leichtfertig die Einnahmenzu hoch und die Ausgaben zu niedrig angesetzt. Es rächtsich zunehmend, dass dieser Bundesregierung jeglicheordnungspolitische Orientierung fehlt.
Die aktuelle Diskussion um eine Erhöhung der Mehr-wertsteuer passt in dieses Bild. Eine Erhöhung derMehrwertsteuer wäre Gift für die Konjunktur und würdedie binnenwirtschaftliche Entwicklung zusätzlich belas-ten. Gelingt es den Unternehmen, die Erhöhung auf dieKonsumenten abzuwälzen, wird die Binnennachfrageweiter geschwächt. Kann die Steuererhöhung nicht andie Verbraucher weitergegeben werden, tragen dieUnternehmen, vor allem der Einzelhandel und das Hand-werk, die zusätzlichen Belastungen. Die Wachstums-und Beschäftigungskrise würde sich ausweiten,Schwarzarbeit weiter zunehmen, Steuer- und Beitrags-einnahmen würden erneut zurückgehen. Sie erleben esgerade bei der Tabaksteuer – der Kollege Kampeter hatteschon darauf hingewiesen –: Steuererhöhungen könnenim Ergebnis zu Steuermindereinnahmen führen.
Deshalb ist es unverständlich, warum im Bundes-finanzministerium offenbar Pläne zur Erhöhung der Um-satzsteuer verfolgt werden. Es gibt nur eine denkbareErklärung: Es ist die pure Verzweiflung des Bundes-finanzministers. Wir haben einen Bundesfinanzminister,der die Übersicht verloren hat, dessen HaushaltspläneJsrPdz„bsGiMdsdawdsngsVsnzBsFckDdkdgdhöAestasrs
ie Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Koalition nichtie Kraft haben wird, die Unternehmensteuern zu sen-en, und nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalenie Mehrwertsteuer erhöht.
Die Haltung der Unionsfraktion ist demgegenüberanz klar: Mit uns wird es keine zusätzliche Belastunger Bürger und Unternehmen zum Stopfen von Haus-altslöchern geben. Eine kurzfristige Konsolidierung derffentlichen Finanzen muss auch über die Kürzung vonusgaben erreicht werden. Was wir jetzt brauchen, sindin Nachtragshaushalt und ein Haushaltssicherungsge-etz.Die Unionsfraktion fordert den Bundesfinanzminis-er auf, endlich eine Haushaltsplanung vorzulegen, dieuf realistischen Wachstumsprognosen beruht. Der Kon-olidierungsbedarf muss von einer soliden Basis aus be-echnet werden. Alles deutet darauf hin, dass es zu Ein-chnitten kommen muss, auch in Leistungsgesetze. Der
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Peter Rzepkaschrittweise Abbau von Subventionen, der ja mit demKoch/Steinbrück-Papier bereits begonnen wurde, mussjetzt fortgesetzt werden. Es ist an der Zeit, dass der Bun-desfinanzminister handelt, meine Damen und Herren.Ihnen wünsche ich frohe Pfingsten. Schönen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 1. Juni 2005, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch unseren
Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Tribüne ein
schönes Pfingstfest.
Die Sitzung ist geschlossen.