Protokoll:
15054

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 54

  • date_rangeDatum: 27. Juni 2003

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:22 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/54 SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer hand- werksrechtlicher Vorschriften (Drucksache 15/1206) . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Siegfried Helias CDU/CSU . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . Fritz Kuhn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Jürgen Türk FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 24: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung des Direktwahlakts (Drucksachen 15/1059, 15/1263) . . . . Tagesordnungspunkt 18: a) Erste Beratung des von den Abgeord- neten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU ein- gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Beschleunigung von 4469 B 4469 D 4472 B 4474 A 4474 D 4475 D 4478 B 4478 D 4480 A 4496 C Deutscher B Stenografisch 54. Sitz Berlin, Freitag, den I n h a l Begrüßung des neuen Abgeordneten Helmut Lamp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und zur Förde- rung von Kleinunternehmen (Drucksachen 15/1089, 15/1224) . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von den Fraktionen der D K G C D H H H W H W 4469 A 4469 B Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 4481 D 4482 B undestag er Bericht ung 27. Juni 2003 t : irk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . laus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . unther Krichbaum CDU/CSU . . . . . . . . . . hristian Lange (Backnang) SPD . . . . . . . . . Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . ans-Werner Bertl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . artmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . . . ans-Werner Bertl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . erner Wittlich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . ans-Werner Bertl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . erner Wittlich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 4483 B 4484 C 4486 B 4487 C 4488 A 4488 C 4489 D 4491 A 4492 B 4492 D 4493 B 4495 B 4495 D Verfahren der Justiz (1. Justiz- beschleunigungsgesetz) (Drucksache 15/999) . . . . . . . . . . . . . . 4496 D II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2003 b) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen, weite- – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Fehler beim neuen Revi- sionsrecht korrigieren – Entschei- dungsfähigkeit des Bundesgerichts- hofs sicherstellen (Drucksache 15/1098) . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . Joachim Stünker SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . Dr. Wolfgang Götzer CDU/CSU . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: 10. Sport- bericht der Bundesregierung (Drucksachen 14/9517, 15/345 Nr. 14, 15/952) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Vogt, Parl. Staatssekretärin BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) SPD . . . . . . . . . . . . Eberhard Gienger CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Ute Kumpf SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Riegert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Kumpf SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Siebten Buches Sozialgesetzbuch und des Sozial- gerichtsgesetzes (Drucksachen 15/812, 15/1199) . . . . . P G C M D D M T D G G C D A N A L A N B im ( S D A A 4496 D 4497 A 4498 C 4501 A 4502 A 4502 D 4503 C 4505 B 4507 A 4508 B 4508 C 4508 C 4510 A 4511 D 4513 C 4514 C 4515 C 4517 C 4518 D 4519 A 4519 B Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Siebten Buches Sozial- gesetzbuch und des Sozialgerichts- gesetzes (Drucksachen 15/1070, 15/1199) . . . . eter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erald Weiß (Groß-Gerau) DU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arkus Kurth BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . atthäus Strebl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rahmenbedingungen für Waldbesitzer und mittelständische Holzwirtschaft verbessern – Eigentums- rechte stärken (Drucksache 15/941) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christel Happach-Kasan FDP . . . . . . . . . abriele Hiller-Ohm SPD . . . . . . . . . . . . . . . eorg Schirmbeck CDU/CSU . . . . . . . . . . . ornelia Behm BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lbert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 achträglich zu Protokoll gegebene Rede zur eratung über den Antrag: Mehr Sicherheit Luftverkehr 53. Sitzung, Tagesordnungspunkt 15) . . . . . ilke Stokar von Neuforn BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4519 B 4519 C 4521 A 4522 A 4522 D 4523 C 4524 D 4525 A 4526 B 4528 C 4530 A 4531 B 4532 C 4533 A 4533 D 4533 D 4534 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2003 4469 (A) ) (B) ) 54. Sitz Berlin, Freitag, den Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2003 4533 (A) ) (B) ) Antworten.Dr. Scheer, Hermann SPD 27.06.2003 d* iese Fragen suchen Sicherheitsexperten weltweit die zu diesen Anschlägen, bei denen zivile Flugzeuge als tödliche Waffe genutzt wurden, kommen? Wie können solche Anschläge zukünftig verhindert werden? Auf Rauber, Helmut CDU/CSU 27.06.2003* Riester, Walter SPD 27.06.2003* Anlage 1 Liste der entschuldigte * A N t a Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dr. Bietmann, Rolf CDU/CSU 27.06.2003 Bindig, Rudolf SPD 27.06.2003* Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 27.06.2003 Breuer, Paul CDU/CSU 27.06.2003 Brüning, Monika CDU/CSU 27.06.2003 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 27.06.2003 Burchardt, Ulla SPD 27.06.2003 Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27.06.2003 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 27.06.2003 Fricke, Otto FDP 27.06.2003 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 27.06.2003 Haack (Extertal), Karl Hermann SPD 27.06.2003 Hintze, Peter CDU/CSU 27.06.2003 Höfer, Gerd SPD 27.06.2003* Hofbauer, Klaus CDU/CSU 27.06.2003 Jäger, Renate SPD 27.06.2003* Jonas, Klaus Werner SPD 27.06.2003* Kauch, Michael FDP 27.06.2003 Kolbow, Walter SPD 27.06.2003 Kressl, Nicolette SPD 27.06.2003 Lanzinger, Barbara CDU/CSU 27.06.2003 Leibrecht, Harald FDP 27.06.2003 Lintner, Eduard CDU/CSU 27.06.2003* Lips, Patricia CDU/CSU 27.06.2003 Marks, Caren SPD 27.06.2003 Nietan, Dietmar SPD 27.06.2003 Otto (Frankfurt), Hans-Joachim FDP 27.06.2003 A S S S S S S S D S S S D D D V W (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates nlage 2 Nachträglich zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung über den Antrag: Mehr Sicher- heit im Luftverkehr (53. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 15) Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN): Seit den terroristischen Anschlägen des 11. Sep- ember 2001 arbeiten Sicherheitsbehörden international n einer Optimierung der Luftsicherheit. Wie konnte es bgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich chily, Otto SPD 27.06.2003 chlauch, Rezzo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27.06.2003 chmidt (Ingolstadt), Albert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27.06.2003 chösser, Fritz SPD 27.06.2003 chröter, Gisela SPD 27.06.2003 chulte-Drüggelte, Bernhard CDU/CSU 27.06.2003 chultz (Everswinkel), Reinhard SPD 27.06.2003 r. Schwanholz, Martin SPD 27.06.2003 eehofer, Horst CDU/CSU 27.06.2003 eib, Marion CDU/CSU 27.06.2003 iebert, Bernd CDU/CSU 27.06.2003* r. Solms, Hermann Otto FDP 27.06.2003 r. Stadler, Max FDP 27.06.2003 r. Stinner, Rainer FDP 27.06.2003 aatz, Arnold CDU/CSU 27.06.2003 issmann, Matthias CDU/CSU 27.06.2003 4534 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2003 (A) ) (B) ) Auch die deutsche Bundesregierung hat nach den Ter- rorangriffen des 11. September auf die USA sofort rea- giert. Eine im Bundeskanzleramt angesiedelte Arbeits- gruppe „Sicherheit im Luftraum“ arbeitet intensiv daran, die am 19. Januar 2003 in Kraft getretene EG-Luftsi- cherheitsverordnung in einem nationalen Luftsicher- heitskonzept umzusetzen. Es bedarf also nicht eines Antrages der CDU/CSU – der zudem in vielen Punkten offenbart, wie wenig informiert die CDU/CSU-Fraktion ist –, damit die Bundesregierung handelt. Lassen Sie mich ein paar Problempunkte ansprechen, die es in der Umsetzung gibt. Die Gefahrenabwehr ist Aufgabe der Länder. Dies ist in unserer Verfassung ver- ankert, bei dieser Zuständigkeit soll es auch bleiben. Uns allen ist bekannt, dass bei Angriffen aus dem Luftraum, die deutschen Ländergrenzen im Minutentakt überflogen werden. Wir brauchen also eine Vernetzung und Bünde- lung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten. Hier sind verfassungsrechtliche Fragen zu beachten und hier ist das Einvernehmen mit den Ländern herzustellen. Dies alles ist auf einem guten Wege und nicht jedes Kon- zept zur Optimierung der Sicherheit im Luftraum sollte im Detail auf dem offenen Markt diskutiert werden. Nun zum Lieblingsthema der CDU, der Biometrie. Sie fordern schnelles Handeln, ich bin auch hier für die gebotene Sorgfalt. Wir haben in Deutschland an die 7 000 Passstellen. Ein Ausweisdokument hat eine zehn- jährige Laufzeit. Angesichts der immensen Umstellungs- kosten wäre es geradezu unverantwortlich und populisti- scher Aktionismus, wenn hier ohne internationale Abstimmung eine Entscheidung getroffen würde. Die in Reisedokumenten aufgenommenen Merkmale müssen am anderen Ende auch gelesen werden können, sonst sind sie sinnlos. Die grüne Fraktion hat der Aufnahme biometrischer Daten in deutsche Ausweisdokumente be- reits in der 14. Wahlperiode zugestimmt. Bei der Aus- wahl setzen wir auf Systeme, die ohne den Aufbau von Referenzdateien gelesen werden können. Biometrische Merkmale dienen der sicheren Identifizierung: an dieser Zweckbindung halten wir fest. Beim Thema Zuverlässigkeitsprüfungen von Personal im Luftverkehr sehen auch wir Handlungsbedarf. Ich halte es für vernünftig, wenn wir mit abgestuften Sicher- heitsüberprüfungen arbeiten und nicht noch gesondert das Verfahren der Zuverlässigkeitsüberprüfung anwenden. Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Wir können uns nicht mit Gesetzen gegen alle denkbaren terroristischen Angriffe schützen. Wenn wir alle denkbaren Sicherheits- lücken schließen, haben wir eine andere Gesellschaft. Die Balance zwischen Sicherheitsgewinn und Eingriffen in Freiheits- und Bürgerrechte muss gewahrt bleiben. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 789. Sitzung am 20. Juni 2003 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- stimmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 G m – – – – – – 2 2 A ß (C (D rundgesetz nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge- äß Artikel 77 Absatz 3 nicht einzulegen: Erstes Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Ener- gien-Gesetzes Gesetz zu dem Zusatzabkommen vom 27. August 2002 zum Abkommen vom 14. November 1985 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über Soziale Sicherheit Gesetz zu dem Abkommen vom 12. September 2002 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Slowakischen Republik über Soziale Si- cherheit Gesetz zu dem Protokoll betreffend Schwerme- talle vom 24. Juni 1998 im Rahmen des Überein- kommens von 1979 über weiträumige grenzüber- schreitende Luftverunreinigung Gesetz zu dem Abkommen vom 31. Juli 2001 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreiches Thailand über den Seeverkehr Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnose- orientierten Fallpauschalensystem für Kranken- häuser – Fallpauschalenänderungsgesetz (FPÄndG) Der Bundesrat hat in seiner 789. Sitzung am 20. Juni 003 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 2. Mai 2003 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 84 bs. l des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschlie- ung gefasst I. Der Bundesrat stellt Folgendes fest: Mit dem Fallpauschalengesetz hat der Bundesgesetz- geber 2002 die Weichen für die Einführung eines durchgehend pauschalierenden Entgeltsystems auf Basis von Diagnosis Related Groups (DRGs) gestellt. Der grundsätzliche Unterschied der neuen Entgeltform zum bisherigen Vergütungssystem liegt darin, dass bis- lang die Betriebskostenfinanzierung der Krankenhäuser durch tagesgleiche Pflegesätze als Folge von Budget- verhandlungen zwischen dem einzelnen Kranken- haus und den Kostenträgern erfolgte. In Zukunft wird die wirtschaftliche Situation der Kliniken von den Er- lösen aus speziellen diagnose-orientierten Fallpau- schalen abhängen. Grundsätzlich ist die Einführung eines DRG-Fallpau- schalensystems aus Gründen der Qualität, Wirtschaft- lichkeit und Transparenz der Leistungserbringung zu befürworten. Wie bei jedem grundlegenden System- wechsel ist jedoch eine verantwortungsvolle Politik einzufordern, die bei Verabschiedung des Fallpau- schalengesetzes in vielen Punkten nicht zu erkennen war. Die Bundesregierung und die sie tragende Koalition korrigieren deshalb nunmehr mit dem Fallpauschalen- änderungsgesetz die im letzten Jahr deutlich geworde- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2003 4535 (A) ) (B) ) nen Fehlentwicklungen im Zusammenhang mit der Einführung des DRG-Fallpauschalensystems. Insbe- sondere eine Entzerrung des engen zeitlichen Einfüh- rungsplanes und die Erweiterung der Öffnungsklausel in § 6 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sind wichtige Schritte in die richtige, immer wieder ange- mahnte Richtung. Jedoch sind viele wichtige Problempunkte bislang un- berücksichtigt geblieben: Bisher findet die EG-Arbeitszeitrichtlinie 93/104, nach der der Bereitschaftsdienst der Ärzte als Arbeits- zeit zu werten ist, keine Berücksichtigung im Gesetz. Der Zusatzbetrag von bis zu 0,2 Prozent des Gesamt- betrags gemäß § 6 Abs. 5 BPflV ist ausdrücklich nicht für diesen Zweck vorgesehen und wäre im Übri- gen auch nicht ausreichend. Die Öffnungsklausel in § 6 KHEntgG soll zwar durch das Fallpauschalenänderungsgesetz dahingehend er- weitert werden, dass auch besondere Einrichtungen, deren Leistungen insbesondere aus medizinischen Gründen, wegen der Häufung von schwerkranken Pa- tienten oder aus Gründen der Versorgungsstruktur mit den Entgeltkatalogen noch nicht sachgerecht vergütet werden, zeitlich befristet aus dem Vergütungssystem ausgenommen werden können. Die Länder haben je- doch keine unmittelbare Einflussmöglichkeit darauf, ob von dieser Ausnahmemöglichkeit Gebrauch ge- macht wird. Dies gefährdet die Finanzierung der durch die Länder im Rahmen ihrer Planungskompe- tenz geschaffenen spezifischen Versorgungsformen wie beispielsweise Tumorzentren oder geriatrische Zentren und Schwerpunkte und stellt sie in das Belie- ben der Selbstverwaltung oder des zur Ersatzvor- nahme berechtigten BMGS. Weiterhin ist die im Fallpauschalengesetz in § 6 Abs. l Satz l Nr. l und 2 KHEntgG vorgesehene Öff- nungsklausel zeitlich beschränkt. Diese zeitliche Be- schränkung sollte aufgegeben werden, da schon jetzt deutlich ist, dass der von der Bundesregierung ver- folgte 100-Prozent-Ansatz auch nach 2006 nicht reali- sierbar sein wird. II. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf, die vom Fallpauschalengesetz betroffenen Ge- setze grundlegend zu überarbeiten und insbesondere Sorge dafür zu tragen. 1. dass die aus der EG-Arbeitszeitrichtlinie erwach- senden Kosten in der Vergütung der Krankenhäuser Niederschlag finden, 2. dass die immer noch unzureichende Öffnungsklau- sel in § 6 KHEntgG ausgeweitet wird. Der Bundesrat hat in seiner 789. Sitzung am 20. Juni 2003 beschlossen, dem vom Deutschen Bundestag am 9. Mai 2003 verabschiedeten Gesetz gemäß Artikel 84 Abs. 1 Grundgesetz nicht zuzustimmen: – Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwande- rung und zur Regelung des Aufenthalts und der Inte- g G n m V P t (C (D gration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwan- derungsgesetz) Der Vorsitzende des folgenden Ausschusses hat mit- eteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der eschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der achstehenden Vorlage absieht: Auswärtiger Ausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse ihrer Bemühungen um die Weiterentwicklung der politischen und ökonomischen Gesamtstrategie für die Balkanstaa- ten und ganz Südosteuropa – Drucksachen 15/508, 15/609 Nr. 1 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, daß der Ausschuss die nachstehenden EU- orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- ung abgesehen hat. Innenausschuss Drucksache 15/713 Nr. 1.5 Drucksache 15/792 Nr. 2.24 Finanzausschuss Drucksache 15/979 Nr. 2.10 Drucksache 15/979 Nr. 2.47 Haushaltsausschuss Drucksache 15/979 Nr. 2.15 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Drucksache 15/611 Nr. 1.8 Drucksache 15/611 Nr. 2.10 Drucksache 15/611 Nr. 2.24 Drucksache 15/713 Nr. 2.10 Drucksache 15/713 Nr. 2.13 Drucksache 15/713 Nr. 2.14 Drucksache 15/713 Nr. 2.23 Drucksache 15/713 Nr. 2.24 Drucksache 15/713 Nr. 2.28 Drucksache 15/792 Nr. 2.2 Drucksache 15/792 Nr. 2.13 Drucksache 15/792 Nr. 2.14 Drucksache 15/792 Nr. 2.15 Drucksache 15/792 Nr. 2.17 Drucksache 15/792 Nr. 2.20 Drucksache 15/792 Nr. 2.21 Drucksache 15/792 Nr. 2.22 Drucksache 15/792 Nr. 2.26 Drucksache 15/792 Nr. 2.28 Drucksache 15/858 Nr. 1.3 Drucksache 15/858 Nr. 1.4 Drucksache 15/858 Nr. 1.6 Drucksache 15/858 Nr. 1.7 Drucksache 15/858 Nr. 2.3 Drucksache 15/858 Nr. 2.4 Drucksache 15/858 Nr. 2.8 Drucksache 15/858 Nr. 2.12 Drucksache 15/979 Nr. 1.14 Drucksache 15/979 Nr. 2.39 Drucksache 15/979 Nr. 2.41 4536 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 54. Sitzung. Berlin, Freitag, den 27. Juni 2003 (A) (C)Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 15/979 Nr. 1.11 Drucksache 15/979 Nr. 1.12 Drucksache 15/979 Nr. 1.13 Drucksache 15/979 Nr. 2.11 Drucksache 15/979 Nr. 2.16 Drucksache 15/979 Nr. 2.23 Drucksache 15/979 Nr. 2.26 Drucksache 15/979 Nr. 2.29 Drucksache 15/979 Nr. 2.30 Drucksache 15/979 Nr. 2.35 Drucksache 15/979 Nr. 2.36 Drucksache 15/979 Nr. 2.37 Drucksache 15/979 Nr. 2.40 Drucksache 15/979 Nr. 2.42 Drucksache 15/979 Nr. 2.43 Drucksache 15/979 Nr. 2.44 Drucksache 15/979 Nr. 2.45 Ausschuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen Drucksache 15/858 Nr. 2.1 Drucksache 15/979 Nr. 2.3 Drucksache 15/979 Nr. 2.17 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 15/792 Nr. 2.4 Drucksache 15/858 Nr. 2.11 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 15/611 Nr. 2.26 Drucksache 15/792 Nr. 1.1 Drucksache 15/792 Nr. 1.3 Drucksache 15/792 Nr. 2.29 Drucksache 15/858 Nr. 1.1 Drucksache 15/858 Nr. 2.10 Drucksache 15/1153 Nr. 2.4 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 15/339 Nr. 1.8 Drucksache 15/339 Nr. 2.17 Drucksache 15/457 Nr. 1.4 Drucksache 15/457 Nr. 2.17 Drucksache 15/713 Nr. 2.12 Drucksache 15/979 Nr. 2.5 Drucksache 15/979 Nr. 2.31 (B) (D) 54. Sitzung Berlin, Freitag, den 27. Juni 2003 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505400000


Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.

Die frühere Kollegin Angelika Volquartz hat am
16. Juni 2003 auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen
Bundestag verzichtet. Der Abgeordnete Helmut Lamp
hat als ihr Nachfolger am 18. Juni 2003 die Mitglied-
schaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße
den uns bereits aus der 14. Wahlperiode bekannten Kol-
legen. Herzlich willkommen!


(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 sowie Zusatzpunkt 14

auf:
17 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-

nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung der Handwerksordnung
und zur Förderung von Kleinunternehmen

– Drucksache 15/1089 –

(Erste Beratung 48. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)


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1

Redet
– Drucksache 15/1224 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Christian Lange (Backnang)


ZP 14 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur
Änderung der Handwerksordnung und ande-
rer handwerksrechtlicher Vorschriften

– Drucksache 15/1206 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung un
Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss

(C (D ung 27. Juni 2003 0 Uhr Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesinister Wolfgang Clement das Wort. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
nd Arbeit:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn

ieses Monats haben wir ein Gesetz für Erleichterungen
on Existenzgründungen und zur Förderung von Klein-
nternehmen erörtert. Heute steht eine große Reform des
andwerksrechts auf der Tagesordnung. In der Tat: Seit
em In-Kraft-Treten der Handwerksordnung im Jahre
953 gab es in diesem Land keine vergleichbare Reform

ext
des Handwerksrechts, wie wir sie heute anstreben.
Mit dieser Novelle wollen wir das Handwerksrecht

zukunftssicher und europafest machen. Wer sich die Si-
tuation beim Handwerk anschaut, der sieht, dass daran
kein Weg vorbeiführt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Das ist eine Täuschung!)


Seit Jahren verzeichnen wir einen Rückgang der Zahl
der Betriebe im Handwerk und einen Abbau von Be-
schäftigungsverhältnissen und vielen Ausbildungsplät-
zen. Seit Jahren gehen die Umsätze zurück.

Ramsauer [CDU/CSU]: Bei der Po-
under! – Hans Michelbach [CDU/

wem liegt das?)


(Dr. Peter litik kein W CSU]: An Bundesminister Wolfgang Clement – Wenn Sie einmal zurückrechnen, Herr Kollege, dann stellen Sie fest, dass Sie Anteil daran haben. – Notwendig ist deshalb ein deutlicher Impuls für mehr Existenzgründungen im Handwerk und für mehr Beschäftigung und Wachstum. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Schauen Sie sich die Insolvenzen an!)





(A) )


(B) )


Bei dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten, geht
es um eine Änderung der Strukturen. Wir wollen we-
der den großen Befähigungsnachweis abschaffen,


(Zuruf von der SPD: Genau!)

noch haben wir vor – das wird gelegentlich behauptet –,
einem der wichtigsten Bereiche unserer Wirtschaft, näm-
lich dem Handwerk, den Garaus zu machen.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Natürlich wollen Sie das!)


Solche Behauptungen entbehren jeder Grundlage; sie
sind Unsinn. Das Gegenteil ist richtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wer sich die Situation einigermaßen unbefangen an-
sieht, der erkennt, dass das Handwerk große strukturelle
Probleme hat. Damit es in seinen Grundstrukturen erhal-
ten bleiben und vor den heutigen und künftigen Heraus-
forderungen bestehen kann, muss es Veränderungen ge-
ben.

Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der
Union, haben ein Konzept mit dem Titel „Handwerk
mit Zukunft“ vorgelegt. Mit dem Titel stimmen wir
überein. Um dieses Ziel aber zu erreichen, bedarf es ziel-
führender Reformen. Ihr Zwölfpunkteplan ist dagegen in
Teilbereichen, zum Beispiel bei den Kriterien für den
Vorbehaltsbereich, unpräzise und rechtlich bedenklich.
Es handelt sich aus meiner Sicht insgesamt eher um ein
Dokument des Stillstandes – um nicht zu sagen: der
Rückwärtsgewandtheit – und sicher nicht um ein Kon-
zept für Modernisierung, die Zukunft hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Seminar für Handwerkswesen der Universität
Göttingen, eines unserer Handwerksinstitute, hat kürz-
lich in einer Studie – lassen Sie mich das deutlich sagen –
beim Vollhandwerk einen Rückgang der Zahl der Be-
triebe von über 100 000 bis zum Jahr 2010 prognosti-
ziert, und zwar auf der Grundlage des heute geltenden
Handwerksrechts. Es ist uns wie Ihnen doch klar, was
das für die Beschäftigung und für die Ausbildung im
Handwerk praktisch bedeuten würde. Deshalb meine
ich: Es sollte klar sein, dass wir dem nicht tatenlos zuse-
hen können und keine Beschlüsse fassen können, die den
Status quo festschreiben. Wir brauchen weit reichende
Änderungen, wie wir sie jetzt vorschlagen.

Meine Damen und Herren, weil es immer wieder in
den Hintergrund gedrängt wird, will ich noch einmal be-
tonen: Auch mit diesen Reformen, die wir vorschlagen,

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(C (D leibt der Meisterbrief als Qualitätssiegel bestehen, und war sowohl in den Vorbehaltsbereichen der Anlage A er Handwerksordnung als auch in den nunmehr freien ätigkeitsfeldern der Anlage B. Der Meisterbrief steht für ualität. Er steht für Zuverlässigkeit und Können. Daran ill selbstverständlich niemand etwas ändern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Das ist doch Zynismus!)


Der Meisterbrief bleibt Bestandteil und Ausdruck un-
eres bewährten Systems der beruflichen Aus- und Fort-
ildung. Aber wir kommen auch in der Aus- und Fortbil-
ung nicht umhin, die Dinge zu modernisieren und den
euen Erfordernissen zugunsten von mehr Wachstum
nd Innovation und für mehr Beschäftigung und Ausbil-
ung anzupassen.
Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Ich habe bereits

esagt, dass die Umsätze, die Betriebszahlen sowie die
ahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze unentwegt zu-
ückgehen. Seit 1995 befindet sich das Handwerk in ei-
er strukturellen Krise.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das liegt doch nicht an den Handwerkern! – Dirk Niebel [FDP]: Das liegt an Ihrer Politik!)


as bedeutet sieben Jahre Schrumpfung. Das sind sieben
ahre zu viel.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Das ist im Einzelhandel noch viel schlimmer!)


eshalb müssen wir reagieren, und zwar strukturell,
ämlich mit den vorgeschlagenen Änderungen im Hand-
erksrecht.
Die Entwicklung der Gesamtwirtschaft in den letz-

en Jahren gibt den Rahmen dafür vor, was möglich ist,
enn das Angebot flexibler wird, wenn Existenzgrün-
ungen erleichtert werden, wenn das Handwerk gewer-
eübergreifend tätig sein kann und wenn neue Tätig-
eitsbereiche ohne berufliche Restriktionen akquiriert
erden können.
Meine Damen und Herren und insbesondere meine
olleginnen und Kollegen von der Opposition, ich emp-
ehle Ihnen einen vertiefenden Blick in eine Studie des
ieler Instituts für Weltwirtschaft. Es ist wirklich in-
eressant, sich diese durchzulesen. Sie ist vor zwei Wo-
hen unter dem Titel „Die Reform der Handwerksord-
ung: ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung“
rschienen. In dieser Studie des Kieler Instituts wird der
nteressante Versuch unternommen, wichtige zu erwar-
ende Auswirkungen unserer Gesetzentwürfe vorherzu-
agen. Ich empfinde die Lektüre jedenfalls als ziemlich
ufschlussreich.
Ich will nur darauf hinweisen, dass das Kieler Institut

ür Weltwirtschaft unsere Novellierung befürwortet. Es
estätigt unsere ökonomische Argumentation mit Blick
uf ein mögliches Anwachsen der Betriebszahlen. Wir






(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement
werden mehr Betriebe, mehr Beschäftigung und auch
mehr Handwerksleistungen am Markt haben.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist eine Fata Morgana, Herr Minister! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was Sie schon alles versprochen haben! – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Hören Sie zu, Herr Kauder!)


– Das steht alles in dem Bericht des Kieler Instituts. Ich
habe nichts versprochen. Dem Kieler Institut werden Sie
doch glauben, Herr Kollege. Ich würde es Ihnen jeden-
falls empfehlen.

Wir werden sinkende Handwerkspreise haben. Vor al-
len Dingen ist ein Rückgang der Schwarzarbeit zu er-
warten und darauf kommt es an.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Werner Wittlich [CDU/ CSU]: Genau das Gegenteil!)


All das ist genau das, was das Handwerk in unserem
Land dringend braucht. Genau das wollen wir und wer-
den wir erreichen. Lesen Sie nach, was das Kieler Insti-
tut ermittelt hat!

Meine Damen und Herren, um es klar zu sagen: Der
Staat kann strenge Berufszugangsregelungen wie das
Handwerksrecht nur bei einem übergeordneten öffentli-
chen Interesse vorsehen. Das ist zum Beispiel dann ge-
geben, wenn durch mangelnde Produktsicherheit eine
Gefahr für Leben und Gesundheit entstehen kann. Aus
diesem Grunde haben wir die Anlage A auf gefahrge-
neigte Handwerke beschränkt. Die zukünftig zulas-
sungsfreien Handwerke wollen wir demgegenüber in
Anlage B der Handwerksordnung aufführen. So bleibt
zwar nur ein Drittel der Gewerke in der Anlage A, aber
– das kann niemand übersehen – das entspricht knapp
zwei Dritteln – immerhin 62 Prozent – aller Handwerks-
betriebe in unserem Land. Das muss man sich auch an-
gesichts mancher Diskussionsbeiträge, die gelegentlich
zu hören sind, vergegenwärtigen.


(Beifall der Abg. Doris Barnett [SPD])

Auch für die Gewerke, die künftig in die Anlage B

wandern, bleibt das Qualitätssiegel des Meisterbriefs
erhalten. Für den Berufsnachwuchs bleibt die Meister-
prüfung eine wichtige und besondere Qualifikation, al-
lerdings nunmehr auf freiwilliger Basis. Ich bin zutiefst
überzeugt, dass der Meisterbrief ein Qualitätssiegel
bleibt und die Meister von der Konkurrenz abhebt. Wir
werden sehen, dass viele Kunden sich weiterhin für
Meisterbetriebe entscheiden werden, allerdings freiwil-
lig und nicht weil der Staat sie dazu zwingt.

Auch bei den gefahrgeneigten Gewerken des Hand-
werks in der Anlage A müssen die Marktzutrittsbar-
rieren verhältnismäßig sein. Dazu gehört, dass die Meis-
terprüfung zukünftig zeitnah nach der abgeschlossenen
Berufsausbildung, das heißt nach der Gesellenprüfung,
möglich werden muss. Es ist eine Tatsache, dass über-
proportional viele erfolgreiche Existenzgründungen in
der gewerblichen Wirtschaft außerhalb des Handwerks
gerade von ganz jungen Menschen erfolgen. Diese
Chancen müssen auch die Jungmeister bekommen.

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(C (D Gesellen mit jahrelanger Berufserfahrung bringen in er Regel ebenfalls die erforderliche Qualifikation für inen verantwortungsbewussten Umgang mit der Techik und dem Material mit. Ich denke, drei bis vier Jahre usbildung, eine Gesellenprüfung und zehn Jahre Beufserfahrung – davon fünf Jahre in herausgehobener, erantwortlicher oder leitender Stellung – sollten als achweis genügen. Durch diese Neuerung entsteht zuätzliches Potenzial für Existenzgründungen im Handerk. Wir wollen das Inhaberprinzip aufheben. Damit ird es auch für Personenunternehmen nicht mehr erforerlich sein, dass der Inhaber oder die Inhaberin selbst ie handwerkliche Befähigung besitzt. Damit wird die isherige, nicht gerechtfertigte Privilegierung von Kapialgesellschaften gegenüber Personengesellschaften und inzelunternehmen abgeschafft. Mit all diesen Maßnahmen erleichtern wir Existenz ründungen und Betriebsübernahmen. Nach Schätungen gibt es in den nächsten zehn Jahren 80 000 bis 20 000 wirtschaftlich sinnvolle Betriebsübergaben im erzeitigen Vollhandwerk. Wem sollen die Betriebe anesichts der drastisch zurückgehenden Jungmeisterzahen eigentlich übergeben werden? Ich habe kürzlich in üsseldorf an einer Jungmeisterfeier und an einer wunerbaren Diskussion teilgenommen. Dort gab es den seit 0 Jahren absolut kleinsten Jungmeisterjahrgang; dies ist n vielen anderen Bereichen unseres Landes genauso. as hat Ursachen. Diesen Ursachen müssen wir nicht ur nachgehen, sondern wir müssen diese Ursachen berwinden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das liegt an dieser Regierung! Sie sind das Problem! – Werner Wittlich [CDU/CSU]: Wären Sie doch in Düsseldorf geblieben!)


Herr Kollege, machen Sie sich nicht lächerlich.
Wir geben dem Handwerk nach einer langen Phase

es Rückgangs eine neue Chance für die Zukunft, weil
ir Gründungen erleichtern, notwendige Impulse für
ehr Beschäftigung und Ausbildung schaffen, die Inno-
ationsfähigkeit erhöhen, das Dienstleistungspotenzial
rweitern und weil wir – nicht zuletzt, sondern zualler-
rst – einen Beitrag zum Abbau der Schwarzarbeit leis-
en.
Auch die Ausbildungsleistung des Handwerks wird
eder bei der Zahl der Auszubildenden noch in der
reite der Ausbildung beeinträchtigt. In den Gewerken
er Anlage A werden wie bisher die Meister die prakti-
che Ausbildung durchführen. In den Unternehmen der
nlage B werden viele freiwillig ihren Meister machen.
ür Ausbilder in Nichtmeisterbetrieben wird die gleiche
ersönliche und fachliche Eignung nach dem Berufsbil-
ungsgesetz verlangt wie in der übrigen gewerblichen
irtschaft. Das sollte niemand übersehen. Es wird auch
iemand ernsthaft behaupten wollen, dass die Ausbil-
ungsqualität im Handwerk aufgrund seiner Vorbehalts-
ereiche besser sei als die Berufsausbildung in der






(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement
übrigen gewerblichen Wirtschaft. Dort werden immerhin
zwei Drittel aller Lehrlinge in Deutschland ausgebildet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gibt ja zurzeit viele Diskussionen und Beiträge
darüber, die oftmals von vielen Emotionen getragen
sind. Ich habe mit dem Handwerk viele Gespräche ge-
führt, übrigens auch mit der Spitze des Handwerksver-
bandes. Leider waren diese nicht von Erfolg, das heißt
von einer Einigung, gekrönt. Deshalb sage ich hier klar:
Ich sehe nicht, dass die Motivation des Handwerks, wei-
ter auszubilden – wie es oft behauptet wird –, zurückge-
hen wird.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Doch! Sie geht zurück!)


Dagegen stehen schon rein ökonomische Interessen,
Herr Kollege. Der Auszubildende beginnt sich – wie wir
alle wissen – bereits nach dem zweiten Ausbildungsjahr
– wie man so schön sagt – zu rentieren. Das Verhältnis
von Kosten und Nutzen ist im Handwerk viel besser und
schneller spürbar als in Industrie und Handel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ausbildung kostet Geld!)


– Die Beiträge vonseiten der Liberalen finde ich beson-
ders beeindruckend, weil Sie sonst immer gegen Regu-
lierung und für Freiheit und Spielräume im Handwerk
eintreten. Wenn Sie jetzt als die Verteidiger der letzten
Regularien auftreten, ist das wirklich nicht sehr überzeu-
gend.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505400100


Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit:

Aber mit großem Vergnügen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505400200


Bitte schön.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1505400300

Herr Minister Clement, mit meinem Zwischenruf

wollte ich darauf hinweisen, dass Ihre Behauptung, dass
man mit Ausbildung im Handwerk Geld verdienen
könnte, einfach falsch ist. Es ist vielmehr so, dass Aus-
bildung Geld kostet. Von daher ist es anerkennenswert
und eine besondere Leistung, dass das Handwerk in
Deutschland über den eigenen Bedarf hinaus ausbildet.
Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen und anzuer-
kennen?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft nd Arbeit: Ich bin nicht erst jetzt bereit, das zur Kenntnis zu nehen und anzuerkennen, sondern ich tue das schon ziemich lange. Ich bin Ihnen für diesen Hinweis aber sehr ankbar; er ist richtig. Setzen! (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na ja, Herr Minister, ich setze mich. Aber mit der Note sehr gut! – Dirk Niebel [FDP]: Eine solche Oberschlaumeierei der Sozialdemokraten ist unerträglich! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Unverschämt! So können Sie mit uns nicht umgehen!)


Jeder Handwerker weiß, dass der Berufsnachwuchs
ür die Zukunft des eigenen Betriebes unerlässlich ist.
lle wissen es: Die Auszubildenden von heute sind die
achkräfte von morgen. Die Handwerksbetriebe schät-
en natürlich ihren talentierten Nachwuchs und sie ken-
en seinen Wert.
Meine Damen und Herren, wir debattieren heute auch

ber eine bedeutsame Klarstellung im Handwerksrecht, näm-
ch über das Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung
nd zur Förderung von Kleinunternehmen. Dabei geht es
uch um die Erleichterung von Existenzgründungen. Wir
ollen die Möglichkeit zur Existenzgründung auch für
rbeitslose Männer und Frauen erleichtern. Mit dem
weiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Ar-
eitsmarkt wurden dafür bereits neue Anreize geschaf-
en.
Schon jetzt zeigt sich – darauf habe ich bereits gestern

ingewiesen –, dass viele diese Chance durch die Ich-
G oder das Überbrückungsgeld ergreifen. In diesem
ahr haben bereits etwa 100 000 Menschen den Weg aus
er Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit gewählt. Ich
abe gestern darzustellen versucht, dass dieser Weg für
iele mit Erfolgsaussichten verbunden ist.


(Dirk Niebel [FDP]: Für die Masse – zwei Drittel – aber nicht!)


eshalb kann ich nur dazu ermutigen, diesen zu wählen.
Mit dem Kleinunternehmerförderungsgesetz wer-

en außerdem die Steuer- und Buchführungsvorschriften
erade für Existenzgründer erleichtert. In diesem Zu-
ammenhang steht auch der Gesetzentwurf, der Ihnen
orliegt. Eine Klarstellung besagt, dass so genannte ein-
ache Tätigkeiten außerhalb der Handwerksordnung und
es Vorbehaltsbereichs von Handwerken mit Meister-
flicht stehen. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
er in Deutschland warten darauf, dass einfache Tätig-
eiten, zum Beispiel bei den Hausmeisterdiensten, auch
on Dienstleistern wahrgenommen werden dürfen.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das geht doch heute schon!)


ei der hohen Arbeitslosigkeit in unserem Land wäre es
icht hinnehmbar, dass unternehmerische Initiativen und
ngagements untersagt, eingeengt oder gar verhindert






(A) )



(B) )


Bundesminister Wolfgang Clement
werden. Im Gegenteil: Wir müssen dazu anregen und
motivieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um auch klar anzusprechen, wie es in der Praxis aus-
sieht, wenn Existenzgründer den Schritt in die Selbststän-
digkeit wagen und eine Nischentätigkeit zur tragenden
Geschäftsidee für eine gewerbliche Tätigkeit machen
wollen: Handwerkskammern und Behörden gehen heute
vielfach mit Abmahnverfahren und Betriebsschließun-
gen gegen Unternehmen vor, die nicht in die Handwerks-
rolle eingetragen sind und einfache Tätigkeiten ausüben.
Es werden Betriebe geschlossen, die teilweise schon zehn
bis 15 Jahre am Markt sind. Im wahrsten Sinne des Wor-
tes sind davon nicht nur Existenzgründer betroffen, son-
dern auch bestehende Unternehmen, die neue Tätigkeits-
felder akquirieren. Selbst Handwerksunternehmen, die
über das eigene Gewerk hinaus tätig werden, bleiben
nicht verschont. Wir müssen uns doch fragen, ob dies so
sein und bleiben kann. Kann es sein, dass wir arbeitswil-
lige Unternehmer daran hindern, bestehende Aufträge
auszuführen? Ich bin davon überzeugt, dass das sicher-
lich nicht sein kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir können und wir werden mit dem, was wir hier
vorlegen, einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der
Dienstleistungsgesellschaft tun; dieser Schritt muss sein.
Auch hier wird nicht an den Grundfesten des großen Be-
fähigungsnachweises gerüttelt. Er wird auch nicht zu-
gunsten von Teiltätigkeiten, die dem Vorbehaltsbereich
der Meister unterliegen, aufgebohrt, wie man es gele-
gentlich lesen kann. Das Gesetz beinhaltet keine Neure-
gelung, die wir gewissermaßen aus dem Hut zaubern. Es
enthält eine Klarstellung der bisherigen höchstrichterli-
chen Rechtsprechung, wonach einfache Tätigkeiten
nicht den Regelungen zum Handwerk unterliegen, son-
dern von jedem ausgeübt werden dürfen.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. April die-
ses Jahres in einer Handwerksangelegenheit entschie-
den, dass es keinem Handwerker zugemutet werden
kann, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfra-
gen gewissermaßen auf der Anklagebank erleben zu
müssen. Das kann ich nur dick unterstreichen. Deshalb
greifen wir das auf und sorgen wir für mehr Rechtsklar-
heit bei unberechtigten Vorwürfen bezüglich der
Schwarzarbeit.

Meine Damen und Herren, es geht hierbei um ganz
einfache handwerkliche Tätigkeiten, die binnen eines
Vierteljahres erlernt werden können, und auch darum,
dass wir die effektive Beachtung des Grundrechts der
Berufsfreiheit nach Art. 12 des Grundgesetzes gewähr-
leisten. Dazu gehören auch diese einfachen Tätigkeiten.
Ich wundere mich über manches, was dazu zu lesen und
zu hören ist, nicht zuletzt auch über das, was gestern im
Bundesrat dazu gesagt worden ist. Meines Erachtens ist
es völlig klar: Es muss endlich damit Schluss sein, dass
für einfache und einfachste Tätigkeiten in Deutschland
die Meisterprüfung deshalb verlangt wird, weil auch

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(C (D eisterbetriebe diese Tätigkeiten anbieten. Das kann icht richtig sein. Das müsste eigentlich jeder begreifen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jeder Selbstständige fängt einmal klein an. Wir soll-
en nicht die Motivation des Einzelnen unterschätzen.
ie Existenzgründerinnen und Existenzgründer streben
ach Gewinn und mehr Umsatz. Daraus entstehen mehr
rbeits- und Ausbildungsplätze. Genau das wollen und
rauchen wir in Deutschland. Deshalb ist diese Reform
es Handwerksrechts notwendig. Es ist eben nicht mehr
ur mit oberflächlichen Korrekturen und ein paar Verän-
erungen bei Anlage A und Anlage B getan. Wir müssen
chon an die Substanz dessen gehen, was heute gilt. Dies
ilt übrigens nicht nur für das Handwerk, sondern für
iele Berufsstände.
Viele Berufsstände bei uns haben sich Schutzmauern

erschafft, die für sie selbst ein Vorteil sein können, die
ber verhindern, dass andere von außen in diese Berufs-
tände hinein können: durch die Gründung eines kleinen
nternehmens, um aus der Arbeitslosigkeit herauszu-
ommen, also von unten, oder durch Unternehmer aus
en Nachbarstaaten, die sich hier in Deutschland eine
xistenz aufbauen wollen, also von der Seite. Dies ist
ann möglich, wenn sie fünf bis sechs Jahre gemäß den
ort geltenden Regelungen gearbeitet haben. Wer in Hol-
and, Belgien, Frankreich oder anderen Staaten unter den
ortigen Rechtsbedingungen fünf bis sechs Jahre ein
andwerk betrieben hat, kann in Deutschland jederzeit
in Unternehmen aufbauen und hier praktizieren, und
war ohne die strengen Auflagen des Handwerksrechts
rfüllen zu müssen.
Deutsche Gesellen dürfen dies nicht. Es muss klar

ein, dass dies kein Weg in die Zukunft sein kann. Das
st auch in den meisten Ländern anders geregelt. Insbe-
ondere in den Grenzregionen unseres Staates findet
wischen den einzelnen Gewerken und Handwerken ein
ustausch unter unterschiedlichen rechtlichen Bedin-
ungen statt.
Daher haben wir meines Erachtens die Pflicht und

chuldigkeit, hier für die notwendigen Veränderungen
u sorgen. Die Vorschläge dazu liegen vor Ihnen auf dem
isch. Ich hoffe, dass wir uns nach einigen emotionalen
iskussionen über den richtigen Weg einigen. Er ist mit
iesem Entwurf vorgezeichnet.
Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505400400


Herr Minister, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass
n diesem Hause Minister und Abgeordnete gleichran-
ige Partner sind. Das sollte sich auch sprachlich nieder-
chlagen. Es ist jedenfalls kein Lehrer-Schüler-Verhält-
is.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse
Ich erteile nunmehr dem Kollegen Ernst Hinsken,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1505400500

Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und

Kollegen! Ich bedanke mich zunächst herzlich, Herr Prä-
sident, dass Sie dem Minister eine meisterliche Weisung
erteilt haben. Dies ist erforderlich, wenn man nicht weiß,
wie man sich zu verhalten und mit Kollegen umzugehen
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Jetzt kommt der Oberlehrer!)


Herr Minister Clement, es ist eine infame Behaup-
tung, uns zu unterstellen, dass wir am Status quo festhal-
ten wollen.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber sicher!)


– Nein, ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen. Ich
werde nachdrücklich herauszuarbeiten versuchen,


(Klaus Brandner [SPD]: Versuchen können Sie es, aber es wird Ihnen nicht gelingen!)


wo unsere Schwerpunkte liegen. Wir wollen dem Hand-
werk Zukunftsperspektiven geben und es europatauglich
machen. Den Meistern muss die Möglichkeit eröffnet
werden – dazu sind auch viele bereit –, den Weg in die
Selbstständigkeit zu gehen.

Zunächst möchte ich die vielen anwesenden Hand-
werksmeister auf der Tribüne herzlich willkommen hei-
ßen. Ich bedanke mich dafür, dass Sie so zahlreich er-
schienen sind.


(Beifall)

Ihnen brennt dieses Thema auf den Nägeln. Sie sind
hierher gekommen, um zu erfahren, wie die einzelnen
Fraktionen das anstehende Problem bewältigen wollen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das Publikum sitzt hier unten, nicht da oben!)


Ich möchte mich gerade auch bei denen bedanken, die
auf Einladung der Fraktionsvorsitzenden der CDU, Frau
Angela Merkel, vor vier Wochen zu Tausenden an der
Zahl zu uns nach Berlin gekommen sind, um deutlich zu
machen, dass sie mit dem, was Sie hier vorhaben, nicht
einverstanden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Fensterrede!)


Das ist für mich das Zeichen eines lebendigen Hand-
werks. Eine Novelle, die mit heißer Nadel gestrickt wird,
wie das hier der Fall ist, wird nie zu einem vernünftigen
und guten Ergebnis führen. Das hat sich in der Vergan-
genheit immer gezeigt und wird sich auch in der Gegen-
wart bewahrheiten.

Es ist mir auch wichtig, darauf zu verweisen, dass of-
fenbar nicht alle Kolleginnen und Kollegen der SPD und
der Grünen der Meinung der Fraktionen der SPD und der
Grünen hier im Bundestag sind. Wie sonst könnte es

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(C (D ommen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag instimmig beschlossen hat, an der Meisterprüfung festalten zu wollen? (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das verstehe ich auch nicht!)


ehmen Sie sich ein Beispiel an den Kolleginnen und
ollegen im hohen Norden. Auch wenn nicht alles rich-
ig ist, was von dort kommt, aber da haben sie Recht.
nd wo sie Recht haben, sollen sie auch Recht behalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


eute beraten wir die Vorschläge der Bundesregierung
nd der Regierungsfraktionen zur Novellierung der
andwerksordnung, zum einen das Gesetz zu den Ich-
Gs, über das heute hier abschließend abgestimmt wer-
en soll, zum anderen die große Novelle zur Handwerks-
rdnung, die von der Bundesregierung eingebracht wird.
eide Gesetze müssen in einem engen Gesamtzusam-
enhang betrachtet werden. Ich stelle fest, dass dies
uch die Regierungsfraktionen so sehen, denn sonst wür-
en wir jetzt nicht innerhalb eines Tagesordnungspunk-
s darüber sprechen.
Man muss sehen, dass sich im Handwerk große Sorge

reit macht. Denn die Zielrichtung der Ich-AGs ist klar:
ewachsene mittelständische und handwerkliche Struk-
uren, die die Grundlage für das Wirtschaftswunder
udwig Erhards waren, sollen zerschlagen werden. Da-
egen werden wir mit aller Entschiedenheit kämpfen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn! Wie kann man so etwas erzählen!)


enn dies kommt einer Veränderung der Gesellschaft
leich. Anstatt mit vernünftigen Konzepten um die Zu-
timmung des Handwerks zu werben, soll es mit der
rechstange und dem Vorschlaghammer zerschlagen
erden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505400600


Kollege Hinsken, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Helias von der CDU/CSU-Fraktion?


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1505400700

Gerne, bitte schön.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Um die Ecke geht es jetzt! – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorbestellt! – Klaus Brandner [SPD]: So schlecht sind Ihre Argumente, dass Sie sich gegenseitig die Bälle zuspielen müssen!)



Siegfried Helias (CDU):
Rede ID: ID1505400800

Herr Kollege Hinsken, Sie haben den einstimmigen
eschluss des Landtages von Schleswig-Holstein er-
ähnt. Sind Sie mit mir der Meinung,


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sehr gut um die Ecke!)







(A) )



(B) )


Siegfried Helias
dass auch die schriftlich vorliegende Auffassung des Mi-
nisteriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes
Schleswig-Holstein richtig ist, dass der Entwurf eines
Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung
eine Fülle weiterer Probleme schafft, die Zweifel auslö-
sen, ob ein geordneter Vollzug überhaupt möglich sein
wird, und dass dieses Gesetz ohne eine grundlegende
Überarbeitung weder durchführbar noch zielführend ist?

Sind Sie außerdem mit mir der Meinung, dass dieser
Gesetzentwurf gesellschaftspolitisch verfehlt ist, den
Selbstständigen die Zukunft raubt, den Jugendlichen die
Perspektive nimmt und diese Regierung ihr Handwerk
nicht versteht?


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1505400900

Herr Kollege Helias, ich bedanke mich für diese

Frage,

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

und zwar deshalb, weil Sie verschiedene SPD-Institutio-
nen zum Beleg für die Bewahrheitung vieler Befürchtun-
gen herangezogen haben.


(Klaus Brandner [SPD]: Jetzt liest er die vorgeschriebene Antwort vor! Das ist ja blamabel!)


Deshalb müssen wir alle zusammen eine Konzeption er-
arbeiten, die die Grundlage für eine weitere Fortentwick-
lung des Handwerks im Hinblick auf ein gemeinsames
Europa und im Hinblick auf offene Grenzen bilden kann.
Ich kann die Befürchtungen, die in Ihrer Frage zum Aus-
druck kamen, voll und ganz teilen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das war jetzt stark!)


Unsere Devise lautet wie immer: Nicht gegen das Hand-
werk, sondern mit dem Handwerk wollen wir den mo-
dernen, dynamischen, zukunftstauglichen und europa-
festen Meister schaffen. Sie von Rot-Grün setzen die
Axt an der Wurzel des Handwerks an und höhlen das
Handwerksrecht aus. Das geht uns entschieden zu weit.

Sie sprechen momentan laufend von der
Agenda 2010. Das Handwerk braucht aber eine
Agenda 2003, damit der Aderlass bei den Betrieben,
Mitarbeitern und Ausbildungsplätzen endlich gestoppt
werden kann. Herr Bundesminister, Sie behaupten, mit
Ihrer Novelle werde das Existenzgründungsklima ver-
bessert. Ich sage Ihnen: Darum geht es in der Tat. Sie be-
treiben aber nur Augenwischerei und setzen mit Ihrer
überzogenen Novelle den Hebel falsch an. Sie wollen
den Leuten weismachen, dass das Handwerk schuld an
der Wirtschaftsmisere Deutschlands ist.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn!)


Sie machen damit die Opfer zu Tätern!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])


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(C (D as lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Denn die Ursahe ist an anderer Stelle zu suchen: Sie haben eine falche Wirtschaftspolitik betrieben, die dazu geführt hat, ass sich Handwerk und Mittelstand gegenwärtig in dieer schwierigen Situation befinden. Rot-Grün hat 1998 eine wahre Reformorgie begon en. Seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte 1998 at Rot-Grün alles unternommen, um dem Handwerk as Leben schwer zu machen. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das MeisterBAföG war doch das Gegenteil!)


ch nenne als Beispiele die Reform des Kündigungs-
chutzgesetzes, mit der der Schwellenwert von zehn auf
ünf Beschäftigte reduziert wurde, die Rücknahme der
nderung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das
esetz zur Bekämpfung der so genannten Scheinselbst-
tändigkeit, die Neuregelungen zum Abschluss befriste-
er Arbeitsverhältnisse oder die Ausweitung der betrieb-
ichen Mitbestimmung auf Kleinbetriebe.


(Zuruf von der SPD: Das hilft dem kleinen Mann!)


Eine wirkliche Veränderung des wirtschaftlichen Kli-
as ist aber nur dann möglich, wenn Sie von Rot-Grün
ndlich die notwendigen Strukturreformen in der Wirt-
chafts-, Arbeitsmarkt-, Finanz- und Sozialpolitik um-
etzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505401000


Kollege Hinsken, gestatten Sie eine weitere Zwi-
chenfrage des Kollegen Rossmann von der SPD-Frak-
ion?


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1505401100

Gerne.

Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1505401200

Herr Kollege Hinsken, wenn Sie schon feststellen,

ass alles schlecht gelaufen sei, könnten Sie dann auch
rläutern, wie Sie aus heutiger Sicht Ihre seinerzeit geäu-
erte positive Beurteilung des Meister-BAföGs als we-
entliche Förderung des Handwerks durch die jetzige
undesregierung bewerten?


(Michael Glos [CDU/CSU]: Setzen! Sechs!)



Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1505401300

Herr Kollege Rossmann, ich meine, dass gerade die
aßnahmen im Zusammenhang mit dem Meister-BAföG
in Schritt in die richtige Richtung waren. Wenn Sie uns
inen vernünftigen Vorschlag unterbreiten, unterstützen
ir Sie immer wieder gerne, damit solche Vorschläge
uch umgesetzt werden können. Das war beim Meister-
AföG so und das wird auch in Zukunft so bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])







(A) )



(B) )


Ernst Hinsken
Angesichts der notwendigen Veränderung des wirt-
schaftlichen Klimas halte ich die erwähnten Strukturre-
formen für den richtigen Weg, um der boomenden
Schwarzarbeit, die mit einem Finanzvolumen in Höhe
von 350 Milliarden Euro der größte prosperierende
Wirtschaftsbereich ist, das Wasser abzugraben. Denn es
ist nicht nachvollziehbar, dass ein Handwerker dem Auf-
traggeber für eine Arbeitsstunde viermal so viel berech-
nen muss wie jemand, der den Auftrag in Schwarzarbeit
ausführt.

Bei uns in Deutschland sind die Bruttolöhne zu hoch
und die Nettolöhne zu niedrig. Dabei müssen wir uns
alle an die eigene Nase fassen, unabhängig davon, auf
welcher Seite wir sitzen.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir doch!)


Wenn wir die bestehende Ordnung entkrusten würden,
könnten unzählige – vielleicht sogar einige Millionen –
Arbeitsplätze geschaffen werden. Ich meine aber, dass
das mit den Ich-AGs nicht möglich sein wird.

Herr Minister Clement, Sie vergessen offenbar, dass
derzeit 130 000 Meister sozusagen in Reserve stehen.
Wenn das Konzept der Ich-AGs so umgesetzt wird wie
vorgesehen, hätten sie ihre Meisterprüfung vergeblich
gemacht. Das geht doch nicht an!

Ich meine, dass die heutige Debatte – unabhängig da-
von, was uns von der Bundesregierung unterscheidet –
die Möglichkeit bietet, die Zukunftspotenziale des
Handwerks hervorzuheben. Denn für uns bedeutet das
Handwerk etwas Positives, während Sie es vielfach
schlechtreden.


(Zurufe von der SPD: Was? – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Wahrheit bleiben!)


Unser Handwerk steht für innovative Unternehmen und
kompetente Dienstleistungen. Es steht für Berufsvielfalt
und Ausbildungskompetenz,


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

Flexibilität, Innovation und Anpassungsfähigkeit. Wir
wollen, dass das Handwerk ein wichtiger wirtschafts-
und gesellschaftspolitischer Faktor bleibt, auch wenn
viele Mitbürger – wahrscheinlich weil sie sich schon ein-
mal über einen Handwerker geärgert haben – der Mei-
nung sind, man könnte auf alle Standards verzichten.

Das Handwerk ist unbestritten ein Faktor, den wir in
unserer Gesellschaft brauchen. In rund 580 000 Betrie-
ben arbeiten fast 5,3 Millionen Menschen. Mehr als
520 000 Lehrlinge erhalten in diesen Betrieben eine qua-
lifizierte Ausbildung. Damit sind nahezu 15 Prozent al-
ler Erwerbstätigen und circa 34 Prozent aller Lehrlinge
in Deutschland im Handwerk tätig.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Jetzt sagen Sie doch mal etwas dazu, was Sie wollen! Davon habe ich noch nichts gehört! Hören Sie doch auf, Ihre Rede vorzulesen!)



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(C (D Herr Kollege Lange, ich sage das deshalb, damit Sie ndlich kapieren, was sich hinter dem Handwerk verirgt. Das haben Sie nämlich noch nicht geschnallt, sonst ürden Sie sich nicht in dieser Weise äußern. Der Meister ist geradezu der Inbegriff der Selbststän igkeit. Etwa 80 Prozent der Handwerksbetriebe sind ersonenunternehmen. Das Handwerk sichert wie kein nderer Bereich der Wirtschaft Ausbildung und Beschäfgung in den Ballungszentren und in der Fläche. as Handwerk bietet Ausbildung und Qualifizierung nd es bereitet auf Existenzgründungen und Existenzbernahmen vor. Warum sind wir gegen den Gesetzentwurf von ot-Grün in der vorliegenden Fassung? Erstens. Wir wollen nicht, dass der große Befähi ungsnachweis, also die Meisterprüfung, praktisch werts gemacht wird. Die Meisterprüfung als Qualitätssieel ist uns etwas wert. Zweitens. Wir wollen nicht, dass die Ausbildungslo omotive Handwerk zum Stilltand gebracht und damit er Weiterbestand des dualen Systems gefährdet wird. Drittens. Wir wollen nicht, dass nicht mehr gewähristet ist, dass das Handwerk Qualitätsarbeit abliefert. Viertens. Wir wollen nicht, dass unsere Handwerks etriebe nicht mehr zu den stabilsten Betrieben gehören, ie es in Deutschland gibt. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Müller hat orgestern ausgeführt – lassen Sie sich das gesagt sein! –: Es ist nicht alles modern, was modern scheint.“ (Michael Glos [CDU/CSU]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie Recht er hat, wenn er das Handwerk in höchsten Tö-
en lobt und auf es setzt! Herr Minister Clement, Ihr
orgänger hat für das Handwerk mehr übrig gehabt als
ie.


(Beifall des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])

uch wenn ich nicht alles gut finde, was er gemacht hat:
a hat er Recht gehabt.
Zweifellos müssen in allernächster Zeit viele Pro-

leme bewältigt werden. Früher hing das Damokles-
chwert der Arbeitslosigkeit vor allem über den älteren
rbeitnehmern; mittlerweile sind immer mehr Jugendli-
he davon bedroht. Es wird aber noch schlimmer wer-
en, wenn Sie durch die Abschaffung des Meisterbrie-
es dem Handwerk, der Ausbildungslokomotive in
eutschland, den Boden unter den Füßen wegziehen.
ie Zahl der Betriebe mag kurzfristig steigen, weil ihre
ründung und Führung auch für Nichtmeister möglich
ird, Herr Minister Clement. Die Bestandsfestigkeit der
etriebe dürfte dagegen abnehmen, sodass unter dem






(A) )



(B) )


Ernst Hinsken
Strich zwar nichts gewonnen wird, aber möglicherweise
viele Existenzen zerstört werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Immerhin sind rund drei Viertel aller Meisterbetriebe
fünf Jahre nach der Existenzgründung noch am Markt,
während die Quote der übrigen Wirtschaft bei knapp
über der Hälfte liegt.


(Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen die Vo-

raussetzungen dafür schaffen, dass das deutsche Hand-
werk weiterhin die Reife hat, in der Champions League
zu spielen. Wenn unsere Vorschläge umgesetzt werden,
wird das Handwerk sein enormes Zukunftspotenzial nut-
zen können. Wir wollen es unseren Handwerksmeistern
ermöglichen, den Weg in ein erweitertes Europa zu ge-
hen. Herr Clement, das Handwerk kann sich mit Ihren so
genannten Reformen nicht weiter herumschlagen.

Das Handwerk will unseren Jugendlichen durch die
Bereitstellung von Ausbildungsplätzen eine Zukunft
bieten. Dem Handwerk ist für die millionenfachen Aus-
bildungsleistungen, die bisher erbracht worden sind, zu
danken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Zeit, in der es „Handwerk hat goldenen Boden“
hieß, ist vorbei. Aber entgegen allen Untergangsvoraus-
sagen, die im letzten Jahrhundert gemacht wurden, ist es
quicklebendig. Die Situation des Handwerks wäre noch
besser, wenn die Rahmenbedingungen stimmten. Das
Handwerk ist der Garant des dualen Ausbildungssys-
tems – des besten Ausbildungssytems der Welt. Überall
werden wir darum beneidet. Aus unserer Sicht ist es
fraglich, ob das nach der Verabschiedung dieses Geset-
zes noch so sein wird.

Ich begrüße es nachträglich, dass Bayern einen eige-
nen Gesetzesantrag zur Novellierung der Handwerksord-
nung in den Bundesrat einbringen wird.


(Klaus Brandner [SPD]: Sie selbst sind zu feige dazu und lassen es Bayern machen!)


Dies wird noch vor der Sommerpause geschehen. Die
CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ihre Absichten für
ein modernes und europafestes Handwerk in zwölf
Punkten festgelegt. Die wichtigsten sind dabei:

Wir sagen Nein zu dem von der Bundesregierung be-
absichtigten Kahlschlag der Meisterberufe. „Gefahren-
geneigtheit“ als einziges Kriterium ist uns zu wenig.
CDU/CSU haben für die Festlegung der Gewerbe in
Anlage A drei Kriterien aufgestellt: Ausbildungsleis-
tung, Gefahrengeneigtheit und Schutz wichtiger Ge-
meinschaftsgüter. Das ist der richtige Ansatz.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir lehnen die von Ihnen, Herr Clement, geplante

Sonderregelung strikt ab, wonach sich Altgesellen nach
zehnjähriger Berufserfahrung und fünfjähriger Tätigkeit
in herausgehobener, verantwortlicher oder leitender Stel-

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(C (D ung auch ohne Meisterbrief in der Anlage A der Handerksordnung selbstständig machen dürfen. Übrigens, Herr Minister, ich habe eine Frage an Sie: eine Enkelin ist jetzt sechs Jahre alt. Wenn sie acht ahre alt ist, werde ich sie zehn Jahre lang bei Volksfesen dauernd Autoskooter fahren lassen. Wenn sie 18 ird, bräuchte sie dann nach Ihren Vorschlägen keinen ührerschein mehr zu machen, da sie bereits zehn Jahre ahrpraxis vorweisen kann. (Hans-Werner Bertl [SPD]: So ein Quatsch! Herr Hinsken, Sie schaden dem Ansehen der Meister mit dem, was Sie hier erzählen! Peinlich! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist keine Meisterleistung, was Sie hier abliefern! – Weitere Zurufe von der SPD: Oh nein!)


st das richtig? – Ich habe dieses Beispiel genannt, weil
ch von einem Handwerksmeister diesbezüglich gefragt
orden bin. Ich habe ihm versprochen, dass ich die
rage gerne an Sie weitergeben werde.
Wir, die CDU/CSU, sind jedenfalls für Einzelfallent-

cheidung. Dabei muss der Betriebsinhaber etwas von
usbildung und Betriebsführung verstehen. Klar und
eutlich sagen wir deshalb Nein zur „Existenzgründung
ight“.
Wir wollen des Weiteren die Handwerksordnung

ffnen. Künftig soll zur Existenzgründung im Handwerk
uch die Qualifikation von Technikern, Ingenieuren und
ndustriemeistern berechtigen. Zudem soll die Meister-
rüfung die Tür zu einem Hochschulstudium öffnen. Wir
issen, dass dies alles in erster Linie von den Ländern
eregelt werden muss. Aber wir sollten das Ganze sei-
ens des Deutschen Bundestages positiv begleiten. Wir
ollen außerdem, dass als Voraussetzung für die Zulas-
ung zur Meisterprüfung keine Gesellenjahre mehr er-
orderlich sind. Wir wollen das Inhaberprinzip ändern
nd Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesell-
chaften nicht mehr benachteiligen. Als Meister sollte
an aber höchstens in zwei Betrieben fungieren können.
adurch verhindern wir einen Betriebsleitertourismus.
ine Reform der Kammern und deren Beitragswesen
ollen wir nicht innerhalb der Novellierung der Hand-
erksordnung, sondern in Abfolge vornehmen. Dabei
erden wir auch der Bürokratie nachhaltig zu Leibe rü-
ken.
Der heute zu verabschiedende Entwurf eines Gesetzes

ber die Ich-AGs muss, wie ich bereits gesagt habe, als
eil der Gesamtnovelle gesehen werden und dem Bun-
esrat zugeleitet werden. Der Zusammenhang kann nicht
estritten werden. Ich hoffe, dass das Ganze in einem
aket verabschiedet wird. Die Betätigungsfelder der so
enannten Ich-AGs müssen unserer Meinung nach auf
en Bereich der jetzigen Anlage B – handwerksähnlicher
ereich – beschränkt werden; denn wir wollen nicht,
ass ein Meister, der ausbildet, zu guter Letzt der
umme ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Ernst Hinsken
Eines muss bei der Novellierung der Handwerksord-
nung klar sein: Der Standort Deutschland braucht eine
hohe Qualifikation. Nur Unternehmen mit Qualität – das
sind nun einmal die Meisterbetriebe – können unser
Land wieder nach vorne bringen. Voraussetzung ist aber,
dass Sie von Rot-Grün das auch zulassen. Das Hand-
werk in Deutschland braucht mehr Arbeit und Aufträge,
mehr Meister statt Ich-AGler, verehrter Herr Bundesmi-
nister Clement.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie hieß es in der Vergangenheit immer – das gilt auch
für die Gegenwart –: „Lehrling ist jedermann. Geselle
ist, der was kann. Meister ist, der was ersann.“ Was für
den Arzt der Doktortitel ist, ist für Betriebsinhaber und
Handwerker der Meisterbrief. Wir meinen, dass dieses
Prädikat bestehen bleiben soll. Das wollte ich für die
CDU/CSU-Fraktion besonders einfordern; denn
Deutschland braucht weiter den Meister. Er ist schließ-
lich Fachmann, Kaufmann und Techniker in einer Per-
son.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP-
Fraktion, ich freue mich, dass uns in diesem Bereich fast
nichts trennt


(Heiterkeit bei der FDP)

und dass wir an einem Strang ziehen, um dem Meister
eine Zukunft zu geben. Ich hoffe, dass der Bundesrat in
der Lage sein wird, die Korrekturen vorzunehmen, die
vorgenommen werden müssen, um die Grundlagen für
einen modernen Meister für die nächsten Jahre und Jahr-
zehnte in einem freien und zusammenwachsenden Eu-
ropa zu schaffen.

Ich bin auch der festen Überzeugung, dass zumindest
auf einigen Seiten die Bereitschaft dazu vorhanden ist.
Herr Müntefering, Sie sind ja genauso wie wir oftmals in
Lernprozessen begriffen. Wenn Sie diesen Lernprozess ab-
geschlossen haben, dann ist die Hoffnung gegeben – das ist
mein letzter Satz –, dass Sie zur Einsicht kommen und
das, was Sie vorhaben, nicht umsetzen, sondern dem
Handwerk eine Zukunftsperspektive geben, die es drin-
gend braucht, um auch künftig tief und gut atmen zu
können.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505401400


Ich erteile dem Kollegen Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die
Grünen, das Wort.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505401500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Herr Hinsken, Ihre Lebkuchen haben mich bei
Gelegenheit schon überzeugt,


(Zuruf von der CDU/CSU: Meisterarbeit!)

aber Ihre Argumente noch nicht. Ich will Ihnen darstel-
len, warum.

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(C (D Wenn man über die Handwerksordnung redet, dann uss man über Grundsätze der Marktwirtschaft reen. Marktwirtschaftliche Systeme sind anderen desween überlegen, weil sie auf freiem Wettbewerb beruhen, uf freiem und uneingeschränktem Zugang der Markteilnehmer zum Markt, übrigens auch auf der Souveräniät der Verbraucher, auswählen zu können, bei wem sie rbeiten in Auftrag geben und bei wem nicht. Deswegen müssen wir als Staat dann, wenn wir Zu angsbeschränkungen zulassen, diese ganz besonders egründen. Wir müssen da sehr vorsichtig sein und überegen, ob sie nicht zu weit gehen, und sie bei Gelegeneit auch überprüfen. Genau dies tun wir. Ich will zwei Zitate von Personen anführen, auf die ie sonst hören, und zwar dazu, wie sie in Bezug auf die rdnungspolitik in unserer Marktwirtschaft die gegenärtige Handwerksordnung sehen. Professor Norbert erthold von der Universität Würzburg sagt: „Der Meisrbrief ist eine lupenreine Marktzutrittsbeschränkung.“ – anz klare Aussage also: Hier wird der Marktzutritt urch den Staat beschränkt und damit werden Wettbeerb und Marktwirtschaft eingeschränkt. Im Jahresgutchten 2002/03 des Sachverständigenrats – Zitate daraus alten Sie der Bundesregierung ja gern vor – heißt es: In einem wichtigen Teilbereich des Mittelstands, nämlich dem Handwerk, wird der Wettbewerb durch Zugangsbeschränkungen erschwert. as ist der Sachverhalt. Was die Bundesregierung hier macht – das ist ja alles uch im Rahmen der Agenda 2010 zu sehen –, ist nichts nderes als (Birgit Homburger [FDP]: Ein Ablenkungsmanöver!)


ie Überprüfung, in welchem Bereich diese Zugangsbe-
chränkung aufrechterhalten werden kann und in wel-
hem Bereich sie abgeschafft werden muss. Klare Ant-
ort: Bei gefahrengeneigten Berufen wird der
eisterbrief weiterhin obligatorisch sein. Überall sonst
ilt: Der Wettbewerb, die Kundensouveränität werden es
ichten, übrigens auch zugunsten des Handwerks. Ich
ürde mir an Ihrer Stelle nicht die Sorge machen, dass
utes Handwerk dabei untergehen wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505401600


Herr Kollege Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Türk?


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505401700

Ja, bitte.

Jürgen Türk (FDP):
Rede ID: ID1505401800

Herr Kollege Kuhn, Sie wollen durch die Novellierung

er Handwerksordnung Marktzutrittsbeschränkungen be-
eitigen und damit Arbeitsplätze schaffen. In dem Ziel
ind wir uns noch einig. Meinen Sie aber nicht auch, dass






(A) )



(B) )


Jürgen Türk
es daran liegt, dass wir zu wenig Aufträge haben – und
nicht, wie Sie sagen, zu viele Handwerksbetriebe – und
dass der Umfang der Bürokratie und die Höhe der Kos-
tenlast die eigentlichen Marktzutrittsbeschränkungen
sind?


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505401900

Es gibt vieles, was wir ändern müssen. Selbstver-

ständlich hat das Handwerk auch deswegen Probleme,
weil die Lohnnebenkosten zu hoch sind. Sie können im
Rahmen der Agenda 2010 und der Reformen bei Rente
und Gesundheit mitmachen und so mit dazu beitragen,
dass die Lohnnebenkosten sinken.


(Dirk Niebel [FDP]: Die Agenda wird nicht ganz ausreichen!)


Dann wird die Handwerkerstunde für die Verbraucherin-
nen und Verbraucher günstiger und wird es dem Hand-
werk besser gehen. Die ganze Veranstaltung, die wir
jetzt gerade durchführen, die Agenda 2010, hat den Sinn,
den Laden an verschiedenen Stellen aufzufrischen. Des-
wegen fordere ich Sie auf: Machen Sie bei der Kosten-
senkung mit,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben Jahre vertrödelt!)


machen Sie mit bei der Finanzierung des Vorziehens der
nächsten Steuerreformstufe! Dabei geht es nämlich auch
um die Personengesellschaften, um die mittelständi-
schen Betriebe: Wenn die Steuersätze für diese Betriebe
schneller sinken können, dann ist deren Bereitschaft, in
Investitionen einzusteigen, größer.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Machen Sie nicht den gleichen Fehler wie der Clement!)


Sie haben hier eine Verantwortung für das Gesamtpaket.
Ihre politische Vorgehensweise, Herr Hinsken, ist ja
ganz eindeutig: Bei den Vorhaben, die Ihnen recht sind,
machen Sie mit, aber sobald starke Lobbys wie Apothe-
ker- und Handwerksverbände auftreten, sagen Sie: Nein,
diese Vorhaben sind vom Teufel, die tragen wir nicht
mit. Das ist nicht in Ordnung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte jetzt einmal die zentralen Argumente für
die Änderung der Handwerksordnung, die wir vorhaben,
nennen:

Erstens. Wir sind für mehr Wettbewerb. Ich möchte
noch einmal festhalten: Wettbewerb ist das konstitutive
Element einer Marktwirtschaft. Wenn man feststellt,
dass es Elemente gibt, die den Wettbewerb untergraben
und verhindern, muss man sie beseitigen. So einfach ist
Marktwirtschaft. Ihr ganzes Gerede nützt da überhaupt
nichts.


(Dirk Niebel [FDP]: Sie sind ja ein Marktliberaler! Ein Radikaler! Sie Lambsdorff!)


Wir sind für sinkende Preise. Es ist ja bekannt, dass
funktionierender Wettbewerb – übrigens: Wettbewerb

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(C (D m Preise und Qualität – auch zu Preissenkungen führen ann. Bei den einfachen Tätigkeiten, deren Liberalisieung Sie so bekämpfen, findet gar kein Wettbewerb statt. ch sage es klipp und klar: Verbraucherinnen und Verraucher haben große Probleme, für viele einfache handerkliche Tätigkeiten einen Handwerksbetrieb zu finen, der sie zeitnah, schnell und unkompliziert ausführt. he Sie das bestreiten und die Handwerksbetriebe vereidigen, fragen Sie sich doch einmal, warum die vielen llroundfirmen, die einfache Tätigkeiten schnell und nkompliziert ausführen, so einen extremen Zulauf haen. Ich kann nur sagen: Da haben Teile des Handwerks ich betone: Teile – wirklich gepennt, was diesen Markt ngeht. Das werden wir verändern. Warum soll denn jemand, der eine Tapete anstreicht, nbedingt aus einem Meisterbetrieb kommen? Dafür ibt es kein vernünftiges Argument; es geht doch auch o. In diesem Zusammenhang möchte ich Ludwig Erard zitieren, der gesagt hat: Beim Wettbewerb kommt s darauf an, was den Verbrauchern nützt. Das ist der inn der Marktwirtschaft. Hierzu braucht man keine artelle oder sonstige Lobbys. Wir beschließen jetzt uner Gesetz; der sich daraus ergebende Wettbewerb wird u Preissenkungen und mehr Qualität führen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Der Meisterbetrieb zahlt Steuern und Sozialabgaben! Der andere nicht!)


Ihre Rede, Herr Hinsken, beinhaltete einen Wider-
pruch, auf den ich Sie hinweisen möchte: Wenn das
andwerk Arbeiten so qualifiziert und gut ausführt, wie
ie sagen – ich glaube übrigens, dass wir sehr gute
andwerker in der Bundesrepublik Deutschland haben,
ie etwas gelernt haben und ihren Job gut ausführen –,
ann braucht es doch den Wettbewerb nicht zu fürchten,
err Hinsken.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Es geht nicht um Wettbewerb! Es geht um unlauteren Wettbewerb!)


ie sagen: Schützt unser Handwerk! – Aber warum
enn, wenn Sie es gleichzeitig so loben? Das ist ein Wi-
erspruch in Ihrer Argumentation. Im Handwerk arbei-
en Hochqualifizierte. Die, die gut sind, werden Wettbe-
erb nicht zu fürchten haben. Ihre Argumentation ist
ngstlich und drückt eigentlich Misstrauen gegenüber
er Qualität des Handwerks aus. Ich bin fest davon über-
eugt, dass Sie diesen Punkt noch einmal überdenken
ollten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505402000


Kollege Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Hinsken?


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505402100

Bitte, Herr Hinsken.






(A) )



(B) )


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1505402200

Herr Kollege Kuhn, ist es Ihrer Meinung nach lauterer

Wettbewerb, wenn der Meisterbetrieb Sozialabgaben
und Steuern zu zahlen und die ganze Bürokratie zu tra-
gen hat, während der Inhaber einer so genannten Ich-AG
weder Steuern noch Sozialabgaben zu zahlen hat, büro-
kratisch nicht belastet ist usw. und zu guter Letzt noch
einen Zuschuss vom Staat bekommt, also subventioniert
wird? Ich kann Ihre Argumentation nicht nachvollzie-
hen. Für mich bricht hier eine Welt zusammen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505402300

Wir haben die Ich-AGs ja als Einstieg von Arbeitslo-

sen in die Erwerbsarbeit vorgesehen. Das Ziel der gan-
zen Maßnahme ist, dass sich aus diesen Ich-AGs nach
einer gewissen Zeit – Sie kennen die zeitlichen Be-
schränkungen – Betriebe entwickeln, die sich ohne jede
Unterstützung am Markt halten können.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie lösen ein Strohfeuer aus!)


Wir sehen am Markt einen Bedarf für einfache Tätigkei-
ten, der heute in der Regel durch Schwarzarbeit befrie-
digt wird. Wir haben mit diesem Gesetz eine Regelung
gemacht, mit der einfache Tätigkeiten leichter in die nor-
male und damit sozialversicherungspflichtige Erwerbs-
arbeit überführt werden. Genau das ist unser Ziel. Dabei
liegen wir ja nicht so weit auseinander. Nur, Sie haben
bisher kein Instrument genannt, wie man solche Tätig-
keiten aus dem Bereich der Schwarzarbeit herausholen
kann. Wir sind alle gespannt auf den Gesetzentwurf aus
Bayern. Ich bin ganz sicher, dass da dann die entspre-
chenden Regelungen enthalten sind.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Reguläre Arbeit billiger machen, dann läuft es!)


Ich komme jetzt zu meinem zweiten Punkt, Herr
Hinsken: Wir sind für Kundensouveränität. Die Ver-
braucherinnen und Verbraucher in Deutschland können
selber einen Betrieb für die handwerklichen Leistungen,
die sie erbracht haben wollen, aussuchen. Sie können in
Zukunft souverän entscheiden, ob sie jemanden haben
wollen, der das Verbrauchergütesiegel Meisterbrief hat,
oder ob sie einen Betrieb beauftragen, der es nicht hat.
Sie werden es in der Qualität beurteilen. Sie werden es
im Preis beurteilen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wie die
Union als eine Partei, die sagt, sie sei für Marktwirt-
schaft, auf den Gedanken kommt, dies verhindern zu
wollen, kann ich bis heute nicht nachvollziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir wollen mehr Existenzgründungen. Wir wollen
mehr Arbeitsplätze schaffen. Und wir wollen mit dem,
was heute zu beraten ist, einen Beitrag zur Bekämpfung
der Schwarzarbeit leisten. Schwarzarbeit hat viele Ur-
sachen. Eine davon sind die hohen Lohnnebenkosten;
ich glaube, da sind wir uns vom Grundsatz her einig.
Eine weitere Ursache dafür sind aber natürlich auch die
Zugangsbeschränkungen bei handwerklichen Berufen.

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(C (D ir wissen nicht genau, wie viele Leute in diesem Beeich in der Schwarzarbeit sind; es ist auch klar, dass das chwer zu erfahren ist. Aber es ist doch logisch, dass iele, die diesen langen Weg über die Meisterprüfung icht gehen wollen oder können, die Fähigkeiten, die sie aben, einfach auf dem Schwarzmarkt anbieten. Unser orhaben ist also ein weiterer Baustein zur Bekämpfung er Schwarzarbeit; so haben wir es auch bei den Miniobs im Haushaltsbereich gemacht. Wenn Sie sich die ache im Überblick vergegenwärtigen, dann erkennen ie, dass diese Regierung an vielen verschiedenen Stelen dagegen kämpft, dass sich die Schwarzarbeit weiter usbreitet. Mein nächstes Argument: Wir sind dagegen, dass In änder in der Bundesrepublik durch die Handwerksordung diskriminiert werden. Ich muss Ihnen ganz ehrlich agen: Zum Argument Europa ist Ihnen in diesem Zuammenhang bisher nichts Gescheites eingefallen. (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ihnen auch nicht!)


s geht doch nicht, dass jemand in Deutschland, wenn er
inen Handwerksbetrieb aufmachen will, Beschränkun-
en unterliegt, die für den Kollegen zum Beispiel aus
rankreich nicht gelten.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ändern Sie doch auch nicht!)


a muss man etwas tun.

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das tun wir doch! Da liegen wir doch in den Zielen gar nicht weit auseinander!)


eswegen ist unsere Reaktion vernünftig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich verstehe die ordnungspolitische Konzeption der
DU/CSU nicht. Ich will Ihnen noch einmal vergegen-
ärtigen, Frau Merkel, was Sie im Wahlkampf in Ihrem
ofortprogramm dargestellt haben. Dort heißt es:

Schritt für Schritt werden wir die notwendigen Re-
formen einleiten, den überbürokratisierten Arbeits-
markt entriegeln …

ch sage klipp und klar: Wenn Sie den Arbeitsmarkt ent-
iegeln wollen, dann ist es doch nicht damit getan, die
ugangsbeschränkungen in der Handwerksordnung, die
icht notwendig sind, hier im Bundestag zu verteidigen.
ielmehr müssen Sie einen substanziellen Vorschlag
achen, wie man entriegeln und entbürokratisieren soll.
rau Merkel, mit „neuer sozialer Marktwirtschaft“ hat
ie Verriegelung des Arbeitsmarktes und haben Zu-
angsbeschränkungen überhaupt nichts zu tun. Dieses
onzept, das Sie in der Öffentlichkeit immer darstellen,
önnen Sie vergessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Auf einen Widerspruch möchte ich die Union hinwei-
en. Sie sagen: Um die Anzahl der Gewerke in der
nlage A der Handwerksordnung zu erhalten, sollte






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
nicht nur das Kriterium der Gefahrengeneigtheit, son-
dern sollten auch andere Kriterien herangezogen wer-
den, zum Beispiel die Ausbildungsintensität und der
Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter. Wenn Sie ernst
meinen, was Sie da sagen, dann müssen Sie viele der
Gewerke, die heute in der Anlage B sind, in die
Anlage A nehmen, weil sie sowohl viel ausbilden als
auch wichtige Gemeinschaftsgüter zur Verfügung stel-
len. Was die Union da will, ist: mehr aus der Rolle B in
die Rolle A. Damit würden Sie das Handwerk noch wei-
ter verriegeln. Ich glaube, Sie haben sich diese Ge-
schichte nicht konsequent überlegt. Nach dem, was Sie
uns hier erzählen, sind Sie für noch mehr Bürokratie und
noch mehr Zugangsbeschränkungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Herr Kuhn, Sie haben auch schon klügere Reden gehalten!)


Meine Fraktion unterstützt den Gesetzentwurf der
Bundesregierung, hat aber an zwei Stellen noch Anfra-
gen, Herr Minister. Wir werden im Verfahren im Bundes-
tag noch stärker darauf achten, ob wirklich alle Berufe,
die jetzt nach Ihrem Vorschlag in der Handwerksrolle A
stehen, in dem Sinne gefahrengeneigt sind, wie wir es in
unserer gemeinsamen Definition festgelegt haben. Ich
glaube, dass es eine ganze Reihe von Berufen gibt, die
noch in die Rolle B überführt werden können. Dafür wer-
den wir uns einsetzen, ebenso wie für die Beantwortung
der Frage, ob man eigentlich wirklich zehn Jahre braucht,
bis Gesellen in der Handwerksrolle A einen Betrieb über-
nehmen können, oder ob dies nicht in kürzerer Zeit geht.

Ich will noch zu einem weiteren Punkt etwas sagen,
nämlich zu dem Ausbildungsargument. Ein zentrales Ar-
gument der Union ist: Wer jetzt weniger Betriebe in der
Meisterpflicht hält, schadet der Ausbildung.


(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Stimmt doch!)


Ich kann Ihnen nur sagen: Die tatsächliche Entwicklung,
wie viele Betriebe wir von A nach B verschieben, gibt
Ihrem Argument nicht Recht.

Die entsprechenden Zahlen sind bekannt: Nach dem
Entwurf der Bundesregierung gibt es 455 000 Betriebe
mit Gewerben in der Anlage A und 214 000 Betriebe
mit Gewerben in der Anlage B. Aus diesen Zahlen kann
man Ihr Argument also nicht ableiten. Wir reden über
ein Drittel der Betriebe und ein Viertel der Auszubilden-
den.

Wenn man sich anschaut, dass die Ausbildungsleis-
tung des Handwerks zurückgegangen ist – das liegt
auch an der Krise, in der sich das Handwerk befindet;
das darf man dem Handwerk nicht vorwerfen –, dann
wird doch offensichtlich, dass der Bedarf des Hand-
werks an Jungmeistern – aus demographischen Gründen
wird dieser Bedarf ab 2005 noch größer sein als heute –
allein über die Regelungen der Handwerksordnung gar
nicht mehr bedient werden kann. Deswegen ist es völlig
absurd, wenn Sie noch mehr Betriebe von der Anlage B
in die Anlage A bringen wollen. Das können Sie letzten
Endes auch nicht durchsetzen.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Werner Wittlich [CDU/ CSU]:Thema völlig verfehlt!)


Es gibt noch ein weiteres Argument und dieses Argu-
ent ist perfide. Es wird nämlich behauptet, Betriebe,
ie nicht mehr meisterpflichtig sind und in denen nur
infache Tätigkeiten ausgeführt werden, würden nicht
ehr ausbilden.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Weniger!)

iese Behauptung ist empirisch nicht bewiesen. Sie wis-
en, dass in Betrieben der Anlage B sehr intensiv ausge-
ildet wird. Wenn Handwerksfunktionäre, wie in den
edien dargestellt, zum Teil jetzt davon sprechen, dass
ie nicht mehr ausbilden, wenn diese Novelle in Kraft
ritt, dann muss ich sagen: Das ist eine politische Erpres-
ung. Diejenigen, die so reden, sägen selber den Ast ab,
uf dem sie sitzen, weil qualifiziertes Handwerk auch
ualifizierte Ausbildung braucht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Werner Wittlich [CDU/ CSU]: Das müssen Sie gerade erzählen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505402400


Herr Kollege Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Michelbach?


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505402500

Ja, bitte.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1505402600

Herr Kollege Kuhn, ich frage Sie, ob Sie jemals in ei-

em Betrieb ausgebildet haben. Wahrscheinlich haben
ie das nicht getan. Für meinen Betrieb stelle ich jeden-
alls fest, dass es einen engen Zusammenhang zwischen
er Größe und der Leistungsfähigkeit eines Betriebs auf
er einen Seite und der Ausbildungsfähigkeit auf der an-
eren Seite gibt. Es gibt also einen Unterschied zu dem-
enigen, der als Einzelperson mit meinem Betrieb im
ettbewerb steht. Wenn Sie die Ich-AGs in dieser Form
eiter begünstigen, was für das Handwerk wettbewerbs-
erzerrend ist, dann wird diese Wettbewerbsverzerrung
elbstverständlich automatisch zu einer geringeren Aus-
ildungsleistung führen. Es handelt sich also sozusagen
icht um eine künstliche Geiselhaft, die Sie anprangern,
ondern es ist eindeutig die Folge Ihrer Politik und Ihres
esetzes. Diesen Punkt muss man ganz klar ins Auge
assen.


(Beifall des Abg. Werner Wittlich [CDU/CSU])



Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505402700

Lieber Herr Kollege, ich teile Ihr Argument über-

aupt nicht. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Es gibt
ein stichhaltiges Argument, warum sich die Größe ei-
es Betriebs, dessen Gewerbe heute in der Anlage A
ufgelistet wird und nach dem Vorschlag der Regierung
n die Anlage B wechseln soll, verändern soll. Das






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
Argument „Je kleiner der Betrieb ist, desto weniger wird
ausgebildet“ trifft nicht zu.

Noch eine Bemerkung zu den einfachen Tätigkeiten.
Wer sagt Ihnen denn, dass aus den Ich-AGs, die logi-
scherweise nur wenige Beschäftigte haben, durch den
Wettbewerb, den wir anstoßen, nicht eines Tages größere
Betriebe werden können? Es gibt kein stichhaltiges Ar-
gument dafür, dass das nicht möglich sein soll.

Sie wollen etwas anderes. Sie wollen diejenigen, die
keinen Meisterbrief haben, schon heute präventiv die
Bereitschaft und den Willen absprechen, auszubilden.
Das ist reine Ideologie. Dafür können Sie uns kein ver-
nünftiges Argument nennen. So können wir nicht ver-
fahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Schauen wir einmal ins Ausland – das soll gelegent-
lich helfen –, zum Beispiel nach Österreich.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Gerade Sie müssen nach Österreich schauen!)


Der Untergang eines Berufsstandes – das ist doch Ihr Ar-
gument – hat in den Ländern, die die Regelungen gelo-
ckert haben, nicht stattgefunden. Dort sind viele neue
Betriebe entstanden; dort ist das Handwerk nicht ruiniert
worden. Ein empirischer Blick auf die tatsächliche Situ-
ation in anderen Ländern würde Ihnen zeigen, dass es
gelegentlich klug ist, in Marktwirtschaften auch nach
50 Jahren – so lange geht die Diskussion schon –, zu
überprüfen, ob die ordnungspolitischen Instrumente
noch stimmen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505402800


Herr Kollege Kuhn, Sie können Ihre bereits abgelau-
fene Redezeit noch verlängern, indem Sie auf eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Schauerte eingehen.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505402900

Bitte schön, Herr Schauerte.

Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1505403000

Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Ich denke, die Aus-

bildungsdichte ist das zentrale Argument, um das wir
politisch ringen sollten. Deswegen lohnt es, sich im Rah-
men einer Frage damit noch einmal zu beschäftigen.

Können Sie nicht bestätigen, dass erstens das Hand-
werk, so wie es heute verfasst ist, 3,5-mal mehr ausbildet
als die übrige Wirtschaft


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es! Das ist richtig!)


und dass zweitens zum Beispiel der Handel oder die
freien Berufe bei 710 000 Existenzen 160 000 Auszubil-

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(C (D ende haben und das Handwerk bei 540 000 Existenzen twa 560 000? Können Sie, bezogen auf Arbeitsplätze nd Betriebszahlen, bestätigen, dass Handwerker, nach nlage B deutlich weniger ausbilden als die Handwerker ach Anlage A? Können Sie angesichts dessen, dass das o ist, nicht nachvollziehen, dass wir aufgrund der Situaion, dass wir schon jetzt 80 000 Ausbildungsplätze zu enig haben und möglicherweise eine psychologische erärgerung der Handwerksmeister, die so intensiv ausilden, hinzukommt, mit Ihrer rabiaten Vorgehensweise ie Zahl der fehlenden Ausbildungsplätze leicht um weiere 100 000 vergrößern können? Das ist unsere Sorge. Herr Schauerte, selbstverständlich gibt es unter uns ich bin dankbar für Ihre Frage – keinen Streit darüber, ass das Handwerk in Deutschland hervorragende Ausildungsleistungen erbracht hat und erbringt; das ist och nicht strittig. (Hans Michelbach [CDU/CSU]: Warum verärgern Sie die dann?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505403100

Das entscheidende Argument ist aber, dass die Zu-
angsbeschränkung, die wir heute haben, ein Wettbe-
erbshindernis ist und dass es kein systematisches Ar-
ument dafür gibt, warum Betriebe, deren Gewerbe
icht mehr in der Anlage A, sondern in Anlage B aufge-
istet sind, oder auch die neuen Betriebe der einfachen
ätigkeiten weniger ausbilden.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist faktisch so! – Dirk Niebel [FDP]: Es darf doch nicht jeder einstellen! Dann verliert er doch seinen Zuschuss!)


Ich will auf Ihre Frage eingehen. Sie haben Recht:
ie Ausbildungsdichte ist heute bei Betrieben nach
nlage A größer als bei solchen nach Anlage B. Den
rund dafür haben Sie aber unterschlagen. Der Grund
afür ist, dass Betriebe nach Anlage B gegenwärtig in
er Regel kleinere Betriebe sind. Das liegt am Zuschnitt
er Gewerbe. Angesichts der Tatsache, dass Gewerbe
on Anlage A in die Anlage B kommen, können Sie
och niemandem erzählen, dass diese Betriebe deswe-
en schrumpfen.
Ich will Ihre Frage zum Anlass nehmen, an die Demo-

raphie zu erinnern. Diese Diskussion ist ein wenig eine
espensterdiskussion. Ab 2005 werden die Jahrgänge,
ie die Schule verlassen, in ihrer Zahl schwächer. Das
eißt, wir werden überall das Problem bekommen, quali-
izierte junge Leute für die Ausbildung zu gewinnen.
as Beste, was wir tun können, ist, durch mehr Wettbe-
erb viele Betriebe neu auf den Markt zu bringen, so-
ass Ausbildungschancen für alle bestehen werden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Herr Schauerte, Sie haben die Frage angesprochen, ob
ie Betriebe nicht durch die Diskussion über diese Ver-
nderungen demotiviert werden. Dazu will ich Ihnen
lipp und klar sagen: So wie Sie die Diskussion führen,






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
kann das passieren. Denn Sie bringen die Handwerker
vor Ort – wir bekommen ja mit, was da vorgeht – zum
Teil gegen die Bundesregierung in Stellung – und das
nicht aus Leidenschaft in der Sache, sondern deswegen,
weil Sie sich erhoffen, daraus politisches Kapital schla-
gen zu können. Sie sind verantwortlich dafür, wenn De-
motivation entsteht. Sie glauben, Sie könnten die Leute
verrückt machen und aufhetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zum Abschluss möchte ich feststellen: Wenn wir eine
mutige, nach vorn gewandte Wirtschaftspolitik machen
wollen, kommt es sehr darauf an, dass wir uns den gut
organisierten Lobbys entgegenstellen.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Die IG Metall ist eine gut organisierte Lobby!)


Der CDU/CSU muss ich sagen: Sie zeigen immer mit
ausgestrecktem Finger auf die SPD und die Gewerk-
schaften. Sie jedoch sind in einem Lobbydenken gefan-
gen. Sie sind vor den Handwerksorganisationen in die
Knie gegangen und haben eine eigenständige wirt-
schaftspolitische und ordnungspolitische Konzeption
aufgegeben. Ich glaube, dass sich das rächt, auch wenn
Sie es geschafft haben, 1 000 Personen zu diesem
Thema hier zu versammeln. Wenn 1 000 Leute auf eine
Einladung von Frau Merkel kommen, dann ist das schon
ein besonderes Ereignis. Aber der zukünftigen wirt-
schaftlichen Entwicklung wird das nicht gut tun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505403200


Ich erteile dem Kollegen Dirk Niebel, FDP-Fraktion,
das Wort.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1505403300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Bundesarbeitsminister Clement hat heute
ebenso wie gestern den Zustand, in dem wir uns befin-
den, ganz richtig beschrieben. Das Handwerk hat
schwere strukturelle Probleme. Die Bundesrepublik
Deutschland und die deutsche Wirtschaft insgesamt ha-
ben Probleme. Wir haben seit der Wiedervereinigung die
höchste Arbeitslosigkeit, und das nicht nur in einem Mo-
nat, sondern drei Monate in Folge. Wir haben im letzten
Jahr seit der Wiedervereinigung die höchste Zahl an In-
solvenzen – übrigens noch die wenigsten im Handwerks-
bereich – in der Geschichte der Bundesrepublik gehabt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Leider wahr!)

Der Bundeswirtschaftsminister hat diesen Zustand völlig
richtig beschrieben.

Aber schuld daran ist doch nicht der Meisterbrief,
schuld daran ist die verkorkste Politik von Rot-Grün im
Bereich Wirtschaft, Arbeit und Finanzen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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(C (D Wir haben die Situation, dass ungefähr 14 Prozent aler Beschäftigten in Deutschland im Handwerk beschäfigt sind, aber 32 Prozent aller Auszubildenden im andwerk ausgebildet werden. Wenn jetzt die durchaus otwendige Modernisierung der Handwerksordnung in er Art und Weise, wie Sie das vorhaben, betrieben ird, dann werden diejenigen verprellt, die das Rückrat der Ausbildung und der Arbeitsplätze in Deutschand sind. Herr Clement, Sie haben bei den Verhandlungen über ie Ergebnisse der Hartz-Kommission im Vermittlungserfahren, als die Ich-AG herausgelöst worden ist, uns, ie wir in kleiner Runde zusammengesessen haben, verprochen, dass Sie gemeinsam mit der Opposition, dem undesrat und den Betroffenen beraten, wie die Handerksordnung modernisiert, zukunftsfähig und europaest gemacht wird. Dieses Versprechen haben Sie nicht ingehalten. s gab kein gemeinsames Gespräch mit der Opposition nd den Handwerksvertretern, es gab noch nicht einmal in Gesprächsangebot. Sie haben Ihr Versprechen chlichtweg gebrochen, haben eine Handwerksordungsnovelle mit der Herauslösung von 65 Berufen auf en Weg gebracht und sie den Handwerkern vors Hirn eknallt, ohne diejenigen, denen Sie es vorher fest zugeagt haben, daran zu beteiligen. enn das nicht zu Vertrauensverlust führt, dann möchte ch wissen, was die Politik sich sonst noch erlauben ann. Vor einiger Zeit war einer der größten Arbeitgeber die irma Wayss & Freytag. Heute ist der größte Arbeitgeer in Deutschland die Firma Schwarz & Samstag. Daan ist nicht das Handwerk schuld, daran ist schuld, dass ie Steuern und Abgaben zu hoch sind, dass die sozialen icherungssysteme überbordet sind, dass die Betriebe nd die Privaten zu wenig Geld in der Tasche haben, um nvestieren und konsumieren zu können, dass sie andere ege suchen, weil es sich in der Schattenwirtschaft und m Graubereich einfach mehr lohnt. Daran ist unter anerem Ihre Regierungspolitik schuld, eil Sie mit der Arbeitsmarktüberregulierung, die Sie in en ersten vier Jahren Ihrer Regierungszeit betrieben haen, den Menschen die Lust genommen haben, im reguären Arbeitsmarkt tätig zu werden. Wir haben mit der Ich-AG ein neues Instrument be ommen, eine weitere Pflanze im unüberschaubaren schungel der Förderinstrumentarien der Bundesanstalt ür Arbeit. Statt das vorhandene Instrumentarium zu tärken, zum Beispiel das Überbrückungsgeld, das Areitslose in die Selbstständigkeit führen soll und das auerordentlich gut angenommen wird, wie auch Sie richigerweise festgestellt haben, führen Sie ein neues Dirk Niebel Instrument ein, das im Endeffekt doch nur dazu führt, dass Einzelunternehmen gegründet werden, die nicht viel verdienen können, die auf jeden Fall niemanden einstellen dürfen, weil sie dann nämlich keine Ich-AG mehr sind, und die deswegen garantiert, von Gesetzes wegen, niemanden ausbilden. Das ist eindeutig der falsche Weg. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Michael Glos [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)





(A) )


(B) )


Wir brauchen eine Regierungspolitik, die die Men-
schen mitnimmt. Sie haben auch beim Handwerkertag
gesagt, Sie wollen die Novelle der Handwerksordnung
gemeinsam mit dem Handwerk auf den Weg bringen, da-
mit diejenigen, die sie hinterher auszubaden haben – in
diesem Fall muss man das so sagen –, damit leben kön-
nen.

Wir wissen doch, dass die Handwerksvertreter mitt-
lerweile einsehen, dass hinsichtlich der Handwerksord-
nung Modernisierungsbedarf besteht, der über die No-
velle von 1998 hinausgeht. Sie könnten die bestehende
Bereitschaft nutzen und die Menschen auf dem Weg zur
Schaffung von neuen Chancen und neuen Arbeitsplätzen
mitnehmen, statt sie so zu verprellen, wie das jetzt ge-
schieht.


(Beifall bei der FDP – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das wäre ja gute Politik!)


Die FDP hat schon bei der Beratung der kleinen
Novelle der Handwerksordnung Vorschläge für eine
große Novelle eingebracht, die heute nicht Thema sind,
aber in der Anhörung Thema sein werden. Wir haben
Vorschläge gemacht, wie das Handwerk zukunfts- und
europafest gestaltet werden kann. Ich denke, dass diese
Vorschläge, die mit vielen Handwerkerinnen und Hand-
werkern abgestimmt sind, zielführend sind, was die not-
wendigen Modernisierungsschritte betrifft, dass sie aber
nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und nicht ei-
nen der wichtigsten Wirtschaftszweige in der Bundesre-
publik Deutschland weiter schwächen.

Ich biete Ihnen an, auf diesem Wege zusammenzuar-
beiten. Nehmen Sie unsere Vorschläge an. Gestalten Sie
die Novelle nicht so, wie Sie es jetzt vorhaben. Werden
Sie erst einmal Lehrling,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gut!)

lernen Sie die Grundlagen des politischen Zusammenar-
beitens und werden Sie dann Geselle! Vom Meister sind
Sie noch ziemlich weit entfernt. Diese Regierung ist al-
lenfalls ein Meister des Dilettantismus.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Mein Gott!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505403400


Ich erteile das Wort Kollegen Klaus Brandner, SPD-
Fraktion.

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(C (D Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten amen und Herren! Neulich hat mich eine junge Frau ngerufen übrigens eine interessante Frau –, sie ist gelernte Frieuse und seit Monaten arbeitslos. Ihr Arbeitslosengeld at sie hier und da durch etwas Schwarzarbeit aufgebesert. Schwarzarbeit insgesamt findet sie aber nicht gut nd will gerne offiziell in ihrem Beruf arbeiten. Sie hatte on der Ich-AG gehört und vom Existenzgründungszuchuss des Arbeitsamtes. Darin sah sie die Chance, endich legal tätig werden zu können. Sie meldete sich beim rbeitsamt, gab ihren Berufswunsch an, sagte, dass sie ich selbstständig machen wolle und bekam die Antwort, ie solle zur Handwerkskammer gehen. Gesagt, getan. ei der Handwerkskammer hat man ihr gesagt, es täte hnen Leid, dass sie nichts für sie tun könnten, aber sie üsse in die Handwerksrolle eingetragen werden. Da sie eine Meisterprüfung habe, drohe ihr, wenn sie sich elbstständig mache, ein Bußgeld. Aus der Traum von er Selbstständigkeit, eine Chance vertan. Das muss man sich einmal vorstellen: Da will sich jeand aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig mahen und etwas riskieren. Wir aber sagen, das geht nicht, a Bestimmungen, Regulierungen, Bürokratie und Pararaphen das nicht zulassen. Diese würden wir in diesem ause bei nüchterner Betrachtung, wie ich glaube, alleamt als unsinnig ansehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1505403500

(Zurufe von der CDU/CSU und FDP: Oh!)


as haben Sie, meine Damen und Herren von der Oppo-
ition, eigentlich gegen Bürokratieabbau?


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Der große Reformer Brandner!)


ir wollen, dass dieser absurde Zustand in unserem
ande – er ist leider Realität – endlich beendet wird.
Wir reden hier nicht nur über Friseurinnen und Fri-

eure, wir reden auch über Fliesen- und Mosaikleger,
aler und Lackierer, Stuckateure, Parkettleger, Korbma-
her, Damen- und Herrenschneider, Schuhmacher, wir
eden über Gebäudereiniger, Fotografen und Buchbin-
er, ja wir reden über Geigenbauer und Bogenmacher.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Über Betriebsräte sollten wir reden! – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Über Gewerkschaftsfunktionäre müssen wir noch ein bisschen reden!)


as ist nur eine kleine Auswahl der Handwerke, die wir
etzt von alten Regelungen, wie dem großen Befähi-
ungsnachweis, befreien wollen, damit es mehr Selbst-
tändigkeit und mehr Möglichkeiten der Existenz in die-
em Lande gibt.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Herr Brandner als Modernisierer! – Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das Gegenteil wird der Fall sein!)







(A) )



(B) )


Klaus Brandner
Ich kann die Gesellen, die vielen arbeitslosen Hand-
werker und Techniker nur auffordern: Trauen Sie sich et-
was zu! Wir sorgen dafür, dass es ein zustimmungsfreies
Handwerk gibt, in dem Sie die Möglichkeit haben, eine
Existenz zu gründen.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Sorgen Sie dafür, dass die Unternehmen Arbeit haben!)


Versuchen Sie sich als Unternehmer! Wir sind bereit, Ih-
nen dabei zu helfen, Ihnen Unterstützung zukommen zu
lassen.

Wir wollen die Behinderungen, die mehr Existenz-
gründungen in diesem Lande verhindern, endlich ab-
schaffen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden dafür sorgen, dass sich in diesem Lande
viel mehr Menschen selbstständig machen können, als
das jetzt möglich ist. Wir werden dafür sorgen, dass die
Einschränkung der Berufsfreiheit und die Reglementie-
rung der Gewerbefreiheit auf das absolut notwendige
Maß begrenzt wird. Wir werden dafür sorgen, dass in der
Europäischen Union und vor allem auch hier in Deutsch-
land gleiche Wettbewerbsbedingungen auf den Hand-
werksmärkten geschaffen werden. Wir werden dafür sor-
gen, dass Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft drastisch
reduziert werden.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Sie werden dafür sorgen, dass das drastisch zunimmt! Keine Ahnung!)


Das ist ein ganz wichtiges Ziel unserer Handwerksnovel-
len.

Nichts wächst in unserer Volkswirtschaft so stetig und
so schnell wie der Bereich der Schwarzarbeit und der
Schattenwirtschaft.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Durch Ihre politischen Rahmenbedingungen!)


Auch wenn keine gesicherten Kenntnisse über Umfang
und Art der Schwarzarbeit vorliegen, weiß jeder, dass
insbesondere das Baugewerbe, der Gartenbau, das Ho-
tel- und Gaststättengewerbe und die haushaltsbezogenen
Dienstleistungen besonders davon betroffen sind.
Professor Schneider von der Universität Linz, dessen
Analysen in der Öffentlichkeit breite Resonanz finden,
hat ausgerechnet, dass allein im Baugewerbe und in den
Handwerksbetrieben die Schwarzarbeit eine Wertschöp-
fung von 133 Milliarden Euro ausmacht. Hunderttau-
sende, vielleicht sogar Millionen von Vollzeitschwarzar-
beitern sind in unserem Lande tätig.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Da sollen die Meister schuld sein?)


Wir wollen durch Veränderung der Handwerksordnung
mit dafür sorgen, dass es weniger Schwarzarbeit und
mehr legale Existenz in diesem Lande gibt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ e O „ F w s M d g t r n H d L t d H h w L s h M l s s A n H a d s k l g p n (C (D CSU]: Das Gegenteil wird der Fall sein! – Dirk Niebel [FDP]: So ein Quatsch!)


Wir wollen dafür sorgen, dass die Handwerksordnung
uropatauglich wird. Wir stärken die Berufsfreiheit. Die
pposition, die landein, landaus Tag für Tag das Wort
Freiheit“ im Munde führt, geht in diesem Punkt mit der
reiheit aber äußerst zwiespältig um. Von Berufsfreiheit
ollen Sie anscheinend nichts wissen. Sie gehen bei die-
em Thema zu einer einfachen Klientelpolitik zurück.


(Doris Barnett [SPD]: Richtig!)

eine Kollege Kuhn hat eben sehr deutlich gesagt, wie
as bei Ihnen bei den Arbeitnehmern aussieht. Die Ab-
eordneten der CDU/CSU und FDP sprechen Bürokra-
ieabbau in jeder Rede an. Kein Redebeitrag ohne Forde-
ung nach Bürokratieabbau. Dafür machen Sie sich
ormalerweise stark.


(Dirk Niebel [FDP]: Tun Sie doch etwas dafür!)


ier haben Sie die Möglichkeit, mitzuhelfen,

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Aber doch nicht bei jedem Blödsinn!)

urch Bürokratieabbau dafür zu sorgen, dass in diesem
and mehr Bewegung, mehr Flexibilität und mehr Exis-
enzmöglichkeiten entstehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Wir wollen Bürokratie abbauen, aber keine Anarchie!)


Sie haben scheinbar ein fast erotisches Verhältnis zu
em Wort „Deregulierung“. Sie rufen jeden Tag danach.
ier – nicht nur wenn es um Arbeitnehmerrechte geht –
aben Sie die Gelegenheit, dafür zu sorgen, dass die not-
endige Dynamik im wirtschaftlichen Prozess in diesem
ande eintritt. Meine Damen und Herren von der Oppo-
ition, es fehlt Ihnen an diesem Punkt wirklich an Wahr-
aftigkeit.
Wir stehen zum Meister. Wir haben nicht umsonst das
eister-BAföG deutlich verbessert. Wir stehen für Qua-

ifizierung in diesem Land. Wir wissen, dass die Men-
chen ohne gute Qualifizierung keine berufliche Per-
pektive haben. Deshalb sagen wir Ja zum Meisterbrief.
ber wir sagen Nein dazu, dass der Meisterbrief allei-
ige Voraussetzung für die Existenzgründung in vielen
andwerksbereichen sein soll. Das ist überholt und ver-
ltet. Deshalb werden wir die Reform durchführen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es doch nicht, Herr Brandner! Bleiben Sie doch sachlich!)


Meine Damen und Herren, mit der Verabschiedung
er kleinen Handwerksnovelle heute wird das erste Ge-
etzesvorhaben aus der Agenda 2010 ins Gesetzblatt
ommen. Es hat, wie wir wissen, bis zum Schluss erheb-
iches Sperrfeuer von allen Seiten gegen dieses Gesetz
egeben. Doch wer für einfache Tätigkeiten die Meister-
rüfung verlangt, hat den großen Befähigungsnachweis
icht verstanden, der verstößt gegen die Verfassung und






(A) )



(B) )


Klaus Brandner
gefährdet den großen Befähigungsnachweis. Dieser gilt
bekanntlich nur für das Handwerk prägende Tätigkeiten.
Da dies gerade nicht für einfache Tätigkeiten gilt,
gleichwohl in der behördlichen Praxis bei Kammern und
Gerichten seit der Entscheidung des Bundesverwal-
tungsgerichts von 1992 permanent dagegen verstoßen
wird, muss der Gesetzgeber diese Regelung klarstellen,
damit wir Rechtsklarheit in diesem Land haben. Das
sind wir jungen Existenzgründern schuldig.

Wir halten Kurs und werden uns nicht beirren lasen.

(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Voll mit dem Kopf durch die Wand! Da können Sie sich einmal die Hörner abstoßen!)


Wir haben unseren Fahrplan eingehalten. Meine Damen
und Herren von der Opposition, das wird auch so blei-
ben. Wir werden auch die große Handwerksnovelle zü-
gig beraten und beschließen. Da das Gesetzesvorhaben
diesmal zustimmungspflichtig ist, können Sie es zwar
verzögern; aber wir werden nicht um jeden Preis kom-
promissbereit sein. Wenn wir den Eindruck haben, dass
Sie kein wirkliches Interesse an einer sinnvollen Verän-
derung haben, dann werden wir es auch alleine machen.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Großer Märchenerzähler!)


Wir sind aber sachgerechten Vorschlägen zugeneigt.
Deshalb erwarten wir einen Kompromiss bei der großen
Novellierung der Handwerksordnung.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505403600


Ich erteile das Wort dem Kollegen Gunther
Krichbaum, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gunther Krichbaum (CDU):
Rede ID: ID1505403700

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Fakt ist, dass die Handwerksordnung modernisiert wer-
den muss. Dem stimmt auch das deutsche Handwerk zu.

In Zeiten eines zusammenwachsenden Europas mag
man sich die Frage stellen, ob es gerecht ist, dass Hand-
werker aus den EU-Nachbarländern hier ohne Meister-
brief tätig werden können, während von den deutschen
Handwerkern die Meisterprüfung verlangt wird. Vielfach
wird dies als eine unzulässige Inländerdiskriminierung
angesehen. Die Lösung kann nun doch aber nicht darin
liegen, dass man den Meisterbrief für viele traditionelle
Handwerksberufe – nämlich in 65 von insgesamt 94 Be-
rufsbildern – faktisch abschafft. Dies ist nicht nur fanta-
sielos, sondern auch in hohem Maße gefährlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Eine Reform ist nur so gut, wie sie die Menschen ab-
holt und mitnimmt. Springen die Menschen von diesem
Reformzug ab, dann mag dieser Zug vielleicht sein Ziel
erreichen, aber ohne Passagiere.

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(C (D Seit Jahrzehnten ist das Handwerk bei uns in eutschland ein solider Garant für die Ausbildung Hunerttausender junger Menschen, Jahr für Jahr. Fast 30 000 Lehrlinge erhalten zurzeit eine qualifizierte usbildung. Vor gerade einmal zwei Tagen, am Tag der usbildung, hat die Bundesregierung an Unternehmen nd damit auch an kleine und mittelständische Handerksbetriebe appelliert, mehr Lehrlinge einzustellen nd Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Den Handwerksbetrieben muss dies wie Hohn ge lungen haben. Sie haben ohnehin am meisten unter dem irtschaftlichen Stillstand in Deutschland zu leiden. usbleibende Aufträge haben viele Handwerksbetriebe n die Insolvenz getrieben, sodass hoch qualifizierte Areitskräfte auf der Straße stehen. Sofern Ihre Reform beabsichtigt, neue Arbeitsplätze u schaffen, geht sie am Ziel vorbei. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)

as Problem liegt doch nicht in der Anzahl fehlender
rbeitskräfte,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es! Sehr richtig!)


ondern in den viel zu hohen Lohnnebenkosten für die
orhandenen Arbeitskräfte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ommt es deshalb vor allem in grenznahen Regionen
ur Beauftragung eines Handwerkers aus einem EU-
achbarland, dann hat dies seine Ursache darin, dass
ieser seine Arbeitsleistung wegen geringerer Steuern
nd Lohnnebenkosten günstiger anbieten kann als sein
eutscher Kollege.
Diesen Umstand zum Anlass zu nehmen, den Meis-

erbrief und damit den qualitativen Standard insgesamt
nfrage zu stellen, ist neben der Sache. Nein, die von Ih-
en vorgeschlagene Reform löst das Problem nicht, sie
st Teil des Problems.


(Hubertus Heil [SPD]: Jetzt kommt Ihre Lösung!)


Welcher Handwerker fühlt sich denn unter den heuti-
en Umständen noch motiviert, zu investieren und sein
eschäft auszubauen? Nur wenn er für sich und seinen
etrieb eine Perspektive sieht, wird er Neueinstellungen
ornehmen und junge Leute ausbilden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie müssen endlich erkennen, dass es genau die von

hnen heute vorgeschlagenen Maßnahmen sind, die un-
erem Standortklima nicht nutzen, sondern schaden.
enn im Handwerk weniger ausgebildet wird, fehlen
eute die Lehrstellen, morgen die Meister und übermor-
en die Unternehmensnachfolger, die diese Betriebe mit
hren Angestellten weiterführen sollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) )



(B) )


Gunther Krichbaum
Ich spreche Ihnen nicht ab, dass Sie erkennen, was
sich gegenwärtig im Ausbildungssektor abzeichnet. Das
einzige, was Ihnen dabei jedoch als Lösung in den Sinn
kommt, ist eine Ausbildungsplatzabgabe als Zwangsab-
gabe, frei nach dem Motto: Und bist zu nicht willig, so
brauch’ ich Gewalt.

Nein, mit Ihrer Reform demotivieren Sie einen gan-
zen Berufsstand und nehmen damit im Ergebnis vielen
jungen Menschen die Perspektive eines soliden Ausbil-
dungsplatzes. Es ist schon auffällig, dass alle Ihre Maß-
nahmen unter dem Deckmäntelchen des Bürokratieab-
baus in Wirklichkeit auf die Handwerker und freien
Berufe abzielen. So sollen beispielsweise die Vergü-
tungssysteme der Architekten, Ingenieure, Rechtsan-
wälte und anderer zerschlagen werden. Damit schaden
Sie den Freiberuflern und Selbstständigen massiv. Lang-
sam gewinne ich aber auch den Eindruck, dass dies be-
absichtigt ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unser Reformvorschlag sichert den Meisterbrief als

Qualitätssiegel des deutschen Handwerks und ist damit
praktizierter Verbraucherschutz. So sind wir im Gegen-
satz zu Ihnen auf das Handwerk zugegangen und haben
gemeinsam mit dem Handwerk klare Linien entwickelt,
wie eine tragfähige Reform auszusehen hat.

Wenn eines der drei Kernelemente – Gefahrenge-
neigtheit, überdurchschnittliche Ausbildungsleistung
und Schutz wichtiger Gemeinschaftswerte wie Umwelt
und Gesundheit – verwirklicht ist, wollen wir auch, dass
es im Interesse aller beim obligatorischen Meisterbrief
bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Haus „Deutsches Handwerk“ werden Sie nicht

dadurch modernisieren, dass Sie es abreißen, die Funda-
mente herausnehmen und anschließend wieder neu hin-
stellen. Dieses Haus wird nicht lange stehen. Ziel einer
Reform muss es sein, eine beschäftigungsfördernde Poli-
tik einzuleiten, aber auch eine beschäftigungssichernde
Politik zu betreiben. Diesen Zielvorstellungen wird Ihr
Entwurf nicht gerecht.

Handwerk hat goldenen Boden – so war es in der Ver-
gangenheit. Wir von der Union wollen, dass es auch in
Zukunft dabei bleibt bzw. wieder so wird. Der Kurs von
Rot-Grün bedeutet den Konkurs für viele Handwerksbe-
triebe. Dabei werden wir von der Union nicht mitma-
chen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505403800


Herr Kollege Krichbaum, dies war Ihre erste Rede im
Deutschen Bundestag. Unsere herzliche Gratulation!


(Beifall)

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Christian

Lange, SPD-Fraktion.

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(C (D Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Lassen Sie mich zunächst einmal sagen, wo wir n den vielen Verhandlungen mit dem deutschen Handerk Einigkeit erzielt haben, um auch der Legende entegenzutreten, nach der keine Gespräche mit dem Handerk geführt worden seien: (Dirk Niebel [FDP]: Na, das haben wir nicht gesagt!)

Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1505403900

Aufhebung des Inhaberprinzips – Einigkeit mit dem
eutschen Handwerk; Wegfall der Gesellenjahre für die
ulassung zur Meisterprüfung – Einigkeit mit dem deut-
chen Handwerk;


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und mit der Union! – Dirk Niebel [FDP]: Und mit der FDP!)


egfall von Doppelprüfungen und Erleichterung für In-
enieure und staatlich geprüfte Techniker – Einigkeit
it dem deutschen Handwerk.


(Dirk Niebel [FDP]: Und mit der FDP! – Werner Wittlich [CDU/CSU]: Erzählen Sie doch nicht so einen Käse!)


ören Sie endlich mit der Legende auf, wir würden mit
em deutschen Handwerk nicht sprechen. Das Gegenteil
t der Fall.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Alles unstreitig! – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Was ist denn außer Gesprächen herausgekommen?)


Eine zweite Bemerkung. Ich bin erstaunt darüber, mit
elchen verdrehten Rollen wir hier argumentieren. Die-
enigen, die sich im Deutschen Bundestag für die Ge-
erbefreiheit einsetzen, die immerhin im Grundgesetz
nserer Bundesrepublik Deutschland steht und die
eutschland stark gemacht hat, müssen sich dafür recht-
ertigen, während diejenigen, die an Regulierungen fest-
alten wollen, glauben, sie könnten das per ordre du
ufti hier durchsetzen. So funktionieren das Grundge-
etz, die Bundesrepublik Deutschland und die soziale
arktwirtschaft nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Das ist ja Demagogie! Du weißt es doch viel besser!)


ie Handwerksordnung ist aus dem Jahre 1953 und sie
edarf der Veränderung, um die Eingriffe in die selbst-
tändige Berufsausübung rechtfertigen zu können.


(Dirk Niebel [FDP]: Unstreitig!)

Lassen Sie mich jetzt einige Beispiele nennen, anhand

eren man das beweisen kann. Während im Jahre 1970
och etwa 632 000 Unternehmer in der Anlage A regis-
riert waren, sind es heute trotz der deutschen Einheit nur
och etwa 560 000.


(Dirk Niebel [FDP]: Weil wir 1998 eine Novelle gemacht haben!)







(A) )



(B) )


Christian Lange (Backnang)

– Moment. – Vergleichen wir das einmal mit der Anlage B.
In der Anlage B waren 1970 nur 29 400 Unternehmen re-
gistriert. Heute verzeichnet diese Liste 176 270 Unterneh-
men.


(Dirk Niebel [FDP]: Weil wir 1998 eine Novelle gemacht haben!)


Dies entspricht einem durchschnittlichen Zuwachs von
6 Prozent. Das belegt, dass gerade in den Bereichen eine
Dynamik zu verzeichnen ist, in denen es den Meister-
brief als Marktzugangsregelung nicht gibt. Ich bitte Sie,
dies entsprechend zur Kenntnis zu nehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505404000


Kollege Lange, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Niebel?


Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1505404100

Gerne.


(Hubertus Heil [SPD]: Jetzt kommt eine Niebel-Granate!)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1505404200

Lieber Kollege Lange, stimmen Sie mir zu, dass die

von Ihnen genannten Veränderungen bezüglich der Be-
rufe in den Anlagen A und B der Handwerksordnung zu
einem überwiegenden Teil durch die Handwerksnovelle
von 1998 zustande gekommen sind?


Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1505404300

Das will ich gerne.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dann ist das, was Sie sagen, aber doch getrickst!)

Dazu will ich das nächste Beispiel nennen, Herr Kol-

lege Niebel. 1998 haben wir die Gerüstbauer von der
Anlage B in die Anlage A heraufgestuft. Schauen Sie
sich dort die entsprechenden Zahlen an. Von 1970 bis
1998 konnte die Zahl der Gerüstbauer in der Anlage B
aufgrund des freien Marktzugangs eine ganz besondere
Dynamik nehmen und expandieren. Nach der 1998 er-
folgten Überführung in die Anlage A schrumpfte die
Zahl der Betriebe aufgrund der Marktzugangsregelung,
die wir alle gemeinsam hier im Deutschen Bundestag be-
schlossen haben,


(Dirk Niebel [FDP]: Nein, sondern weil Sie die Regierung übernommen haben!)


innerhalb von vier Jahren von 7 138 auf 4 934, das heißt
um 35 Prozent. Das ist der schlagende Beweis dafür,
dass eine Marktzugangsregelung ein strukturelles Ele-
ment ist. Wir müssen es lockern, damit in Deutschland
eine stärkere Gründungsdynamik Platz greifen kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Kollege Lange, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Kolb? Gerne. Herr Kollege Lange, wenn es so ist, wie Sie es be chrieben haben, stellt sich mir die Frage: Warum ist der erüstbau auch in Ihrem Entwurf der überarbeiteten nlage A weiterhin in dieser Anlage A aufgeführt? Herr Kollege Kolb, die Kollegen, die vor mir gespro hen haben, haben Ihnen doch dargestellt, dass wir am eisterbrief als Marktzugangsregelung in den Bereihen, wo es eine Gefahrengeneigtheit gibt, festhalten ollen, weil wir meinen, dass wir einen entsprechenden chutz sicherstellen müssen. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505404400
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1505404500
Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1505404600
Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1505404700

ass es eine entsprechende Dynamik durch die Verände-
ung der Marktzugangsregelung gibt, muss man zumin-
est einmal zur Kenntnis nehmen. Ihr zentrales Argument
utet doch, dass die Marktzugangsregelung keinerlei Ein-
luss auf die Gründungsdynamik in Deutschland hat. Das
egenteil ist der Fall. Diese Zahlen belegen das.
Auch ein Blick in die Geschichte der Bundesrepublik
eutschland belegt das.


(Dirk Niebel [FDP]: Das Problem war, dass Sie an die Regierung gekommen sind!)


ch habe mir einmal die Mühe gemacht, nachzuschauen.
n den Jahren 1949 bis 1953 gab es in Deutschland kei-
en Meisterzwang. Es ist interessant, sich hier einmal
ie Entwicklung anzuschauen. Ein Verlust der traditio-
ellen Ausbildung zum Meister ist durch die Marktöffnung
ufgrund des Wegfalls des Meisterzwangs nicht zu befürch-
n. Gab es 1949 in den damals zehn westlichen Bundeslän-
ern – ohne das Saarland und ohne Westberlin – 39 011 be-
tandene Meisterprüfungen, so sind es heute, nach der
eutschen Einheit, bei einer höheren Bevölkerungszahl
undesweit 30 146, wie der Minister kürzlich vor dem
eutschen Bundestag ausgeführt hat.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das werden noch weniger!)


uch das macht deutlich, dass Ihre Befürchtung, unser
esetzentwurf könnte negative Auswirkungen haben,
icht der Wirklichkeit entspricht. Nehmen Sie diese
chlichten Zahlen einfach zur Kenntnis. Entfernen Sie
ich an dieser Stelle von der bloßen Polemik.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Hören Sie doch auf mit dieser Arroganz!)


ersuchen Sie doch, Ihre Einwände rational zu begrün-
en.






(A) )



(B) )


Christian Lange (Backnang)

Auch das geltende EU-Recht zwingt uns zur Novel-
lierung. Wir alle wissen: Nur noch Luxemburg hat eine
entsprechende Berufszugangsschranke, die dem deut-
schen Meisterbrief ähnelt. Andere Staaten, etwa die Nie-
derlande, haben ihre Bestimmungen auf gefahrenge-
neigte Tätigkeiten konzentriert. Österreich hat aufgrund
eines Urteils des österreichischen Verfassungsgerichts-
hofs Inländer bei der Zulassung zur Handwerksausübung
Angehörigen der übrigen EU-Staaten gleichgestellt.


(Dirk Niebel [FDP]: Die österreichische Verfassung gilt bei uns doch gar nicht!)


Handlungsbedarf besteht also unabweisbar. In der ge-
samten Europäischen Union gelten ähnliche Regelun-
gen. Wir müssen dafür sorgen, dass der Meisterbrief
auch in Zukunft europafest ist. Das ist das Ziel der No-
velle. Ich bitte darum, dies zur Kenntnis zu nehmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Durch die Aufhebung der Beschränkungen werden Exis-
tenzgründungen ebenso wie Unternehmensnachfolgen sowie
die Schaffung und der Erhalt von Arbeitsplätzen und Lehr-
stellen wesentlich erleichtert. Den zulassungspflichtigen und
zulassungsfreien Handwerken wird es nämlich ermöglicht,
umfassende branchenübergreifende Leistungen anzubie-
ten sowie auf Kundenwünsche flexibel zu reagieren. Au-
ßerdem werden vermehrt Angebote aus einer Hand mög-
lich.

Neue, bisher unter Meistervorbehalt stehende Tätig-
keitsfelder können ausgenutzt werden. So können zum
Beispiel Kosmetikerinnen künftig auch Friseurleistun-
gen anbieten. Dadurch wird die Erschließung neuer Ab-
satzmärkte möglich. Innovationen können stärker als
bisher für das Handwerk genutzt werden. Außerdem
werden die bisher so häufigen Abgrenzungsprobleme
zwischen den in der Anlage A verbliebenen Handwer-
ken und den in die Anlage B überführten Handwerken
beseitigt.

Ich möchte dazu ein Beispiel aus meinem eigenen
Wahlkreis nennen. Eine Friseurmeisterin mit einem Be-
trieb in meiner Stadt wollte in der Nachbargemeinde
eine Filiale eröffnen. Die entsprechende Kammer unter-
sagte ihr dies, obwohl sie dadurch zwei Arbeitsplätze
schaffen würde, mit der Begründung: Dies wäre mit der
heute geltenden Handwerksordnung unvereinbar.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das ist doch bestimmt eine Ausnahme, Herr Kollege! – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Was ist das für eine Kammer? – Werner Wittlich [CDU/CSU]: Nennen Sie die Kammer!)


Das darf eigentlich nicht wahr sein, ist aber leider Wirk-
lichkeit in Deutschland. Erst als der Fall publik gemacht
wurde, hat die Kammer reagiert: Sie wartet mit einer
Entscheidung so lange, bis diese Gesetzesnovelle be-
schlossen ist.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das konnte die Meisterin auch ohne Sie machen! So ein Käse! Das sind an den Haaren herbeigezogene Beispiele!)


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(C (D hne diese Novelle werden in Deutschland immer mehr xistenzen gefährdet. Damit muss Schluss sein. Auch as ist ein Grund, warum wir diese Novelle endlich umetzen müssen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr, Herr Lange!)


Die Gesetzesnovelle liegt nicht nur im Interesse der
esellinnen und Gesellen und der Dynamik des Wirt-
chaftsstandorts Deutschland; sie liegt auch im Interesse
er expansiven Meisterinnen und Meister, die schon
eute eine entsprechende Qualifikation haben und ihren
etrieb voranbringen wollen. Deshalb bitte ich Sie herz-
ich: Hören Sie mit dieser ideologischen Diskussion auf!


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das müssen gerade Sie sagen!)


ören Sie damit auf, das Thema zu einem Kulturkampf
och zu stilisieren! Konzentrieren Sie sich auf den Kern.
ir brauchen in Deutschland mehr Existenzgründungen
nd im Handwerk mehr Dynamik. Dem dient diese No-
elle. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ein völlig falscher Ansatz!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505404800


Ich erteile Kollegen Heinrich Kolb, FDP-Fraktion,
as Wort.


(Hubertus Heil [SPD]: Freiheit!)


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1505404900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

orgeschlagene Änderung der Handwerksordnung – Herr
inister Clement, auch Sie haben das eingeräumt – darf
icht isoliert gesehen werden, sondern sie steht im Zu-
ammenhang mit anderen, derzeit laufenden oder un-
ängst abgeschlossenen Gesetzgebungsvorhaben. Um es
uf den Punkt zu bringen: Es geht Rot-Grün um einen
ngriff auf die Bürgergesellschaft,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Zuruf von der SPD: Jetzt kommt es heraus!)


eil neben den Handwerksmeistern auch die Apotheker,
rzte, Architekten und Rechtsanwälte auf der Liste der
urch die Bundesregierung gefährdeten Arten stehen.
Wir von der FDP wollen die bewährten freiberuflichen

trukturen ebenso wie die bewährten handwerklichen
trukturen erhalten. Das schließt – das sage ich aus-
rücklich – die Weiterentwicklung geltender Vorschrif-
en nicht aus. 1994 und 1998 – Herr Lange, Sie waren
998 doch dabei – haben wir die Handwerksordnung zu-
ächst innerhalb des Handwerks geöffnet und weiterent-
ickelt.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)







(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
Weitere Schritte müssen folgen: die Abschaffung des In-
haberprinzips und ein verbesserter Zugang durch § 8 der
Handwerksordnung. Dazu sind wir bereit. Aber diese
Anpassungsmaßnahmen müssen so erfolgen, dass das
Handwerk die Chance hat, auf diese Anpassungen zu
reagieren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich befürchte, dass mit der Reform, wie Sie sie vorge-
schlagen haben, ganze Handwerksbereiche platt ge-
macht werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: So schlicht habe ich Sie gar nicht eingeschätzt!)


Wenn man sich die Begründung Ihres Gesetzentwur-
fes durchliest, dann kommt man zu dem Verdacht, das
Opfer solle zum Täter gemacht werden, weil die Novelle
damit begründet wird, es gebe eine anhaltend schlechte
wirtschaftliche Entwicklung. Aber kein Wort von verfehl-
ten rot-grünen Reformen, die gerade das Handwerk belas-
ten, kein Wort von zu hohen Steuern, von steigenden Ab-
gaben, die es für junge Meisterinnen und Meister – davon
gibt es immerhin noch eine Reserve von 120 000 – un-
attraktiv erscheinen lassen, sich im Handwerk zu betäti-
gen. Kein Wort schließlich über fehlende Investitionen
von Bund, Ländern und vor allen Dingen Kommunen,
was letztendlich das Ergebnis einer schlecht gemachten
Steuerreform ist.


(Beifall bei der FDP)

Es ist ein Hohn – Herr Minister Clement, es ist mehr

als das; es ist böswillig –, wenn in der Begründung des
Entwurfes darauf hingewiesen wird, dass es im Hand-
werk bei der Ausbildung eine Abbrecherquote von
30 Prozent gebe, aber kein Wort darüber verloren wird,
dass die Ausbildungsquote des Handwerks mit 9,8 Pro-
zent fast dreimal so hoch ist wie im Durchschnitt der üb-
rigen Wirtschaft. Das zeigt mir, Herr Minister Clement,
dass Rot-Grün wirklich keine Ahnung davon hat, wie es
im Handwerk aussieht und vor allen Dingen wie die ak-
tuelle wirtschaftliche Situation im Handwerk ist.


(Beifall bei der FDP – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Nur Sündenböcke!)


Der große Befähigungsnachweis ist im Übrigen
auch kein Berufsverbot, wie es in der Begründung Ihres
Gesetzentwurfes heißt, sondern er ist ein Qualifizie-
rungsgebot und mithin die einzige Ausbildung zum Un-
ternehmer, die wir in Deutschland haben. Das führt im
Ergebnis zu der im Vergleich sehr niedrigen Insolvenz-
quote und zu der Bestandsfestigkeit der Handwerksbe-
triebe.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Herr Kollege Kuhn, ich sage Ihnen voraus und gebe

zu Protokoll, damit Sie später nicht sagen, das habe man
nicht voraussehen können:

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(C (D (Klaus Brandner [SPD]: Das müssen Sie nicht! Protokolle haben wir immer! Der Quatsch wird auch so gedruckt!)


er vorliegende Gesetzentwurf wird, wenn die Novelle
o umgesetzt wird, wie Sie es vorschlagen, dazu führen,
ass wir im Herbst nicht nur über 70 000, sondern über
40 000 fehlende Ausbildungsplätze reden müssen, weil
s absehbar und durch aktuelle Umfragen beim Hand-
erk belegt ist, dass die dann von A nach B zu überfüh-
enden, künftig zulassungsfreien Handwerke ihre Ausbil-
ungsleistung deutlich auf das Niveau des Durchschnitts
er Gesamtwirtschaft zurückführen werden. Das führt zu
usbildungsplatzverlusten in dieser Größenordnung.
Man greift sich an den Kopf. Dieselbe Koalition, die

u Beginn ihrer Amtszeit mit dem Gesetz zur Bekämp-
ung der so genannten Scheinselbstständigkeit die Exis-
nzgründungen in Deutschland nachträglich beeinträch-
gt hat, glaubt jetzt, ein Patentrezept gefunden zu haben,
it der Ich-AG Arbeitslose zu Unternehmern zu ma-
hen. So lautet das Motto. Wenn es so einfach wäre – –
Ich sage Ihnen voraus: Mit der Ich-AG als Anbieter

andwerklicher Leistungen entfachen Sie vielleicht ein
trohfeuer um den Preis einer Atomisierung des Hand-
erks in kleinste Einheiten ohne nachhaltige Beschäfti-
ungswirkung. Aber die Ich-AG als Nischenanbieter
ird am Markt jämmerlich scheitern, weil der Trend dort
u kompletten, immer umfassenderen Leistungsangebo-
n geht. Deswegen trifft Ihre Vorstellung auch nicht den
erv der Zeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Insgesamt sehe ich die Gefahr, dass die jetzige Be-
ründung, die allein auf die Abwehr von Gefahren ab-
tellt, nicht ausreichen wird, um die Anlage A auf Dauer
u erhalten. Wenn es so kommt, wie von Ihnen vorge-
chlagen, werden Gerichte den großen Befähigungs-
achweis in absehbarer Zeit zu Fall bringen. Wir müssen
it mehr Sorgfalt zu Werke gehen. Nachhaltigkeit und
usbildungsleistung sind Kriterien, die unbedingt heran-
ezogen werden müssen, um die Anlage A und den gro-
en Befähigungsnachweis zu begründen.
Nehmen Sie Vernunft an! Lassen Sie uns gemeinsam
it dem Handwerk überlegen, welche nächsten Liberali-
ierungsschritte nach den Novellen von 1994 und 1998
tzt gegangen werden können! Ich habe Beispiele ge-
annt. Das Handwerk hat die Hand ausgestreckt. Sie
ollten nicht danach schlagen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505405000


Nun hat Kollege Hans-Werner Bertl, SPD-Fraktion,
as Wort.


(Klaus Brandner [SPD]: Jetzt kommt wieder ein erfahrener Handwerksmeister! – Werner Wittlich [CDU/CSU]: Vor 50 Jahren! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist lange her!)







(A) )



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Hans-Werner Bertl (SPD):
Rede ID: ID1505405100

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Gestern hat hier ein Mitglied meiner Fraktion einen
Ausspruch des stellvertretenden Vorsitzenden Ihrer
Fraktion, Herrn Merz, vom März im „Spiegel“ zitiert.
Ich sehe noch den heftigen Zuspruch des Abgeordneten
Hinsken. Ich bringe das Zitat noch einmal, benutze aber
das Wort, das er benutzt hat, nicht: Wenn man einen
Teich trocken legen will, dann darf man nicht die Frö-
sche fragen.


(Dirk Niebel [FDP]: Aber man muss viele Frösche küssen, um einen Prinzen zu finden!)


Dazu haben Sie kräftig genickt. Ich kann Ihnen eines sa-
gen, Herr Kollege Hinsken: Wenn wir so handelten und
so mit der Organisation des Handwerks umgingen, wie
Ihre Fraktionsoberen es Ihnen in Bezug auf andere Orga-
nisationen empfehlen, dann wären Sie heute hier der
Frosch und ich sehe keine Prinzessin, die Sie küssen
würde.


(Beifall bei der SPD)

Ihre Position zur Handwerksordnung kann ich nur un-

ter oppositionsstrategischem Gesichtspunkt verstehen.
Ehrlich sind Sie dem Handwerk gegenüber nicht.

Die dubiose Haltung der Liberalen, denen sonst jede
Form von Regulierung in der Wirtschaft ein Gräuel ist,
das sie fürchten wie der Teufel das Weihwasser, können
sie selbst einem Handwerker nicht mehr vernünftig er-
klären.

Ich glaube, dieses Thema ist es wert, in aller Ruhe er-
örtert zu werden. Wir sollten die Wirklichkeit der Erfah-
rungen eines deutschen Verbrauchers mit dem Handwerk
und die Lebenswirklichkeit eines deutschen Hand-
werksmeisters im Zusammenhang mit dem Verbraucher
nicht ausblenden. Es ist doch schon alles beschrieben
worden. Ich nenne als Beispiel den verzweifelten Ver-
such eines ordentlichen, gesetzestreuen Verbrauchers,
die abgeplatzte Fliese von einem fachkundigen Hand-
werksmeister ersetzt zu bekommen. Bei einem solchen
Versuch ist doch ein Scheitern bereits vorprogrammiert.
Eine reale Chance, eine solche Bagatellreparatur ausfüh-
ren zu lassen, besteht in den frühen Abendstunden oder
am Samstag, wenn zwar der Verbraucher verschämt die
Umsatzsteuer einbehalten muss, letztlich aber glücklich
ist, dass der Schaden von fachkundiger Hand behoben
wird.

Wie sieht die Situation aus der Sicht des Handwerks-
meisters aus? So mancher Handwerksmeister macht sich
beklommen an die Behebung eines Schadens, der nicht
zu seinem Gewerk gehört, der ihn aber fachlich nicht
überfordert. Er ist vielleicht gerade im Hause und kann
sich dem bettelnden Blick der Verbraucherin irgendwann
auch mit dem besten Argument nicht mehr entziehen. Es
treibt ihn in den Gesetzesbruch.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind zu Tränen gerührt!)


– Das ist die Wirklichkeit!

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(C (D (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wir haben doch mehr Leistungen aus einer Hand beschlossen! Das ist doch Käse!)


as hört sich vielleicht lustig an, macht aber das System
ines geschlossenen Marktes deutlich, das weit von der
irklichkeit unserer Wirtschaft entfernt ist. Wir brau-
hen hingegen ein System, das Wirtschaftswachstum
nd Beschäftigung ermöglicht.


(Beifall bei der SPD)

Ich will ein Zitat aus der Schlussarie des Hans Sachs

us den „Meistersingern von Nürnberg“ anführen, das
om Handwerk sehr geliebt wird: Verachtet mir die
eister nicht und ehrt mir ihre Kunst! – Hans Sachs
ingt von Kunst, aber nicht von Zunft. Genau das wollen
ir auch: Wir wollen die Kunst und die Qualität des
eisters nicht in Zweifel ziehen. Vielmehr wollen wir
eine Markt- und Wettbewerbsfähigkeit und sein Kön-
en durch die Novellierung der Handwerksordnung stär-
en.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn!)


Im Bereich der Handwerksberufe der Anlage A soll
it dem Primat des besonderen Schutzes des Verbrau-
hers und in der Anlage B mit der freiwilligen Möglich-
eit der Meisterprüfung in den Wettbewerb eingebracht
erden, was im Handwerk einen Wert an sich darstellt,
ämlich Qualität und hohe fachliche Kompetenz.
Kann man bestreiten, dass es in vielen Bereichen des
andwerks durchaus zu verantworten ist, sich dem Ge-
chick und der Fachkunde eines Gesellen anzuvertrauen
nd ihm die Möglichkeit einzuräumen, sich nach zehn
angen Jahren verantwortlichen Arbeitens ein eigenes
eschäft aufzubauen und sogar auszubilden, wenn er die
edingungen der Ausbildungsverordnung erfüllt? – Ich
laube nicht.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist doch zu wenig, Herr Kollege Bertl!)


Ist es in einem System der Nischenwirtschaft nicht
esser, diejenigen, die in Fachgebieten, in denen heutzu-
ge fast jeder in wenigen Wochen die notwendigen
enntnisse erwerben kann, heimlich ungesetzliche Tä-
gkeiten ausüben, mit einzubeziehen? Glauben Sie
irklich, die Behauptung aufrecht erhalten zu können,
ur der Meister sei ein Garant für die fachgerechte Aus-
ildung und nur er sei durch seinen Prüfungsteil in Be-
riebswirtschaft in der Lage, in unserem sicherlich kom-
lizierten Land erfolgreich zu wirtschaften?
Was machen eigentlich die Hunderttausende von er-

olgreichen Unternehmen, die nicht der Handwerksord-
ung unterliegen? Welchen Wert hat die Ausbildung ei-
er Industriekauffrau in unserer Wirtschaft? 56 000 der
ndustriekaufmänner und -frauen werden in der Industrie
nd im Handel ausgebildet, ganze 61 im Handwerk.
Welchen Wert hat der Fachinformatiker, Fachrichtung
nwendungsentwicklung, von dem 18 000 in der Indus-
ie ausgebildet werden und ganze vier im Handwerk?
ind all diese Menschen für Unternehmer tätig, denen






(A) )



(B) )


Hans-Werner Bertl
jede wirtschaftliche Kompetenz fehlt und die nicht am
Markt bestehen, weil sie keinen Meistertitel haben?

Wir müssen zugeben, dass wir an einem Punkt ange-
langt sind, an dem wir uns der Realität stellen müssen.
Ich gebe auch offen zu, dass mir das ein bisschen weh-
tut; ich bin nämlich selbst Handwerksmeister und ich bin
stolz auf das, was ich einst erlernt habe und beweisen
musste.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Eben! Sie müssten wissen, was die Uhr für Handwerksmeister geschlagen hat!)


Über die Niederlassungsfreiheit innerhalb Europas ist
schon gesprochen worden. Andere EU-Staaten bieten ih-
ren Handwerkern weitere Freiräume. Nach den Regeln
des Binnenmarktes kann kein Bürger an einer grenzüber-
schreitenden wirtschaftlichen Betätigung gehindert wer-
den.

Wir befinden uns in einer Situation, in der wir ge-
meinsam mit dem Handwerk – vonseiten des Handwerks
gibt es durchaus entsprechende Zeichen – den Weg be-
schreiten sollten, die Handwerksordnung angesichts der
für sie tatsächlich bestehenden Gefährdungen im Zusam-
menhang mit unserer Verfassung, der Rechtsprechung
und der Diskussion auf europäischer Ebene über die so
genannte Inländerdiskriminierung zukunftsfähig zu ma-
chen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Aber nicht so!)

– Doch!


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Nein, Herr Bertl! Gerade von Ihnen als Handwerker erwarte ich mehr Sachverstand!)


Beenden Sie Ihre Ideologisierung! Lassen Sie uns mit
den Vertreterinnen und Vertretern des Handwerks – man-
che von ihnen räumen diese Gefahren in Vieraugenge-
sprächen ein und zeigen die Bereitschaft, etwas Vernünf-
tiges zu entwickeln – sachgerecht und fachgerecht
sprechen! Wir werden die Handwerksordnung zukunfts-
fähig machen und nichts, weder die Qualität noch die
Ausbildungsfähigkeit noch die Ausbildungsbereitschaft
im deutschen Handwerk, infrage stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505405200


Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Kol-
lege Schauerte.


(Dr. Uwe Küster [SDP]: Oh, schauerlich!)



Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1505405300

Herr Präsident! Ich habe mich zu dieser Kurzinter-

vention gemeldet, da dieser Redner ein Argument aufge-
griffen hat, das auch Clement und andere immer wieder
angeführt haben. Dieses Argument ist falsch und es darf

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(C (D ich daher nicht festsetzen. Man hat gesagt, die Auswirungen des großen Befähigungsnachweises seien die rsache dafür, dass die Zahl der Handwerksbetriebe abehme, dass die Beschäftigungslage schlecht sei, dass as Handwerk seinen Beitrag zum Wachstum der Wirtchaft nicht mehr leiste und dass der Umfang der chwarzarbeit größer werde. (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Das hat niemand gesagt!)


Ich empfehle, einen Blick auf andere Bereiche zu
erfen, um zu prüfen, ob dieses Argument richtig ist.
er Einzelhandel in Deutschland ist völlig unreguliert.
r hat sich – ohne jede Regulierung – katastrophal ent-
ickelt. Es ist daher nicht richtig, zu behaupten, der Ne-
ativtrend sei ein Ergebnis der Regulierung. Ein anderer
ereich ist in hohem Maße reguliert – es gibt dort Zu-
angsbeschränkungen, die deutlich strenger als die im
andwerk sind, einschließlich einer Gebührenordnung –:
ch denke an die Rechtsanwälte und insbesondere Kon-
ursverwalter. Ihre Anzahl hat sich in den letzten Jahren
norm vermehrt.


(Dirk Niebel [FDP]: Kein Wunder bei dieser Politik!)


Die Qualität und der Umfang der Zugangsvorausset-
ungen sind kein Maßstab, um zu beurteilen, ob sich
ine Branche gut oder schlecht entwickelt und ihren Bei-
ag zur Volkswirtschaft leistet. Dass es im Handwerk so
chlecht läuft, ist das bittere Ergebnis Ihrer absolut ver-
ehlten Wirtschaftspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Erklären Sie das Handwerk nicht zum Täter! Das
andwerk ist in dieser Frage Opfer. Lassen Sie diese Art
er Argumentation! Sie ist nicht zielführend und zeigt,
ass Sie ideologisch vorgehen und nicht an der Sache
rientiert sind. Ändern Sie Ihre Wirtschaftspolitik und
as Handwerk hat wieder goldenen Boden!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505405400


Kollege Bertl, Sie haben Gelegenheit zur Erwiderung.

(Jörg Tauss [SPD]: Sag ihm, er soll sich ent spannen!)



Hans-Werner Bertl (SPD):
Rede ID: ID1505405500

Sehr geehrter Herr Kollege, zunächst einmal ist fest-

uhalten: Was die Existenzgründungsquote angeht, sind
ir von vielen anderen europäischen Ländern überholt
orden. Die Problematik, die Sie angesprochen haben,
at mit der gegenwärtigen Situation überhaupt nichts zu
un. Es geht nicht darum, die Meisterprüfung oder den
efähigungsnachweis zu diskreditieren. Wir müssen
och einfach sehen, dass wir es hier mit einem geschlos-
enen Markt zu tun haben, für den es kaum noch eine
erechtigung gibt. Die Geschlossenheit des Marktes hat
llerdings in denjenigen Bereichen, bei denen es um den






(A) )



(B) )


Hans-Werner Bertl
Verbraucherschutz geht, durchaus noch ihre Berechti-
gung.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: So ein Unsinn! Sie sind viel zu lange aus dem Beruf raus!)


Anlage A regelt, dass über ein Drittel des Handwerks
– dort arbeiten fast zwei Drittel der im Handwerk Täti-
gen – in einem geschlossenen Markt verbleibt. Das zeigt
die wirtschaftliche Struktur in unserem Land, insbeson-
dere im Handwerk, auf. Es zeigt aber auch auf, dass die-
ser Markt, der aus der Tradition der Zünfte heraus regu-
liert ist – diese Regulierung lässt sich mit dieser
Tradition heute nicht mehr rechtfertigen –, Freiräume
braucht. Also: Keine Gefährdung für den großen Befähi-
gungsnachweis!

Ich glaube, dass es für junge Menschen nach wie vor
ein sehr interessantes und anzustrebendes Ziel sein wird,
auch in den in Anlage B aufgeführten Handwerksberu-
fen den Meisterbrief zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben hier eben einen großen Fehler begangen,
als Sie behauptet haben, ein Arzt könne sich nur nach ei-
ner Promotion selbstständig machen. Das ist eben nicht
so.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das sagt doch niemand! – Gegenruf des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie, Herr Hinsken, haben es gesagt!)


Das Examen reicht aus. Sie müssen sich einmal die
Frage stellen, warum so viele junge Medizinerinnen und
Mediziner und so viele andere Hochschulabsolventen
eine Promotion machen. Warum sollen junge Menschen
im Handwerk in Zukunft anders vorgehen? Darüber
müssen Sie einmal mit den Vertretern des Handwerks
und mit den Gesellinnen und Gesellen diskutieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie das getan haben, dann werden Sie feststellen:
Ihre gesamte Argumentation ist ad absurdum geführt
worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505405600


Ich erteile das Wort Kollegen Werner Wittlich, CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1505405700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Lieber Herr Kollege Bertl, wenn man Ihre Bio-
grafie liest, dann stellt man fest, dass Sie irgendwann
einmal den Titel eines Uhrmachermeisters erworben ha-
ben.


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(C (D (Hubertus Heil [SPD]: Der weiß, was die Stunde geschlagen hat! – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Seien Sie mal nicht so diskriminierend! Wann haben Sie Ihren Titel „irgendwann einmal“ gemacht?)


Das mache ich doch nicht. – Aber man merkt, dass Sie
ahrscheinlich Jahrzehnte aus diesem Beruf heraus sind;
enn sonst würden Sie hier nicht einen solchen Unsinn
rzählen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Jeder kennt das Handwerk und kommt täglich mit
hm in Berührung.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist alles, was Sie können: polemisieren! Sonst nichts!)


Erzählen Sie nicht ein solches Zeug, Herr Lange. –
er vom Handwerk spricht, denkt dabei oft nur an den
äcker um die Ecke oder an den Installateur nebenan.
eide verkörpern das traditionelle Handwerk und sind
eispiele seiner Nähe zum Verbraucher. Doch Hand-
erk ist viel mehr. Handwerk ist Zukunft. Es ist ein mo-
erner, innovativer und kreativer Wirtschaftsbereich, der
urch Qualität und Kundenorientierung überzeugt.
andwerk ist so alt wie die Steinzeit und gleichzeitig so
ung wie die Technologie von morgen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Handwerksordnung, wie sie seit vielen Jahrzehn-

en besteht, hat sich nicht nur bewährt. Wir werden auch
on vielen Ländern um die Leistungsfähigkeit und den
ohen Qualitätsstandard unseres Handwerks beneidet.
as Gütesiegel ist der Meistertitel. Er steht für Fach-
issen und solide Kenntnisse in Betriebswirtschaft,
echt und Pädagogik. Damit dieser Qualitätsstandard
ehalten werden kann, muss sich die Handwerksordnung
lexibel und dynamisch neuen Entwicklungen anpassen
önnen. Der jetzt von der Bundesregierung vorgelegte
ntwurf zur Novellierung der Handwerksordnung ist in
ich widersprüchlich, unlogisch sowie tatsächlich und
echtlich fehlerhaft. Er ist außerdem mit dem Handwerk
icht abgestimmt. Die Reform wurde überdies von Poli-
ikern eingeleitet, die selbst nie an der Spitze eines Un-
ernehmens gestanden haben, die nie in einem Betrieb
ür Arbeitsplätze gesorgt haben und die nie auch nur ei-
en einzigen Ausbildungsplatz geschaffen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

CDU und CSU kritisieren insbesondere die Neufas-

ung der Anlage A der Handwerksordnung. Von jetzt
4 Meisterberufen sollen künftig nur noch 29 dem Meis-
erzwang unterliegen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Nur Bäckermeister dürfen Gesetze über Bäckermeister einbringen!)


ntscheidendes Kriterium zur Aufnahme in die
nlage A soll die Gefahrengeneigtheit eines Gewerkes
ein. Sogar die Bäcker und die Fleischer sollen künftig
icht mehr unter den Meistervorbehalt fallen. Das ist






(A) )



(B) )


Werner Wittlich
– gelinde gesagt – ein schlechter Treppenwitz. Gerade
eine Regierung, die den Verbraucherschutz in den Vor-
dergrund rücken will, plant jetzt, die Bewältigung der
BSE-Krise, der Schweine- und Geflügelpest sowie nicht
zuletzt die Beachtung umfangreicher Hygienevorschrif-
ten in nicht meisterliche Hände zu legen. An diesem Bei-
spiel kann man erkennen, wie weit es mit Ihrer Trennung
in gefahrengeneigte und nicht gefahrengeneigte Hand-
werksberufe her ist.

Wir fordern deshalb, die Aufnahme in die Anlage A
von drei Kriterien abhängig zu machen, und zwar erstens
von der Gefahrengeneigtheit, zweitens von der Ausbil-
dungsleistung und drittens von dem Schutz wichtiger
Gemeinschaftsgüter, etwa vom Umwelt- und Verbrau-
cherschutz. Dies würde auch den Vorgaben des Grund-
satzurteils des Bundesverfassungsgerichts zum Meister-
brief aus dem Jahre 1961 entsprechen. Im Übrigen
arbeiten 50 Prozent der Absolventen eines Meisterlehr-
gangs als abhängig Beschäftigte. Der Wegfall des Meis-
terzwangs wird deshalb nicht automatisch zu mehr
Selbstständigkeit führen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: So ist es!)

Nach den Plänen der Regierung sollen Gesellen nach

zehnjähriger Tätigkeit – davon fünf in leitender, verant-
wortlicher oder herausgehobener Funktion – auch ohne
Meisterbrief einen Betrieb, der in Anlage A aufgeführt
ist, eröffnen dürfen. CDU und CSU werden es nicht hin-
nehmen, dass Gesellen künftig ihre Berechtigung zur
Unternehmensgründung ersitzen können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Denn die Gesellenprüfung wird durchschnittlich mit
Anfang 20 gemacht, die Meisterprüfung durchschnittlich
mit Anfang 30. Die Gesellen werden sich doch fragen,
warum sie eine Meisterprüfung überhaupt ablegen sol-
len, warum sie sich neben dem Berufsleben durch die
Meisterschule quälen sollen,


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Warum machen das die Techniker und die Industriemeister?)


wenn sie im gleichen Zeitraum in tatsächlich gefahren-
geneigten Berufen nebenher die Berechtigung zur Unter-
nehmensgründung erwerben können. – Ich komme noch
dazu. – Wir befürchten außerdem, dass sich die Ausbil-
dungsleistung drastisch reduzieren wird, wenn die Qua-
lifikation zur Ausbildung junger Menschen nicht mehr
vorhanden ist. Wir schlagen deshalb in diesem Zusam-
menhang eine Einzelfallprüfung vor.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jawohl! Sehr gut!)


Damit die Berufserfahrung der Altgesellen entspre-
chend berücksichtigt wird und qualifizierte Unterneh-
mensgründungen leichter werden, sollen die Teile I
und III der Meisterprüfung, also über die praktischen Fä-
higkeiten und die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse,
angerechnet werden.

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(C (D Kollege Wittlich, gestatten Sie eine Zwischenfrage es Kollegen Bertl? Ich weiß, dass dabei nichts herauskommt. Deswegen estatte ich die Zwischenfrage nicht. Auf die Teile II und IV, nämlich Theorie und Ausbilungsqualifikation, darf dagegen nicht verzichtet weren. Damit wäre gewährleistet, dass der Gefahrenund er Ausbildungsaspekt berücksichtigt werden. CDU und CSU lehnen außerdem die Regierungspläne b, nach denen sich künftig jedermann unabhängig von einen fachlichen Fähigkeiten selbstständig machen ann, soweit es um Berufe in der Anlage B geht. Dies oll auch für Berufe gelten, die demnächst im bschnitt 1 der Anlage B stehen, also für Berufe, die etzt noch dem Meisterzwang unterliegen. Wir fordern uch für Berufe in der Anlage B fakultativ den Erwerb es Meisterbriefs. Zumindest für Gewerbe im bschnitt 1 der Anlage B müssen die Gesellenprüfung nd die Ausbildereignungsqualifikation nachgewiesen erden. (Klaus Brandner [SPD]: Was Sie da vortragen, ist nicht meisterlich!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505405800
Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1505405900

(Zuruf von der SPD: Unverschämtheit!)


ur so erhalten wir ein Mindestmaß an beruflicher Qua-
ifikation, einen ausreichenden Verbraucherschutz und
ernünftige Voraussetzungen für die Ausbildung junger
enschen.
Wir fordern außerdem die Einführung einer so ge-

annten Revisionsklausel. Alle sieben Jahre soll die gel-
ende Liste der Meisterberufe in der Anlage A überprüft
erden. Damit werden bei der Zuordnung zur Anlage A
der zur Anlage B neue Entwicklungen zeitnah berück-
ichtigt.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jawohl! Sehr gut!)


Unsere Zustimmung findet die geplante Aufhebung
es Inhaberprinzips. Einem Existenzgründer ohne
eisterbrief sollte eine Betriebsübernahme möglich
ein, wenn er einen Meister einstellt.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

uf der einen Seite arbeiten in Deutschland 130 000
eister als abhängig Beschäftigte in Betrieben und auf
er anderen Seite stehen Menschen, die bereit sind, un-
ernehmerische Verantwortung zu tragen, aber keinen
eistertitel haben. Wenn wir die Zusammenarbeit dieser
eiden Gruppen ermöglichen, erleichtern wir unzählige
etriebsübernahmen.
ch darf Ihnen kurz ein Beispiel aus dem Friseurhand-
erk nennen. Durch die Novellierung werden einzig
nd allein die so genannten Ich-AGs gefördert; denn die
etzige Form der Handwerksordnung steht in vielen Fäl-
en der Gründung einer Ich-AG entgegen. Viele Friseur-
esellen – das Thema ist heute schon oft angesprochen






(A) )



(B) )


Werner Wittlich
worden – werden bei der Verbandsgemeinde oder der
Stadtverwaltung ein so genanntes Kleingewerbe anmel-
den. Damit wird Schwarzarbeit legalisiert. An ihrem jet-
zigen Arbeitsplatz werden sie den Kunden erzählen, dass
sie anderenorts nunmehr auch offiziell das Friseurhand-
werk ausüben dürfen und die Kunden eingeladen sind,
sich abends privat zum halben Preis bedienen zu lassen.
Das wird dazu führen, dass die offiziellen Friseursalons
immer weniger Kundschaft haben und deshalb Ausbil-
dungs- und Arbeitsplätze abbauen müssen. Die Umsätze
der legalisierten Schwarzarbeiter werden zumindest offi-
ziell unterhalb der Freigrenze liegen. Damit werden die
Sozialkassen und der Staat leer ausgehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505406000


Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])



Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1505406100

Ich komme sofort zum Schluss.
Aus dem jahrhundertealten Zunftwesen ist ein Relikt

bis zum heutigen Tag übrig geblieben. Es ist der Satz,
mit dem die meisten Handwerksversammlungen enden:
Gott segne das ehrbare Handwerk. – Dieser Satz ist
heute aktueller denn je. Nur müssen wir ihn heute ergän-
zen: Gott schütze das ehrbare Handwerk vor den wenig
ehrenhaften Schnellschüssen dieser Bundesregierung.


(Zuruf von der SPD: Gott segne es!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Das war eine schwache Nummer!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505406200


Das Wort zu einer Kurzintervention erhält der Kol-
lege Bertl für die SPD-Fraktion.


Hans-Werner Bertl (SPD):
Rede ID: ID1505406300

Kollege Wittlich, wenn ich Sie so höre – was Sie ge-

sagt haben, wird auch in anderen Bereichen artikuliert –,
dann frage ich mich schon: Wie geht das organisierte
Handwerk, das Verbandshandwerk in Deutschland, mit
denen um, die für das Handwerk eine ganz wichtige
Größe sind und eine hohe wirtschaftliche Leistungskraft
bringen, nämlich mit den Gesellinnen und Gesellen?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist kaum noch begründbar und wirklich schon diffa-
mierend, wenn in Diskussionen – ich habe das von Ver-
tretern des Handwerks selber erlebt – Ausdrücke fallen
wie: Da kann sich ja jeder Hansel selbstständig machen.

Man muss sich doch einmal die Hintergründe klar
machen: Was unterscheidet eigentlich eine Gesellin oder
einen Gesellen im Handwerk von einem jungen Fachar-
beiter oder einem jungen kaufmännischen Angestellten,
der selber entscheiden kann, wann er eine Technikeraus-

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(C (D ildung, eine Industriemeisterprüfung oder schließlich och den Betriebswirt macht? Nein, im Handwerk sollen trukturen zementiert werden, die die hohe Zahl der junen Gesellinnen und Gesellen in großem Maße diskrediieren. Man muss sich da doch – auch seitens des Handerks – die Frage stellen: Ist dieser Weg eigentlich noch ukunftsträchtig? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Sie wissen, dass das nicht stimmt!)


Ich sage Ihnen: Es wird in wenigen Jahren in einer er-
eiterten Europäischen Union nicht mehr die Inländer-
iskriminierung eine große Rolle spielen, sondern an-
esichts der demographischen Situation und der
bnehmenden Zahl an Schulabgängern werden wir uns
ich sage „wir“, denn ich fühle mich da dem Handwerk
chon zugehörig – im Handwerk schon die Frage stellen
üssen, ob wir jungen Menschen in einem System, des-
en Marktschranken wirklich aus dem Mittelalter kom-
en, überhaupt noch Anreize und Perspektiven bieten,
ich selbstständig zu machen.
Lassen Sie Ideologie aus dieser Diskussion heraus.

ie schaden dem Handwerk gnadenlos. Wir müssen viel-
ehr einen Dialog mit ihm führen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505406400


Herr Kollege Wittlich zur Entgegnung.


Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1505406500

Lieber Kollege Bertl, ich glaube, das Gegenteil ist der

all. Dem Handwerk schaden nicht wir – das müssten
ie draußen längst mitbekommen haben –,


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das sind die Funktionäre, die von Ihnen aufgehetzt werden! Reden Sie einmal mit Gesellen!)


ondern Sie, indem Sie die Handwerksordnung zerschla-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will noch einmal deutlich sagen: In keinem Wirt-

chaftsbereich werden die Mitarbeiterinnen und Mitar-
eiter so familiär behandelt.


(Widerspruch bei der SPD)

Ja, das ist so; das sage ich ganz deutlich. – Wir Be-
riebsinhaber kümmern uns doch um viele Probleme der
itarbeiter, seien sie auch privater Natur.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Dann eröffnen Sie ihnen auch Chancen!)


Mit der jetzt vorgesehenen Zerschlagung der Hand-
erksordnung werden Sie das Handwerk nicht dazu brin-
en, so wie bisher Schulabsolventen, die nicht die geis-
ige Frische haben, die vielleicht, um es einmal
orsichtig auszudrücken, etwas benachteiligt sind,






(A) )



(B) )


Werner Wittlich
auszubilden. Auch in diesem Bereich wird es eine Kata-
strophe geben.

Meine Damen und Herren, setzen wir uns gemeinsam
an einen Tisch und beraten wir über die Vorlage der FDP,
die Vorlage der CDU/CSU und Ihre.


(Dirk Niebel [FDP]: Man beachte die Reihenfolge!)


Lassen Sie uns gemeinsam – ich denke, das hat das
Handwerk verdient – eine Lösung suchen und zu einem
vernünftigen Kompromiss kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Die Reihenfolge der Vorlagen war richtig!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505406600


Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den

Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Hand-
werksordnung und zur Förderung von Kleinunterneh-
men auf der Drucksache 15/1089. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Arbeit empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 15/1224, den Gesetzentwurf an-
zunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. –


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Handwerksvernichter!)


Wer stimmt dagegen? –

(Zurufe von der SPD: Blockierer!)


Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zwei-
ter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenom-
men.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? –


(Klaus Brandner [SPD]: Das bereuen Sie noch! – Weitere Zurufe von der SPD: Blockierer!)


Möchte sich jemand der Stimme enthalten? – Das ist
nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Oppositionsfraktionen angenommen.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/1206 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, die wir
heute nicht mehr im Plenarsaal sehen werden, schon ein-
mal ein schönes Wochenende – jedenfalls für den Teil
des Wochenendes, der jenseits von Veranstaltungen noch
verbleibt.

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(C (D Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 24 a auf: Abschließende Beratungen ohne Aussprache Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Zustimmung zur Änderung des Direktwahlakts – Drucksache 15/1059 – Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 15/1263 – Berichterstattung: Abgeordnete Barbara Wittig Dorothee Mantel Josef Philip Winkler Dr. Max Stadler Wir stimmen über den von der Bundesregierung einebrachten Gesetzentwurf ab. Der Innenausschuss empiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 5/1263, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte dieenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um as Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält ich? – Dann ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung ngenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Ich vermute, dass der eine oder ndere, der steht, gleichwohl nicht gegen den Gesetzenturf stimmen will, was durch spontanes Hinsetzen betätigt wird. Möchte sich jemand der Stimme nthalten? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Gesetzntwurf einstimmig angenommen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b uf: a)


(Erste Beratung 48. Sitzung)


Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen,
Dr. Wolfgang Götzer, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten
Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Beschleuni-
gung von Verfahren der Justiz

(1. Justizbeschleunigungsgesetz)


– Drucksache 15/999 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Bosbach, Dr. Norbert Röttgen,
Dr. Jürgen Gehb, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
Fehler beim neuen Revisionsrecht korrigieren –
Entscheidungsfähigkeit des Bundesgerichts-
hofs sicherstellen

– Drucksache 15/1098 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Norbert Röttgen für die CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1505406700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Justizbeschleunigung ist ein Anliegen, dem sich
keiner entziehen kann. Der Faktor Zeit ist elementar bei
der staatlichen Tätigkeit im Allgemeinen, aber im Be-
sonderen gerade auch bei der Gewährung von Recht.
Der Kläger in einem Zivilverfahren will nicht nur Recht
haben, sondern er will zu seinem Recht kommen. Ein
Unternehmen, das vor einer wirtschaftlichen Entschei-
dung steht und investieren möchte, braucht Rechtssi-
cherheit, die es durch gerichtliche Tätigkeit bekommt.

Zeit ist auch eine Voraussetzung für Sicherheit. Wir
haben in Deutschland immer wieder die Situation, dass
Beschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen wer-
den müssen, nicht weil sich die Haftgründe erledigt hät-
ten, sondern wegen Zeitablaufs, weil die Gerichte und
die Staatsanwaltschaft nicht in der Lage waren, in der
rechtlich zulässigen Zeit die Sache zu verhandeln. Das
Verfassungsgericht hat gerade entschieden, dass das kein
Grund ist, Untersuchungshaft fortdauern zu lassen. Das
halte ich auch für richtig. Also müssen wir die Justiz ef-
fektiver machen; wir müssen sie beschleunigen. Wir ha-
ben dazu einen umfassenden Entwurf vorgelegt. Keiner
kann sich dem Anliegen der Justizbeschleunigung ent-
ziehen, zuallererst nicht die Justizpolitik, aber auch nicht
die Justiz und auch nicht die Anwaltschaft. Reflexhafte
Besitzstandswahrung ist auch an dieser Stelle deplat-
ziert.

Auch die Regierung hat einen Entwurf vorgelegt. Wir
unterscheiden uns von Ihnen unter anderem darin, dass
Sie sehr anspruchsvoll im Titel sind – Justizmodernisie-
rung – und wir zum Ausgleich im Inhalt etwas an-
spruchsvoller sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihr Entwurf ist ja im Wesentlichen eine Sammlung tech-
nischer Kleinigkeiten. Viele mögen sich schon lange ge-
fragt haben: Was ist eigentlich die Vorstellung der Koali-
tion von Modernität? Das hat man lang nicht mehr
erfahren. Jetzt haben Sie ein Justizmodernisierungsge-
setz vorgelegt.


(Hermann Bachmaier [SPD]: Sie haben nichts als kalten Kaffee!)


Es ist eine Sammlung technischer Kleinigkeiten, ein ein-
drücklicher, überzeugender Nachweis der Vorstellung
von Modernität bei Rot-Grün in der Rechtspolitik. Es ist
sozusagen Ausdruck der neuen rechtspolitischen Be-
scheidenheit bei Ihnen, einen solchen bescheidenen Ent-
wurf Justizmodernisierungsgesetz zu nennen.

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(C (D Ich möchte Ihnen den Inhalt unseres Entwurfs, der die rdentliche Gerichtsbarkeit umfassend erfasst, kurz dargen. Das sind dann auch gleich die Unterscheidungserkmale im Vergleich zu Ihrem Entwurf. Dennoch gibt s auch Gemeinsamkeiten. Da wir das gleiche Ziel haen, sollten wir gemeinsam daran arbeiten, es zu erreihen. Aber in den Debatten sollten wir nicht nur die Geeinsamkeiten betonen – das tue auch ich –, sondern ns auch über die Unterschiede streitig auseinander seten. Erster Unterschied: Wir halten es für dringend gebo en, die Belastungen, die durch Ihre ZPO-Reform der etzten Legislaturperiode auf die Zivilgerichtsbarkeit zuekommen sind, zu korrigieren. Sie haben leider nicht en Mut zur Korrektur bewiesen. Die neue Justizminisrin hätte den Mut zur Korrektur aufbringen können und üssen; denn anderthalb Jahre nach In-Kraft-Treten der PO-Reform steht fest – über diesen Befund besteht ein Streit –, dass sich die obligatorische Güteverhandung und die Dokumentationspflichten, die Sie eingeührt haben, nachteilig ausgewirkt haben. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch noch gar keinen Befund!)


Sie haben durch diese Belastung praktisch das Gegen-
eil einer Justizbeschleunigung erreicht.


(Widerspruch bei der SPD sowie des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


er erste Schritt ist daher, dass wir das korrigieren, was
ie falsch gemacht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich beziehe den Bundesgerichtshof mit ein, weil sich

ach dessen Angaben diese Reform auch auf das höchste
eutsche Zivilgericht nachteilig ausgewirkt hat.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist ein bisschen Arbeit!)


Zu sagen, das sei ein „bisschen Arbeit“, ist eine sehr
ntspannte Art, wie ein ehemaliger Richter über Belas-
ngsklagen des höchsten deutschen Zivilgerichts redet.
ir sollten die Erfahrungen, die dieses Gericht gemacht
at, im Parlament ernst nehmen. Die Richter sagen ein-
eutig, dass eine neue Belastung für sie hinzu gekom-
en ist und dass sie in Zulassungsrevisionen und in
ichtzulassungsbeschwerden ertrinken. Dieses System
at sich nachteilig ausgewirkt. Wir korrigieren auch an
ieser Stelle.
Zweiter Unterschied: In der Tradition rot-grüner
echtspolitik nehmen Sie leider den Strafprozeß, wo ei-
entlich die größten Probleme liegen, fast komplett aus
hrem Entwurf heraus.


(Dr. Wolfgang Götzer [CDU/CSU]: Aus ideologischen Gründen!)


as hat etwas mit der strukturellen Handlungsschwä-
he von Rot-Grün auf dem Gebiet von Strafrecht und
trafverfahrensrecht zu tun. Sie sind sich politisch nicht
inig, weil Sie in Ihren Reihen – sowohl bei den Grünen
ls auch bei der SPD – Ideologen haben. Darum






(A) )



(B) )


Dr. Norbert Röttgen
kommen Sie nicht zu einem Ergebnis. Das ist der Fall
bei der Terrorismusbekämpfung, bei der Reform des Se-
xualstrafrechts und bei dieser Reform. Sie sind einfach
nicht handlungsfähig. Das geht zulasten des Landes,
weil Rot-Grün die Probleme nicht lösen kann. Es ist
doch nicht nachvollziehbar, dass es bei kleinen Delik-
ten drei Instanzen – Amtsgericht, Landgericht und
Oberlandesgericht –, aber bei großen Delikten nur zwei
Instanzen – Landgericht und Bundesgerichtshof – gibt.
Wir wollen das ändern; Sie wollen es bei dieser Asym-
metrie belassen.

Wir sagen auch an dieser Stelle: Es ist gerade im
Sinne des Opferschutzes wichtig, dass bereits im Straf-
prozess, wenn es um Gewaltverbrechen geht, auch zivil-
rechtliche Schadenersatzansprüche und Entschädigungs-
ansprüche verhandelt und entschieden werden, um dem
Opfer ein zweites Verfahren zu ersparen, in dem es wie-
der in die Opferzeugenrolle kommt, die eine Perpetuie-
rung seiner Verletzung darstellt. Wir wollen dem Opfer
schnell zur Genugtuung und zum Recht verhelfen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollten über die Differenzen reden!)


Entziehen Sie sich doch nicht diesen Vorschlägen, nur
weil sie von uns kommen! Sie sollten etwas mehr Sou-
veränität aufbringen!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will einen letzten Punkt nennen, bei dem Sie von

uns und auch von der Anwaltschaft scharfe Kritik hören
werden. Sie haben nämlich eine rechtsstaatlich nicht hin-
nehmbare Auszehrung des Zivilverfahrens verursacht,
indem Sie die Tatsachenfeststellungen aus dem Strafpro-
zess mit Wirkung für und gegen alle im Zivilverfahren
zwingend übernehmen wollen. Sie erstrecken damit die
Beweise aus dem Strafverfahren auf das Zivilverfahren,
auch wenn die Beteiligten dort keinen Anteil an der Ge-
winnung dieser Beweise hatten. Dadurch belasten Sie
den Bürger, der am Strafverfahren nicht beteiligt war,
mit der Last eines Gegenbeweises. Das ist rechtsstaat-
lich, wie gesagt, nicht hinnehmbar und eine Verletzung
des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs und elementarer
Beweisgrundsätze.

Verbunden mit der Möglichkeit, den Zeugen im Straf-
verfahren unmittelbar nicht mehr zu hören, sondern nur
noch das Vernehmungsprotokoll zu lesen, ist das eine
rechtsstaatliche Auszehrung des Zivilverfahrens. Es ist
der alte Geist aus der letzten ZPO-Reform in einer neuen
Flasche: rechtsstaatswidrig und praxisfern. Sie werden
von der Opposition die schärfste Kritik dazu hören. Wir
sind die Wahrer der rechtsstaatlichen Qualität im Zivil-
verfahren und im Strafverfahren.


(Lachen des Abg. Joachim Stünker [SPD])

Meine letzte Bemerkung. Wir sind für Beschleuni-

gung und Effektivität von Justiz, aber unter Wahrung der
rechtsstaatlichen Qualität unserer rechtlichen und jus-
tiziellen Institutionen. Dies unterscheidet uns im Kern.
Darum sage ich Ihnen: Bewegen Sie sich auf der Grund-
lage unserer Vorschläge auf uns zu! Wir laden Sie zu

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(C (D onstruktiven Gesprächen ein. Wir sollten zu einem guen Ergebnis im Interesse der Justiz und der Bürger komen. Herzlichen Dank. Herr Kollege Röttgen, die letzte Bemerkung war einrucksvoll wie manche zuvor auch, hätte aber ungefähr ine Minute vorher stattfinden müssen. Nun erteile ich dem Kollegen Stünker für die SPD raktion das Wort. (Zuruf von der SPD: Er bekommt auch eine Minute mehr!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505406800

Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1505406900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Röttgen,
enn man Ihren Gesetzentwurf aufmerksam gelesen hat
ich habe das getan –, dann stellen sich aus meiner Sicht
ür einen engagierten Rechtspolitiker vier Fragen. Die
rste ist: Warum wurde dieser Entwurf eigentlich ge-
chrieben? Die zweite ist: Wer hat den Entwurf geschrie-
en? Die dritte ist: Was ist der wesentliche Inhalt? Die
ierte ist dann die Gesamtbeurteilung.
Warum wurde dieser Entwurf eigentlich geschrieben?
azu muss man ein bisschen ausholen; Sie haben nur am
ande darauf hingewiesen. Die Bundesjustizministerin
at Anfang dieses Jahres den Anstoß zu einem Gesetz
ur Modernisierung der Justiz gegeben. Ich gebe zu:
er Name ist vielleicht ein bisschen zu anspruchsvoll.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU]: Das ist schon mal die erste Gemeinsamkeit!)


m Einvernehmen mit den Bundesländern sollen mit die-
em Gesetz sowohl in der ordentlichen Gerichtsbarkeit
ls auch in den Fachgerichtsbarkeiten überholte prozes-
uale Formalien verändert und die Effizienz der Verfah-
enssteuerung durch die Gerichte erhöht werden. Darü-
er hinaus soll ein weiterer großer Schritt auf dem Weg
er notwendigen Binnenreform der Justiz durch die wei-
ere Aufgabenverteilung zwischen Richtern und Staats-
nwälten einerseits und Rechtspflegern andererseits ge-
angen werden, ein Schritt, auf den die Praxis seit
ahrzehnten wartet.
Es soll also im Einvernehmen zwischen Bund und

ändern ein Gesetz beschlossen werden, das teilweise
uch der finanziellen Entlastung der Länder dienen soll.
as Kabinett hat diesen Gesetzentwurf am 28. Mai die-
es Jahres beschlossen. Er ist auf dem Weg und liegt ge-
enwärtig im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
em Bundesrat zur Stellungnahme vor.
Dieses einvernehmliche Verfahren gefiel dem Herrn
ollegen Dr. Röttgen nicht. Er bestand gegenüber den
nionsgeführten Ländern darauf: Wir müssen einen ei-
enen Entwurf vorlegen. – So liegt uns heute der Ent-






(A) )



(B) )


Joachim Stünker
wurf eines so genannten Justizbeschleunigungsgesetzes
vor. Allein den Namen dieses Gesetzes sollte man sich
auf der Zunge zergehen lassen: Die Justiz zu beschleuni-
gen, Herr Kollege Dr. Röttgen, ist eine wundersame Fü-
gung.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Mit Wettbewerb haben Sie so Ihre Probleme!)


Dieses Vorgehen hat zur Folge, dass sich diejenigen
Bundesländer, in denen Sie, Herr Kollege Röttgen, zu-
sammen mit der FDP regieren, von diesem Entwurf völ-
lig distanzieren und gesagt haben: Wir tragen so einen
Unsinn nicht mit. – Die Fachöffentlichkeit hat auf Ihren
Entwurf wirklich sehr kritisch und teilweise sogar ent-
setzt reagiert.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Die Anwaltschaft! Die Richterschaft nicht!)


Dies alles wären für sich allein schon Gründe genug da-
für, dass Sie Ihren Entwurf gleich nach der heutigen ers-
ten Lesung zurückziehen.

Wer hat den Entwurf geschrieben? Das ist eine span-
nende Frage. Nicht, wie im Impressum angegeben, Herr
Kollege Röttgen oder die CDU/CSU-Fraktion, sondern
dieser Entwurf ist eindeutig in einem der von der Union
geführten Landesjustizministerien geschrieben worden.
Das eröffnet sich jedem, der etwas von der Justizpolitik
versteht, und lässt sich in einzelnen Bestimmungen able-
sen, nämlich darin, dass einmal mehr ganz eindeutig
nicht die Rechtspolitik, sondern fiskalpolitische Über-
legungen die Feder geführt haben. Mit diesem Entwurf
haben Sie einmal mehr ein Armutszeugnis im Hinblick
auf Ihre rechtspolitischen Ansätze vorgelegt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Die dritte Frage lautete: Welchen Inhalt hat der Ent-
wurf, den Sie uns eben geschildert haben? Ich fasse ihn
etwas anders zusammen, als Sie es hier beredt getan ha-
ben. In großen Teilen ist Ihr Entwurf textgleich mit dem
schon angesprochenen Modernisierungsgesetz der Bun-
desregierung. Hier finden wir also den Teil, über den
sich das Bundesministerium der Justiz mit den Länder-
justizministerien geeinigt hat.

Im Übrigen beschränkt sich Ihr Entwurf ausschließ-
lich auf den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit
und lässt die Fachgerichtsbarkeiten völlig außen vor. Für
die ordentliche Gerichtsbarkeit wird nunmehr erneut
kräftig der Rotstift angesetzt – Herr Kollege Röttgen,
das ist der Hintergrund –, mit dem immer wieder gleich
lautenden Tenor, wie wir ihn aus der Unionsfraktion seit
den 80er- und 90er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts
– so darf ich heute sagen – kennen: Zur angeblichen Ent-
lastung der Justiz gibt es in Wirklichkeit weitere Ein-
schränkungen der prozessualen Rechte der Bürgerinnen
und Bürger.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Nennen Sie mal ein Beispiel!)



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(C (D Das nenne ich Ihnen gleich. – Sie wollen nicht Rechte usdehnen, sondern schränken sie ein. Wenn man Ihren Entwurf umsetzt, wird die Folge ein: Es kommt zu keiner Beschleunigung der Justiz, ondern zu einem Stellenabbau; die Arbeitsbelastung ird nach Pensen berechnet. Die Arbeit bleibt aber die leiche. Das heißt, die Belastung wird in der Praxis nur ine andere sein. Die Länder wollen damit im Ergebnis hre Haushalte ein Stück weit konsolidieren. So wollen Sie in der Zivilprozessordnung unsere Re orm genau dort zurückdrehen, wo wir für den prozesseteiligten Bürger mehr Transparenz und mehr Aufkläungsrechte geschaffen haben. Durch die Anhebung von treitwertgrenzen, die Sie eben verschwiegen haben, ollen darüber hinaus Rechtsmittelmöglichkeiten eingechränkt werden. Das Gericht soll zudem nicht entlastet, ondern belastet werden, indem die Spruchkörper bei en Landgerichten verkleinert werden sollen. Wann bereifen Sie endlich, dass die Verkleinerung von Spruchörpern keine Beschleunigung, sondern nur mehr Belasung bringt? Noch deutlicher wird dieser Weg, wenn man sich Ihre orschläge bezüglich der Strafprozessordnung ansieht. eilweise fordern Sie die Einschränkung von Verteidierrechten – ich gebe zu: moderat. Darüber hinaus fordern ie aber die Einschränkung der Rechtsmittelmöglichkeien durch eine völlig unverhältnismäßige Ausweitung er Annahmeberufung. Sie wollen den Rechtsmittelzug m Grunde bis zu 90 Tagessätzen dichtmachen. Der anze große Bereich der Verkehrsstraftaten wäre damit m Ergebnis nicht mehr rechtsmittelfähig. Ihre Kolleginen und Kollegen von der Anwaltschaft haben angeichts dessen mit Entsetzen die Hände über dem Kopf usammengeschlagen! Außerdem wollen Sie das Revisionsrecht einschrän en. Darüber hinaus fordern Sie etwas ganz Raffiniertes: ie Förderung von Schnellverfahren unter Verzicht auf inlänglich bestimmte Anklageschriften. Ich sage Ihnen ines: Wenn Sie zukünftig bei der Anklage vor dem chöffengericht das wesentliche Ergebnis der Ermittlunen weglassen wollen, dann können Sie das Schöffengeicht streichen, denn das brauchen Sie dann nicht mehr. as wäre die richtige Konsequenz. Das werden die Folgen Ihres Gesetzes sein. All dies ommt auf Samtpfoten daher. Ihr Anspruch der Justizbechleunigung führt zu nichts anderem als einer Bechränkung der Rechte der Bürgerinnen und Bürger. Zu Ihren Vorschlägen zur Zivilprozessordnung hat die undesrechtsanwaltskammer – Ihre Berufskollegen, err Kollege Röttgen – eine eindeutige Antwort gegeen. Diese möchte ich – mit Ihrer Genehmigung, Herr räsident – zitieren, weil das nicht besser gesagt werden ann. Dort heißt es: Die Auswirkungen des Zivilprozessreformgesetzes aus der letzten Legislaturperiode sind noch nicht evaluiert. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Richtig!)







(A) )



(B) )


Joachim Stünker
Alle Behauptungen in dem Gesetzentwurf, die auf
dieses Gesetz Bezug nehmen, entbehren jeder
rechtstatsächlichen Feststellung.

Genau das ist der Punkt, Herr Kollege Röttgen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dann kommt ein schöner Satz; den sollten Sie sich

aufschreiben:
Auf Meinungsäußerungen einzelner am Verfahren
Beteiligter sollte ein Gesetzeswerk nicht gestützt
werden.

Genau so ist es, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Weiter heißt es:
Änderungen der ZPO führen zur Belastung der
Wirtschaft und zur Schwächung des Wirtschafts-
standortes Deutschland.

Das sind keine Sätze, die der böse, ideologische Sozi-
aldemokrat Stünker sich ausgedacht hat, sondern das hat
die Bundesrechtsanwaltskammer in einer Stellungnahme
zu Ihrem Entwurf, Herr Kollege Röttgen, zum Ausdruck
gebracht.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das sind die Besitzstandswahrer!)


Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Im Übrigen sind alle Ihre Vorschläge nicht neu, es

sind alte Kamellen aus den 90er-Jahren. Der Kollege
Funke war damals Staatssekretär im Justizministerium.
Er kennt sie alle; all das ist schon damals diskutiert wor-
den. Schon damals sind Sie damit gnadenlos gescheitert;


(Jörg van Essen [FDP]: Zu Recht!)

denn Ihr so genanntes Justizentlastungsgesetz aus dem
Jahre 1993 war ein echter Flop. Wenn die Praxis vor Ort
liest, was Sie heute vorschlagen, wird sie sich nicht mehr
empören, weil die Menschen von Ihnen insoweit kaum
noch etwas anderes erwarten. Mit diesen Vorschlägen
werden Sie nur noch ein müdes Lächeln ernten, Herr
Kollege Röttgen.

Das sind alles alte Kamellen, über die wir schon lange
diskutierten,


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ja, wir müssen nicht mehr diskutieren! Wir müssen es machen!)


die schon vor Jahren verworfen worden sind, weil sie
nicht zum Erfolg führen.

Mit dem Entwurf drücken Sie sich wieder um den
entscheidenden Punkt herum: Sie wagen sich nicht an
wirkliche Strukturreformen in der ordentlichen Ge-
richtsbarkeit heran. Ihr Entwurf enthält kein Wort zur
Binnenreform in der Justiz. Durch die Vorschläge wird,
wie in den ganzen 90er-Jahren, die Arbeit von oben nach
unten verlagert werden, wodurch die Amtsgerichte zu-

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(C (D ätzlich belastet werden. Da bei den Amtsgerichten auch och Personal abgezogen werden wird und weniger Stelen zur Verfügung stehen werden, die Arbeit aber die leiche bleibt, wird das Ganze irgendwann zusammenrechen. Meine Damen und Herren, der Kollege Röttgen hat ben sinngemäß gesagt, Rot-Grün sei aus ideologischen ründen nicht in der Lage, in der Rechtspolitik rechtstaatsgemäße Gesetze auf den Weg zu bringen. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Im Strafrecht!)


Danke, im Strafrecht. – Ich möchte dazu abschließend
ine Anmerkung machen, die ich sehr ernst meine und
ber die wir gemeinsam nachdenken sollten. Ich habe,
enn ich mir die Praxis in der ordentlichen Gerichtsbar-
eit ansehe, zunehmend den Eindruck, dass die Gefahr
ür den Rechtsstaat weniger durch Straftaten droht als
ielmehr dadurch, dass im Bereich der unabhängigen
ustiz, der dritten Säule unserer Gewaltenteilung, die fi-
anziellen Mittel derart gekürzt werden, dass die Justiz
rgendwann nicht mehr in der Lage sein wird, ihre Auf-
aben sachgerecht zu erfüllen, Herr Kollege Röttgen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Darum müssen wir ja etwas machen!)


as ist der Hintergrund. Das bekommen wir nicht durch
ie von Ihnen vorgeschlagenen Regelungen in den Griff,
ondern nur dadurch, dass wir als Rechtspolitiker ge-
einsam aufstehen und den Ländern deutlich machen,
ass dieser Weg schädlich ist und dass es so nicht weiter-
ehen kann. Das wäre die richtige Entscheidung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will zum Schluss – Herr Präsident, ich bitte um
rlaubnis, das noch sagen zu dürfen; ich bin dann aber
m Ende meiner Rede – auf eine Pressemitteilung einge-
en, die die Justiz in Berlin betrifft. Daran sehen Sie,
ass ich diese Problematik nicht einseitig parteipolitisch
eurteile. Einer Meldung vom 25. Juni ist zu entnehmen,
ass der Präsident des Berliner Landgerichts, Herr von
renkmann, der Justizsenatorin deutlich gemacht hat,
ass es in der Justiz und bei den Strafkammern aufgrund
on Personalmangel unhaltbare Zustände gibt. Aus Per-
onalmangel könnten Verfahren nicht zu Ende geführt
erden, die Schwurgerichte müssten Personen aus der
aft entlassen, was sie eigentlich nicht wollten und was
echtsstaatlich höchst bedenklich sei. Das bekommt man
uch mit einem solchen Beschleunigungsgesetz nicht in
en Griff, sondern nur dadurch, dass man der Justiz die
essourcen gibt, die sie braucht, um ihre Aufgaben sach-
erecht zu erfüllen.
Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505407000


Nach zwei Rednern in dieser Debatte ein kurzer
wischenstand: Die Großzügigkeit des Präsidiums ist






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
gegenüber der Koalition etwas ausgeprägter als gegenü-
ber der Opposition.

Nun hat der Kollege Rainer Funke für die FDP-Frak-
tion das Wort.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1505407100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist

richtig: Die Justiz hat es verdient, dass sich die Politik
um sie kümmert. Der Gesetzgeber hat die erforderlichen
Maßnahmen zu treffen, damit unsere Justiz bürgernah
und leistungsfähig ist und bleibt.


(Beifall bei der FDP)

Von daher sind Debatten im Bundestag über die Zu-
kunftsfähigkeit der Justiz grundsätzlich zu begrüßen.

Der Anlass, der uns heute hier zusammenkommen
lässt, ist aber eher betrüblich, Herr Kollege Röttgen.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Union hat mit ihrem Entwurf eines Justizbeschleu-
nigungsgesetzes eine Initiative vorgelegt, von der sie
ganz genau weiß, dass die meisten der darin enthaltenen
Vorschläge in diesem Hause und auch in der Justiz keine
Zustimmung finden werden.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Justiz hat es verdient, dass sich die Politik mit Ernst-
haftigkeit und dem Willen zum Konsens ihrer Probleme
annimmt und nicht mit Populismus.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Entwurf der Union ist zu einer Konsensbildung
wahrlich nicht geeignet.

Herr Kollege Röttgen, wir beide waren bei der Novel-
lierung von Gesetzen in der letzten Legislaturperiode ge-
gen viele Vorschriften, die von der damaligen Justizmi-
nisterin hastig und ohne Notwendigkeit durchgepeitscht
worden sind.


(Joachim Stünker [SPD]: Na, na, na!)

– Ich betone: in der letzten Legislatiurperiode von der
damaligen Justizministerin. – Ich teile Ihre Bedenken.
Aber lassen Sie uns die Auswirkungen dieser Gesetzes-
änderungen erst einmal evaluieren und sehen, ob die be-
fürchteten Mängel tatsächlich alle aufgetreten sind.


(Zustimmung des Abg. Joachim Stünker [SPD])

Wenn das der Fall ist, dann lassen Sie uns gemeinsam
darangehen und die Mängel beseitigen. Lassen Sie sich
aber doch nicht zu solchen Schnellschüssen hinreißen,
ohne dass wir jemals die Chance der Evaluierung gehabt
haben.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Die Bundesregierung hat sich mit den Ländern auf eien Entwurf eines Gesetzes zur Justizmodernisierung eeinigt. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Mit welchen Ländern denn?)


ugegeben: Das ist nicht der große Wurf; er ist im Er-
ebnis eher sehr mager. Dennoch ist der Gesetzentwurf
rundsätzlich zu begrüßen, da es gelungen ist, zumindest
ie Punkte, die unstrittig sind, gemeinsam zu regeln. Da-
er trifft das Justizmodernisierungsgesetz – das ist ein
urchtbarer Name – auch auf die Zustimmung bei der
ustiz und der Anwaltschaft.
Mit ihrem Justizbeschleunigungsgesetz kündigt die
nion diesen Konsens jedoch wieder auf und trägt damit
ur Spaltung der Länder in dieser Frage bei.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Es gibt keinen Konsens mit den Ländern!)


Sie brauchen nicht zu lachen, Herr Röttgen. Zum Bei-
piel das unionsgeführte Land Hamburg wird Ihrem Ge-
etz im Bundesrat nicht zustimmen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Baden-Württemberg auch nicht! – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Es gibt unterschiedliche Vorstellungen!)


Der Entwurf der Union enthält einige Elemente, die
on der FDP abgelehnt werden. Exemplarisch nenne ich
ie Anhebung der Grenze für zulassungsfreie zivilrecht-
iche Berufungen auf 800 Euro, die Ausdehnung der An-
ahmeberufung im Strafprozess auf Verurteilungen bis
u 90 Tagessätzen und die Ausdehnung der Rechtsfolge-
ompetenz im beschleunigten Verfahren auf Freiheits-
trafe bis zu zwei Jahren ohne Bewährung. Dass Sie das
itmachen, kann ich unter rechtsstaatlichen Gesichts-
unkten überhaupt nicht mehr nachvollziehen.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Joachim Stünker [SPD]: Das ist unglaublich! Das ist ein Angriff auf den Rechtsstaat!)


Wenn die Union bei der Reform der Justiz rechtsstaat-
iche Grundsätze über Bord werfen will, dann kann sie
ei diesem Ansinnen nicht auf die Unterstützung der
DP hoffen.


(Beifall des Abg. Jörg van Essen [FDP] und des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


uch die Anwaltschaft hat zu Recht ihre Gefolgschaft
ersagt. Sie wissen, dass die Anwaltschaft wirklich im-
er sehr vorsichtig formuliert.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Mit der kriegen wir gar nichts hin! Das wissen Sie, Herr Funke!)


err Dr. Dombek als Präsident ist da immer sehr zurück-
altend. Aber so etwas Vernichtendes wie dieses






(A) )



(B) )


Rainer Funke
Gutachten habe ich schon seit langem nicht mehr von
der Bundesrechtsanwaltskammer gelesen.


(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Die wehren sich auch gegen Ihre Vorschläge!)


Gerade die für die Anwaltschaft wichtige Dokumenta-
tionspflicht für richterliche Hinweise will die Union
auch noch abschaffen. Das können Sie als Anwalt kaum
selber mitmachen.

Ich empfehle der Union, ihren Gesetzentwurf zurück-
zuziehen und auf der Grundlage des Justizmodernisie-
rungsgesetzes gemeinsam zu Lösungen zu kommen, die
wirklich geeignet sind, die Justiz zu modernisieren und
zukunftsfest zu machen. In diesem Rahmen kann die
Union auch ihre Vorstellungen zur Reform des Revi-
sionsrechts einbringen, zu der uns heute ja ein Antrag
vorliegt. Zu solchen Gesprächen ist wenigstens die FDP
gerne bereit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505407200


Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat
jetzt der Abgeordnete Jerzy Montag das Wort.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505407300

Herr Präsident! Ich hoffe auf die gleiche Nachsicht,

die meine Vorredner erfahren haben.
Meine Damen und Herren Kollegen! Auch ich frage

mich, was dieses Gesetz soll, über das wir heute beraten
müssen. Das Justizmodernisierungsgesetz der Bundes-
regierung – ich stimme der Kritik am Namen zu; es zeich-
net sich eine Allparteienkoalition zur Änderung des Na-
mens dieses Gesetzes im parlamentarischen Gang ab – ist
auf den parlamentarischen Weg gebracht. Die Länder
werden dazu etwas zu sagen haben. Sie haben ja schon
im Vorfeld sehr vielem zugestimmt.

Es gibt einen zu dem Gesetzentwurf der CDU/CSU
praktisch textidentischen Antrag im Bundesrat. Dazu
gibt es durchaus eine unterschiedliche Diskussionslage.
Auch einige CDU- bzw. CSU-geführte Länder sind zu
einigen Punkten, die Sie in Ihrem Gesetz haben, völlig
anderer Meinung.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Nein! Von allen gemeinsam getragen!)


Die StPO, die Strafprozessordnung, wird von dieser
Koalition in dieser Legislaturperiode auf der Grundlage
des vorliegenden Eckpunktepapiers umfassend refor-
miert werden. Es ist schon angesprochen worden: Ein
Textvergleich Ihrer Vorschriften mit dem, was hier in
den letzten zehn Jahren aus guten Gründen abgelehnt
worden ist, zeigt: Sie haben einfach nur aufgesammelt
und in ein Papier gepackt, was Sie dann als ein neues
Gesetz vorgelegt haben. Angesichts dieser Fakten frage
ich mich: Was soll das? Sie halten uns von der Arbeit ab!

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(C (D ie selber, Herr Kollege Dr. Röttgen, haben von der Zeit esprochen. Sie stehlen uns mit solchen Gesetzentwüren die Zeit, die wir eigentlich brauchen, um uns inhaltich mit der Justizreform zu beschäftigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zur ZPO will ich hier nur eines sagen: Die Bedenken
nserer Fraktion gegen die Bindung der Zivilgerichte an
echtskräftige Strafurteile – Ihr Vorschlag in § 286 Abs. 3 –
tehen in der Begründung Ihres eigenen Gesetzentwurfs.
uallererst die Mogelpackung beim Adressaten: „Das
ericht soll gebunden werden.“ Tatsächlich richtet sich
iese Vorschrift gegen eine der Prozessparteien. Ehrlich
äre es gewesen, wenn man geschrieben hätte: Der Be-
lagte in einem Zivilprozess ist mit einem Sachvortrag
usgeschlossen, wenn dieser in Widerspruch zu den Grün-
en eines rechtskräftigen Urteils in einem Strafprozess
teht, an dem er als Angeklagter beteiligt war. – Dann aber
ätten Sie auf den Tisch gelegt, wie intensiv Sie in den Zi-
ilprozess eingreifen, indem Sie der einen Partei des Zi-
ilprozesses Rechte nehmen, die die andere Partei be-
ommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie schreiben, dass die Beweislage im Strafprozess
esser sei als im Zivilprozess. Herr Dr. Röttgen, sie ist
öllig anders. Im Strafprozess ist der Kläger des Zivil-
rozesses Zeuge in eigener Sache. Darin liegen die
echtsstaatlichen Probleme der Übertragung dieser Ur-
eile.
Sie haben Beweisverwertungsverbote und Wahrunter-

tellungen in der Begründung als Probleme des Trans-
ers angesprochen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505407400


Herr Kollege, darf der Kollege Röttgen eine Zwi-
chenfrage an Sie richten?


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505407500

Ja.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1505407600

Herr Kollege Montag, da wir beide die unterschiedli-

hen Entwürfe gelesen haben, möchte ich Sie aufgrund
hrer Darstellung fragen, ob Sie mir in der Einschätzung
ustimmen, dass in unserem Vorschlag die Beweiserhe-
ungsautonomie sowie die Beweiswürdigungs- und Ent-
cheidungsautonomie des Zivilverfahrens voll erhalten
leiben. Das Zivilgericht entscheidet, welche Tatsachen
s aus einem vorhergehenden Strafprozess verwenden
öchte, es verfügt über die volle Autonomie, während
s im Gesetzentwurf der Bundesregierung eine gesetz-
ich angeordnete gegen alle inter-omnes-wirkende Be-
eiskraft der festgestellten Tatsachen im Strafverfahren
ibt. Stimmen Sie mir in der Einschätzung zu, dass das
us den von Ihnen gerade genannten Gründen der struk-
urellen Unterschiedlichkeit beider Verfahrensarten
echtsstaatlich inakzeptabel ist?






(A) )



(B) )


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505407700

Herr Dr. Röttgen, von der rechtsstaatlichen Inakzepta-

bilität will ich nicht reden. Ich gebe Ihnen aber zu, dass
wir gegen beide Vorschläge Bedenken haben. Sie gehen
in die gleiche Richtung und beziehen sich nicht so sehr
auf das Gericht und die Bindung, die es erfährt, sondern
sie beziehen sich auf die Tatsache, dass die Rechte einer
der beiden Parteien des Zivilprozesses beschnitten wer-
den, die die andere Partei des Zivilprozesses in vollem
Umfang hat. Insofern werden wir uns über die Vorschrift
im Justizmodernisierungsgesetz genauso zu unterhalten
haben wie über die Vorschrift in Ihrem Entwurf eines
Justizbeschleunigungsgesetzes.

Besonders putzig, Herr Dr. Röttgen, ist der Hinweis
in Ihrer Begründung, dass die Vorschrift natürlich auch
zugunsten des Angeklagten bei einem „Freispruch aus
erwiesener Unschuld“ wirken soll. Den Freispruch aus
erwiesener Unschuld gab es in der Strafprozessordnung
schon nicht mehr, als ich zu studieren angefangen habe.
Sie schreiben heute eine solche Formulierung in einen
Gesetzentwurf, wohl wissend, dass es in § 267 Abs. 5 le-
diglich um die Feststellung geht, dass die Unschuldsver-
mutung nicht widerlegt werden konnte. – So viel zum
Zivilprozess.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN sowie bei der SPD)


Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der
CDU/CSU, haben in Ihr Vorblatt Lyrik, Rechtsstaatslyrik,
hineingeschrieben. Sie sprechen von Straffung des Pro-
zessverlaufs unter Wahrung rechtsstaatlicher Erforder-
nisse. Sie wollen die berechtigten rechtsstaatlichen Inte-
ressen der Bürger wahren und die Wahrheitsfindung
nicht beeinträchtigen. Da, wo das Kleingedruckte steht,
reißen Sie Ihre Lyrik in jedem Punkt wieder herunter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich werde vom Präsidenten aufgefordert, zum Ende
meiner Rede zu kommen. Deswegen kündige ich Ihnen
an, in den nächsten Debatten, die wir zu diesem Thema
führen werden, meine Ausführungen zu § 26 a StPO und
zu Ihren die Rechte der Menschen beschneidenden For-
mulierungen in § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, der sich mit
dem Antragsrecht im Strafprozess – dem Mittelpunkt der
Rechte des Angeklagten – befasst, fortzusetzen.

Ich will Ihnen abschließend noch eines sagen, Herr
Dr. Röttgen: Ihr Gesetzentwurf ist entgegen der Lyrik
des Vorblatts von Ihrem Glauben beseelt, Sie könnten
die Justiz nur dann effektiver gestalten, wenn Sie die
Rechte der Beschuldigten beschneiden. Ich habe in allen
Aussprachen, die wir bisher zu diesem Thema hatten,
auf eine sachliche Diskussion gepocht. Wenn Sie uns
aber in der Öffentlichkeit Ideologie vorwerfen, dann
werden wir es Ihnen mit der gleichen Münze heimzah-
len. Sie von der CDU/CSU sind die Ideologen, das ha-
ben Sie mit diesem Gesetzentwurf bewiesen. Sie vertre-
ten die Ideologie des Rechtsstaatsabbaus. Deshalb:
Packen Sie Ihren Gesetzentwurf wieder ein!

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Mit so einer Bemerkung darf man die Redezeit nicht überziehen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505407800


Nachdem nun der Kollege Montag ganz unangefoch-
en die Spitze der überschrittenen Redezeiten übernom-
en hat, möchte ich den Aufruf des nächsten Redners
it der heimlichen Hoffnung verbinden, dass der Nach-
eis erbracht wird, dass ein Beitrag auch in der ange-
eldeten Redezeit erfolgen kann.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Es trifft immer den Kollegen Götzer! – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den letzten Redner beißen immer die Hunde!)



Dr. Wolfgang Götzer (CSU):
Rede ID: ID1505407900

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

m Gegensatz zum Kollegen Montag werde ich nicht
leich zu Beginn ankündigen, dass ich die Redezeit
berziehen werde. Ich möchte das zumindest offen las-
en.


(Heiterkeit im ganzen Hause)

Ich glaube, wir sind uns bisher wenigstens in einem

unkt einig: Die Belastung unserer Gerichte steigt von
ahr zu Jahr weiter an. Nicht zu Unrecht mahnen die
änder seit langem Entlastungsmaßnahmen für die
ustiz an. Die rot-grüne Justizreform, die etwa einein-
alb Jahre her ist, hat die Gerichtsverfahren weder ver-
infacht noch beschleunigt, sondern sie hat sie belastet
nd verzögert. Wir brauchen jetzt dringend umfassende
nd praktikable Lösungen, um der ständigen Überlas-
ung unserer Gerichte und der Staatsanwaltschaften wir-
ungsvoll begegnen zu können. Es ist gerade auch für
as Rechtsempfinden der Bürger wichtig, dass die Ge-
ichte künftig zügig entscheiden.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ja!)

eshalb müssen die Gerichtsverfahren beschleunigt und
estrafft werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regie-

ungskoalition, selbstverständlich werden wir dabei si-
herstellen, dass die Wahrheitsfindung und die berech-
igten rechtsstaatlichen Interessen der Bürger gewahrt
leiben.


(Joachim Stünker [SPD]: Aber nicht mit diesem Gesetzentwurf!)


Doch, auch mit diesem Gesetzentwurf.

(Joachim Stünker [SPD]: Nein!)


Dass die jüngste rot-grüne Reform unsere Justiz nur
nnötig belastet hat, gesteht die Bundesjustizministerin
ndirekt eigentlich ein; denn sonst würde sie nicht schon
ieder ein neues Gesetz zu diesem Thema vorlegen. Zu
mfassenden und konsequenten Reformen reicht es aber
eder im Zivil- noch im Strafverfahren. Der große Wurf
st dieses Justizmodernisierungsgesetz ganz bestimmt






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Götzer
nicht. Schon sein Titel ist geradezu verwegen; Herr
Stünker, Sie haben darauf hingewiesen.


(Joachim Stünker [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!)


– Sie haben aber eine frühe Einsicht gezeigt und wollen
den Titel jetzt offensichtlich umschreiben.

Der Entwurf unseres Justizbeschleunigungsgesetzes
hält dagegen, was sein Name verspricht. Er bringt um-
fassende und praxisnahe Erleichterungen.


(Joachim Stünker [SPD]: Nein!)

Kollege Dr. Röttgen hat bereits die zivilprozessualen As-
pekte angesprochen. Deshalb möchte ich einige Worte
zum strafrechtlichen Schwerpunkt des Gesetzentwurfs
der Unionsfraktion sagen.

Während Sie sich in dem so genannten Justizmoder-
nisierungsgesetz im Wesentlichen damit begnügen, ei-
nige Vorschläge aufzugreifen, die vom Bundesrat in den
letzten Jahren gemacht worden sind, ist der von uns vor-
gelegte Entwurf nicht nur viel umfassender, sondern
auch weitreichender. Ich beschränke mich auf einige we-
nige Beispiele.

Durch die in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Än-
derungen bezogen auf die Hauptverhandlung wollen wir
die Möglichkeit schaffen, künftig auf die Hinzuziehung
der Urkundsbeamten zu verzichten. Das sehen Sie
zwar auch in dem Justizmodernisierungsgesetz vor,


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


aber Sie verzichten nicht auf die Notwendigkeit der Ab-
fassung eines Inhaltsprotokolls. Wir meinen: Eine Ent-
lastung kann doch nur gelingen, wenn der Strafrichter
nicht unbedingt ein umfangreiches Inhaltsprotokoll dik-
tieren muss. Solange dies nötig ist, wird ein Richter
kaum auf einen Protokollführer verzichten.


(Abg. Joachim Stünker [SPD] nickt)

– Kollege Stünker nickt aus Erfahrung. Er würde wohl
auch so handeln.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Er nimmt den Inhalt erstmalig zur Kenntnis! – Joachim Stünker [SPD]: Wir haben Ihnen die StPO-Reform doch angekündigt!)


– Ja, wir harren gebannt. Wir sitzen vor den Computern
und warten täglich darauf, dass wir sie abrufen können.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Die Ankündigung ist schon eine Legislaturperiode alt!)


– Ja.

(Joachim Stünker [SPD]: Nein, nein!)


– Die Ankündigungen hören wir schon lange.

(Joachim Stünker [SPD]: Nein, wir sind genau im Zeitplan!)

Wir sind schon ganz wild darauf, Näheres zu erfahren.

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(C (D Lassen Sie mich noch etwas zu den Tilgungsfristen ür die Zentralregister sagen. Auch hier wollen wir ine Änderung vornehmen. Nach geltendem Recht sind ie Eintragungen im Verkehrszentralregister nach Abuf bestimmter Fristen zu tilgen, wenn es zu keinen euen Eintragungen gekommen ist. Da jede Neueintraung die Rechtskraft der Entscheidung voraussetzt, aniiert das geltende Recht dazu, die Verfahren wegen euer Zuwiderhandlungen zu verzögern, damit die Einagung zu spät erfolgt. Auch hier ist der Entwurf des Justizmodernisierungs esetzes unzureichend. Er ist lediglich dazu geeignet, die ilgung der früheren Eintragung zu verhindern. Das geügt aber nicht. Wir brauchen auch eine Änderung beim erwertungsverbot. Nur wenn das jetzt geltende Verwerngsverbot durchbrochen wird, entfällt der Anreiz, das erfahren zu verzögern. Deshalb enthält unser Gesetzntwurf eine entsprechende Neuregelung. Die von uns vorgesehene Neustrukturierung der echtsmittel im Strafverfahren ist ebenfalls ein wichger Gesichtspunkt. Nach dem geltenden Recht gibt es ei Verfahren, die beim Amtsgericht beginnen, drei Intanzen, während es bei Strafsachen, die erstinstanzlich or dem Landgericht verhandelt werden, nur zwei Intanzen gibt. Wir alle haben uns schon als Studenten daüber gewundert, warum das so ist. Jetzt wollen wir iese Schieflage beseitigen. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt in der Opposition wollen Sie das tun! Die letzten 30 Jahre sind Sie nicht dazu gekommen!)


Seien Sie froh, dass wir uns dieses Themas annehmen.
ie wollen gar nichts machen. Das Thema Rechtsmittel
Strafverfahren taucht in Ihrem Gesetzentwurf, Herr
ollege Montag, überhaupt nicht auf. Angesichts der Er-
ahrungen mit Ihren Vorschlägen zum Thema dreiglied-
iger Gerichtsaufbau in der letzten Legislaturperiode
ann man allerdings nur sagen: Es ist auch besser, dass
ie sich in Ihrem Entwurf dazu nicht äußern. Wir jeden-
alls legen etwas zu den Rechtsmitteln im Instanzenweg
or.
Es kann doch nicht sein, dass jemand, der sich eines

leinen Vergehens schuldig gemacht hat – Stichwort
Ladendieb“ –, drei Instanzen zur Verfügung hat, wäh-
end ein Schwerverbrecher – beispielsweise ein Mörder –
ur zwei Instanzen durchlaufen kann. Deshalb wollen
ir in Anlehnung an das Jugendstrafrecht ein Wahl-
echtsmittel einführen. Dem Beschuldigten und der
taatsanwaltschaft sollen künftig entweder Berufung
der Revision gegen ein erstinstanzliches Strafurteil zu-
tehen. Das heißt, dass sie nur noch ein Rechtsmittel zur
ahl haben. Das wird zu einer deutlichen Entlastung

ühren.
Lassen Sie mich nur noch in Stichworten weitere

unkte aus unserem Entwurf nennen. Wir wollen die
egelung über die zulässige Dauer der Unterbrechung
er Hauptverhandlungen lockern, damit künftig Schie-
etermine möglichst vermieden werden können. Wir
ollen den Bereich der Annahmeberufung auf Verurtei-






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Götzer
lungen bis zu 90 Tagessätzen ausweiten. Wir wollen den
Strafbefehl stärker zur Anwendung kommen lassen. Er
soll künftig auf zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstra-
fen bis zu zwei Jahren ausgedehnt werden. Wir wollen
die Rechtsfolgenkompetenz im beschleunigten Verfah-
ren erweitern und auf Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren
erstrecken. Das dient dem Opferschutz und auch dem Si-
cherheitsbedürfnis der Bevölkerung.

Ich hoffe, dass sich die Koalition in den weiteren Be-
ratungen unseren sinnvollen und effektiven Vorschlägen
nicht verschließen wird.

Ich möchte zum Schluss eines sagen: Das, was sich
dieser Tage – es ist schon angesprochen worden – in
Berlin ereignet hat, dass ein wegen Totschlags Ange-
klagter wegen Überlastung des Gerichts, das sich nicht
in der Lage sah, einen Termin für die Hauptverhandlung
anzuberaumen, aus der Untersuchungshaft entlassen
wurde, darf sich in unserem Lande nicht wiederholen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist die Wirklichkeit!)


Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat mit Ihrem Gesetz nichts zu tun!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505408000


Für die Bundesregierung spricht nun der Parlamenta-
rische Staatssekretär Alfred Hartenbach.

A
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1505408100


Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrtes Präsidium!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eigentlich ge-
dacht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/
CSU, dass wir heute über Ihren Gesetzentwurf reden.
Aber Sie haben ständig das Justizmodernisierungsgesetz
angesprochen. Dazu kommen wir demnächst. Vielleicht
wird ja Herr Gehb zu Ihrem Gesetzentwurf sprechen.

Ihr Gesetzentwurf ist die Kopie einer bayerischen
Bundesratsinitiative. Als Jungsozialisten haben wir im-
mer eine Doppelstrategie geübt. Das scheint auch bei Ih-
nen der Fall zu sein. Ich sage Ihnen voraus: Dies wird
ein Doppelflop werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Inhalt Ihres Gesetzentwurfs ist, wie so oft, zu einem
guten Teil aus früheren gescheiterten Gesetzesinitiativen
aus Ihren Reihen oder aus den Ländern altbekannt. Es
hat den Anschein, als hätten Sie die Rechtspolitik als
olympische Disziplin entdeckt: Dabei sein ist für Sie al-
les. Inhaltlich war Ihr Motto ja schon immer: schneller,
härter, schlechter.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Vor allem im Strafprozessrecht wiederholen Sie un-
brauchbare Vorschläge aus der vergangenen Legislatur-

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(C (D eriode, von denen Sie genau wissen, dass die Sachvertändigen sie bei der Bundestagsanhörung im Juni 2000 um Teil als bereits im Grundsatz verfehlt und kontraroduktiv abgelehnt haben. Das gilt für Ihre Idee, die Grenzen der Annahmebe ufung von derzeit 15 auf 90 Tagessätze Geldstrafe anuheben. Sie gefährden damit den Rechtsschutz, die ualitätskontrolle und die Einheitlichkeit der Rechtsprehung; denn immerhin betrifft dies 90 Prozent aller eldstrafen. Unbrauchbar ist auch Ihr Vorschlag, im Strafbefehls erfahren einen Strafausspruch von über einem Jahr zuulassen. Freiheitsstrafen von über einem Jahr, die Sie er Strafbefehl verhängen wollen, können nur unter ganz esonderen Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt erden. Wie aber soll ein Gericht zu einer Bewährungsrognose kommen, wenn es nur die Akten, nicht aber en Angeklagten vor sich hat? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine echte Justizbremse sind Ihre Vorschläge zu den
nklageschriften, die ohne wesentliches Ermittlungser-
ebnis zum Schöffengericht gehen sollen. Das Schöf-
engericht befasst sich mit mittlerer oder schwerer Kri-
inalität mit oft umfangreichen Sachverhalten. Eine
usammenfassung des wesentlichen Ermittlungsergeb-
isses ist sinnvoll, damit sich das Gericht für die Eröff-
ungsentscheidung rasch ein Bild von der Sache machen
ann. Das dient der Beschleunigung. Mit Ihrem Vor-
chlag verschieben Sie nur die Belastung von der Staats-
nwaltschaft auf das Gericht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


hre Vorschläge zum Jugendstrafrecht sehe ich mehr
ls kritisch, so wie fast alles, was von Ihnen zum Ju-
endstrafrecht kommt wenig durchdacht erscheint.


(Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut!)

Haftbefehl im vereinfachten Jugendverfahren – das

ört sich zunächst gut an. Natürlich ist eine möglichst
eitnahe Reaktion auf begangenes Unrecht erzieherisch
ünschenswert. Die Beschleunigung von Jugendstraf-
erfahren darf aber nicht zum Selbstzweck werden. Es
eht im Jugendstrafrecht doch darum, zu verhindern,
ass erneut Menschen Opfer von Straftaten werden, dass
ugendliche erneut straffällig werden. Es ist deshalb fa-
al, wenn Sie die bekannten schädlichen Nebenfolgen
es Vollzugs und gerade der Untersuchungshaft, die eine
esozialisierung gefährden, einfach ausblenden. Wahr-
cheinlich gehen Sie nach dem Motto vor: U-Haft
chafft Rechtskraft. Ich verstehe nicht, wie Sie so tun
önnen, als seien alle empirischen Erkenntnisse der Ju-
endkriminologen einfach irrelevant. Es gilt im Jugend-
trafrecht völlig zu Recht der Grundsatz der Haftvermei-
ung. Das gilt besonders für das vereinfachte
ugendverfahren, in dem nur Sanktionen unterhalb der
ugendstrafe verhängt werden dürfen.
Über die Zulassung des vereinfachten Jugendver-

ahrens für Heranwachsende können wir reden. Aber






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
dann sollten wir auch darüber nachdenken, das beschleu-
nigte Verfahren in den Fällen ausdrücklich auszuschlie-
ßen, in denen Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt
und damit das vereinfachte Jugendverfahren als eine an-
gemessene Alternative zur Verfügung steht. Immerhin
ist es erfreulich, dass Sie mit diesem Vorschlag offenbar
etwas von Ihrer Forderung abrücken, auf Heranwach-
sende grundsätzlich nicht mehr das Jugendstrafrecht an-
zuwenden.

Noch ein paar Worte zum Ordnungswidrigkeitengesetz.
Hier sind wir erfreulicherweise etwas näher beieinander.
Insbesondere können wir die von Ihnen vorgeschlagene
nochmalige Ausdehnung des Einzelrichterprinzips bei
den Oberlandesgerichten als sinnvoll mittragen.

Nicht überzeugt sind wir jedoch von Ihrer Forderung,
die Rechtsmittelgrenzen für den Zugang zur zweiten
Instanz, also den Oberlandesgerichten, erneut deutlich
anzuheben. Sie wissen – Herr Dr. Röttgen, Herr Dr. Götzer
und Herr van Essen waren damals dabei –, dass wir 1998
in einem breiten parlamentarischen Konsens die Gren-
zen bereits mehr als verdoppelt haben. Ich habe im
Gesetzgebungsverfahren damals sehr eng mit Ihrem
Fraktionskollegen Freiherr von Stetten senior zusam-
mengearbeitet. Wir beide haben die Sache damals ver-
handelt. Wir waren uns einig, dass eine weitere Anhe-
bung der Rechtsmittelgrenzen nicht sinnvoll ist. Das
Gesetz von 1998 hat dann auch zu einem spürbaren
Rückgang der Rechtsbeschwerden um 25 Prozent ge-
genüber 1996 geführt. Eine erneute Verdoppelung würde
in der Praxis im Straßenverkehrsbereich nahezu alle
Geldbußen und Fahrverbotsfälle aus der zulassungs-
freien Rechtsbeschwerde ausnehmen. Nachdem die an
sich so wortgewaltigen Automobilclubs bisher zu die-
sem echten Hammer in Ihrem Gesetzentwurf nichts ge-
sagt haben, möchte ich Sie hier im Interesse der Auto-
fahrer um etwas mehr Zurückhaltung bitten.

Ich greife noch einige Beispiele aus der Zivilprozess-
ordnung heraus, weil mir noch etwas Zeit verbleibt.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Man kann auch früher aufhören!)


– Sie sollten lieber nachdenken als quatschen. – Sie wol-
len die Dokumentationspflicht für richterliche Hinweise
sowie die obligatorische Güterverhandlung, beides erst
mit der ZPO-Reform am 1. Januar 2002 eingeführt, wie-
der abschaffen und das, nachdem vor wenigen Monaten
bereits ein gleichlautender Gesetzesantrag aus Hessen
nicht einmal die Ausschussberatungen im Bundesrat
überstanden hat.

Es ist sachwidrig, jetzt aus der ZPO-Reform willkür-
lich einzelne Bausteine herauszubrechen. Mit der Ab-
schaffung der Dokumentationspflicht für richterliche
Hinweise erreichen Sie nur, dass der erstinstanzliche
Richter in Streitfällen von der Berufungsinstanz als
Zeuge über die Hinweiserteiler vernommen werden
müsste. Sie erweisen der Richterschaft mit diesem Ge-
setzesantrag einen Bärendienst.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D berdies bleibt die schriftliche Fixierung richterlicher inweise auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelunen ein Gebot des sachgerechten und transparenten richerlichen Handelns. Durch die ZPO-Reform ist dies leiglich gesetzlich fixiert worden. Ihr Vorschlag schafft a nur neue Zweifel. Nach Ihrem Gesetzentwurf sollen die Richter von der flicht entbunden werden, Hinweise so früh wie möglich u erteilen. Dabei ist die straffe Prozesssteuerung durch rühe und zweifelsfrei dokumentierte richterliche Hineise notwendig. Dadurch werden die Prozesse bechleunigt und die Rechtsmittel tendenziell reduziert. it dem Streichen der Hinweispflicht machen Sie Ihr so enanntes Justizbeschleunigungsgesetz ur Justizbremse. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sie haben dieselbe Rede schon einmal gehalten!)


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Zur Bremse!)


Hören Sie gut zu, Herr Kollege Gehb!
Es kommt noch schlimmer. Der Entwurf will den Par-

eien das Recht nehmen, auf einen Hinweis des Gerichts
chriftlich zu antworten. Damit tangieren Sie den An-
pruch der Parteien auf rechtliches Gehör, das zu den
rundrechten der Justiz gehört. Welchen Sinn hat ein
ichterlicher Hinweis, zu dem die Partei nicht mehr
chriftlich Stellung nehmen darf? Dieses Vorhaben ist
ürgerfeindlich und in verfassungsrechtlicher Hinsicht
edenklich. Mit dieser Formulierung bin ich noch sehr
orsichtig.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zu Ihrem An-

rag, der heute unterzugehen scheint. Der BGH bewäl-
igt seine Arbeit. Im Jahr 2001 gab es 4 400 Revisionen
um BGH. 2002 waren es 4 592 Revisionen plus Nicht-
ulassungsbeschwerden. Das sind 4 Prozent. Wie man
abei von „Ertrinken“ reden kann, Herr Dr. Röttgen,
leibt Ihnen vorbehalten zu erläutern. Im Übrigen ist
em BGH ein Hilfssenat bewilligt worden, der diese Ar-
eiten mit erledigt.
Verehrter Herr Präsident, ich will Ihnen einen großen
efallen tun und unterhalb einer einminütigen Über-
chreitung der Redezeit bleiben.
Alles in allem ist das so genannte Justizbeschleuni-

ungsgesetz, das Ihnen als Reaktion auf unser Justizmo-
ernisierungsgesetz, das wir demnächst beraten werden
nd ein wirklicher Erfolg werden wird, eingefallen ist,
ine ausgesprochene Justiz- und Rechtsschutzbremse.
Nachdem Sie heute gemerkt haben, dass die FDP

icht mitzieht – vermutlich wird das Vorhaben auch im
undesrat nicht die notwendige Mehrheit erhalten –, for-
ere ich Sie auf, Herr Dr. Röttgen: Seien Sie ein Mann!
iehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU]: Weil die FDP nicht zustimmt?)


War ich einigermaßen anständig, Herr Präsident?






(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505408200


Sie waren zwar einigermaßen anständig, aber das Fi-
nale Ihrer Rede hat die alte Lebensweisheit bestätigt,
Herr Staatssekretär, dass man mit Ankündigungen vor-
sichtig sein soll, vor allem wenn man sie selber einlösen
muss.


(Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär: Darf ich mich in aller Form entschuldigen?)


Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
der Kollege Dr. Jürgen Gehb für die CDU/CSU-Fraktion
das Wort.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1505408300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach ei-

nem solchen rhetorischen Feuerwerk, wie es der Staats-
sekretär abgebrannt hat, fällt es sicherlich jedem Redner
schwer, darauf zu replizieren.

Herr Hartenbach, Sie haben übrigens ungefähr das-
selbe vorgebracht wie in der 789. Sitzung des Bundesra-
tes am 20. Juni dieses Jahres. Deswegen habe ich Teile
Ihrer Rede, zum Beispiel hinsichtlich der Justizbremse,
vorwegnehmen können.

Ich möchte – auch für die Zuschauer – einmal etwas
anders beginnen als sonst. Ich möchte nämlich eine
Szene simulieren, die man in deutschen Gerichtssälen im
Amtsgericht oder im Landgericht täglich sehen kann:

Ich rufe auf die Sache Hartenbach ./. Stünker,
Az.: 14 O 237/03. – Die Herrschaften treten ein. Es be-
ginnt die mündliche Verhandlung. Wie immer ist die
Klage des Klägers Hartenbach nur teilweise schlüssig,
aber die Erwiderung des Beklagten Stünker auch nur
teilweise erheblich. Aus diesem Grunde führt der Rich-
ter mit den beiden Beteiligten ein Rechtsgespräch und
diktiert nach einer halben Stunde etwa Folgendes:

In dem Zivilstreitverfahren Hartenbach ./. Stünker
schließen die Beteiligten nach eingehender Diskussion
der Sach- und Rechtslage folgenden Vergleich:

Erstens. Zur Abgeltung aller mit der Klage geltend
gemachten Ansprüche zahlt der Beklagte an den Kläger
Euro 900.

Zweitens. Von den Kosten des Verfahrens trägt der
Kläger ein Drittel, der Beklagte zwei Drittel.

Drittens. Den Beteiligten bleibt vorbehalten, den Ver-

(Schriftsatzeingang bei Gericht)



(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sind wir hier bei den „Wasserwerkern“?)


Laut diktiert und genehmigt, vorgelesen und be-
schlossen. – So stellte sich die Situation vor der ZPO-No-
vellierung dar.


(Joachim Stünker [SPD]: Heute auch!)

Das Gesetz sah vor, dass der Richter in jeder Phase

des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Streits
hinwirkt.

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(C (D (Joachim Stünker [SPD]: So ein Unfug! Ein bisschen mehr Substanz hätte man wohl erwarten können!)


amit wurde an das Verhandlungsgeschick, an die Rou-
ine und an das Fingerspitzengefühl der Richter appel-
iert und auf ihre Erfahrung und Souveränität, ein
echtsgespräch zu leiten und nicht alle drei Minuten ei-
en richterlichen Hinweis zu protokollieren.


(Joachim Stünker [SPD]: Wovon redet der?)

Diese Vorgehensweise wird dadurch verhindert, dass
an solch eine Verfahrensweise formalisiert, den Rich-
er damit drangsaliert und alle Beteiligten damit kujo-
iert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kollege, kommen Sie endlich zur Sache!)


enau das haben Sie mit der ZPO-Reform durch die
inführung der Pflicht zur Dokumentierung von Hin-
eisen und durch die Einführung der obligatorischen

rühen Güteverhandlung geschafft. Unser Gesetzent-
urf sieht mindestens die Wiederherstellung des Status
uo ante als einen Beschleunigungseffekt vor. Schon
eshalb würden bei seiner Verabschiedung alle Betroffe-
en aufatmen.
Ich bin immer noch als Rechtsanwalt in Kassel foren-

isch tätig. Dort gibt man mir sozusagen Laufzettel mit
uf den Weg in dieses Parlament in Berlin. Einer dieser
aufzettel enthielt zum Beispiel den Wunsch, den Rich-
er an Amtsgerichten und Landgerichten mir gegenüber
eäußert haben: Herr Gehb, sorgen Sie doch einmal da-
ür, dass endlich Schluss ist mit dem Argwohn und dem
isstrauen der SPD und der Grünen – sie meinen ja,
an müsse jedes Jota schriftlich fixieren – gegenüber
ns Richtern! Ich denke, dass die Richter in den vergan-
enen Jahren und Jahrzehnten auch ohne Dokumenta-
ions- und ohne Protokollpflicht in der Lage waren, in je-
er Phase des Verfahrens eine gütliche Beilegung des
treites zu erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Nun komme ich zu einem Wunsch, der schon vor län-

erer Zeit von meinem früheren Ausbilder, dem Richter
ohl – Herr Hartenbach, auch Sie kennen ihn –, geäußert
urde. Er sagte: Lieber Herr Gehb, sorgen Sie dafür,
ass die Frist, die bei Strafprozessen eine Unterbre-
hung von maximal zehn Tagen vorsieht, endlich ein
isschen verlängert wird. Für diejenigen, die sich nicht
uskennen: Bisher ist es für Strafprozesse so geregelt,
ass spätestens am elften Tag nach einer Unterbrechung
ine Hauptverhandlung anberaumt werden muss, weil
nsonsten die Gefahr besteht, dass der ganze Prozess
ieder von vorne aufgerollt werden muss. Ich weiß, dass
hr Entwurf eines Justizmodernisierungsgesetzes nun
uch eine Verlängerung der Frist vorsieht. Auf meine
nfrage aus der letzten Legislaturperiode vom
1. August, ob solch eine Verlängerung möglich sei, ant-
ortete der Staatssekretär Pick in der Bundestagsdrucksa-
he 14/6451, Seite 9, dass dies nicht der Fall ist.






(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
Jetzt tingelt die neue Ministerin durch die Lande und
tut so, als sei diese Initiative auf ihrem Mist gewachsen.
Die Entwicklungsgeschichte, die Genesis des
§ 229 StPO geht auf alle möglichen Leute zurück, nur
nicht auf Mitglieder dieser Bundesregierung und schon
gar nicht auf Mitglieder der Fraktionen der SPD oder der
Grünen. Die Begründung Ihres Gesetzentwurfs auf
Seite 56 der Bundesratsdrucksache zeigt, dass Sie gar
nicht verstanden haben, worum es geht. Da kann man
nämlich lesen – ich dachte zuerst, es sei ein Beitrag aus
einer Büttenrede –, § 229 StPO sei deshalb zu ändern,
damit dem Gericht ein Gerichtssaal zur Verfügung ge-
stellt werden könne. Das ist ja ein Stück aus dem Toll-
haus.

Die richtige Begründung, die Ratio Legis, ist natür-
lich eine andere: Es soll vermieden werden, dass der
Richter am elften Tag nach einer Unterbrechung ledig-
lich einen so genannten Schiebetermin anberaumt, um
irgendeinen Schriftsatz auszuhändigen und damit – Herr
Hartenbach, werden Sie nicht ungeduldig; Sie kommen
gleich dran – den Folgen des Überschreitens der Unter-
brechungsfristen zu entgehen. Das ist der Sinn dieser
Regelung, nicht das Vorhalten von Gerichtssälen.

Herr Hartenbach, bitte.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505408400


Das Präsidium ist immer ganz gerührt, wenn notwen-
dige geschäftsleitende Bemerkungen bilateral, also von
Rednern und Zwischenrufern, abgewickelt werden.

Hiermit erteile ich dem Kollegen Hartenbach das
Wort zu einer Zwischenfrage.


Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1505408500

Herr Präsident, ich bedanke mich sehr herzlich. –

Herr Dr. Gehb, warum reden Sie eigentlich dauernd über
unseren Entwurf eines Justizmodernisierungsgesetzes,
der heute überhaupt nicht zur Debatte steht, und nicht
über die Segnungen und Vorzüge Ihres Entwurfs eines
Justizbeschleunigungsgesetzes?


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1505408600

Herr Hartenbach, Herr Staatssekretär Hartenbach, lie-

ber Alfred Hartenbach, wenn Sie so gewissenhaft zuge-
hört hätten, wie Sie eben gewissenhaft das vorgelesen
haben, was Sie schon einmal vorgelesen haben, dann
hätten Sie mitbekommen, dass ich sehr wohl über unse-
ren Gesetzentwurf geredet habe, der die Aufhebung von
Teilen der ZPO-Novelle vorsieht. Dann hätten Sie auch
gemerkt, dass ich sehr wohl darüber geredet habe, dass
wir eine Änderung des § 229 StPO wollen, und dass ich
lediglich auf einen der intelligenten Einwürfe und Zu-
rufe Ihrer Kollegen hin auf Ihr Justizmodernisierungsge-
setz eingegangen bin. Sonst hätte ich es nicht für wert
gehalten, überhaupt in meiner Rede darauf einzugehen.

Herzlichen Dank.
Es ist schönes Wetter und ich wünsche ein schönes

Wochenende.

(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen uf den Drucksachen 15/999 und 15/1098 an die in der agesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Sportausschusses Unterrichtung durch die Bundesregierung 10. Sportbericht der Bundesregierung – Drucksachen 14/9517, 15/345 Nr. 14, 15/952 – Berichterstattung: Abgeordnete Dagmar Freitag Klaus Riegert Winfried Hermann Detlef Parr Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der arlamentarischen Staatssekretärin Ute Vogt. U Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol egen! Sport stärkt Arme, Rumpf und Beine, kürzt die öde Zeit und er schützt uns durch Vereine vor der Einsamkeit. o hat Joachim Ringelnatz schon vor vielen Jahrzehnten ich glaube: sehr treffend – die Vielseitigkeit und die roße Bedeutung von Sport und sportlichen Aktivitäten n Vereinen, aber auch für die gesamte persönliche Enticklung auf den Punkt gebracht. Ich bin über die heutige Debatte froh, weil sie auch eigt, dass der Beitrag der deutschen Innenpolitik zum eutschen Sport enorm groß ist. Wir sind nicht nur für ie innere Sicherheit, sondern auch dafür zuständig, dass er innere Zusammenhalt und das Gemeinschaftsgefühl urch Sport und sportliche Aktivitäten gestärkt werden. enn man den 10. Sportbericht der Bundesregierung auf eite 22 aufschlägt, dann sieht man eine beeindruckende ilanz. Wir sind stolz auf den Aufwuchs der Mittel, die ir dem Sport zur Verfügung stellen können. Im Verleich zum Berichtszeitraum der Vorgängerregierung on 1994 bis 1997 ist ein Zuwachs von 17 Prozent zu erzeichnen. Das macht sich auch an dem hohen Niveau emerkbar, auf dem wir die deutschen sportlichen Leisungen halten konnten. Der Bericht zeigt außerdem, dass ir seit unserer Übernahme der Regierungsverantworung die richtigen Schwerpunkte gesetzt haben – davon onnte der Leistungssport sehr stark profitieren – )

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505408700
Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1505408800

(Detlef Parr [FDP]: Auch schon vorher!)





(A) )


Parl. Staatssekretärin Ute Vogt
und dass wir die Spitzensportförderung weiterhin als
eine der wichtigen und zentralen Aufgaben unserer Re-
gierungspolitik sehen.

Es geht hier um ein Themenfeld – das möchte ich aus-
drücklich betonen –, bei dem die betroffenen Fachver-
bände immer konstruktiv mit uns zusammenarbeiten.
Wir erleben das nicht zuletzt bei der Vergabe der Mittel.
Im Gegensatz zu vielen Fachbereichen, die andere Res-
sorts zu begleiten haben, bedanken sich die Fachver-
bände des Sports bei jeder Veranstaltung und machen
deutlich, dass die Politik des Bundes und der Länder den
Sport unterstützt. Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen,
dass diejenigen, die mit unserem Geld arbeiten, klarstel-
len, dass sie unseren Einsatz schätzen. Es ist schön, dass
wir als Politikerinnen und Politiker – das kommt sonst
nicht allzu häufig vor – ab und an auch einmal eine posi-
tive Resonanz erhalten.


(Detlef Parr [FDP]: Vielleicht hören Sie bei denen besser zu!)


Die fachliche Zusammenarbeit im Sportbereich ist
sicherlich auch deshalb vorbildlich, weil wir, bevor wir
entscheiden, für welche Fördermaßnahmen das Geld der
Steuerzahler ausgegeben werden soll, die gemeinsame
Beratung mit denjenigen suchen, die uns einen fachli-
chen Rat geben können, weil wir uns als Politiker also
nicht anmaßen, am besten Bescheid zu wissen. Ich
glaube, das ist ein Teil des Erfolgs. Gerade in dieser Wo-
che hat Innenminister Otto Schily wieder ein Gespräch
mit den Vertretern des Deutschen Sportbundes und der
betreffenden Fachverbände geführt. Wir sind also per-
manent im Dialog, um dort zielgerichtet fördern zu kön-
nen, wo es tatsächlich am nötigsten ist. Ich glaube, dass
sich das auszahlt und dass wir unsere ureigenste Auf-
gabe sehr gewissenhaft wahrnehmen.

Weil viele Bürgerinnen und Bürger nicht wissen, wo-
hin die Gelder für den Sport fließen, will ich beispielhaft
einiges nennen. Wir fördern im Bereich des Leistungs-
sports derzeit etwa 260 Sportstättenbauprojekte in
180 Bundesstützpunkten, fünf Bundesleistungszentren
und 20 Olympiastützpunkten. Sie sehen, welche Vielzahl
das ist. Leider wird das von denen, die nicht unmittelbar
fachlich damit befasst sind, oft gar nicht wahrgenommen.

Die Finanzmittel sind mit Sicherheit nicht alles. Sie
sind nur eine Grundlage für das, was an Leistungen er-
bracht wird. In dieser Debatte gilt es, noch einmal Dank
an diejenigen zu sagen, die aus diesen Mitteln dann auch
Erfolge für unser Land erarbeiten, an die Sportlerinnen
und Sportler, und nicht zuletzt natürlich an die, die sie
trainieren und die für sie die Arbeit und die Organisation
in den Verbänden übernehmen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Dadurch gibt es nicht zuletzt auch eine Wirkung auf
den Breitensport, was wir alle uns wünschen. Sportar-
ten müssen auch öffentlich zur Geltung kommen und
wahrgenommen werden. Jeder, der im Leistungssport
Erfolge erzielt, dient als Vorbild und gibt mit seiner
Leistung einen Anreiz für andere. Wir wollen die Leute,
insbesondere die Jugendlichen, ermutigen, sich sportlich
zu engagieren.

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(C (D Einen wichtigen Impuls haben wir auch unmittelbar n den Breitensport gegeben und das möchte ich nicht nerwähnt lassen. Seit 1999 haben wir im Rahmen des oldenen Plans Ost in den neuen Bundesländern mit und 55 Millionen Euro Sportstätten für den Breitensport ördern können. Auch das ist ein Ergebnis einer guten usammenarbeit. Die Bundesregierung hat es geschafft, as Konzept, das der Sport schon Jahre vorher erarbeitet atte, umzusetzen. Gemeinsam haben wir daraus etwas emacht, das unmittelbar vor Ort wirkt. Die gesellschaftliche Wirkung des Sports ist ein wei erer Punkt, der uns am Herzen liegt. Sie ersehen aus em vorliegenden Sportbericht, dass die Förderung des ports von Menschen mit Behinderungen für uns einen chwerpunkt dargestellt hat. Wir halten es für wichtig, in iesem Bereich nicht nur die sportliche Leistung zu würigen, sondern auch anzuerkennen, dass Menschen mit ehinderungen durch ihre sportliche Leistung anderen normen Mut machen. Man kann so erleben, was es beeutet, sich auch mit Behinderungen solchen Leistungsnforderungen zu stellen. Wir sind stolz darauf, dass nsere Sportlerinnen und Sportler auch bei den Paralymics große Medaillenerfolge haben und dass es gelungen st, zu erreichen, dass dieser Sport ein großes öffentlihes Interesse findet. Dadurch erfahren Menschen mit ehinderungen eine ganz andere Aufmerksamkeit in unerer Gesellschaft, als es ohne diesen Sport vorher vieleicht der Fall gewesen ist. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte gern noch darauf aufmerksam machen,
ass derzeit die Special Olympics in Dublin laufen. Sie
erden in dieser Woche zu Ende gehen. Wir haben
67 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ich hatte selbst
elegenheit, dort zu sein. Ich kann Ihnen sagen: Es gibt
aum ein schöneres Sporterlebnis, als Leistungssport
on Menschen mit geistigen Behinderungen zu beobach-
en. Es ist echter Sport, der mit Freude am Wettkampf
etrieben wird, ohne kritische Konkurrenzen. Es ist die
reude am Messen der eigenen Leistung mit der des Ge-
enübers. Es ist ein unglaubliches Erlebnis. Auch die
pecial Olympics hätten es verdient, mehr mediale Auf-
erksamkeit und Öffentlichkeit zu bekommen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


ir als Politiker sind aufgefordert, dazu beizutragen.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505408900


Frau Staatssekretärin, denken Sie bitte an die Ver-
rängungswirkung Ihrer Redezeitüberschreitung.

U
Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1505409000

Ja. – Abschließend noch ein Hinweis auf das, was uns

evorsteht; das ist nicht Gegenstand des Berichts. Wir
ind uns einig – man merkt es an der Zustimmung aus
en Reihen der Opposition –, dass die großen Ereignisse,
ie Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und insbesondere
ie Olympischen Spiele 2012, die wir ausrichten

(B)







(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Ute Vogt
wollen, unsere gemeinsame Kraftanstrengung erfordern.
Ich will es insbesondere in Bezug auf Leipzig noch ein-
mal sagen. In der Politik haben wir da wenig Auseinan-
dersetzungen. Innerhalb des Bundestages ziehen wir an
einem Strang. Der Sport zieht mit. Ich wünsche mir für
uns alle, dass wir Gemeinsamkeiten zwischen Sport und
Politik und vielleicht auch den Medien erreichen, ge-
meinsam stark auftreten und so nicht nur die Fußball-
weltmeisterschaft 2006 genießen können, sondern tat-
sächlich Olympia 2012 in Deutschland, also in Leipzig,
haben werden. Wir sind alle gefordert, die positive Stim-
mung, die wir in Bezug auf dieses Ereignis spüren, auch
zu übertragen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505409100


Das Wort hat nun der Kollege Klaus Riegert für die
CDU/CSU-Fraktion.


Klaus Riegert (CDU):
Rede ID: ID1505409200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-

desregierung muss sich bei der Sportförderung an ihren
Ankündigungen und an ihren Leistungen messen lassen.
Ich zitiere:

Auch die hierbei für den Sport zu erzielenden Ver-
besserungen darzustellen wird eine der Aufgaben
des … 10. Sportberichts sein.

Außerdem heißt es:
Es gilt …, Mittel zu konzentrieren, Schwerpunkte
zu setzen und auch Vorhaben zu strecken.

So Minister Schily im Vorwort des 9. Sportberichts.
Bei aller Wertschätzung Ihnen gegenüber, Frau

Staatssekretärin, hätte ich es schon für angezeigter ge-
halten, wenn Herr Minister Schily heute selber seinen
10. Sportbericht hier vorgestellt hätte.


(Peter Dreßen [SPD]: Ach Gott!)

Der Bericht ist in weiten Teilen ein Sachstandsbericht,
der keine Perspektiven für die Zukunft des Sports auf-
zeigt. Damit werden die angekündigten Verbesserungen
nicht erreicht. Sie haben nur eines Ihrer Ziele erreicht:
Sie haben Vorhaben gestreckt, geschönt und gekürzt.

Zunächst möchte ich den Athleten, ihren Trainern und
Betreuern danken, die unser Land seit Jahrzehnten durch
Spitzenleistungen bei Olympischen Spielen, bei den Pa-
ralympics, bei Welt- und Europameisterschaften hervor-
ragend vertreten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Topleistungen sind das Ergebnis jahrelanger, oft jahr-
zehntelanger harter entbehrungsreicher Arbeit. Es ist
deshalb mehr als unangemessen, die Topleistungen als
Ergebnis rot-grüner Sportförderung von 1999 bis 2001
zu vereinnahmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Dank auch an unsere Vereine und die Millionen ehenamtlichen Helferinnen und Helfer. Die enge Verzahung des Breitenund des Spitzensports machen uns zu iner Sportnation. Der Dank muss umso kräftiger ausfalen, als sich die Bedingungen national wie international erschärft haben. Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung flegt eine sehr kreative Buchführung. Sie kürzt die portförderung, rechnet sie aber gleichzeitig gesund. m rund 68 Millionen Euro haben Sie zwischen 1998 nd 2001 die Mittel für den Sport gekürzt. Um das zu eschönigen, haben Sie flugs die Sanierung der Stadien n Berlin und Leipzig hinzugerechnet, und schon stimmt ie Rechnung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind das keine Sportstätten?)


Der letzte von der Regierung Kohl vorgelegte Haus-
altsplan wies für die zentralen Maßnahmen, die sport-
issenschaftlichen Einrichtungen und die Investitio-
en rund 114 Millionen Euro aus. Sie veranschlagten für
002 gerade einmal 95 Millionen Euro. Bei den zentra-
en Maßnahmen für den Spitzensport hat sich nichts ge-
an. Hier ist mit 71 Millionen Euro etwa der gleiche
tand wie 1998 gehalten worden. IAT und FES erhalten
benfalls gleich viel Geld wie 1998, wobei sich die Per-
onal- und Fixkosten auf 85 bis 90 Prozent belaufen. Es
st eine zentrale Forderung unserer Fraktion, die Ansätze
ür diese Einrichtungen zu erhöhen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben die Übungsleiterpauschale angehoben;

as begrüßen wir. Das haben Sie aber getan, weil Sie zu-
or bei den Vereinen und den nebenberuflich Tätigen
urch die Neuregelung der 325-Euro-Jobs kräftig abkas-
iert hatten.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir schon längst erledigt!)


ur Erweiterung auf die Betreuer kann ich nur anmer-
en: Ich habe ehrlich gesagt vor Ort noch keinen Be-
reuer getroffen, der die Übungsleiterpauschale in An-
pruch nehmen kann.


(Ute Kumpf [SPD]: Dann machen Sie etwas falsch!)


Nein, der bekommt kein Geld, deswegen hat er auch
eine Chance, die Pauschale in Anspruch zu nehmen;
enn in unseren Vereinen gibt es keine Betreuer, die
eld für ihre Aufgaben bekommen.
Sie haben eine Novellierung des Vereinsförder-

esetzes mehrfach abgelehnt. Ihre Kollegen in der
nquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftlichen
ngagements“ waren da sportfreundlicher und unterstüt-
en unsere Auffassung. Sie werden bald wieder Gele-
enheit haben, hier im Hause über einen solchen Ent-
urf abzustimmen. Stimmen Sie dann zu! Das wäre eine
erbesserung für den Sport.






(A) )



(B) )


Klaus Riegert

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Rauen [CDU/CSU]: Da muss irgendwas passieren!)


Sie verschweigen, dass Sie seit Regierungsantritt den
Sport durch ständiges Heraufsetzen der Energiesteuern,
durch ständig neue Abgaben und durch sinnlose Auswei-
tungen bürokratischer Vorschriften belastet haben, ohne
einen entsprechenden Ausgleich zu gewähren. Sie haben
die Rahmenbedingungen des Sports entgegen Ihrer An-
kündigung nicht verbessert.

Auch beim Goldenen Plan Ost gilt: große Ankündi-
gungen im Wahlkampf 1998, mäßige Leistungen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Herr Riegert, wir haben überhaupt etwas gemacht! Sie haben ja gar nichts gemacht!)


Wir haben bis 1998 ohne so genannten Goldenen Plan
Ost eine hervorragende Bilanz aufzuweisen: 1,2 Milliar-
den Euro für die Sportstätten in den neuen Bundeslän-
dern. Seit 1999 ist durch den Goldenen Plan Ost und das
Investitionsfördergesetz zusammengenommen weniger
Geld in die Sportstätten der neuen Länder geflossen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Fragen Sie mal die Menschen vor Ort, wie sie den Goldenen Plan Ost bewerten!)


Die Zahlen können Sie sich bei Ihrem Finanzminister
besorgen. Sie haben hier zu wenig getan, Herr Kollege
Danckert!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zum Thema Doping zwei Dinge an-

sprechen. Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrer
Ablehnung eines Anti-Doping-Gesetzes. Seit fünf Jah-
ren eiern die Sportpolitiker von Rot und Grün damit
durch die Landschaft. Der Sport will es nicht, die Bun-
desregierung will es nicht, die CDU/CSU will es nicht.
Also, legen Sie dem Haus endlich einen Gesetzentwurf
vor oder schweigen Sie! So einfach ist das.


(Peter Dreßen [SPD]: Was polemisieren Sie denn hier herum? Es ist doch gar nicht notwendig, so einen Ton anzuschlagen!)


Wir begrüßen, dass die Dopingopfer der ehemaligen
DDR eine Entschädigung erhalten. Ich halte fest: Ohne
die Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hätte es
kein Dopingopfer-Hilfegesetz gegeben. Es ist gut, dass
wir gemeinsam diese Lösung gefunden haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir erwarten, dass die Zusage des Bundesministers

für Verteidigung, die Sportförderstellen der Bundes-
wehr auf dem jetzigen Stand zu halten, eingehalten
wird. Wir werden den Bundesminister der Verteidigung
unterstützen, wenn er sich, wie alle seine Vorgänger, für
den Erhalt der Sportförderstellen einsetzt. Bundeswehr,
aber auch Bundesgrenzschutz und Zoll leisten einen
herausragenden und unverzichtbaren Beitrag für den
Spitzensport.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Der internationale Behindertensport hat in den letzen Jahren eine gewaltige Leistungsexplosion erlebt. as vom Deutschen Behindertensportverband vorgeegte Leistungskonzept weist in die richtige Richtung. ie bloße Anhebung der Mittel zum Ausgleich der ehrkosten für internationale Wettkämpfe reicht allerings nicht für die notwendigen strukturellen Verbesseungen aus. Wir begrüßen, dass es dem Deutschen Fußball-Bund elungen ist, die Fußball-WM 2006 in unser Land zu olen. Wir sind uns sicher, dass sie ein großer Erfolg und in Gewinn für Deutschland sein wird. Wir hoffen auch, ass die Bewerbung Leipzigs um die Austragung der lympischen Sommerspiele und Paralympics 2012 on gleichem Erfolg gekrönt sein wird. Leipzig braucht ie uneingeschränkte nationale Unterstützung: Wir ämpfen für Leipzig! Ich halte fest: Der Etat der Spitzensportförderung st seit 1995 quasi gedeckelt, seit fünf Jahren wird er tändig abgesenkt. Dies betrifft vor allem die Investitioen im Spitzensport. Andere Nationen rüsten auf, wir auen ab. In einigen Kernbereichen des Spitzensports allen wir entscheidend zurück, wenn bewährte Athleten urücktreten und der Nachwuchs fehlt. Die Stimmung nter den Trainern ist auch nicht gut. Sie hätten das hohe Niveau der Spitzensportförderung alten und sogar ausbauen können. Statt quasi die Aleinfinanzierung für ein Stadion zu übernehmen und Einahmen für Sondermünzen zwischen DFB und Finanzinister aufzuteilen, hätten wir uns eine kreativere erwendung vorstellen können: für sportwissenschaftiche Einrichtungen und für Investitionen im Spitzenport. Das Geld hätte für Jahre gereicht. Der Ruf nach mehr Geld ist aufgrund miserabler rot rüner Finanz-, Haushalts-, Steuerund Sozialpolitik icht realistisch. Wir hätten das Geld, das Sie ausgegeen haben, effizienter und zielgerichteter für den Sport usgegeben. Der 10. Sportbericht zeigt: Diese Bundesreierung entwickelt keine Perspektive für den Sport in eutschland. hre Ankündigungen sind Spitze; Ihre Leistungen sind avon aber noch weit entfernt. Ich erteile das Wort dem Kollegen Winfried Hermann, ündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber ollege Riegert, Sie haben sich gleich zu Beginn Ihrer ede darüber beklagt, dass der Sportbericht der Bundesegierung keine Perspektiven aufzeigt. Meines Erachtens st es das Wesen von Berichten, dass sie bilanzierend Winfried Hermann und rückwärts gewandt sind. Übrigens: Auch bei Ihrem Beitrag hat die Perspektive vollständig gefehlt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Klaus Riegert [CDU/CSU]: Dann haben Sie nicht zugehört!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Peter Dreßen [SPD]: Jetzt aber!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505409300
Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505409400




(A) )


(B) )


Ich habe mir für heute vorgenommen, dass ich diese
rückwärts gewandte Debatte nach dem Motto „Früher
war alles besser; wir haben viel mehr gemacht“ heute
nicht führen will.

Wir haben mit dieser Debatte vor einem Jahr im Sport-
ausschuss angefangen. Die Koalitionsfraktionen haben
einen Antrag vorgelegt, in dem wir die wichtigsten Zu-
kunftsaufgaben in den nächsten Jahren für die Sportpoli-
tik umrissen haben. Darüber will ich reden.

Noch eine Bemerkung dazu, wie Sie die Förderung
des Spitzensports dargestellt haben. Wir haben es über
Jahre geschafft, den Spitzensport – sowohl im Behinder-
tenbereich als auch im Nichtbehindertenbereich – auf
hohem Niveau zu halten,


(Detlef Parr [FDP]: Das ist gut! Auf hohem Niveau!)


obwohl wir Schulden auf hohem Niveau übernommen
haben und mit schwierigen Haushaltslagen zu kämpfen
hatten. Uns im Nachhinein die Altlasten in die Schuhe
zu schieben geht dann doch zu weit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Detlef Parr [FDP]: Jetzt fehlt nur noch „16 Jahre Erblast“!)


Wir haben es geschafft, das hohe Niveau zu halten.
Das hat auch der organisierte Sport immer anerkannt.
Die Verantwortlichen in diesem Bereich waren immer
einsichtig, wenn ersichtlich war, dass die Mittel knapp
waren. Auch im Sport kann man nicht so tun, als würde
das Geld aus der Steckdose kommen.

Nun zu den vordringlichen Aufgaben – Sie haben es
bereits angesprochen; ich will es ganz deutlich sagen –:
Wenn wir heute über Spitzensport reden, dann müssen
wir auch darüber reden, dass es in den nächsten Jahren
unsere gemeinsame Aufgabe sein wird, die Olympiabe-
werbung Leipzigs zu einer Erfolgsbewerbung zu ma-
chen.


(Beifall des Abg. Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD])


Damit es eine Erfolgsbewerbung wird, müssen alle zu-
sammenstehen: die aus Stuttgart und all die anderen, die
verloren haben und glaubten, sie seien besser. Sie müs-
sen jetzt ihre Kompetenz einbringen.

Wir als Bundespolitiker müssen helfen, Infrastruktu-
ren aufzubauen, damit die Bewerbung erfolgreich ist.
Wir werden beraten und unter Umständen als Botschaf-
ter um die Welt reisen müssen, um für diese Bewerbung
zu werben. Wir werden mit einem entsprechenden Haus-
halt dafür sorgen müssen, dass die wichtigen Institutio-
nen des deutschen Spitzensports wie etwa die wissen-
schaftlichen Sportinstitute genügend Mittel haben, um

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(C (D en Spitzensport in Deutschland dauerhaft zu entwikeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Sportpolitik ist heute aber mehr. Sportpolitik muss
ich heute – das will ich gerade angesichts der bevorste-
enden Gesundheitsreform deutlich sagen – auch als
esundheitspolitik verstehen. Deswegen sind wir ge-
ade dabei, einen gemeinsamen Antrag zu schreiben, in
em es um Sport und Bewegung als einen wesentlichen
eitrag zu Gesundheit und Prävention geht. Das gilt für
lle Bereiche und für alle Lebensphasen.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

port wirkt bewegungsfördernd für Kinder und Jugend-
iche. Wir wissen, dass wir in diesem Bereich mehr tun
üssen, damit es mit der Bewegungsfähigkeit der Kin-
er nicht immer mehr abwärts geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Das Motto muss sein: „Mit Bewegung und Sport groß
erden.“ Die Menschen in der Stadt, alte wie junge,
rauchen ein Umfeld, in dem man sich gerne bewegt, in
em man beispielsweise gerne Rad fährt. Wir brauchen
in neues Leitbild von einer spiel- und bewegungs-
reundlichen Stadt. „Durch Bewegung mobil sein und
obil bleiben“ könnte hier das Motto sein.
Es ist schon angesprochen worden, dass Sport ein
ichtiger Beitrag zur Rehabilitation und zur Einglie-
erung ist. Körperlich Benachteiligte werden durch
port einigermaßen mobil gehalten. Sport hat auch diese
ichtige Funktion.
Da wir wissen, dass in den nächsten 20 bis 30 Jahren

ut ein Drittel der Menschen 60 Jahre und älter sein
ird, müssen wir alles tun, dass diese Menschen gesund
lter werden. Dass das eine Zukunftsaufgabe ist und dass
ir auf diesem Feld noch viel zu tun haben werden, ist in
er Anhörung des Sportausschusses zum Präventions-
port deutlich geworden. Man könnte zusammenfassen:
ir brauchen eine umfassende Kampagne auf der
rundlage eines Gesetzes. Sport und Bewegung tun gut,
nd zwar uns allen in jeder Lebenslage.
Sport und Bewegung stellen aber auch eine infra-

trukturpolitische Aufgabe dar. Wir haben es beim
oldenen Plan Ost gesehen und werden es auch in vie-
en Kommunen sehen: In den nächsten Jahren wird es
mmer mehr darauf ankommen, dass es uns gelingt,
portstätten beim Energie- und Wasserverbrauch ökolo-
isch nachhaltig zu sanieren und sie mit öffentlichen
erkehrsmitteln vorbildlich anzubinden. Die deutsche
M-Bewerbung muss in dieser Hinsicht ein gutes Bei-

piel für das Konzept „Green Goal“ sein. Die Olympia-
ewerbung Leipzig wird ein gutes Beispiel für „Green
ames“ sein müssen, wenn sie erfolgreich sein will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Winfried Hermann
Eine letzte und schwierige Aufgabe moderner Sport-
politik ist zweifellos der Kampf gegen das Doping. Hier
sind wir auf internationaler Ebene im Vergleich zu früher
erheblich weitergekommen. Es gibt den internationalen
Anti-Doping-Code. Otto Schily hat sich dankbarerweise
sehr dahinter geklemmt; auch bei der Unterzeichnung
war er sogar dabei. Insofern sollten wir nicht den Ein-
druck entstehen lassen, als sei dem Innenministerium der
Kampf gegen das Doping gleichgültig.

Wir streiten über Folgendes – das wurde süffisant an-
gesprochen –: In welcher gesetzlichen Form, in welcher
politischen Form kann der Kampf gegen das Doping un-
terstützt werden? Die Koalitionsfraktionen sind seit lan-
gem der Meinung, dass angesichts der Entwicklung
beim Doping und angesichts der Tatsache, dass der Sport
auch ein Geschäft ist und es beim Doping auch um Be-
trug geht – und nicht nur darum, ob ein Trainer einem et-
was gegeben hat oder nicht; Doping ist nicht nur ein
Wettbewerbsbetrug am Sportler, sondern in vielen Fällen
auch ein Betrug am Geschäftskonkurrenten –,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Am Zuschauer!)


neue gesetzliche Regelungen erforderlich sind. Die alte
pharmakologische Regelung im Arzneimittelgesetz, die
wir bisher hatten, ist nicht ausreichend. Wir werden mit
dem Innenministerium daran arbeiten, hierfür eine neue
gesetzliche Basis festzulegen. Seien Sie sicher: Wir wer-
den am Ball bleiben. Dagmar Freitag und ich haben uns
dieser Sache verschrieben; wir werden weiter dafür
kämpfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.
Moderne Sportpolitik muss sich als Querschnittspolitik
verstehen. Wenn sie das nicht tut, ist sie rückwärts ge-
wandt. Es kann nicht nur um Zahlenakrobatik gehen,
Herr Kollege Riegert. Wir müssen uns vielmehr in min-
destens fünf Disziplinen einmischen:

Erstens. Wir müssen uns als Gesundheitspolitiker ver-
stehen.

Zweitens. Wir müssen uns als Kämpfer für einen sau-
beren Hochleistungs- und Spitzensport verstehen.

Drittens. Wir müssen uns für spiel- und bewegungs-
freundliche Stadt- und Lebensräume einsetzen.

Viertens. Wir müssen eine sozialpolitische Dimension
des Sports entwickeln, sie immer wieder betonen und
verdeutlichen, dass Sport in diesem Sinne außerordent-
lich nachhaltig ist, einen wesentlichen Beitrag zu einer
nachhaltigen Entwicklung darstellt.

Fünftens. Sport ist schon immer international ausge-
richtet gewesen. Er hat die Kraft, zu einer großen Frie-
densbewegung zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


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(C (D Nächster Redner ist der Kollege Detlef Parr für die DP-Fraktion. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir füh en die heutige Sportdebatte vor dem Hintergrund erhebicher Haushaltsprobleme der öffentlichen Hand. Einspaungen und Umschichtungen gehören mittlerweile in und, Ländern und Gemeinden zum politischen Alltag. ir müssen uns fragen: Welche Rolle spielt der Sport eientlich bei diesen „Streichkonzerten“? Ich komme zu em Ergebnis, dass die Devise nur lauten kann: Nicht m Sport, sondern durch Sport sparen! Da hat der Sport erhebliche Vorleistungen erbracht. nsere Bemühungen müssen sich jetzt darauf konzenrieren, dieses freiwillige Engagement nicht auszunuten, es nicht überzustrapazieren. Da hilft ein Blick in en Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Zuunft des bürgerschaftlichen Engagements“ weiter. Dort eißt es: „Gesetze dürfen Engagement nicht behindern.“ s wird auf die Gefahr der Standardisierung und Überreulierung hingewiesen. Davon können alle Ehrenamtlihen ein Liedchen singen. Deshalb müssen wir für Verwaltungsund Verfahrens ereinfachungen sorgen, wenn wir Gesetze weiterentwikeln. Wir müssen unseren Vereinen mehr Flexibilität im ahmen der vier Tätigkeitsbereiche Vermögensverwaltung, weckbetrieb, wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und im deellen Bereich zum Beispiel durch Freistellungsregeungen ermöglichen – ganz im Sinne des 10. Sportbei Die Autonomie des Sport „gewährt den in Vereinen nd Verbänden organisierten Mitbürgerinnen und Mitürgern einen weiten grundrechtlich abgesicherten Freieitsraum“. Dazu zählt die Kommission das steuerliche emeinnützigkeitsund Spendenrecht, das Zuwenungsrecht und das Haftungsrecht. Hier sind wir in der flicht. Wir müssen auch für eine neue Anerkennungsultur, neue Formen der Würdigung und Auszeichnung hrenamtlichen Einsatzes sorgen. Winfried Hermann hat zu Recht auf den Zusammen ang von Sport und Gesundheit hingewiesen. Sie geören eng zusammen, mit den guten, aber auch den chlechten Seiten. Doping bleibt eine Geißel des Sports, leibt unlauterer Wettbewerb und Raubbau an der eigeen Gesundheit. Deswegen begrüßen wir die Gründung er Nationalen Anti-Doping-Agentur und die Existenz er Welt-Anti-Doping-Agentur als wichtige Säulen bei er Bekämpfung verbotener medikamentöser Leistungsteigerung. Wollen wir aber weltweit erfolgreich sein nd unsere deutschen Athletinnen und Athleten schüten, dann müssen wir für eine auskömmliche Finanzieung der Welt-Anti-Doping-Agentur auch durch die EU orgen. Detlef Parr Die positive Seite sind die Kompetenzen, die der Sport in der Prävention und Rehabilitation aufgebaut hat. Vor allem über Prävention haben SPD und Grüne lange genug geredet; jetzt sind Handlungsund Finanzierungskonzepte gefragt, wie sie im FDP-Antrag vom 19. Februar dieses Jahres – vom 19. Februar! – zum Ausdruck kommen. Endlich kommen wir zu einem Ergebnis. Der Sport darf bei den anstehenden Gesundheitsre formgesprächen nicht vernachlässigt werden. Gesundheitsförderung durch Sport und Bewegung hat einen volkswirtschaftlichen Nutzen, der für eine nachhaltige Gesundheitsreform von hoher Bedeutung ist. Sie ist ein wichtiges Wettbewerbselement der Krankenkassen und sollte deshalb nicht über einen Staatsfonds finanziert werden. Ein Präventionsgesetz als Leistungsgesetz ohne solides Finanzierungskonzept weckt falsche Hoffnungen. Dagegen kann eine Bündelung und Konzentration der verstreuten gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen nach kritischer Prüfung ihrer Notwendigkeit und Plausibilität möglicherweise auch in Gesetzesform hilfreich sein. Zum Leistungssport. Er ist nicht nur ein respektables Aushängeschild für Deutschland, sondern schafft durch seine öffentliche Wirkung erst die Grundlage für den Breitensport. Frau Staatssekretärin, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen. Sportliche Leistung muss deswegen von Kindesbeinen an als Wert vermittelt werden. Das Gute an dem Olympiabewerbungsverfahren war die geforderte Voraussetzung, dem Schulsport mehr Aufmerksamkeit zu schenken und Sport und Bewegung in der Schule auch vom Zeitrahmen her zu stärken, etwa durch die dritte Sportstunde und mehr Bewegungszeiten. Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass dieser Impuls langfristige Wirkung hat und nicht nur ein Lippenbekenntnis ist. Die Eliteschulen des Sports müssen ausgebaut, aber gleichzeitig auch auf ihre Effizienz hin untersucht werden. Wer nicht ohne Wenn und Aber leistungsbereit ist, gehört eben nicht in eine solche Schule. Die Strategie der Leistungsförderung muss auf eine konsequente Eliteförderung ausgerichtet sein, weg vom Gießkannenprinzip hin zu einer konzentrierten, engeren Leistungsspitze. Die Athletinnen und Athleten für Olympia 2012 sind heute Teenager. Sie verdienen alle Unterstützung, aber auch das rechtzeitige Aufzeigen von Grenzen. Nur so können unsere zurzeit leider nicht mehr wachsenden Mittel Erfolg versprechend eingesetzt werden. Klaus Riegert, wir werden das vielleicht in der nächsten Legislaturperiode wieder ändern können. Ich komme zum Abschluss. Die FDP teilt in einigen Bereichen – die Anträge liegen ja vor – die Kritik der Union am 10. Sportbericht der Bundesregierung. Sie erkennt aber auch viele Entscheidungen als richtig an. Wer j b l g m s n S t T c l d i a t a g i d P g w m c z A s n i D d m n r s (C (D edoch in Zeiten, in denen alle Fraktionen zur Finanzierarkeit des zukünftigen Gesundheitssystems jede Mögichkeit der Begrenzung und Herausnahme von Leistunen aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausloten, it dem Präventionsgesetz ein zusätzliches Leistungsgeetz ohne Finanzierungskonzept aufsatteln will, kann icht mit der Unterstützung der Liberalen rechnen. Ich danke Ihnen fürs Zuhören. Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Axel chäfer, SPD-Fraktion. Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Poli ik dieser Bundesregierung ist durch Weltoffenheit und oleranz geprägt. Beides gehört auch zu den wesentlihen Merkmalen des Sports. Für den Standort Deutschand ist es wichtig, dass sich auch unser Sportpublikum urch Weltoffenheit und Toleranz auszeichnet, nsbesondere bei internationalen Großereignissen. Ich habe eine der herausragenden kontinentalen Ver nstaltungen von 2002, die Leichtathletik-Europameiserschaften in München, vor Ort live miterlebt und war ngetan von den fairen, sachkundigen und zugleich beeisterten Zuschauern. Und – das sage ich bewusst, weil ch zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Deutschen Bunestag saß – ich war angetan von der Präsenz und der räsentation von Verantwortlichen der Politik. Das war ut für die Bindungen und Verbindungen zum Sport, das ar gut für das Ansehen unseres Landes in Europa. Wissen Sie, wer auch beim Sport eine gute Figur acht? – Gerhard Schröder. Das zeigt er durch persönlihe Unterstützung vieler internationaler Bewerbungen um Beispiel der für die Fußball-WM oder durch die nwesenheit bei bedeutenden Sportevents. (Beifall bei der SPD – Detlef Parr [FDP]: Aber nicht beim Zigarrerauchen!)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505409500
Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1505409600

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1505409700

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





(A) )


(B)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505409800
Axel Schäfer (SPD):
Rede ID: ID1505409900

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Gerne erwähne ich auch ein Lob, welches der als be-
onders kritisch bekannte Sportjournalist Thomas Kist-
er gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ dem Bundes-
nnenminister gespendet hat. Er hat geschrieben:

Otto Schily, der wohl stärkste Sportminister, den
das Land je hatte.

em können wir uns anschließen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Die völkerverbindende und friedenstiftende Kraft

es Sports gehört unbestritten zu den wichtigsten Ele-
enten seiner Bedeutung und seiner Attraktivität. Den-
och war der Sport auf europäischer Ebene bisher nicht
echtlich abgesichert und konnte nur durch exemplari-
che Projekte gefördert werden. Der Sport ist die größte
)






(A) )



(B) )


Axel Schäfer (Bochum)

Personenvereinigung in der EU und ein relevanter Wirt-
schaftsfaktor. Ihm kommt für die europäische Integra-
tion und damit auch für die Zivilgesellschaft eine zen-
trale Aufgabe zu. Die Aktivitäten sowohl der deutschen
Mitglieder im EU-Konvent als auch der Bundesregie-
rung haben entscheidend dazu beigetragen, dem Sport in
der künftigen europäischen Verfassung seinen Platz zu
geben.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, teilen Sie
meine ganz persönliche Freude; denn 2004 ratifizieren
wir im Deutschen Bundestag die Verankerung des Sports
im europäischen Vertragswerk. Damit werden wir genau
das tun, was ich im Europäischen Parlament als sozial-
demokratischer Sportbeauftragter von 1994 bis 1999 zu-
sammen mit anderen auf den Weg bringen konnte. Heute
ist klar: Die Aufnahme des Sports in der Verfassung für
Europa und damit seine Aufwertung ist richtig und wird
von den Sportverbänden unseres Landes einhellig be-
grüßt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie Abgeordneten der CDU/ CSU und der FDP)


Über diesen gemeinsamen Erfolg im Zusammenwirken
der politischen Vertreter und der Repräsentanten des
Sports, der Akteure auf europäischer und auf nationaler
Ebene sollten wir uns miteinander freuen.

Zum Sport gehört untrennbar die Gesundheit. Die
wirksame Dopingbekämpfung durch gemeinsames
Vorgehen auf EU-Ebene ist besonders hervorzuheben.
Unsere Bundesregierung hat national wie international
bekanntlich deutliche Akzente gesetzt. Auch an der Er-
arbeitung des Welt-Anti-Doping-Codes, den die WADA
vorgelegt hat, war Deutschland maßgeblich beteiligt.
Dieser Code wird das Fundament im Kampf gegen ver-
botene Mittel und Methoden im Sport sein. Ein histori-
scher Erfolg war die Deklaration auf der zweiten Anti-
Doping-Weltkonferenz von Kopenhagen im Frühjahr
dieses Jahres, wo Deutschland zu den Erstunterzeich-
nern zählte. Dem Ziel von Fairplay und Chancengleich-
heit bei allen internationalen Sportwettbewerben ist man
damit einen großen Schritt näher gekommen.

Ehrgeizige Projekte verfolgt unsere Bundesregierung
auch beim Sportstättenbau. Das Sonderförderprogramm
Goldener Plan Ost ist eines unserer wichtigsten sport-
politischen Vorhaben. Das wissen die Bürgerinnen und
Bürger gerade in den neuen Bundesländern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Koalitionsvereinbarung von 2002 sieht ausdrücklich
die Verlängerung dieses Programms vor. Eine Anglei-
chung der Verhältnisse in den neuen Ländern an das
Westniveau ist gerade im Hinblick auf die sportlichen
Rahmenbedingungen unerlässlich. Der Bund beteiligt
sich an der Errichtung von Sportstätten für den Breiten-
sport sowie an der Modernisierung der Stadien in Berlin
und Leipzig.

Ich komme zum Schluss. Deutschland wird 2006
Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft sein. Wir

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(C (D offen natürlich alle, dass unsere Elf den Titel gewinnt, bwohl wir das hier nicht beschließen können. 2012 ollen wir Gastgeber der Olympischen Spiele werden. ch sage als Abgeordneter, der im Ruhrgebiet lebt, hier anz klar: Leipzig ist die deutsche Bewerberstadt für die lympischen Spiele, Deutschland bewirbt sich mit Leipig um das wichtigste globale Sportereignis. ls gebürtiger Frankfurter zitiere ich auch gerne Johann olfgang von Goethe: „Mein Leipzig lob ich mir!“ Der 0. Sportbericht der Bundesregierung ist ein gutes Funament. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Peter Rauen [CDU/CSU])


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505410000


Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Eberhard
ienger für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eberhard Gienger (CDU):
Rede ID: ID1505410100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege
iegert hat die Defizite in Ihrer Sportpolitik überzeu-
end dargelegt. Ich werde mich auf einige mir wesent-
ich erscheinende Punkte konzentrieren.
Sie als Sportpolitiker werden sich in den Haushaltsbe-

atungen zu entscheiden haben, ob Sie dem Sport oder
er Finanzpolitik den Vorrang einräumen wollen, ob Sie
en größten Teil der Einnahmen aus dem Münzverkauf
nlässlich einer sportlichen Großveranstaltung dem
port zukommen lassen wollen oder dem Finanzminister
as Säckel füllen wollen.
Der Bundesminister der Finanzen gibt nämlich an-

ässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 Silber-
ondermünzen im Wert von 10 Euro heraus, und zwar
n einer Auflage von 17,95 Millionen Stück. Dies bedeu-
et einen Umsatz von rund 180 Millionen Euro.
0 Millionen Euro sollen dem Organisationskomitee der
ußball-Weltmeisterschaft zufließen. Auch abzüglich
er Material-, Herstellungs- und Vertriebskosten sowie
er 30 Millionen Euro für das Organisationskomitee
äre das eine beträchtliche Einnahme für den Finanzmi-
ister. Er nutzt also die Popularität des Sports. Er will
ehr Einnahmen für sich behalten als dem Sport zufüh-
en. Dies ist nicht in Ordnung. Schließlich ist der Käufer
er Meinung, dass er durch den Kauf dieser Münzen den
port unterstützt. Dies wäre auch angemessen, zumal,
ie wir vorhin gehört haben, die rot-grüne Regierung
ie Sportförderung drastisch gekürzt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind der Überzeugung, dass mindestens die
älfte des Nettoertrages aus dem Verkauf der Sonder-
ünzen oder besser sogar alles dem Sport zugeführt
erden sollte. Dies dürften, realistisch betrachtet, bei ei-
em Umsatz von 180 Millionen Euro rund 70 Millionen






(A) )



(B) )


Eberhard Gienger
Euro sein. Abzüglich der 30 Millionen Euro für das Or-
ganisationskomitee wären dies 40 Millionen Euro, von
denen wenigstens die Hälfte in den nächsten vier Jahren
dem Sport zugute kommen sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Detlef Parr [FDP])


Die genauen Zahlen hat uns das Bundesministerium der
Finanzen noch nicht geliefert. Aber es wäre zumindest
ein Ansatz, auf den wir uns verständigen könnten.

Was könnten wir mit dem Geld alles machen?
Erstens. Das Stiftungskapital der Anti-Doping-Agen-

tur könnte erhöht werden. Demzufolge müssten nicht
mehr so hohe Zuschüsse vonseiten des Bundes geleistet
werden.

Zweitens. Das Leistungssportkonzept im Behinder-
tensport könnte umgesetzt werden.

Drittens. Die sportwissenschaftlichen Einrichtungen
könnten gestärkt werden.

Viertens. Der Nachwuchs könnte konsequenter geför-
dert werden.

Fünftens. Die Dopingkontrollen könnten verdichtet
werden.

Ich hoffe hier auf Gesprächsbereitschaft der Koali-
tion.

Meine Damen und Herren, unser Land verfügt über
sportwissenschaftliche Institute von hohem Rang: das
Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Bonn, das Insti-
tut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig
und schließlich das Institut für Forschung und Entwick-
lung von Sportgeräten in Berlin. Diesen Instituten
kommt eine immer höhere Bedeutung im Spitzensport
zu. Grundlagenforschung, direkte Auswertungen neues-
ter wissenschaftlicher Erkenntnisse am Athleten, im
Wettkampf und im Training sowie bestes Material – das
sind unerlässliche Voraussetzungen für eine internatio-
nale Spitzenleistung.

Heute entscheiden Bruchteile von Sekunden, Zenti-
meter, gar Millimeter über Sieg und Niederlage. Ohne
neueste wissenschaftliche Erkenntnisse und deren Um-
setzung in die Praxis haben unsere Athleten einen ganz
entscheidenden Wettbewerbsnachteil in Kauf zu neh-
men. Wir müssen diese Institute stärken. Wir müssen sie
auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand arbeiten las-
sen. Sie können dies, sie wollen dies – es fehlt allein an
den Mitteln. Ich weiß mich Gott sei Dank im Einklang
mit Winni Hermann, dass wir das im Laufe der nächsten
Wochen und Monate erreichen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Direktoren aller Institute haben im Sportaus-

schuss überzeugend dargestellt, dass sie schon heute den
Anforderungen der Sportverbände nicht mehr nachkom-
men können. Die engen finanziellen Spielräume lassen
dies nicht zu. Klaus Riegert hat es gesagt: Andere Sport-
nationen rüsten auf, wir rüsten ab: personelle Ausdün-
nung; kaum Möglichkeiten, neue, junge Wissenschaftler
einzustellen. Forschung muss hintangestellt werden. Na-

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(C (D ezu 90 Prozent der Zuwendungen werden für Personalosten benötigt, obwohl ein personeller Abschmelzungsrozess erfolgt. Während früher unsere Institute orzeigeeinrichtungen waren und Nachahmer in aller elt fanden, müssen sie heute auf Sparflamme kochen. Ein paar Worte zum Goldenen Plan Ost: Jeder Euro, er in den Sport investiert wird, ist ein guter Euro. So nterstützen wir auch den Goldenen Plan Ost. Wir haben ie Beibehaltung der Mittel für 2003 beantragt, aber Sie aben eine Kürzung gewollt. Nun messen wir Sie an Ihen Leistungen und Versprechungen. 1998 haben Sie nämlich eine Unterstützung in Höhe on 50 Millionen Euro pro Jahr angekündigt. Fünf Jahre aben Sie allerdings gebraucht, diese 50 Millionen Euro ufzubringen. Es gab nur 10 Millionen Euro statt 0 Millionen Euro pro Jahr. Einschließlich der Kompleentärmittel der Länder und Kommunen kommen Sie in ünf Jahren auf ganze 200 Millionen Euro. Das ist geessen an Ihrem Wahlkampfversprechen, wonach es in ünf Jahren 250 Millionen Euro, zusammen mit den omplementärmitteln sogar 750 Millionen Euro sein ollten, eine eher dürftige Bilanz. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Detlef Parr [FDP])


Wichtiger aber ist: Trotz des Goldenen Plans Ost sind
den Sportstättenbau der neuen Länder weniger Mittel
ls vor 1998 geflossen. Investitionen in Sportstätten in
en neuen Ländern werden überwiegend durch das In-
estitionsförderungsgesetz getätigt. Wir haben von 1995
is 1998 immerhin 1,2 Milliarden Euro ohne den so ge-
annten Goldenen Plan Ost aufgebracht; das ist eine
irklich hervorragende Bilanz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Detlef Parr [FDP])


Unsere Kritik richtet sich nicht gegen den so genann-
n Goldenen Plan Ost, sondern gegen die nachlassenden
nvestitionen in den Sportstättenbau der neuen Länder.
ie Bundesregierung hätte sich dafür einsetzen müssen,
ass mehr Mittel aus dem Investitionsförderungsgesetz
den Sportstättenbau fließen. Spätestens seit dem
portbericht wissen wir, dass 70 Prozent der Sportstätten
den neuen Ländern sanierungs- oder renovierungsbe-
ürftig sind. Wenn Sie also die Mittel für den Goldenen
lan Ost kürzen oder ganz streichen müssen, wäre es zu-
indest angezeigt, die Mittel aus dem Investitionsförde-
ungsgesetz stärker zu nutzen. Das haben Sie zu wenig
etan.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch ein paar Worte zum Doping: Die Gründung der

nti-Doping-Agentur ist ein Schritt in die richtige
ichtung. So hoffen wir, dass das Bewusstsein im
ampf gegen Doping durch Präventionen gestärkt, das
ontrollsystem weiter ausgebaut und für eine einheitli-
he Sanktionierung bei Vergehen gesorgt wird. Wir hät-
en uns ein stärkeres finanzielles Engagement der Wirt-
chaft gewünscht und haben dies auch erwartet; denn
nternehmen, die mit zig Millionen Euro Sportarten






(A) )



(B) )


Eberhard Gienger
sponsern, sollten auch einen nennenswerten Betrag zur
Bekämpfung des Dopings aufbringen können.

Das von Minister Schily im Vorfeld anvisierte Stif-
tungskapital in Höhe von 30 Millionen Euro wurde weit
verfehlt. Mit den Erträgen allein – es handelt sich um
7 Millionen Euro – wird die Anti-Doping-Agentur den
hohen Erwartungen nicht gerecht werden können. Die
Bundesregierung muss klarstellen, wie sie eine solide Fi-
nanzierung in der Zukunft absichern will. Sorgen Sie da-
für, dass zumindest ein Teil der Erlöse aus dem Münz-
verkauf als einmaliges Stiftungskapital der Anti-Doping-
Agentur zugeführt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Detlef Parr [FDP])


Kein Dopingkontrollsystem ist perfekt und wird es
niemals sein können. Wir haben ein dichtes und effekti-
ves System, das jedem Vergleich standhalten kann. Län-
der mit einem Dopinggesetz kontrollieren kaum, sie ver-
lassen sich auf das Gesetz. Sie haben wegen der
geringen Kontrollen mehr Dopingfälle. Dies zeigt: Nur
viele und unangemeldete Kontrollen haben eine abschre-
ckende Wirkung. Daraus folgt: Wir brauchen kein Ge-
setz, aber durchaus eine Prüfung bestehender Regelun-
gen, wenn sich Bedarf zeigt.

Wir wollen mehr Kontrollen, vor allem im C- und D-
Kader und im Nachwuchsbereich. Wir wollen die leis-
tungsfähigen Kontrolllabore in Kreischa und Köln aus-
bauen und die Autonomie des Sports bei der Bekämp-
fung des Dopings erhalten.

Der Dopingbekämpfung reden viele das große Wort,
aber wenn es darum geht, die Mittel bereitzustellen, wer-
den die Töne leiser. Nicht nur die Nationale Anti-Do-
ping-Agentur leidet unter Geldmangel, auch die WADA,
die Welt-Anti-Doping-Agentur, steht vor einem finanzi-
ellen Desaster, wenn man den Zeitungsmeldungen vom
2. Juni 2003 glauben darf.

Viele Regierungen und nationale Sportverbände ha-
ben den Anti-Doping-Code beschlossen, aber sie stellen
zumindest bisher nicht die notwendigen Mittel zur Ver-
fügung.

Die Bundesregierung hat hier einen guten Schritt in
die richtige Richtung getan und Gelder zur Verfügung
gestellt. Nach einem Zeitungsbericht hat sie bis heute al-
lerdings nur 25 Prozent dieses Beitrags gezahlt. Sollte
dies zutreffen, so sollte der ausstehende Betrag umge-
hend geleistet werden; denn in der Dopingbekämpfung
ist nur der glaubwürdig, der auch die entsprechenden
Mittel bereitstellt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.

In der Sportpolitik sind wir uns in den Zielen weitge-
hend einig: Wir wollen den autonomen Sport in der
Spitze und in der Breite und wir wollen den Sport dort
subsidiär unterstützen, wo er unserer Hilfe bedarf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Herr Kollege Gienger, ich gratuliere Ihnen herzlich zu hrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. Im Unterschied zu Sportverbänden und dem Internatio alen Olympischen Komitee haben wir hier oben keine edaillen zu verteilen. Vielleicht darf ich mir aber den inweis erlauben, dass es schön wäre, wenn manch aktier Sportler am Fernsehen mitverfolgt hätte, dass Sie ier am Rednerpult einen ähnlich überzeugenden Einruck machen wie früher am Reck. Vielleicht verleitet as den einen oder anderen zur Nachahmung, sodass uch sie sich nach der aktiven Zeit als Sportler um die portpolitik kümmern. Letzte Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Ute umpf, SPD-Fraktion. Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol egen! Lieber Kollege Riegert, jetzt wundert es mich icht mehr, dass wir bei der Olympiabewerbung mit tuttgart so schlecht abgeschnitten haben. Wenn es nämich eine Weltmeisterschaft im Bruddeln, im Meckern, eben würde, dann wären Sie wahrscheinlich Weltmeiser. ch denke aber, dies hilft uns bei der konkreten Lösung nd auch im Sport nicht weiter und kommt dem Sport icht entgegen. Sport fasziniert und bewegt Jung und Alt. Im Sport ann verdient werden – manchmal nicht zu wenig, wenn an sich die Götter im Trikot auf dem Rasen, auf der artanbahn, auf dem Tennisplatz und im Ring anschaut –, r ist ein Wirtschaftsfaktor und in ihm steckt ein gehöries Beschäftigungspotenzial. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505410200

(Beifall)


(Beifall im ganzen Hause)

Ute Kumpf (SPD):
Rede ID: ID1505410300

(Zuruf von der CDU/CSU: So ein Schmarren!)


m Sport ist Fairplay wichtig, mit ihm können soziale
chranken überwunden werden. Sport und Bewegung
alten fit und gesund, wenn man es in Maßen macht.
urzeit läuft die Aktion „Ene mene meck – der Speck ist
eg“. Dies sollten sich nicht nur die Kinder zu Herzen
ehmen, sondern ich denke, auch wir Älteren täten gut
aran, uns das auf die Fahnen zu schreiben.


(Detlef Parr [FDP]: Ihr Einstieg in die Rede war kein Fairplay!)


Darüber können wir nachher im Nachgang streiten.

(Detlef Parr [FDP]: Das sollten Sie mit dem Kollegen Riegert tun!)

Wie alles im Leben, so hat natürlich auch der Sport

eine Licht- und Schattenseiten. Bei allem, was vorhin
iskutiert wurde – es ging darum, was europäisch und in-
ernational zu tun ist –, war für mich in der Enquete-Kom-
ission „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“






(A) )



(B) )


Ute Kumpf
besonders das ungeheure ehrenamtliche Potenzial in
den Sportvereinen und Verbänden faszinierend.

Es gibt rund 27 Millionen Mitgliedschaften in
87 000 Turn- und Sportvereinen und 91 Mitgliedsorgani-
sationen auf Bundes- und Länderebene. In diesen Verei-
nen werden insgesamt 240 Millionen Übungsstunden
von circa 2,7 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern überwiegend ehrenamtlich abgehalten. Der Sport-
bund spricht von 2 bis 2,5 Millionen Menschen, die sich
in den Vorständen ehrenamtlich engagieren. Erhebungen
der Enquete-Kommission „Zukunft des bürgerschaftli-
chen Engagements“ haben ergeben, dass diese Zahl noch
größer ist und dass sich insgesamt 6,6 Millionen Men-
schen in irgendeiner Form in den Vereinen ehrenamtlich
betätigen. Diese Millionen Bürgerinnen und Bürger sind
für mich die eigentlichen Sponsoren des Sports.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich denke, wir alle sind uns einig – das waren wir uns
auch in der Enquete-Kommission –: Wenn wir diese
Sponsoren nicht hätten, dann würde unsere Gesellschaft
tatsächlich ärmer aussehen. Aufgrund dieser freiwilligen
Arbeit und dieser Kultur der wechselseitigen Achtung
und Zugehörigkeit werden Gemeinsinn und Werte ent-
wickelt, die eben nicht an der Börse gehandelt werden
und die den Zusammenhalt unserer Zivilgesellschaft be-
stimmen.

Unsere Anerkennung und unser Dank gelten diesen
Sponsoren. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Riegert – das
ist das Tragische an der CDU/CSU –, haben wir diese
Anerkennung und diesen Dank tatsächlich auch in kon-
krete Schritte umgesetzt. Es verwundert mich immer
wieder, dass Sie sich zwar damit rühmen, etwas für das
Ehrenamt zu tun, seltsamerweise es aber immer sozial-
demokratische Bundeskanzler waren, die sich für den
Sport stark gemacht haben.


(Beifall bei der SPD)

Willy Brandt hat damals in den 70er-Jahren die

Übungsleiterpauschale von 100 DM eingeführt. Helmut
Schmidt hat diese Summe auf 200 DM erhöht. Danach
hat es 20 Jahre lang gedauert, bis unter Gerhard Schröder
die Übungsleiterpauschale auf 300 DM erhöht wurde. Es
war richtig, dass wir diesen Weg gegangen sind und über
die Übungsleiter hinaus auch den Kreis der Betreuer in
die Pauschale einbezogen haben.

Ich glaube, Sie waren in Ihrer Rede nicht ganz red-
lich, Herr Riegert, als Sie meinten, in Ihren Vereinen
fließe kein Geld; ich habe andere Erfahrungen gemacht.

Wir haben in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass
die Vereine auf eine bessere Grundlage gestellt wurden:
Bürokratie konnte abgebaut werden, das Durchlaufspen-
denverfahren wurde abgeschafft, die Möglichkeit eröff-
net, Rücklagen zu bilden. Mit diesen Schritten sind wir
der Sport-Community entgegengekommen, die einen
großen Teil des sozialen Kapitals in unserer Gesellschaft
darstellt. Wir werden diesen Schatz an sozialem Kapital
in den Sportvereinen und -verbänden hüten und weiter

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(C (D fleglich behandeln. Wir werden in dieser Legislaturpeiode die Empfehlungen der Enquete-Kommission, die ür den Sport gelten, im Dialog mit den Verbänden und ereinen gemeinsam umsetzen. Ich freue mich, dass der Deutsche Sportbund das hema Ehrenamt auf seiner Hauptausschusssitzung im ezember behandeln wird und dass der Deutsche Fußall-Bund die Aktion „Vitamin Ehrenamt“ auf den Weg ebracht hat. Dies zeigt, dass nicht nur die Politik geforert ist, mit Gesetzen tätig zu werden, sondern dass sich ie Positionen, die wir in der Enquete-Kommission erareitet haben, auch die Vereine und Organisationen zu Eien machen müssen, damit wir diesen Weg im Gleichlang weitergehen können. Ich wünsche mir, dass Sie, err Riegert, und die anderen Kolleginnen und Kollegen on der CDU/CSU nicht bruddeln, sondern dass Sie mit ns gemeinsam an einem Strang ziehen. ur auf diese Art und Weise können wir dem Ehrenamt nd dem bürgerschaftlichen Engagement Rechnung traen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall des Abg. Dieter Grasedieck [SPD])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505410400


Der Kollege Riegert hat um das Wort für eine Kurzin-
ervention gebeten.


Klaus Riegert (CDU):
Rede ID: ID1505410500

Liebe Frau Kollegin Kumpf, es mag schon sein, dass

ch Kritik nicht so charmant wie Sie herüberbringen
ann und dass es dann, wie man im Schwäbischen sagt,
ruddelig wirkt. Aber ich will festhalten, dass Ihre Lan-
esvorsitzende, Frau Staatssekretärin Vogt, und ich ge-
einsam dafür gekämpft haben, Stuttgart ins Rennen um
ie Austragungsstadt für Olympia zu schicken. Jetzt er-
ennen wir fairerweise an, dass Leipzig gewonnen hat,
nd unterstützen diese Bewerbung.
Sie müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass es bei der

teuerlichen Behandlung von Sportgroßveranstaltungen
onkreten Handlungsbedarf gibt. Zum Beispiel geht es
arum, für die Weltreiterspiele 2006 in Aachen – für
eiter das Ereignis überhaupt – ähnliche Beschlüsse zu
assen, wie wir das für die Fußball-Weltmeisterschaft ge-
acht haben. Wir müssen gemeinsam mit den Ländern
in Verfahren entwickeln, damit unsere Sportverbände
eranstaltungen nach Deutschland holen können. Da-
urch würde auch die Bewerbung Leipzigs unterstützt.
Wenn wir das gemeinsam tun, dann werde ich Sie lo-

en. Wenn Sie das nicht mitmachen, dann werde ich mir
ie Freiheit nehmen, das zu kritisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505410600


Zur Erwiderung, bitte schön, Frau Kumpf.






(A) )



(B) )


Ute Kumpf (SPD):
Rede ID: ID1505410700

Lieber Kollege Riegert, dass Stuttgart nicht zur Be-

werberstadt Deutschlands für die Olympiade gewählt
wurde, schmerzt mich bis heute besonders. Ich hatte
nämlich schon die 300 Stimmen aus Peking – die genaue
Zahl weiß ich nicht mehr – sicher; das wurde mir seiner-
zeit beim deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog
zugesichert. Deswegen finde ich das schade.

Aber was ich bei meiner Eingangsbemerkung zum
Ausdruck bringen wollte, war: Wenn Sie aus der Opposi-
tion im Bereich des Sports nur Wert darauf legen, dass
Sie bruddeln können, und nicht den Fairplay und die po-
sitiven Elemente würdigen, dann haben wir schlichtweg
schlechte Karten, das gemeinsam auf den Weg zu brin-
gen. Das beziehe ich jetzt auch auf Stuttgart. Stuttgart
war einfach schlecht aufgestellt. Als Mitglied des Kura-
toriums hätte ich mir manchmal mehr Luftigkeit und
Leichtigkeit der politischen Spitze gewünscht. Wir ha-
ben es eben nicht geschafft.

Ich bin aber ganz zuversichtlich: Wir haben eine
Staatssekretärin, die sich in diesen Bereich inzwischen
hervorragend eingearbeitet hat und die großen Respekt
bei den Verbänden genießt; das konnte ich bei meinen
letzten Gesprächen mit Herrn von Richthofen schriftlich
bekommen. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsam den
Weg, die Olympiade in Leipzig auszurichten, ebnen kön-
nen, wenn wir uns alle fröhlich, mit Fairplay, mit Mut
und Engagement dahinter stellen. Dazu sind auch Sie
eingeladen. Dann können wir im internationalen Ge-
schäft – die Bruddelei beiseite gelassen – tatsächlich
vorne mitspielen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505410800


Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-

empfehlung des Sportausschusses zum 10. Sportbericht
der Bundesregierung auf Drucksache 15/952. Der Aus-
schuss empfiehlt, in Kenntnis des Sportberichts der
Bundesregierung auf Drucksache 14/9517 eine Ent-
schließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit der Mehrheit der Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Opposition an-
genommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-

nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Siebten Buches Sozialge-
setzbuch und des Sozialgerichtsgesetzes

– Drucksache 15/812 –

(Erste Beratung 40. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes

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(C (D zur Änderung des Siebten Buches Sozialgesetzbuch und des Sozialgerichtsgesetzes – Drucksache 15/1070 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung – Drucksache 15/1199 – Berichterstattung: Gerald Weiß Es liegen je ein Entschließungsantrag der Fraktion der DU/CSU und der Fraktion der FDP vor. Nach einer inerfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine eit von 30 Minuten vorgesehen. – Dazu höre ich keinen iderspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege eter Dreßen für die SPD-Fraktion. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorge ehenen Änderungen im Siebten Sozialgesetzbuch, die ir heute beschließen, sind nicht nur dringend notwenig, sondern sie werden sich auch auf alle Beteiligten ositiv auswirken. Wie kann es zu einer solchen Winin-Situation kommen? Das Siebte Sozialgesetzbuch, die deutsche Unfallver icherung, funktioniert nach dem Prinzip einer Haftflichtversicherung. Der Arbeitgeber schließt zugunsten einer Arbeitnehmer eine solche Haftpflichtversicherung b. Damit sind diese im Falle von Arbeitsunfällen und erufskrankheiten sozial abgesichert. Dieses Prinzip der eutschen Unfallversicherung ist ein großer Erfolg. Die ahl der betrieblichen Unfälle ist stetig zurückgegangen. eringe Fehlzeiten und niedrige Versicherungsbeiträge aben die Kosten gesenkt. Doch, was lange währt, wird halt nicht immer gut. iefgreifende Veränderungen in unserem Wirtschaftsleen machen sich auch im System der sozialen Sicherung emerkbar. Das gilt auch für die Unfallversicherung. Der andel von der Industriezur Dienstleistungsgesellchaft, die Einführung neuer Technologien, die Abwanerung von Märkten – all das wirkt sich auf unser Sysem der sozialen Sicherung aus. Für das branchengegliederte System der Unfallversi herung führt dieser Wandel zu Verschiebungen, die sich n den einzelnen Gewerbezweigen besonders nachteilig uswirken. Besonders betroffen ist der gewerbliche Beeich. Mit Sorge beobachten wir eine negative Entwickung in der Baubranche. Diese hat zurzeit einen staren Beitragsanstieg zu verkraften. Altlasten aus früheren eiten und die lahmende Konjunktur belasten ein Geerbe mit rückgängigen Beschäftigtenzahlen. Die Ausgaben laufen unvermindert weiter, gleichzei ig droht aber die Einnahmeseite wegzubrechen. Diesem andlungsbedarf tragen meine Fraktion und die Fraktion Peter Dreßen des Bündnisses 90/Die Grünen Rechnung, und zwar auf zweierlei Art und Weise. Erstens wird das Finanzausgleichsverfahren deutlich ausgeweitet. Berufsgenossenschaften, bei denen sich das Verhältnis zwischen Rentenleistungen und Arbeitsentgelten deutlich schlechter als im Durchschnitt entwickelt, werden künftig stärker entlastet. Hiervon profitieren insbesondere die Bauberufsgenossenschaften. Stärker zahlen müssen dagegen die Unternehmen in Berufsgenossenschaften aufstrebender Dienstleistungsbranchen. Ein weiteres Kriterium, die Altrentenquote, befreit von der Zahlungsverpflichtung im Ausgleichsverfahren. Insgesamt werden die Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft so um voraussichtlich 70 Millionen Euro jährlich entlastet. 20 Millionen Euro entfallen auf den Wegfall von Zahlungspflichten und 50 Millionen Euro sind echte Zahlungen, die sie erhalten. Zweitens werden finanzielle Anreize für den Zusammenschluss von Berufsgenossenschaften gesetzt. Notleidende Berufsgenossenschaften sollen dazu bewegt werden, zu fusionieren. Dies betrifft wiederum die regional stark gegliederten Berufsgenossenschaften der Bauwirtschaft. Diesen Zusammenschluss erwarten die zahlungspflichtigen Branchen als Beitrag zu einer nachhaltigen Lösung. Die Konzeption des Lastenausgleichs beruht auf ei nem Vorschlag der Selbstverwaltung. Alle Beteiligten haben eine Basis geschaffen, auf die sich unser Gesetzentwurf stützen konnte. Darin sehe ich ein überzeugendes Beispiel dafür, wie die Selbstverwaltung in einem gegliederten System eine Krise durch Konsens meistert. Die FDP fordert in ihrem Entschließungsantrag eine Privatisierung der Unfallversicherung. Das ist keine Forderung, die uns überrascht, aber sie verfehlt wieder einmal den Kern des Problems. Denn wenn in einzelnen Branchen die Beiträge zur Unfallversicherung steigen, so entspricht das nicht dem Haupttrend. Ein Blick auf sämtliche Gewerbezweige zeigt nämlich, dass sich die Beiträge über die Jahre hinweg stabil verhalten: Lag der Durchschnittsbeitrag in den 80er-Jahren noch durchweg bei 1,4 Prozent der Lohnsumme, so ist er in der Folgezeit sogar leicht gesunken, und zwar auf derzeit 1,3 Prozent. Wenn die Belastung in anderen Branchen diesen Durchschnittsbeitrag noch unterschreitet, dann sehe ich hierin die Legitimation, auch bei ihnen Solidarität einzufordern. Welche Auswirkungen wird diese neue solidarische Lastenverteilung mit sich bringen? Die Wirkungen des neuen Lastenausgleichs für die einzelnen Branchen werden von der weiteren Entwicklung – auch von der Konjunkturentwicklung – abhängen. Gegebenenfalls werden die Voraussetzungen für den Lastenausgleich unter bestimmten Bedingungen verändert werden müssen. In diesem Zusammenhang nenne ich die Altrentenquote, die auch eine Ausgleichsberechtigung auslösen könnte. Ob eine solche Änderung künftig erforderlich wird, hängt aber, wie gesagt, von der weiteren Entwicklung a f d P R w z v w d d D A g p b g u b J b a r r v w d g c b t g I s b b f b t e d B a k d r a d b s ß (C (D b. Anders als es der Entschließungsantrag der Unionsraktion nahe legt, sehen wir derzeit keinen entsprechenen Bedarf. Ich bitte Sie daher, dem Antrag in diesem unkt Ihre Zustimmung nicht zu erteilen. Im Übrigen enthält der Entschließungsantrag eine eihe von Punkten, denen wir zustimmen könnten. Das ird sich sicherlich in der nachfolgenden Abstimmung eigen. Auch in anderen Sozialleistungsbereichen sieht der orliegende Gesetzentwurf Änderungen vor. Ich erähne nur den Anreiz für die Arbeitgeber im Rahmen er Ausbildungsinitiative der Bundesregierung, noch in iesem Jahr mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen. er Sozialversicherungsbeitrag wird zugunsten der usbildungsbetriebe wieder auf das alte Recht zurückeführt. Vor allem in den neuen Ländern wird sich das ositiv auf die Bereitschaft der Betriebe auswirken, Ausildungsplätze anzubieten. Das gilt schon für das im Auust beginnende Ausbildungsjahr. Die Ausbreitung von Arbeitszeitkonten wird von ns weiter gefördert. Die Auflösung von Langzeitkonten eim Wechsel des Arbeitsplatzes wird um ein halbes ahr hinausgeschoben. Das dient den tariflichen Vereinarungen in den einzelnen Branchen, Langzeitkonten uch nach einem Wechsel des Arbeitsplatzes fortzufühen. Außerdem wird der Insolvenzschutz in diesem Be eich durch eine Informationspflicht der Arbeitgeber erbessert. Diese Änderung ist besonders wichtig; denn ir mussten gerade in jüngster Vergangenheit erleben, ass Arbeitnehmer im Falle des Konkurses ihres Arbeitebers leer ausgegangen sind. Wir haben auch die Grenze der Wertguthaben von irca 7 500 Euro, unterhalb der eine Insolvenzsicherung isher nicht möglich war, tariflich geöffnet. Dies bedeuet, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften auch niedriere Beiträge als 7 500 Euro zur Absicherung in den nsolvenzschutz aufnehmen können. Besonders in dieem Bereich werden wir aber die Entwicklung weiter eobachten müssen. Der Pensionsfonds als neuer Durchführungsweg der etrieblichen Altersvorsorge wird gestärkt: Die Kosten ür den Insolvenzschutz werden so ermäßigt, dass eine etriebliche Altersvorsorge über diesen Weg deutlich atraktiver wird. Persönlich bin ich schließlich darüber erfreut, das wir inigen Petitionen benachteiligter Witwen im Bereich er Alterssicherung der Landwirte entsprechen und den eschwerden abhelfen können. Dies wird eine Petentin us Münzingen sicherlich besonders freuen; denn sie ämpft seit 1996 für die Beseitigung eines Fehlers, den er Gesetzgeber bei der Neugestaltung der Alterssicheung in der Landwirtschaft gemacht hat. Wir heben ihn uf. Dieser Fall – diese Frau hat ihren Mann verloren, en landwirtschaftlichen Betrieb weitergeführt; plötzlich ekam sie nur noch 120 DM Rente, obwohl sie urprünglich 600 DM erhalten sollte – war mit einer groen Ungerechtigkeit verbunden. Peter Dreßen Insgesamt stelle ich fest, dass bei diesem Gesetzgebungsverfahren eine große Bereitschaft zu erkennen war, sachgerechte Lösungen für die Probleme der Unfallversicherung zu finden. Wir werden die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten. Von der Bundesregierung erwarten wir entsprechende Vorschläge, wenn sich zeigt, dass der Lastenausgleich nicht genügt und dass nachzusteuern ist. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Erste Beratung 48. Sitzung)


(13. Ausschuss)

Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1505410900




(A) )


(B) )


(Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505411000


Ich erteile dem Kollegen Gerald Weiß, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Kollege Dreßen, es gibt einen – allerdings be-
grenzten – Konsens: Die Geschichte der gesetzlichen
Unfallversicherung ist insgesamt eine Erfolgsstory. Da-
mit sie es bleiben kann, müssen wir kurzfristig und auch
mittelfristig wichtige gesetzgeberische Entscheidungen
treffen. Sie haben Recht: Die Anzahl der Berufs- und
Arbeitsunfälle ist, langfristig gesehen, zurückgegangen;
die Versicherungsbeiträge sind gemessen an denen in an-
deren Sektoren insgesamt relativ stabil. Das ist ein gro-
ßer Erfolg der Prävention. Die Prävention ist wiederum
ein großer Erfolg der Sozialpartnerschaft, also der Part-
nerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, in
den Berufsgenossenschaften.

In einigen Branchen, vor allem in der Bau- und in der
Textilwirtschaft, gibt es schwere Strukturkrisen. Das
hat dazu geführt, dass immer größere Lücken zwischen
Beitragseinnahmen auf der einen Seite und Versiche-
rungsleistungen auf der anderen Seite klaffen, dass die-
ses Verhältnis sozusagen immer windschiefer wird.

Eine Folge dessen ist das Ansteigen von Beitragssät-
zen, was diese Betriebe am allerwenigsten verkraften
können. Der Ansatz, der dem vorliegenden Gesetz zu-
grunde liegt, ist deshalb richtig: Wir müssen den Lasten-
ausgleich zwischen den stärkeren und den schwächeren
Branchen verbessern. Dafür wollen wir – Selbstverwal-
tung, die Bundesländer und die große Mehrheit der Mit-
glieder dieses Hauses – gemeinsam sorgen.

Kollege Dreßen, wir sind der Überzeugung, dass der
vorliegende Gesetzentwurf hier und heute zwar ein not-
wendiger, leider aber kein hinreichender Schritt ist. Das
System des Lastenausgleichs zwischen den hoch belas-
teten Berufsgenossenschaften muss effektiver werden.
Der vorgeschlagene Weg zur Verbesserung dieses Las-
tenausgleichs wird nicht zum Erfolg führen. Das ist un-
sere feste Überzeugung. Für Betriebe, die zum Teil wirk-
lich auf der Kippe stehen, geht kostbare Zeit verloren. In
dieser Zeit wollen Sie – das haben Sie eben noch einmal
zugesichert – die Entwicklung weiter beobachten.

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(C (D Wir haben Ihnen vorgeschlagen, den Lastenausgleich leich wirksamer zu gestalten. Unser Vorschlag sieht or, dass die Altrentenquote nicht nur Kriterium für die reistellung von Ausgleichsverpflichtungen, sondern uch Auslösekriterium für die Ausgleichsberechtigung t. Sie haben auf die Wirkungen des von Ihnen geplanten astenausgleichs verwiesen. Durch das, was Sie vorhaen, werden 70 Millionen Euro für die Bauwirtschaft beegt. Das ist nachweisbar zu wenig und wird nicht wirkam sein. uch wenn wir heute zustimmen, weisen wir darauf hin, ass das, was beschlossen wird, nur einen Minimalkonens darstellt. Das ist zwar besser als gar nichts, aber von iner optimalen Lösung weit entfernt. Es muss nicht nur einen verbesserten Lastenaus leich, sondern auch mehr Effizienz geben. Zu mehr Efizienz kommt es nur, wenn bei den 34 gewerblichen Beufsgenossenschaften sozusagen eine Flurbereinigung tattfindet. Wir müssen die Zahl der Berufsgenossenchaften also senken, um Synergien zu gewinnen. Wir üssen Anreize schaffen, um Fusionen und Zusammenchlüsse zu erleichtern. Das, was der Gesetzentwurf in iesem Bereich vorsieht, ist zwar in Ordnung. Aber es ist raglich, ob der Schub, den Ihre Bestimmungen auslösen erden, ausreicht, um die Struktur insgesamt zu stärken nd die Wirtschaftsbereiche mit schwieriger Zukunft das sind einige – vorzubereiten. Es soll außerdem gelten – ich glaube, auch darüber esteht Konsens –: Selbstverwaltung hat Vorfahrt. Wer orfahrt hat, muss aber auch fahren. In den Berufsgenosenschaften muss sich dringend etwas bewegen, wenn ie Strukturen verbessert werden sollen. Unsere Gesamthaltung zu dem vorliegenden Gesetz ntwurf ist ein „Ja, aber“. Der Entwurf stellt ein Minium, aber nicht das notwendige und eigentlich erreichare Optimum dar. Momentan kann man von Ihnen nicht ehr erwarten. Sie haben in Aussicht gestellt, die Enticklung bis zum Herbst dieses Jahres zu beobachten. s wird also kostbare Zeit verstreichen. Wir sind übereugt, dass wir uns bei Philippi wiedersehen und dass ie im Herbst Ihrer Lieblingsbeschäftigung – daran sind ie gewöhnt; das ist ja eine stehende Übung bei Ihrer esetzgebungsarbeit – nachgehen müssen: dem Nachessern. Wir haben in unserem Entschließungsantrag icht nur den aktuellen Reformbedarf aufgezeigt, sonern auch weite Felder abzudecken versucht, auf denen über den heutigen Tag hinaus – Reformen notwendig ind. Ich bekräftige heute noch einmal – die Ausschussbe atung war ja insgesamt relativ positiv – unser Angebot ur Zusammenarbeit. Trotz der Einschränkungen und orbehalte, die ich erwähnt habe, stimmen wir zu. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort Kollegen Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol lege Weiß, wir sind uns ja im Prinzip einig. Angesichts der Tatsache, dass die Sozialversicherung sonst sehr stark in der Kritik steht, freut es mich, dass wir uns heute mit einem Sozialversicherungszweig beschäftigen, der unter dem Strich effektiv und effizient ist und der durch seit Jahren sinkende Durchschnittsbeiträge und verbesserten Arbeitsschutz vonseiten der Unternehmen gekennzeichnet ist. Es freut mich auch, dass wir uns in der Bewertung – dies eine Erfolgsgeschichte, auch wenn der Strukturwandel Veränderungen notwendig macht – hier weitgehend einig sind. Es war aber nicht nötig, dass Sie uns an dieser Stelle Ihre alt bekannten Vorwürfe machen: Wenn wir zu viel regeln, werfen Sie uns Aktionismus vor. Wenn wir aber in Ruhe die weitere Entwicklung abwarten und analysieren – das ist in diesem Fall sicherlich berechtigt –, um später gezielt nachzusteuern, dann werfen Sie uns vor, dass wir konzeptlos nachbesserten. Ich denke, es ist hier nicht notwendig, mit solchen Sottisen über uns herzuziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505411100
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505411200

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird das Aus-
gleichsverfahren der gesetzlichen Unfallversiche-
rung neu gestaltet. Damit kommen wir der Baubranche
entgegen, die in den letzten Jahren durch den Abbau von
Überkapazitäten geschrumpft ist. Hier gibt es einen ho-
hen Bestand an Altfällen – das haben schon meine Kol-
legen dargelegt –, sodass die Einnahmen nicht mehr die
Ausgaben decken. Ich glaube, dass ich auf das Prinzip
und die technischen Einzelheiten nicht näher eingehen
muss, weil das bereits meine Vorredner ausreichend ge-
tan haben.

Ich möchte stattdessen kurz auf einen anderen Teil
des Gesetzespakets eingehen, der auch mit der geplanten
Gesetzesänderung neu geregelt wird. Wir werden durch
eine entsprechende Änderung des Vierten Buchs Sozial-
gesetzbuch die Geringverdienergrenze bei den Ausbil-
dungsverhältnissen wieder auf die ursprüngliche Höhe
von 325 Euro senken. Es hat sich nämlich in den letzten
zwei Monaten gezeigt, dass die zum 1. April dieses Jah-
res wirksam gewordene Anhebung der Geringverdiener-
grenze ein falsches Signal an die Betriebe gegeben hat,
obwohl die Belastung für die Unternehmen maßvoll war.
Gerade in den ostdeutschen Bundesländern wurden die
Arbeitgeber dadurch belastet, dass sie für eine gewisse
Zahl von Ausbildungsverhältnissen, insbesondere im
ersten Ausbildungsjahr, die Sozialversicherungsbeiträge
allein tragen müssen, nachdem das vorher anteilig getra-
gen worden war. Insofern war ihre Belastung vorher ge-
ringer.

Ziel der rot-grünen Bundesregierung ist es, alle
Ausbildungshemmnisse abzubauen, damit die Unter-

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(C (D ehmen ihrer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung ur Ausbildung wieder besser gerecht werden können. ir werden dieses vorwiegend psychologische, in geissem Maß aber auch finanziell wirksame Ausbilungshemmnis abbauen und werden die Geringverdieergrenze, bis zu der der Arbeitgeber den Gesamtsozialersicherungsbeitrag für den Auszubildenden allein rägt, wieder auf den ursprünglichen Wert von 325 Euro enken. Das war eine Forderung von Ihnen, die Sie im usschuss vorgetragen haben. Wir kommen dem nach, ind uns also auch in dieser Frage einig. Sie sehen, dass wir an einzelnen Punkten Ausbil ungshemmnisse gezielt ansteuern und abbauen. Wir alten es aber nicht für richtig, etwa Ausbildungsvergüungen abzusenken, wie das von Ihnen noch zusätzlich efordert wird. Gerade in den ersten Ausbildungsjahren iegt die Ausbildungsvergütung eher im Bereich der Verütung von Minijobs und noch darunter. Wir schlagen it dieser Änderung den moderaten und richtigen Weg um Abbau von Ausbildungshemmnissen ein. Wir weren auf diesem Weg auch weitergehen. Danke. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505411300


Ich erteile dem Kollegen Heinrich Kolb, FDP-Frak-
ion, das Wort.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1505411400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Die rot-grüne Koalition hat vor einem Jahr in
hrem Koalitionsvertrag eine Reform der gesetzlichen
nfallversicherung angekündigt. Was Sie uns vorlegen,
err Kurth, ist lediglich eine zugegebenermaßen not-
endige, aber der Form nach unzureichende Neujustie-
ung des Lastenausgleichs zwischen den Berufsgenos-
enschaften.


(Gerald Weiß [Groß-Gerau] [CDU/CSU]: Reförmchen!)


ie müssen sich hier schon die Frage nach der Ernsthaf-
igkeit Ihres Reformwillens stellen lassen.


(Beifall bei der FDP)

In der Bauindustrie hat die Beitragssatzsteigerung im

ahr 2002 über 9 Prozent betragen. Unsere Sorge ist – da
timme ich dem Kollegen Weiß zu –, dass für diese Bran-
he die in Ihrem Entwurf vorgesehene Änderung des Las-
enausgleichs nicht ausreichend ist. Wir fragen, warum
ie Ihnen vom Bundesrat aufgegebene Änderung des
176 SGB VII, nämlich die Aufnahme der Altrenten-
uote als ausgleichsberechtigten Faktor, in ihrem Ge-
etzentwurf nicht berücksichtigt wird. Gerade in den
ich in der Krise befindlichen Branchen des Landes sind
ie Rentenaltlasten besonders drückend und bedürfen ei-
er Regelung. Die Altrentenquote als Grund für die Frei-
tellung reicht nicht aus. Wir brauchen die Altrenten-
uote als ausgleichsberechtigten Faktor. Das werden






(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
auch Sie über kurz oder lang, wahrscheinlich noch im
Verlaufe des Jahres, einsehen müssen.

Sie haben sich nicht getraut – ich deutete es bereits an –,
über diese eher begrenzte Änderung hinaus echte Refor-
men in der gesetzlichen Unfallversicherung anzugehen.
Das wundert mich umso mehr, als Sie in der Einleitung
geschrieben haben, Herr Kollege Dreßen, alles sei im
Umbruch, alles fließe, die Dinge änderten sich. Sie zie-
hen daraus aber nicht die Konsequenzen. Jedenfalls ha-
ben Sie sich im Ausschuss der von uns angestoßenen
Diskussion zu strukturellen Änderungen verweigert.
Deswegen sehe ich die Gefahr, dass Sie hier wie auch in
anderen Sozialversicherungszweigen die Zeichen der
Zeit übersehen und erst handeln, wenn es zu spät ist. Das
muss nicht sein. Die Vorschläge sind auf dem Tisch.

Warum wollen wir eine solche strukturelle Änderung?
Weil, wie jeder weiß, seit der Einführung der gesetzli-
chen Unfallversicherung erstens die Definition des
Versicherungsfalls, zweitens der Leistungskatalog und
drittens auch der versicherte Personenkreis zunehmend
ausgeweitet worden sind. Wir fordern eine klare Diffe-
renzierung zwischen dem allgemeinen Lebensrisiko und
betriebsspezifischen Risiken. Wir wollen eine Fokussie-
rung des Wegeunfallrisikos durch Präzisierung der Tat-
bestände und Umgestaltung auch der finanziellen Absi-
cherung. Wir halten eine schärfere Definition des
Versicherungsfalls „Berufskrankheit“ durch eine Kon-
kretisierung der Tatbestände in der Berufskrankheiten-
liste für notwendig.

Warum können wir nicht gemeinsam über eine obli-
gatorische Abfindung von Renten bei einer Minderung
der Erwerbsfähigkeit um weniger als 35 Prozent als Ab-
geltung des erlittenen Gesundheitsschadens nachden-
ken? Warum können wir nicht über eine Ausrichtung ge-
zahlter Verletztenrenten am konkreten Erwerbsschaden
und damit auch über eine Relativierung der Pauschalie-
rung reden, wie sie in der gesetzlichen Unfallversiche-
rung derzeit gang und gäbe ist? Warum können wir nicht
über eine Begrenzung der Zahlung von Verletztenrenten
auf die Zeit der Erwerbstätigkeit sprechen?

Das alles sind Punkte, die, auch wenn Sie, Herr
Dreßen, es heute noch nicht wahrhaben wollen,


(Jürgen Koppelin [FDP]: Auch morgen nicht!)

über kurz oder lang auf der Tagesordnung stehen wer-
den. Wir sind zum Dialog bereit, aber diesem relativ
schmalbrüstigen Änderungsvorschlag, den Sie heute
vorlegen, können wir nicht zustimmen. Wir werden uns
allenfalls enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505411500


Nun hat Kollege Matthäus Strebl, CDU/CSU-Frak-
tion, das Wort.

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(C (D Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Der heute zu beratende Entwurf eines SGB-VIInderungsgesetzes zur gesetzlichen Unfallversicherung eist grundlegend in die richtige Richtung, geht uns ber noch nicht weit genug. Zentraler Punkt des nun voriegenden Gesetzentwurfs ist die Regelung des Lastenusgleichs zwischen den 35 gewerblichen Berufsgenosenschaften. Die Entwicklung in der Baubranche in den letzten ahren hat gezeigt, dass diese zu den am meisten in ihrer xistenz gefährdeten Branchen gehört. Insbesondere äuere Einflüsse machen ihr zu schaffen: höhere steuerlihe Belastungen wie immer bei Rot-Grün – ich nenne ur die Ökosteuer –, die schlechte konjunkturelle Geamtlage in Deutschland, die steigenden Lohnnebenkosen, die Konkurrenz durch Schwarzarbeit oder auch das in und Her bei der Eigenheimzulage, über die in den etzten Wochen ständig diskutiert wurde und die Miniser Eichel komplett streichen will. Das ist nur ein Auschnitt von Negativpunkten dieser Bundesregierung. ies spiegelt sich vor allem auch in den Einnahmen der etriebe, besonders der aus der Baubranche, wider. Die finanzielle Situation der Berufsgenossenschaften n Bayern und Sachsen zum Beispiel hat sich dramatisch erschlechtert. Die Lohnsumme der Mitgliedsunternehen ist von 1995 bis 2001 um rund 70 Prozent gesunen. Im Gegenzug dazu sind die Beiträge ebenso heftig ngestiegen: in der Gefahrenklasse 1 etwa um 58 Proent; und das, obwohl zur Stützung des Beitrags finanielle Mittel aus Betriebsmitteln und Rücklagen entnomen worden sind. Im Klartext heißt das: Die finanziellen olster sind bald aufgebraucht, aber die Beiträge steigen rotzdem weiter. Gerade die Baubranche, bei der ich jetzt inmal bleibe, ist gegenüber anderen Branchen stärker elastet. Der durchschnittliche Beitragssatz der Baunternehmen liegt derzeit mit 3,5 Prozent fast dreimal so och wie der Durchschnittsbeitrag von 1,3 Prozent in der nfallversicherung. Meine Damen und Herren, es liegt doch auf der Hand, ass hier schnellstmöglich ein Ausgleich geschaffen erden muss, aber nicht mit einem kleinen Reförmchen. ns von der CDU/CSU ist es gelungen, einige Maßnahen in den Vorgesprächen durchzusetzen. Das Wichigste war die Rücknahme der Erhöhung der so genannen Geringverdienergrenze zum 1. August 2003, die im ahmen der neuen Minijobregeln zum 1. Januar 2003 ür Lehrlinge von 325 Euro auf 400 Euro heraufgesetzt orden war. Diese Erhöhung hatte insbesondere zu einer ehrbelastung der Ausbildungsbetriebe geführt. Die nion hatte in ihrem Antrag mit dem Titel „Ausbilungsbereitschaft der Betriebe stärken – Verteuerung der usbildung verhindern“ diesen Schritt gefordert; denn er, der heutzutage ausbildet, soll nicht durch noch höere Abgaben bestraft werden. Ein weiterer Fortschritt ist die Aufnahme der betriebli hen Altersversorgung in den Alterssicherungsbericht. enn bisher fehlt mangels einer konkreten Untersuhung genaues Zahlenmaterial. Eine umfassendere Unersuchung zur betrieblichen Altersvorsorge soll nun im Matthäus Strebl Rahmen des Alterssicherungsberichtes im Jahre 2005 erscheinen. Diese Ausdehnung der Berichtspflicht auf die Betriebsrenten ist enorm wichtig; denn die Arbeitnehmer müssen sich auf deren Rentabilität verlassen können. Eine weitere erhebliche Änderung wird im Bereich des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge vorgenommen. Über einen Pensionsfonds aufgebaute Betriebsrenten sind nämlich über den PensionsSicherungs-Verein insolvenzgeschützt. Die Wahrscheinlichkeit einer Ausfallhaftung bei einer solchen betrieblichen Altersversorgung ist aber ungleich geringer als bei einer Direktzusage durch den Arbeitgeber. Daher ist es angebracht, die Bemessungsgrenze für Pensionsfondszusagen auf 20 Prozent des Betrags bei Direktzusagen abzusenken. Der Insolvenzschutzbeitrag ist somit kein Wettbewerbsnachteil des Pensionsfonds mehr gegenüber anderen Durchführungswegen. Die Grundtendenz im Gesetzentwurf stimmt. Die Frage ist hier, ob die von der Bundesregierung zur Entlastung der Bauwirtschaft geplanten Maßnahmen in der Praxis auch weit genug gehen. Nach derzeitigen Prognosen muss die Bauwirtschaft längerfristig durch den Strukturwandel mit stetig sinkenden oder zumindest stagnierenden Lohnsummen rechnen. Im Vergleich mit anderen Wirtschaftsbereichen muss sie jedoch von hohen Beiträgen zur Unfallversicherung ausgehen. Ist bereits jetzt absehbar, dass manche Maßnahmen nur mittelfristig greifen, so müssen diese unbedingt überarbeitet werden. Ein Beispiel ist hier die neu eingeführte Altrentenquote: Die Entlastung, die sich allein aus einer begrenzten oder wegfallenden Ausgleichspflicht ergibt, ist für Berufsgenossenschaften mit hohem Altrentenanteil äußerst gering. Wir fordern daher, zu beobachten, ob der Lastenausgleich beizeiten angepasst werden muss. Dies kann etwa geschehen, indem die Altrentenquote auch bei der Ausgleichsberechtigung berücksichtigt wird. Ferner fordern wir, die sich durch die strukturellen Verschiebungen wandelnden Organisationsstrukturen zu verändern. Sie sollten in Anlehnung an die Wirtschaftszweige gestrafft werden und an den Erfordernissen der Prävention orientiert werden. Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Ich komme zum Ende, Herr Präsident. Nur so, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann die gesetzliche Unfallversicherung fit gemacht werden für die sich ständig wandelnden Bedingungen des europäischen Binnenmarktes, aber auch insbesondere für die EU-Osterweiterung. Die Schwierigkeiten für die sozialen Sicherungssysteme ziehen sich durch sämtliche Branchen. Lassen Sie es uns angehen, den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung für alle Berufsgenossenschaften auch in Zukunft zu sichern. F e B z u s e d f s i C d u G W w m a F s a D a t g i n d f c E S s S lu d lu B n (C (D Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den raktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen ingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Siebten uches Sozialgesetzbuch und des Sozialgerichtsgesetes, Drucksache 15/812. Der Ausschuss für Gesundheit nd Soziale Sicherung empfiehlt unter Nr. 1 seiner Bechlussempfehlung auf Drucksache 15/1199, den Gesetzntwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte iejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf st damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, DU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung er FDP angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzenturf ist mit der gleichen Mehrheit wie soeben angenomen. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungs nträge. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der raktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/1211? – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsntrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/ ie Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP bgelehnt. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak ion der FDP auf Drucksache 15/1228? – Wer stimmt daegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsantrag st mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grüen bei Enthaltung der CDU/CSU gegen die Stimmen er FDP abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp ehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Siherung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten ntwurf eines Gesetzes zur Änderung des Siebten Buches ozialgesetzbuch und des Sozialgerichtsgesetzes, Druckache 15/1070. Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale icherung empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehng auf Drucksache 15/1199, den Gesetzentwurf für erleigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehng? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die eschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe Tagesord ungspunkt 22 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Präsident Wolfgang Thierse Goldmann, Marita Sehn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Rahmenbedingungen für Waldbesitzer und mittelständische Holzwirtschaft verbessern – Eigentumsrechte stärken – Drucksache 15/941 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die FDP fünf Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Christel Happach-Kasan das Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Holz – das wissen wir – ist der bedeutendste nachwachsende Industrierohstoff in Deutschland. Jährlich werden 40 Millionen Kubikmeter geerntet; es wachsen 58 Millionen Kubikmeter nach. Für jede Nachhaltigkeitsstrategie ist daher Holz und damit die Frage der Bewirtschaftung unserer Wälder von ganz zentraler Bedeutung. Für die Bundesregierung hat der Wald erkennbar nur nachrangige Bedeutung. Das zeigte nicht nur die Bemerkung des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPDFraktion in der gestrigen Debatte, der meinte, unseren Antrag nennen zu müssen. Das zeigt insbesondere die Tatsache, dass in dem vom Bundeskanzler einberufenen Rat für nachhaltige Entwicklung weder der Forstwirtschaftsrat noch die Waldbesitzerverbände, der Forstverein oder der Holzwirtschaftsrat vertreten sind. Eine Nachhaltigkeitsstrategie ohne die Berücksichtigung des wichtigsten nachwachsenden Rohstoffes Holz kann bei uns jedoch nicht erfolgreich sein. Nachhaltige Entwicklung in Deutschland ohne die Forstwirtschaft funktioniert nicht. Vor diesem Hintergrund verwundert es überhaupt nicht, dass im Koalitionsvertrag das Stichwort „nachwachsende Rohstoffe“ fehlt. Die Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen deutlich, dass die Holzpreise in Deutschland seit 1995 im Bereich des Stammholzes um 12 Prozent und im Bereich des Industrieholzes um 8 Prozent gesunken sind. Vor diesem Hintergrund fordert die FDP die Bundesregierung auf, die Rahmenbedingungen für Waldbesitzer und die mittelständische Holzwirtschaft zu verbessern. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Matthäus Strebl (CSU):
Rede ID: ID1505411600




(A) )


(B) )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505411700
Matthäus Strebl (CSU):
Rede ID: ID1505411800

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505411900




(A) )


(B) )

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):
Rede ID: ID1505412000

Dazu gehört für uns, dass das Bundeswaldgesetz als
Rahmenrecht erhalten bleibt. Es dürfen keine weiteren
Regulierungen die Handlungsfreiheit der Waldbesitzer
einschränken. Erstens gibt es dafür keinen Grund; denn
die bestehenden Regelungen haben sich als erfolgreich
erwiesen.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Albert Deß [CDU/CSU])


weitens ist die Situation auf dem Holzmarkt so ange-
pannt, dass bei weiteren Regulierungen notwendiger-
eise mit einem Abbau von Arbeitsplätzen zu rechnen
st. Das können wir uns nicht leisten.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Das ist wahr!)

ei 4,6 Millionen Arbeitslosen ist es geboten, Arbeits-
lätze im Land zu halten, und nicht, weitere zu exportie-
en, wie das in den Bereichen Transrapid, grüne Gen-
echnik, Forschung, Geflügelhaltung und anderen
irtschaftsbereichen bereits geschehen ist.
Der Waldbesitzerverband teilt die Befürchtungen

er FDP. Er macht gezielt darauf aufmerksam, dass die
tandörtlichen Bedingungen in Deutschland so unter-
chiedlich sind, dass die Festschreibung der so genann-
en guten fachlichen Praxis in einem Bundesgesetz den
esonderen Bedingungen zum Beispiel von Küsten-,
u- und Bergwäldern nicht gerecht werden kann. Lawi-
enschutz ist in Bayern ein Thema, aber nicht in Schles-
ig-Holstein, obwohl es auch bei uns einen Skilift gibt.
Der Waldzustandsbericht hat deutlich gemacht, dass

chadstoffeinträge die Waldböden großflächig verändert
nd in ihrer Funktionsfähigkeit stark beeinträchtigt
aben. Dies ist nicht von den Waldbesitzern zu verant-
orten. Sie haben daher Anspruch auf eine volle Kos-
endeckung bei der Durchführung von Bodenschutzkal-
ungen, mit denen Auswirkungen des Schadstoffeintrags
emindert werden können.
Beim Thema Zertifizierung – auch darüber haben
ir schon diskutiert – sollte sich die Bundesregierung
eutral verhalten. Zertifikate sind marktwirtschaftliche
nstrumente. Gleichwohl gilt: Bayern hat nach den An-
aben des statistischen Monatsberichtes die höchsten
olzpreise, und das ohne FSC-Zertifizierung. Das be-
eutet doch wohl, dass dieses Zertifikat auf dem Markt
eine Anerkennung hat und deshalb auf Ihre politische
nterstützung angewiesen ist. Wir fordern von der Bun-
esregierung, sich den Forderungen von Greenpeace zu
idersetzen und Politik für alle Wälder in Deutschland
u gestalten, nicht nur für die nach FSC-zertifizierten
älder.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Greenpeace hat sich mit seinem Holzmarktführer,

er Holz aus Deutschland als gerade einmal akzeptabel
der kritisch einstuft, zum Fürsprecher für die Petro-
ndustrie gemacht – nach dem Motto: statt heimischer
uche oder Fichte aus dem Harz, dann doch lieber Plas-
ik vom Rhein. Das hilft unseren Wäldern nicht.
Ein Drittel der Fläche Deutschlands ist Wald. Es ist

ür uns keine Frage, dass der Natur- und Artenschutz
uch im Wald eine besondere Bedeutung hat. Die Be-
ücksichtigung von Natur- und Artenschutz im Wald
teht nicht im Widerspruch zu einer erwerbsorientierten
ewirtschaftung des Waldes. Es gibt dafür hervorra-
ende Beispiele bei uns. Wir brauchen Naturwaldparzel-
en im Staatswald, aber auch im Privat- und Körper-
chaftswald. Auflagen, die die Bewirtschaftung stark






(A) )



(B) )


Dr. Christel Happach-Kasan
einschränken und damit einen Eingriff in das Eigentum
darstellen, müssen ausgeglichen oder entschädigt wer-
den. Das gilt für die Ausweisung von Naturschutzgebie-
ten genauso wie für die Ausweisung von FFH-Gebieten,
sofern die Bewirtschaftung behindert wird.

Es kann nicht sein, dass die vom Grundgesetz vorge-
gebene Sozialpflichtigkeit des Eigentums als Deckman-
tel benutzt wird, um von Grundeigentümern in immer
stärkerem Maße entschädigungslos Eingriffe in das Ei-
gentum zu verlangen. Entsprechende Leistungen werden
von keiner anderen Eigentumsart verlangt.

In Deutschland ist die Nutzung des nachwachsenden
Rohstoffes Holz ein wesentlicher Bestandteil aller An-
strengungen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die
energetische Nutzung von Holz ist CO2-neutral. Holz istein hervorragender Baustoff und ein wichtiger Industrie-
rohstoff. Die Waldbewirtschaftung und die Holzwirt-
schaft schaffen Arbeitsplätze im ländlichen Raum.

Ich fasse zusammen: Ohne eine gute Politik für Wald
und Holz ist jede Nachhaltigkeitsstrategie auf dem Holz-
weg.

Ich bitte Sie, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen,
und beantrage die Überweisung an den zuständigen Aus-
schuss. Die CDU/CSU-Fraktion hat freundlicherweise
bereits signalisiert, dass sie mit vielen Thesen dieses An-
trages übereinstimmen kann. Ich bedanke mich für die
freundliche Zustimmung genauso wie für diejenige, die
ich von anderer Seite erfahren habe.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505412100


Ich erteile Kollegin Gabriele Hiller-Ohm, SPD-Frak-
tion, das Wort.


Gabriele Hiller-Ohm (SPD):
Rede ID: ID1505412200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vor-

liegende FDP-Antrag befasst sich mit den Wäldern.

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Nein, mit der Forstwirtschaft!)

Nein, das ist nicht ganz richtig: Der vorliegende Antrag
befasst sich mit den Interessen der privaten Waldwirt-
schaft, der Waldbesitzer und der Holzwirtschaft.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Haben Sie den Antrag gerade erst gelesen?)


Der Antrag kommt zwei Monate zu spät,

(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Der An trag ist immer richtig!)

trifft das Thema nicht und führt uns in der Sache selbst
keinen Schritt weiter.

Warum kommt der Antrag zu spät? Am 3. April die-
ses Jahres haben wir hier im Bundestag eine Debatte
zum jährlichen Waldzustandsbericht der Bundesregie-
rung geführt. Die SPD und die Grünen haben zu diesem
Bericht einen gemeinsamen Antrag mit einem umfassen-

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(C (D en Forderungskatalog eingebracht. Der federführende usschuss hat sich dann am 7. Mai sowohl mit dem Beicht als auch mit dem Antrag befasst und hat über den ntrag abgestimmt. Die FDP hatte Gelegenheit, unserem Antrag zuzu timmen oder aber ihre abweichenden Positionen in eien eigenen Antrag zu gießen und diesen dann im Pleum bzw. im zuständigen Ausschuss einzubringen. eine Damen und Herren von der FDP, Sie haben diese hance verpasst. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Einige der Forderungen, die Sie heute stellen, sind be-
eits mit unserem Antrag im Mai beschlossen und abge-
rbeitet worden.


(Erika Lotz [SPD]: Hört! Hört!)

o haben wir zum Beispiel beschlossen, dass die Prinzi-
ien von Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit eingehal-
en werden sollen, dass im Rahmen der Novellierung des
undeswaldgesetzes Verwaltungsvereinfachungen im
orstbereich und weitere Förderungsmöglichkeiten für
ie Wälder geprüft werden sollen und dass die Nutzung
on Holz als nachwachsender Roh- und Baustoff selbst-
erständlich gefördert werden soll. Hier kommen Sie
lso eindeutig zu spät.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wie viel Geld haben Sie denn in den Haushalt eingestellt?)


Meine Damen und Herren von der FDP, Sie haben un-
eren Antrag abgelehnt.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Weil Sie keine Haushaltsmittel eingestellt haben!)


ie haben damit die ganz wichtige Chance vertan, für die
älder und die Holzwirtschaft tatsächlich etwas zu ver-
essern. Sie haben diese Chance aus rein ideologischen
ründen vertan.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sie wissen gar nicht, wie man das schreibt!)


ie betrachten den Wald nämlich nicht als Ganzes, son-
ern beschränken sich auf wenige Teilaspekte. Warum
n Sie das? Um die Interessen einer ganz bestimmten
lientel zu befriedigen.


(Gustav Herzog [SPD]: So ist die FDP!)

Nicht die privaten Waldbesitzer, sondern der Wald

raucht eine starke Lobby.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

enn was nützt es, wenn wir die Rahmenbedingungen
ür die Waldbesitzer und die Unternehmen verbessern,
er Wald selbst aber auf der Strecke bleibt?


(Albert Deß [CDU/CSU]: Wer pflegt den Wald, Frau Kollegin?)


ir müssen zuallererst die Rahmenbedingungen für
ie Wälder verbessern. Denn die Wälder sind – das ist






(A) )



(B) )


Gabriele Hiller-Ohm
doch ganz logisch – die Produktionsgrundlage für die
Waldwirtschaft. Wenn es den Wäldern schlecht geht,
dann sieht es auch schlecht für die Waldbesitzer und die
Waldwirtschaft aus.

Die FDP verfolgt einen ganz anderen Ansatz. Sie zäu-
men das Pferd von hinten auf. Sie betreiben reine Klien-
telpolitik, die mit den tatsächlichen Problemen unserer
Wälder nichts, aber auch gar nichts zu tun hat.


(Gustav Herzog [SPD]: Sehr richtig!)

Was sind die Ursachen für Waldschäden und Wald-

sterben? Das sind die hohen Schadstoffeinträge, die
durch die Luft in die Wälder und dann in den Waldboden
gelangen und die Waldböden nachhaltig und oft irrepara-
bel schädigen.

Was haben wir getan, meine Damen und Herren, um
die Situation unserer Wälder zu verbessern?


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Was denn? – Jürgen Koppelin [FDP]: Jetzt wird es spannend!)


Wir haben zahlreiche Gesetze und Maßnahmen

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Bürokratie!)


zur Luftreinhaltung sowie zum Klima- und zum Um-
weltschutz auf den Weg gebracht. Was hat die FDP ge-
tan, was haben Sie zu bieten? In Ihrem Antrag steht kein
Wort zum Klimaschutz.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Quatsch!)

Auch in der letzten Legislaturperiode war von Ihnen zu
diesem Thema so gut wie nichts zu hören. Ich kann mich
jedenfalls nicht daran erinnern.


(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Da war ich hier noch nicht Mitglied, tut mir Leid!)


Von den Maßnahmen, die wir gemeinsam mit den
Grünen auf den Weg gebracht haben, haben Sie nicht
eine einzige mitgetragen. Erneuerbare-Energien-Gesetz
– abgelehnt, Ökosteuer – abgelehnt,


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])

Schutz und Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung – abge-
lehnt, Energieeinsparverordnung – abgelehnt, Programme
zur Wohnraummodernisierung und zur CO2-Gebäude-sanierung – ebenfalls abgelehnt.

Zum Glück sind wir im Bundestag nicht auf die Stim-
men der FDP angewiesen. So konnten wir unsere Initia-
tiven durchbringen. Sonst sähe es für unsere Wälder sehr
traurig aus.

So ist die Politik der FDP: Anstatt Ursachen anzupa-
cken, doktern Sie allenfalls an den Symptomen herum.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Der arme Baum, der für Ihr Manuskript gefällt wurde!)


So wollen Sie jetzt eine Ausweitung der Kalkung und
Düngung der Waldböden. Brauchen wir eine Auswei-
tung, meine Damen und Herren? – Nein, wir brauchen
keine Ausweitung.

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(C (D Die Bundesregierung hat als Soforthilfeprogramm für ie Waldböden schon vor Jahren gemeinsam mit den ändern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Veresserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ in umfangreiches Förderprogramm aufgelegt, an dem etzt übrigens auch die EU mit Fördermitteln beteiligt st. Jährlich fließen Millionen Euro in unsere Waldböen. Allein 2001 waren es über 10 Millionen Euro. Kalung und Düngung werden bis zu 90 Prozent subventioiert. (Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Wieso subventioniert? Das ist Ausgleich für Schäden!)


as ist ein enormes Engagement der öffentlichen Hand.
aum ein anderer Bereich kann auf einen so hohen För-
ersatz auch nur hoffen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sind die Waldbesitzer schuld am sauren Regen?)


ie sehen also, es wird sehr viel getan. Es sind alles
teuermittel – das vergisst man leicht –, die hier einge-
etzt werden, vor allem zur Strukturverbesserung beim
rivatwald.
Es ist schon erstaunlich, dass die FDP an diesem

unkt Subventionen fordert. Ansonsten sind Sie doch so
ehr gegen die Einmischung des Staates in Wirtschafts-
bläufe und für das freie Spiel der Kräfte. Wirklich ge-
adlinig scheinen Sie beim Thema Subventionen nicht zu
ein.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Kann es sein, dass Sie alles durcheinander bringen, was man durcheinander bringen kann?)


ir ist noch sehr gut die Diskussion über die Apotheker
n Erinnerung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eigentlich ist es schade, dass wir überhaupt so viel
eld zur Sanierung der Waldböden aufbringen müssen.
ätten wir über die Jahrzehnte eine gute Klimaschutzpo-
itik betrieben, dann wäre das nicht nötig.


(Albert Deß [CDU/CSU]: Vor allem in den SPD-regierten Ländern ist sie unterblieben! In Bayern ist sie gemacht worden!)


arum, Herr Kollege, versauern die Waldböden denn
berhaupt? – Sie versauern, weil die Luftschadstoffe noch
mmer zu hoch sind, womit wir wieder bei der Luftver-
chmutzung wären. Deshalb ist wichtig, dass wir zualler-
rst eine konsequente Umwelt- und Klimaschutzpolitik
etreiben – runter mit den Schadstoffen, runter mit
tickstoffoxiden, runter mit Ammoniak.


(Beifall der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Und was machen Sie?)


Die FDP verweigert sich hier, und zwar weil ein kla-
es Bekenntnis zur Umwelt- und Klimaschutzpolitik ihre
lientel in der Wirtschaft mit Sicherheit verprellen






(A) )



(B) )


Gabriele Hiller-Ohm
würde. Deshalb verhalten Sie sich hier so, meine Damen
und Herren von der FDP. So machen Sie Politik. Sie
nützt sehr wenig und den Wäldern mit Sicherheit gar
nicht.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Meine Güte!)

Sie fordern in Ihrem Antrag nicht nur die Verbesse-

rung der Rahmenbedingungen für Waldbesitzer und Un-
ternehmen, sondern auch die Stärkung der Eigentums-
rechte.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Die wollen Sie abschaffen, nicht?)


Was heißt das? Bedeutet eine Stärkung der Eigentums-
rechte auch mehr Pflichten? Uns allen ist ja der Satz „Ei-
gentum verpflichtet“ bekannt – aber nicht der FDP. Sie
fordern uneingeschränkte Freiheit für private Waldbesit-
zer, die Abschaffung von Auflagen und Vorschriften.


(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Auch das ist unrichtig!)


Sie haben auch eine Begründung geliefert. Sie be-
gründen Ihre Forderung mit dem traditionell vorbildli-
chen Verhalten der Waldbesitzer, vor allem der privaten
Waldbesitzer.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sagen Sie etwas dazu!)


Ich finde es sehr gut – wir alle begrüßen das –, dass in
der Forstwirtschaft seit Jahren und Jahrzehnten, ja sogar
seit Jahrhunderten so vorbildlich und nachhaltig gewirt-
schaftet wird.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Dann lasst die Leute doch in Ruhe!)


Ich bin mir aber ganz sicher, dass ohne politische Vorga-
ben zum Beispiel zur Zertifizierung und ohne Festset-
zung von Standards unsere Wälder nicht so gut bewirt-
schaftet werden könnten, wie sie es heute werden.


(Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Wir haben doch ein Bundeswaldgesetz!)


Es ist übrigens unser politischer Auftrag, Standards
vorzugeben und die Wälder eben nicht dem freien Spiel
der Kräfte zu überlassen. Um Zweifel auszuräumen, die
Sie eventuell haben könnten, zitiere ich aus der Urteils-
begründung des Bundesverfassungsgerichts, das sich mit
dem Wirtschaftsziel im öffentlichen Wald auseinander-
gesetzt hat. Hier heißt es:

Die Forstpolitik der Bundesregierung ist weniger
auf Marktpflege ausgerichtet: Sie dient vor allem
der Erhaltung des Waldes als ökologischem Aus-
gleichsraum für Klima, Luft und Wasser, für die
Tier- und Pflanzenwelt sowie für die Erholung der
Bevölkerung … Die staatliche Forstpolitik fördert
im Gegensatz zur Landwirtschaftspolitik weniger
die Betriebe und die Absetzbarkeit ihrer Produkte
als vielmehr die Leistungsfähigkeit des Naturhaus-
haltes.

(Beifall der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


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(C (D SPD und Grüne verfolgen dieses Ziel. Wir befinden ns damit nicht nur politisch, sondern auch verfassungsechtlich auf dem richtigen Weg. eine Damen und Herren, vor allem auch Sie von der DP, schließen Sie sich unserer Politik an! Dann sind uch Sie auf dem richtigen Weg. Danke schön. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Jürgen Koppelin [FDP]: Auf dem Holzweg!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505412300


Ich erteile das Wort dem Kollegen Georg Schirmbeck,
DU/CSU-Fraktion.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Er trägt endlich zur Erhellung bei!)



Georg Schirmbeck (CDU):
Rede ID: ID1505412400

Frau Hiller-Ohm, ich habe zu diesem Thema schon

ange nicht mehr so viel wirres Zeug gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ie haben noch nicht einmal die Überschrift des Antra-
es richtig gelesen. Es geht um deutsche Forstwirtschaft
nd nicht um Klientelpolitik. 800 000 Menschen in
eutschland leben von der Forstwirtschaft. Sie erwirt-
chaften einen Anteil am Bruttosozialprodukt in Milliar-
enhöhe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


m diese Menschen haben wir uns zu kümmern. Ich
enne Kollegen, die, wenn ein Sägewerk Pleite macht,
etroffen dastehen und Krokodilstränen weinen. Sie soll-
n sich aber vorher um dieses Thema kümmern.
Sie haben gesagt, die FDP hätte in der Vergangenheit

ichts für den Umweltschutz getan. Ich frage Sie: Wer
at denn in den 70er-Jahren die Einführung des Kataly-
ators verhindert? – Das waren Sie! – Erst 1982 mit der
euen Regierung wurde der Katalysator Pflicht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


er hat denn die Verordnung über Großfeuerungsanla-
en eingeführt? – Das war die Regierung unter Bundes-
anzler Helmut Kohl! In den 70er-Jahren unter den Bun-
eskanzlern Brandt und Schmidt haben Sie das
ersäumt. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Sehen Sie sich die Situation in den Mittelgebirgen an,

um Beispiel im Teutoburger Wald in Niedersachsen. In
31 Meter Höhe hat man festgestellt, dass sich dort in ei-
em Meter Tiefe im Grundwasser 150 Milligramm Ni-
at befinden.


(Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kommen die denn her?)


iemand kann behaupten, dass diese durch Düngung
der durch Gülle dort hinkommen. Man kann wissen-






(A) )



(B) )


Georg Schirmbeck
schaftlich beweisen, dass dort der durch die Luft trans-
portierte Schmutz aus dem Ruhrgebiet und von Belgien
abregnet. Sie haben in den 70er-Jahren versäumt, die
Gesetze mit den entsprechenden technischen Anforde-
rungen für die Industrie zu beschließen. Das sind Fakten.

Heute müssen wir die Sünden, die damals begangen
worden sind, beseitigen, beispielsweise durch das Kal-
ken des Waldes. Die Waldbesitzer haben an der Luftver-
schmutzung aber keine Schuld. Ich frage Sie: Warum
sollten diese sich an der Schadensbeseitigung beteiligen
und 10 Prozent der Kosten übernehmen?

Sie haben gesagt, Sie hätten 10 Millionen Euro für die
Waldkalkung eingeplant. Sie werden feststellen, dass
diese Mittel nicht abfließen werden, weil die Kommunen
und die anderen Träger, die sich bisher beteiligt haben,
ihren Anteil von 10 Prozent nicht mehr aufbringen kön-
nen. Sie haben zwar einen Mittelansatz, sind aber insge-
heim froh darüber, dass die Mittel nicht abfließen wer-
den. Sie tun so, als würden Sie mit Ihren Beschlüssen
irgendetwas bewegen.


(Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das tun wir auch!)


In Wirklichkeit bewegen Sie nichts. Ihr Motto scheint zu
lauten: Es ist alles im Umbruch, aber bewegen tut sich
nichts.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben uns Klientelpolitik vorgeworfen. Es gibt

1,3 Millionen Waldbesitzer. Im Durchschnitt besitzt ein
Waldbesitzer 3,5 Hektar Wald. Wir betreiben doch keine
Klientelpolitik! Sie stellen die Behauptung in den Raum,
als gäbe es ein paar Großgrundbesitzer in Deutschland,
für die die FDP kämpft. Nein, es ist eine große Bevölke-
rungsgruppe. Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass die
Zahl der Waldbesitzer wächst und dass die Waldfläche in
Deutschland wächst.

Ferner wollen Sie unsere Wälder unter Schutz stellen.
Dazu breiten Sie hier irgendwelche ideologischen Vor-
stellungen aus. Was wollen Sie eigentlich unter Schutz
stellen? Die Wälder sind offensichtlich so gut, dass Sie
sie schützen wollen. Lassen Sie die Leute doch in Ruhe,
wenn Sie ihnen schon nicht helfen können! Wenn Sie ih-
nen kein Geld geben, dann lassen Sie den bürokratischen
Schnickschnack, den Sie auf den Weg bringen, einfach
weg!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie zitieren Ihre Freunde von Greenpeace, die einen

Holzführer auf den Markt gebracht haben. Da wird emp-
fohlen, Holz aus Fichte und Kiefer nicht wirtschaftlich
zu nutzen. Was da erzählt wird, ist abstrus. Ich weiß
nicht, woher die ihre fachmännischen Kenntnisse haben.

In Deutschland wird seit 200 Jahren auf wissenschaft-
licher Basis Forstwirtschaft betrieben. Wir haben die
besten Experten in der Welt. Da brauchen wir nicht
Greenpeace oder irgendwelche Ideologen, die etwas
Fantastisches erzählen. Das hilft niemandem.


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Umweltfreundlicher Rohstoff!)


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(C (D Lassen Sie die Menschen in diesen tollen Wäldern, ie sie schützen wollen, weiter wirtschaften! Auf Dauer eht niemand in den Wald, wenn er nicht auch etwas erirtschaftet. Ich hole doch nicht meine Säge oder meien Spaten heraus, um im Wald beispielsweise zu pflanen, wenn ich nicht auch einmal einen gewissen rozentsatz an Ertrag habe. Sie stellen sich hier hin und reden von Nachhaltig eit: Wir wirtschaften nachhaltig; seitdem wir hier die egierung stellen, wird das alles besser gemacht. – achhaltig hat meine Familie seit tausend Jahren Forstirtschaft betrieben. Das haben Sie nicht erfunden. achhaltigkeit bedeutet, dass ich heute pflanze und flege und meine Kinder pflegen, sodass vielleicht eine Enkelkinder oder Urenkel die Chance haben, einal ein bisschen zu ernten. Dafür müsste man den Leuen Orden verleihen und sollte sie nicht mit irgendwelhen bürokratischen Regelungen überziehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht unser Nachhaltigkeitsbegriff, Herr Schirmbeck! Sie haben es immer noch nicht verstanden!)


Meine Damen und Herren, zunehmend wird auf
renzertragsböden aufgeforstet. Die Leute, die das ma-
hen, brauchen Unterstützung. Wir haben Preise von
950. Ein wirtschaftlicher Spielraum, so etwas aus Erträ-
en zu finanzieren, ist nicht vorhanden. Deshalb brau-
hen wir da Ihre Unterstützung.
Ich finde es gut, wenn Sie sagen: Wir wollen eine
olzcharta. Sie ist ja auch in der Regierungserklärung
ngekündigt worden. Das ist ein Schritt in die richtige
ichtung, wenn Sie sie konkret vorstellen. Wir fordern
as nach wie vor. Den Leuten muss klar gemacht wer-
en, was man mit dem idealen Produkt Holz alles ma-
hen kann.
Wir sind auch für die energetische Nutzung von Holz,
enn Sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.
ber wir brauchen keine ideologiebefrachtete Zertifi-

ierung. Wir stellen fest: 60 Prozent der deutschen Wäl-
er sind nach PEFC zertifiziert. Wie kann denn die Bun-
esregierung einseitig den FSC fördern, der vielleicht
oder 3 Prozent der Waldflächen zertifiziert hat? Sie
aben im Greenpeace-Holzführer gesehen, was auf an-
eblich wissenschaftlicher Grundlage an Abstrusem ver-
reitet wird. Da greifen Sie einseitig in marktwirtschaft-
iches Geschehen ein, was dem Wald und allen, die in
er Forstwirtschaft konstruktiv arbeiten, wirklich scha-
et.


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Voll an der Praxis vorbei!)


Sie sagen: Wir brauchen Naturschutzgebiete, beson-
ers geschützte Flächen im Wald, beispielsweise FFH-
ebiete. – Darüber kann man sich unterhalten. Aber
enn man in das Eigentum eingreift, dann muss man
ich auch Gedanken machen, wie man diese Eingriffe
usgleicht. Ich bin dankbar, dass Staatssekretär
erninger auf dem 1. Deutschen Waldgipfel angekündigt






(A) )



(B) )


Georg Schirmbeck
hat, die Bundesregierung wolle da etwas tun. Wir warten
auf die entsprechenden Ansätze.

Meine Damen und Herren, Forstpolitik muss auch in
Europa ein Thema werden. Denn europäische Umwelt-
gesetze und europäische Politik überhaupt beeinträchti-
gen die Land- und Forstwirtschaft. Deshalb muss dies
auch Thema auf europäischer Ebene sein.

Wir reden immer von der Nutz-, Schutz- und Erho-
lungsfunktion des Waldes. Unsere Wälder sind – bei al-
len Problemen, die wir haben – sehenswert. Es wird dort
viel auf den Weg gebracht. Wenn wir die Schutzfunktion
und die Erholungsfunktion stärken wollen, dann müssen
wir vor allen Dingen dafür sorgen, dass auch die Wirt-
schaftlichkeit, die Nutzfunktion, gestärkt wird. Dann ist
uns um den deutschen Wald nicht bange. Wenn Sie das
aber nur mit bürokratischen Regelungen und ideologi-
schen Sprüchen erreichen wollen, dann tun Sie nichts für
den deutschen Wald, sondern schädigen ihn.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505412500


Ich erteile das Wort Kollegin Cornelia Behm, Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.


Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505412600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich bin ganz erstaunt, mit wie viel Emotion
man in diesem Hause die Forstwirtschaft diskutiert. Ich
freue mich darauf, dass wir mit vielleicht genauso viel
Emotion, aber noch mehr Engagement gemeinsam das
Bundeswaldgesetz novellieren.


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Aber ohne Ideologie!)


– Eben. Das ist ein sehr guter Vorschlag. Ich bin sehr da-
für, dass wir diese außen vor lassen.

Frau Happach-Kasan, in der Präambel ihres Antrages
spricht die FDP von dem seit Generationen nachhaltig
bewirtschafteten Wald. An dieser Stelle wird ganz deut-
lich, was uns in der Waldpolitik von Ihnen trennt. Für
uns Bündnisgrüne ist es nämlich völlig abwegig, die seit
Generationen begründeten Monokulturen und Alters-
klassenwälder standortfremder Kiefern und Fichten als
Idealbild nachhaltiger Forstwirtschaft anzusehen.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Sind Sie schon einmal im Wald gewesen?)


Wir wollen die naturnahe Waldwirtschaft vorantrei-
ben. Genau das, so scheint mir, wollen Sie verhindern.
Das haben Sie einmal mehr mit Ihrem Antrag deutlich
gemacht.

Es ist richtig: Die deutsche Forstwirtschaft hat vor
Generationen die Wiederaufforstung eingeführt und ist
bis heute mit Recht stolz darauf, damit das Prinzip der
Nachhaltigkeit eingeführt zu haben. Da sind wir d'ac-
cord. Dies war in der Tat ein Fortschritt. Unser heutiges
Verständnis von ökologischer, sozialer und ökonomi-

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(C (D cher Nachhaltigkeit geht jedoch über diese Wiederauforstung von Kiefernund Fichtenmonokulturen deutlich inaus. Für uns heißt Nachhaltigkeit, den Wald bei der ewirtschaftung auch als Ökosystem zu erhalten. Meine Damen und Herren, Sie fordern, der Staat öge sich bei der Zertifizierung der Wälder neutral erhalten und das Geschehen dem Markt überlassen. azu muss man ganz nüchtern feststellen: Der Staat ann sich als Waldbesitzer und als Holzeinkäufer auf em Holzmarkt nicht neutral verhalten. Sowohl dann, enn er Holz einkauft, als auch dann, wenn er Wald beirtschaftet – er ist ein großer Waldbesitzer –, entscheiet er sich für eine bestimmte Bewirtschaftungsweise. ie Vorstellung der FDP, der Staat könne sich als releanter Marktakteur tatsächlich marktneutral verhalten, eht daher völlig an der Realität vorbei. Das, was Sie hier mit Ihrer Neutralität betreiben, ist in Plädoyer für „Egal-Holz“. Sie wollen, dass es dem taat egal ist, woher das Holz kommt: egal, ob aus Raubau oder aus illegalem Einschlag. Nein, dies ist keine erantwortungsvolle Waldpolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Cajus Caesar [CDU/CSU]: Böse Unterstellung!)


Das steht so im Antrag.
Der Staat hat als Marktakteur die Pflicht, seiner Ver-

ntwortung im Kampf gegen den internationalen Raub-
au am Wald und für eine nachhaltige Waldbewirtschaf-
ung gerecht zu werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

eswegen sollten sich auch die Länder und die Kommu-
en bei der Holzproduktion und der Holzbeschaffung für
in Zertifizierungssystem mit hohem ökologischen Stan-
ard entscheiden.
Sie plädieren richtigerweise für Bodenschutzkalkun-

en. Diese werden aus Mitteln der Gemeinschaftsauf-
abe zu 90 Prozent bezuschusst.


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Die Sie gekürzt haben!)


ieser Anteil sollte meiner Meinung nach nicht erhöht
erden, und zwar aus folgendem Grund: Nur wenn die
aldbesitzer einen Eigenanteil erbringen müssen, wer-
en sie sich die ökonomische Frage „Ist die Kalkung tat-
ächlich nötig?“ ernsthaft stellen. Probleme könnte es
ann allerdings geben, wenn die Bundesländer diese
aßnahmen nicht ausreichend gegenfinanzieren.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Und dann?)

ns sind aber bisher keine Klagen darüber vorgetragen
orden,


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Nicht?)

ass Waldbesitzern Anträge auf Kalkung nicht bewilligt
urden. Sollte sich erweisen, dass es tatsächlich Wald-
esitzer gibt, die keine Förderung erhalten, dann sollten
ir darauf drängen, dass die betreffenden Länder






(A) )



(B) )


Cornelia Behm

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: In ganz Nordund Mitteldeutschland wird nicht gekalkt!)


die Bodenschutzkalkung im Rahmen der GAK mehr för-
dern.

Meine Damen und Herren, im Bundeswaldgesetz
heißt es, dass der Wald ordnungsgemäß und nachhaltig
bewirtschaftet werden soll. Im Bundesnaturschutzgesetz
ist festgelegt, dass die Forstwirtschaft naturnahe Wälder
aufbauen und diese ohne Kahlschläge nachhaltig bewirt-
schaften muss. Sie muss einen hinreichenden Anteil
standortheimischer Baumarten einhalten. Dies ist der
bisherige Mindeststandard im Bundesrecht. Wir Bünd-
nisgrüne halten es in der Tat für notwendig, die Kriterien
der ordnungsgemäßen und nachhaltigen Forstwirtschaft
im Bundeswaldgesetz weiter zu konkretisieren.

Wir sind uns aber sehr wohl bewusst, dass dabei öko-
nomische Grenzen beachtet werden müssen. Wir werden
daher die Ergebnisse der Studie zu den ökonomischen
Auswirkungen durch die Vorschläge zur guten fachli-
chen Praxis sehr genau prüfen.

Letztlich sollten nur die ökologischen Ansprüche, die
mit einem ökonomischen Betrieb vereinbar sind, als
Mindeststandards festgeschrieben werden. Darüber hi-
nausgehende naturschutzfachliche Ansprüche sollten
hingegen durch Förderung, Ausgleichszahlungen oder
Vertragsnaturschutz realisiert werden. Die Förderung
des Waldbaus muss entsprechend angepasst werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP will auf
jegliche Mindeststandards verzichten, weil die Waldbe-
sitzer, wie sie sagt, bewiesen hätten, dass sie den gesell-
schaftlichen Ansprüchen bereits gerecht werden.


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Wir haben doch ein Waldgesetz! Erzählen Sie nicht so ein dummes Zeug! – Gabriele Hiller-Ohm [SPD], zu Abg. Georg Schirmbeck [CDU/CSU] gewandt: Holzkopf! – Weiterer Gegenruf der SPD: Unverschämt!)


In der Tat gibt es in Deutschland einen Fortschritt hin zu
mehr naturnaher Waldwirtschaft. Frau Happach-Kasan,
Sie wissen aber doch genauso gut wie ich, dass es nach
wie vor sehr viele Waldbesitzer und Forstwirte gibt, die
an den alten Standards der Forstwirtschaft festhalten
wollen und keinen Grund für ein Umdenken sehen. Des-
halb brauchen wir die Standards der guten fachlichen
Praxis.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505412700


Als letzter Redner des heutigen Tages hat nun Kol-
lege Albert Deß, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1505412800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kollegin Hiller-Ohm, im Ausschuss habe ich Sie

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(C (D isher immer als sehr sachliche Kollegin erlebt. Umso nttäuschter war ich darüber, wie unsachlich Sie heute u dem Thema gesprochen haben. Wenn Sie nämlich einen der ersten Waldzustandsbe ichte dieser rot-grünen Bundesregierung gelesen hätten, ann wüssten Sie, dass darin bezogen auf die Zeit, als DU/CSU und FDP noch regiert haben, ganz deutlich teht – ich zitiere –: Die beobachteten Waldschäden führten zu raschem politischen Handeln auf nationaler und internationaler Ebene. anach wird eine Reihe von Maßnahmen aufgelistet, ämlich was zu unserer Regierungszeit zugunsten des aldes alles unternommen worden ist. Damit auch Sie s wissen, wiederhole ich es hier: das 1983 beschlossene ktionsprogramm „Rettet den Wald“, die 1984 eingeührte einheitliche Waldschadenserhebung und die 1986 eschlossenen Maßnahmen zur Waldzustandsüberwahung auf europäischer Ebene. Daneben wird angeführt, ass die Großfeuerungsanlagenverordnung von 1983, ie TA Luft von 1986, das Bundes-Immissionsschutzgeetz von 1993 und die 1996 verabschiedete Düngeverrdnung mit dazu beigetragen haben, dass sich der Zutand unseres Waldes verbessert hat. Das alles ist ährend unserer Regierungszeit geschehen. Ähnliches önnen Sie nach fünf Jahren bis heute nicht nachweisen. Entschuldigen Sie, dass ich es so hart formuliere: Im egensatz zur rot-grünen Sprücheklopferei wurde in ayern ein Stickstoffprogramm zur Absenkung der tickoxidemissionen aufgelegt. Von 1996 bis heute wuren in Bayern über 60 Millionen Euro Fördermittel und ber 10 Millionen Euro zinsverbilligte Darlehen für die nschaffung moderner Ausbringungstechniken für landirtschaftlichen Wirtschaftsdünger ausgegeben. Dies hat it dazu beigetragen, dass die Schadstoffeinträge in die uft stark abgesenkt werden konnten. Die meisten Kraftwerke in Bayern und Badenürttemberg wurden schon in den 70er-Jahren mit moerner Umwelttechnik ausgestattet. In den Ländern, in enen Sie regiert haben, ist zu dieser Zeit überhaupt ichts zugunsten des Umweltschutzes getan worden. In ordrhein-Westfalen sind solche modernen Techniken rst 20 Jahre später eingeführt worden. In Bayern hatten ir diese Dinge bereits eingeführt, bevor es die Grünen berhaupt gab. Es ist auch so ein Märchen, dass erst die rünen den Umweltschutz entdeckt hätten. Lange bevor s die Grünen überhaupt gab, hatten wir in Bayern schon inen Umweltschutzminister. Wir hatten den ersten Umeltschutzminister weltweit. Das muss hier deutlich geagt werden. Eines möchte ich noch ansprechen: Es waren nicht nur estimmte Medien und Wissenschaftler, die Anfang der 0er-Jahre das Waldsterben angekündigt haben. Es gab ast keine Veranstaltung der Grünen, in der das Thema aldsterben nicht auf der Tagesordnung stand. „Der ald stirbt“ war eine der unverantwortlichen Parolen zu Albert Deß dieser Zeit. Ich bin froh, dass sich die Waldbesitzer davon nicht entmutigen ließen und dass sie die Pflege ihrer angeblich hoffnungslos erkrankten Wälder nicht aufgegeben haben. Sie haben trotz der grünen Panikmache weiter in die Wälder investiert. Damit haben sie einen großen Beitrag dazu geleistet, dass die Situation unseres Waldes trotz negativer Umwelteinflüsse nicht schlechter geworden ist. Unser Dank gilt deshalb den Waldbauern und Forstbesitzern, die durch unermüdliche Arbeit unseren Wald und unsere Umwelt erhalten und damit in unsere Zukunft investieren. Sie sind es, die die Hauptarbeit leisten. Der Antrag der FDP-Fraktion, den wir unterstützen, gibt erneut Gelegenheit, die ökologische und wirtschaftliche Bedeutung unseres Waldes hervorzuheben: Die Nutzung und Bedeutung des Waldes, der in Deutschland über ein Drittel der Fläche bedeckt, haben sich in den letzten 100 Jahren massiv gewandelt. Wurde er früher ausgebeutet und zurückgedrängt, so erkannte man später und erkennt man auch heute immer mehr seine Bedeutung für den Schutz von Boden, Wasser, Luft und das Klima insgesamt. Ich freue mich darüber – ich kenne die Zahlen zwar Zukunft ihren Wald für die Allgemeinheit bewirtschaften sollen. Herr Präsident, ich sehe, dass meine Redezeit abläuft. In fast 13 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag bin ich heute das erste Mal der letzte Redner in einer Sitzungswoche. Deshalb möchte ich allen anwesenden Kolleginnen und Kollegen und allen Zuschauern ein schönes Wochenende wünschen. Ich hoffe, dass Sie am Wochenende einen Spaziergang im schönen deutschen Wald möglich machen können. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





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(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505412900


Ich kann mich diesem Wunsch nur anschließen.
Die Aussprache ist beendet. Interfraktionell wird

Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/941 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-

nicht für Deutschland, aber für Bayern habe ich sie im
Kopf –, dass in den letzten zehn Jahren durch Auffors-
tung und Neuanpflanzung zusätzlich über 100 000 Hektar
neuer Wald geschaffen wurde. Das heißt, der Wald in
Deutschland wird im Gegensatz zu anderen Ländern
nicht mehr vernichtet, sondern die Waldfläche wird aus-
gedehnt. Der FDP-Antrag ist meiner Ansicht nach dazu
geeignet, der Forstwirtschaft insgesamt wieder mehr
Wertschöpfung zu verschaffen; denn unsere Waldbauern
sind auf Wertschöpfung angewiesen, wenn sie auch in

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rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-

estages auf Mittwoch, den 2. Juli 2003, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende. Folgen

ie dem Rat des Kollegen Deß und gehen Sie im Wald
pazieren.
Die Sitzung ist geschlossen.