Protokoll:
15018

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 18

  • date_rangeDatum: 15. Januar 2003

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:06 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Die Ein- führung des Pflichtpfandes auf Geträn- keverpackungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1373 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1373 B Werner Wittlich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1374 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1374 C Ulrike Mehl SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1375 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1375 C Werner Wittlich CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1375 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1376 A Dr. Antje Vogel-Sperl BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1376 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1376 C Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 1377 A Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1377 B Horst Kubatschka SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 1377 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1377 D Gudrun Kopp FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1378 B Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1378 B Birgit Homburger FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 1378 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 1378 D Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 15/286) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1379 B Negative Bewertung der Aktionsprogramme der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus MdlAnfr 1 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw PStSekr’in Marieluise Beck BMFSFJ 1379 B ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . 1379 D Nutzerzahl des Deutschland-Portals – www.deutschland.de – seit September 2002 MdlAnfr 2 Dorothee Mantel CDU/CSU Antw StSekr Béla Anda BK . . . . . . . . . . . . . . 1380 C ZusFr Dorothee Mantel CDU/CSU . . . . . . . . 1380 C Weiterer Ausbau des Deutschland-Portals – www.deutschland.de MdlAnfr 3 Dorothee Mantel CDU/CSU Antw StSekr Béla Anda BK . . . . . . . . . . . . . . 1381 A ZusFr Dorothee Mantel CDU/CSU . . . . . . . . 1381 B Verhinderung des durch neue Konzepte der Deutschen Bahn bedingten möglichen Um- stiegs von der Schiene auf das Auto MdlAnfr 4 Eduard Lintner CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 1382 A ZusFr Eduard Lintner CDU/CSU . . . . . . . . . 1382 A Verweigerung der Aufnahme von Fahrplan- daten der Connex in das Kursbuch der Deut- schen Bahn MdlAnfr 5 Eduard Lintner CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 1382 C ZusFr Eduard Lintner CDU/CSU . . . . . . . . . 1382 D Plenarprotokoll 15/18 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 18. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 I n h a l t : Nichtberücksichtigung des familienpolitischen Aspektes beim neuen Preissystem der Deut- schen Bahn AG MdlAnfr 6 Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 1383 A ZusFr Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU 1383 B ZusFr Eduard Lintner CDU/CSU . . . . . . . . . 1383 D Mangelnde Berücksichtigung von Kindern beim neuen Preissystem der Deutschen Bahn AG MdlAnfr 7 Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU Antw PStSekr’in Iris Gleicke BMVBW . . . . . 1384 B ZusFr Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU 1384 B ZusFr Eduard Lintner CDU/CSU . . . . . . . . . 1385 A Auswirkungen der Übernahme der Berliner Reiterstaffel durch den BGS auf deren Einsatz- möglichkeiten MdlAnfr 8 Roland Gewalt CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1385 B ZusFr Roland Gewalt CDU/CSU . . . . . . . . . 1385 C ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 1385 D ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . 1386 A Geplante Abschaffung der Reiterstaffel in Nordrhein-Westfalen MdlAnfr 9 Roland Gewalt CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1386 B ZusFr Roland Gewalt CDU/CSU . . . . . . . . . 1386 C ZusFr Beatrix Philipp CDU/CSU . . . . . . . . . 1387 A Umsetzung des Beschlusses der Innenminis- terkonferenz betreffend das Gefährdungs- potenzial von Kleinflugzeugen vom 7. Dezem- ber 2001 MdlAnfr 10 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1387 B ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 1388 A Schließung der durch die Frankfurter Flugzeug- entführung sichtbar gewordenen Sicherheits- lücken MdlAnfr 11 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1389 A ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 1389 A ZusFr Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 1389 D ZusFr Clemens Binninger CDU/CSU . . . . . . 1390 A ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 1390 B Zahl der antisemitischen Straftaten und deren Opfer im vierten Quartal 2002 MdlAnfr 12 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1390 C ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . 1390 D Zusammenarbeit deutscher Unternehmen mit dem Irak im Rüstungs- und Forschungsbereich MdlAnfr 16 Erich G. Fritz CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1391 A ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . 1391 C Zusammenarbeit deutscher Unternehmen mit dem Irak mit eventuellen Folgen für die Pro- duktion von Massenvernichtungswaffen MdlAnfr 17 Erich G. Fritz CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1391 D ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . 1392 A Auswirkungen des Anstiegs der Kraftstoff- preise auf die Umsätze der Tankstellen in den deutschen Grenzregionen zur Tschechischen Republik und zu Polen MdlAnfr 18 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1392 C ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . 1392 D ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . . 1393 C Eventuelle Steuerausfälle als Folgen des so ge- nannten Tankpendelns in die Tschechische Re- publik und nach Polen als Folge der Mine- ralölsteuererhöhung in der Bundesrepublik MdlAnfr 19 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1393 D ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 1393 D ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . . 1394 A ZusFr Erich G. Fritz CDU/CSU . . . . . . . . . . 1394 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003II Entwicklung des Rüstungsexports in den letz- ten acht Jahren MdlAnfr 20 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Rezzo Schlauch BMWA . . . . . 1394 C ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . 1394 D Aufbau einer nationalen Mehrgefahrenversi- cherung für die Landwirtschaft MdlAnfr 21 Julia Klöckner CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 1395 A ZusFr Julia Klöckner CDU/CSU . . . . . . . . . 1395 C ZusFr Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . 1396 C Finanzielle Unterstützung des Aufbaus einer nationalen Mehrgefahrenversicherung für die Landwirtschaft MdlAnfr 22 Julia Klöckner CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 1396 D ZusFr Julia Klöckner CDU/CSU . . . . . . . . . 1397 A Verhinderung des Imports von mit Pilzen ver- unreinigten Weizenlieferungen aus der Ukraine MdlAnfr 23 Hans-Michael Goldmann FDP Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 1397 B ZusFr Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . 1397 C Eventueller Import von mit Pilzen verunrei- nigtem Weizen aus der Ukraine MdlAnfr 24 Hans-Michael Goldmann FDP Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 1398 A ZusFr Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . 1398 C Weitere militärische Nutzung des Truppen- übungsplatzes Wittstock und Auswirkungen auf die Planungen zum Standort Kyritz-Ruppi- ner Heide MdlAnfr 25 Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . 1398 D ZusFr Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU . . . 1399 A Wirtschaftliche Nach- und Vorteile durch die militärische Nutzung des Truppenübungsplat- zes Wittstock für die betreffenden Regionen MdlAnfr 26 Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . 1399 D ZusFr Werner Kuhn (Zingst) CDU/CSU . . . 1400 B Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Frak- tion der FDP: Haltung der Bundesregie- rung zu ihren verschlechterten Progno- sen für das Wirtschaftswachstum in Deutschland im Jahr 2003 und der da- raus geforderten Erhöhung der Neuver- schuldung für den Bundeshaushalt . . . 1400 C Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1400 D Wolfgang Clement, Bundesminister BMWA 1402 B Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 1404 B Antje Hermenau BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1405 B Carl-Ludwig Thiele FDP . . . . . . . . . . . . . . . 1406 B Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 1407 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1409 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1410 D Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 1412 A Volker Kröning SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1413 B Dr. Michael Fuchs CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1414 C Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1415 C Klaus-Peter Willsch CDU/CSU . . . . . . . . . . 1417 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1418 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1419 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 1421 A Anlage 2 Steuerausfälle durch die Anwendung eines pauschalen Steuersatzes bei der Zinsabschlag- steuer MdlAnfr 13 Hannelore Roedel CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1421 B Anlage 3 Auswirkungen der Umsatzsteuererhöhung für den Verkauf von Blumen auf den Export aus Entwicklungsländern MdlAnfr 14, 15 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1421 B Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 III Anlage 4 Stand und Umsetzung der Ergebnisse der inter- ministeriellen Arbeitsgruppe „Sicherheit im Luftraum“ MdlAnfr 27, 28 Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . . 1422 A Anlage 5 Eventuelle Einbeziehung von Berliner oder Brandenburger Flughäfen in die Vorbereitun- gen eines Irakkrieges MdlAnfr 29 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . . 1422 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003IV (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1373 18. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 Beginn: 13.00 Uhr
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    Ludwig Stiegler Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 2003 1421 (C) (D) (A) (B) Hartnagel, Anke SPD 15.01.2003 Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 15.01.2003 Ibrügger, Lothar SPD 15.01.2003 Kasparick, Ulrich SPD 15.01.2003 Lenke, Ina FDP 15.01.2003 Michelbach, Hans CDU/CSU 15.01.2003 Möllemann, Jürgen W. FDP 15.01.2003 Dr. Pflüger, Friedbert CDU/CSU 15.01.2003 Reiche, Katherina CDU/CSU 15.01.2003 Straubinger, Max CDU/CSU 15.01.2003 Dr. Thomae, Dieter FDP 15.01.2003 Volquartz, Angelika CDU/CSU 15.01.2003 Dr. von Weizsäcker, SPD 15.01.2003 Ernst Ulrich Welt, Jochen SPD 15.01.2003 Anlage 2 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Frage der Abgeordneten Hannelore Roedel (CDU/CSU) (Drucksache 15/286, Frage 13): Wie hoch sind die Steuerausfälle, die bei Einführung der Zins- abschlagsteuer dadurch entstehen, dass nicht der persönliche, pro- gressive bis zu 48,5 Prozent hohe Steuersatz angewendet wird, sondern der pauschale von 25 Prozent? Die Ausgestaltung der Einführung einer Abgeltung- steuer auf Kapitalerträge ist noch nicht entschieden. Ent- sprechend sind Aussagen zu finanziellen Auswirkungen einer solchen Maßnahme sowohl beim Steuerpflichtigen als auch für die öffentlichen Haushalte zum jetzigen Zeit- punkt nicht möglich. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Fragen des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) (Drucksache 15/286, Fragen 14 und 15): Wie will die Bundesregierung die negativen Auswirkungen der Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf den Verkauf von entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenografischen Bericht Blumen in Deutschland von bisher 7 Prozent auf den Regelsteu- ersatz von 16 Prozent auf den Export derjenigen Entwicklungs- länder mildern, die wie Kolumbien, Kenia, Ecuador zu den nach den Niederlanden weltweit größten Blumenexporteuren ge- hören, und die für ihre wirtschaftliche Entwicklung in besonde- rer Weise auf die Absatzmöglichkeiten in Deutschland angewie- sen sind? Trifft es zu, dass mehrere Regierungen von Entwicklungslän- dern sich mit der Bitte an die Bundesregierung gewandt haben, auf eine Umsatzsteuererhöhung auf Blumen zu verzichten, und wenn ja, wie hat die Bundesregierung darauf reagiert? Zu Frage 14: Die Bundesregierung entwickelt ihr Steuersystem wei- ter und ist bestrebt, Ausnahmeregelungen weitestgehend abzuschaffen. Ziel ist eine gerechte Besteuerung mit öko- nomischer und finanzieller Effizienz wie auch mit der Notwendigkeit der Budgetkonsolidierung in Einklang zu bringen. In diesem Zusammenhang sind die Reduzierungen der Ausnahmen von der regulären Mehrwertsteuer ein wich- tiger Bestandteil der Weiterentwicklung. Eine Anhebung bisher ermäßigter Umsatzsteuersätze auf den im inter- nationalen Vergleich moderaten Normalsteuersatz von 16 Prozent dient zudem dem Ziel der Bundesregierung, den ermäßigten Steuersatz vorrangig auf notwendige, le- benswichtige Güter zu beschränken. Auch Importe von Blumen aus Entwicklungsländern wären von der Reform betroffen. Allerdings sollten kaum Auswirkungen auf die Blumenproduktion in diesen Län- dern auftreten, da gleichermaßen deutsche, europäische und importierte Blumen betroffen wären und sich daher die Stellung der Importe aus ihrem Land gegenüber ein- heimischen Blumen nicht ändert. Nach Einschätzung der Bundesregierung dürfte sich auch die Gesamtnachfrage nach Blumen kaum ändern. Daher werden die Folgen für Importe aus Entwicklungsländern als gering eingeschätzt. Die Bundesregierung unterstützt den Verband des deut- schen Blumengroß- und Importhandels (BGI) und die Menschenrechtsorganisation FIAN bei der Einführung und Ausweitung des „Flower Label Programm Siegels“ mit dem Blumen zertifiziert werden, die aus einer Pro- duktion mit hohen sozialen, menschenrechtlichen und ökologischen Standards stammen. Dadurch – so wie mit weiteren Beratungsprojekten – fördert die Bundesregie- rung den nachhaltigen Blumenanbau und dessen Export aus Entwicklungsländern. Diese Förderung wird fortge- setzt. Zu Frage 15: Es trifft zu, dass sich mehrere Regierungen von Ent- wicklungsländern an die Bundesregierung gewandt ha- ben. In den Antwortschreiben der Bundesregierung wird um Verständnis für die Reform des Steuerrechtes ge- worben. Weitere Antworten der Bundesregierung sind in Bear- beitung. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fragen des Abgeordneten Christian Schmidt (Fürth) (CDU/ CSU) (Drucksache 15/286, Fragen 27 und 28): Wie ist der aktuelle Sachstand bei den Arbeiten der interminis- teriellen Arbeitsgruppe „Sicherheit im Luftraum“, insbesondere im Hinblick auf die materiellen Regelungen und formalen Ent- scheidungsbefugnisse für einen möglichen Abschuss von Flug- zeugen, die sich in terroristischer oder sonst verbrecherischer Ab- sicht im deutschen Luftraum bewegen, und ist dabei beabsichtigt, im Rahmen einer Neuregelung auch das Grundgesetz entspre- chend zu ändern? Wann ist mit der Umsetzung der zu erarbeitenden Empfehlun- gen der interministeriellen Arbeitsgruppe „Sicherheit im Luft- raum“ durch die Bundesregierung in verbindliche Regelungen und formalisierte Handlungsanweisungen zu rechnen, und wie sollen dabei die Bundesländer einbezogen werden? Zu Frage 27: Ende Januar 2003 wird die ressortübergreifende Arbeits- gruppe „Sicherheit im Luftraum“ auf Abteilungsleiterebene tagen. Eine verbindliche Aussage zu abschließenden Ergeb- nissen ist aufgrund der laufenden Arbeiten in der Arbeits- gruppe derzeit nicht möglich. Zu Frage 28: Die interministerielle Projektgruppe „Sicherheit im Luftraum“ arbeitet mit Nachdruck an ihren Empfehlun- gen. Die Komplexität der zu behandelnden Fragestellung macht eine umfassende und zeitintensive Ressortabstim- mung notwendig, die derzeit gerade erfolgt. Auf Grund- lage dieser Ergebnisse sollen dann die notwendigen Maß- nahmen umgesetzt werden, was in Abhängigkeit von den noch vorzulegenden Ergebnissen auch eine Einbeziehung der Bundesländer notwendig machen kann. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Frage der AbgeordnetenDr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) (Druck- sache 15/286, Frage 29): Trifft es zu, dass am 27. November 2002 gegen 15 Uhr zwei Militärmaschinen der NATO auf dem Flughafen Tegel gelandet sind, und hat die Bundesregierung Informationen, ob der Flugha- fen Tegel oder andere Berliner oder Brandenburger Flughäfen in die Kriegsvorbereitung der US-Regierung einbezogen sind? Die Überprüfung hat ergeben, dass zur angegebenen Zeit folgende Flugbewegungen von Luftfahrzeugen der NATO- Partner von und zum Flughafen Tegel stattgefunden haben: 26. November 2002, 16:36 Uhr an: Hellenic Airforce 434, EMBRAIR 135 aus: Athen 27. November 2002, 08:12 Uhr ab: Hellenic Airforce 434, EMBRAIR 135 nach: Paris 26. November 2002, 15:59 Uhr an: Turkish Airforce 001, GULFSTREAM 4 aus: Ankara 27. November 2002, 16:54 Uhr ab: Turkish Airforce 001, GULFSTREAM 4 nach: Ankara Zur Einbeziehung des Flughafens Tegel oder anderer Berliner oder Brandenburger Flughäfen in militärische Ak- tivitäten der US-Regierung liegen keine Informationen vor. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 18. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Januar 20031422 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501800000

Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-

zung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-

binettssitzung mitgeteilt: die Einführung des Pflicht-
pfandes auf Getränkeverpackungen.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit, Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe
heute das Kabinett über die Erfahrungen bei der Ein-
führung des Pflichtpfandes auf Einwegverpackungen un-
terrichtet. Wie Sie wissen, ist die rechtliche Grundlage
hierfür die Verpackungsverordnung. Die Verpackungs-
verordnung sieht bereits seit Anfang der 90er-Jahre ein
Pfand vor. Die Erhebung eines solchen Pfandes war nur
so lange ausgesetzt, wie der Anteil der Getränke in Mehr-
wegverpackungen 72 Prozent nicht unterschreitet. Diese
Quote wurde im Jahr 1997 das erste Mal unterschritten.
Nach den letzten Zahlen, den Zahlen des dritten Quartals
2002, liegt die Mehrwegquote mittlerweile bei 53 Pro-
zent, also fast 20 Prozentpunkte unter dem gesetzlich Vor-
gesehenen. Das ist der Hintergrund.

Als die Unterschreitung absehbar war, hat die Bundes-
regierung mit Zustimmung dieses Hauses vorgesehen, die
Verpackungsverordnung etwas zu vereinfachen. Das ist
bekanntermaßen am Widerstand des Bundesrates – übri-
gens über alle politischen Familien hinweg; das war nicht
auf eine Seite beschränkt – gescheitert. Die Bundesregie-
rung hat dann am 20. März 2002 erklärt, die Pfandpflicht
auszulösen, und zwar zum 1. Januar dieses Jahres. Die In-
dustrie hatte für den Aufbau eines entsprechenden Rück-
nahmesystems also neun Monate Zeit.

Diese Zeit ist leider nicht genutzt worden. Stattdessen
ist der Bundesumweltminister wegen der Verpackungs-

verordnung mit einer kaum vergleichbaren Klagewelle
überzogen worden. Im Ergebnis hat sich eine Rechtsvor-
schrift allerdings selten als so gerichtsfest erwiesen wie
die Verpackungsverordnung. Ich habe Respekt vor den
Vätern dieser Verordnung. Es gab über 100 Prozesse. In
allen hat die Verpackungsverordnung Bestand gehabt.

Das hat dazu geführt, dass wir am 20. Dezember, also
auf den letzten Drücker, mit weiten Teilen der Industrie,
auch mit den Teilen, die bisher anderer Auffassung gewe-
sen sind, übereingekommen sind und diese Verpackungs-
verordnung in Kraft treten konnte. Wir haben uns damit
einverstanden erklärt, dass wir, wenn die Industrie es
schafft, in nunmehr neun Monaten ein bundesweites
Rücknahmesystem aufzubauen und umzusetzen, die Er-
hebung des Pfandes auf das Verhältnis Verkäufer/Käufer
beschränken, nicht aber auf die Abfüller ausweiten. Die
Länder – diese sind dafür zuständig – tolerieren eine Be-
schränkung der Rückgabemöglichkeit auf den Ort, an
dem die Verpackung erworben wurde.

Aufgrund dieser Vorgaben können wir heute sagen,
dass das von vielen beschworene Chaos ausgeblieben ist.
Testkäufe der Umweltverbände – dies geht aber auch aus
den Berichten der zuständigen Landesbehörden hervor –
ergaben im Großen und Ganzen, dass die Einführung des
Pfandes gelungen ist. Die Reaktionen waren unterschied-
lich. Manche bezweifelten ja die Lenkungswirkung des
Pfandes. Wir haben feststellen können, dass sie in man-
chen Bereichen sehr stark zugeschlagen hat. So haben
manche Discounter Einwegverpackungen fast vollständig
ausgelistet.

Inzwischen können wir sagen, dass es eine positive Re-
sonanz gibt. Viele Menschen in diesem Lande – Umfragen
ergaben, dass es fast drei Viertel der Bevölkerung sind –
stimmen der Erhebung des Pfandes zu. Auch Unterneh-
men, die bis zuletzt der Auffassung gewesen sind, dass
dies nicht der richtige Weg sei, und die den Bundesum-
weltminister noch im Dezember verklagt haben, betreiben
heute Werbung mit knallhart kalkulierten Mehrwegarti-
keln. Diese wurden von einem Unternehmen namens Me-
tro hergestellt, welches mich, wie gesagt, vor kurzem
noch verklagen wollte.

Wir haben es also erreicht, dass das Mehrwegsystem
auch in diesen Bereichen gestützt wird. Insofern können




Bundesminister Jürgen Trittin
wir hier eine positive Bilanz ziehen. Als Konsequenz die-
ser positiven Bilanz habe ich vorgeschlagen, dass dieses
Haus – es bedarf auch der Zustimmung des Bundestages
– gemeinsam mit den Bundesländern eine Novelle der
Verpackungsverordnung angehen sollte, die 1998 ent-
standene Unlogiken in dieser Verpackungsverordnung be-
seitigt. Ich denke etwa daran, dass alkoholhaltige Cola-
Getränke in Dosen nicht bepfandet werden, während
Cola-Getränke in Dosen bepfandet werden, und dass Kaf-
fee in Dosen nicht bepfandet wird, während Mineralwas-
ser mit Kohlensäure in Dosen bepfandet wird. Es ist wich-
tig, solche Unlogiken zu beseitigen und der Industrie für
den Aufbau des Rücknahmesystems gleichzeitig einen
festen Rahmen zu geben. Dies muss auch dadurch ge-
schehen, dass wir den Getränkekarton aus der Pfand-
pflicht generell herausnehmen, da er ökologisch vorteil-
haft ist. Dies müssen wir angehen.

Ich habe die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nie-
dersachsen und Nordrhein-Westfalen – sozusagen stell-
vertretend für die jeweiligen politischen Familien im
Bundesrat – gebeten, uns gegenüber bis Mitte Februar zu
erklären, ob sie bereit sind, auf der Basis solcher Eck-
punkte einer Novelle der Verpackungsverordnung zuzu-
stimmen. Diese könnten wir dann im Frühjahr hier verab-
schieden, sodass dies synchron mit der Einführung des
bundesweiten Rücknahmesystems geschehen würde.

Ich würde mich freuen, wenn auch der Deutsche Bun-
destag diesen Versuch einer konsensualen und pragmati-
schen Vereinfachung der Verpackungsverordnung mitge-
hen könnte.

Vielen Dank.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501800100

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich bitte, zunächst Fra-

gen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben
berichtet wurde. Das Wort hat der Kollege Werner
Wittlich.


Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1501800200

Sehr geehrter Herr Minister, die Pläne der Bundesre-

gierung für eine kurzfristige Novellierung der Verpackungs-
verordnung enthalten eine Reihe von Unstimmigkeiten.
Beispielsweise sollen Flaschen mit alkoholfreiem Trau-
bensaft pfandpflichtig werden, während dies bei Flaschen
mit Wein, der ja bekanntlich vergorener Traubensaft ist,
nicht der Fall ist. Wie will die Bundesregierung vor die-
sem Hintergrund eine weitere Verwirrung in der Bevölke-
rung verhindern?

Frau Präsidentin, darf ich all meine Fragen jetzt stel-
len? Ich habe fünf Fragen zu der Thematik formuliert.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501800300

Ich glaube, das ist ein wenig viel. Ich denke, der Herr

Minister wird nach zwei Fragen antworten.


Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1501800400

Ich hoffe, dass ich die anderen Fragen nachher noch

nachschieben darf. – Herr Minister, nach den Plänen der

Bundesregierung soll die bisher vorgeschriebene Mehr-
wegquote entfallen. Für die Wirtschaft fehlt damit eigent-
lich der Anreiz, durch eine Steigerung des Absatzes von
Mehrwegverpackungen langfristig wieder eine Freistel-
lung von dieser Pfandpflicht zu erreichen. Wie wollen Sie
verhindern, dass diese von der Verpackungsverordnung an-
gestrebte Lenkungswirkung endgültig zunichte gemacht
wird?


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501800500

Bitte schön, Herr Minister.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Wir haben mit den Eckpunkten, die ich mit Herrn
Schnappauf, Herrn Müller, Herrn Jüttner und Frau Höhn
besprochen habe, erst einmal ein grundsätzlich anderes
Herangehen gewählt. Wir haben bisher die Situation, dass
in der Verpackungsverordnung definiert ist, welche Ver-
packungen pfandpflichtig sind. Damit ergibt sich immer
dann, wenn sich jemand eine neue Verpackung ausdenkt,
eine neue Unlogik.

Wir haben uns für einen anderen Weg entschieden. Wir
haben gesagt: Im Prinzip ist jede Einwegverpackung, weil
ausweislich der diversen Ökobilanzen ökologisch nach-
teilig, pfandpflichtig. Nur wenn für diese Verpackung der
Nachweis erbracht wird, dass sie mit der Mehrwegver-
packung gleichwertig ist, wird sie von der Pfandpflicht
ausgenommen. Das ist eine Umkehrung des Ansatzes und
auch ein Unterschied zu der Novelle von 2001, mit der
weiterhin zu arbeiten ich – das muss ich ehrlich sagen –
niemanden zumuten möchte. Wir müssen einen Konsens
erreichen.

Nach unseren Vorstellungen kommen wir zu der Über-
legung, den Schlauchbeutel – das war schon Ergebnis der
Ökobilanz unter Frau Merkel – und den Getränkekarton –
das ist das Ergebnis der Ökobilanz, die wir durchgeführt
haben – von der Pfandpflicht auszunehmen. Sie sind heute,
wenn sie denn über das Duale System Deutschland zurück-
genommen werden, hinsichtlich der ökologischen Vorteil-
haftigkeit mit der Mehrwegverpackung vergleichbar.

Ich bin mir nicht sicher, Herr Kollege, ob der Verbrau-
cher nicht zwischen Wein und Traubensaft unterscheiden
kann. Meine Erfahrung ist, dass er das relativ gut kann.
Auch in der evangelischen Kirche wird beim Abendmahl
darauf genau geachtet.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Bei der katholischen Kirche auch!)


– Da kenne ich mich nicht so aus.
Wir haben den Wein aus verschiedenen Gründen aus-

genommen: Erstens. Wir haben hier nur in kleinsten Seg-
menten – sie sind statistisch kaum messbar – Alternativen
im Mehrwegbereich. Die wenigsten Menschen greifen
zum Beispiel zu Weißwein aus Italien in Pfandflaschen,
wie ich es gelegentlich tue, weil mein Händler an ein sol-
ches System angeschlossen ist. Zweitens. Es gibt ganz
andere Lagerzeiten. Drittens. Wir sind bei Wein und Spi-
rituosen an einem Punkt, wo wir kaum eine Substitu-
ierung durch Mehrwegverpackungen vornehmen können.


(A)



(B)



(C)



(D)


1374


(A)



(B)



(C)



(D)






Was wir mit dieser Regelung auch beabsichtigen, ist,
dass Getränke, die überwiegend Alkohol enthalten, nicht
pfandpflichtig sind. Mixgetränke aber sollen von der
Pfandpflicht ausdrücklich erfasst werden. Den Unsinn,
dass heute eine Dose Cola bepfandet wird, wohingegen
die Dose Cola mit Whisky von der Pfandpflicht ausge-
nommen ist, würden wir an dieser Stelle beenden.

Eine weitere Ausnahme sind die diätetischen Lebens-
mittel im Sinne des § 1 der Verordnung über diätetische
Lebensmittel. Sie waren bisher schon nicht pfandpflichtig.

Ich glaube, dass diese Regelungen sehr überschaubar
und für den Verbraucher zu handhaben sind.

Ihre zweite Frage bezog sich auf den Verzicht der
Quote. Wir haben auf ausdrücklichen Wunsch des Kolle-
gen Schnappauf, unterstützt vom Kollegen Müller, in un-
seren Eckpunkten festgehalten, dass wir ein Ziel definie-
ren wollen. Das Ziel soll sein, zu einem bestimmten
Zeitpunkt 80 Prozent der Getränke, die in Deutschland
verkauft werden, in ökologisch vorteilhaften Verpackun-
gen anzubieten. Damit das kontrolliert wird, soll der Ge-
setzgeber verpflichtet sein, diesen Anteil der ökologisch
vorteilhaften Verpackungen jährlich festzustellen und im
„Bundesanzeiger“ zu veröffentlichen. Dabei soll auch der
Anteil der Mehrwegverpackungen unter den ökologisch
vorteilhaften Verpackungen festgestellt werden. Dies war
in dem Gespräch breiter Konsens.

Das, was wir nicht machen – das unterscheidet uns –,
ist, dass wir an diese Feststellung eine unmittelbare
Rechtsfolge knüpfen. Denn was hieße das? Stellen Sie
sich vor, wir würden unser gemeinsames Ziel erreichen:
Die Pfandpflicht würde zu den festgelegten 80 Prozent
führen und dann wegfallen. Dann würden die Unterneh-
men, die zurzeit relativ viel Geld in Rücknahmeautomaten
investieren, diese abschaffen mit dem möglichen Ergeb-
nis, dass die Quote erneut absinkt und wir die Pfandpflicht
nach kurzer Zeit wieder einführen müssten. Dies ist aus-
drücklich nicht im Sinne der Wirtschaft, die ein entspre-
chendes Rücknahmesystem aufbaut.

Der Konsens ist, auf eine Quote mit Rechtsfolgen zu
verzichten und stattdessen in der Verpackungsverordnung
ein Ziel festzuschreiben und sicherzustellen, dass die Er-
gebnisse jährlich begutachtet und veröffentlicht werden,
sodass wir daraus alle gemeinsam gegebenenfalls die po-
litischen Konsequenzen ziehen können.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501800600

Herr Kollege Wittlich, ich möchte Ihnen lieber später

noch einmal das Wort erteilen. Sie dürfen Ihre Fragen
zwar noch stellen, aber im Sinne der Ausgewogenheit
sollten auch Vertreter der anderen Fraktionen zu Wort
kommen.

Die nächste Frage kommt von der Kollegin Ulrike
Mehl.


Ulrike Mehl (SPD):
Rede ID: ID1501800700

Der Pfandpflicht liegen in erster Linie ökologische

Fragen zugrunde. Das ist auch gut so. Aber damit einher
gehen auch noch andere, nämlich ökonomische Fragen

und Arbeitsplatzfragen. Deswegen bitte ich Sie, Herr
Minister, noch einmal etwas zu den Gründen zu sagen,
weshalb sich damals der Bayerische Landtag mit seiner
Mehrheit – die schließlich nicht Rot-Grün ist – ausdrück-
lich für eine Pfandpflicht ausgesprochen hat.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Abgeordnete, Ihre Frage kann ich nicht aus eige-
ner Anschauung beantworten. Das könnte der Kollege
Göppel, der zu dieser Zeit Mitglied des Bayerischen
Landtags war, sicherlich besser. Wenn ich es richtig in Er-
innerung habe, hat er dazu beigetragen, dass der Landtag
damals zu dieser Entscheidung gekommen ist, die mich
sehr gefreut hat. Ich hätte nie geglaubt, dass ich als Grü-
ner, der von der Küste kommt – manche nennen das ja
„Fischkopf“ –,


(Ute Kumpf [SPD]: Genau! Das sagt man in Schwaben!)


einmal im Bayerischen Landtag eine Mehrheit gegen die
eigene Landesregierung erhalten würde. Aber das war
tatsächlich der Fall.

Hintergrund dafür ist neben den ökologischen Gründen
die spezifische Struktur insbesondere der bayerischen
Brauereiunternehmen. Wir haben es dort mit einer Viel-
zahl kleiner und mittelständischer Unternehmen zu tun, die
ihre Konsumenten in der Regel ortsnah, ohne lange Trans-
portwege, erreichen und die aufgrund des Vordringens
großer Brauereien, die dies im Wesentlichen über das Ein-
wegsystem – weil nur dessen Logistik dies erlaubte – orga-
nisiert haben, akut unter ökonomischen Druck geraten sind.
Seinerzeit wurden seitens der mittelständischen Braue-
reien und des Getränkefachhandels Befürchtungen laut,
dass in diesen Betrieben durch das Vordringen des Ein-
wegsystems insbesondere im Biervertrieb und dabei vor
allem über Dosen mittelfristig 250 000 Arbeitsplätze in
Gefahr gerieten. Das war meines Wissens der ökonomi-
sche Hintergrund der Haltung des Bayerischen Landtags.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501800800

Herr Kollege Wittlich, jetzt haben Sie das Wort zu ei-

ner oder vielleicht zwei Fragen.


Werner Wittlich (CDU):
Rede ID: ID1501800900

Herr Minister, Sie haben es eben schon kurz angespro-

chen: Der Novellierungsentwurf der Bundesregierung
enthält ausschließlich eine Pfandbefreiung von Getränke-
kartons und Schlauchbeuteln. Ich möchte das Gesagte
nicht wiederholen. Mir geht es um Folgendes: Erfolgt in
dem Fall, dass eine Verpackung, die derzeit noch nicht
ökologisch vorteilhaft ist, durch Gutachten oder Öko-
bilanzen belegt zur ökologisch vorteilhaften Verpackung
wird, die Befreiung automatisch oder muss die Ver-
packungsverordnung jedes Mal wieder verändert werden,
was ich nicht gutheißen würde?

Ich stelle noch eine weitere Frage, Frau Präsidentin. –
Mit der Ausweitung der Pfandpflicht auf kohlensäurefreie
Getränke drohen erhebliche Einnahmeausfälle bei der

Bundesminister Jürgen Trittin




WernerWittlich
Wertstofferfassung des Dualen Systems. Glauben Sie
nicht, dass damit die Fortsetzung der haushaltsnahen Wert-
stoffsammlung insbesondere bei der bei den Verbrauchern
etablierten Altglassammlung akut gefährdet wird, und wie
wollen Sie diese Gefährdung verhindern?

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Herr Wittlich, erlauben Sie, dass ich die zweite Frage
zuerst beantworte. Wir gehen davon aus, dass die Ent-
wicklung so verläuft, dass, wenn wir nicht zu einer No-
vellierung kommen, aufgrund der Marktentwicklung
auch die nicht kohlensäurehaltigen Getränke in die Pfand-
pflicht hineinrutschen. Das würde unter anderem dazu
führen, dass nicht nur Einwegglas, sondern auch der Kar-
ton bepfandet würde. Mit der Privilegierung des Kartons
– meines Wissens werden fast 80 Prozent der Fruchtsäfte
im Karton und nur ein sehr kleiner Anteil im Glas ver-
packt – sorgen wir dafür, dass dem Dualen System unterm
Strich ein stabiles Aufkommen gesichert wird. Gerade
weil der nicht bepfandete Getränkekarton im Dualen Sys-
tem landet, gehe ich davon aus, dass es eine Verschiebung
von Einwegglas zum Getränkekarton geben wird, sodass
unsere Novelle, wenn man alles zusammennimmt, dem
Dualen System eher nutzen wird. Näheres werde ich den
Verbandsvertretern und dem Geschäftsführer, der Ihnen
auch nicht ganz unbekannt ist, in dieser Woche erläutern
können.

Zur ersten Frage: Wir haben bewusst auf einen Auto-
matismus verzichtet; ich sehe für ihn auch keinen Anlass.
Als in Frau Merkels Verantwortung festgestellt wurde,
dass der Schlauchbeutel der Milchmehrwegflasche
gleichwertig sei, ist die Verpackungsverordnung umge-
hend geändert worden. Als wir festgestellt haben, dass
der Getränkekarton aufgrund der hohen Rücknahme-
quote und der hohen Qualität der Verwertung durch das
Duale System Deutschlands der Mehrwegflasche ökolo-
gisch vergleichbar sei, haben wir sofort eine Novellie-
rung eingeleitet. Dass sie damals keine Mehrheit gefun-
den hat, hatte sicherlich andere Gründe. Ich will ja nicht
nachtarocken; aber ich muss denjenigen, die damals da-
gegen waren, unterstellen, dass sie dafür andere Gründe
hatten.

Ich bin übrigens auch aus Respekt vor diesem Hause
gegen einen Automatismus. Bei einem Automatismus
überließen Sie es der Exekutive oder gar einem Wissen-
schaftlergremium, etwas zu entscheiden, was nach meiner
Auffassung eine originär politische Entscheidung ist, die
wir alle, die wir gewählt worden sind, zu treffen haben.
Natürlich können Sie in einer Ökobilanz – das ist ein for-
malisiertes Verfahren nach internationalen Standards –
feststellen, wie es mit der Gewässerbelastung und der
Luftbelastung und anderen Einzelfaktoren aussieht. Wis-
senschaftlich neutral können Sie aber nicht beantworten,
wie Sie die einzelnen Faktoren gewichten und welche
Konsequenzen Sie daraus zu ziehen haben. Daher wären
das Parlament und der Bundesrat nach meiner Auffassung
gut beraten, wenn sie diese Entscheidung nicht einfach
der Verwaltung überließen.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Vielen Dank!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501801000

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Antje Vogel-

Sperl.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister, der hessische Umweltminister Dietzel
wirft Ihnen vor, erst jetzt zu einer Novellierung der Pfand-
pflicht bereit zu sein. Ich zitiere wörtlich aus seiner Presse-
mitteilung vom vergangenen Freitag:

Die Hinweise, dass der Bund einer Novellierung der
Pfandpflicht nicht mehr entgegenstehen will, sind
ein eindeutiges Eingeständnis von Herrn Trittin, dass
die Pfandpflicht voreilig zum 1. Januar 2003 einge-
führt worden ist.

(Lachen bei der SPD – Horst Kubatschka [SPD]: Das steht in einem Witzblatt, nehme ich an! – Ulrike Mehl [SPD]: Das ist Kabarett!)


Wie beurteilen Sie diese Äußerung von Herrn Dietzel?
Können Sie die Länder aufführen, die im Jahre 2001 im

Bundesrat gegen Ihren Novellierungsvorschlag gestimmt
haben, und war das Land Hessen dabei?


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: NRW auch!)


Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine vollständige Auf-
listung hinbekomme. Es haben auch nicht alle dagegen
gestimmt. Da es sich um eine zustimmungspflichtige Ver-
ordnung handelte, brauchten wir die aktive Zustimmung
der Mehrheit des Bundesrates. Uns fehlte unter anderem
die aktive Zustimmung der Länder Hessen, Bayern und
Baden-Württemberg.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Und Nordrhein-Westfalen!)


– Und von Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und
dem Saarland. Sie sehen, ich genüge dem Anspruch der
Ausgewogenheit.

Sicher ist jedenfalls, dass Hessen zu denen gehörte, die
zu diesem Zeitpunkt die Novellierung als nicht notwendig
ansahen. Daher nehme ich die Äußerung des Kollegen
Dietzel als das, was sie ist: als das Eingeständnis, dass
auch er einen gewissen Novellierungsbedarf sieht. Wenn
wir jetzt gemeinsam zu dem Ergebnis kommen sollten,
dass wir die Verpackungsverordnung novellieren, würde
es mich freuen. Rückmeldungen der A-Seite wie der B-
Seite des Bundesrates sind für Mitte Februar zugesagt. Ich
hoffe, dass dann auch das Land Hessen zu denen gehören
wird, die einer Novellierung zustimmen. Ich kann mir al-
lerdings vorstellen, dass zu diesem Zeitpunkt ein anderer
als Herr Dietzel in Hessen dafür Verantwortung tragen
wird.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wovon träumen Sie nachts?)



(A)



(B)



(C)



(D)


1376


(A)



(B)



(C)



(D)







Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501801100

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Birgit

Homburger.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1501801200

Herr Minister, Sie haben uns die Eckpunkte des Kabi-

netts vorgestellt. Seit Sommer 2000 gibt es eine Öko-
bilanz, wonach die Tetrapaks in ökologischer Hinsicht
den Mehrwegverpackungen gleichwertig sind. Im Som-
mer 2000 hat die FDP-Bundestagsfraktion dies sofort
zum Anlass genommen, einen Antrag in den Deutschen
Bundestag einzubringen, in dem wir das formuliert haben,
was Sie dieser Tage vorgestellt haben, nämlich nicht mehr
zwischen Einweg- und Mehrwegverpackungen, sondern
zwischen ökologisch sinnvollen und ökologisch nicht
sinnvollen Verpackungen zu unterscheiden. Wie erklären
Sie sich, dass die rot-grüne Koalition diesen Antrag der
FDP-Fraktion im Jahr 2001 sowohl im Umweltausschuss
als auch im Deutschen Bundestag abgelehnt hat?

Eine weitere Frage, die ich an Sie richten möchte, ist:
Wir haben festgestellt, dass Sie in der Weihnachtspause
einen sehr mutigen Schritt gemacht haben, indem Sie
Ihren Schnauzbart geopfert haben. Im Übrigen finde ich,
dass Ihnen das sehr gut steht. Ich möchte Sie fragen, ob
Sie den mutigen Beginn des neuen Jahres nicht fortsetzen
und sich auch von dem ökologisch und ökonomisch kon-
traproduktiven Mittel des Zwangspfands verabschieden
und stattdessen ein Lizenzmodell einführen wollen, das
wesentlich weniger aufwendig wäre. Das ist unser Vor-
schlag als Alternative zum Pfand.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Kollegin, ich danke für Ihr freundliches Kompli-
ment. Ich weiß nicht, ob die Frage, wie sich welche Frak-
tion in welchem Ausschuss verhalten hat, an die Regie-
rung zu richten ist. Lassen Sie mich deswegen an dieser
Stelle auf Folgendes hinweisen: Die Novelle der Ver-
packungsverordnung, die 2000 im Bundesrat und 2001 im
Bundestag eingebracht wurde, wurde von den Ländern
Baden-Württemberg und, wenn ich mich richtig erinnere,
Hessen explizit abgelehnt. In beiden Bundesländern ist
die FDPan der Regierung beteiligt. Auch Rheinland-Pfalz
– es gibt ja einen bekannten FDP-Abgeordneten mit ent-
sprechenden Connections nach Rheinland-Pfalz – hat
nicht zugestimmt. Ich glaube, dass wir alle gut beraten
sind, wenn wir zur Kenntnis nehmen, dass es damals eine
Auseinandersetzung darüber gegeben hat, ob die Ein-
führung eines Pfands überhaupt verhindert werden kann.
Das war der Grund, warum Länder wie Baden-Württem-
berg, Hessen und Rheinland-Pfalz mit tatkräftiger Unter-
stützung der FDP gegen die Einführung eines Pfands ge-
stimmt haben. Diese Frage ist heute erledigt. Ich hoffe
angesichts des Pragmatismus dieser Länder und der Rea-
lität des Pfands, zu einer einfachen und unbürokratischen
Lösung zu kommen.

Zu den Alternativen, die es zum Pfand gibt – von Ab-
gaben bis hin zu Lizenzsystemen und Ähnlichem –, muss
ich nach zweieinhalb Jahren Diskussion, die es vor 2001

mit allen Beteiligten gegeben hat, eines feststellen, wie
immer man das auch bewerten will: Bei der Beantwortung
der Frage, was durchsetzungsfähig ist, ist am Ende das
alte Instrument, nämlich das Pfand, der Verpackungsver-
ordnung, die während der Zeit der CDU/CSU-FDP-Re-
gierung unter Klaus Töpfer 1998 novelliert worden ist,
übrig geblieben. Mit dem Pfand wird den ökologischen
Mehrkosten der Einwegverpackungen durch eine Belas-
tung der Verursacher entgegengesteuert, also derjenigen,
die solche Verpackungen in den Verkehr bringen. Das ist
das, was ich aus zweieinhalb Jahren Diskussion über das
richtige Instrument als Konsequenz ziehe, wissend, dass
einige andere Alternativen befürworten. Aber ich bin zu
dem Ergebnis gekommen, dass sich die Vertreter der Al-
ternativen so sehr gegenseitig blockiert haben, dass sich
der Vormarsch der Einwegverpackungen ungehindert
vollziehen konnte; denn deren Anteil an den Getränke-
verpackungen macht inzwischen fast 47 Prozent aus.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501801300

Die nächste Frage stellt der Kollege Horst Kubatschka.


Horst Kubatschka (SPD):
Rede ID: ID1501801400

Die Einwegverpackungen haben zur Verschandelung

unserer Städte und Landschaften beigetragen, weil bei-
spielsweise überall Bierdosen herumgelegen haben. Die
jetzige Lösung ist für den Verbraucher sicherlich nicht op-
timal; denn die Industrie hat bis zum Schluss geglaubt,
ohne ein Gesetz auszukommen. Wie lange wird es nach
Ihrer Einschätzung dauern, bis es zu einem Fondssystem
kommt, sodass der Zugreisende auf dem Bahnhof in Mün-
chen eine Bierdose kaufen und sie in Nürnberg abgeben
kann? Ein solches Fondssystem wäre eine Lösung, die für
alle das Optimale wäre.

Die zweite Frage. Für die kleinen Brauereien geht es
um die Existenz: Sie haben sich auf die Gesetzgebung der
CDU/CSU-FDP-Regierung, von Herrn Töpfer, verlassen,
die darauf hinausläuft, dass auch Mehrwegflaschen im
Einsatz bleiben. Weil diese sich aus Kostengründen keine
zweite Abfüllanlage erlauben konnten, hatten sie sich
seinerzeit für Mehrweg und für die Umwelt entschieden.
War es von daher nicht doch ein Zeichen von politischer
Verlässlichkeit, dass wir das jetzt durchgezogen haben?

Nur noch eine Anmerkung: Bevor ich ein Bier aus der
Dose saufe, durste ich lieber.


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Weil Sie keine Ahnung haben! Gutes Bier aus der Dose schmeckt genauso!)


Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Angesichts derjenigen, die das für sich persönlich an-
ders entscheiden, sollte aber sichergestellt sein – darauf
haben Sie zu Recht hingewiesen –, dass die Weißblech-
respektive Aludose dann auch tatsächlich wieder in der
Verwertung und nicht in der Landschaft landet. Das Pfand
dient ja dazu, das sicherzustellen. Das ist der Vorteil des
Pfandes.




Bundesminister Jürgen Trittin

Die Industrie hat sich bereit erklärt, ein solches Rück-
nahmesystem spätestens zum 1. Oktober zur Verfügung
zu stellen. Im Hinblick darauf appelliere ich an alle Be-
teiligten, daran mitzuwirken, dass es jetzt relativ schnell
zu einer Novelle der Verpackungsverordnung kommt;
denn wir müssen die Novellierung mit dem Aufbau des
Rücknahmesystems natürlich halbwegs synchron halten.
Deswegen wünsche ich mir, dass eine Novelle der Ver-
packungsverordnung im Frühjahr durch beide Häuser,
durch Bundestag und Bundesrat, gebracht wird. – Das zu
Ihrer ersten Frage.

Wie war gleich Ihre zweite Frage?

(Horst Kubatschka [SPD]: Verlässlichkeit der Politik!)

– Ach so, die Frage der Verlässlichkeit. Natürlich hat die
Debatte um das Pfand nicht nur eine ökologische Kom-
ponente – Ressourceneinsparung, Verkürzung von We-
gen, Klimaschutz, Recycling und all das –, sondern selbst-
verständlich auch eine wettbewerbsrechtliche Seite. Eine
Frage, die da immer bestanden hat, lautet: Können sich
kleine und mittelständische Unternehmen auf das gesetzte
Recht verlassen oder wird dieses im Interesse großer und
starker Wettbewerber im Zweifelsfall deren Bedürfnissen
angepasst?

Diese Frage ist damit mit entschieden worden. Das ist
aber nicht Sinn und Ziel der Verpackungsverordnung,
sondern, wenn Sie so wollen, ein Nebeneffekt. Nichts-
destotrotz ist dies, glaube ich, für viele bayerische Fami-
lienbetriebe von zentraler Bedeutung gewesen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501801500

Die nächste Frage hat die Kollegin Gudrun Kopp.


Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1501801600

Herr Minister, wie beurteilen Sie die derzeitige Markt-

situation der Entsorgungswirtschaft mit Blick auf Wett-
bewerbsfragen?

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Im Grunde sind das zwei Fragen. Was die Getränke-
verpackungen angeht, so wissen wir heute noch nicht, wie
sich das entwickelt. Ich rate allen dazu, das im Jahr 2003
genau zu beobachten. Eine solch starke Lenkungswir-
kung, wie sie die Einführung des Pfandes jetzt erreicht
hat, wird es bei Verwirklichung eines Rücknahmesystems
sicherlich nicht geben. Ich erwarte eher eine Entwicklung
wie in Schweden, nämlich ein schrittweises Wiederan-
steigen der Mehrwegquote, und nicht solche Sprünge, wie
wir sie zurzeit erleben und die einige, auch auf der Ver-
werterseite, in Probleme bringen.

Nun zu der anderen Frage. Wir sehen mit großer Sorge
– ich sage bewusst: wir; das gilt für das Wirtschaftsminis-
terium wie für das Umweltministerium –, dass es beim
Bundeskartellamt eine Auslegung von Kartellrecht geben
könnte – das ist noch nicht entschieden; da ist man noch
im Gespräch –, nach der Rücknahmesysteme in der Selbst-
verantwortung der Wirtschaft, die naturgemäß einen ge-

wissen Kartellcharakter haben müssen – wenn man alles
bei jedem zurückgeben kann, muss es Absprachen geben –,
aus kartellrechtlichen Gründen nicht möglich wären.
Wenn diese Sorge zu Recht bestehen sollte, dann – da sind
sich, glaube ich, Bundeswirtschaftsministerium und Um-
weltministerium einig – müssen wir die gesetzlichen Vo-
raussetzungen so ändern, dass sie doch möglich werden.

Niemand kann ein Interesse daran haben – gleichgül-
tig, ob es sich um Altautos, um Getränkeverpackungen,
um Elektronikschrott, um Batterien oder Ähnliches han-
delt –, dass wir das, was wir erreicht haben, nämlich Ent-
sorgungssysteme in der Verantwortung der Wirtschaft, in
die Sphäre des Staates zurückführen. Das wäre sicherlich
völlig falsch. Eine Reverstaatlichung von Umweltpolitik
an dieser Stelle kann niemand wollen, aus wettbewerb-
lichen, aber auch aus ökologischen Gründen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501801700

Herr Kollege Wittlich, haben Sie noch eine Frage?


(Werner Wittlich [CDU/CSU]: Hat sich erledigt!)


– Dann hat die Kollegin Homburger das Wort. Frau
Homburger, bitte.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1501801800

Herr Minister, ich bin ganz froh, dass Sie eben bei der

Beantwortung der Frage der Kollegin Kopp klargestellt
haben, dass die Entwicklung, die sich in den letzten zwei
Wochen vollzogen hat, sicherlich nicht anhalten wird.
Diese Entwicklung ist der Tatsache geschuldet, dass im
Augenblick keine Rücknahmesysteme etabliert sind.

Sie sprechen allerdings noch immer in den alten Kate-
gorien. Wir stimmen darin überein – das haben wir gerade
erfreulicherweise festgestellt –, dass wir die Trennlinie
nicht mehr zwischen Einweg und Mehrweg ziehen kön-
nen; vielmehr müssen wir sie zwischen ökologisch sinn-
vollen und ökologisch nicht sinnvollen Verpackungen
ziehen, und zwar analog dem, was in Ökobilanzen festge-
stellt wurde. Angesichts dessen finde ich es nicht in Ord-
nung, dass Sie hier sagen: Ja, aber die Entwicklung hat
dazu geführt, dass wir jetzt 47 Prozent Einweg haben. –
Das ist nicht relevant.

Wollen Sie nicht endlich einmal zur Kenntnis nehmen,
dass die von der alten Koalition erlassene Verpackungs-
verordnung bewirkt hat, dass aufgrund technischer Ent-
wicklungen und einer gewissen Dynamik heute circa
80 Prozent der Getränke in ökologisch sinnvolle Ver-
packungen abgefüllt werden? Auch Sie selbst haben im
Hinblick auf die Eckpunkte von diesen 80 Prozent ge-
sprochen. Wenn man wissenschaftliche Erkenntnisse um-
setzen will, dann muss auch die politische Argumentation
stringent sein. Wollen Sie nicht auch das endlich einmal
zur Kenntnis nehmen?

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Abgeordnete, wenn ich Sie da – mit allem Respekt –
korrigieren darf: Nach der Verpackungsverordnung, die


(A)



(B)



(C)



(D)


1378


(A)



(B)



(C)



(D)






Klaus Töpfer zu verantworten hat, und auch nach der Ver-
änderung, die 1998 stattgefunden hatte – sie hat zu einer
drastischen Komplizierung der Verordnung geführt, weil
man plötzlich nach unterschiedlichen Getränkearten und
nicht mehr nach Verpackungen differenziert hat –, war es
so, dass wir eine Mehrwegquote von 72 Prozent vorgese-
hen haben. Wenn, wie von mir vorgeschlagen, die Ge-
tränkekartonquote hinzugerechnet würde – der Anteil der
Getränkekartons am Getränkemarkt liegt bei ungefähr
8 Prozent –, dann läge die Quote von ökologisch vorteil-
haften Verpackungen bei 80 Prozent.

Die Mehrwegquote ist mittlerweile auf 53 Prozent ab-
gesunken. Rechnet man acht Prozentpunkte hinzu, dann
kommt man auf 61 Prozent. Damit sind wir ungefähr
20 Prozentpunkte von dem entfernt, was wir mit der No-
velle der Verpackungsverordnung angestrebt haben. Den
Korridor zwischen den nur 61 Prozent – wenn man
Schlauchbeutel, Kartons und Mehrweg zusammennimmt,
dann kommt man auf ungefähr diesen Wert – und den an-
gestrebten 80 Prozent ökologisch vorteilhafter Ver-
packungen, die Klaus Töpfer einmal gewollt hat, zu
schließen ist unser Ziel. In diesem Sinne betätige ich mich
gerne als derjenige, der dafür sorgt, dass das Wirklichkeit
wird, wofür sich Klaus Töpfer einmal eingesetzt hat. Das
ist mein Anliegen. Ich hoffe auf eine breite Unterstützung
in diesem Hause und im Bundesrat.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501801900

Da mir zum Thema der heutigen Kabinettssitzung

keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, beende ich die
Behandlung dieses Themenbereichs.

Gibt es darüber hinaus Fragen an die Bundesregie-
rung? - Das ist nicht der Fall.

Die Regierungsbefragung ist beendet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde
– Drucksache 15/286 –

Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Parlamentari-
sche Staatssekretärin Marieluise Beck zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 der Abgeordneten Dr. Gesine
Lötzsch, fraktionslos, auf:

Wie bewertet die Bundesregierung die negative Evaluierung
ihrer Aktionsprogramme gegen Rechtsextremismus durch eine
von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebene Studie
– vergleiche „Berliner Zeitung“ vom 4. Januar 2003 – und welche
Schlussfolgerungen zieht sie für die Fortführung dieser Pro-
gramme?

Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend;
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration:

Frau Kollegin Dr. Lötzsch, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Die im von der Friedrich-Ebert-Stiftung in
Auftrag gegebenen Gutachten „Bürgernetzwerke gegen

Rechts“ enthaltenen Aussagen sind deutlich überspitzt
medial verbreitet worden. Die mediale Darstellung hat
den Eindruck erweckt, dass es tatsächlich eine breit ange-
legte und fast vernichtende Kritik an diesen Programmen
geben würde. Wenn Sie sich allerdings das Gutachten
selbst anschauen, stellen Sie fest, dass das Gutachten
keine Grundlage für diese Kritik bietet.

Zunächst einmal zu der Anlage des Gutachtens. Es ist
ein sekundär-analytisches Gutachten, das heißt, die Da-
tenbasis besteht aus stichpunktartigen Befragungen und
der Auswertung von Informationsmedien wie dem Inter-
net. Insofern hat sich sicherlich auch eine gewisse sub-
jektive Tendenz eingeschlichen. Die Zielsetzung dieses
Gutachtens ist es, zu überprüfen, wie weit sich solche Pro-
gramme überhaupt in die Stärkung bürgerschaftlichen
und zivilbürgerlichen Engagements einfügen. Da gibt es
in der Tat Verbesserungsvorschläge bezüglich der Umset-
zung dieser Programme. Die Programme selbst werden
deutlich lobend hervorgehoben. Insbesondere das Pro-
gramm „Civitas“ wird als ein neuer Weg bezeichnet, mit
dem Rechtsextremismus sinnvoll begegnet werden kann;
vor allen Dingen deshalb, weil Rechtsextremismus nicht
nur als Jugendproblem, sondern als ein Problem begrif-
fen wird, das in allen Generationen der Gesellschaft vi-
rulent ist, besonders in der mittleren und der älteren Ge-
neration, die ja doch sehr stark meinungsbildend ist.
Insofern wären wir gut beraten, wenn wir, auch vonsei-
ten der Politik, sehr differenziert die Ergebnisse dieses
Gutachtens beurteilen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501802000

Bitte schön, Frau Abgeordnete.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501802100

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank auch für

die Antwort. – Ich habe ehrlich gesagt die Aussagen in den
mir vorliegenden Medien nicht rein negativ aufgefasst,
sondern dahin gehend, dass sie auf bestimmte Probleme
hinweisen wollen. Ein Problem – da würde ich gerne
nachfragen, ob Sie diese Auffassung teilen – ist, dass der
Konzeption dieser Programme zwar häufig ein sehr guter
Ansatz und auch gute Ideen zugrunde liegen, aber es doch
eigentlich besser wäre, statt relativ kurzfristiger Pro-
gramme eine kontinuierliche Jugendarbeit in der ganzen
Republik zu finanzieren.

Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend;
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration:

Dieser Gegensatz, den Sie in Ihrer Frage unterstellen,
ist politisch nicht nachzuvollziehen. Die Förderung der
Jugendarbeit liegt im Aufgabenbereich der Länder und
der Kommunen. Dass es zusätzlich vonseiten des Bundes
eine gewisse Anregungskompetenz und auch die Notwen-
digkeit gibt, modellhaft in den Ländern zu agieren, steht
dazu nicht im Widerspruch, sondern stellt im Gegenteil ei-
nen ergänzenden Ansatz dar. Es liegt allerdings in der Na-
tur der Sache, dass dem Bund in diesen Bereichen nur eine

Bundesminister Jürgen Trittin




Parl. Staatssekretärin Marieluise Beck
Anregungskompetenz zukommt und dass die Modelle,
die er in Kraft setzt, immer nur über einen befristeten Zeit-
raum finanziert werden. Da stellt sich dann die Frage, wie
weit hier Verknüpfungen mit den Angeboten stattfinden,
die in den Kommunen und Ländern selbst entwickelt wor-
den sind. Dass hier eine Verschränkung stattfinden muss,
um wirklich zivilgesellschaftliches Engagement in aller
Breite und auch auf Dauer wirksam werden zu lassen, ist
sicherlich keine Frage.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501802200

Sie haben noch eine Frage, Frau Kollegin.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501802300

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Beck, Sie hatten

in Ihrer ersten Antwort schon angesprochen – das ist ja
auch Gegenstand dieser Auswertung –, dass vor allen Din-
gen die ältere und die mittlere Generation meinungsbildend
ist. Die Programme sprechen aber vor allem Jugendliche
an. Haben Sie auf der Grundlage Ihrer Erfahrungen und
auch der Studie Überlegungen angestellt, welche spezifi-
sche Ansprache möglich ist, um auch die meinungsbil-
dende mittlere und ältere Generation besser zu erreichen,
als es bisher der Fall war?

Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend;
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration:

Ich teile Ihre Einschätzung, dass wir nach wie vor auf
der Suche nach Ansätzen sein müssen, mit denen gerade
die Teile der Bevölkerung erreicht werden, die sich einer
politischen Auseinandersetzung zunächst einmal entzie-
hen. Das gilt teilweise für die mittlere und ältere Genera-
tion und auch, wie in diesem Gutachten angemerkt wird,
für Hauptschüler und Realschüler, die deutlich schwieri-
ger zu erreichen sind als Gymnasiasten. Dass sich diese
Programme sehr stark an der Jugend orientieren, hat etwas
damit zu tun, dass die Strukturen, über die Jugendliche er-
reicht werden können, deutlich besser ausgebildet sind,
zum Beispiel durch die Schulstrukturen oder Jugendhaus-
strukturen. Es ist deutlich schwieriger, Netzwerke ausfin-
dig zu machen, über die man die älteren Menschen errei-
chen kann. Aber ich weiß gerade aus der Zusammenarbeit
mit den Ausländerbeauftragten vor Ort, dass zunehmend
über Ansätze nachgedacht wird, die Menschen über her-
kömmliche Vereinsstrukturen anzusprechen. Zum Bei-
spiel die örtliche Feuerwehr, deren Struktur in der Regel
das gesamte Spektrum der Bevölkerung widerspiegelt,
wird als Ansatzpunkt für die zivilgesellschaftliche Ver-
breiterung der Demokratie genutzt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501802400

Ich schließe diesen Geschäftsbereich und bedanke

mich bei der Frau Staatssekretärin Marieluise Beck.
Ich rufe den Bereich des Bundeskanzlers und des Bun-

deskanzleramtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staats-
sekretär Béla Anda bereit.

Ich rufe Frage 2 der Abgeordneten Dorothee Mantel auf:
Wie hat sich seit dem Start des Deutschland-Portals

– www.deutschland.de – im September 2002 dessen Nutzerzahl
entwickelt und welcher Anteil der Nutzer greift vom Ausland auf
das Portal zu?

B
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501802500


Frau Abgeordnete, das Deutschland-Portal wurde am
17. September 2002 durch Bundespräsident Johannes Rau
gestartet. Von diesem Zeitpunkt an bis Ende des Jah-
res 2002 wurden insgesamt 1165 000 Besucher, so ge-
nannte Visits, des Deutschland-Portals registriert. Das
sind im Monatsdurchschnitt circa 330 000 Besucherinnen
und Besucher. Die aktuelle Monatsstatistik weist nach
Abklingen des Starteffektes eine steigende Tendenz aus.
Im November 2002 waren es circa 195 000 Besuche, im
Dezember 2002 circa 215 000. Der Anteil der Nutzerin-
nen und Nutzer, die vom Ausland auf das Deutschland-
Portal zugreifen, liegt insgesamt bei circa 32 Prozent.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501802600

Ihre Zusatzfrage bitte, Frau Kollegin.


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1501802700

Das Deutschland-Portal soll als Marketinginstrument

für Deutschland genutzt werden. Deswegen ist meine
Frage, welche Maßnahmen geplant sind – ich denke, es
sind welche geplant –, um die Zahl der ausländischen Nut-
zer zu vergrößern. Eigentlich soll ja mit diesem Portal
Deutschland repräsentiert werden; auf der Startseite kann
man zwischen fünf oder sechs Sprachen wählen.

B
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501802800


Frau Abgeordnete, erlauben Sie mir den Hinweis, dass
das Portal mit seinen gegenwärtig 1104 Verweisen auf
deutsche Informationsportale im Internet schon heute
eine für Deutschland sehr repräsentative Sammlung be-
deutet. Sie wird weiter ausgebaut werden. Natürlich wird
in dem dafür vorgesehenen Prozess auch der Anteil ande-
rer Websites und Usergruppen darin einfließen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501802900

Frau Kollegin, Sie haben die Möglichkeit einer zwei-

ten Zusatzfrage.


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1501803000

Ihre Antwort auf eine Kleine Anfrage im Juli 2002 lau-

tete, dass bis Juli 2002 1,7 Millionen DM für das Inter-
netportal ausgegeben wurden. Mich interessiert, wie viel
Geld darüber hinaus dafür ausgegeben worden ist und ob
das in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen steht.

B
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501803100


Frau Abgeordnete, das Gesamtvolumen des Vertrags,
der mit dem Betreiber, der ARGE deutschland.de, ge-


(A)



(B)



(C)



(D)


1380


(A)



(B)



(C)



(D)






schlossen wurde, beträgt bei vierjähriger Laufzeit
1 747 110 Euro. Ich sollte hinzufügen, dass sich aufgrund
notwendiger Veränderungen, die auch durch neue gesetz-
liche Forderungen, beispielsweise Regelungen zur Bar-
rierefreiheit, notwendig wurden, dieses oben genannte
Vertragsvolumen um circa weitere 155 500 Euro erhöht.

Die bisherigen Kosten des Deutschland-Portals für
2001 und 2002 liegen bei circa 1,7 Millionen DM. Das
sind umgerechnet 869 196 Euro. Dieses Geld ist in der Tat
sehr gut angelegt. Das dokumentieren die zahlreichen Zu-
griffe aus dem In- und Ausland.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501803200

Wir kommen zur Frage 3 der Abgeordneten Dorothee

Mantel:
Bietet das Deutschland-Portal nach Auffassung der Bundes-

regierung bereits heute eine repräsentative Sammlung wesentli-
cher Verweise auf deutsche Informationsangebote im Internet,
und wenn nein, bis wann soll das Deutschland-Portal entspre-
chend ausgebaut sein?

B
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501803300


Frau Abgeordnete, das Deutschland-Portal soll den
Nutzerinnen und Nutzern aus dem In- und Ausland erste
Informationsmöglichkeiten über Deutschland, übersicht-
lich aufbereitet, zur Verfügung stellen. Schon heute bietet
das Portal mit insgesamt 1 104 Verweisen auf deutsche
Informationsportale im Internet eine für Deutschland sehr
repräsentative Sammlung.

Im Endausbau, spätestens bis zum Ende der Vertrags-
laufzeit im Jahre 2005, werden es circa 2 000 Links sein.
Das soll durch Linkbewerbungen über das Portal selbst
erreicht werden. Seit dem Onlinestart sind 907 Bewer-
bungen eingegangen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501803400

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1501803500

Trifft es zu, dass die Verweise, die aufgenommen wer-

den, nicht vom Betreiber selbst aktiv gesucht werden,
sondern dass man sich dafür bewerben muss? Ich habe
gestern Abend festgestellt, dass es genau neun Links für
den Bereich Tourismus gibt, wobei ein Link auf die be-
sonderen Möglichkeiten der FKK-Kultur in Deutschland
verweist. Meines Erachtens sind neun Links im Touris-
musbereich für Deutschland zu wenig.

B
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501803600


Ich will nicht bewerten, wer nach welchen Links sucht.
Ich möchte nur allgemein sagen: Wenn Sie sich mit den
dort aufgeführten Links intensiv auseinander setzen – das
haben Sie getan –, dann können Sie feststellen, dass man
von dort beispielsweise zur Homepage des Freistaats
Bayern und zu Untergruppen mit weiteren Links kommen

kann. Das Thema Tourismus ist bei den jeweiligen Län-
dern in guten Händen. So ist dieses Portal zu verstehen.

Es ist wahr, dass der Betreiber des Deutschland-Por-
tals, die ARGE deutschland.de, die aus der Ponton-Lab
GmbH und der T-Systems GmbH besteht, für die Auf-
nahme von Links Qualitätskriterien aufgestellt hat, wie
zum Beispiel das Kriterium, dass die Seiten von extremis-
tischen, rassistischen, gewaltverherrlichenden oder auch
pornographischen Inhalten frei sein müssen. Sie müssen
außerdem aktuell und seriös sein sowie einen auf
Deutschland bezogenen hohen Informationsgehalt auf-
weisen. Das ist Grundlage für die Auswahl bzw. für die
Zulassung der Links, die bisher von der Betreibergesell-
schaft vorgenommen wird.

Zudem gibt es die Möglichkeit der Rückfrage beim
Auftraggeber, dem Presse- und Informationsamt der Bun-
desregierung. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich
selbst aktiv um die Aufnahme zu bewerben. Bis Ende Ja-
nuar wird ein Beirat eingesetzt werden, der in Streitfällen
oder in besonderen Fällen über die Aufnahme oder die
Auswahl zu entscheiden haben wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501803700

Sie haben noch eine Zusatzfrage.


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1501803800

Danke schön. – Um auf die erste Zusatzfrage zurück-

zukommen: Ist nach Ansicht der Bundesregierung die
Vorgehensweise, wie hier Informationen verlinkt werden,
ausreichend, um – ich zitiere jetzt einmal die Startseite –
„eine Sammlung wesentlicher Verweise auf deutsche In-
formationsangebote im Internet“ zu bieten?

B
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501803900


Ja, das ist so. Aber nichts ist so gut, dass es nicht ver-
bessert werden könnte. Ich hatte schon erwähnt, wie viele
Weblinks dort existieren, und gesagt, dass das Angebot bis
auf 2 000 Links ausgebaut werden soll. Wenn es weitere
Bewerber gibt – ich bin sicher, es wird sie geben –, dann
steht ihnen eine Aufnahme in dieses System nach den Re-
geln, die ich skizziert habe, offen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501804000

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches des

Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Vielen Dank,
Herr Staatssekretär Anda, für die Beantwortung der Fragen.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur Beant-
wortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Iris
Gleicke bereit.

Ich komme damit zur Frage 4 des Abgeordneten
Eduard Lintner:

Beabsichtigt die Bundesregierung gegenzusteuern, falls, be-
dingt durch das neue Angebotskonzept und die neue Tarifgestaltung
der Deutschen Bahn AG, DB AG, viele Pendler und Spontanrei-
sende entgegen dem verkehrspolitischen Ziel der Bundesregierung

Staatssekretär Béla Anda




Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

„Mehr Verkehr auf die Schiene“ auf das Auto umsteigen sollten,
und wenn ja, wie?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501804100


Herr Abgeordneter Lintner, das Angebotskonzept und
die Tarifgestaltung im Schienenpersonenfernverkehr lie-
gen in der unternehmerischen Verantwortung der Deut-
schen Bahn AG. Die Bundesregierung geht davon aus,
dass die Deutsche Bahn AG die Erfahrungen mit dem
neuen Angebotskonzept und dem neuen Preissystem bei
ihren künftigen Entscheidungen in diesem Bereich
berücksichtigen wird.

Über die Akzeptanz des neuen Angebotskonzepts ent-
scheiden die Kunden. Das Unternehmen wird insofern
seine Preisgestaltung regelmäßig entlang der Kundenori-
entierung zu überprüfen haben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501804200

Ihre Zusatzfrage bitte, Herr Kollege.


Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1501804300

Frau Kollegin, was macht denn das Bundesverkehrsmi-

nisterium, falls dieses Tarifsystem wichtigen verkehrspoli-
tischen Zielsetzungen widerspricht oder schadet? Es wäre
ja denkbar, dass sich die Pendlerströme wieder auf das Auto
verlagern. Oder denken Sie an das Kuriosum, dass eine Fa-
milie mit mehr als drei Kindern für das vierte Kind wieder
zahlen muss. Die Großfamilie also, die besonders umsorgt
werden sollte, ist Leidtragende dieses neuen Systems.

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501804400


Herr Kollege Lintner, ich sage es noch einmal: Das Un-
ternehmen Deutsche Bahn AG ist ein privatisiertes Unter-
nehmen. Wir haben keinen Einfluss auf das Tarifsystem.
Der Bund bzw. die Bundesregierung kann nur in die
Schiene investieren. Das tut er auch. 1998 haben wir im
Hinblick auf die Schieneninfrastruktur ein Investitions-
niveau von damals wenig mehr als 5 Milliarden DM vor-
gefunden. Wir haben in diesem Bereich einen Aufwuchs
auf jetzt 4,5 Milliarden Euro vorgenommen. Investitionen
in Schienenwege sind eine ganz wichtige Voraussetzung,
um vernünftige Angebote zu schaffen. Natürlich müssen
wir auch Aufsicht über einen diskriminierungsfreien Zu-
gang anderer Wettbewerber führen.


Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1501804500

Frau Staatssekretärin, glauben Sie nicht, dass es sich

die Bundesregierung ein bisschen zu leicht macht? Denn
sie ist ja immerhin alleiniger Eigentümer des ganzen
Bahnunternehmens und als solcher hätte sie natürlich
auch Einfluss beispielsweise auf die Tarifgestaltung.

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501804600


Herr Abgeordneter Lintner, in der Tat ist der Bund al-
leiniger Eigentümer. Bei der DB AG handelt es sich aber

um ein Unternehmen, das einen Börsengang vorbereitet.
Aus wirtschaftspolitischen Debatten wissen Sie, dass sich
der Bund auch bei anderen privatisierten und wirtschaft-
lich arbeitenden Unternehmen nicht in die Preisgestaltung
einmischt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501804700

Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Eduard

Lintner:
Wie beurteilt die Bundesregierung vor allem in wettbewerbs-

rechtlicher und verkehrspolitischer Hinsicht das Verhalten der DB
AG gegenüber ihrem Konkurrenten Connex, dessen Fahrplanda-
ten nicht in das Kursbuch der DB AG aufzunehmen, insbesondere
auch im Hinblick auf die Koalitionsvereinbarung von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen vom 16. Oktober 2002, in der „der einfa-
che Zugang zu Fahrplandaten für alle Wettbewerber“ gefordert
wird?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501804800


Herr Abgeordneter Lintner, auch die Bundesregierung
betrachtet den diskriminierungsfreien Zugang zur Eisen-
bahninfrastruktur und den einfachen Kundenzugang zu
Fahrplandaten als wesentliche Voraussetzung für einen
fairen Wettbewerb auf der Schiene. Zunächst bleibt aber
der Abschluss des in dieser Angelegenheit laufenden
Rechtsverfahrens abzuwarten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501804900

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1501805000


Empfindet die Bundesregierung nicht die Verpflichtung,
das Prinzip eines fairen Wettbewerbs auch im Schienen-
bereich durchzusetzen?

I
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501805100


Es ist richtig: Die Bundesregierung will den diskrimi-
nierungsfreien Wettbewerb auf der Schiene weiter ver-
bessern und hat deshalb im vergangenen Jahr die Wettbe-
werbsaufsicht durch das Eisenbahn-Bundesamt gestärkt,
das nun bei Verstößen auch von Amts wegen eingreifen
kann.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501805200

Frau Kollegin, ich weiß nicht, ob Sie die gestrige

„Welt“ gelesen haben.

(Ute Kumpf [SPD]: So eine Zeitung muss man immer lesen!)

Dort wurde die deutliche Kritik einer Bundesministerin
am Verhalten der Bahn zitiert. Dies verträgt sich nicht so
recht mit den Antworten, die Sie jetzt gegeben haben.
Wären Sie bereit, Frau Künast in dieser Sache Nachhilfe-
unterricht zu geben?


(A)



(B)



(C)



(D)


1382


(A)



(B)



(C)



(D)






I
Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1501805300


Es geht hier nicht um Nachhilfeunterricht, sondern da-
rum, dass wir gemäß unseres Koalitionsvertrages selbst-
verständlich erstens einen diskriminierungsfreien Zugang
für Wettbewerber auf der Schiene ermöglichen und zwei-
tens den Kunden die Fahrplandaten aller Wettbewerber,
die auf diesem Markt operieren, zur Verfügung stellen
wollen. Deshalb hat die Bundesregierung das Projekt
„Delfi“ finanziell gefördert, mit dem deutschlandweit
flächendeckende Verbindungsinformationen zur Verfü-
gung gestellt werden sollen. Das wird, wie Sie, Herr Kol-
lege Lintner, sicherlich wissen, demnächst eingeführt.


(Eduard Lintner [CDU/CSU]: Heute wird es in Betrieb gesetzt!)



Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501805400

Wir kommen damit zur Frage 6 des Abgeordneten Dirk


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501805500

Wieso wird in der Antwort der Parlamentarischen Staatssekre-

tärin beim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen, Angelika Mertens, vom 17. Dezember 2002 auf meine
schriftliche Frage in Bundestagsdrucksache 15/288 seitens der
Bundesregierung der familienpolitische Aspekt außer Acht gelas-
sen, der in der Vergangenheit etwa in Gestalt des Wuermeling-
Passes für kinderreiche Familien zum Ausdruck kam?

I
Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1501805600


Sehr geehrter Herr Abgeordneter Fischer, die Antwort
lässt den familienpolitischen Aspekt nicht außer Acht,
sondern verweist auf die Angebote für die Familien im Ta-
rifsystem der Deutschen Bahn AG.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501805700

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501805800

Frau Staatssekretärin, ich nehme auf die Beantwortung

oder die Nichtbeantwortung meiner Anfrage vom De-
zember Bezug, die in meiner vorliegenden Frage erwähnt
wird. Dort hat die Bundesregierung erklärt, dass sie nicht
durch eine steuerfinanzierte Subventionierung einer er-
gänzenden Maßnahme für Familien in die Tarifgestaltung
der DB eingreifen wolle. – Das will ja niemand. Aber ich
frage Sie, warum diese Bundesregierung – im Gegensatz
zu früheren – nicht insoweit familienpolitische Leistun-
gen nach dem Bestellerprinzip bei dem Unternehmen ein-
kauft. Das ist früher für den Wuermeling-Pass in einer Di-
mension von 50 Millionen DM pro Jahr geschehen.
Warum haben Sie diese andere familienpolitische Wei-
chenstellung vorgenommen?

I
Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1501805900


Das hat mit einer familienpolitischen Weichenstellung
nichts zu tun, Herr Kollege Fischer. Ich verweise Sie noch
einmal darauf, dass das Unternehmen Bahn privatisiert

worden ist – wir haben es gemeinsam privatisiert – und
dass die Bahn für ihre Preisgestaltung die Verantwortung
übernehmen muss. Wir gehen davon aus, dass die Bahn
selbstverständlich auch Angebote für Familien macht.
Das hat sie getan. Das ist in der Antwort der Frau Kolle-
gin Mertens, die Sie genannt haben, auch angesprochen
worden. Dort ist Ihnen gesagt worden, welche Möglich-
keiten es für Familien gibt, Rabatte zu nutzen.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501806000

Eine weitere Zusatzfrage.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501806100

Frau Staatssekretärin, das, was Sie ausgeführt haben,

hindert natürlich keinen Besteller, auch nicht die Bundes-
regierung, bei dem Unternehmen entsprechende Leistun-
gen einzukaufen und zu bezahlen. Stimmen Sie mir zu,
dass die Bundesregierung diese Möglichkeit hat? Und:
Sind Sie nicht in Sorge darüber, dass die Bundesregierung
heute in dieser Frage eine völlig diffuse Linie offenbart,
da Sie von dem Prinzip der Nichteinmischung ausgehen,
aber die Kollegin Künast als Verbraucherministerin – wie
eben schon erwähnt – sagt, das neue Preissystem der Bahn
stürze im Augenblick viele Kunden in die Verwirrung?

I
Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1501806200


Herr Abgeordneter Fischer, wenn von der BahnAG ein
Tarif verlangt wird, aus dessen Anwendung ihr wirt-
schaftliche Nachteile erwachsen, hat sie nach EU-Ge-
meinschaftsrecht Anspruch auf einen finanziellen Aus-
gleich dieser Nachteile. Ich verweise Sie noch einmal auf
den folgenden Teil der Antwort, die Ihnen zugegangen ist:
Die Bundesregierung wird nicht durch steuerfinanzierte
Subventionen einer ergänzenden Maßnahme für Familien
in die Tarifgestaltung der Bahn AG eingreifen.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501806300

Die nächste Zusatzfrage kommt von dem Kollegen

Lintner.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501806400
Halten Sie es

denn für vertretbar – um noch einmal das konkrete Bei-
spiel zu erwähnen –, dass Familien mit bis zu drei Kindern
eine durchaus lobenswerte Vergünstigung in Anspruch
nehmen können, dass aber ab dem vierten Kind wieder
voll bezahlt werden muss?

I
Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1501806500


Herr Abgeordneter Lintner, es gibt auch noch andere
Tarife. Ich bin deshalb darauf noch nicht eingegangen,
weil das eigentlich Inhalt der Frage 7 des Kollegen
Fischer ist. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Fa-
milien im Preissystem der Bahn entlastet werden. Zum
Beispiel fahren Kinder bis einschließlich fünf Jahren




Parl. Staatssekretärin Iris Gleicke
kostenlos und Kinder zwischen sechs und vierzehn Jahren
fahren dann kostenlos, wenn sie in Begleitung ihrer Eltern
sind.

Sie haben angesprochen, dass der angebotene Fahr-
schein, auf dem die Kinder eingetragen werden müssen,
nur für höchstens fünf Personen ausgestellt werden kann.
Es gibt aber andere Möglichkeiten, beispielsweise die
Bahn-Card. Wenn ein Elternteil eine Bahn-Card kauft,
können für den Partner wie auch für alle weiteren Kinder
bis 17 Jahre weitere Bahn-Cards erworben werden, die
den Jugendlichen sogar die Möglichkeit bieten, allein un-
terwegs zu sein.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501806600

Frau Staatssekretärin, gehe ich jetzt recht in der An-

nahme, dass das schon die Beantwortung der Frage 7 war,
oder wollen Sie sie eigens beantworten?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501806700


Ich werde sie noch beantworten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501806800

Ich rufe jetzt die Frage 7 des Abgeordneten Fischer auf:

Welchen familienpolitischen Handlungsbedarf sieht die Bun-
desregierung vor diesem Hintergrund, insbesondere angesichts
der Tatsache, dass beim neuen Preissystem der DB AG nur drei
Kinder berücksichtigt werden und ab dem vierten Kind wieder der
volle Kinderfahrpreis zu zahlen ist?

I
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501806900


Ich beantworte die Frage deshalb eigens, damit der
Kollege Fischer auch die Möglichkeit zu Nachfragen er-
hält.

Herr Abgeordneter Fischer, es ist nicht richtig, dass
grundsätzlich ab dem vierten Kind wieder der volle Fahr-
preis zu zahlen ist. Nach dem neuen Preissystem fahren
Kinder unabhängig von ihrer Anzahl bis einschließlich
fünf Jahren unentgeltlich. Kinder im Alter von sechs bis
einschließlich 14 Jahren fahren in Begleitung zumindest
eines eigenen Eltern- oder Großelternteils oder deren Le-
benspartner unentgeltlich, wenn von diesen eine Fahr-
karte zum Normal- oder Plan & Spar-Preis erworben und
die Zahl der Kinder vor Fahrtantritt in die Fahrkarte ein-
getragen wurde. Eine Fahrkarte kann dabei für maximal
fünf Personen ausgestellt werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501807000

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501807100

Frau Staatssekretärin, wenn Ihre Aussage zutreffend

ist, muss es dann nicht von einer Familie als Tragik emp-
funden werden, wenn ein Kind sieben Jahre alt wird
und/oder sie mehr als drei Kinder hat? Das heißt, dass von

der DB AG mit Zustimmung ihres Alleineigentümers, der
Bundesregierung, und ihres Aufsichtsrates akzeptiert
wird, dass die kinderreiche Familie bei drei Kindern auf-
zuhören hat. Die Konsequenz daraus ist: Je näher der
Bundespräsident als Patenonkel rückt, desto teurer wird
der Tarif für die Kinder bei der DB AG.

Ich möchte Ihnen ein Berechnungsbeispiel der Fahrt
Köln–Blaubeuren und zurück nennen. Die Fahrt kostet bis
zum dritten Kind pro Kind 23 Euro und für das vierte,
fünfte, sechste und jedes weitere Kind kostet die Fahrt
38 Euro. Halten Sie das für familienpolitisch vertretbar?

I
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501807200


Herr Abgeordneter Fischer, ich mache Sie noch einmal
darauf aufmerksam, dass die Zahlung für das vierte Kind
erst dann infrage kommt, wenn beide Elternteile mit ihren
Kindern unterwegs sind. Wenn nur einer mit ihnen unter-
wegs ist, ist auch das vierte Kind noch frei.

Dennoch weise ich Sie darauf hin, dass nicht der Bund
das Tarifsystem der Bahn zu gestalten hat, sondern dass
das die Bahn als Unternehmen selbstverständlich selbst
macht. Die Rolle des Bundes beschränkt sich dabei auf die
Genehmigung und die damit verbundenen Beförderungs-
bedingungen im Schienenpersonenfernverkehr. Es geht
also um die Prüfung, ob der beantragte Tarif mit Recht
und Gesetz in Einklang steht. Eine andere Möglichkeit ha-
ben wir nicht.


Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1501807300

Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501807400

Frau Staatssekretärin, würden Sie mir zustimmen, dass

in Ihrer Antwort auf die Frage vom Dezember die Behaup-
tung, Kinder in den jeweiligen Altersgruppen führen un-
entgeltlich, schlicht und ergreifend nicht zutreffend ist, weil
sie nur eingeschränkt für drei Kinder gilt? Wollen Sie aus
Ihren soeben gemachten Ausführungen für die Eltern in
Deutschland die Empfehlung herleiten, sich bei Wochen-
end- oder Urlaubsreisen zu entscheiden, ob Mutter oder Va-
ter – möglichst aber nicht beide – diese mit antreten soll?

I
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501807500


Herr Abgeordneter Fischer, ich habe Sie auf weitere
Möglichkeiten der Vergünstigung von Fahrpeisen hinge-
wiesen. Ich hatte die Bahn-Card, die eine Fahrpreisredu-
zierung möglich macht, bereits angesprochen.

Ich würde jedem, der in Deutschland mit der Bahn rei-
sen möchte, selbstverständlich empfehlen, den Service
der Bahn zu nutzen und sich angemessen darüber beraten
zu lassen, welcher Tarif für die jeweilige Reise der güns-
tigste ist.

Die Bahn hat uns mitgeteilt, dass die Familien, die Sie
angesprochen haben, die Bahn bisher nur in geringem
Maße nutzen. Trotzdem arbeitet die Bahn an einer Lö-


(A)



(B)



(C)



(D)


1384


(A)



(B)



(C)



(D)






sung, die es auch diesen Familien erlaubt, alle Kinder mit-
zunehmen. Dies ist der Informationsstand von heute.


(Dirk Niebel [FDP]: Darüber stimmen wir jetzt ab!)



Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1501807600

Ich habe eine Zusatzfrage des Abgeordneten Lintner.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501807700

Frau Staatssekretärin, muss ich jetzt Ihrer Antwort ent-

nehmen, dass die Bundesregierung nicht bereit ist, dahin
gehend auf die Bahn einzuwirken, dass dieser Unsinn
endlich korrigiert wird?

I
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501807800


Ich habe Ihnen schon gesagt, dass wir uns nicht in das
operative Geschäft der Bahn AG einmischen werden.
Gleichwohl sind wir selbstverständlich über Fragen, die
in der Öffentlichkeit Kritik hervorrufen, immer wieder im
Gespräch. Ich will auch darauf hinweisen, dass die Bahn
durchaus ein eigenes Interesse daran hat, diese Nutzerin-
nen und Nutzer zunehmend für sich zu gewinnen, um ent-
sprechend Gewinn zu erwirtschaften.


Eduard Lintner (CSU):
Rede ID: ID1501807900

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs des

Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen. Frau Staatssekretärin, vielen Dank für die Beant-
wortung der Fragen.

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parla-
mentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper bereit.

Ich rufe die Frage 8 des Abgeordneten Roland Gewalt
auf:

In welcher Weise reduzieren sich die Einsatzmöglichkeiten der
Berliner Reiterstaffel nach der Übernahme durch den Bundes-
grenzschutz, BGS?

F
Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1501808000


Herr Abgeordneter Gewalt, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt: Das Einsatzspektrum der Reiterstaffel und
deren Einsatzmöglichkeiten haben sich nach deren Über-
nahme durch den BGS nicht reduziert, sondern – das Ge-
genteil ist der Fall – erweitert. Entsprechend den gesetzli-
chen Bestimmungen wird die Reiterstaffel beispielsweise
an den Flughäfen in Tegel und Schönefeld zur Überwa-
chung und Aufklärung innerhalb des Flughafengeländes,
im Aufgabenbereich der Luftsicherheit, zur anlassbe-
zogenen Bestreifung schwer zugänglicher Gelände-
abschnitte an der Ostgrenze, also im Bereich grenzpo-
lizeilicher Aufgaben, zur Streckenüberwachung und
Aufklärung im bahnpolizeilichen Zuständigkeitsbereich
sowie zur Unterstützung der Objektschutzmaßnahmen
unter anderem am Bundeskanzleramt und am Auswärti-

gen Amt, also im Aufgabenbereich Schutz von Bundesor-
ganen, eingesetzt. Sie ist damit also schwerpunktmäßig
im originären Aufgabenbereich des Bundesgrenzschutzes
eingesetzt.

Darüber hinaus unterstützt die Reiterstaffel gemäß
Art. 35 Abs. 2 des Grundgesetzes und § 11 des Bundes-
grenzschutzgesetzes nach Anforderung die Berliner Poli-
zei. Überdies ist ein Einsatz der Reiterstaffel im Rahmen
der Sicherheitskooperation zwischen dem Bundesminis-
terium des Innern und der Senatsverwaltung für Inneres
des Landes Berlin vom 30. Juni 1999 möglich.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501808100

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501808200

Herr Staatssekretär, können Sie nachvollziehen, dass

die Bürgerinnen und Bürger in der Hauptstadt dies ein we-
nig anders sehen, die die Reiterstaffel eben nicht mehr im
täglichen Streifendienst in den Straßen und Forsten, son-
dern nur noch zu besonderen Anlässen und nicht einmal
mehr bei Sportveranstaltungen sehen?

F
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501808300


Herr Abgeordneter Gewalt, ich habe Ihnen die Ein-
satzfelder der Reiterstaffel hier in Berlin nach Übernahme
durch den Bundesgrenzschutz aufgelistet. Ich denke, dass
die Verwendung in diesen Bereichen – ich habe sie Ihnen
skizziert – sinnvoll und insofern auch die Übernahme die-
ser Reiterstaffel durch den Bundesgrenzschutz gerecht-
fertigt ist.


Roland Gewalt (CDU):
Rede ID: ID1501808400

Bitte schön, Sie haben noch eine Zusatzfrage.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501808500

Herr Staatssekretär, wäre es denn nicht effektiver und

damit zugleich auch möglich gewesen, den täglichen Poli-
zeidienst der Reiterstaffel weiterhin zu gewährleisten, der
nach dem BGS-Gesetz nicht vorgesehen ist – dies müssen
Sie mir zugestehen –, dem Land Berlin einen Zuschuss für
die Berliner Polizeireiterstaffel zu geben, statt selbst eine
Reiterstaffel mit den gleichen Kosten aufzustellen?

F
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501808600


Nein.


Roland Gewalt (CDU):
Rede ID: ID1501808700

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Koschyk.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501808800

Herr Staatssekretär, die Aufgaben, die Sie jetzt für die

in den Bundesgrenzschutz integrierte ehemalige Berliner

Dirk Fischer (Hamburg)





Hartmut Koschyk
Reiterstaffel beschrieben haben, sind doch Aufgaben, die
eigentlich nicht BGS-genuin sind. Dies sind Aufgaben,
die der BGS auch zur Unterstützung der Hauptstadtsi-
cherheit leistet. Aber, Herr Staatssekretär, wäre denn der
Bundesminister des Innern von sich aus, wenn sich diese
Frage der Übernahme der Reiterstaffel nicht gestellt hätte,
auf die Idee gekommen, zur Unterstützung der Leistung
der Hauptstadtsicherheit eine BGS-Reiterstaffel zu grün-
den?

F
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501808900


Herr Kollege Koschyk, auf welche Ideen der Bun-
desinnenminister kommt, kann ich Ihnen nicht im Einzel-
nen sagen. Auf Ihre Frage, was die Übernahme der Rei-
terstaffel anbelangt, kann ich Ihnen antworten, dass diese
im Rahmen des Bundesgrenzschutzgesetzes erfolgt ist.
Ich habe hier ganz bewusst die orginären Aufgabenfelder
im Bundesgrenzschutzgesetz deutlich gemacht und habe
sie in Verbindung mit den Einsatzfeldern dieser Rei-
terstaffel gebracht. Dies habe ich an vier Punkten deutlich
gemacht. Ich denke, das beschreibt die Aufgaben richtig.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501809000

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Clemens

Binninger.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501809100

Herr Staatssekretär, Sie haben die Einsatzmöglichkei-

ten der Reiterstaffel beschrieben und dabei den Flughafen
und den Bahnhof genannt. Auch nach 20 Jahren aktivem
Polizeidienst fällt mir kein praktisches Beispiel hierzu
ein. Was wollen Sie denn mit den Pferden auf der Lande-
bahn oder auf den Gleisen machen? Könnten Sie das prä-
zisieren?

F
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501809200


Ich würde das dahin gehend präzisieren: Wir laden Sie
als ehemaligen Polizeibeamten ein, die Reiterstaffel in
ihren verschiedensten Einsatzgebieten zu begleiten. Wenn
Sie reiten können, können Sie sich sogar vom Sattel aus
ein Bild machen. Wenn das nicht überzeugend gewesen
sein sollte, können Sie nachfragen.


Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1501809300

Wir kommen zu Frage 9 des Abgeordneten Roland

Gewalt:
Sind dem Bundesministerium des Innern Pläne des nordrhein-

westfälischen Innenministers, Dr. Fritz Behrens, bekannt, die Rei-
terstaffel seines Bundeslandes abzuschaffen, und ist auch hier die
Bundesregierung bereit, die berittene Polizei in den BGS zu über-
nehmen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501809400


Herr Kollege Gewalt, das Bundesministerium des In-
nern kennt die Pläne nur aus Pressepublikationen. Die

Bundesregierung beabsichtigt nicht, die Reiterstaffel der
Polizei in Nordrhein-Westfalen in den Bundesgrenz-
schutz zu übernehmen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501809500

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501809600
Wie wollen

Sie, da Sie die Berliner Reiterstaffel übernommen haben,
berittene Polizei beim BGS bundesweit einsetzen, ohne
die Kosten in die Höhe zu treiben? Ich denke zum Beispiel
an Transportkosten oder an Unterbringungskosten. Bisher
sind, soweit ich das verstanden habe, nur die Kosten in
Ansatz gebracht worden, die bis jetzt für die Berliner Rei-
terstaffel entstanden sind.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501809700

Herr Kollege Gewalt, würden Sie bitte stehen bleiben?

F
Roland Gewalt (CDU):
Rede ID: ID1501809800


Wir haben nach der Übernahme der Berliner Rei-
terstaffel in den Bundesgrenzschutz, wo wir ein vernünf-
tiges Aufgabengebiet für sie gefunden haben und wo sie
effektiv und effizient eingesetzt werden kann, nicht die
Absicht, irgendetwas zu tun, was darüber hinausgeht. Das
gilt – damit komme ich auf Ihre Frage – insbesondere für
die Überlegungen in Nordrhein-Westfalen. Es besteht
nicht die Absicht, dass wir deren Reiterstaffel überneh-
men.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501809900

Sie haben eine weitere Zusatzfrage.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501810000

Herr Staatssekretär, Sie haben nicht beantwortet, wie

Sie sich die Einsätze berittener Polizei des BGS außerhalb
des Landes Berlin vorstellen; denn das planen Sie offen-
sichtlich. Unterbringung und Transport kosten Geld. Ich
habe dafür weder im Haushalt noch an einer anderen
Stelle Kostenansätze gesehen.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501810100

Herr Kollege Gewalt, Sie müssen wieder stehen blei-

ben. Es ist eine Gepflogenheit in diesem Hause, dass man
bei der Beantwortung der Fragen stehen bleibt.

F
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501810200


Lieber Herr Gewalt, vielleicht habe ich mich nicht ver-
ständlich genug ausgedrückt. Ich habe gerade beschrie-
ben, für welche Aufgaben und auf welcher gesetzlichen
Grundlage die Reiterstaffel in Berlin im Bereich des Bun-
desgrenzschutzes eingesetzt wird. Darüber hinaus beab-


(A)



(B)



(C)



(D)


1386


(A)



(B)



(C)



(D)






sichtigen wir in keiner Weise, weitere Reiterstaffeln in
irgendeiner Form anzuheuern und zu übernehmen. Des-
wegen ist Ihre Frage dahin gehend zu beantworten: Das,
was die Übernahme der Reiterstaffel in Berlin ausmacht,
ist im Haushalt sowohl von den Personalkosten als auch
von den Sachkosten her erfasst und abgedeckt.


Roland Gewalt (CDU):
Rede ID: ID1501810300

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Philipp.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501810400

Herr Staatssekretär, Sie haben, wenn ich das richtig

verstanden habe, eben ausgeführt, dass Sie für die Rei-
terstaffel aus Berlin ein vernünftiges und effektives Auf-
gabengebiet gefunden hätten. Schließen Sie aus, dass Sie
auch für die Reiterstaffel NRW ein vernünftiges und ef-
fektives Aufgabengebiet finden täten, wenn Sie sich über
die Presseinformationen hinaus kundig machten und sich
damit die von Herrn Kollegen Gewalt angedeutete Trans-
portfrage erledigen würde?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501810500


Liebe Frau Kollegin Philipp, ich kann mir nicht vor-
stellen, dass wir darüber hinaus Aufgaben für Reiterstaf-
feln beim Bundesgrenzschutz „finden täten würden“.
Dies würden wir aus dem einfachen Grunde nicht, weil
aus der Aufgabenbeschreibung deutlich hervorgeht, dass
es eine sehr spezifische und auf die Region Berlin bezo-
gene Aufgabe ist. Deswegen beantwortet sich die Frage
von allein.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Hier treten die vierhufigen Pferde auf!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501810600

Wir kommen zur Frage 10 des Abgeordneten Hartmut

Koschyk:
Wie ist der Beschluss der Innenministerkonferenz vom 7. De-

zember 2001 betreffend das Gefährdungspotenzial von Kleinflug-
zeugen von der Bundesregierung umgesetzt worden?

F
Beatrix Philipp (CDU):
Rede ID: ID1501810700


Herr Kollege Koschyk, ich muss Ihnen ein wenig län-
ger antworten.

Die Bereiche der allgemeinen Luftfahrt, also der Pri-
vatflieger, sowie der gewerblichen Luftfahrt mit kleineren
Maschinen wurden nach dem 11. September 2001 umfas-
send überprüft, um auch hier eine Erhöhung der Sicher-
heitsmaßnahmen zu erreichen. So wurden unmittelbar
nach dem 11. September 2001 durch das insoweit zustän-
dige Ministerium BMVBWkonkrete Maßnahmen zur Er-
höhung der Sicherheit auf Kleinflughäfen gegenüber den
Ländern und dem Verband der Allgemeinen Luftfahrt ge-
troffen und insbesondere die Betreiber von Kleinflug-
häfen und die ansässigen Verkehrssportklubs zu erhöhter
Aufmerksamkeit, zu verstärkten Kontrollen des Gelän-

des, zur Sicherung der Anlagen, zur besseren Sicherung
der Flugzeuge und zur Herausgabe von Schlüsseln und
Flugzeugen nur an bekannte und vertrauenswürdige Per-
sonen angehalten.

Zur Prüfung der Frage der Durchführbarkeit der Si-
cherheitsmaßnahmen gemäß § 29 c des Luftfahrtgesetzes
– es betrifft die Durchsuchung von Personen und die
Gepäckkontrollen – auch in den Bereichen der allgemei-
nen Luftfahrt auf den deutschen Verkehrsflughäfen, auf de-
nen eine physische Trennung zwischen der so genannten all-
gemeinen Luftfahrt und dem Verkehrsflughafen besteht,
wurde durch das Bundesministerium des Innern im Dezem-
ber 2001 eine Abfrage bei den BGS-Präsidien und den Lan-
desluftfahrtbehörden vorgenommen. Diese Abfrage ergab,
dass die Durchführung von Gepäck- und Passagierkontrol-
len auch im Bereich der allgemeinen Luftfahrt teilweise zu
erheblichen personellen und infrastrukturellen Aufwendun-
gen führen würde und mit dieser Maßnahme letztlich nur
ein verhältnismäßig geringer Sicherheitsgewinn erzielt
werden könnte, da auf den über 500 Flugplätzen der allge-
meinen Luftfahrt außerhalb der aktuell 36Verkehrsflughä-
fen dieser Sicherheitsstandard nicht besteht. Konkret be-
deutet dies, dass weiterhin nicht kontrollierte Personen auf
einem dieser Kleinflugplätze oder im benachbarten Aus-
land starten, ungehindert auch im so genannten GAT-Be-
reich eines Verkehrsflughafens landen und dort auf bereits
kontrollierte Fluggäste treffen können.

Daher ist es erforderlich, für den gesamten Bereich der
allgemeinen Luftfahrt ein einheitliches Konzept anzustre-
ben. Es ist ganz wichtig, festzuhalten, dass dies insbeson-
dere unter der Einbeziehung der am 19. Januar 2003 in
Kraft tretenden EU-Luftsicherheitsverordnung geschehen
muss. Diese EU-Verordnung enthält neben detaillierten
Vorschriften für die Durchführung einheitlicher Sicher-
heitsmaßnahmen an den großen Flughäfen in Art. 4 Abs. 3
auch Vorschriften über die Absicherung kleiner Lande-
plätze. Diese sind ortsabhängig auf die jeweilige Risiko-
situation des entsprechenden Kleinflugplatzes bzw. der
jeweiligen Flugzeuge zu beziehen, was nur durch die ört-
lichen Behörden erfolgen kann.

Im Vorgriff auf diese EU-Verordnung wurde deshalb
den Landesluftfahrtbehörden durch das hierfür zuständige
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen in Abstimmung mit dem BMI mit Schreiben vom
26. November 2002 ein Maßnahmenkatalog vorgegeben,
aus dem diese angemessene Sicherheitsmaßnahmen auf
der Basis einer ortsbezogenen Risikobewertung durch die
zuständigen Landespolizeibehörden für die einzelnen
Kleinflugplätze auswählen und anordnen sollen.

Die künftigen Maßnahmen beinhalten unter anderem
die Möglichkeit zur Einrichtung technischer Wegfahr-
sperren, die Bestreifung des Flugplatzgeländes, die Ein-
zäunung der Flugplätze, die Verpflichtung zur Vorlage
von Personalausweisen für alle mitfliegenden Personen,
die namentliche Dokumenation der mitfliegenden Perso-
nen in einem Bordbuch sowie die physische Kontrolle
von Fluggästen und des von diesen mitgeführten Gepäcks
sowohl für den Rundflugbetrieb als auch für Charterflüge.

Nach § 29 d des Luftverkehrsgesetzes werden alle Per-
sonen der bundeseinheitlichen Zuverlässigkeitsprüfung
unterzogen, die in beruflichem Zusammenhang in den

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
Sicherheitsbereichen der Verkehrsflughäfen tätig sind.
Das schließt das sonstige Personal der Flughäfen, der
Luftfahrtunternehmen und der Flugsicherung ein, soweit
dieses Personal aufgrund seiner Tätigkeit die Möglichkeit
hat, die Sicherheit des Luftverkehrs zu beeinträchtigen.

Privatpiloten, Flugschüler und Ähnliche sind davon
nur dann umfasst, wenn keine räumliche Trennung zwi-
schen Verkehrsflughafen und allgemeiner Luftfahrt vor-
liegt. Eine Erweiterung des Personenkreises und die dafür
notwendige Gesetzesänderung werden derzeit geprüft.
Alle Piloten werden jedoch bereits jetzt bei der Erteilung
der Fluglizenz einer Zuverlässigkeitsprüfung nach § 4 des
Luftfahrtgesetzes unterzogen, die eine Bundeszentral-
registerabfrage und weitere behördliche Abfragen auslöst.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501810800

Ihre Zusatzfrage auf diese erschöpfende Antwort.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501810900

Frau Präsidentin, die Antwort des Herrn Staatsse-

kretärs war zwar lang, aber nicht erschöpfend. Herr
Staatssekretär, Sie haben sehr ausführlich dargelegt, was
die Umsetzung der EU-Richtlinie bedeutet. Wenn ich Sie
richtig verstanden habe, steht Deutschland – das ent-
nehme ich dem letzten Teil Ihrer Antwort – dabei erst am
Anfang. Ich aber habe gefragt, was der Bundesminister
des Innern unternommen hat, um den Beschluss der IMK
vom Dezember 2001 umzusetzen.

Von den Innenministern der Länder sind, wie ich finde,
eine ganze Zahl von aus Gründen der Sicherheit nach-
vollziehbaren Anregungen gemacht worden. Ich will nur
einen Punkt herausgreifen, der von der EU-Richtlinie, die
Sie gerade genannt haben, überhaupt nicht berührt wird.
Es geht um die Erfassung von nicht in Deutschland regis-
trierten und zugelassenen Luftfahrzeugen, die aber in
Deutschland betrieben werden. Das ist aus meiner Sicht
eine ganz empfindliche Sicherheitslücke.

Deshalb, Herr Staatssekretär, darf ich noch einmal zum
Kern meiner Frage zurückkommen. Mich interessiert
nicht so sehr, wie die Bundesregierung eine EU-Richtlinie
umsetzt, sondern wie die Bundesregierung einen Beschluss
der IMK vom Dezember 2001 bis zum Januar 2003 um-
gesetzt hat.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501811000


Lieber Herr Koschyk, im ersten Teil meiner Antwort
habe ich versucht, auf Ihre Frage nach Konsequenzen auf
den 11. September einzugehen. Zudem hat sich die IMK
mit diesen Fragestellungen beschäftigt. Sie wissen, dass
diese Fragen letztendlich nicht vom Bund, sondern immer
nur von den Ländern beantwortet werden können. Dies ist
zum Teil auch durch das zuständige Ministerium sehr
konkret geschehen. Sie wissen, dass für das Luftfahrt-
gesetz in erster Linie nicht das Bundesinnenministerium,
sondern das BMVBW zuständig ist.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Dann frage ich mich, warum die Frau Staatssekretärin gerade weg ist!)


– Sie weiß, dass der Staatssekretär aus dem Bundesinnen-
ministerium die Fragen erschöpfend beantwortet.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Zuhörer erschöpfend, aber nicht das Thema!)


Herr Koschyk, ich glaube, wir haben uns verstanden.
Ich habe ganz bewusst die Fragestellungen mit den Ar-
beiten zu der EU-Richtlinie in Zusammenhang gebracht,
weil es wichtig ist, dass wir über unsere nationalen Ver-
einbarungen hinaus in Europa zu gemeinsamen Verein-
barungen und Standards kommen, die beispielsweise
auch die von Ihnen angesprochene Frage umfassen, näm-
lich vom Ausland lizenzierte Kleinflugzeuge, die hier in
Deutschland betrieben werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501811100

Eine zweite Zusatzfrage, bitte.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501811200


Was hat die Bundesregierung getan? Meine Frage habe
ich sehr bewusst formuliert: „Wie ist der Beschluss der
Innenministerkonferenz vom 7. Dezember 2001 ... von der
Bundesregierung umgesetzt worden?“ Dass das nicht der
Bundesinnenminister allein tun kann, ist mir schon klar.
Ich weiß, dass dies gesamtverantwortliches Handeln einer
Bundesregierung erfordert. Ich möchte wissen, wie die
konkrete Forderung der IMK, nämlich die Erfassung von
nicht in Deutschland registrierten und zugelassenen Luft-
fahrzeugen, die aber in Deutschland betrieben werden und
die die Innenminister der Länder damals – das sieht si-
cherlich jeder, der sich nach dem Frankfurter Luftzwi-
schenfall mit entsprechenden Szenarien befasst, genauso –
als erhebliches Gefährdungspotenzial eingeschätzt haben,
umgesetzt werden soll. Ich habe den Eindruck, Herr
Staatssekretär, dass dieser Sachverhalt von der EU-Richt-
linie, die Sie sehr ausführlich zitiert haben, nicht erfasst
wird.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501811300


Herr Koschyk, ich meine, dass dieser Sachverhalt bei
den Maßnahmen, die nach dem 11. September veranlasst
worden sind, erfasst worden ist, beispielsweise was die
bessere Sicherung von Kleinflugzeugen bzw. von Flug-
zeugen insgesamt oder auch die Frage, an wen Schlüssel
herausgegeben und wem Flugzeuge zur Verfügung ge-
stellt werden dürfen, anbelangt. Die Frage der Vertrau-
enswürdigkeit dieser Personen war ein spezieller Punkt,
der von der IMK angesprochen worden ist und den die zu-
ständigen Landesbehörden umzusetzen versucht haben.
Denn bei der von Ihnen angesprochenen Frage geht es im
Wesentlichen darum, wer diese Flugzeuge eigentlich
fliegt, ob es sich dabei um vertrauenswürdige Personen
handelt. Insofern bin ich der Auffassung, dass dieses
Thema mitberücksichtigt worden ist. Inwieweit das von
Erfolg gekrönt ist, kann ich derzeit nicht feststellen, aber
ich bin sicher, dass dieses Thema auch über diesen Tag
hinaus im Blickfeld bleibt.


(A)



(B)



(C)



(D)


1388


(A)



(B)



(C)



(D)







Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501811400

Wir kommen zur Frage 11 des Abgeordneten Hartmut

Koschyk:
Welche Sicherheitslücken – rechtlicher und tatsächlicher Art –

sind durch die Frankfurter Flugzeugentführung vom 5. Januar 2003
offen gelegt worden und welche Maßnahmen wird die Bundes-
regierung ergreifen, um diese Sicherheitslücken zu schließen?

F
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501811500


Herr Kollege Koschyk, das Szenario dieses Falles
gibt Anlass, das Maßnahmenkonzept und die zugrunde
liegenden Rechtsbestimmungen gemeinsam mit dem
BMVBW und den Ländern zu überprüfen und gegebe-
nenfalls zu ergänzen. Eine entsprechende Sitzung aller
Beteiligten wird – das ist ganz aktuell – am 23. Ja-
nuar 2003 stattfinden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501811600

Ihre Zusatzfragen, bitte.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501811700

Herr Staatssekretär, es ist zwar begrüßenswert, dass

nach diesem Zwischenfall Sitzungen stattfinden, aber es
gibt schließlich einen öffentlichen Diskurs zwischen zwei
maßgeblichen Mitgliedern dieser Bundesregierung. Des-
halb erwarte ich, dass Sie in der Fragestunde des Parla-
ments dazu Stellung nehmen, statt lediglich die Abgeord-
neten des Bundestags auf die Möglichkeit hinzuweisen,
die Zeitungen zu lesen bzw. die Berichterstattung in den
Medien zu verfolgen.

In der Bundesregierung scheint es einen Dissens da-
rüber zu geben, ob ein mögliches Eingreifen der Bun-
desluftwaffe in einem solchen Fall durch das Grundge-
setz in seiner gegenwärtigen Fassung gedeckt ist. Dazu
würde mich die Meinung der Bundesregierung interes-
sieren.

F
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501811800


Herr Kollege Koschyk, ich meine nicht, dass es einen
Dissens in der Bundesregierung gibt, vielmehr gibt es
eine Diskussion bzw. einen Diskurs. Dazu gab es ver-
schiedene Äußerungen. Da das Bundesinnenministerium
sozusagen auch das Verfassungsministerium ist, sind wir
zurzeit dabei, gemeinsam mit den anderen Beteiligten
diesen Sachverhalt zu prüfen. Anschließend werden wir
dementsprechend eine Position der Bundesregierung for-
mulieren.

Ich halte es im Übrigen nicht für tragisch, wenn es in
dieser Frage einen Diskurs gibt. Wo kämen wir denn hin,
wenn dies nicht erlaubt wäre?


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501811900

Ich weise darauf hin, dass Sie noch eine Frage haben,

Herr Kollege Koschyk. Bitte.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501812000

Danke, Frau Vizepräsidentin. – Herr Staatssekretär,

ich glaube, dass die konkrete Gefährdungssituation, die
bei dem Frankfurter Luftzwischenfall deutlich geworden
ist, eine schnelle Entscheidung der Bundesregierung er-
fordert. Bei diesem Vorgang war die Zusammenarbeit
gut. Der Herr Bundesinnenminister hat heute im Innen-
ausschuss bestätigt, dass die Zusammenarbeit zwischen
dem hessischen Innenministerium, der hessischen
Landesregierung, dem Bundesministerium des Innern
wie auch dem Bundesverteidigungsministerium sehr gut
war. Gleichwohl bleibt, wenn man diesen Fall durch-
spielt, die Frage, ob alle möglicherweise notwendig ge-
wordenen Handlungsoptionen vom Grundgesetz abge-
deckt gewesen sind. Ich meine schon, dass es in einer
solchen Situation wichtig ist, sehr schnell zur Beseiti-
gung rechtlicher Grauzonen zu kommen. Teilen Sie diese
Auffassung?

F
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501812100


Herr Kollege Koschyk, ich kenne bei diesem Vorfall
den Ablauf vom Start bis zur Landung. In der Tat ist hin-
sichtlich der Zusammenarbeit überhaupt keine Beschwerde
zu führen. Was in diesem Falle miteinander vereinbart
worden ist und wie gemeinsam gehandelt worden ist, ist
durch das Grundgesetz voll und ganz abgedeckt. Das ist
nicht das Problem. Sie gehen in Ihrer Frage nun einen
Schritt weiter. Ich habe bereits etwas zum aktuellen Dis-
kussionsstand gesagt. Ich gehe davon aus, dass die Bun-
desregierung eine deutliche Position beziehen wird, wenn
die Arbeitsgruppen sich mit diesem Thema beschäftigt ha-
ben werden. Diese Vorgehensweise ist sicherlich als an-
gemessen zu bezeichnen.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501812200

Mir liegen jetzt noch drei weitere Wortmeldungen für

Zusatzfragen vor. Die erste wird vom Kollegen Christian
Schmidt gestellt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501812300

Herr Staatssekretär, da wir uns in einem Hause befin-

den, das von einer Kuppel gekrönt ist, auf die sich viele
unserer Mitbürger nach dem 11. September 2001 aus der
Angst heraus nicht mehr hinaufgewagt haben, dass ver-
gleichbare schreckliche Vorfälle auch in unserem Land
geschehen könnten, ist die Frage nach einer rechtlichen
Bewertung des so genannten Air-Policing nicht neu. Des-
wegen meine Frage: Halten Sie die Behandlung dieses
Themas durch die Bundesregierung angesichts der Tat-
sache für angemessen, dass zwischen September 2001
und dem 23. Januar 2003 erst ein kleines Flugzeug den
Frankfurter Luftraum durchfliegen muss, damit sich die
Bundesregierung mit dieser Frage befasst? Halten Sie es
für verantwortbar, die Soldaten der Luftwaffe, die eine
schwierige Aufgabe haben und unter Umständen über Tod
und Leben entscheiden müssen, in dieser Frage in einem
Raum relativer Rechtsunsicherheit zu belassen? Was ge-
denkt die Bundesregierung dagegen zu tun?





F
Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501812400


Ob es eine rechtliche Unsicherheit gibt, bezweifle ich.
Das ist aber nicht entscheidend. Vielmehr kommt es da-
rauf an, dass die Bundesregierung insbesondere nach dem
11. September in ihrer Reaktion auf die terroristischen
Anschläge wichtige Maßnahmen ergriffen hat. Die Bun-
desregierung hat sich auch in den europäischen und inter-
nationalen Prozess eingeklinkt, sodass in dieser Angele-
genheit der Bundesregierung keine Vorwürfe zu machen
sind. Über die Frage einer rechtlichen Erörterung werden
wir zu gegebener Zeit entscheiden.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501812500

Die nächste Frage stellt der Kollege Clemens

Binninger.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501812600

Herr Staatssekretär, im vorliegenden Fall lag der glück-

liche Umstand vor, dass der Attentäter sehr lange geflogen
ist und sein Vorhaben nicht in die Tat umgesetzt hat. Für die
Sicherheitsbehörden entstand so eine recht lange Vorlauf-
zeit. Werden Sie bei den Maßnahmen, die Sie Anfang Fe-
bruar besprechen wollen, auch die Situation berücksichti-
gen, dass nach dem Start eines Flugzeuges das Attentat
zielgerichtet ausgeführt wird, sodass nur eine Viertelstunde
bleibt, und welche Maßnahmen werden Sie treffen, wenn
Sie das Szenario auf Atomkraftwerke ausdehnen?

F
Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1501812700


Lieber Herr Kollege Binninger, man kann sich verschie-
dene Szenarien vorstellen. Dazu muss man eines deutlich
sagen: Nicht jedes Risiko ist beherrschbar.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Jedes Szenario!)


– Auch nicht jedes Szenario. Anderenfalls wäre es am
11. September 2001 in den Vereinigten Staaten von Amerika
nicht zu terroristischen Anschlägen gekommen.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501812800

Nächster Fragesteller ist der Kollege Dirk Niebel.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501812900

Herr Staatssekretär, können Sie mir bestätigen, dass in

der Vergangenheit allein schon in Ermangelung von
Kampfflugzeugen bei den Polizeien des Bundes und der
Länder die Luftraumsicherung in Deutschland von der
Luftwaffe durchgeführt worden ist und dass es entspre-
chende Anweisungen gibt, wie dabei zu verfahren ist?
Können Sie mir weiterhin zustimmen, dass die Ausbil-
dung der Soldaten der Bundeswehr gänzlich anders ist als
die der Polizeien des Bundes und der Länder, sodass Sol-
daten aufgrund ihrer Ausbildung in aller Regel als Hilfs-
polizisten nicht hinreichend geeignet sind, um die Sicher-
heit zu erhöhen?

F
Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1501813000


Ich könnte Ihre Ausführungen bestätigen.

(Dirk Niebel [FDP]: Danke!)


Ich glaube, man muss auch in dieser Diskussion wohl-
weislich zwischen einem konkreten Fall wie beispiels-
weise dem in Frankfurt und der Frage des Verhältnisses
von innerer und äußerer Sicherheit, wer also bei welchen
Szenarien im Bereich der inneren Sicherheit eingesetzt
werden soll, unterscheiden. Aber Ihre Ausführungen be-
schreiben den Zustand richtig. Ich muss sie nicht kom-
mentieren.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501813100

Wir kommen zur Frage 12 der Kollegin Petra Pau:

Wie viele antisemitische Straftaten wurden im vierten Quartal
2002 in der Bundesrepublik Deutschland begangen und wie viele
Opfer dieser Straftaten gab es?

F
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501813200


Frau Kollegin Pau, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Im vierten Quartal 2002 – nach diesem fragen Sie – wur-
den insgesamt 201 antisemitische Straftaten gemeldet, die
dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminali-
tät – rechts“ zugeordnet wurden. Darunter waren 44 Pro-
pagandadelikte und acht Gewaltdelikte. Bei Letzteren
handelt es sich um fünf Körperverletzungen, zwei Brand-
stiftungen und ein Widerstandsdelikt. Im vierten Quartal
2002 wurden fünf Personen verletzt. Todesfälle waren
nicht zu verzeichnen.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1501813300

Ihre Zusatzfrage.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501813400

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Lässt sich

bei der Auswertung der von Ihnen vorgetragenen Zah-
len ein Schwerpunkt in einem bestimmten Bundesland
oder in einer bestimmten Region der Bundesrepublik
erkennen?

F
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501813500


Frau Kollegin Pau, ich muss noch Folgendes hinzufü-
gen: Die von mir gerade genannten Fallzahlen sind vor-
läufig. Die statistische Erhebungsweise sieht vor, dass bis
zum 31. Januar des folgenden Jahres noch nachgemeldet
werden kann, wenn das erwünscht ist. Die Zahlen basie-
ren ja auf den Meldungen der Länder. Sie werden also
nicht eigens von unserem Haus oder vom Bund erhoben.

Zur Frage, wo es Schwerpunkte gibt: Die mir vorlie-
gende Auflistung der Fallzahlen, aus der hervorgeht, in
welchen Bundesländern welche Delikte zu verzeichnen
sind, lässt nach meiner Interpretation nur schwerlich ir-
gendwelche Schwerpunkte erkennen. Es gibt natürlich


(A)



(B)



(C)



(D)


1390


(A)



(B)



(C)



(D)






unterschiedliche Größenordnungen. Ich schlage vor, Ih-
nen diese Liste zu geben.


(Petra Pau [fraktionslos]: Dafür bedanke ich mich sehr!)



Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501813600

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Damit schließe

ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des In-
nern. Vielen Dank, Herr Staatsekretär Körper für die Be-
antwortung der Fragen.

Die Frage 13 der Kollegin Hannelore Roedel und die
Fragen 14 und 15 des Kollegen Peter Weiß aus dem Ge-
schäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen wer-
den schriftlich beantwortet.

Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Arbeit. Zur Beantwor-
tung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Rezzo
Schlauch zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 16 des Abgeordneten Erich
Fritz:

Treffen Pressemeldungen – ich verweise auf den „Tagesspiegel“
vom 17. Dezember 2002 – zu, dass deutsche Unternehmen bis
2001 Kooperationen mit dem Irak im Rüstungs- und Forschungs-
bereich unterhalten haben und die Bundesregierung seit 1999 über
die Zusammenarbeit mit einem deutschen Mikroelektronikunter-
nehmen informiert war?

R
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501813700


Herr Kollege Fritz, die Bundesregierung beantwortet
Ihre Frage wie folgt: Seit dem Irakembargo von 1990 fan-
den genehmigte Exporte in den Irak nur mehr in Form von
humanitären Lieferungen in begrenztem Umfang und
Gütern statt, die im Rahmen des seit 1996 bestehenden
Oil-for-Food-Programms geliefert wurden. Der Export
dieser Güter erfolgte und erfolgt immer mit Genehmigung
des VN-Sanktionssausschusses. In dem in den Pressemel-
dungen konkret genannten Fall eines deutschen Mikro-
elektronikunternehmens lagen entsprechende Genehmi-
gungen sowohl des VN-Sanktionsausschusses als auch
des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
vor. Dabei unterstelle ich, dass trotz der sehr allgemeinen
Angaben der Fall von den zuständigen Behörden korrekt
identifiziert worden ist.

Die zuständigen deutschen Behörden werden die der
Bundesregierung vorliegenden Teile der irakischen Er-
klärung weiterhin darauf prüfen, ob sich daraus neue Hin-
weise auf möglicherweise illegale Ausfuhren deutscher
Unternehmen ergeben. Nach dem bisherigen Stand ist
dies nicht der Fall.

Bloße Angaben von Firmennamen im Zusammenhang
mit Waren lassen Fragen zum genauen Einkaufsweg und
zum Lieferzeitpunkt offen. Sie sind daher für sich noch
kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass der genannte
Hersteller auch der Ausführer in den Irak gewesen ist.
Deutlich wird das an dem aktuellen Beispiel des Prozes-
ses, der vor dem Landgericht in Mannheim läuft und der
aus der Presse bekannt ist.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501813800

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.


Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501813900

Sie haben davon gesprochen, dass nach den vorliegen-

den Listen die Prüfung durch die Bundesregierung wei-
tergeht. Mich interessiert, wer konkret überprüft. Ist das
das Ministerium oder sind das die nachgeordneten Behör-
den, die üblicherweise mit solchen Dingen beschäftigt
sind? Wann wird diese Prüfung nach Ihrer Einschätzung
abgeschlossen sein?

R
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501814000


Klar ist, dass die Angaben VS-vertraulich sind und
zunächst einmal auch vertraulich behandelt werden. Ich
bin nicht sicher, ob die nachgeordneten Behörden allein
prüfen oder ob das Haus mit beteiligt ist. Die Antwort
werde ich Ihnen gern nachreichen. Klar ist, dass das sehr
umfangreiches Material ist. Sobald neue Schlüsse gezo-
gen und Antworten gegeben werden können, können die
selbstverständlich abgefragt werden.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501814100

Eine weitere Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 17 des Abgeordneten Erich G.

Fritz auf:
Welche Erkenntnisse über die Zusammenarbeit deutscher Un-

ternehmen mit dem Irak liegen der Bundesregierung tatsächlich
vor und gab es darunter Erkenntnisse über Zusammenarbeit mit
Folgen für die Produktion von Massenvernichtungswaffen?

R
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501814200


Herr Kollege Fritz, die Beteiligung deutscher Unter-
nehmen an Zulieferungen zu irakischen Rüstungspro-
grammen war bereits mehrfach Gegenstand der Bericht-
erstattung durch die Bundesregierungen. Im Jahr 1991 ist
dem Deutschen Bundestag ein umfassender, vertraulich
eingestufter Bericht über legale und illegale Waffen-
exporte in den Irak und die Aufrüstung des Irak durch Fir-
men in der Bundesrepublik Deutschland übermittelt wor-
den. Eine verkürzte Fassung wurde unter Verzicht auf die
Angabe von Firmennamen als Bundestagsdrucksache
veröffentlicht. Diese Berichte sind durch schriftliche Un-
terrichtungen an den Ausschuss für Wirtschaft des Deut-
schen Bundestages 1997 und zuletzt 1998 nach der je-
weiligen Erkenntnislage fortgeschrieben worden. Darin
wurde auch auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen und
gerichtliche Verurteilungen eingegangen.

Soweit sich neue Erkenntnisse über illegale Exporte er-
geben, wird die Bundesregierung in Zusammenwirken
mit den zuständigen Behörden die entsprechenden
Schritte zur Einleitung von Maßnahmen zur Strafverfol-
gung unternehmen.


Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1501814300

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege, bitte.

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper






Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501814400

Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,

durch die Dienste hat es sehr früh Hinweise darauf gege-
ben – das ist dann auch in den Medien verbreitet worden –,
dass bei bestimmten Zulieferungen, wenn auch nicht spe-
ziell für die Wiederherstellung der Produktionsmöglich-
keiten des Irak für Massenvernichtungswaffen, aber
zumindest im Dual-Use-Bereich, der Verdacht der Betei-
ligung deutscher Unternehmen besteht. Das hat die Bun-
desregierung sicherlich dazu veranlasst, dem nachzuge-
hen.

Haben Sie aus dem, was damals sowohl in Großbritan-
nien als auch in der Bundesrepublik in der Presse veröf-
fentlicht worden ist, neue Erkenntnisse über beteiligte
Unternehmen und Exportwege gewonnen, die Sie bereits
mitteilen können?

R
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501814500


Ich kann Ihnen jetzt keine neuen Erkenntnisse mittei-
len. Ich habe Ihnen gesagt, dass das derzeit in der Prüfung
ist, insbesondere unter Berücksichtigung des Materials
der irakischen Erklärung. Auf jeden Fall kann versichert
werden, dass die Ausfuhrgenehmigungen – es geht also
um legale Ausfuhren –, auch bezüglich möglicher Dual-
Use-Güter, sehr sorgfältig erteilt worden sind. In dem von
Ihnen angesprochenen Beispiel ist die Ausfuhr unter der
Überschrift „humanitäre Lieferungen, medizintechnische
Lieferungen“ von beiden Gremien genehmigt worden und
dann auch so erfolgt. Weitere Erkenntnisse über legale
Exporte, aber auch über illegale Exporte von Dual-Use-
Gütern haben wir nicht. Mehr kann ich Ihnen dazu jetzt
nicht sagen.

Wenn die Prüfung abgeschlossen ist – das wird mit Si-
cherheit noch einige Zeit dauern; denn unserem Hause
bzw. den nachgeordneten Behörden liegt derzeit, soweit
ich weiß, nur eine Zusammenfassung vor –, bin ich gern
bereit, die entsprechenden Informationen weiterzugeben.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501814600

Sie können noch eine Zusatzfrage stellen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501814700

Herr Staatssekretär, unabhängig davon, ob sich heraus-

stellt, dass auch illegale Wege beschritten worden sind,
sind neben deutschen Unternehmen Firmen aus einer
Reihe anderer Länder in dieser Liste aufgeführt. Haben
Sie Erkenntnisse darüber, ob Exporte aus diesen Ländern
Beiträge für Anlagen zur Herstellung von Massenver-
nichtungswaffen enthalten haben?

R
Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1501814800


Solche Erkenntnisse liegen mir persönlich nicht vor.
Ich bin aber gerne bereit, nachzufragen, ob diese Er-
kenntnisse vorhanden sind, und sie Ihnen, wenn sie vor-
handen sind, nachzureichen.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501814900

Wir kommen zur Frage 18 des Abgeordneten Klaus

Hofbauer:
Welche Auswirkungen auf die Umsätze der Tankstellen in den

deutschen Grenzregionen zur Tschechischen Republik und zu Po-
len sieht die Bundesregierung durch den Anstieg der Kraftstoff-
preise aufgrund der weiteren Erhöhung der Mineralölsteuer zu
Jahresbeginn 2003 – Ökosteuer – vor dem Hintergrund der damit
größer werdenden Preisdifferenz zu diesen östlichen Nachbarlän-
dern?

R
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501815000


Herr Kollege Hofbauer, die Bundesregierung beant-
wortet Ihre Frage wie folgt: Bereits seit längerem existiert
ein deutliches Preisgefälle bei Kraftstoffen zwischen
Deutschland auf der einen, Polen und der Tschechischen
Republik auf der anderen Seite. Die Erhebung der letzten
Stufe der Ökosteuer zu Anfang dieses Jahres ändert struk-
turell nichts an dieser Tatsache. Die bislang bestehenden
Preisdifferenzen zur Tschechischen Republik haben sich
bisher nicht verändert. Zu Polen gab es Veränderungen in
der Währungsparität zugunsten des Euro.

Wie sich die Preisentwicklung zukünftig gestalten
wird, lässt sich nach den wenigen Tagen seit Einführung
der fünften Stufe der Ökosteuer noch nicht mit Sicherheit
einschätzen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass
sich die Wettbewerbsbedingungen deutscher Tankstellen
in diesen Grenzgebieten nicht wesentlich verändern wer-
den.


(Lachen des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])



Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1501815100

Ihre Zusatzfragen, bitte.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501815200

Herr Staatssekretär, in den Grenzregionen ist ein regel-

rechter Tanktourismus entstanden. Man kann den Men-
schen angesichts eines Gefälles von 25 Cent und mehr
nicht verübeln, dass sie 20 oder 30 Kilometer entfernt in
einem Nachbarland tanken. Das schadet unseren Steuer-
einnahmen ganz erheblich. 80 Prozent des Benzinpreises
zahlt man für Steuern. Es geht daher nicht nur um durch
die Ökosteuer verursachte Verluste.

Immer mehr Menschen in diesen Grenzregionen tan-
ken im Nachbarland, seitdem die Ökosteuer eingeführt
worden ist. Immer mehr Tankstellen in den Grenzregio-
nen gehen aufgrund dieser Situation Pleite. Was empfeh-
len Sie den Tankstellenbetreibern? Wie gelingt es uns
trotzdem, diese mittelständischen Tankstellen zu erhal-
ten? In einigen Kommunen und kleinen Städten auf deut-
scher Seite gibt es bereits überhaupt keine Tankstelle
mehr.

R
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501815300


Herr Kollege Hofbauer, diese Unterschiede sind mir
bekannt. Es gab sie in verschiedenen Grenzregionen be-


(A)



(B)



(C)



(D)


1392


(A)



(B)



(C)



(D)






reits vor Einführung der Ökosteuer. Es steht außer Zwei-
fel, dass die Differenzen mit Erhebung der Ökosteuer
größer geworden sind. Das ist selbstverständlich zuzuge-
stehen. Auf der anderen Seite war es, wie Sie wissen, der
politische Wille dieser Bundesregierung, die Ökosteuer in
dieser Form einzuführen. Es ist natürlich auch klar, dass
für Grenzregionen keinerlei Ausnahmen gelten können.
Deshalb ist die einzige Möglichkeit – auch da engagiert
sich die Bundesregierung auf der europäischen Ebene –,
zu einer Harmonisierung auch der Besteuerung von Kraft-
stoffen zu kommen. Seit 1997 wird darüber diskutiert, ob
eine entsprechende Richtlinie verabschiedet werden soll.
Diesbezüglich wird sich die Bundesregierung auch weiter
engagieren.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501815400

Wenn ich meine zweite Frage stellen dürfte?


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501815500

Bitte schön.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1501815600

Herr Staatssekretär, Sie nehmen das alles einfach in

Kauf. Sie reden sich unter Bezugnahme auf die Harmoni-
sierung der Steuern heraus. Es ist meiner Auffassung nach
unverantwortlich, dass wir im Grunde genommen da-
durch, dass wir die so genannte Ökosteuer nach oben trei-
ben, mittelständische Unternehmen kaputtmachen. Das
Ziel der Ökosteuer war, ist und soll sein, dass weniger
Energie verbraucht wird. Auch Sie sagen, die Ökosteuer
habe bereits eine Verringerung des Energieverbrauchs mit
sich gebracht.

Ich stelle die These auf – und möchte Sie fragen, ob Sie
mir da zustimmen –, dass die Verringerung des Energie-
verbrauchs ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass
Autofahrer aus den Grenzregionen aufgrund dieser Steuer
in das Nachbarland fahren, und dass dadurch, dass bei uns
in Deutschland weniger Benzin verkauft wird – und im
Endeffekt auch weniger Steuern eingenommen werden –,
der Energieverbrauch überhaupt nicht zurückgegangen
ist. Können Sie diese Auffassung teilen?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501815700


Diese Auffassung teile ich nicht, weil sie auf einer Spe-
kulation beruht, die durch nichts belegt ist, und zwar des-
halb, weil der Kraftstoffverbrauch in einem Umfang
zurückgegangen ist, der weit über die möglichen Auswir-
kungen eines Tanktourismus, den wir ja seit Jahrzehnten
kennen, hinausgeht. Ich kann mich noch erinnern, dass
man zu meiner Studentenzeit Mitte der 60er-Jahre in der
Schweiz getankt hat. Dieser Tanktourismus ist keine Er-
scheinung, die im Zusammenhang mit der Ökosteuer neu
entstanden wäre. Ich glaube, den hat es immer gegeben,
und es kann sein, dass durch die jetzige größere Differenz
dieser ein Stück weit angestiegen ist. Ich halte es aber für
vollkommen überzogen, zu meinen, dass der gesamte ge-
wünschte Rückgang des Kraftstoffverbrauchs sozusagen

auf das Tankverhalten der Bevölkerung in Grenzregionen
unseres Landes zurückzuführen sei.


(Dirk Niebel [FDP]: Demnach sind Sie schon damals nicht Fahrrad gefahren, sonst hätten Sie nicht in der Schweiz tanken müssen!)



Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1501815800

Ich habe eine Zusatzfrage des Kollegen Rose.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501815900

Herr Staatssekretär, ich möchte das fortführen, was der

Kollege Hofbauer gesagt hat; dabei geht es jetzt nicht
mehr nur um Tschechien und Polen, sondern, da ich selbst
in dieser Grenzregion lebe, auch um die gesamte 800 Ki-
lometer lange Grenze zu Österreich. Wir haben dort das
gleiche Problem. Würden Sie mir zustimmen, dass man
das nicht so herunterspielen kann, als handele es sich da-
bei nur um ein ganz kleines? Würden Sie mir auch zu-
stimmen – das haben Sie ja schon gesagt –, dass es in der
Konsequenz der politische Wille ist, die Tankstellenbe-
treiber in Grenzregionen wirtschaftlich kaputtzumachen?

R
Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1501816000


Nein, da stimme ich Ihnen nicht zu.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501816100

Wir kommen zur Frage 19 des Abgeordneten Klaus

Hofbauer:
Rechnet die Bundesregierung nach der weiteren Erhöhung der

Mineralölsteuer mit einer Zunahme des Tankpendelns in die
Tschechische Republik und nach Polen und, wenn ja, welche Steu-
erausfälle werden daraus resultieren?

R
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501816200


Herr Hofbauer, ich beantworte Ihre Frage wie folgt:
Die Veränderung beim Tankpendeln hängt unter anderem
von der weiteren, dauerhaften Entwicklung der Preisdif-
ferenz ab. Jeder Liter mehr oder weniger verkaufter Kraft-
stoff schlägt mit 65,45 Cent, und zwar beim Benzin, bzw.
beim Diesel mit 47,04 Cent Mehr- bzw. Mindereinnah-
men bei der Mineralölsteuer zu Buche. Wie sich der Tank-
tourismus und damit der Saldo aus Steuermehreinnahmen
und möglichen Steuermindereinnahmen entwickeln wird,
kann nach den wenigen vorliegenden Erfahrungen nach
Erhöhung der Mineralölsteuer zum 1. Januar 2003 noch
nicht eingeschätzt werden.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1501816300

Ihre Zusatzfragen, bitte.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501816400

Herr Staatssekretär, wären Sie bereit, in Ihrem Hause

zu veranlassen, dass diese Thematik genauer untersucht
wird, um die Auswirkungen zu erkunden?

Parl. Staatssekretär Rezzo Schlauch




Klaus Hofbauer

Meine zweite Frage: Was macht die Bundesregierung,
auch im Hinblick auf die EU-Osterweiterung, um eine
Harmonisierung der Steuern zu erreichen? Dass der jet-
zige Zustand unbefriedigend ist, ist, wie ich glaube, jedem
klar.

R
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501816500


Herr Kollege Hofbauer, soweit keine überzogenen
bürokratischen Aufwendungen im Rahmen statistischer
Erhebungen hierzu notwendig sind, wird unser Haus diese
Entwicklung selbstverständlich im Auge behalten und
auch evaluieren.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Ansonsten geht es – das habe ich vorhin darzulegen ver-
sucht – natürlich darum, und zwar, wie Sie wissen, nicht
nur in diesem Bereich, sondern auch in anderen Berei-
chen, zu einer Harmonisierung der Steuersysteme und der
Steuerrahmen auf EU-Ebene zu kommen. Aber das – da-
mit verrate ich Ihnen wahrscheinlich kein Geheimnis – ist
ein sehr schwieriges Geschäft und ein langer und oft stei-
niger Weg.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501816600

Herr Kollege Rose, bitte schön.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501816700

Vorhin gab es zwei verschiedene Aussagen. Auf der ei-

nen Seite haben Sie gesagt, dass es politischer Wille sei,
dass die durch die Einführung der Ökosteuer entstehen-
den Konsequenzen in Kauf genommen würden. Auf der
anderen Seite haben Sie ausgeführt, dass es nicht politi-
scher Wille sei, dass deshalb jemand in den grenznahen
Regionen seine Existenz verliere. Aufgrund dessen
möchte ich Sie noch einmal genau fragen – wenn Sie da-
rauf jetzt nicht antworten können, können Sie es mir auch
schriftlich nachreichen –: Wie haben Sie über die Euro-
päische Union konkret dafür gesorgt, dass den Tankstel-
lenbetreibern im Grenzland geholfen wird?

R
Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1501816800


Das habe ich nicht behauptet, Herr Kollege, sondern ich
habe gesagt, dass sich die Bundesregierung im Rahmen
der Diskussion der EU zu der seit 1997 auf dem Tisch lie-
genden Richtlinie bezüglich der Harmonisierung der Sys-
tematik bei der Besteuerung von Kraftstoffen dafür einge-
setzt hat, dass man zu einer solchen Harmonisierung
gelangt, was wiederum die Konsequenz hätte, dass die
Grenzregionen von Preisunterschieden nicht so betroffen
wären wie heute. Aber ich habe nicht gesagt – das ist auch
nicht geplant –, dass betroffenen Tankstellen in dieser Re-
gion über die EU unmittelbar oder mittelbar geholfen wird.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501816900

Eine Zusatzfrage des Kollegen Fritz.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501817000

Her
Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1501817100
Stimmen Sie zu, dass die Bundes-
regierung die Pleite einer Vielzahl von Tankstellenpächtern
an den Außengrenzen billigend in Kauf nimmt?

R
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501817200


Nein, dem stimme ich nicht zu; das habe ich vorhin
schon beantwortet.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501817300

Damit kommen wir zur Frage 20 der Kollegin Pau:

Wie hat sich die Ausfuhr von Rüstungsgütern aus der Bundes-
republik Deutschland – einschließlich der Kooperationspro-
gramme der EU und der NATO – in den letzten acht Jahren ent-
wickelt?

R
Erich G. Fritz (CDU):
Rede ID: ID1501817400


Frau Kollegin Pau, die Gesamtwerte der jährlichen
Ausfuhren von Kriegswaffen haben in den Jahren 1995
bis 2001 sehr geschwankt. Sie sind aber, insbesondere
seit 1999, stark zurückgegangen. So wurden 1995 noch
Kriegswaffen im Wert von 1,982 Milliarden DM ausge-
führt; 2001 waren es – um in derselben Währung zu blei-
ben – Kriegswaffen im Wert von 0,718 Milliarden DM.
Ausführliche Angaben zur Rüstungsexportstatistik wer-
den von der Bundesregierung im jährlichen Rüstungs-
exportbericht veröffentlicht.

Der Dritte Rüstungsexportbericht mit den Zahlen für
2001 wurde im Dezember letzten Jahres vom Bundes-
kabinett verabschiedet und dem Bundestag zugeleitet.
Statistische Werte für das Jahr 2002 liegen noch nicht vor.

In diesen Berichten finden sich die Werte für die Aus-
fuhren von Kriegswaffen. Für sonstige Rüstungsgüter lie-
gen nur die Werte der erteilten Ausfuhrgenehmigungen
vor; hier werden die Ausfuhren selbst statistisch nicht er-
fasst.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501817500

Zusatzfrage, Kollegin Pau? – Bitte schön.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501817600

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Besagter Be-

richt ist mir heute tatsächlich als Drucksache zugegangen.
Eine erste Durchsicht veranlasst mich zu der Frage, wie
Sie die dort zitierten Sonderfaktoren, welche die Er-
höhung der Zahl der Ausfuhrgenehmigungen für sonstige
Rüstungsgüter ermöglichen, qualifizieren würden.

R
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501817700


In manchen Jahren wurden Genehmigungen auf der
Grundlage von Sonderfaktoren erteilt. Sie betrafen Liefe-


(A)



(B)



(C)



(D)


1394


(A)



(B)



(C)



(D)






rungen, die besonders hohe Volumina aufwiesen, wie bei-
spielsweise die Lieferung von zwei U-Booten an Israel.
Das muss politisch bewertet werden. Aus unserer Sicht ist
an diesen Genehmigungen nichts zu kritisieren.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501817800

Gibt es weitere Fragen? – Das ist nicht der Fall. Vielen

Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-

ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-
wirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 21 der Kollegin Julia Klöckner auf:
Wie steht die Bundesregierung zum Aufbau einer nationalen

Mehrgefahrenversicherung für die Landwirtschaft und welche
staatliche Unterstützung hält sie für den Aufbau für erforderlich?

Ma
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501817900


Frau Klöckner, für die Bundesregierung beantworte
ich Ihre Frage wie folgt: Wir haben uns vonseiten des Ver-
braucherschutzministeriums intensiv mit der Thematik
der Mehrgefahrenversicherung beschäftigt. Wir haben
auch die vorliegenden Vorschläge zur Einführung einer
Mehrgefahrenversicherung für die Landwirtschaft, die in
Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen ent-
wickelt worden sind, geprüft. Wir sind dabei auf folgende
Probleme gestoßen.

Zum einen können wir nicht sämtliche landwirtschaftli-
chen Betriebe verpflichten, bei einer solchen Mehrgefah-
renversicherung mitzumachen, sodass sich in der Regel nur
diejenigen einem solchen System anschließen, die von Ri-
siken eher bedroht sind als andere. Dies bewirkt – zum an-
deren –, dass diese Versicherung erst dann attraktiv wird,
wenn sich der Staat finanziell stark daran beteiligt. Hierzu
gibt es für die EU und in Deutschland bis heute keine
Rechtsgrundlage. Man muss also davon ausgehen, dass die
Einführung einer solchen Versicherung mit erheblichen fi-
nanziellen Lasten für den Bund verbunden wäre.

Wenn man jetzt noch die Mehrgefahrenversicherung
auf Schadensereignisse wie das Hochwasser vom vergan-
genen Sommer bzw. Herbst ausdehnt, muss man mit noch
höheren finanziellen Belastungen für den Staat rechnen.
Darüber hinaus werden die Betriebe, die in den betrof-
fenen Regionen nicht an einer solchen Versicherung
partizipieren, auf den Staat zukommen und ihn um Hilfe
bitten. Auch diese Hilfe muss man kostenmäßig hinzu-
rechnen. Unter dem Strich bedeutet also die Einführung
einer Mehrgefahrenversicherung eine erhebliche Belas-
tung für den Bund.

Dabei bin ich noch nicht auf die Frage eingegangen,
die uns natürlich auch beschäftigt hat, nämlich mit wel-
cher Begründung der Steuerzahler eine Mehrgefahrenver-
sicherung für die Landwirtschaft subventionieren soll,
während beispielsweise im Tourismus- und im Baube-
reich an die Subventionierung einer solchen Versicherung
niemand denkt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501818000

Zusatzfrage? – Bitte schön, Frau Kollegin Klöckner.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501818100

Es gibt erste Vorstöße des Landes Sachsen. Im Rahmen

der Grünen Woche wird morgen Staatsminister Flath zu
einem entsprechenden Gespräch einladen.

Die Frage an Sie. Sachsen sieht eine Mischfinanzie-
rung vor. Kann man Ihrer Meinung nach einen Weg fin-
den, um durch die Einführung einer Versicherung abseh-
bare Schäden a priori besser abfangen zu können, anstatt
a posteriori Gelder für die Geschädigten mühsam zusam-
menzutragen?

Ma
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501818200


Zunächst einmal muss man sehen, dass ein Teil der
Risiken bereits dadurch abgesichert ist, dass der Getreide-
bauer Prämien in Höhe von etwa einem Viertel seiner
Einnahmen – unabhängig von der Erntehöhe – erhält.

Zum anderen ist es so, dass in der Vergangenheit bei be-
sonders schweren Schadensereignissen, etwa bei Trocken-
heit oder Hochwasser, der Steuerzahler eingegriffen hat
und eine Solidarität mit den betroffenen landwirtschaft-
lichen Betrieben in den Fällen, die für die Betriebe exis-
tenzbedrohend waren, politisch durchsetzbar war.

Die Vorschläge aus Sachsen beinhalten in der Tat, dass
es zu einer Mischfinanzierung kommt. Unter anderem
wird vorgeschlagen, dass dazu Mittel aus Brüssel, so ge-
nannte Modulationsmittel, mobilisiert werden können.
Wir haben das natürlich geprüft und prüfen das auch wei-
terhin, sehen aber auch hier Schwierigkeiten.

Eine Schwierigkeit besteht darin, dass wir, wenn wir
so etwas auf europäischer Ebene regeln, auch in solchen
Regionen, in denen es bisher keine Mehrgefahrenversi-
cherung gibt oder in denen es zwar eine Mehrgefahren-
versicherung gibt, aber in der Regel weit mehr Schadens-
ereignisse, zum Beispiel durch Trockenheit, eintreten, ein
solches Vorgehen in Form der Mischfinanzierung ermög-
lichen müssen. Sie wissen, Deutschland ist ein erheb-
licher Nettozahler. Unter dem Strich würden wir auf diese
Weise die landwirtschaftlichen Einkommen in unseren
Nachbarländern absichern und neben den deutschen Kos-
ten auch noch erhebliche auf europäischer Ebene haben.
Das muss man bei solchen Erwägungen mit berücksich-
tigen.

Die Kommission wird Vorschläge zur so genannten
Modulation machen. Zurzeit ist absehbar, dass diese Vor-
schläge vom Umfang und vom Zeitpunkt her nicht so
ausreichend und günstig sind, dass wir im Sinne der säch-
sischen Vorstellungen sofort in ein solches System ein-
steigen können.

Summa summarum ist klar: Der Staat muss sich er-
heblich beteiligen. Ohne Berücksichtigung von Sonder-
schäden, zum Beispiel der Flutkatastrophe, können Sie
mit einer Größenordnung von 250Millionen Euro rechnen,

Parl. Staatssekretär Rezzo Schlauch




Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
die der Steuerzahler in ein System stecken würde, bei dem
rund 25 Prozent der Beiträge der Bauern für Verwal-
tungskosten ausgegeben werden müssten. Das ist eine so
erhebliche Summe, dass man sehr genau darüber nach-
denken sollte, ob ein solcher Vorschlag machbar und halt-
bar ist und ob er gut begründbar allein auf den landwirt-
schaftlichen Sektor beschränkt werden kann.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501818300

Zweite Zusatzfrage, bitte schön.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501818400

Meine zweite Zusatzfrage: Es geht mir neben dem Vor-

schlag von Sachsen um weitere Beispiele. Ich habe ein-
mal nachgesehen, wie man in Österreich vorgeht. Dort
scheint eine Mischfinanzierung ganz gut zu funktionie-
ren. Der Bund und das Land übernehmen jeweils 25 Pro-
zent und die Bauern 50 Prozent der Finanzierung. Man
müsste natürlich genauer betrachten, wie das in absoluten
Zahlen aussieht.

Haben Sie Einblicke in andere Länder? Können Sie sa-
gen, ob zum Beispiel Österreich in dieser Angelegenheit
ein Vorbild für uns sein kann?

Ma
Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1501818500


Natürlich habe ich bei der gründlichen Analyse der Po-
sition unseres Hauses Einblicke in die in anderen Ländern
bestehende Mehrgefahrenversicherung gewinnen kön-
nen. Die Spanier beispielsweise haben ein ähnliches Sys-
tem. Sie haben es soeben selber gesagt: Das sind Systeme,
die auf nationalstaatlicher Ebene finanziert werden, das
heißt nicht von Brüssel kofinanziert sind.

Der sächsische Vorschlag enthält aber eine Variante,
bei der man sehr stark auf eine Brüsseler Kofinanzierung
setzt, wodurch ein beträchtlicher Teil der Kosten außer-
halb unseres Haushaltes beglichen wird. Das sieht auf den
ersten Blick gut aus. Da wir dieses System aber auf andere
Länder übertragen müssten, käme das den deutschen
Steuerzahler sehr teuer zu stehen.

Man kann einzelne Aspekte verschiedener Agrarversi-
cherungssysteme schlecht miteinander vergleichen. Es
gibt, wie gesagt, in manchen Ländern Mehrgefahrenver-
sicherungen und in anderen Ländern eine solche Absiche-
rung wie bei uns, nämlich dass man bei Krisen den Steuer-
zahler heranzieht, womit man mehr Flexibilität hat. Denn
wir können – ich will es noch einmal sagen – die Land-
wirte nicht verpflichten, eine solche Versicherung abzu-
schließen. Wir werden, wenn in einer Region ein Krise
eintritt und nur ein Drittel der Landwirte eine solche Ver-
sicherung hat, immer vor der Frage stehen, wie wir mit
den übrigen zwei Dritteln umgehen. Man könnte sagen:
Das ist deren Pech. Aufgrund meiner Erfahrungen weiß
ich aber, dass, wenn es konkret wird, die betroffenen Re-
gionen auf allen Ebenen Bitten formulieren werden, auch
den nicht versicherten Betrieben zu helfen.

Summa summarum muss man sagen: Die Sache wird
für alle Beteiligten sehr teuer.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501818600

Eine ergänzende Frage des Kollegen Hans-Michael

Goldmann.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501818700

Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben die grundsätzli-

che Position Ihres Hauses an. Wenn die Rahmenbedingun-
gen, also eine Mischfinanzierung, Modulationsmittel und
eine entsprechende Beteiligung, gegeben wären, sagen Sie
dann: „Wir wollen uns auf den Weg machen, um eine
Mehrgefahrenversicherung für den Bereich der Agrarwirt-
schaft auf die Beine zu stellen“, oder halten Sie eher an der
meiner Meinung nach richtigeren Position fest und sagen:
„Das muss in der Verantwortung des Einzelnen bleiben“?
Denn Sie hatten ja ausgeführt, dass ein solches Vorgehen
auch Ausweitungen zum Beispiel auf die Bauwirtschaft,
den Tourismus und ähnliche Bereiche haben würde.

Ma
Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1501818800


Ich habe darauf hingewiesen, dass für uns eine Misch-
finanzierung mit europäischen Mitteln nicht in Betracht
kommt. Denn die Konsequenz daraus ist, dass wir uns
auch in anderen Ländern erheblich beteiligen müssten.
Das scheint mir unter dem Gesichtspunkt, dass die Bun-
desregierung ihre Nettozahlungen verringern und nicht
erhöhen möchte, nicht sinnvoll zu sein.

Im Großen und Ganzen glaube ich, dass man, falls die
Länder gemeinsam mit den Landwirten Vorschläge ent-
wickeln, die dann auch tragbar sind, darüber sprechen
kann, ob etwa im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe
oder anderer Möglichkeiten geholfen werden kann. Wir
verschließen hier unsere Augen nicht völlig. Wir sind aber
nicht bereit, ein System einzuführen, bei dem auf den
Bund das Gros der Kosten zukommt, das dann aber nicht
die komplette Landwirtschaft abdeckt, sondern nur einen
Teil der Betriebe, womit für die Allgemeinheit im Scha-
densfall wieder neue Probleme auftauchen.

Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Vorschläge,
die uns bisher vorliegen, lassen unser Ministerium zu der
Position kommen, dass man solche Systeme ablehnen
sollte. Selbst wenn wir die entsprechenden rechtlichen
Möglichkeiten hätten, wäre es ein ziemlicher ordnungs-
politischer Sündenfall, wenn wir alle Betriebe rechtlich
verpflichten würden, an solchen kollektiven Sicherungs-
systemen teilzunehmen.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501818900

Wir kommen nun zur Frage 22 der Kollegin Klöckner:

Ist die Bundesregierung bereit, den Aufbau einer Mehrgefah-
renversicherung für die Landwirtschaft finanziell zu unterstützen
und, wenn ja, in welcher Höhe?

Ma
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501819000


Ich beantworte Ihre Frage auch mit einem Ausdruck
des Bedauerns, weil ich einen Teil der Antwort jetzt schon
Herrn Goldmann gesagt habe.


(A)



(B)



(C)



(D)


1396


(A)



(B)



(C)



(D)






Die Bundesregierung ist nach dem, was bisher an Vor-
schlägen vorliegt, nicht bereit, die großen finanziellen Be-
lastungen zu übernehmen. Sie weist insbesondere darauf
hin, dass die Kostenkalkulationen für solche Versiche-
rungsmodelle den normalen Schadensfall, das heißt nor-
male Ernteausfälle infolge unterschiedlicher Vegetations-
bedingungen, über die Jahre ausgleichen würden. Eine
Absicherung der großen Krisen, die ja die Hauptsorgen
der Landwirte darstellen, wäre noch einmal erheblich teu-
rer. Vor diesem Hintergrund stehen wir den bisher ge-
machten Vorschlägen auf der Basis der heutigen Informa-
tionen skeptisch gegenüber.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1501819100

Zusatzfrage? – Kollegin Klöckner.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501819200

Sie erwähnten, dass Versicherer auf Sie zugekommen

sind bzw. dass – wenn ich es richtig verstanden habe –
Versicherer in diese Diskussion aktiv eingestiegen sind.
Können Sie näher erläutern, wie deren Vorschläge ausge-
sehen haben? Handelt es sich dabei um die Vorschläge,
die Sie schon skizziert haben oder gibt es noch weitere,
mit denen man vielleicht doch arbeiten könnte?

Ma
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501819300


Grundlage der Diskussion war ein Vorschlag aus dem
Jahr 2001, in dessen Berechnung auch Versicherer invol-
viert waren. Wir als Ministerium haben intensiv geprüft,
ob solche Vorschläge realisierbar sind. Sie rechnen sich
für die Beteiligten, sowohl für die Versicherungswirt-
schaft als auch für die landwirtschaftlichen Betriebe, un-
ter zwei Bedingungen: Bedingung Nummer eins ist, dass
der Bund dafür sorgt, dass die Sache finanziell so attrak-
tiv wird, dass möglichst viele Landwirte in den Regionen
motiviert werden mitzumachen. Bedingung Nummer
zwei ist, dass sich der Bund über die Absenkung der Prä-
mien hinaus erheblich finanziell an der Absicherung des
Risikos beteiligt. Das würde dann zu den relativ hohen
Summen führen, die insbesondere auf den Bundeshaus-
halt zukämen.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501819400

Nun kommen wir zur Frage 23 des Kollegen Goldmann:

Liegen der Bundesregierung Hinweise oder Warnungen vor,
dass nicht nur mit Pilzen verunreinigter Weizen aus der Ukraine
nach Kanada exportiert worden ist, sondern ebenfalls nach
Deutschland gelangen konnte, vergleiche „Ernährungsdienst“
vom 8. Januar 2003?

Ma
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501819500


Herr Kollege Goldmann, bei dem in der Zeitschrift
„Ernährungsdienst“ vom 8. Januar 2003 erwähnten Fall
handelt es sich um einen Verstoß gegen die kanadischen

Einfuhrvorschriften zum Schutz der Pflanzengesundheit
und zugleich um einen Betrugsfall. Bei dem von Kanada
festgestellten Pilzbefall handelt es sich um die Pflanzen-
krankheiten Weizenstängelbrand und Zwergsteinbrand
des Weizens. Ich erspare es mir, die entsprechenden latei-
nischen Namen zu nennen, und danke für Ihr Verständnis.

Die beiden Pilzkrankheiten kommen in der EU und in
Deutschland im Weizen vor, in Kanada jedoch nicht oder
nur in bestimmten Gebieten. Kanada hat daher – das geht
mit den entsprechenden WTO-Regeln konform – beson-
dere phytosanitäre Einfuhrvorschriften zum Schutz seiner
landwirtschaftlichen Erzeugung, auf die man sich in die-
sem Fall auch beruft. Eine Gefährdung der menschlichen
Gesundheit durch diese Pilze besteht nicht unmittelbar und
ist auch nicht der Grund für den kanadischen Einfuhrstopp.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1501819600

Zusatzfrage, Herr Kollege Goldmann? – Bitte.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501819700

Herr Staatssekretär, kann man also davon ausgehen,

dass das Getreide nicht nur nach Kanada exportiert wurde,
sondern auch nach Deutschland gekommen ist?

Ma
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501819800


Herr Abgeordneter, ich verfüge nicht über Erkennt-
nisse darüber, aus welcher Region dieses Getreide gelie-
fert worden ist. Es verhält sich aber so, dass die Pilze, die
in dem Getreide gefunden wurden, das nach Kanada ex-
portiert worden ist, durchaus auch bei Getreide, etwa
Roggen oder Weizen, das in Mitteleuropa produziert
wurde, gefunden werden können. Insofern handelt es sich
hierbei nicht um ein phytosanitäres Problem, bei dem ein
besonderes Eingreifen unserer Behörden angezeigt wäre,
im Gegenteil: Würden wir unsererseits einen solchen Fall
zum Anlass nehmen, um unseren Markt vor entsprechen-
den Lieferungen abzuschotten, verstießen wir gegen die
einschlägigen Regeln der WTO. Das kann ja nicht im
Sinne der auch von Ihnen erhobenen Forderung nach ei-
nem freien Welthandel sein.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501819900

Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501820000

Herr Staatssekretär, haben Sie das Getreide, das aus der

Ukraine gekommen ist und das in Deutschland auf dem
Markt ist, auf Pilzbefall untersucht und, wenn ja, welche
Konsequenzen haben Sie daraus abgeleitet?

Ma
Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1501820100


Zunächst einmal muss man über den Pilzbefall sagen,
dass er sich erheblich auswirkt und vor allem in der

Parl. Staatssekretär Matthias Berninger




Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
Vergangenheit dann zu Krankheiten geführt hat, wenn
man unbehandeltes Getreide im Folgejahr wieder ausge-
sät hat. Deswegen sind die meisten Landwirte dazu über-
gegangen, ihr Getreide vor der Aussaat zu behandeln. Ein
Schaden entsteht also vor allem bei der Aussaat dieses Ge-
treides.

Darüber, inwieweit Lieferungen erheblich belastet wa-
ren, als mangelhaft dargestellt und von den Abnehmern
nur zu günstigeren Preisen erstanden wurden, liegen mir
keine Erkenntnisse vor.

Im Übrigen: Nicht ich habe mich auf den Weg ge-
macht, sondern es ist Aufgabe der Länderbehörden, ent-
sprechende Einfuhren genauer zu kontrollieren. Näheres
möchte ich in der Antwort auf Ihre zweite Frage aus-
führen.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501820200

Wir kommen zur Frage 24 des Kollegen Goldmann:

Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw.
wird sie noch ergreifen, um sicherzustellen, dass mit Pilzen ver-
unreinigter Weizen aus der Ukraine nicht nach Deutschland ge-
langen kann?

Ma
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501820300


Die Bundesregierung hat sich unverzüglich mit der
Canadian Food Inspection Agency in Verbindung gesetzt
und hat Informationen über die Beanstandungen bekom-
men. Es ist so, wie ich Ihnen gerade dargestellt habe: Wir
haben im WTO-Rahmen keine Möglichkeit, Einfuhr-
beschränkungen vorzunehmen. Deutschland sieht hierin
auch keine Bedrohung seiner landwirtschaftlichen Pro-
duktionen über das Gesagte hinaus.

Die Länder sind für solche Einfuhrkontrollen zustän-
dig. Es wird zurzeit auf europäischer Ebene über eine
Veränderung der Vorschriften hinsichtlich der Kontrolle
bei pflanzlichen Einfuhren nachgedacht. Wir in Deutsch-
land sind einen Schritt weiter: In den nächsten Tagen
wird vom BVL eine allgemeine Verwaltungsvorschrift
vorgelegt, die die Tätigkeit der Kontrollbehörden der
Länder harmonisieren soll, um sicherzustellen, dass wir
auch bei pflanzlichen Produkten, die in die EU eingeführt
werden, vernünftige Proben von Stichproben erhalten.
Dazu werden in den nächsten Tagen Vorschläge vorlie-
gen.

Solche phytosanitären Probleme sind darin enthalten.
Es kann neben diesem Pilzbefall auch noch zu anderen
Erkrankungen des Getreides kommen, die für die mensch-
liche Gesundheit problematischer sind. Wir haben von
deutscher Seite aus die EU-Kommission schon mehrfach
darauf hingewiesen, dass wir diese Mykotoxine, die ein
erhebliches Gesundheitsgefährdungspotenzial haben, von-
seiten der EU mit stärkerem Gewicht beachtet sehen wol-
len. Langsam, aber sicher bewegt sich der Koloss.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1501820400

Zusatzfrage, Kollege Goldmann.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501820500

Herr Staatssekretär, Sie haben zu Recht ausgeführt,

dass das in erster Linie Ländersache ist. Haben Sie mit
den Ländern Kontakt aufgenommen, um den deutschen
Markt vor solchen Produkten zu schützen, oder kann man
sagen, dass in Kanada ein größerer Schutz der Verbrau-
cher oder der Aussaatbetriebe besteht als in Deutschland?

Ma
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501820600


Nein, das kann man absolut nicht sagen. Die phytosa-
nitären Regelungen sehen vor, dass Länder, zum Teil auch
Kontinente ermächtigt sind, die Einfuhr bestimmter
belasteter pflanzlicher und tierischer Produkte zu verbie-
ten, um zu vermeiden, dass sich in einem Land oder auf
einem Kontinent eine bestimmte Tier- oder Pflanzen-
krankheit breit macht. Das gilt selbst dann, wenn die ent-
sprechende Krankheit oder der entsprechende Pilzbefall
für die menschliche Gesundheit keine Beeinträchtigung
darstellen.

Vor diesem Hintergrund hat Kanada die Möglichkeit
einzugreifen, weil es eine solche Krankheit im eigenen
Lande nicht gibt. Wir haben diese Möglichkeit nicht, weil
die gleiche Krankheit bei uns vorkommt und früher, als
man das Saatgut nicht ausreichend vorbehandelt hatte, so-
gar in großem Ausmaß vorgekommen ist.

Es gibt andere sanitäre Vorschriften der Europäischen
Union, nach denen wir bestimmte Importe verweigern
können. Dritte Länder können sich, weil sie das Problem
im eigenen Land – ähnlich wie in diesem Fall die EU –
haben, nicht auf solche Vorschriften berufen. Das sind
höchst spezifische Regelungen, um die im WTO-Maßstab
beim SPS-Abkommen, das sanitäre und phytosanitäre
Fragen des Welthandels klärt, hart gerungen wird.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501820700

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-

teriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen
steht der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow
zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 25 des Kollegen Werner Kuhn:
Sind der Bundesregierung die planungsrechtlichen Bedenken

betroffener Gemeinden gegen das bis Januar 2002 durchgeführte
Anhörungsverfahren über die künftige Nutzung des Truppen-
übungsplatzes Wittstock bekannt und, wenn ja, welche Aus-
wirkungen hat diese Kenntnis auf die im Koalitionsvertrag der
Regierungsparteien vereinbarte kurzfristige Überprüfung der mi-
litärischen Planung am Standort Kyritz-Ruppiner Heide durch die
Bundesregierung?

W
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501820800


Danke, Herr Präsident.
Lieber Herr Kollege Kuhn, die von Ihnen in Ihrer Frage

erwähnten Bedenken der betroffenen Gemeinden gegen
das aufgrund der Entscheidung des Bundesverwaltungs-


(A)



(B)



(C)



(D)


1398


(A)



(B)



(C)



(D)






gerichts vom 14. Dezember 2000 durchgeführte Anhö-
rungsverfahren zur geplanten militärischen Nutzung des
Truppenübungsplatzes Wittstock sind der Bundesregie-
rung bekannt. Die Gemeinden haben im Rahmen des
durchgeführten Anhörungsverfahrens Bedenken gegen
dieses Verfahren als solches und wegen entgegenstehen-
der gemeindlicher Planungen erhoben.

Die Verfahrensbedenken werden nach Rechtsauffas-
sung der Bundesregierung nicht geteilt und üben somit
keinen Einfluss auf die in der Koalitionsvereinbarung
vereinbarte Überprüfung der militärischen Planungen für
den Truppenübungsplatz Wittstock aus.

Die wegen widerstreitender kommunaler Planungen
erhobenen Einwände der betroffenen Gemeinden werden
sowohl bei der im Koalitionsvertrag vereinbarten Über-
prüfung als auch im Entscheidungsprozess des An-
hörungsverfahrens umfassend geprüft, um durch eine aus-
gewogene Würdigung aller Interessen eine abschließende
Entscheidung der Bundesregierung sorgfältig vorzube-
reiten.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1501820900

Zusatzfrage, Kollege Kuhn.


Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501821000

Herr Staatssekretär, auf welcher rechtlichen Grundlage

basiert das Anhörungsverfahren und wie erklärt sich die
Bundesregierung, dass in diesem Verfahren ein erheb-
licher Unmut der Belegenheitsgemeinden wegen der
nicht entsprechend ausgefertigten Anhörungsunterlagen
entstanden ist und dass hier vonseiten der nordbranden-
burgischen Städte und Gemeinden sowie des Landkreises
erhebliche Kritik gekommen ist?

W
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501821100


Die Rechtsgrundlage bilden die bisherigen rechtlichen
Abläufe und die Verpflichtung durch das Gericht, das An-
hörungsverfahren durchzuführen. Die auch anwaltschaft-
lich vorgebrachten Bedenken, dass das diesbezügliche
Anhörungsverfahren unter schwerwiegenden Verfahrens-
mängeln leide, werden von uns nicht geteilt. Die Rechts-
einschätzung des Bundesministers der Verteidigung ist
eine andere. Deswegen wurde auch dem rechtsanwalt-
schaftlich vorgebrachten Antrag nicht entsprochen.

Wir wissen um die Kontroverse, die es darum seit län-
gerem gibt. Sie haben mir heute entsprechende Unter-
schriften überreicht.


(Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Korrekt!)

Auf der Grundlage des Ergebnisses der Anhörung wer-

den wir – wie bereits dargetan – eine Verwaltungsent-
scheidung zu Art und Umfang der beabsichtigten militä-
rischen Nutzung nicht nur vorbereiten, sondern auch
treffen.


Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1501821200

Weitere Zusatzfrage?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501821300

Jawohl. – Herr Staatssekretär, Ihnen ist bekannt, dass

der Ausschuss für Angelegenheiten der Neuen Länder im
Einvernehmen mit dem Verteidigungsausschuss eine öf-
fentliche Sitzung in Form einer Anhörung zu dem Thema
wirtschaftliche Auswirkungen nicht nur auf die Region
Kyritz-Ruppiner Heide, sondern auch auf die Region der
Mecklenburgischen Seenplatte durchgeführt hat. Inwie-
weit hat Ihr Ministerium die Ergebnisse dieses An-
hörungsverfahrens mit in das laufende Verfahren einbe-
zogen?

W
Werner Kuhn (CDU):
Rede ID: ID1501821400


Wir haben Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender
des Ausschusses für Angelegenheiten der Neuen Län-
der zu dem besagten Anhörungsverfahren bereits im
April 2002 einen ausführlichen Sachstandsbericht zu-
gesandt und haben zu dem hieraus resultierenden Wirt-
schaftsfaktor im Zusammenhang mit der militärischen
Nutzung Auskünfte gegeben. Diese Ausführungen mit
den entsprechenden Inhalten zur wirtschaftlichen Ent-
wicklung der Kyritz-Ruppiner Heide und der Mecklen-
burgischen Seenplatte sind natürlich entsprechend beur-
teilt worden.

Wir haben feststellen können, dass die Region durch
die militärische Nutzung, die wir auch heute hier in der
Fragestunde miteinander erörtern, nicht benachteiligt
worden ist und dass sie dadurch auch nicht gelitten hat.
Auch die Übernachtungszahlen sind nicht zurückgegan-
gen. Vielmehr können wir davon sprechen, dass die mi-
litärische und auch wirtschaftliche sowie insbesondere
fremdenverkehrsmäßige und der Förderung der Gesund-
heit vieler Menschen dienende Nutzung dieser Regionen,
dieser attraktiven Landschaft miteinander vereinbar ist.


Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1501821500

Nun kommen wir zur Frage 26 des Kollegen Kuhn:

Wie schätzt die Bundesregierung den durch eine ihren ur-
sprünglichen Vorstellungen entsprechende militärische Nutzung
des Truppenübungsplatzes Wittstock entstehenden (tourismus-)

wirtschaftlichen Nachteil für die betroffenen Regionen Mecklen-
burg-Vorpommerns und Brandenburgs ein und wie hoch beziffert
sie demgegenüber die sich aus dieser Nutzung ihrer Ansicht nach
ergebenden wirtschaftlichen Vorteile für die gesamte Region?

W
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501821600


Herr Kollege, im Einklang mit der Auffassung des
brandenburgischen Ministeriums für Wirtschaft, das sich
aufgrund der strukturschwachen Region um Wittstock mit
Nachdruck für die vom Bundesministerium der Verteidi-
gung vorgestellten Pläne ausgesprochen hat und zudem
dort in den kommenden Jahren keine vergleichbaren
strukturverbessernden Projekte erwartet, sieht die Bun-
desregierung auch im Zusammenhang mit dem, was ich
gerade gesagt habe, durch die beabsichtigte militärische
Nutzung keine Nachteile für den Tourismus oder andere
Wirtschaftszweige im regionalen Bereich des Truppen-
übungsplatzes.

Parl. StaatssekretärWalter Kolbow




Parl. StaatssekretärWalter Kolbow

Dem Bundesministerium der Verteidigung ist keine
Region bekannt, in der Tourismus oder andere Wirt-
schaftszweige aufgrund von militärischen Tiefflügen
nachweislich Schaden genommen haben. Persönlich kann
ich das angesichts meiner Erfahrungen unterstreichen, die
ich in vorangegangenen Legislaturperioden gewonnen
habe, als ich Vorsitzender eines Unterausschusses des
Verteidigungsausschusses war, der sich insbesondere mit
den Auswirkungen von Tieffluglärm in bestimmten Re-
gionen unseres Landes beschäftigt hat.

Eine vergleichende Betrachtung von Flugbetriebszah-
len der Luftwaffe und Tourismuszahlen des Statistischen
Bundesamtes lässt keine direkte Abhängigkeit der Ent-
wicklung von Übernachtungszahlen vom Umfang der Tief-
flugbelastung erkennen. So ist zum Beispiel im Landkreis
Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg die Zahl der Gästeüber-
nachtungen gestiegen, während auf dem Truppenübungs-
platz Wittstock militärischer Flugbetrieb durchgeführt
wurde. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass durch
die ausreichenden Entfernungen zu den touristischen Zen-
tren der Region militärische Nutzung und Tourismus in
Einklang gebracht werden können.

Bei den durch die Realisierung der militärischen Nut-
zung zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteilen für die
Region geht die Bundesregierung von den nachfolgenden
Zahlen aus: Investitionen von circa 62 Millionen Euro für
notwendige Infrastrukturmaßnahmen, ein Sanierungsvo-
lumen von circa 51 Millionen Euro bei der Altlastenbe-
seitigung, ein Kostenvolumen von circa 128 Millionen
Euro für die Munitionsräumung, Beschäftigung von
durchschnittlich 400 Arbeitskräften für einen Zeitraum
von zehn bis 15 Jahren im Rahmen von Munitionsräu-
mung und Altlastenbeseitigung, des Weiteren eine dauer-
hafte Anstellung von circa 150 Zivilbeschäftigten bei der
Bundeswehr und schließlich ein Zuwachs an jährlicher
Wirtschaftskraft von circa 10 Millionen Euro durch den
Betrieb von Truppenübungsplatz und Garnison.


Werner Kuhn (CDU):
Rede ID: ID1501821700

Eine Zusatzfrage des Kollegen Kuhn.


Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1501821800

Herr Staatssekretär, Sie haben die wirtschaftliche Ent-

wicklung der Region trotz der militärischen Belastungen
gerade in ein sehr positives Licht gestellt. Sind Sie mit mir
dennoch der Auffassung, dass die Planungsunsicherheit
und das schwebende Verfahren zur Indienststellung des
Luft-Boden-Schießplatzes in Wittstock – davon wären die
Mecklenburgische Seenplatte und Kyritz-Ruppiner Heide
betroffen – dort eine Auswirkung auf zukünftige Investi-
tionen im Bereich Tourismus haben werden und die Re-
gion in eine Benachteiligung gerät, da sich in Zeiten einer
Rezession potenzielle Kapitalanleger natürlich andere
Standorte aussuchen werden?

W
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501821900


Herr Kollege Kuhn, alle Beteiligten haben natürlich
Anspruch auf eine sorgfältige Durchführung bei dieser,

wie wir alle miteinander wissen, nicht einfachen Gemen-
gelage. Wir haben hier nach bestem Wissen und Gewissen
auf der Basis von rechtlichen Festlegungen gehandelt. Ich
kann Ihnen versichern, dass wir unverzüglich zu einer
Verwaltungsentscheidung kommen wollen.


Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1501822000

Darauf zielt meine Nachfrage, Herr Staatssekretär:

Welche Vorstellungen haben Sie über den zeitlichen Ab-
lauf des Planfeststellungsverfahrens für den Luft-Boden-
Schießplatz?

W
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501822100


Ich sagte unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes
Verzögern. Wir werden diese Entscheidung nach den
letztlich noch vorzunehmenden Abwägungsentscheidun-
gen so schnell wie möglich treffen. Ich denke, wir werden
im ersten Halbjahr zu einem Ergebnis kommen können.


Werner Kuhn (CDU):
Rede ID: ID1501822200

Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir sind damit am Ende der Fragestunde, da die Fra-

gen 27, 28 und 29 schriftlich beantwortet werden sollen.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:

Aktuelle Stunde
Haltung der Bundesregierung zu ihren ver-
schlechterten Prognosen für das Wirtschafts-
wachstum in Deutschland im Jahr 2003 und der
daraus geforderten Erhöhung der Neuver-
schuldung für den Bundeshaushalt

Diese Aktuelle Stunde hat die FDP beantragt.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das

Wort für den Antragsteller der Kollege Rainer Brüderle
von der FDP-Fraktion.


Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1501822300

Meine Damen und Herren! Ende des letzten und An-

fang dieses Jahres haben wir eine Diskussion der grün-ro-
ten Bundesregierung über Steuerfragen und Steuererhö-
hungen erlebt. Der Bundeskanzler hat dafür den Begriff
der Kakophonie gewählt. Ich nenne das Kakophonie
Teil 1.

Seit der letzten Woche erleben wir Kakophonie Teil 2.
Der Stimmenwirrwarr, der bei den Wachstumsprognosen
vernehmbar ist, schreit geradezu nach einem weiteren
Machtwort des Bundeskanzlers. Zuerst erklärt Herr
Eichel, die Wachstumsprognose werde reduziert. Das de-
mentiert Herr Clement dann – aus welchen Gründen auch
immer. Danach rudert Herr Eichel zurück.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Darin hat er Übung!)

Kurze Zeit später deutet Herr Clement schließlich an, dass
es in Deutschland doch nur ein Miniwachstum von etwa
1 Prozent geben wird. Ich weiß nicht, was beide Minister


(A)



(B)



(C)



(D)


1400


(A)



(B)



(C)



(D)






geritten hat. Solche Machtspielchen zu betreiben hat mit
einer seriösen Wirtschafts- und Finanzpolitik überhaupt
nichts zu tun.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Offiziell hat sich immer noch kein Regierungsvertreter

zu konkreten Wachstumszahlen geäußert. Die Zahlen der
Wirtschaftsforschungsinstitute liegen vor. Sie sollen aber
lieber mundtot gemacht werden. Man droht mit dem Ent-
zug der staatlichen Zuschüsse, weil Ihnen die Prognosen
der Wirtschaftsforschungsinstitute nicht passen. Das ist
eine Realitätsverweigerung.


(Dirk Niebel [FDP]: So ist es!)

Die Fachleute sagen, dass wir das dritte Jahr hinterei-

nander erleben werden, in dem das Wachstum unter der
Marke von 1 Prozent liegen wird. Die Wirtschaft stagniert,
die Haushaltslöcher werden tiefer und die Arbeitslosigkeit
wird größer. In dieser Situation reagiert Grün-Rot mit ei-
ner Hinhaltetaktik. Sie fangen das neue Parlamentsjahr so
an, wie Sie das alte Jahr beendet haben.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie verschweigen der Öffentlichkeit wichtige Informatio-
nen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Peter Dreßen [SPD]: Wo leben Sie denn?)


Stattdessen veranstalten Sie Kakophonie Teil 3. Jetzt
geht es um die Neuverschuldung. Herr Eichel will keine
neuen Schulden, während es für Herrn Clement durchaus
etwas mehr sein kann. Herr Schröder will keine neuen
Schulden, Herr Müntefering ist dafür. Frau Scheel tritt für
keine neuen Schulden ein. Frau Sager ist in dieser Frage
sehr offen. Trotzdem soll das Maastricht-Kriterium ein-
gehalten werden. Wahrscheinlich arbeiten Sie insgeheim
längst an der Mehrwertsteuererhöhung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen des Bundesministers der Finanzen Hans Eichel – Dirk Niebel [FDP]: Das Lachen sollte man filmen!)


Der Vorsitzende Ihrer größten Koalitionsfraktion, der
DGB-Chef Sommer, hat die Katze aus dem Sack gelas-
sen: Er fordert eine Mehrwertsteuererhöhung von 2 Pro-
zent. Die Pläne liegen wohl in der Schublade. Vor der
Landtagswahl wird sie natürlich verschlossen gehalten.
Welche Begründung auch immer gewählt wird, die Wahr-
scheinlichkeit, dass Sie damit kommen werden, ist groß.
Wenn im Irak das Schlimmste passiert, wird sie am
Schluss noch als Kriegsteuer deklariert.


(Beifall bei der FDP)

Wir haben hier einen Teufelskreis: immer höhere Ar-

beitslosigkeit, steigende Steuern, steigende Sozialabga-
ben und gleichzeitig steigende Staatsschulden. Wir brau-
chen eine wachstumsfördernde Politik. Das Land leidet an
zu wenig Wachstum.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Massenarbeitslosigkeit kostet jedes Jahr über 70 Mil-
liarden Euro. Wir werden nur mit mehr Wirtschafts-

wachstum wieder mehr Steuern einnehmen und mehr Be-
schäftigung erreichen können. Das ist die entscheidende
Maßnahme, um voranzukommen.


(Beifall bei der FDP)

Herr Eichel hat sich vor kurzem auf Karl Schiller be-

rufen. Ich darf daran erinnern, dass Karl Schiller ein So-
zialdemokrat war. Manche wissen es vielleicht nicht
mehr. Man hat die Störung des gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewichts ausgerufen. Ich hoffe, das war nicht nur
ein billiger Trick, um einen verfassungswidrigen Haushalt
zu vermeiden.

Grün-Rot hat also festgestellt, dass wir uns in einer
keynesianischen Situation mit Unterbeschäftigung und
faktischem Nullwachstum befinden. Für eine solche
keynesianische Situation hat Karl Schiller damals den
Art. 115 des Grundgesetzes und das Stabilitäts- und
Wachstumsgesetz gestaltet. Sie machen aber nicht einmal
Keynes oder Karl Schiller. Schauen Sie doch einmal ins
Stabilitäts- und Wachstumsgesetz hinein! Karl Schiller
wusste noch, dass bei der Störung eines gesamtwirt-
schaftlichen Gleichgewichts Steuersenkungen angezeigt
sind. Aufgrund des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes
können Sie ohne eine Gesetzesänderung unverzüglich
steuerliche Entlastungen vornehmen, um die Wirtschaft in
Gang zu bringen, anstatt Steuern zu erhöhen und dies
dreisterweise noch als Abbau von Steuerprivilegien zu
kostümieren. Faktisch sind das, was Sie machen, Steuer-
erhöhungen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wahrscheinlich ist das Nettogehalt eines Facharbeiters

in Ihrer Denke schon ein Steuerprivileg.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Ökonomisch gesehen entziehen Sie mit Ihren Maßnah-
men unseren Bürgern und Unternehmen in einer Situa-
tion, in der wir an einer Nachfrageschwäche im Konsum-
und im Investitionssektor leiden, 17 Milliarden Euro im
Jahr. Der gesamte wirtschaftswissenschaftliche Sachver-
stand bescheinigt Ihnen, dass das, was Sie machen, völlig
falsch ist. Sie beschimpfen die Sachverständigen, weil sie
nicht Ihrer Meinung sind. Sie bedrohen sie mit Entzug der
Zuschüsse, weil Ihnen deren Meinung nicht passt.

Jetzt kommt die niedersächsische Wunderwaffe, Herr
Gabriel. Herr Gabriel hat noch vor kurzem die Wieder-
einführung der Vermögensteuer gefordert, obwohl diese
durch Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 2 auf
3,5 Prozent voll kompensiert wurde. Zusätzlich fordert er
die Erhöhung der Erbschaftsteuer.


(Beifall bei der FDP)

Plötzlich sind die Umfrageergebnisse in Niedersachsen
schlecht. Daher fordert Herr Gabriel jetzt Steuersenkun-
gen, nämlich die nächste Stufe der Steuerreform vorzu-
ziehen, weil er spürt, dass die Wahl für ihn sonst sehr
schlecht ausgehen wird. Damit ist Kakophonie Teil 4 he-
raufbeschworen.

Nun hat er etwas Neues entdeckt: Die Flutkosten sind
niedriger ausgefallen als veranschlagt. Es sind 2,5 bis
3,5 Milliarden Euro übrig, die man dafür nicht braucht,

Rainer Brüderle




Rainer Brüderle
obwohl diese Summe ursprünglich geschätzt wurde. Wes-
halb geben Sie denn den Bürgern ihr Geld nicht zurück?
Wenn Sie Herrn Gabriels Vorschlag aufgreifen, bedeutet
das eine Entlastung der Lohn- und Einkommensteuer von
5 Prozent. Das können Sie mit dem Stabilitäts- und
Wachstumsgesetz sofort machen, damit das Vertrauen in
die Wirtschaft wächst und die Leute die Angst vor dem
Verlust ihres Arbeitsplatzes verlieren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Werner Kuhn (CDU):
Rede ID: ID1501822400

Herr Kollege Brüderle, kommen Sie bitte zum Schluss.


Walter Kolbow (SPD):
Rede ID: ID1501822500

Mein letzter Satz, Herr Präsident.
Diese Maßnahme bringt die Möglichkeit, zu konsu-

mieren und zu investieren.
Sie müssen endlich handeln. Wenn Sie uns nicht glau-

ben, dann glauben Sie vielleicht Karl Schiller. Er war gar
kein so schlechter Wirtschaftsminister.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501822600

Das Wort hat jetzt Herr Bundesminister Wolfgang

Clement.

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Herr Kollege Brüderle, Ihrem letzten Satz stimme ich
zu und will ihn sogar noch unterstreichen: Karl Schiller
war nicht nur kein schlechter, sondern ein hervorragender
Wirtschaftsminister. Alles andere, was Sie gesagt haben,
ist allerdings in Zweifel zu ziehen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sehr milde!)

– Das ist milde formuliert, ja.

Wenn Sie Begriffe wie Seriosität, Kakophonie – dieser
Begriff scheint Ihnen besonders auf der Zunge zu liegen –


(Rainer Brüderle [FDP]: Den Begriff hat der Kanzler geprägt!)


oder Kostümierung verwenden – ein Begriff, der Ihnen als
Rheinland-Pfälzer natürlich nahe liegt –, dann frage ich
Sie: Wie soll ich den Debattenbeitrag einer Fraktion be-
zeichnen, der sich auf Fakten bezieht, die es noch gar nicht
gibt? Was Sie hier aufführen, ist wirklich eine virtuelle
Veranstaltung. An dieser Veranstaltung mit der dazu pas-
senden Kostümierung beteilige ich mich gerne. Aber es
muss klar sein, dass dies eine virtuelle Veranstaltung ist.

Sie haben mit zwei Dingen gerechnet. Erstens. Sie be-
ziehen sich auf verschlechterte Prognosen der Bundesre-
gierung. Diese gibt es nicht bzw. noch nicht.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Bundesregierung wird sich am 29. Januar in ihrem
Jahreswirtschaftsbericht dazu äußern. Wenn schon Be-
griffe wie Seriosität hier genannt werden, dann muss es
doch möglich sein, auf Prozesse und deren Ergebnisse
hinzuweisen, die dann seriös beurteilt werden müssen.
Das ist derzeit jedenfalls nicht möglich.

Zweitens. Sie haben die Hoffnung gehabt, hier werde
eine Verschuldungsdiskussion erster Güte entbrennen.
Nachdem gestern der Kanzler – Sie haben auf das Kanz-
lerwort gewartet, ich übrigens auch – und auch der Fi-
nanzminister ihr Wort gesprochen haben, ist die Grund-
lage für die Debatte eigentlich entfallen. Sie hätten sagen
müssen: Warten wir bis zum 29. Januar und diskutieren
dann seriös weiter. Das wollen Sie nicht. Aber Ihre Rede
wird die Welt nicht verändern.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Sie wollen über die Wahlen kommen!)


Ich habe nicht die Absicht, mich an diesen Grau-in-
Grau-Diskussionen zu beteiligen. Dies gilt auch für den
Wettlauf um Prognosen, die immer mehr nach unten zei-
gen müssen. Wir werden die Diskussion über Prognosen,
die Wahrscheinlichkeitsrechnungen sind und in weltwirt-
schaftlich unsicheren Situationen wie jetzt besonders
schwierig aufzustellen sind, in aller Ruhe führen.

Wir werden uns damit aber nicht aufhalten. Entschei-
dend ist, dass in der Bundesrepublik Deutschland mehr
Wachstum – ich meine mehr Wachstum als zurzeit und als
wir auch im Jahr 2003 erreichen werden – stattfindet. Es
muss ein beschäftigungswirksames Wachstum sein, was
gleichzeitig zu einer Verbesserung der Situation am Ar-
beitsmarkt führt. Das ist das Ziel der Bundesregierung.

Das tun wir, indem wir mit unserer Politik das Wachs-
tum zu fördern versuchen.


(Dr. Hans-Peter Friedrich [Hof] [CDU/CSU]: Steuererhöhungen!)


So und nicht anders bringt man auch den Haushalt in Ord-
nung. Es gilt im Grunde genommen das, was der frühere
amerikanische Präsident Clinton bewiesen hat, nämlich
dass Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit langfristig
nur über ein stärkeres Wirtschaftswachstum abgebaut wer-
den können. Ohne ein solches stärkeres Wirtschaftswachs-
tum – dieses Wachstum muss Beschäftigungswirksamkeit
früher entwickeln, als das bisher in Deutschland der Fall
ist – werden alle Einsparbemühungen auf die Dauer nicht
ausreichen oder sogar kontraproduktiv wirken.

Deshalb ist es das wichtigste Ziel sowohl der Wirt-
schafts- als auch der Finanzpolitik, die Wirtschaft wieder
mittelfristig auf einen stärkeren Wachstumspfad zu brin-
gen. Dazu bedarf es auch des Abbaus des strukturellen
Staatsdefizits. In diesem Prozess befinden wir uns zurzeit.
In diesem Prozess setzen wir auf die Kraft der deutschen
Volkswirtschaft. Sie zeigt diese Kraft in den Exporterfol-
gen, die die deutsche Volkswirtschaft unverändert auf-
weist, im Prozess der Europäischen Währungsunion, in
den wir mehr einbringen als jede andere Volkswirtschaft,
und im Aufbau Ost, bei dem wir in Deutschland eine ge-
meinsame Leistung erbringen, die anderen Volkswirt-
schaften nicht abverlangt wird. Das ist die Kraft, die die
deutsche Volkswirtschaft hat.


(A)



(B)



(C)



(D)


1402


(A)



(B)



(C)



(D)






Dennoch heißt dies unter veränderten weltwirtschaftli-
chen Bedingungen – mit neuen und verstärkten Unsicher-
heiten angesichts eines drohenden Irakkonflikts –, dass
wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften die Re-
formen bzw. die Veränderung der Strukturen angehen
müssen. Das ist die Politik, die wir vollziehen. Das tun wir
unter dem Stichwort „Hartz-Konzept umsetzen“, was von
anderen – zu Recht – sehr viel stärker anerkannt wird als
von Ihnen, Herr Kollege Brüderle. Deshalb starten wir
– das ist heute geschehen – die Initiative „Pro Mittel-
stand“. Ich freue mich sehr, dass wir ein Programm auf
den Weg bringen, mit dem wir Unternehmensgründungen
in Deutschland fördern und die mittelständische Wirt-
schaft insgesamt stärken können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dazu können wir auch dadurch beitragen, dass wir bei-
spielsweise mit dem Aufbau einer öffentlich-rechtlichen
Mittelstandsbank die Hausbanken in die Lage versetzen
und sie dabei unterstützen, gegenüber den kleinen und
mittleren Unternehmen bei der Kreditgewährung zur Bil-
dung von Eigenkapital offener zu sein, als dies zurzeit der
Fall ist.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Da werden doch nur Türschilder ausgetauscht!)


Bei aller Bereitschaft, über die Situation und das, was
die Politik tun muss, zu diskutieren, müssen wir uns da-
rüber klar sein – das werde ich immer wiederholen –, dass
auch andere Bereiche in der Bundesrepublik Deutschland,
nicht zuletzt der Bankensektor, reformbedürftig sind.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wenn wir über ein erhebliches Handicap sprechen, mit
dem die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutsch-
land zurzeit zu kämpfen haben, gehört das sicherlich dazu.
Ich habe auch schon an anderer Stelle öffentlich erklärt:
Wenn ich frühmorgens – meistens ist es morgens – im
Fernsehen Herrn Walter von der Deutschen Bank höre, der
der Politik Ratschläge gibt, frage ich mich, warum er nicht
dem Vorstand seines Unternehmens und den Vorständen
der anderen Banken die richtigen Ratschläge erteilt hat. Da
wäre es auch am Platze, gelegentlich Rat zu geben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen erreichen, dass alle in Deutschland bei
dem mitwirken, was vor uns liegt. Es handelt es sich um
einen umfassenden Modernisierungsprozess, an dem sich
alle beteiligen müssen. Auch in der Wirtschaft bzw. in den
Unternehmen gibt es einen erheblichen Erneuerungs- und
Modernisierungsbedarf.

Wir wollen und müssen unsere Spitzenposition halten.
Die deutsche Volkswirtschaft befindet sich – unbestreit-
bar jedenfalls von allen, die sie von außen und nicht in-
nerhalb der parteipolitischen Auseinandersetzung be-
trachten – in einer Spitzenposition. Es kommt darauf an,
diese Spitzenposition zu stärken und zu stabilisieren. Das
ist für das Wachstum wichtig und für die Finanzpolitik ge-

nauso wie für die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik
von ausschlaggebender Bedeutung.

Lassen Sie mich eines hinzufügen: Die Prognosen
– Sie können sie allerorten nachlesen – werden sicherlich
Aussagen enthalten, dass den Erwartungen der Wissen-
schaft zufolge die Zahl der Arbeitslosen im nächsten Jahr
über 4 Millionen liegen wird. Ich möchte mich mit diesen
Erwartungen der Sachverständigen nicht abfinden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Vielmehr möchte ich das mobilisieren, was möglich ist,
auch im Sinne dessen, was Herr Hartz zu Recht gesagt
hat: dass wir unter dem Begriff „Profis der Nation“ – oder
unter welchem Begriff auch immer – diejenigen, die in
Deutschland Mitverantwortung tragen oder sich mitver-
antwortlich fühlen, zur Mitwirkung bewegen, um eine
ausreichende Zahl von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen
zu mobilisieren. Darum geht es, wenn wir über Politik
sprechen. Wenn wir die Sachverständigen für uns arbeiten
ließen und deren Aussagen für Fakten nähmen, könnten
wir uns schließlich abmelden. Das kann ich nicht emp-
fehlen. Vielmehr setzen wir die Fakten; jedenfalls können
wir die Fakten beeinflussen.


(Marita Sehn [FDP]: Warum machen Sie das nicht? – Gegenruf des Abg. Ludwig Stiegler [SPD]: Die können nur motzen!)


– Wir werden dies tun. Sie sind herzlich dazu eingeladen,
Frau Kollegin. Sie können gerne mitgehen, wenn wir uns
vor Ort über die Jobcenter um Ausbildungsplätze
bemühen. Sie sind jederzeit dazu eingeladen.

Was mir vorschwebt – Sie mögen das für blauäugig
halten –, ist, dass wir zur Bekämpfung der Arbeitslosig-
keit in Deutschland eine ähnliche soziale Bewegung ha-
ben werden, wie es sie im Umweltsektor bereits gibt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben uns die Schulden vorgehalten. Herr Kollege
Eichel wird gleich zum Schuldenstand Stellung nehmen:
zu den 620 Milliarden Euro, die wir von Ihnen übernom-
men haben – daran waren Sie als FDP ja auch beteiligt;
das nur zur Erinnerung –, und den 50 Milliarden, die wir
in den letzten vier Jahren zu verantworten hatten. Wir sind
auf einem Pfad, auf dem wir einen Vergleich mit Ihnen
und Ihrer Arbeit nicht scheuen müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Darin können sich unsere Diskussionen und Bemühun-
gen aber nicht erschöpfen. Wir brauchen eine soziale Be-
wegung, die das Thema Arbeitslosigkeit endlich so auf-
greift, wie es aufgenommen werden muss. Wenn wir mit
dem, was wir tagtäglich sagen, Recht haben, und dies
tatsächlich das wichtigste Thema ist – die Bürgerinnen
und Bürger sagen dies auch –, dann werden wir mit die-
sem Thema offensichtlich anders umgehen müssen, als
wir in den letzten 15 Jahren mit ihm umgegangen sind.
Das ist die Kernantwort.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bundesminister Wolfgang Clement




Bundesminister Wolfgang Clement

Wir werden Bewegung ins Land bringen müssen. Dazu
haben wir die ersten Hartz-Gesetze auf den Weg gebracht.
Diese Veränderungen sind aber erst der Beginn eines Pro-
zesses. Wir werden in Gang setzen, was zur Förderung des
Mittelstandes benötigt wird. Wir brauchen in Deutschland
eine neue Unternehmensstruktur.


(Zuruf der Abg. Dagmar Wöhrl [CDU/CSU])

– Frau Kollegin Wöhrl, das ist so; das wissen Sie auch.
Die Unternehmensstruktur in Deutschland ist, was Unter-
nehmensgründungen und Selbstständigenquote angeht,
im Vergleich mit fast allen anderen europäischen Volks-
wirtschaften langweilig. Diese Situation müssen und wol-
len wir ändern; dazu haben wir Initiativen auf den Weg ge-
bracht. Weitere werden folgen.

Dann freue ich mich auf die Diskussion über die Fak-
ten, Herr Kollege Brüderle. Wir brauchen uns nicht im
Kostüm – diese Zeit kommt erst noch – und nicht virtuell
zu zeigen. „Fakten, Fakten, Fakten“, schreibt ein Maga-
zin, von dem ich hoffe, dass es sich öfter daran halten
wird.

– Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/ CSU]: Ich dachte, jetzt käme noch etwas!)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1501822700

Das Wort hat jetzt der Kollege Dietrich Austermann

von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501822800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das neue

Jahr fängt an, wie das alte aufgehört hat: Chaos auf der
Regierungsbank, Durcheinanderreden, Geschwätz und
Maßnahmen, die die Wirtschaftskraft des Landes beein-
trächtigen und ihr nicht nützen. Der Wirtschaftsminister
redet wie jemand, der weiß, wie es geht. Aber er tut das
Gegenteil dessen, was zu tun ist.

Ich nehme ein ganz konkretes Beispiel. Es wird ein
Programm zur Förderung des Mittelstandes angekündigt,
das ein Volumen von etwa 50 Millionen Euro hat. Dem-
gegenüber wird die Wirtschaft, werden Bürger und Be-
triebe in den nächsten vier Jahren mit zusätzlichen Belas-
tungen in Höhe von etwa 100 Milliarden Euro überzogen.
Ein großer Teil der Belastungen besteht aus Steuererhö-
hungen, die Sie vorgesehen haben.

Ein Papier, das im Kanzleramt erarbeitet wurde, endet
mit folgenden Worten:

Die Bundesregierung wird mit ihrer makroökono-
misch konsistenten Wirtschaftspolitik die Wachs-
tumskräfte wieder entfesseln und knüpft dabei an
ihre erfolgreiche Politik der Zeit nach Lafontaine an,


(Heiterkeit bei CDU/CSU und FDP)

die durch exogene Schocks im Jahre 2001 und den
harten Wahlkampf 2002 unterbrochen wurde.


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Ich dachte, der Lafontaine hätte Hausverbot!)


– Ich weiß auch nicht. – Etwas weiter vorne heißt es in
dem Papier:

Es ist die Aufgabe, Vertrauen zu schaffen. Es muss
der Bundesregierung gelingen, dass die Menschen
Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Politik
zurückgewinnen.

Das enthält die Feststellung, dass die Bürger und Betriebe
zurzeit kein Vertrauen haben. Angesichts dessen reicht es
auch nicht aus, wenn der Wirtschafts- und Arbeitsminister
den Gute-Laune-Bär macht, zumal dies in einem gewis-
sen Kontrast zu seinem Gesichtsausdruck steht, wenn er
hier vorne redet.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Es ist die Frage, ob die konkreten Maßnahmen, die in

Deutschland von der Regierung getroffen worden sind
und getroffen werden, dazu beitragen, wieder wirtschaft-
liches Vertrauen zu schaffen und Investitionen zu gene-
rieren. Es gibt – Sie haben es angesprochen – eine hohe
Sparquote. Es ist Geld vorhanden, auch für den Konsum.
Auch die Firmen sind durchaus in der Lage, zu investie-
ren. Aber sie tun es nicht, weil sie nicht wissen, welche
Keule am nächsten Tag von der Regierung geschwungen
wird. Herr Clement, Sie sind auch ein Keulenschwinger;


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


denn bisher haben Sie sich in vielen Dingen versucht, aber
Sie haben nicht dazu beigetragen, weitere Steuererhöhun-
gen zu verhindern.

In dem Papier aus dem Kanzleramt heißt es:
Dabei lautet die gewaltige Herausforderung, gleich-
zeitig Abgaben- und Steuersenkungen mit Haus-
haltskonsolidierung und mehr Investitionen in Zu-
kunftsbereiche zu verbinden.

Warum machen Sie dann das Gegenteil? Warum erhöhen
Sie pausenlos die Steuern und Abgaben? Warum belasten
Sie die Menschen immer mehr?

Der Bundesfinanzminister freut sich nun über ein an-
geblich gutes Ergebnis im letzten Jahr. Er hat seine Pro-
gnose von vor vier Wochen korrigiert. Herr Eichel ist für
die höchste Verschuldung der letzten vier Jahre verant-
wortlich. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass in den
letzten vier Jahren unter Ihrer Regierung 70 Milliarden
Euro mehr an Steuern eingenommen worden sind, dann
ist, glaube ich, klar, wo das eigentliche Problem liegt.

Die Arbeitslosenzahlen steigen. Was sagt Herr
Clement? – Er behauptet, die Arbeitslosenzahlen sinken.
Der Gute-Laune-Bär hat gesprochen. Herr Clement, Sie
haben außerdem gesagt, dass Sie an der Prognose von
1,5 Prozent Wachstum in diesem Jahr festhalten wollten.
Der Gute-Laune-Bär hat gesprochen. Die Realität sieht
ganz anders aus. Das Bundeskanzleramt hat den Entwurf
des Jahreswirtschaftsberichts dem Ministerium zurückge-
schickt, weil dort, glaube ich, ein Wirtschaftswachstum
von 0,6 Prozent in diesem Jahr unterstellt worden ist. Das
war also nicht die böse Opposition, sondern es waren die


(A)



(B)



(C)



(D)


1404


(A)



(B)



(C)



(D)






Fachleute aus dem Ministerium. Die Grundsatzabteilung
– man weiß im Moment nicht genau, wo sie sitzt; wahr-
scheinlich auf der Straße – hat auf jeden Fall den besseren
Blick für die Realität.

Was bedeutet das für die Einnahmen des Staates und
die Entwicklung der Arbeitslosenzahl? Der Bundeskanz-
ler hat gestern gesagt – da hat wieder der Gute-Laune-Bär
gesprochen –: Ein um 1 Prozentpunkt geringeres Wirt-
schaftswachstum bedeutet Einnahmeeinbußen von 1 Mil-
liarde Euro. So etwas hat in den letzten zehn Jahren noch
nicht einmal jemand von der Koalition vertreten; denn das
ist so falsch wie nur irgendetwas. Wenn die Entwicklung
so weitergeht – Sie tun bislang nichts, um in die Entwick-
lung korrigierend einzugreifen –, werden Ihnen Einnah-
men in zweistelliger Milliardenhöhe fehlen. Die 18,9 Mil-
liarden Euro glauben Sie doch selber nicht. Hier findet
nach dem ersten Wahlbetrug vor der Bundestagswahl ge-
rade der zweite Wahlbetrug vor den Landtagswahlen in
Niedersachsen und Hessen statt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Möglicherweise wird die Veröffentlichung des Jahres-

wirtschaftsberichts auch verschoben, weil die Wahrheit
vor dem entscheidenden Termin, an dem die Bürger zur
Wahlurne gerufen werden, nicht passt. Ich sage Ihnen
noch einmal: Wir werden es nicht zulassen, dass Sie stän-
dig falsche Prognosen abgeben und Maßnahmen treffen,
die die Bürger belasten, ihnen die Investitionsfreude neh-
men und dazu beitragen, dass die Lage schlechter wird,
aber gleichzeitig den Eindruck vermitteln, es laufe alles
gut und man wolle so weitermachen. Nein, Sie müssen so
bald als möglich eine Kurskorrektur vornehmen. Sonst
müssen wir Sie über den Bundesrat zur Vernunft bringen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1501822900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Hermenau vom

Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501823000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!

Beginnen wir doch mit dem Schaffen von Vertrauen bei
den Kollegen von der CDU/CSU. Sie haben gerade
Herrn Austermann sprechen lassen, der im Allgemeinen
dafür bekannt ist, schwierige Dinge vorauszusagen. Das
tut er nun schon seit vier Jahren. Im letzten Jahr hat er
zufällig einmal Recht gehabt. Das hält er schon für einen
Erfolg.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen wir einmal Herrn Ministerpräsidenten Milbradt

zu Wort kommen. Er, der lange Zeit Finanzprofessor und
Finanzminister in Sachsen gewesen ist und der nun seit ei-
niger Zeit Ministerpräsident in Sachsen ist, hat sich zur
heutigen Debatte schriftlich geäußert, da er nicht hier sein
kann. Er stellt Folgendes fest: Die Länder sollen den
Sparkurs der Bundesregierung unterstützen.


(Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)


– Genau, hört, hört! – Er stellt des Weiteren fest: Es müs-
sen Sanktionen in den nationalen Stabilitätspakt einge-
baut werden, wenn die Länder den Schuldenspielraum
überschreiten. Sachsen hat es mit seinem Budget ge-
schafft, die Kriterien des nationalen Stabilitätspakts ein-
zuhalten und die 3-Prozent-Latte nicht zu reißen. Das
müssen auch andere Länder schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Zum Beispiel Niedersachsen!)


Wenn das so ist, dann haben Sie im Bundesrat eine be-
sondere Verantwortung. Wir werden uns gerne ansehen,
wie Sie diese wahrnehmen werden. Sie wollen zum Bei-
spiel den vorgenommenen Abbau bestimmter Steuerver-
günstigungen zurücknehmen, weil Sie der Meinung sind,
dass dies eine zu große Belastung zum Beispiel für die
Dienstwagenbesitzer sei. Das ist im Prinzip der alte Gra-
ben, in dem Sie sich immer tummeln. Die üblichen Ver-
dächtigen haben sich wieder zu Wort gemeldet. Herr
Sommer von der Gewerkschaft schlägt beispielsweise
eine Mehrwertsteuererhöhung vor. Reformunwillen und
Reformvermeidungsstrategien gibt es aufseiten der Ge-
werkschaften genauso wie aufseiten der Wirtschaftslob-
byverbände.

Ein Lobbyverband wie der andere will die Reform ver-
hindern.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Von welcher Reform reden Sie?)


Sie gehen diesen auf den Leim und nehmen Ihre nationale
Verantwortung nicht wahr. Sie tönen so herum, weil Sie
denken, dass Sie hier Ihr Lehrbuchwissen anwenden kön-
nen. Sie zitieren aber nur den halben Keynes. Sie machen
Vorschläge zum antizyklischen Verhalten und haben of-
fenbar vergessen, dass Sie, als Sie regiert haben, den ers-
ten Halbsatz von Keynes nie eingehalten haben. Keynes
hat gesagt: Man soll in guten Zeiten etwas zur Seite legen,
damit man in schlechten Zeiten, in der Krise, antizyklisch
agieren und etwas hineinbuttern kann.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!)


Ich würde mich gern so verhalten. Das geht aber nicht,
weil über Jahrzehnte hinweg nicht antizyklisch, nicht ent-
sprechend Keynes agiert und etwas weggelegt worden ist,
was man in Krisenzeiten einspeisen kann.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wer hat den Haushalt auf Kante genäht?)


Das strukturelle Defizit, das wir haben, ist als Kollektiv-
leistung über Jahrzehnte aufgebaut worden und jetzt will
keiner den Dreck wegräumen. So sieht es aus!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Gucken Sie sich einmal an, was zum Beispiel im Bereich
der Ausrüstungsinvestitionen gelaufen ist! Die Wirtschafts-
forschungsinstitute wollen versuchen, ihren Ruf, der rui-
niert ist, weil sie im letzten Jahr in allen Bereichen so gran-
dios daneben gelegen haben, wiederherzustellen. Auch die
Ausrüstungsinvestitionen haben die Institute um ein Viel-
faches höher geschätzt, als sie tatsächlich eingetreten sind.

Dietrich Austermann




Antje Hermenau
Woran liegt das? Das liegt auch daran, dass Leute von Ih-
nen versucht haben, die Hoffnung zu wecken, Rot-Grün
werde abgewählt. Sie haben gesagt: Haltet euch mit den
Ausrüstungsinvestitionen zurück! Dafür müsst ihr jetzt
kein Geld ausgeben. Wenn wir wieder regieren, braucht
ihr nicht mehr zu sparen und könnt wieder aus dem Vollen
schöpfen. – Was wir dem Herrn Sommer nicht durchge-
hen lassen, nämlich die Strukturreformen zu verschieben,
lassen wir auch Ihnen nicht durchgehen, wenn Sie die
Wirtschaftsverbände bedienen wollen. Wir dürfen nicht
wieder in die alten Gräben zurückgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bei einer volkswirtschaftlichen Güterabwägung ist es

doch offensichtlich, dass es vernünftig ist, eine verläss-
liche Finanzpolitik fortzuführen, die man seit Jahren ver-
folgt hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was war denn daran verlässlich, außer den Lügen?)


Wenn es aufgrund besonderer Umstände – zum struktu-
rellen Problem ist noch ein konjunkturelles Problem ge-
kommen – einmal einen Ausreißer gegeben hat, dann muss
man das zur Kenntnis nehmen, darf aber nicht so tun, als
ob das ein Kurswechsel gewesen wäre. Wir werden ver-
suchen, das weiter in den Griff zu bekommen. Sie müssen
sich entscheiden, ob Sie sich an dem Prozess beteiligen
wollen. Der Bundesrat ist die erste Hürde. Sie können an-
dere Vorschläge machen. Wir hören uns die gern an. Wenn
sie vernünftig sind, werden sie auch bestimmt aufgenom-
men. Die Endsumme muss aber stimmen. Da ist Ihre Ver-
antwortung mit gefragt. Wir werden sehen, was Sie außer
all den Androhungen und Ankündigungen auf den Tisch
legen. Das Vertrauen und die Stimmung im Lande


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da liegt das Problem!)


haben auch etwas mit Ihrem Verhalten als Opposition zu
tun. Das müssen Sie sich anrechnen lassen, ob Ihnen das
gefällt oder nicht. Wir werden Sie an Ihren Taten und nicht
an Ihrem Geschwätz messen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch unglaublich!)


Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir wollen Metzger wieder hören!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501823100

Das Wort hat jetzt der Kollege Carl-Ludwig Thiele von

der FDP-Fraktion.


Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1501823200

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Kolleginnen und Kollegen! „Kaum versprochen – schon
gebrochen“,


(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD)


das ist die Devise, mit der die rot-grüne Bundesregierung
nach der Wahl den Kurs der Volksverdummung in unse-
rem Land vor der Wahl fortgesetzt hat. Es hat noch keine
Bundesregierung gegeben, in der ein amtierender Finanz-
minister vor der Wahl die Situation unseres Landes schön-
geredet hat – Zitate: Wir werden das Defizitkriterium ein-
halten; wir werden die Neuverschuldung senken; wir
werden 2,5 Prozent Wachstum haben –, nach der Wahl
einräumen musste, dass alles, was er vor der Wahl erklärt
hat, falsch war, und als amtierender Finanzminister als
erste Amtshandlung einen Kassensturz vornehmen
musste. Herr Minister Eichel, wozu haben Sie denn Ihre
Tausende von Mitarbeitern im Finanzministerium, wenn
die nicht rechnen können und Ihnen vorher angeblich
komplett falsche Zahlen vorgelegt haben?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieses Verfahren, das vor der Bundestagswahl Mittel
der Politik von Rot-Grün war, wird Anfang dieses Jahres
nahtlos fortgesetzt. Es glaubt doch kein Mensch, dass bei
niedrigerem Wachstum und steigender Arbeitslosigkeit
auf Rekordhöhe der Zuschuss der Bundesanstalt für Arbeit
von fast 6 Milliarden Euro auf null gesenkt werden kann.

Bundeswirtschaftsminister Clement sagte vorgestern,
bei dieser Situation könne man ein bisschen höhere Neu-
verschuldung in Kauf nehmen. Zeitgleich schloss auch
der Sprecher von Bundesfinanzminister Hans Eichel eine
höhere Neuverschuldung in diesem Jahr nicht mehr aus.
Nachdem diese Aussage öffentlich verrissen wurde, er-
klärten einen Tag später, gestern, 19 Tage vor den Land-
tagswahlen in Niedersachsen und Hessen, der Bundes-
kanzler und der Bundesfinanzminister, dass eine höhere
Neuverschuldung in diesem Jahr auf keinen Fall stattfin-
den werde. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb am selben
Tag zu Recht – Zitat –:

Nach aller Erfahrung darf man jetzt keine Äußerungen
mehr wörtlich nehmen von wichtigen Politikern ...

Es ist doch völlig klar, dass das Wort von Bundeskanzler
Schröder und Bundesfinanzminister Eichel vom gestrigen
Tag in wenigen Wochen schon keinen Pfifferling mehr
wert sein wird. Ein neues Täuschungsmanöver von Rot-
Grün bahnt sich an. Zum Glück durchschauen die Wähler
dieses Täuschungsmanöver; denn noch einmal werden sie
sich von vollmundigen Versprechungen nicht hinter die
Fichte führen lassen.


(Peter Dreßen [SPD]: Warten Sie es mal ab! – Lachen bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!)


– Danke. Das warten wir ab.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das dumme Volk, ja!)

Zeitgleich mit dieser Aktuellen Stunde des Deutschen

Bundestages findet oben, im Sitzungssaal der SPD-Frak-
tion, eine öffentliche Anhörung des Finanzausschusses
über das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz
statt. Durch dieses Gesetz sollen die Bürger zusätzlich mit
17 000 Millionen Euro im Jahr belastet werden.


(Hans Eichel, Bundesminister: Was?)



(A)



(B)



(C)



(D)


1406


(A)



(B)



(C)



(D)






– Ich verweise auf das Entstehungsjahr, Herr Finanzmi-
nister. Ich habe die entsprechenden Unterlagen dabei.
Wenn Sie sie nicht kennen, dann gebe ich sie Ihnen gerne.

Was Sie vorhaben, ist ein Anschlag auf die Wirtschaft
unseres Landes. Der einhellige Tenor der Äußerungen der
Sachverständigen dort oben war die Aufforderung, dieses
Gesetz am besten sofort zurückzuziehen, damit es nicht
noch weiteren Schaden in unserem Lande anrichtet; denn
dieses Gesetz ist die Ursache dafür, dass überhaupt keine
Verlässlichkeit, überhaupt keine Planbarkeit da ist und
dass es sich überhaupt nicht lohnt, zu investieren und für
die Zukunft dieses Landes, also Deutschlands, zu arbei-
ten. Das sind die Rahmenbedingungen, die Sie momentan
setzen. Diese Rahmenbedingungen sind total daneben;
denn nur mit immer mehr Steuern wird keine Konjunktur
beflügelt und werden auch keine Arbeitslosen von der
Straße geholt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Gestern wurde bejubelt, dass die Neuverschuldung

nicht ganz ausgeschöpft worden ist. Man muss daran er-
innern, dass Sie, Herr Minister Eichel, die Neuverschul-
dung erst im Dezember im Nachtragshaushalt um
13,5 Milliarden Euro auf 34,6 Milliarden Euro erhöht ha-
ben. Nun freut man sich darüber – das tun auch wir –, dass
diese Erhöhung nicht ganz in Anspruch genommen
wurde. Man hat aber verschwiegen, dass die Neuver-
schuldung um über 10 Milliarden höher war, als es den
Wählern vor der Bundestagswahl gesagt wurde.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das sind die Fakten, Herr Finanzminister. Ich freue mich,
dass Sie gleich sprechen, weil Sie dann zu den Fakten
Stellung nehmen können.

Tatsache ist: In den letzten vier Jahren, unter Rot-Grün,
unter Finanzminister Lafontaine und unter Finanzminister
Eichel hat die Neuverschuldung des Bundes um insge-
samt 105Milliarden Euro zugenommen. Im Jahr 1999 hat
sie um 26,1 Milliarden Euro, im Jahr 2000 um 23,8 Mil-
liarden Euro, im Jahr 2001 um 22,8 Milliarden Euro und
im vergangenen Jahr um 32,3 Milliarden Euro zugenom-
men. Das sind die Fakten, Herr Finanzminister!

Zeitgleich erleben wir einen Ministerpräsidenten in
Niedersachsen, der total nervös ist. Er beschäftigt sich in
der Endphase seiner Regierungszeit mit dem Steuerrecht,
in der Hoffnung, dass auch ihm das Schicksal widerfährt,
das in der Vergangenheit abgewählten SPD-Ministerprä-
sidenten widerfahren ist, nämlich ins Bundeskabinett ein-
zuziehen und möglicherweise sogar Finanzminister zu
werden, also Ihren Stuhl einzunehmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Der braucht zwei Stühle!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501823300

Herr Kollege Thiele, kommen Sie bitte zum Schluss.


Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501823400

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.

Zum einen wird von ihm erklärt: Wir brauchen die Ver-
mögensteuer. Dann wird gesagt: Nein, wir brauchen sie
doch nicht; mit einer niedrigen Zinsabgeltungsteuer be-
kommen wir genauso viel Geld. Dann sagt Herr Gabriel:
Die Verschiebung der Steuerreform zur Finanzierung der
Folgen der Flutkatastrophe muss zurückgenommen wer-
den. Jetzt erklärt er: Ab dem 1. Juli sollen die Bürger über
das Einkommensteuerrecht entlastet werden. – Das ist
technisch überhaupt nicht machbar. Das ist grober Unfug.
Das zeigt auch, wie blank die Nerven bei der SPD liegen.
Das wird bis zum Wahltag so bleiben und vermutlich wird
es auch danach so sein, weil es in Niedersachsen einen
Regierungswechsel geben wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501823500

Das Wort hat jetzt der Bundesminister Hans Eichel.


Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1501823600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Diese Debatte ist schon verwunderlich. Man macht
hier nicht nur Prognosen, sondern auch prognostizierte
Prognosen. Das ist das, was Sie auf die Tagesordnung ge-
setzt haben.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Der ganze Thiele ist ein Pleonasmus!)


Daran erkennt man den ganzen Wahrheitsgehalt Ihrer
Beiträge in dieser Debatte.

Wie schwierig Prognosen sind, das haben wir erlebt.
Lieber Herr Austermann, hätten Sie sich doch wenigstens
14 Tage vor Ende des Jahres nicht noch an eine Prognose
gewagt. Sie haben sich um 8 Milliarden Euro verschätzt.
8 Milliarden Euro ist ein absoluter Rekord bei der
Fehlaufstellung einer Prognose für den Zeitraum von un-
gefähr 14 Tagen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: 11 Milliarden beim Haushalt stehen dagegen!)


Ihre Schätzung hier am 19. Dezember lag bei 40 Mil-
liarden Euro. Es sind knapp 32 Milliarden Euro, genau
31,8 Milliarden Euro, geworden. Im Vergleich dazu wa-
ren die Steuerschätzer toll, die sich sieben Wochen vor-
her nämlich nur um 1,3 Milliarden Euro verschätzt ha-
ben. Diese 1,3 Milliarden Euro verbuche ich auf der
Habenseite. Ein Jahr davor haben sich die Steuerschätzer
um 3 Milliarden vertan, ebenfalls sieben Wochen vorher.
Da sieht man einmal, was von Ihren Prognosen zu halten
ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: 32 Milliarden neue Schulden!)


Deswegen, meine Damen und Herren, bleibt es dabei: So
schlimm wie Sie hat sich überhaupt noch niemand ver-
schätzt.

Wir erstellen dreimal im Jahr eine Prognose:

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Keine stimmt!)


Carl-Ludwig Thiele




Bundesminister Hans Eichel
erstens zum Jahreswirtschaftsbericht unter Federführung
des Wirtschaftsministers pünktlich zum 29. Januar, zwei-
tens zur Mai-Steuerschätzung und drittens zur November-
Steuerschätzung. Diese gelten jeweils bis zur nächsten
Prognose. In der Zwischenzeit beobachten wir die Lage
und veröffentlichen alle Zahlen. Bei dem Risiko von Fehl-
einschätzungen, das anhand Ihrer Schätzung ja drastisch
deutlich geworden ist, erstellen wir zwischendurch keine
neuen Prognosen. Dabei wird es auch bleiben. So war es
früher und so bleibt es auch.

Nun sind wir bei dem Diskussionspunkt des heutigen
Tages: Im Herbst, als wir zur November-Steuerschätzung
1,5 Prozent Wirtschaftswachstum prognostiziert haben,
lagen wir damit am unteren Ende des Prognosespektrums.
Im Moment liegen die Prognosen der Institute – Kollege
Clement hat sich ja dazu auch schon geäußert – zwischen
0,6 und 1,1 Prozent. Die der internationalen Organisatio-
nen liegen übrigens überwiegend höher: Die EU-Kom-
mission prognostiziert 1,4, die OECD kurz vor Weih-
nachten 1,5, der IWF – ich sage: noch – 1,75. Das muss
man aber, bitte schön, werten. Dazu wird die Bundes-
regierung Ende des Monats unter Federführung des Wirt-
schaftsministers ihre Prognose aufstellen, und die wird
sich, wie Kollege Clement erklärt hat, natürlich unter ge-
nauer Beobachtung der Lage, irgendwo dazwischen be-
wegen.

Ich sage dazu, meine Damen und Herren, um den Blick
nun auf die Frage, was das für die Staatsverschuldung be-
deutet, zu lenken: Wir haben den Haushalt unter Zugrunde-
legung einer Prognose von 1,5 Prozent aufgestellt; dabei
haben wir große Anstrengungen unternommen, um in die-
sem Jahr das Drei-Prozent-Kriterium zu unterschreiten.
Es ist ja spannend, einmal von Ihnen zu hören, ob die Er-
reichung dieses Ziels, wie es übrigens auch die Länder
und Herr Kollege Milbradt, der sich dazu sehr positiv in
einem Interview geäußert hat, mittragen – das will ich
ausdrücklich unterstreichen –, auch Ihre Position ist.
Denn wenn wir alles daran setzen wollen, dieses Jahr wie-
der unter 3 Prozent zu kommen, müssen wir eine Reihe
von Maßnahmen ergreifen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Müsst ihr gut regieren!)


– Genau das tun wir; so schnell wie dieses Mal sind bis-
her selten Gesetze gemacht worden. –


(Lachen bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Der glaubt das auch noch!)


So sehen wir zum Beispiel in der Tat für die Bundesanstalt
für Arbeit – das ist eine riesige Herausforderung und hängt
eng mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes zusammen –
keinen Zuschuss vor. Die Verabredung zwischen Herrn
Kollegen Clement und mir lautet: Dabei bleibt es auch.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist nichts Neues!)


Das ist eine harte Arbeit; dies gilt auch für andere Struktur-
reformen, zum Beispiel im Gesundheitswesen und bezüg-
lich der Entbürokratisierung, die wir dieses Jahr bewältigen
müssen und die insbesondere durch Sofortmaßnahmen der
Kollegin Schmidt eingeleitet wurden. Das musste sein,
auch wenn Sie nicht alles mitgetragen haben.

In den Zusammenhang gehört natürlich auch – denn
die Frage der Gesamtverschuldung betrifft ja nicht nur
den Bundeshaushalt, sondern auch die Länder- und Kom-
munalhaushalte sowie die sozialen Sicherungssysteme –,
dass alle an einem Strang ziehen. Wir haben ein in sich
schlüssiges Konzept auf den Tisch gelegt, zu dem auch
– das ist der kleinste Teil in diesem Jahr – das Gesetz zum
Abbau von Steuervergünstigungen gehört. Da haben sich
nun alle Lobbyisten zu Wort gemeldet. Das kann ich auch
verstehen. Die Frage ist ja nur, ob man so etwas hinnimmt.
Ich halte ausdrücklich fest – wir werden das ja nächste
Woche im Ecofin behandeln und haben dazu jetzt den
Vorbericht –, dass die Kommission ganz klar sagt, dass
alle Maßnahmen, die die Koalition vorgelegt hat, samt
und sonders beschlossen werden müssen, bzw. wenigs-
tens solche mit gleicher Wirkung. Sie können sich da
nicht herausstehlen und sagen, Sie machten das nicht mit.
Spätestens dort, wo Sie zur Mehrheitsbildung gebraucht
werden, nämlich im Bundesrat, tragen Sie Mitverantwor-
tung – es gibt ja die Finanzautonomie der Länder – und
müssen Sie Ihren Beitrag leisten. Sie müssen dann erklä-
ren, wie Sie damit umgehen wollen. Wenn Sie etwas nicht
mitmachen wollen, müssen Sie erklären, was Sie stattdes-
sen machen wollen. Aus dieser Situation kommen Sie
überhaupt nicht heraus. Täuschen Sie sich da mal nicht.
Sie können vielleicht den Versuch unternehmen, sich po-
litisch über den 2. Februar zu retten. Unser Konzept liegt
auf dem Tisch. Sie stehen doch vor der Frage, was Sie ei-
gentlich wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie nur ohne jegliche Verantwortung Oppositions-
arbeit machen müssten – das meine ich gar nicht nega-
tiv –, müssten Sie das nicht beantworten. Im Bundesrat,
meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen Sie das
aber beantworten.

Ich finde es übrigens in diesem Zusammenhang hoch
spannend, was in Hessen geschieht: Obwohl der Bundes-
haushalt durch geringere Steuereinnahmen auf der Ein-
nahmeseite und aufgrund der Situation auf dem Arbeits-
markt auf der Ausgabenseite getroffen ist, die Länder aber
nur auf der Einnahmeseite Einbußen hinnehmen müssen,
haben wir ein um 50 Prozent erhöhtes Defizit – natürlich
ist das keine Freude; wer sagt denn so etwas auch? –,
während es die Hessen glatt geschafft haben, ihr Defizit
um 130 Prozent zu erhöhen. Das muss mir einmal jemand
erklären, wie so etwas geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Wie Waigel!)


Angesichts des hessischen Haushaltes des Jahres 2003
ist es bemerkenswert, was Sie hier alles ablehnen. Er ver-
zeichnet auf der Einnahmeseite ein Plus von 140 Mil-
lionen Euro wegen Steuerrechtsänderungen. Auf die Frage,
wo dieses Plus herkomme, sagt der hessische Finanzminis-
ter, das sei durch die Körperschaftsteuerreform begründet.


(Lachen der Abg. Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das gesamte Steuervergünstigungsabbaugesetz bringt für
Hessen in diesem Jahr 122 Millionen Euro. Es kann also


(A)



(B)



(C)



(D)


1408


(A)



(B)



(C)



(D)






nicht sein, dass allein durch die Körperschaftsteuerreform
140 Millionen Euro eingenommen werden!


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und wie viel fehlt denn durch Ihre Arbeit?)


Fast dasselbe kann man im Saarland beobachten; dort
wurden ähnliche Summen veranschlagt. Wie passt das ei-
gentlich mit Ihrer Aussage zusammen, dass Sie dem allen
nicht zustimmen wollen?


(Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Was wollen Sie denn stattdessen machen? Die 140 Mil-
lionen Euro Einnahmen aufgrund von Steuerrechtsän-
derungen im hessischen Haushalt müssen Sie einmal er-
klären.

So unredlich ist Ihre Debatte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Sie wissen auch, dass Sie zwar im Bundestag so tönen
können, dass Sie in Wirklichkeit aber nicht umhinkom-
men, Ihre Verantwortung wahrzunehmen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer regiert denn?)


Führen Sie die Menschen nicht so hinters Licht!
Die letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Es

bleibt dabei: Wenn sich die Korrekturprognose in dem
Umfeld bewegt, das man jetzt erkennen kann, dann brau-
chen wir keine Diskussion über eine Erhöhung der Neu-
verschuldung. Dann geht es um Größenordnungen, die in
einem Haushalt von 250 Milliarden Euro beherrschbar
sein müssen. Deswegen werden Sie uns von einem nicht
abbringen: Der Konsolidierungskurs – darin sind wir völ-
lig einig – wird konsequent weitergefahren. Es wäre ein
Übel, unseren Kindern und Enkelkindern riesige Schul-
denberge zu hinterlassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Warum machen Sie es dann?)


Entscheidend ist aber auch, dass die Schulden – auch
darüber herrscht völlige Einigkeit zwischen Herrn Kolle-
gen Clement, mir und allen anderen in der Regierung –
konjunkturell eingepasst werden müssen, dass man nicht
in einer Schwächephase wie im vergangenen Jahr zusätz-
liche Einsparungen vornimmt. Das haben übrigens auch
weder die Stabilitätswächter in Brüssel noch jemand von
der Europäischen Zentralbank verlangt. Es bedeutet aber,
dass wir uns, wenn wir einen neuen Haushalt aufstellen,
der Situation neu stellen müssen.

Nach dem Motto „Wasch mir den Pelz, aber mach mich
nicht nass“ kann man hier nicht vorgehen. Dass zwar bei
den Arbeitslosenhilfeempfängern Mittel gestrichen wer-
den sollen – was wir tun und was wir auch vertreten kön-
nen, weil es notwendig ist –, aber alle anderen, auch die
Bezieher höherer Einkommen, keinen Beitrag leisten
müssen, das können Sie den Leuten ja bis zum 2. Februar
erzählen. Aber sie werden es Ihnen nicht glauben. Das
weiß ich aus den Versammlungen, die ich besucht habe.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Es kommt ja keiner! Die Versammlungen können Sie in einer Telefonzelle machen!)


Es ist auch schlicht nicht die Wahrheit, meine Damen und
Herren.

Kehren Sie endlich zu einer realen Debatte zurück,
nicht über prognostizierte Prognosen, sondern vor allem,
Herr Kollege Brüderle – Ihre Partei ist ja in ein paar Lan-
desregierungen vertreten –, über das, was Sie dort an Ver-
antwortung wahrnehmen wollen – wenn Sie sie wirklich
wahrnehmen wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501823700

Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich Merz von der

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Rede ID: ID1501823800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Vielleicht können wir in der Kürze der zur Verfügung
stehenden Zeit doch einmal auf den eigentlichen Auslöser
dieser Aktuellen Stunde zurückkommen. Auslöser ist nicht
das Fehlverhalten der Opposition, meine Damen und Her-
ren von der Regierung und Frau Hermenau, sondern Aus-
löser sind die Äußerungen verschiedener Mitglieder der
Bundesregierung in den letzten Tagen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

insbesondere die Äußerungen von Herrn Bundeswirt-
schaftsminister Clement, der zum einen, wohl unter dem
Druck der Wirklichkeit, seine eigene Wachstumspro-
gnose, die er noch zu Beginn des Jahres mit 1,5 Prozent
angegeben hat, jetzt nach unten revidiert hat. Zum ande-
ren haben Sie, Herr Clement, am vergangenen Sonntag-
abend in einem Halbsatz die gesamte Politik Ihres Kolle-
gen Eichel bezüglich Einsparungen im Bundeshaushalt
zur Seite gewischt und dem staunenden deutschen Volk
erklärt, ein bisschen mehr Neuverschuldung könne es
schon sein.


(Zurufe von der CDU/CSU: Ja, wir alle haben es doch gesehen! – Millionen Zuschauer!)


Das sind die Auslöser dieser Aktuellen Stunde!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Clement, zur Arbeitsmarktpolitik werde ich
gleich etwas sagen. Lassen Sie mich an dieser Stelle aber
zunächst mit zwei Märchen, die auch in dieser Aktuellen
Stunde wieder verbreitet werden, einmal kurz aufräumen;
deshalb erst zu Ihnen, Herr Eichel.

Erstens. Sie stellen sich hier hin und behaupten allen
Ernstes, dass Sie auf dem Weg wären, die Politik der
Haushaltskonsolidierung und der Einsparungen fortzuset-
zen.


(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Unglaublich!)


Bundesminister Hans Eichel




Friedrich Merz
Ich erlaube mir zu sagen: Wenn Sie während Ihrer Rede
einen Lügendetektor getragen hätten, dann wären selbst
bei einem Gerät einfachster Bauart sämtliche Sicherungen
durchgebrannt.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Was Sie sagen, ist doch unglaublich.
Ich trage aus Ihrem letzten Monatsbericht vor, Herr

Eichel. Sie haben im Jahre 2002 eine über 10 Milliar-
den Euro höhere Neuverschuldung hinterlassen, als Sie
am Anfang des Jahres ursprünglich geplant hatten. Ges-
tern haben Sie auf einer Pressekonferenz gesagt, es seien
doch 2,8 Milliarden Euro weniger gewesen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das war glatt gelogen!)


Von den über 31 Milliarden Euro Neuverschuldung, die
Sie im letzten Jahr zu verantworten haben, ist nicht die
Rede gewesen. Sie haben wieder einmal versucht, die Öf-
fentlichkeit über die tatsächliche Lage der Staatsfinanzen
in Deutschland zu täuschen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zweitens. In Ihrem Monatsbericht vom Dezember

2002 sind die entscheidenden Zahlen enthalten. Sie wer-
den im nächsten Jahr eine Gesamtverschuldung des Bun-
des von über 800 Milliarden Euro zu verantworten haben.
Die Staatsverschuldung in Deutschland galoppiert unter
Ihrer Verantwortung weiter nach oben. Eine Verschuldung
allein des Bundes in Höhe von 800 Milliarden Euro be-
deutet, dass Sie nicht nur das 3-Prozent-Kriterium des
Maastricht-Vertrages in diesem Jahr verletzen werden.
Sie haben es schon im letzten Jahr verletzt, obwohl Sie
das bis zum Sommer des letzten Jahres bestritten haben.
Sie geben in diesem Monatsbericht zu, dass Sie noch ein
weiteres Kriterium, nämlich jenes, das den Gesamtschul-
denstand betrifft, verletzen werden. Der Gesamtschulden-
stand der Bundesrepublik Deutschland wird unter Ihrer
Verantwortung im Jahr 2003 deutlich über der erlaubten
Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lie-
gen. Das ist Ihre Finanzpolitik, von der Sie hier immer
noch behaupten, sie sei seriös.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Clement, wir sind uns einig darüber, dass eine Po-

litik für mehr Wachstum und Beschäftigung einsetzen
müsste. Das eigentliche Problem unserer Volkswirtschaft
ist doch eine lang anhaltende, strukturell begründete
Wachstums- und Beschäftigungskrise. Bitte hören Sie
auf, zu glauben, dass mit kleinen Mittelstandsprogram-
men diese Probleme nun gelöst werden könnten. Die
strukturellen Probleme sind nicht gelöst. In Ihren Nach-
barn auf der Regierungsbank, Herrn Eichel, haben wir alle
Hoffnung verloren. Aber mit Ihnen verbinden wir noch ei-
nen Rest von Hoffnung.

Solange diese Bundesregierung nicht versteht, dass es
vor dem Hintergrund einer geradezu dramatischen de-
mographischen Entwicklung in Deutschland eine sich
gegenseitig verschärfende Wechselwirkung von immer
höheren Steuern, von immer höheren Sozialversiche-
rungsbeiträgen, von immer höherer Verschuldung und

von immer höherer Arbeitslosigkeit gibt, und solange Sie
diese Gesamtzusammenhänge nicht nur nicht verstehen,
sondern auch aktiv leugnen, kann es einem nur eiskalt den
Rücken herunterlaufen, wenn man Vertreter der Bundes-
regierung in diesen Tagen über Wirtschaft und Beschäf-
tigung reden hört.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Eichel, meine Schlussbemerkung beschäftigt sich

mit der Scheinalternative, vor die Sie uns, wie auch ge-
rade eben, immer wieder stellen. Es geht aber nicht um die
Alternative „mehr Verschuldung oder höhere Steuern“.
Damit wollen Sie uns die für Ihre Maßnahmen notwen-
dige Zustimmung im Bundesrat abpressen.

Es gibt eine andere Alternative. Der richtige Weg
sind grundlegende Reformen des Arbeitsmarktes, die
die EU-Kommission, die OECD und andere Organisa-
tionen – bis jetzt allerdings ergebnislos – von Ihnen ver-
langen. Wir haben Ihnen konkrete Vorschläge gemacht:
betriebliche Bündnisse für Arbeit, grundlegende Refor-
men der Krankenversicherung und der Rentenversiche-
rung.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sozialabbau!)

Sie haben aufgrund der ungelösten Probleme bei der
Rente in Ihren Haushalt mittlerweile einen Zuschuss von
77 Milliarden Euro für die Rentenversicherung einge-
stellt. Wenn Sie immer nur meinen, über höhere Abgaben,
höhere Steuern, höhere Verschuldung und höhere Arbeits-
losigkeit aus der Abwärtsspirale herauszukommen, dann
ist das eine große Täuschung. Im günstigsten Fall ist es
eine Selbsttäuschung; im schlimmsten Fall ist es eine
Täuschung der deutschen Öffentlichkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Sie sind doch der Experte für Täuschung! Was haben Sie den Leuten versprochen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501823900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Franziska Eichstädt-

Bohlig vom Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr
geehrter Herr Kollege Merz, ich bin von Ihrer Rede ein
bisschen enttäuscht. Neulich hatte ich zum ersten Mal das
Gefühl, dass Sie für beide Oppositionsfraktionen etwas
Richtiges sagten, als Sie davon sprachen, es gebe Zeiten
mit geringem Wachstum, in denen man Steuersenkungen
und weitere Geschenke nicht versprechen kann. Da habe
ich gedacht: Vielleicht lernt die Opposition endlich dazu.
Aber heute sehe ich wieder, dass Herr Austermann, Herr
Brüderle, Herr Thiele und Sie die Situation permanent
schlechtreden, sodass ich mich wirklich frage: Ist der
Standort Deutschland bzw. unsere Wirtschaft, auch wenn
wir ein sehr bescheidenes Wachstum haben, so schlecht?
Sind wir wirklich nur handlungsfähig, wenn wir ein
Wachstum von mehr als 2 Prozent haben? Sie sehen das
offenbar so.


(A)



(B)



(C)



(D)


1410


(A)



(B)



(C)



(D)






Wir hingegen sagen sehr klar: Der Standort Deutschland
darf nicht schlechtgeredet werden. Wir haben eine sehr
gute Volkswirtschaft; Minister Clement hat es vorhin ge-
sagt. Wir haben die riesigen Lasten der Vereinigung ge-
wuppt. Das weitere Abtragen der Schulden, die damit ver-
bunden sind, müssen wir in den nächsten Jahren leisten.
Das ist eine Priorität, die unser Land in allen Schichten
und auf allen Staatsetagen in der einen oder anderen Form
getragen hat und weiter trägt.

Ihnen aber fällt nichts anderes ein, als ständig schlecht-
zureden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sprechen Sie von Deutschland?)


Das kann es doch wirklich nicht sein. Darauf hinzuweisen
halte ich an allererster Stelle für wichtig. Sie reden den
Menschen ein: Wenn Sie an der Regierung wären, könn-
ten Sie gewissermaßen den goldenen Hahn aufdrehen und
Geschenke verteilen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Auf welcher Veranstaltung waren Sie denn?)


An dieser Stelle lügen Sie – Sie, die uns vorwerfen, dies
getan zu haben, und die deswegen einen Lügenunter-
suchungsausschuss einrichten – der Öffentlichkeit vor,
Sie könnten bei den jetzigen Wachstumsbedingungen
Steuersenkungen durchführen,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein, aber Steuersenkung schafft Wachstum! So einfach ist das!)


gleichzeitig Staatsgeschenke verteilen und den Schulden-
abbau betreiben. So argumentieren Sie seit Jahr und Tag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Über den Redebeitrag des Kollegen Merz bin ich des-
wegen so enttäuscht.


(Joachim Poß [SPD]: Warum? Der hat noch nie was Besseres gebracht!)


Denn ich hatte gehofft, endlich würden Sie die Tür öffnen
und nachdenklich im Hinblick darauf werden, dass wir
gemeinsam der Gesellschaft gegenüber verantwortlich
sind und ihr sagen, wie man mit Zeiten knapperen Wachs-
tums umgeht.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wachstum anstoßen!)


Um nicht mehr und nicht weniger geht es. Diese Aufgabe
gehen wir mit Ruhe und Konzentration an.

Vieles ist dazu zwar schon gesagt worden. Aber die
wesentlichen Dinge werde ich noch einmal ansprechen
– denn Sie begreifen sie sonst offenbar nicht –:

Erster Punkt. In diesen Zeiten muss das Sparen und
Konsolidieren weitergehen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das hat doch noch gar nicht angefangen!)


Denn sonst würden die Schulden und die Zinslasten wei-
ter anwachsen. Das wäre für die Wirtschaft kontrapro-

duktiv. Von daher sparen und konsolidieren wir weiter,
und zwar ganz wesentlich im konsumtiven Bereich. Die
Bereiche, in denen es darum geht, Investitionen zu stimu-
lieren, sparen wir dabei aus. Das ist gut und richtig. Das
werden wir auch weiterhin tun; das haben wir Ihnen schon
gesagt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zweiter Punkt. Nicht Sie, sondern wir haben mit den
Strukturreformen begonnen. Denn wir wissen, dass die
Lohnnebenkosten bzw. die sozialen Sicherungssysteme
ein ganz zentraler Punkt sind, um sowohl von den staat-
lichen Finanzproblemen herunterzukommen als auch der
Wirtschaft und der Beschäftigung wieder Impulse zu ge-
ben. Von daher ist es nicht richtig, wenn Sie sagen, wir tä-
ten hier nichts. Der Lohnnebenkostenabbau ist für uns ein
zentraler Punkt.

Der dritte Punkt betrifft neue Impulse für den Mittel-
stand. Wir – nicht Sie – geben sie. Rot-Grün handelt.

Jetzt nenne ich einen Punkt, den Bürokratieabbau, von
dem ich meine, dass wir hier mehr tun sollten. Es ist wich-
tig, weitere Impulse zu geben. Etwas enttäuscht – das
muss ich schon sagen – bin ich von dem, was die Ge-
werkschaften ausgehandelt haben. Denn das belastet uns
in neuer Weise sehr.

Bei meinem fünften Punkt handelt es sich um eine
deutliche Aufforderung an die Banken, die Zinssenkun-
gen nicht einfach zu verfrühstücken. Auch das ist ein
wichtiger Punkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nicht nur wir als Politiker haben Verantwortung, sondern
auch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Kräfte. Dazu
gehören die Banken als Allererste.

Letzter Punkt. Wir sprechen nicht nur abstrakt über
Wachstum, sondern geben dem Wachstum eine Richtung.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Den letzten Stoß!)


Die ökologische Innovation ist ein ganz wichtiger Im-
puls. Wenn ich mit Baupolitikern spreche, heißt es im-
mer: Mehr Neubau! Auf der anderen Seite sollen wir
den Abriss des Leerstands im Osten finanzieren. Es
kann doch nicht sein, dass wir Wachstum um seiner
selbst willen fördern, egal ob es einen Bedarf gibt oder
nicht. Wir müssen dem eine inhaltliche Richtung geben,
die den gesellschaftlichen Notwendigkeiten entspricht.
Ein ganz zentraler Punkt ist dabei die ökologische In-
novation.

In diesem Sinne wird Rot-Grün die inhaltliche Struk-
turierung und Innovation der weiteren Wirtschaftsent-
wicklung aktiv vorantreiben. Sie von der Opposition soll-
ten das nicht ständig mies machen, sondern ein Stück weit
davon lernen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Das waren noch Zeiten, als der Metzger hier geredet hat!)


Franziska Eichstädt-Bohlig






Hans Eichel (SPD):
Rede ID: ID1501824000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dagmar Wöhrl von der

CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501824100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Ich glaube, es ist inzwischen überall angekommen – liebe
Kolleginnen und Kollegen von SPD und den Grünen,
wenn Sie ehrlich sind, geben Sie zu: auch bei Ihnen –: Es
liegt ein Bundeshaushalt vor, der dieses Mal schon vor der
zweiten und dritten Lesung Makulatur ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist richtig, dass diese Aktuelle Stunde von der FDP

beantragt worden ist. Denn wir helfen Ihnen, meine Da-
men und Herren von der Koalition, dabei, mit einem
Nachtragshaushalt aus diesem Schlamassel herauszu-
kommen. Das sollte nicht zu spät geschehen.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Darauf warten wir gerade!)


Ich frage mich schon, ob ich es noch erlebe, dass Sie
eine Initiative einbringen, die auf einer soliden Grundlage
basiert. Ich möchte dazu nur die Einleitung zum Haus-
haltsgesetz zitieren. Dort schreiben Sie:

Auf der Grundlage der sich abzeichnenden
– hören Sie gut zu –

Aufwärtsentwicklung setzt die Bundesregierung mit
dem Bundeshaushalt 2003 diesen Konsolidierungs-
kurs um.

Da frage ich mich schon: Wie ist denn die Realität? Wie
realitätsfremd sind Sie denn hier eigentlich? Von welchem
Aufschwung reden Sie denn? Von dem vom letzten Jahr
mit 0,2 Prozent oder vielleicht von dem mit 0,6 Prozent,
der in diesem Jahr erwartet wird? Das ist kein Auf-
schwung, das ist keine Aufwärtsentwicklung; das ist Sta-
gnation, in der wir uns zurzeit befinden.


(Dirk Niebel [FDP]: Die einzige Aufwärtsentwicklung gibt es bei den Arbeitslosenzahlen!)


Wenn wir sehen, dass Sie Ihrem Haushalt 1,5 Prozent
Wachstum zugrunde gelegt haben – wo wir alle doch wis-
sen, dass das nicht einzuhalten sein wird –, wenn wir se-
hen, dass Sie keinen Bundeszuschuss für die Bundesan-
stalt für Arbeit einkalkuliert haben – letztes Jahr betrug
dieser Bundeszuschuss noch 5,6 Milliarden Euro –,


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Realitätsblind!)


und wenn man ferner sieht, dass Sie bei Ihrem Haushalt
noch die ursprünglichen Hartz-Konzepte zugrunde gelegt
haben – sie sind ja so nicht verabschiedet worden –, wis-
sen wir, dass alles, was uns vorgelegt worden ist, Maku-
latur ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Von welchem Konsolidierungskurs reden Sie denn, Herr
Eichel? Es ist angesprochen worden: Im letzten Jahr gab
es mit über 31 Milliarden Euro die dritthöchste Neuver-

schuldung seit Bestehen der Bundesrepublik Deutsch-
land.


(Heidi Wright [SPD]: Das müssen Sie sagen!)

Das ist kein Weg in die Konsolidierung; das ist ein Weg in
den Schuldenstaat heute


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)


und zu mehr Steuern und zu einem noch stärkeren Steuer-
staat morgen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir müssen schauen, dass wir da wieder herauskom-

men und nicht noch tiefer hineingeraten. Da frage ich
mich schon: Wo bleibt denn die Generationengerechtig-
keit,


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

von der Sie landauf, landab immer reden? Sie reden zwar
von der Gerechtigkeit, aber Sie handeln nicht entspre-
chend. Es ist offensichtlich, dass Reden und Handeln bei
Ihnen zwei total unterschiedliche Dinge sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie sollten nicht glauben, dass die Leute draußen im
Lande so dumm sind, dass sie das nicht langsam erkennen
könnten.

Jetzt heißt es schon: Es ist wahrscheinlich nicht einzu-
halten und nahezu ausgeschlossen, dass wir bis zum Jahr
2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können –
so Ihr Sprecher, Herr Eichel. Man kann sagen, dass eines
auf jeden Fall ausgeschlossen ist, nämlich dass es in un-
serem Land unter Ihrer Regierung zukünftig aufwärts ge-
hen wird. Das ist ganz sicher.

Jetzt kommt Clements Mittelstandsoffensive.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Toll!)


Wir wissen: Wahlen stehen an; Reformeifer ist gefragt;
Elan ist gefragt. Es wird ein Papier vorgelegt. Ich glaube
schon, dass ich auch im Namen des Mittelstandes rede,
wenn ich sage, dass wir uns freuen, dass wenigstens der
Name „Mittelstand“ in Ihrer Rhetorik wieder vorkommt.
Denn von diesem Namen hat man ja bei Ihnen schon ewig
lange nichts gehört. Aber damit hat es sich auch schon. Sie
legen ein Papier mit wunderschönen Überschriften und
vielen Worthülsen, aber ohne Inhalt vor.

Meine Damen und Herren, Sie wollen den Mittelstand
um 35 bis 60 Millionen Euro entlasten. Wir haben aber al-
lein in diesem Jahr eine Mehrbelastung in Höhe von über
12 Milliarden Euro; davon entfallen allein 9,1 Milliarden
auf die Sozialversicherungsbeiträge. Wir wissen, dass der
Mittelstand sehr stark von den Lohnnebenkosten abhän-
gig ist und dass gerade er sehr unter der Erhöhung der So-
zialversicherungsbeiträge leidet.

Ferner reden Sie von höheren Investitionen. Das ist al-
les schön und gut; dafür sind wir alle. Sie weisen zwar in
Ihrem Haushalt einen ein wenig höheren Betrag für Inves-
titionen aus, wenn man aber genau nachforscht, ist darin
die Flutopferhilfe mit 2,5 Milliarden Euro enthalten.
Rechnet man diese heraus, kommt man zu dem Ergebnis,


(A)



(B)



(C)



(D)


1412


(A)



(B)



(C)



(D)






dass 700 Millionen Euro weniger für öffentliche Investi-
tionen ausgegeben werden als letztes Jahr. Dabei gab es
schon im letzten Jahr die niedrigste Investitionsquote seit
Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt kommen Sie mit einer Sonderministeuer, von der
aber über 90 Prozent der kleinen und mittelständischen
Unternehmen nicht profitieren können.


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1501824200

Frau Kollegin Wöhrl, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501824300

Damit werden Sie es nicht schaffen, den privaten Kon-

sum und die Binnenkonjunktur anzuregen.
Wenn Sie schon nicht unsere Vorschläge übernehmen

wollen, vielleicht weil CDU/CSU draufsteht, dann über-
nehmen Sie wenigstens die 20 Vorschläge Ihres eigenen
Sachverständigenrates.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Oder unsere!)

Aber bitte handeln Sie endlich, damit es wirklich nach
vorn geht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501824400

Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Kröning von der

SPD-Fraktion.


Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1501824500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! In der Debatte zum Nachtragshaushalt 2002
habe ich es bereits gesagt: Ziel der Beratungen, die der
Haushaltsausschuss am 20. Februar und der Bundestag
vom 18. bis 21. März abschließen werden, ist ein ver-
fassungs- und maastrichtkonformer Haushalt. Das heißt
zum einen: Art. 115 GG wird eingehalten, am besten
nicht nur durch eine rechtlich hinreichende, sondern
durch eine ökonomisch zukunftsweisende Investitions-
quote.

Frau Kollegin Wöhrl, vielleicht sollten Sie sich als
Wirtschaftspolitikerin einmal in den Niederungen des
Sachverstandes bewegen


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Nein, das tut weh!)

und nachprüfen, wie die Investitionsquote im Vergleich zu
den Vorjahren ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ludwig Stiegler [SPD]: Dann redet es sich so schlecht!)


Zum anderen heißt die Vorgabe, die wir uns gesetzt ha-
ben: Einhaltung der Stabilitätskriterien des Vertrages von
Maastricht.

Zur Erinnerung: Erstens. Die Kriterien zielen auf eine
Begrenzung des Defizits auf maximal 3 Prozent und da-
rauf, den Schuldenstand zurückzuführen – Tendenz: unter
60 Prozent –; das gerät ab und zu aus den Augen. Wir soll-
ten nicht vergessen, dass dieses Haushaltsregime strenger
ist als die Finanzverfassung des Grundgesetzes, und zwar
zu Recht; denn wir sind längst ein europäischer Wirt-
schafts- und Währungsraum.

Zweitens. Die Stabilitätskriterien sind nicht mit dem
Stabilitäts- und Wachstumspakt, der leicht in Verruf gera-
ten ist, zu verwechseln. Er zeigt meiner Meinung nach,
dass wir über eine Stabilitätspolitik hinaus eine Wachs-
tumspolitik in Europa brauchen. Das sollte Bestreben ge-
rade der deutschen Politik sein, die die führende Volks-
wirtschaft in Europa vertritt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Warum macht sie es dann nicht?)


Drittens. Es ist zu beachten, dass die Kriterien nicht nur
für die gegenwärtigen, sondern auch für die künftigen
Mitglieder der Europäischen Union und damit auch des
Wirtschafts- und Währungsraums gelten. Dies ist nach
dem Beschluss von Kopenhagen an der Schwelle zur
großen Erweiterung der Europäischen Union zu betonen,
um das Vertrauen in den Euro zu erhalten.

Mit anderen Worten: Wir haben allen Anlass, an den
Stabilitätskriterien festzuhalten. Wir müssen aber zu-
gleich erkennen, dass Stabilitätspolitik nicht im Gegen-
satz zur Wachstumspolitik steht, sondern ihre Vorausset-
zung ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nach den deutsch-französischen Initiativen zur Erwei-
terung und Vertiefung der Union, die wir in der letzten
Zeit erfreulicherweise feststellen konnten und die in der
nächsten Woche in Paris die Grundlage für die Zusam-
menkunft der Parlamente bilden, würde ich mir auch
Ideen der beiden führenden Staaten in der Europäischen
Union zu einer abgestimmten Finanz- und Wirtschaftspo-
litik wünschen. Richtschnur könnten die Beschlüsse von
Lissabon sein, die eine Wachstumsstrategie auf eine In-
novationsstrategie in Europa stützen. Den Reden in Eu-
ropa müssen Taten folgen.

Ich möchte eine weitere Bemerkung zum Jahreswirt-
schaftsbericht und seine Auswirkungen auf den Haus-
halt machen. Den Bericht wird die Bundesregierung,
wie wir gehört haben, am 29. Januar vorlegen. Natürlich
wird eine Korrektur der Wachstumsprognose von
1,5 Prozent auf 1 Prozent, falls die Regierung dazu
kommen sollte, im Haushalt umzusetzen sein. Ich habe
dies bereits in der Debatte über den Nachtragshaushalt
angekündigt.

Dabei geht es nicht nur um das Soll, sondern auch um
das Ist. Daran muss man sich gewöhnen. Gerade der Jah-
resabschluss 2002, den Herr Minister Eichel gestern vor-
gestellt hat, zeigt, dass Haushaltsaufstellung und Haus-
haltsvollzug, wenn sie auf der sicheren Seite bleiben,
steuerbar sind.

DagmarWöhrl




Volker Kröning

Ich erinnere daran: Europarechtlich – gerade bezüglich
der Maastricht-Kriterien – kommt es nicht nur auf Pro-
gramme und Pläne, also auf Sollwerte, sondern wie in der
Wirtschaft auf Jahresabschlüsse, das heißt Istwerte, an.
Das Vertrauen der Märkte hängt davon ab, wie wachs-
tumsfreundlich sich staatliches Handeln über Jahre hin-
weg entwickelt und auch festigt.

Was Stabilität angeht, sind wir in Europa auf gutem
Wege, wie die Preisstabilität zeigt. Ich würde mich freuen,
wenn nicht nur die staatlichen, sondern auch die wirt-
schaftlichen Akteure mitspielten. Das Verpuffen der letz-
ten Zinssenkung der Europäischen Zentralbank ist ein un-
gutes Signal für das Wachstum, mit dem sich auch die
Sprecher der Wirtschaftsverbände einmal auseinander
setzen sollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zum Schluss zur Bundesanstalt für Arbeit. – Ich hoffe,
Herr Präsident, dass die Zeitangabe am Rednerpult falsch
ist.


(Heiterkeit – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Die gilt für alle!)


Ich kann mich aber kurz fassen.
Was den Zuschuss zur Bundesanstalt angeht, so unter-

stützen wir ausdrücklich die Verabredung zwischen dem
Wirtschafts- und Arbeitsminister Clement und dem Fi-
nanzminister Eichel, dass wir nicht zu einem Bundeszu-
schuss zurückkehren; denn dies würde den Reformdruck,
den wir uns auferlegt haben und den sich übrigens auch
die Bundesanstalt selber auferlegt hat, mindern statt auf-
rechterhalten.

Alle Annahmen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit,
die sich unterhalb oder oberhalb der Annahme bewegen,
die dem Haushalt der Bundesanstalt zugrunde liegt, sind
spekulativ und grundlos.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist unglaublich!)

Wir werden uns an einer Diskussion über einen Bundes-
zuschuss nach den Weichenstellungen beider, der Gre-
mien der Bundesanstalt und des Haushaltsausschusses
des Bundestages, nicht beteiligen.

Im Jahresdurchschnitt 2002 hatten wir – wir müssen
sagen: leider – 4 060 300Arbeitslose, wie der Abschluss-
bericht der Bundesanstalt, der in dieser Woche vorgelegt
worden ist, gezeigt hat.


(Zuruf des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])

– Ich habe ja gesagt: leider. Aber in der Prognose – –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501824600

Herr Kollege Kröning, ich habe keinen Einfluss auf die

Uhr. Sie läuft so, wie sie läuft, und Ihre Redezeit ist ab-
gelaufen.


Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1501824700

Ich darf den Satz zu Ende führen: Dem Wirtschafts-

plan, den wir beraten und den die Regierung genehmigt

hat, liegt eine Zahl von 4 140 000 zugrunde. Ihre Anmer-
kung, dies sei Makulatur, Frau Kollegin Wöhrl, ist
schlicht Quatsch.

Ich fasse zusammen: – –


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501824800

Nein, nein, Sie fassen bitte nicht mehr zusammen. Sie

sind anderthalb Minuten über der Zeit. Ich bitte Sie jetzt,
das Rednerpult zu verlassen.


Volker Kröning (SPD):
Rede ID: ID1501824900

Ich habe das gesagt, was ich sagen wollte.
Danke schön.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501825000

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Fuchs von

der CDU/CSU-Fraktion.


Volker Kröning (SPD):
Rede ID: ID1501825100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

Kollegen! Ich habe in meinem Medizinstudium offenbar
nicht richtig aufgepasst, denn wenn ich zur Regierungs-
bank schaue, dann muss ich feststellen, dass Autismus
entgegen meiner bisherigen Auffassung anscheinend an-
steckend ist. Das eine oder andere Merkmal habe ich bis-
her eigentlich nur bei einem Regierungsmitglied der letz-
ten Legislaturperiode bemerkt. Was ich aber heute hier
über die Situation der Unternehmen gehört habe, führt
mich dazu, zu glauben, dass Autismus ansteckend ist.
Dies ist eine neue medizinische Erkenntnis.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wolfgang Clement, Bundesminister: Das hätte ich von Ihnen nicht erwartet!)


Verehrter Herr Clement, wenn wir uns die Situation der
Unternehmen heute ansehen, stellen wir fest, dass die
Aussage, die der Bundeskanzler gestern gemacht hat,
nämlich dass die Situation wesentlich besser sei als ange-
nommen, nicht stimmt. Es ist genau umgekehrt.

Ich habe das Glück, häufig in Unternehmen zu sein. Ich
stelle dabei fest, dass die Situation dort erheblich schlech-
ter ist.


(Zuruf des Bundesministers Wolfgang Clement)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501825200

Herr Fuchs, ich darf Sie kurz unterbrechen. Herr

Minister, Sie haben das Privileg, Angehöriger der Bun-
desregierung zu sein. Dies ist allerdings mit dem Nachteil
verbunden, auf der Regierungsbank schweigen zu müs-
sen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Kollege Fuchs, bitte fahren Sie fort.


(A)



(B)



(C)



(D)


1414


(A)



(B)



(C)



(D)







Volker Kröning (SPD):
Rede ID: ID1501825300

Aber ich höre Ihnen im Ausschuss gerne wieder zu,

Herr Clement.
Wir haben noch nie eine so hohe Zahl von Insolvenzen

wie im letzten Jahr gehabt und in diesem Jahr geht es wei-
ter. Wenn man heute in eine Tageszeitung schaut, dann
muss man feststellen, dass dort häufig mehr Insolvenzan-
zeigen als Todesanzeigen zu finden sind. Da kann, weil es
Gott sei Dank mehr Menschen als Unternehmen in
Deutschland gibt, doch wohl etwas nicht ganz stimmen!
Die Insolvenzanzeigen sind wahrscheinlich die einzige
Einnahmequelle, die den Zeitungsumsatz zurzeit stärkt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ihre Vergleiche haben aber zwei Krücken und hinken!)


Ihre Prognosen, verehrter Herr Eichel, haben eine so
kurze Halbwertszeit, dass die FDP richtig gehandelt hat,
eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Ihre Prognosen, die
so falsch sind, dass wir uns auch heute wieder damit be-
schäftigen müssen, gibt es fast im Stundentakt.

Ich mache Ihnen einen Sparvorschlag, Herr Eichel.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ersparen Sie uns das, was Sie sagen wollen! Das ist der beste Sparvorschlag!)


Sie könnten, wie ich denke, pro Jahr 600 000 Euro sparen.
Sie haben ein Wirtschaftsgutachten anfertigen lassen, das
600 000 Euro gekostet hat. Sie aber nehmen dieses Gut-
achten, stecken es in eine Schublade, schließen diese or-
dentlich ab und schmeißen den Schlüssel in die Spree.
Kein Vorschlag – es stehen 20 konkrete Vorschläge darin –
wird umgesetzt. Die Kollegin Wöhrl hat eben zu Recht
gefragt, wo Ihre Gesetzesinitiativen dazu sind. Die würde
ich gerne einmal sehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Verehrte Frau Kollegin Hermenau, auch Sie scheinen

die Unternehmen gar nicht zu kennen. Glauben Sie, dass
jeder in den Unternehmen so wie Sie, wenn Sie in Berlin
herumfahren – ich habe schon gehört, dass sich viele grü-
ne Bundestagsabgeordnete beschweren, wenn sie am Flug-
hafen nicht mit einer S-Klasse abgeholt werden –, einen
Mercedes oder BMW fährt?


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Unglaublichen Schwachsinn erzählen Sie hier! Sie können alles erzählen, aber nicht solch einen Unfug!)


Nein, 80 Prozent der Firmenfahrzeuge sind Golf, Astra
etc. Wissen Sie, wozu Ihre Steuererhöhungen bei den be-
troffenen Bürgern geführt haben? – Sie haben zu einer Ge-
haltskürzung um circa 60 Euro pro Monat geführt. Ich
meine, das ist mehr als genug.


(Zurufe von der SPD)

– Auch mit Schreien werden Sie es nicht richtiger machen. –
Ihre Politik führt zu einer unglaublichen Mehrbelastung
bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Betrie-
ben. Sie werden am 1. Februar bis zu 200 Euro weniger in
der Gehaltstüte haben. Sie werden es Ihnen in Hessen hof-
fentlich deutlich heimzahlen.


(Dirk Niebel [FDP]: Und in Niedersachsen!)


– Natürlich auch in Niedersachsen.
Der Finanzexperte des Kieler Instituts für Weltwirt-

schaft, Alfred Boss, hat vorausgesagt, dass die Nettoneu-
verschuldung in diesem Jahr bei 30 Milliarden Euro lie-
gen wird. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, Herr
Kollege Kröning, dass Herr Gerster gestern gesagt hat, er
gehe davon aus, dass er einen Zuschuss von mindestens
1 Milliarde Euro für die Bundesanstalt für Arbeit brau-
chen wird. Auch diese Zahl ist dramatisch.

Herr Minister Eichel, ich habe heute nur eine kurze Re-
dezeit von fünf Minuten. Ich bin nicht PISA-geschädigt
und kann ganz gut rechnen. Fünf Minuten sind insgesamt
300 Sekunden. Sie haben in diesen 300 Sekunden, die ich
hier reden durfte, 581 700 Euro mehr Neuverschuldung
gemacht; denn Sie machen pro Sekunde 1 939 Euro mehr
Neuverschuldung. Das ist Ihre Politik, die zeigt, wie
schlecht es gelaufen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501825400

Herr Kollege Fuchs, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers-

ten Rede im Deutschen Bundestag.

(Beifall)


Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Faße von der
SPD-Fraktion.


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1501825500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Die FDP müsste sich an dieser Stelle eigentlich fra-
gen, was die Einberufung dieser Aktuellen Stunde der
Wirtschaft und den Menschen in diesem Lande eigentlich
gebracht hat.


(Dirk Niebel [FDP]: Klarheit! – Rainer Brüderle [FDP]: Sie zu sehen!)


Ein Lamentieren der Opposition, ein Schlechtreden
Deutschlands, das trägt nicht zur Problemlösung in un-
serem Lande bei.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein Jammertal war es, das hier gezeichnet wurde. So ist
unser Land nicht.

Ich sage hier ganz klar und deutlich: Bei den Punkten,
bei denen Sie im Bundesrat gefordert waren, wurden Sie
schwammig oder aber polemisch. Ich weise etliche der
Aussagen, gerade die letzten, massiv zurück. Damit kom-
men Sie in unserem Lande nicht weiter.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Warten Sie es ab!)


Die Menschen wollen Lösungen für ihre Probleme; das ist
richtig. Unser ehrgeiziges Ziel ist und bleibt es, die öf-
fentlichen Haushalte zu konsolidieren. Hier sitzen wir alle
im gleichen Boot: die Kommunen, die Länder, der Bund
und die Sozialsysteme. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie,
wo auch immer Sie stehen, an der Stelle Ihren Anteil da-
ran leisten, dass wir diese Ziele erreichen können.




Annette Faße


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Das machen wir im Bundesrat! Da ändern wir allen Unfug!)


Wir alle in diesem Land – und nicht nur ein Teil – tragen
die Verantwortung.

Wir bringen wichtige Strukturreformen auf den Weg;

(Dirk Niebel [FDP]: Welche? Nennen Sie doch einmal eine!)

dies ist Beschlusslage. Zu jedem Punkt, den wir für rich-
tig halten, sagen Sie entweder, dass es nicht ganz so ist,
dass es nicht halb so ist oder dass es total schlecht ist.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Meistens das Letztere! Wir wollen doch nicht lügen! – Dirk Niebel [FDP]: Wenn es doch so ist!)


Das Hartz-Konzept kritisieren Sie sehr stark. Die Mittel-
standsoffensive, zu der selbst Handwerkskammern sagen,
dass sie richtig ist, kritisieren Sie. Wir gehen mit ihr den
richtigen Weg.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Abschaffung des Meisterbriefs!)


Ich glaube, Sie sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit und
Sie wissen nicht, wie die Diskussionen im Lande laufen.
Die Mittelstandsoffensive ist richtig. Das Gleiche gilt für
die 2003 anstehende Reform der sozialen Sicherungssys-
teme.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben heute wohl zu viel Eierlikör getrunken!)


Ich glaube, Sie wissen nicht mehr, wie in unserem Land
diskutiert wird.

Um mehr Wachstum und Beschäftigung zu erreichen,
setzen wir alles daran, die Investitionen so hoch wie mög-
lich zu halten; denn Investitionen sind die unabdingbare
Voraussetzung für Wirtschaftswachstum. Investitionen si-
chern den Unternehmen Aufträge und schaffen und erhal-
ten Arbeitsplätze. Die Investitionen in Infrastrukturmaß-
nahmen besitzen dabei eine Schlüsselrolle.


(Rainer Brüderle [FDP]: Können Sie es noch einmal wiederholen?)


Deshalb ist und bleibt der Etat des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen der größte Inves-
titionshaushalt des Bundes. Bei den Investitionen im Ver-
kehrsbereich haben wir ein sehr hohes Niveau – höher als
zu Ihrer Zeit – erreicht.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist total falsch!)


Wir wissen um die Bedeutung für die Arbeitsplätze und
die Wirtschaft in unserem Land.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Nichts sinkt schneller als die Investitionsquote!)


Das betrifft die Verkehrsinvestitionen und die Investitio-
nen für Stadterneuerungen. Seit 1998 stehen wir hier her-

vorragend da. Meine Herren der Opposition, Sie haben
lange nicht so viel Geld in die Hand genommen.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Kann es sein, dass Sie die falsche Rede mitgenommen haben?)


Die Investitionen bleiben trotz der angespannten
Haushaltslage und trotz der Notwendigkeit der Haushalts-
konsolidierung auch im Jahre 2003 auf hohem Niveau.
Einsparungen dürfen so weit wie möglich nicht im Inves-
titionsbereich vorgenommen werden. Dies ist und bleibt
unser Ziel. Wir halten es für richtig und wichtig, auch an
dieser Stelle ein Wort zu den Investitionen, die im Osten
unseres Landes auf hohem Niveau fortgeführt werden, zu
sagen: 60 Prozent der Investitionen gehen allein in diesen
Bereich.

In der letzten Legislaturperiode haben wir etwas, das
Sie nie hinbekommen haben, erreicht.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Jetzt sind wir aber gespannt!)


Es geht um die Verkehrsinfrastruktur und die Öffnung
neuer Verkehrswege. Dies werden wir weiter fortsetzen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Der ICE zum Beispiel und der Transrapid in China!)


Wir werden hier gesetzgeberisch tätig werden und die pri-
vat finanzierten Betreibermodelle weiterführen; denn wir
wissen, wie wichtig die Verkehrsinfrastruktur für unser
Land ist. Dieses Aufbrechen einer ganz neuen Finanzie-
rung ist der richtige Weg. Sie sollten hier konstruktiv mit-
arbeiten und nicht versuchen, dies infrage zu stellen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich wünsche mir eine Opposition, die konstruktive
Vorschläge macht,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

eine Opposition, die die Vorschläge, die wir gemacht ha-
ben, wirklich im Detail berät. Wenn Sie dies tun, sollten
Sie die Hinweise und Gesetzesvorgaben von uns ernst
nehmen und sie da, wo Sie in der Verantwortung stehen,
auch entsprechend behandeln.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir wollen uns wirklich bessern!)


Ganz zum Schluss: Sigmar Gabriel ist ein hervorra-
gender Ministerpräsident für Niedersachsen und er wird
es auch bleiben.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das sehen die Menschen anders!)


Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501825600

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus-Peter Willsch von

der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



(A)



(B)



(C)



(D)


1416


(A)



(B)



(C)



(D)







Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1501825700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Liebe Frau Faße, wenn man Ihnen so zuhört, dann
kommt man leicht auf den Gedanken, man müsste die Ak-
tuelle Stunde in Märchenstunde umtaufen,


(Dr. Uwe Küster [SPD]: So eine Überheblichkeit! – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Versprechungen, die Sie der Bevölkerung machen, sind Märchen!)


und zwar nicht nur durch das, was Sie gesagt haben, son-
dern auch dadurch, wie Sie es gesagt haben.

Mir kommt es so vor, als ob Sie in einem anderen Land
lebten. Die Menschen merken das alles nicht, was Sie dar-
gestellt haben. Der Einzelhandel hat im letzten Jahr sein
schwächstes Jahr gehabt. Die Investitionsquote im letzten
Jahr war die niedrigste seit Bestehen der Bundesrepublik.
Aus diesem Grunde müssen Sie die Zahlen verändern und
brechen Ihnen die Prognosen schneller weg, als Sie sie
aufschreiben können.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!)

Herr Eichel, ich muss mich Ihnen einmal zuwenden.

Wir als Hessen kennen uns schon länger.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Besser wäre er dageblieben!)

Ich habe mich eigentlich schon immer über den Begriff
„Hans im Glück“ gewundert. Ich habe mir das so erklärt,
dass Sie in der Tat Glück hatten, dass Herr Lafontaine ge-
rade einen Abgang gemacht hatte und für Sie ein Platz frei
war, als die hessischen Wähler Sie wegen erwiesener
schlechter Leistungen abgewählt haben. Sie haben uns
mit Ihrer rot-grünen Truppe in Hessen ein Land hinterlas-
sen, das trotz bester Voraussetzungen unter den Bundes-
ländern nur eine schwache Mittelposition hatte. Unter
Roland Koch ist es in die Spitzenposition unter den Län-
dern zurückgeführt worden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie könnten sich „von Eichel“ nennen, wenn Sie

Wachstumsquoten wie in Hessen hätten, die drei- bis fünf-
mal so hoch wie der Bundesdurchschnitt sind. Das wissen
Sie ganz genau. Hessen hat eine Arbeitslosenquote von
8,1 Prozent, der Bundesdurchschnitt liegt bei 10,1 Pro-
zent. Mit solchen Zahlen würde ich schnell nach Hause
gehen und aufhören, eine erfolgreiche Landesregierung
zu kritisieren.

Wenn man aber Bilder aus einem Märchen aufgreift,
dann muss man die Geschichte bis zum Ende lesen. Sie
wissen ja, wie es mit dem Hans im Glück ausging. Er hat
mit einem Goldklumpen angefangen. In einer ähnlichen
Situation waren auch Sie. Durch das Aufblähen des Haus-
halts durch Herrn Lafontaine, Ihren Vorgänger, war jede
Menge Einsparvolumen vorhanden. Sie mussten nur die
eigenen Unsinnigkeiten wieder einsammeln. Sie hatten in
den ersten Jahren einen Steueraufwuchs. Sie haben die
Chancen verplempert. Deshalb stehen Sie heute mit dem
Rücken an der Wand und haben keine Pfeile mehr im
Köcher, die Sie abschießen können, um Wachstum in un-

serem Lande zu erzeugen. Nichts geschieht. Das Ende der
Fahnenstange ist erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Gans hat er noch aufgegessen!)


Wann gab es das je, dass ein Minister nach der Koali-
tionsvereinbarung ein so schlechtes Zeugnis bekommen
hat? Die Wirtschaftsforschungsinstitute haben mit ihrem
Herbstgutachten so lange gewartet, bis die Tinte unter der
Koalitionsvereinbarung trocken war. Nachdem sie den
Vertrag durchgelesen haben, haben sie festgestellt, dass
sie die Wachstumsprognose wegen dieser Koalitionsver-
einbarung um 0,5 Prozent senken müssen. Deshalb ist die
Wirtschaft bei uns am Boden. Deswegen gibt es in der Be-
völkerung kein Vertrauen in diese Regierung.

Es ist noch nie passiert – schauen Sie sich die demo-
skopischen Werte an –, dass unmittelbar nach einer Wahl
die Stimmung im Land so mies war. Normalerweise ha-
ben alle zu diesem Zeitpunkt vom Wahlkampf genug.
Aber die Stimmung ist zurzeit so mies, weil Sie in diesem
Land eine so miese Politik machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie setzen Ihren Lug und Trug fort. Wenn Sie nicht von

Herrn Solbes dazu gedrängt worden wären, Ende Januar
die Zahlen vorzulegen, dann hätten wir noch immer keine
Wachstumsprognose von 1 Prozent von Ihnen gehört.
Wahrscheinlich würde dann weiterhin stereotyp von ei-
nem Wachstum von 1,5 Prozent gesprochen. Um noch
einmal das Bild vom Hans aufzunehmen: Sie pfeifen wie
ein Kind im Wald, das die Wirklichkeit nicht wahrnehmen
will.

Ich darf aus der „Stuttgarter Zeitung“ zitieren:
Der Hü-und-Hott-Stil hat dem Ansehen der rot-grü-
nen Koalition insgesamt geschadet. Wenn sich
führende Sozialdemokraten zuerst für die Vermögen-
steuer stark machen und dann stattdessen eine mo-
derate Zinsabgeltungsteuer beschließen, verlieren
Partei, Bürger und Unternehmen schnell die Orien-
tierung.

Sie verlieren das Vertrauen, weil sie merken, wie Sie, Herr
Eichel, weiterhin auf der Abschaffung des Bankgeheim-
nisses beharren. Warum denn wohl? Wenn Sie eine Zins-
abgeltungsteuer einführen, dann brauchen Sie das Bank-
geheimnis nicht mehr abzuschaffen. Sie haben sicherlich
noch andere Pläne. Diese werden aber erst nach dem
2. Februar bekannt gegeben. Sie wollen die Leute vor der
Wahl erneut hinters Licht führen und ihnen nicht die
Wahrheit sagen. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ihr Hin und Her in der Politik ist heute bei der An-

hörung im Fraktionssaal in der Luft zerrissen worden.
Steuervergünstigungsabbaugesetz – welch ein Euphemis-
mus für ein Gesetz, das nichts anderes als Mehrbelas-
tungen für die Bürger bringt!

Nehmen wir einmal an, jemand habe sich auf die Ko-
alitionsvereinbarung verlassen. Er hat gelesen, dass auf
Futtermittel, zum Beispiel für ein Hausschwein, in Zu-
kunft 16 Prozent Mehrwertsteuer entfallen. Also wurde




Klaus-PeterWillsch
das Hausschwein geschlachtet und eine Hauskatze an-
geschafft. Aber auch auf Tierfutter muss nun 16 Prozent
Mehrwertsteuer gezahlt werden. Die ermäßigte Mehr-
wertsteuer gilt nämlich nicht mehr.

Herr Eichel, Sie sollten eines wissen: In der Wirt-
schafts-, Finanz- und Steuerpolitik muss man nicht nur
das Vertrauen der Bürger genießen, sondern man muss
auch verlässlich sein. Sie aber sind das Gegenteil. Sie
vollziehen eine Pirouette nach der anderen. Keine Zahl ist
belastbar. Keine Zahl, die bei Sonnenaufgang genannt
wird, erlebt den Sonnenuntergang am selben Tag. Auf ei-
ner solchen Grundlage ist niemand bereit zu investieren
und zu konsumieren. Deshalb richten Sie unser Land zu-
grunde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501825800

Als letztem Redner in dieser Aktuellen Stunde erteile

ich dem Kollegen Ludwig Stiegler von der SPD-Fraktion
das Wort.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja wirklich der letzte Redner! – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist ja eine Endstrafe!)



Annette Faße (SPD):
Rede ID: ID1501825900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben

sieben Redner der Opposition gehört. Alle suhlen sich im
Pessimismus wie Schwarzkittel im Sumpf und im Moor.


(Beifall bei der SPD)

Es ist unglaublich, wie man ein neues Jahr so beginnen
kann. In der Sprache der Börsianer handelt es sich dabei
um eine richtige faule Bärenversammlung. Da lobe ich
mir unsere beiden Bullen, die Kraft und Stärke für die Zu-
kunft mitbringen, während Sie nur warten, dass Ihnen ein
Honigfass vor die Füße fällt.


(Beifall bei der SPD – Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)


– Nein, meine Damen und Herren, bei Ihnen ist die De-
pression weit verbreitet.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: In der Wirtschaft ist sie verbreitet! Das müssen Sie mal zur Kenntnis nehmen!)


Aber die Zukunft gehört nicht den Pessimisten, sondern
denen, die mit Tatkraft und Optimismus handeln. Deshalb
werden Sie in diesem Jahr in Ihrem Pessimismus ver-
sumpfen.


(Beifall bei der SPD)

Sie spekulieren auf eine Baisse, ganz nach dem Modell

des Sonthofener Programms – es müsse alles noch tiefer
sinken, hat Ihr Idol Franz Josef gesagt –, damit Sie mit
Ihren Schweinereien in den politischen Vorstellungen
durchkommen. Herr Merz spricht es als Einziger ehrlich
an. Die anderen reden drum herum. Herr Merz verdient zu-
mindest Punkte für seine Ehrlichkeit, weil er ausspricht,
dass er auf die Arbeitnehmer losgehen und Sozialabbau

betreiben will. Die anderen – heute insbesondere Frau Kol-
legin Wöhrl mit ihrer neuen Frisur –


(Heiterkeit bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die würde dir nicht stehen!)


verdienen den ersten Preis für die größte Scheinheiligkeit.

(Beifall bei der SPD)


Mit dieser Spekulation auf die Baissen ohne Ideen kom-
men wir nicht weiter.

Ein Weiteres trägt dazu bei, nämlich Ihr Hängen an den
Zahlen, Ihre Fixierung auf die Zahlen der Professoren und
Institute. Wer die Prognosen der vergangenen Jahre eva-
luiert, wird feststellen, dass der Wetterbericht treffsiche-
rer ist als die Herren Professoren in ihrem Bereich.


(Beifall bei der SPD)

Der Unterschied zwischen der Wissenschaft und der Poli-
tik ist folgender: Wenn die Professoren falsche Prognosen
abgeben, stellen sie einen Antrag auf Förderung weiterer
Forschungen. Wenn wir aufbauend auf deren falschen
Prognosen zu falschen Ergebnissen kommen, kriegen wir
einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Ich
versichere Ihnen: Wer auf die Professoren baut, hat auf
Sand gebaut. Auch unter ihnen gibt es übrigens Zweck-
pessimisten, was auch mit der Nähe zu manchen Verbän-
den zu tun hat.

Deshalb kommt es darauf an, dass wir handeln, statt
uns in die Depression reden zu lassen. Sie versündigen
sich an der wirtschaftlichen Stimmung, wenn Sie sich im
Pessimismus suhlen und meinen, Sie müssten als Retter
gerufen werden, weil das Land in Not ist. Das hat schon
Herr Stoiber vergeblich versucht. Die Deutschen haben
gesagt: Nein danke, Edmund, saniere lieber Kirch und Co.
und die Maxhütte, als dich uns anzudienen!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dann hat Herr Merz versucht, Hans Eichel eine Staats-
verschuldung in Höhe von 800 Milliarden Euro anzuhän-
gen. Das ist ein starkes Stück. Schließlich sind 750 Milli-
arden Euro davon die Erbschaft der schwarz-blau-gelben
Koalition. Wir zahlen pro Jahr allein mindestens 30 Mil-
liarden Euro für Schulden, die Sie, Herr Brüderle, und
Ihre Brüder und Schwestern von der schwarzen Seite uns
hinterlassen haben.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


Jede Minute muss für Ihre Schulden eine Summe im Wert
eines Einfamilienhauses aufgebracht werden, Herr
Brüderle.


(Beifall bei der SPD)

Wir könnten eine Konjunkturausgleichsrücklage von ei-
ner riesigen Größenordnung haben, wenn Sie das Land
nicht an die Wand gefahren hätten.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Einzige, der Schulden getilgt hat, war Hans mit sei-
nem Glück, nämlich mit den UMTS-Erlösen – das ist die


(A)



(B)



(C)



(D)


1418


(A) (C)






Realität –, während Sie Jahr für Jahr alles verwirtschaftet
haben. Deshalb sind Sie die Letzten, die daran Kritik üben
sollten. Wer so wie Sie im Glashaus sitzt, sollte aufpassen,
dass ihm nicht das ganze „Greenhouse“ auf den Kopf fällt,
sobald er nur einen Stein anfasst.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Lassen Sie uns auch das Positive sehen: In diesem
Land gibt es Preisstabilität. Dieses Land hat wettbewerbs-
fähige Lohnstückkosten. Dieses Land hat einen Handels-
bilanzüberschuss. Dieses Land hat einen Leistungsbilanz-
überschuss. Dieses Land verfügt über beträchtliche
Innovationen. Meine Damen und Herren, dieses Land hat
eine Bundesregierung, die handelt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich erinnere etwa an das Programm „Kapital für Arbeit“.
Helfen Sie doch mit, dass die Banken die Mittelständler
nicht verjagen, wenn sie Anträge im Rahmen dieses Pro-
grammes stellen. Heute sagen die Banken, sie tauschten
Bundeskredite gegen eigene Kredite, weil sie sich selber
sanieren wollen. Dasselbe gilt für die Bankzinsen:


(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Die Firmen haben keine Aufträge! Daran liegt es!)


Helft doch mit, dass die deutsche Bankenlandschaft end-
lich die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank für
Investitionen und für die Mittelständler freigibt. Das ist
unser Auftrag.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, dieses Land ist in der Lage,
seine Probleme zu lösen. Wenn Sie sich weiterhin in Pes-
simismus suhlen wollen, dann lösen wir die Probleme
eben allein. Dann bleiben Sie im Sumpf sitzen und wer-
den irgendwann zur Moorleiche.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501826000

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am

Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-

tages auf morgen, Donnerstag, den 16. Januar 2003,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.
Klaus-Peter Willsch (CDU):
Rede ID: ID1501826100