Protokoll:
14206

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 206

  • date_rangeDatum: 30. November 2001

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:04 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Beratungen mit Aussprache Tagesordnungspunkt II: Dritte Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushalts- plans für das Haushaltsjahr 2002 Haus- haltsgesetz 2002 (Drucksachen 14/6800, 14/7537, 14/7301 bis 14/7320, 14/7321, 14/7322, 14/7323 20365 A Manfred Carstens (Emstek) CDU/CSU . . . . . 20365 B Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20365 D Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20368 A Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 20372 C Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20375 A Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20378 C Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 20380 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20385 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 20385 C Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 20385 D Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . 20389 B, C Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20390 C, 20392 D Tagesordnungspunkt III: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“ (Soli- darpaktfortführungsgesetz) (Drucksache 14/7063) . . . . . . . . . . . . . 20395 A – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“ (Solidarpaktfortführungs- gesetz) (Drucksachen 14/7256, 14/7646, 14/7647) 20395 A Sabine Kaspereit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20395 C Leo Dautzenberg CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 20397 D Antje Hermenau BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20399 C Gisela Frick FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20401 C Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20402 D Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 20404 A Heinz Seiffert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 20406 B Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 20408 D Zusatztagesordnungspunkt 3: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Versorgungsänderungs- gesetzes 2001 (Drucksachen 14/7223, 14/7257, 14/7681, 14/7693) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20409 B – Zweite und dritte Beratung des von den FraktionenderSPDunddesBÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Plenarprotokoll 14/206 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 206. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. November 2001 I n h a l t : Entwurfs eines Versorgungsände- rungsgesetzes 2001 (Drucksachen 14/7064, 14/7681, 14/7693) 20409 C – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Be- amtenrechtsrahmengesetzes (Drucksachen 14/6717, 14/7681, 14/7693) 20409 C Hans-Peter Kemper SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 20409 D Meinrad Belle CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20411 A Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20412 C Dr. Max Stadler FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20413 C Petra Pau PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20414 B Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 20415 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Straf- prozessordnung (Drucksachen 14/7008, 14/7258, 14/7679) 20417 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 20417 B Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20418 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20419 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20421 A Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 20422 A Dr. Jürgen Meyer (Ulm) SPD . . . . . . . . . . . . . 20422 D Tagesordnungspunkt IV: – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen (Drucksachen 14/5975, 14/7573) . . . . 20424 C – Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Förderung des Pa- tentwesens an den Hochschulen (Drucksachen 14/5939, 14/7573) . . . . 20424 D Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . . . . 20424 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20427 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20429 A Anlage 2 Zu Protokoll gegeben Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe: – Änderung des Gesetzes über Arbeitneh- mererfindungen – Förderung des Patentwesens an Hochschulen (Zusatztagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . 20429 D Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20429 D Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20430 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20431 D Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20432 C Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20433 A Anlage 3 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20433 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001 Norbert Hauser (Bonn) 20427 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001 20429 (C) (D) (A) (B) Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 30.11.2001 Gila DIE GRÜNEN Balt, Monika PDS 30.11.2001 Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 30.11.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Bohl, Friedrich CDU/CSU 30.11.2001 Brudlewsky, Monika CDU/CSU 30.11.2001 Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ 30.11.2001 DIE GRÜNEN Caesar, Cajus CDU/CSU 30.11.2001 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 30.11.2001 Follak, Iris SPD 30.11.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 30.11.2001 Peter Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 30.11.2001 Günther (Plauen), FDP 30.11.2001 Joachim Haschke CDU/CSU 30.11.2001 (Großhennersdorf), Gottfried Hauer, Nina SPD 30.11.2001 Heiderich, Helmut CDU/CSU 30.11.2001 Dr. Hendricks, Barbara SPD 30.11.2001 Hübner, Carsten PDS 30.11.2001 Kolbow, Walter SPD 30.11.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 30.11.2001 Dr. Küster, Uwe SPD 30.11.2001 Lippmann, Heidi PDS 30.11.2001 Nachtwei, Winfried BÜNDNIS 90/ 30.11.2001 DIE GRÜNEN Nahles, Andrea SPD 30.11.2001 Ost, Friedhelm CDU/CSU 30.11.2001 Pieper, Cornelia FDP 30.11.2001 Rauber, Helmut CDU/CSU 30.11.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 30.11.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 30.11.2001 Dr. Schäfer, Hansjörg SPD 30.11.2001 Schenk, Christina PDS 30.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 30.11.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 30.11.2001 Hans Peter Schröter, Gisela SPD 30.11.2001 Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 30.11.2001 Schultz (Everswinkel), SPD 30.11.2001 Reinhard Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 30.11.2001 Christian Dr. Freiherr von CDU/CSU 30.11.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 30.11.2001 Thiele, Carl-Ludwig FDP 30.11.2001 Dr. Thomae, Dieter FDP 30.11.2001 Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 30.11.2001 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 30.11.2001 DIE GRÜNEN Wiesehügel, Klaus SPD 30.11.2001 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Gesetzentwürfe: – Änderung des Gesetzes über Arbeitnehmer- erfindungen – Förderung des Patentwesens an Hochschulen (Tagesordnungspunkt 4) Alfred Hartenbach (SPD): Die Innovationszentren Deutschlands liegen nicht nur in der Industrie und deren Forschungsanstalten, sondern in hohem Maße auch bei den Hochschulen und Fachhochschulen. Leider konnte das Potenzial der dortigen geistigen Leistungen bisher nicht in dem Umfange auch wirtschaft- lich genutzt werden, wie dies wünschenswert, ja auch ge- radezu erforderlich wäre. Der Grund liegt darin, dass es bisher den Hochschullehrern und Fachhochschullehrern freigestellt war, ob sie eine Erfindung, die in ihrem Tätig- keitsbereich gelungen war, als Patent anmelden und ver- markten wollten oder ob sie davon Abstand nehmen. In aller Regel war die Kostenfrage, aber auch die Prozedur der Anmeldung ein eher abschreckender Faktor für die weniger dem Kommerziellen und dafür mehr dem Wis- senschaftlichen zugewandten Hochschullehrer. entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Damit sind sowohl der deutschen Wissenschaft als auch der deutschen Wirtschaft sehr häufig wertvolle Erfindungen verloren gegangen, die dann aus dem Aus- land heraus angemeldet und von dort aus auch verwertet wurden. Das Ausland macht uns längst vor, dass man mit den wissenschaftlichen Erfindungen an den Hochschulen auch anders verfahren kann. In vielen Ländern sind an den Hochschulen ganze Stabsabteilungen vorhanden, die dann die Erkenntnisse und Ergebnisse der Forschung in den Hochschulen auch vermarkten, in aller Regel sogar sehr gut vermarkten und damit auch für eine künftige bessere technische Ausstattung der Hochschulen sorgen können. Wir wollen dies mit unserem Gesetz auch für Deutsch- land ermöglichen. Dabei haben wir von den Koalitions- fraktionen allerdings einen sehr wesentlichen Unterschied zu dem, was die Länder wollen. Wir wollen, dass der Hochschullehrer nach wie vor entscheiden kann, ob er vermarktet oder nicht vermarktet. Dies sind wir dem ver- fassungsmäßigen Grundsatz der Freiheit von Wis- senschaft und Lehre schuldig. Wir sind allerdings über- zeugt, dass mit unserem Gesetz den Hochschullehrern der Zugang zu einer Patentanmeldung und damit auch einer Vermarktung wesentlich erleichtert wird. Künftig brau- chen sie sich nicht mehr um die Details zu kümmern; künftig brauchen sie nicht mehr Sorge zu tragen, welche Kosten ihnen entstehen, und künftig werden sie automa- tisch am Erfolg ihrer Forschung beteiligt werden. Wir wissen, dass wir damit Neuland betreten, und wir wissen auch, dass an den Hochschulen oder aber in dem jeweiligen Bundesland zentral erst noch Stellen errichtet werden müssen, die dann die Forschung auch zum Patent anmelden. Damit treten die Länder oder aber die Hoch- schulen dann in Konkurrenz zu bereits jetzt schon vor- handenen Unternehmern, die ihre Dienste schon seit län- gerem den Hochschullehrern anbieten und dafür auch in aller Regel – auch bei zu beachtender Mischkalkulation – gut verdienen. Dieser Konkurrenzeffekt ist durchaus ge- wollt. Er wird den Forscherdrang und den Drang zur Ver- öffentlichung von Forschungsergebnissen beflügeln und er wird dafür sorgen, dass künftig mehr Erkenntnisse aus deutschen Hochschulen auch wirtschaftlich verwertet werden können. Alles in allem ein gutes Gesetz, das die volle Zustim- mung des ganzen Hauses verdient hat. Jörg Tauss (SPD): Die Tatsache, dass auf der heuti- gen Tagesordnung – nachdem wir gestern einen abermals aufgestockten und zukunftsweisenden Etat für Bildung und Forschung verabschiedet haben – erneut das Thema Forschung angesetzt ist, ist eigentlich schon Beleg genug, dass die rot-grüne Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen in ihren Reformbemühungen für die dringend gebotene Modernisierung der Wissenschafts- und For- schungslandschaft nicht nachlassen. Ganz im Gegenteil: Es geht eben nicht allein um den bereitzustellenden Etat – Ihre jahrelangen Versäumnisse, die uns bis heute zu schaffen machen, haben wir gestern lang und breit disku- tiert –, es geht auch um strukturelle Reformen, zu denen Sie erst recht nicht in der Lage waren und für die es vie- lerorts die letzte Gelegenheit ist, meinen wir es ernst mit der Aussage, dass wir den Wissenschafts- und For- schungsstandort auf diesem hohen Niveau erhalten und im internationalen Wettbewerb fit machen wollen. Ziel des heute in zweiter und dritter Lesung zu bera- tenden Gesetzentwurfes der Koalitionsfraktionen ist es, die bisherige Regelung der Rechte an den Erfindungen von Hochschullehrern – das so genannte Hochschullehrer- privileg des § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetzes – an die sich gravierend veränderten Rahmenbedingungen der Hochschulforschung anzupassen. Auch diese gesetzliche Änderung ist eine längst überfällige Anpassung an eine gänzlich veränderte Wirklichkeit und damit ein wichtiger Bestandteil der zwingend gebotenen strukturellen Refor- men und damit auch ein weiterer Baustein einer zukunfts- fähigen Innovationspolitik der rot-grünen Bundesregie- rung, die den Wissenschafts- und Forschungsstandort für die Herausforderungen der Zukunft wappnen will. Bei der angestrebten Verbesserung der Verwertung von Hochschulerfindungen sind vor allem vier Schwerpunkte das erklärte Ziel der Novelle: Zum einen soll das derzeit brachliegende Innovationspotenzial an den Hochschulen auch für die Hochschulen in einem deutlich höheren Maße genutzt werden, zugleich sollen die Hochschulen in ihrer Verantwortung für den Technologietransfer nachhal- tig gestärkt werden. Eng mit diesem Ziel verwoben ist die dringend gebotene Verbesserung des Technologietrans- fers zwischen den Hochschulen und der Wirtschaft. Alles in allem geht es also um die Sicherstellung und Stärkung des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Deutsch- land in einem immer schwieriger werdenden globalen Wettbewerb. Dabei ist wiederum die Tatsache, dass es eine von Bund und Ländern gemeinsam gestartete Initia- tive war, die den Anstoß für die heute zu diskutierende Gesetzesänderung gab, ein wichtiger Beleg dafür, das diese rot-grüne Bundesregierung sich in Zusammenarbeit mit den Bundesländern – sofern sie es denn wollen – den immensen Herausforderungen stellt und wichtige Wei- chenstellungen vornimmt. Gegenstand der parlamentarischen Beratungen waren zwei Gesetzentwürfe. So gab es zum einen den Entwurf des Bundesrates, zum anderen den Entwurf der Koaliti- onsfraktionen. Stellt man die beiden Entwürfe nebenei- nander, so fällt auf, dass sie sich in der Zielsetzung nicht wesentlich unterscheiden. Die Ansätze, mit denen diese wichtigen und sicherlich unstrittigen Ziele verwirklicht werden sollen, unterscheiden sich dagegen schon an eini- gen Stellen. Der Grund, warum sich die Koalitionsfrak- tionen nicht dem Gesetzentwurf des Bundesrates angeschlossen habe, ist, dass der Entwurf der Koalitions- fraktionen das angestrebte Gesetzesziel besser verwirkli- chen kann und zudem dem zwingend zu beachtenden Ver- fassungsrecht, nämlich die Freiheit von Forschung und Lehre gemäß Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz, in einem deutlich höheren Maße Rechnung trägt. Mit der nun vorgesehenen Neufassung des § 42 Ar- beitnehmererfindungsgesetz werden die Hochschulen künftig in der Lage sein, das oftmals ungenutzte Innova- tionspotenzial auch für die Hochschulen zu nutzen und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 200120430 (C) (D) (A) (B) Erfindungen der Hochschullehrerinnen und -lehrer, der Dozenten und wissenschaftlichen Assistenten besser wirt- schaftlich zu verwerten. Nach den bisherigen Regelungen stand es allein im Ermessen der Erfinder, über die Paten- tierung und Verwertung von Erfindungen zu entscheiden. Das hatte zur Folge, dass ein erhebliches Innovationspo- tenzial an den Hochschulen schlichtweg brachlag, weil oftmals die mit der Patentierung verbundenen Kosten, der erhebliche Zeitaufwand und das wirtschaftliche Risiko gescheut wurde. Mit den nun vorgesehenen Regelungen werden die Hochschulen das Recht erhalten, die Erfindungen ihres wissenschaftlichen Personals zum Patent anzumelden und durch Lizenzen Einnahmen zu erzielen. Strittig war, wie die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer hieran be- teiligt werden sollten. Der Gesetzentwurf des Bundesra- tes hatte hier einen etwas anderen Ansatz gewählt, der je- doch nach unserer Auffassung nicht tragfähig gewesen wäre. Während der Entwurf des Bundesrates ein Drittel der Nettoverwertungseinnahmen als Erfindervergütung vorsah und so den Streit vorprogrammiert hätte, welche Ausgabe den nun von den Bruttoeinnahmen seitens der Hochschule abgezogen werden dürfte, haben wir uns für einen anderen Weg entschieden: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass den Erfindern als Vergütung 30 Prozent der Brut- toverwertungseinnahmen zustehen. Den Patentierungs- aufwand kann die Hochschule aus den ihr verbleibenden 70 Prozent decken. Sie sehen, auch hier verfolgen wir im Grundsatz das gleiche Ziel wie der Gesetzentwurf des Bundesrates, wir versuchen nur, zu sachgerechteren und auch vergleichbaren Lösungen zu kommen. Ich denke dennoch, dass auch die Länder mit der jetzigen Lösung le- ben können. In der öffentlichen Debatte gibt es – vor allem an den Hochschulen – offenbar noch ein paar kleine Unklarheiten hinsichtlich der Diensterfindungen bei Nebentätigkeit – und hier vor allem bei Drittmittelforschung. Die In- anspruchnahme des Rechtes des Dienstherren bei Dienst- erfindungen umfasst neben den Erfindungen aus wissen- schaftlicher Tätigkeit mit Mitteln der Hochschule auch die Forschung mit Mitteln Dritter im Sinne des § 25 des Hochschulrahmengesetzes. Erfindungen dagegen, die Wissenschaftler im Rahmen einer Nebentätigkeit ma- chen, sind dann frei, wenn es sich hierbei um keine Dienst- erfindungen im Sinne des § 4 Abs. 2 handelt. Für die Ab- grenzung im konkreten Einzelfall gelten die allgemeinen Grundsätze, ohne dass es hierfür einer Sonderregelung bedarf. Jedoch sind auch freie Erfindungen der Hoch- schule mitzuteilen. Für die Inanspruchnahme und das Ver- fahren gelten die gleichen Regelungen wie für Beschäf- tigte im privaten und öffentlichen Dienst. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass diese Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen ein weiterer wichtiger Baustein bei der Modernisierung der Wissen- schafts- und Forschungslandschaft ist, die vor allem zum Ziel hat, die verkrusteten Strukturen in diesem Bereich aufzubrechen und die zweifellos vorhandenen Innovati- onspotenziale zu nutzen – im Interesse eines zukunfts- und wettbewerbsfähigen Wissenschafts- und Forschungs- standortes Deutschland. Zu einer wirklich verantwor- tungsvollen Forschungspolitik gehört eben die Stärkung der Hochschulen bei der Nutzung dieser Potenziale, wo- bei es aber eben nicht darum gehen kann, die Frage der wirtschaftlichen Verwertung allein zu thematisieren, son- dern auch die Wissenschaftsrechte und Wissenschaftler- rechte im Blick zu behalten. Dies ist meines Erachtens mit dem heute zur abschließenden Beratung anstehenden Ge- setzentwurf gelungen. Damit diese wichtigen Instrumente möglichst schnell greifen und Früchte tragen, wird diese Gesetzesinitiative der Koalitionsfraktionen durch eine Verwertungsinitiative der Bundesregierung flankiert. Bis zum Jahr 2004 stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung insgesamt 100 Millionen DM aus den UMTS-Zinsersparnissen zur Verfügung. Mit diesen Mit- teln sollen die Hochschulen professionelle Agenturen mit der Durchführung von Patentanmeldungen und der Ver- marktung und Verwertung der gemachten Erfindungen beauftragen können. Es ist ein schöner Brauch, am Schluss einer parlamen- tarischen Initiative allen hieran Beteiligten für ihr Enga- gement zu danken. Danken möchte ich den Fachpolitikern in den Arbeitsgruppen der Koalitionsfraktionen, den Staatssekretären und den Fachabteilungen in den beteilig- ten Bundesministerien. Diesen Dank betone ich umso mehr, als es bei den nicht immer einfachen Auseinander- setzungen und Abstimmungsprozessen zwischen For- schungs-, Rechts- und auch Sozialpolitikern oft genug da- rauf ankommt, die unterschiedlichen Interessen zu verbinden. Gestatten Sie mir am Schluss meiner Ausführungen noch darauf hinzuweisen, dass es ein besonderer Wunsch der Bundesländer und der Hochschulen ist, diese Geset- zesänderung nun möglichst rasch umzusetzen, weil damit ein deutlicher Anstieg der Patentanmeldungen zu erwar- ten ist. Aus diesem Grund ist es richtig, die besonderen Bestimmungen für Erfindungen an Hochschulen bereits jetzt und heute zu verabschieden und eben nicht auf den noch in einem frühen Stadium der Beratungen befindli- chen Gesetzentwurf über Arbeitnehmererfindungen zu warten. Ich werbe daher bei den Kolleginnen und Kolle- gen von der Opposition im Interesse des Wissenschafts- und Forschungsstandortes Deutschland und im Interesse der zwingend notwendigen Fortführung der Reformpro- zesse in diesem Bereich um die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen. Freuen Sie sich mit uns auf die Wiederentdeckung des allzu lange brach – liegenden Innovationspotenzials an unseren Hochschu- len. Die Zunahme der Patentierungen wird dies alsbald bestätigen. Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach intensiver Beratung mit Experten aus den Hoch- schulen und der Forschung können wir nun den Gesetz- entwurf der Koalitionsfraktionen zur abschließenden Le- sung vorlegen. Mit dem zu verabschiedenden Gesetz ist es uns gelungen, den Spagat zwischen der Gewährung der Forschungsfreiheit und einer effizienten Verwertung von Patenten an Hochschulen zu verwirklichen. Ziel ist es nun, die Patentverwertung an den Hochschulen so attrak- tiv zu gestalten, dass immer mehr Hochschullehrer ihre Hochschulen als Verwertungspartner sehen und nicht mehr die Industrie. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001 20431 (C) (D) (A) (B) Erstens. Ausgangslage – brachliegende Innovationspo- tenziale: In der bisherigen Gesetzesstruktur gibt es weder für Wissenschaftler noch für die Hochschulen Anreize, Erfindungen in Patente umzusetzen und damit wirtschaft- lich zu verwerten. Auf der einen Seite verzichten die For- scher oft auf die Anmeldung zum Patent, da die Beantra- gung mühselig und die Finanzierung ungewiss ist. Statt sich mit bürokratischen Hürden auseinander zu setzen, konzentrieren sie sich lieber auf ihre eigene Stärke: das Forschen. Auf der anderen Seite profitieren Hochschulen im Gegensatz zu allen anderen Arbeitgebern und außer- universitären Forschungseinrichtungen bisher nicht von den Patenterlösen ihrer Arbeitnehmer. Demnach haben sie auch kein gehobenes Eigeninteresse an der Anmeldung und anschließenden Verwertung von Erfindungen. In der Konsequenz stehen wir vor dem Dilemma, dass das Inno- vationspotenzial an den deutschen Universitäten brach- liegt. Statt gute Ideen in Erfindungen umzusetzen und so- mit ökonomisch zu nutzen, bleiben sie im Getriebe der bürokratischen Universitätsstrukturen hängen. Zweitens. Ziel des Gesetzes – Stärkung des Patent- rechts der Universitäten: Mit der Reform des Hochschul- lehrerprivilegs werden wir diese verkrusteten Strukturen aufbrechen und das bisher brachliegende Innovationspo- tenzial an den Hochschulen nutzen. Mit dem neuen Ge- setz werden die Hochschulen zukünftig das Recht haben, die Erfindungen ihres Personals zu verwerten; innerhalb von zwei Monaten erhalten sie das Exklusivzugriffsrecht. Dies gilt auch für Forschung im Rahmen von Drittmitteln und Nebentätigkeiten. Die genaue Abgrenzung zwischen einer Diensterfindung und einer freien Erfindung muss dann im Einzelfall geregelt werden. Die Forscher werden im Gegenzug an den Patenterlösen mit 30 Prozent betei- ligt und brauchen sich nicht um finanzielle und bürokra- tische Fragen der Patentanmeldung und -verwertung zu kümmern. Entscheidende Verbesserungen stellen sich in drei Feldern ein: Zukünftig werden wieder mehr Patente angemeldet und verwertet. Gute ldeen bleiben nicht in Schubladen liegen. Den Hochschulen wird die Möglichkeit gegeben, aus ihren eigenen Investitionen auch Kapital zu schlagen – wenn sie anfangen, selbst aktiv zu werden. Zwischen Wirtschaft und Universität wird ein intensi- verer Wissens- und Technologietransfer stattfinden. Der Diffusionsgrad von Forschungsergebnissen aus den Unis in die Wirtschaft hinein wird erhöht. Drittens. Flankierende Maßnahme – Aufbau einer brei- ten Patent- und Verwertungsinfrastruktur: Bei der Reform des ArbNErfG geht es allerdings nicht darum, Inseln der Patentverwertung innerhalb der Hochschulen zu schaffen. Vielmehr sollen diese eng mit wirtschaftlichen Interessen verzahnt werden und an den Bedürfnissen gerade der klei- nen und mittleren Unternehmen orientiert sein. Die uni- versitären Patentverwertungsstrukturen müssen in ein wirtschaftliches Netzwerk eingebunden sein. Daher wird die rot-grüne Regierung parallel eine Verwertungsoffen- sive starten und den Aufbau einer breiten Patent- und Ver- wertungsstruktur an den deutschen Hochschulen unter- stützen. Hier gilt es, Kosten von Patentanmeldungen in der Anfangsphase zu bezuschussen, Mitarbeiter in einer Qualifizierungsoffensive für die Patentverwertungsstruk- turen auszubilden und die Verwertungslandschaft in Deutschland zu vernetzen und Kommunikations- und Ko- operationsplattformen aufzubauen. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen explizit da- rauf gedrängt hat, die Reform des Hochschullehrerprivi- legs einer allgemeinen Novelle des ArbNErfG vorzuzie- hen. Andernfalls hätte die Gefahr einer zeitlichen Verzögerung bestanden. In unseren Augen ist diese Re- form ein erster Schritt zu einer umfassenden Reform der Hochschulen, die auf mehreren Ebenen stattfinden muss. Die Verbesserung der Patentverwertung war überfällig und zwingend notwendig, ihr müssen jedoch weitere Re- formen folgen. Rainer Funke (FDP): Das Arbeitnehmererfindungs- gesetz ist praktisch seit 1957 unverändert. Seitdem hat sich in den Arbeitsabläufen Grundlegendes verändert. Mehr als bisher werden Erfindungen im Team gemacht. Erfindungen sind kapitalintensiv geworden, kurzum: Die Strukturen haben sich grundlegend verändert. Das gilt auch im Vergleich der nationalen Arbeitnehmererfindun- gen zu internationalen Regelungen. Außerdem müssen die Verbindungen in international tätigen Konzernen berücksichtigt werden. Deswegen fordert die FDP seit langem eine Neufassung des Arbeitnehmererfindungsge- setzes und, wie wir hören, will auch die Bundesregierung noch in diesem Jahr, spätestens Anfang Januar, eine ent- sprechende Kabinettsentscheidung herbeiführen. So hatte ja auch die Bundesregierung im März 2000 die beteilig- ten Kreise zu einer Anhörung geladen. Wenn die Bundesregierung eine grundlegende Über- arbeitung des Arbeitnehmererfindergesetzes vorsieht, be- steht überhaupt kein Anlass, für Hochschullehrer Sonder- regelungen, sozusagen Insellösungen, vorzusehen. Grundsätzlich sind Erfindungen im Hochschulbereich nicht wesentlich anders zu bewerten als im Bereich der freien Wirtschaft. In beiden Bereichen wollen wir, dass Eigeninitiative und Erfinderfreudigkeit des jeweiligen Mitarbeiters gefördert wird. Vorab eine Änderung des Hochschullehrerprivilegs vorzunehmen macht keinen Sinn, auch wenn sich die Bundesregierung von der Bun- desratsinitiative, die im Wesentlichen fiskalisch begrün- det wird, getrieben fühlt. Wenn schon eine Änderung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes von der Bundesregie- rung vorgesehen wird, kann diese Hochschullehrerfrage auch im Rahmen eines Gesamtkonzeptes umgesetzt wer- den. Dies ist auch unter gesetzgeberischen Gesichtspunk- ten sinnvoll, weil nur so ein gerechter Interessenausgleich zwischen Bundestag und Bundesrat erfolgen kann. Nur wenn alle Fragen gemeinsam geregelt werden, besteht auch eine Chance, dass in dieser Legislaturperiode das Gesamtwerk von Bundestag und Bundesrat gemeinsam beschlossen wird. Wir werden darum gegen beide Gesetzesvorschläge, nämlich die von Bundesrat und Bundesregierung, stim- men. Auch inhaltlich sind Fragen offen geblieben, so ins- besondere die Frage der Teamvergütung und die Frage der Berechnungsmethode, von welchem Betrag die Erfinder Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 200120432 (C) (D) (A) (B) ihre Erfindervergütung im Hochschulbereich berechnen können. Für den Entwurf der Bundesregierung für eine In- sellösung im Hochschulbereich besteht insgesamt gese- hen nicht nur kein Anlass, sondern er dürfte einer Ge- samtlösung des Arbeitnehmererfindergesetzes sogar entgegenstehen. Maritta Böttcher (PDS): Der Deutsche Bundestag entscheidet heute über eine Reform des so genannten Hochschullehrerprivilegs im Arbeitnehmererfindungsge- setz aus dem Jahre 1957. Dieses Gesetz sieht grundsätz- lich vor, dass die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh- mern während ihrer Arbeit gemachten Erfindungen vom Arbeitgeber verwertet werden können – unbeschadet ei- ner angemessenen Vergütung für die Erfinderinnen und Erfinder. In seiner geltenden Fassung enthält das Gesetz jedoch eine gewichtige Ausnahme von diesem Grundsatz: Hoch- schullehrerinnen und Hochschullehrer an Universitäten dürfen ihre Erfindungen bisher selbst verwerten. Zur Be- gründung für diese Privilegierung der Universitätsprofes- soren wurde bisher stets das Grundrecht der Wissen- schaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes bemüht. Den vorliegenden Gesetzentwürfen der Koalitions- fraktionen und des Bundesrats liegt offensichtlich die Ein- sicht zugrunde, dass die Bedeutung der Wissenschafts- freiheit in dieser Hinsicht bisher überstrapaziert worden ist – wie ich meine, zu Recht. Denn: Professorinnen und Professoren haben keinen Alleinanspruch auf Wissen- schaftsfreiheit. Und: Das Grundrecht auf Wissenschafts- freiheit schließt nicht das Recht ein, wissenschaftliche Erfindungen zum ausschließlich eigenen Vorteil zu ver- werten, wenn diese der Nutzung der von der öffentlichen Hand bereitgestellten Infrastruktur zu verdanken sind. Dies dürfte bei Erfindungen von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern regelmäßig der Fall sein. Ich halte es daher für richtig, nicht nur den zu wissen- schaftlichen Innovationen führenden Aufwand, sondern auch die aus ihnen resultierenden Erträge zumindest teil- weise zu sozialisieren. Falsch wäre es, wenn weiterhin wie bisher die Kosten sozialisiert und Gewinne privati- siert würden. Ich halte den im Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gemachten Vorschlag, 30 Prozent der Verwertungserlöse den Erfinderinnen und Erfindern und den Rest den Hochschulen zukommen zu lassen, für eine brauchbare Lösung, die eine hemmungs- lose Privatisierung von Erträgen unterbindet, aber gleich- wohl den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern An- reize zu Innovationen und ihrer ökonomischen Nutzung gibt. Ich bevorzuge diese Lösung auch gegenüber dem Vorschlag des Bundesrats, der eine Beteiligung der Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftler erst nach Abzug der Patentierungskosten vorsieht. Diese Kosten dürften in vielen Fällen so hoch liegen, dass kein wirklicher Anreiz für die Verwertung von Erfindungen an den Hochschulen entstehen kann. Ich begrüße ferner ausdrücklich, dass die Gesetzent- würfe auch insoweit mit dem Hochschullehrerprivileg Schluss machen wollen, dass sie nicht nur Hochschullehre- rinnen und Hochschullehrer, sondern alle an einer Hoch- schule Beschäftigten, und zwar nicht nur an Universitäten, sondern auch an Fachhochschulen, in die wissenschaftsspe- zifischen Sonderregelungen des Patentrechts einbeziehen. In zweierlei Hinsicht weisen die vorliegenden Gesetz- entwürfe Defizite auf. Die PDS-Fraktion hat daher einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der Koalitionsfrak- tionen vorgelegt. Zum einen geht es uns darum, dass selbstverständlich nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Hoch- schulen, sondern auch ihre Kolleginnen und Kollegen an außerhochschulischen Forschungseinrichtungen das Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit beanspruchen kön- nen. Wenn es also im Patentrecht Bedarf an besonderen wissenschaftsadäquaten Regelungen gibt, so müssen sich diese Ausnahmeregelungen auch auf die staatlichen und staatlich finanzierten Forschungseinrichtungen erstrecken. Zum anderen halten wir es für falsch, die Wissen- schaftlerinnen und Wissenschaftler zur patentrechtlichen Verwertung ihrer Erfindungen zu zwingen. Es ist zwar grundsätzlich richtig, den Beitrag der Hochschulen zu In- novationen zu stärken und die wirtschaftliche Verwertung dieser Innovationen zu fördern, wenn dies der Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Verbesserung der Lebensqua- lität dient. Aber die Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler müssen auch das Recht haben, ihre Erfindung weder geheim zu halten, was ihnen SPD und Grüne in ihrem Gesetzentwurf allein zugestehen möchten, noch sie von der Hochschule patentieren und verwerten zu lassen, sondern sie durch eine Veröffentlichung der kommerziel- len Nutzung ein für alle Mal zu entziehen. Alles andere wäre nach Auffassung der PDS mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit unvereinbar, da das Prinzip der Öf- fentlichkeit geradezu konstitutiv für den modernen Wis- senschaftsprozess ist. Die PDS fordert daher ein uneingeschränktes Recht der Erfinderinnen und Erfinder, ihre Diensterfindungen im Rahmen ihrer Forschungs- oder Lehrtätigkeit jederzeit zu veröffentlichen. Dies ist zwingend erforderlich, um die Autonomie der Hochschulen gegenüber ökonomischen Verwertungszwängen zu sichern. Wir müssen den Wis- sens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft aktiv fördern, dürfen aber nicht den Fehler begehen, die Hochschulen den Fängen des Marktes auszuliefern. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 14/6026 Nr. 2.6 Drucksache 14/6214 Nr. 1.5 Drucksache 14/6214 Nr. 1.8 Drucksache 14/6214 Nr. 2.12 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001 20433 (C) (D) (A) (B) Innenausschuss Drucksache 14/5730 Nr. 2.34 Drucksache 14/5730 Nr. 2.36 Finanzausschuss Drucksache 14/5836 Nr. 2.24 Drucksache 14/6026 Nr. 2.20 Drucksache 14/6026 Nr. 2.21 Drucksache 14/6026 Nr. 2.32 Drucksache 14/6116 Nr. 1.5 Drucksache 14/6116 Nr. 1.6 Drucksache 14/6116 Nr. 1.7 Drucksache 14/6214 Nr. 1.4 Drucksache 14/6214 Nr. 2.15 Drucksache 14/6214 Nr. 2.16 Drucksache 14/6214 Nr. 2.17 Haushaltsausschuss Drucksache 14/5836 Nr. 2.1 Drucksache 14/6026 Nr. 2.3 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/6026 Nr. 2.17 Drucksache 14/6026 Nr. 2.18 Drucksache 14/6214 Nr. 1.6 Drucksache 14/6214 Nr. 2.13 Drucksache 14/6214 Nr. 2.14 Drucksache 14/6214 Nr. 2.19 Drucksache 14/6214 Nr. 2.20 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/1708 Nr. 2.5 Drucksache 14/4170 Nr. 2.47 Drucksache 14/4170 Nr. 2.52 Drucksache 14/6395 Nr. 2.19 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 14/309 Nr. 2.42 Drucksache 14/4092 Nr. 1.1 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 14/4945 Nr. 1.2 Drucksache 14/4945 Nr. 1.3 Drucksache 14/5114 Nr. 2.4 Drucksache 14/5172 Nr. 2.62 Drucksache 14/5363 Nr. 2.10 Drucksache 14/6395 Nr. 1.1 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/5363 Nr. 1.2 Drucksache 14/5610 Nr. 1.4 Drucksache 14/5610 Nr. 1.7 Drucksache 14/5836 Nr. 2.5 Drucksache 14/5836 Nr. 2.10 Drucksache 14/5836 Nr. 2.14 Drucksache 14/6026 Nr. 3.1 Drucksache 14/6214 Nr. 3.1 Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Drucksache 14/5836 Nr. 1.8 Drucksache 14/5610 Nr. 1.10 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/6026 Nr. 1.4 Drucksache 14/6214 Nr. 2.6 Drucksache 14/6395 Nr. 1.2 Drucksache 14/6395 Nr. 2.22 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/6026 Nr. 2.1 Drucksache 14/6214 Nr. 1.7 Drucksache 14/6214 Nr. 1.9 Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 14/5281 Nr. 2.24 Drucksache 14/5363 Nr. 2.12 Drucksache 14/5503 Nr. 2.25 Drucksache 14/5610 Nr. 2.2 Drucksache 14/5730 Nr. 1.1 Drucksache 14/5730 Nr. 2.22 Drucksache 14/5730 Nr. 2.24 Drucksache 14/5730 Nr. 2.25 Drucksache 14/5836 Nr. 2.25 Drucksache 14/6026 Nr. 1.1 Drucksache 14/6026 Nr. 2.7 Drucksache 14/6026 Nr. 2.8 Drucksache 14/6214 Nr. 1.1 Drucksache 14/6214 Nr. 2.4 Finanzausschuss Drucksache 14/6508 Nr. 2.10 Drucksache 14/6508 Nr. 2.11 Drucksache 14/6508 Nr. 2.12 Drucksache 14/6508 Nr. 2.40 Drucksache 14/6615 Nr. 2.11 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/6026 Nr. 2.19 Drucksache 14/6026 Nr. 2.25 Drucksache 14/6116 Nr. 1.3 Drucksache 14/6116 Nr. 1.4 Drucksache 14/6214 Nr. 1.2 Drucksache 14/6214 Nr. 2.18 Drucksache 14/6395 Nr. 2.15 Drucksache 14/6395 Nr. 2.16 Drucksache 14/6395 Nr. 2.17 Drucksache 14/6395 Nr. 2.23 Drucksache 14/6508 Nr. 2.13 Drucksache 14/6508 Nr. 2.15 Drucksache 14/6508 Nr. 2.33 Drucksache 14/6508 Nr. 2.35 Drucksache 14/6508 Nr. 2.37 Drucksache 14/6508 Nr. 2.41 Drucksache 14/6615 Nr. 2.8 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 14/6116 Nr. 1.8 Drucksache 14/6508 Nr. 2.22 Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 14/1016 Nr. 2.23 Drucksache 14/3050 Nr. 2.1 Drucksache 14/3146 Nr. 2.9 Drucksache 14/3146 Nr. 2.10 Drucksache 14/3146 Nr. 2.11 Drucksache 14/3146 Nr. 2.12 Drucksache 14/3146 Nr. 2.13 Drucksache 14/3146 Nr. 2.14 Drucksache 14/3146 Nr. 2.15 Drucksache 14/3146 Nr. 2.16 Drucksache 14/3146 Nr. 2.17 Drucksache 14/3146 Nr. 2.18 Drucksache 14/3341 Nr. 2.26 Drucksache 14/3428 Nr. 2.15 Drucksache 14/3576 Nr. 2.34 Drucksache 14/3576 Nr. 2.41 Drucksache 14/4170 Nr. 2.64 Drucksache 14/4170 Nr. 2.84 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 200120434 (C) (D) (A) (B) Drucksache 14/4309 Nr. 1.3 Drucksache 14/4309 Nr. 1.22 Drucksache 14/4309 Nr. 1.28 Drucksache 14/4441 Nr. 1.3 Drucksache 14/4441 Nr. 1.6 Drucksache 14/4665 Nr. 3.1 Drucksache 14/4945 Nr. 2.4 Drucksache 14/4945 Nr. 2.33 Drucksache 14/4945 Nr. 2.35 Drucksache 14/5114 Nr. 2.1 Drucksache 14/5114 Nr. 2.2 Drucksache 14/5172 Nr. 2.21 Drucksache 14/5172 Nr. 2.60 Drucksache 14/5610 Nr. 2.16 Drucksache 14/5610 Nr. 2.30 Drucksache 14/5610 Nr. 2.31 Drucksache 14/5610 Nr. 2.40 Drucksache 14/5730 Nr. 2.33 Drucksache 14/5836 Nr. 2.6 Drucksache 14/5836 Nr. 2.7 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/5610 Nr. 2.53 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 14/5610 Nr. 1.3 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 14/6508 Nr. 1.3 Drucksache 14/6508 Nr. 2.3 Drucksache 14/6508 Nr. 2.23 Drucksache 14/6508 Nr. 2.34 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 14/6026 Nr. 2.2 Drucksache 14/6026 Nr. 2.10 Drucksache 14/6026 Nr. 2.29 Drucksache 14/6026 Nr. 2.31 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001 20435 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420600000
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2002
Haushaltsgesetz 2002
– Drucksachen 14/6800, 14/7537, 14/7301 bis
14/7320, 14/7321, 14/7322, 14/7323 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Dr. Elke Leonhard
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft

Über den Gesetzentwurf sowie über einen Ent-
schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU werden
wir nach der Aussprache namentlich abstimmen; zu einer
Reihe weiterer Entschließungsanträge erfolgt einfache
Abstimmung.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Manfred Carstens, CDU/CSU-Fraktion.

Manfred Carstens (Emstek) (CDU/CSU) (von der
CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine
verehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir
abschließend in dritter Lesung den Bundeshaushalt 2002.
Ich würde mich sehr darüber freuen – ich hoffe auch da-
rauf –, wenn das der letzte Bundeshaushalt wäre, der von
Rot-Grün zu verantworten ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ein gran dioser Auftakt! – Zuruf von der SPD: Diese Freude wird nicht eintreten!)


Der Kollege Austermann hat bei der zweiten Lesung
am Dienstag auf vorzügliche Weise dargelegt, wo die fi-
nanz- und haushaltspolitischen Versäumnisse der Bun-
desregierung liegen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo ist eigentlich der Finanzminister? – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Finanzminister ist gar nicht da!)


Ich möchte mich insbesondere einem Thema zuwenden,
nämlich dem, wie es möglich sein konnte, dass in einer so
kurzen Zeit ein relativ robuster wirtschaftlicher Auf-
schwung zunichte gemacht wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD)


Die derzeitige wirtschaftliche Lage kann man wohl als
Stagnation bezeichnen, möglicherweise befinden wir uns
schon in einem Schrumpfungsprozess.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Finanzminister ist nicht da!)


– Der Finanzminister scheint sich für diese Debatte nicht
zu interessieren, weil er nicht anwesend ist.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420600100
Kollege Carstens,
gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ich ahne schon, welche
es ist.


(Heiterkeit im ganzen Hause – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wir auch, Herr Präsident!)



Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID1420600200
Ja, bitte
sehr.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420600300
Bitte schön.


(CDU/ CSU)

ment informieren, warum zum entscheidenden Tagesord-
nungspunkt, zur dritten Lesung des Bundeshaushaltes,

20365


(C)



(D)



(A)



(B)


206. Sitzung

Berlin, Freitag, den 30. November 2001

Beginn: 9.00 Uhr

weder der Finanzminister noch ein Staatssekretär hier
heute Morgen anwesend sind. Vielleicht können Sie das
beantworten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420600400
Ich kann die Frage lei-
der auch nicht beantworten. Ich habe gerade darum gebe-
ten, nach ihm zu fragen, weil auch mir das aufgefallen ist.


(Bundesminister Hans Eichel betritt den Plenarsaal und wird von der SPD mit Beifall begrüßt)


– Wir haben Glück, der Finanzminister hat gerade den
Saal betreten.

Herr Kollege Carstens, jetzt können Sie in aller Ruhe
fortfahren.


Manfred Carstens (CDU):
Rede ID: ID1420600500
Herr Kol-
lege von Hammerstein, es ist in der Tat so, dass der Fi-
nanzminister bei diesem Thema anwesend sein muss.
Aber da es sein letzter Haushalt ist, wäre es eigentlich
doch nicht so wichtig.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft sehr be-

drohlich. Es weiß noch keiner abzuschätzen, wie sich
die Dinge im Jahre 2002 darstellen. Der Sachverstän-
digenrat geht noch davon aus, dass es ein geringes
Wachstum geben wird, fügt aber sofort hinzu: Alles an-
dere, was wir unterstellt haben, muss sich aber auch so
ereignen; ansonsten geraten wir tatsächlich in eine
rezessive Phase. Wie gesagt, keiner weiß, ob wir uns
nicht wirklich schon in einem Schrumpfungsprozess
befinden.

Am deutlichsten wird die Gefährlichkeit einer solchen
Entwicklung, wenn man die Entwicklung der Arbeitslo-
sigkeit betrachtet. Man muss sich einmal vorstellen, dass
wir in den letzten zwölf Monaten vor dem Regierungs-
wechsel, von Oktober 1997 bis Oktober 1998, die Zahl
der Arbeitslosen um 399 000 reduziert haben.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

1999 und in den folgenden Jahren sind darüber hinaus
über 200 000 ältere Menschen mehr aus dem Arbeits-
prozess ausgeschieden als jüngere nachgekommen sind.
Bei einer moderaten wirtschaftlichen Entwicklung hätte
es möglich sein müssen, die Arbeitslosigkeit im Durch-
schnitt des Jahres 2002 in Richtung 3 Millionen zu brin-
gen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Was wir jetzt erleben, ist das genaue Gegenteil.


(Zuruf von der SPD: Wie war es denn in Ihrer Zeit?)


Der Bundeskanzler hat noch im Frühjahr 2001 versucht,
einen Notnagel einzuschlagen, indem er sagte: Es werden
wohl 3,5 Millionen arbeitslose Menschen werden. – Aber
jetzt sagt die Regierung selbst: Wir gehen von fast
3,9 Millionen Arbeitslosen aus. Der Sachverständigenrat
sagt: Es werden knapp 4 Millionen Arbeitslose. Wahr-

scheinlich ist, dass wir im nächsten Jahr über 4 Millionen
Arbeitslose im Jahresdurchschnitt haben werden.


(Simone Violka [SPD]: Immer noch besser als bei Ihnen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wie war es denn bei Ihnen, Herr Carstens?)


Da der Bundeskanzler sich und seine politische Entwick-
lung mit der Zahl der Arbeitslosen verbunden hat, ist er im
Grunde nur noch ein Kanzler auf Abruf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Diese Entwicklung, dieser rapide Verfall der Wirt-

schaft ist nur mit der Maßgabe vorstellbar, dass ein Groß-
teil der Bevölkerung einfach das Vertrauen in die Regie-
rung und in die weitere Entwicklung verloren hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist auch gut nachvollziehbar. Denn wenn Sie einmal
nachlesen, was der Kanzler, die Minister und der Gene-
ralsekretär der SPD in den letzten Jahren und Monaten ge-
sagt haben, dann stellen Sie fest: Ob Sie sich das angehört
haben, ist völlig egal; denn es ist sowieso nicht so einge-
troffen, wie sie es gesagt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn man eine solche Politik macht, ist völlig klar, dass
das Vertrauen als wichtige Voraussetzung für wirtschaft-
liche Entwicklung nicht mehr da sein kann.

Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, dann stellen
Sie fest, dass die Ausrüstungsinvestitionen ausbleiben,
dass die Bauinvestitionen ausbleiben, dass das Mehr-
wertsteueraufkommen rapide abnimmt. Das hat es in
diesem Umfang im Vergleich zu den Schätzungen über-
haupt noch nicht gegeben. Das sind Entwicklungen, die
darauf hindeuten, dass die Bevölkerung der Zukunft nicht
mehr traut. Man kauft nicht mehr; man investiert nicht
mehr. Wenn der Finanzminister sagt: „Liebe Deutsche,
sorgt für den Aufschwung! Kauft! Legt euer Geld an!“,
dann klingt das bei vielen Arbeitnehmern und Rentnern
angesichts der Tatsache, dass er der breiten Masse ständig
durch Steuererhöhungen das Geld aus der Tasche gezogen
hat, wie Hohn.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hier wird gelogen, dass sich die Balken biegen! –Gegenruf des Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Eine gute Rede ist das!)


Wenn man so will, ist eine Regierung aus Rot-Grün
schon an sich ein Risiko für die Konjunktur.


(Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein [CDU/ CSU]: Eine Belastung für die Konjunktur!)


Die Grünen sind ein latentes Risiko. Die Grünen wissen,
was sie alles nicht wollen; aber sie wissen kaum, was sie
wollen. So kann man keine Wirtschaftspolitik machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD)


Kernenergie, PKWs und Straßenbau sind Feindbilder für
die Grünen. Entsprechend sieht die Politik aus. Was wir in
den letzten drei, vier Jahren erlebt haben, war ein Reper-




Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
20366


(C)



(D)



(A)



(B)


toire von Strafexpeditionen gegen Autofahrer: jedes Jahr
sechs Pfennig drauf.


(Walter Hirche [FDP]: Sieben! Mehrwertsteuer bedenken!)


So kann man keine Wirtschaftspolitik machen. So kann es
nicht dauerhaft gut gehen. Da geht selbst die stabilste
Konjunktur in die Knie. Da steigt die Arbeitslosigkeit an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wie Sie den Mittelstand bei der Steuerreform behan-

delt haben, wie Sie ihn mit bürokratischen Auflagen be-
lastet haben und wie Sie überhaupt mit ihm umgehen, ge-
rade mit den Familienbetrieben, wie Sie mit der
Landwirtschaft umgehen, was Frau Künast sich seit der
BSE-Krise erlaubt, die im Grunde gar keine war, sondern
künstlich erzeugt wurde – –


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Wenn Sie das so mit Widerspruch belegen, dann haben
wir heute noch genauso eine BSE-Krise wie vor einem
Jahr. Da hat sich überhaupt nichts geändert, meine Damen
und Herren.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist zynisch gegenüber allen Bauern! Das ist wirklich der Hammer!)


Von daher ist bei den Landwirten wie beim Mittelstand
einfach kein Vertrauen da. Man hat bei Frau Künast den
Eindruck, als ob sie die deutsche Landwirtschaft am
liebsten des Landes verweisen möchte. Woher sollen denn
dann noch Investitionen kommen? Das ist doch völlig un-
vorstellbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es gibt noch etwas, was zur Gesamtbetrachtung der

Frage gehört, warum das Vertrauen in die Regierung bzw.
in eine gesunde Politik nicht vorhanden ist. Es gibt so-
wohl in Westdeutschland als auch in Ostdeutschland nach
wie vor einen großen Vorbehalt – ich meine, zu Recht –
gegen die PDS.


(Uta Titze-Stecher [SPD]: Wie hängt das mit dem Haushalt zusammen?)


Eine Bürgerrechtlerin hat einmal gesagt: Das ist die SED,
die sich mit einem neuen Namen maskiert hat. – Das ist
eine gute Beschreibung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was ist mit Ihrer Block-CDU?)


Wenn sich die Regierungspartei SPD mit der PDS in
Mecklenburg-Vorpommern in ein Boot begibt


(Hans Georg Wagner [SPD]: Und hier in Berlin Sie!)


sowie sich von ihr in Sachsen-Anhalt tolerieren lässt und
wenn sie sich in Berlin auf unseriöse Weise an die Regie-
rung bringen lässt, dann denkt sich das deutsche Volk et-
was dabei.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen und Beifall bei der PDS)


Da hat es Absprachen gegeben. Man weiß, dass Abspra-
chen, die es vorher gegeben hat, auch eingehalten werden
müssen. Solchen Absprachen traut man nicht; darauf
setzt man nicht. Daher kann eine Regierung Schröder
nicht erwarten, dass die Wirtschaft noch Vertrauen in ihre
Politik hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben darüber hinaus zu bedenken – das möchte

ich ebenso deutlich ansprechen –, dass diejenigen, die in
der Politik das Vertrauen verspielt haben, kaum imstande
sein werden, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Wenn
die Wirtschaft kein Vertrauen mehr zur Politik hat, wenn
man ihrem Wort nicht mehr glaubt, wenn man der Regie-
rung nichts mehr, erst recht nichts Gutes, zutraut, dann
gibt es kaum noch Aussicht darauf, dass es mit dieser
Regierung in der Wirtschaft wieder aufwärts gehen kann.
Deswegen muss die Lösung heißen: Weg mit dieser Re-
gierung! Her mit einem neuen Programm und einer neuen
Regierung!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hans Georg Wagner [SPD]: Wo soll die herkommen? Mit diesen Figuren? Um Gottes willen! – Weitere Zurufe von der SPD)


Das muss natürlich durch das Einhalten gewisser
Grundsätze angereichert werden. Ich bin davon über-
zeugt, dass sich unser Land in Zukunft wirklich nur dann
gedeihlich entwickeln kann, wenn wir der Familiewieder
den Stellenwert einräumen, den sie haben muss.


(Lachen und Beifall bei der SPD)

Sie muss der Kern unserer gesellschaftlichen Entwick-
lung sein.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Weg mit dem Kindergeld!)


Die Familien müssen wieder bereit sein, mehr Kinder zu
haben, Kinder zu erziehen und sie für das Leben fit zu ma-
chen, um sie dann entsprechend ins Leben entlassen zu
können. Das bedarf unserer Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir uns weiterhin
an gewisse Grundsätze halten. Es kann einfach nicht sein,
dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Ehe und
der Familie gleichgestellt werden. Das ist völlig undenk-
bar. Das kann in Zukunft nicht gut gehen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Wir müssen uns auch gewisse Normen auferlegen. Wir
müssen uns wieder daran gewöhnen, gewisse Grundsätze
im zwischenmenschlichen Zusammenleben, Grundsätze,
die uns von Gott gegeben sind, einzuhalten.

Zum Schluss meiner Ausführungen sage ich Ihnen: Wir
werden erleben, dass wir in dem Maße, in dem wir in un-
serem Leben bereit sind, uns an diese Grundsätze zu hal-
ten und sie zu praktizieren, eine gesegnete und gute




Manfred Carstens (Emstek)


20367


(C)



(D)



(A)



(B)


Zukunft haben werden. Das wünsche ich Ihnen allen und
unserem ganzen Volk.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420600600
Ich erteile dem Kolle-
gen Joachim Poß, SPD-Fraktion, das Wort.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt wird es endlich seriös! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es bleibt hier einem aber auch nichts erspart!)



Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1420600700
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Herr Kollege Carstens, Sie sind jemand, den
ich persönlich wirklich achte. Sie haben in den letzten
Jahrzehnten versucht, insgesamt gesehen einen guten Bei-
trag zur Finanzpolitik zu erbringen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: So weit war es richtig! – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das war eine gute Rede, die Herr Carstens vorgetragen hat!)


Weil Sie von Grundsätzen geredet haben, werden Sie mir
die folgende Feststellung aber erlauben, Herr Kollege
Carstens: Die Grundsätze einer geordneten Finanzpolitik
wurden unter Ihrer Mitwirkung über Jahre missachtet.
Dieses Urteil kann man Ihnen leider nicht ersparen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das Argument musste ja wieder hervorgekramt werden!)


Im Übrigen will ich sagen, dass Sie stellenweise mit Ihrer
Rede Ihren Humor durchaus unter Beweis gestellt haben.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Am Ende der Haushaltsdebatte bleibt als wichtigste
Feststellung: Die Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die
Grünen bleibt auf Kurs,


(Zuruf von der CDU/CSU: Wohin? – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Kurs in den Keller!)


und das in wirtschaftlich schwieriger Zeit. Wir sind struk-
turell in die richtige Richtung vorangekommen.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Das wurde in dieser Woche vom Bundesfinanzminister
und vom Bundeskanzler eindeutig unter Beweis gestellt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: 4 Millionen Arbeitslose!)


Das zeigt auch der Haushalt, der heute verabschiedet
wird. Mit der Nettokreditaufnahme von 21,1 Milliar-
den Euro bleiben wir trotz der konjunkturbedingten
Mehrbelastungen, die in den Regierungsentwurf einzu-
arbeiten waren, im vorher geplanten Rahmen. Das war ein

hartes Stück Arbeit, für das wir sicherlich alle den Haus-
hältern zu Dank verpflichtet sind.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Getrickst habt ihr, sonst nichts!)


Im überschaubaren Maße mussten wir Privatisierungs-
erlöse einstellen. Nach vernünftiger Abwägung halten wir
das für vertretbar; denn die Einhaltung der vorgesehenen
GrenzefürdieNettokreditaufnahmeisteinwichtigesSignal
dafür, dass die Regierungsfraktionen, die Bundesregierung
und der Bundesfinanzminister in einer Situation Kurs hal-
ten, die immer noch durch Unsicherheiten bei den Men-
schen und in denwirtschaftlichen Prognosen geprägt ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Kein Wunder bei der Politik!)


Wer in den letzten Tagen und Wochen davon geredet
hat und dafür geworben hat, den Konsolidierungspfad
auch nur vorübergehend zu verlassen,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war der Bundesfinanzminister!)


der bedenkt eines nicht: Wie sollen die Menschen, die In-
vestoren und Konsumenten wieder die nötige Zuversicht
und Sicherheit bekommen, wenn selbst die verantwortli-
che Politik keine verlässlichen Fixpunkte gibt?


(Beifall bei der SPD)

Wir bieten diese Verlässlichkeit.

Wie nicht anders zu erwarten, hat die Opposition in der
abgelaufenen Woche immer wieder versucht, unsere
Spar- und Konsolidierungserfolge der letzten Jahre klein
zu reden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Zu Recht! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Es gibt sie gar nicht!)


Aber ohne unser mittelfristig angelegtes Konsolidie-
rungspaket, das wir 1999 als Teil des Zukunftspro-
gramms 2000 verabredet haben,


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sprechblasen!)

hätte das Niveau der Neuverschuldung des Bundes, Herr
Kollege Carstens, das in der Endzeit der Regierung
Kohl/Waigel jährlich Spitzenwerte in Höhe von 60 Milli-
arden bis 70Milliarden DM erreicht hatte, auch noch nach
1998 fortgeschrieben werden müssen. Davon sind wir
jetzt weit entfernt. Die Menschen wissen das.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch, was Sie da erzählen!)


Für 2002 sind rund 42 Milliarden DM für die Neuver-
schuldung vorgesehen. Das sind jährlich mindestens
20 Milliarden DM weniger als zur Endzeit Ihrer Regie-
rung. Im Gegensatz zu uns mussten Sie jedes Jahr bangen,
ob es Ihnen überhaupt gelingt, einen verfassungsmäßi-
gen Haushalt aufzustellen. Dieses Problem haben wir
– selbst in der derzeit schwierigen konjunkturellen Situa-
tion – nicht mehr.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])





Manfred Carstens (Emstek)

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(D)



(A)



(B)


Es ist reine Ablenkung, wenn Sie mit Ihrer Vergangen-
heit uns heute mangelnde Konsolidierungsbemühungen
vorwerfen. Wer sich den gemeinsamen Grundtenor der
Oppositionsreden vor Augen hält, der erkennt deutlich das
rein taktische Bemühen, die Bundesrepublik Deutschland
zum Sorgenkind Europas herunterzureden. Das soll wohl
Ihr Hauptmotiv bei der Wahlkampfauseinandersetzung
werden. Das ist aber ein Versuch, der die Realität maßlos
verzerrt darstellt.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dieses Vorgehen ist zudem auch unverantwortlich;
denn so lässt sich die nötige Zuversicht bei Investoren und
Konsumenten nicht erreichen.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wer wünschte nicht, dass unsere Wachstumsraten im in-
ternationalen Vergleich besser wären? Aber bei seriöser
Betrachtung sind die Gründe offenkundig: 40 Jahre SED-
Herrschaft mit all ihren ökonomischen und sozialen
Verwerfungen in Ostdeutschland können nicht in wenigen
Jahren völlig aufgearbeitet werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir als Sozialdemokraten haben schon 1990 und in der
Folgezeit gesagt, dass das eine Generationenaufgabe ist.
Hier liegt Ihre grundlegende Fehleinschätzung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben beim Aufbau Ost die Weichen falsch gestellt.
Auch darunter leiden wir noch heute. Damit haben wir
noch zu tun. Zwei Komponenten machen uns Schwierig-
keiten: zum einen natürlich die SED-Vergangenheit und
zum anderen Ihre falsche Weichenstellung beim Aufbau
Ost im Jahre 1990.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist ein Teil der Argumentation Ihres beginnenden

Wahlkampfes, dass Sie immer wieder behaupten,
Deutschland sei das ökonomische Schlusslicht Europas
und die SPD und die Grünen seien daran schuld.


(Walter Hirche [FDP]: Das ist Ihre Schuld! Alle sagen das!)


Dabei unterschlagen Sie, wie es während Ihrer Regie-
rungszeit war, – das werden wir Ihnen noch öfter sagen –:
1996, 1997 und 1998 lag Deutschland – bezogen auf das
Wachstum – am Ende der Reihenfolge in Europa.


(Zuruf von der CDU/CSU: 2001 auch!)

1993, 1994 und 1995 stand sogar das ökonomisch ver-
meintlich stärkere Westdeutschland – bezogen auf das
Wachstum – am Ende der Reihenfolge in Europa.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ohne Inflation!)


Auch wenn wir uns natürlich eine weitaus bessere wirt-
schaftliche Entwicklung wünschen, entspricht es nun

wirklich nicht der Wahrnehmung und Überzeugung der
allermeisten Bürgerinnen und Bürger, dass Deutschland
das Sorgenhaus Europas ist.

In Ihren Haushaltsreden versuchen Sie, der Regierung
die wirtschaftliche Schwäche in die Schuhe zu schieben.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wem denn sonst? – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Der Bundeskanzler hat uns ja dazu aufgefordert!)


Deshalb will ich hier noch einmal das neueste Gutachten
des Sachverständigenrates zitieren, das gerade einmal
zwei Wochen alt ist. Der Sachverständigenrat führt aus:

Eigene Berechnungen zeigen, dass allein die
Verlangsamung der wirtschaftlichen Expansion in
den Vereinigten Staaten ... in diesem Jahr zu einem
Rückgang der deutschen Zuwachsrate des Brutto-
inlandsprodukts von knapp einem Prozentpunkt
führt.

Ich füge hinzu – auch der Bundeskanzler hat das in seiner
Rede angedeutet –: Dabei wurden die Sekundäreffekte
aufgrund des Rückgangs der Gewinne von US-Töchtern
deutscher Konzerne noch nicht berücksichtigt.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist wahr!)

Ähnliches steht im Herbstgutachten der Wirtschafts-

forschungsinstitute:
Auslöser des konjunkturellen Abschwungs, der Mitte
des vergangenes Jahres eingesetzt hatte, war der
Ölpreisschock; im Laufe dieses Jahres kamen zudem
die bremsenden Wirkungen der im Vorjahr merklich
gestrafften Geldpolitik zum Tragen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schuld sind immer nur die anderen!)

Es geht noch weiter:
Zunächst konzentrierte sich der Abschwung auf die
Binnennachfrage.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Warum sind wir dann in Europa die Wachstumsbremse Nummer eins?)

Seit Beginn dieses Jahres wurde der Export von der
sich deutlich verschlechternden Weltkonjunktur er-
fasst.

Einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, das
ökonomisch in außergewöhnlichem Umfang mit seinen
Nachbarn und anderen Industriestaaten der Welt ver-
flochten ist, kann es nicht gut gehen, wenn es, was zurzeit
der Fall ist, all seinen Partnern schlecht geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Wieso denn?)


Sowohl die USA als auch Japan und die Staaten der EU
– im Blick auf England und Frankreich brauchen Sie
heute Morgen nur die Zeitung zu lesen – befinden sich
zurzeit in konjunkturell schwierigem Fahrwasser.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Machen Sie die anderen nicht schlecht!)





Joachim Poß

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(D)



(A)



(B)


Dass es allen großen Wirtschaftsräumen zur gleichen Zeit
wirtschaftlich nicht gut geht, ist übrigens eine Konstella-
tion, die historisch fast einmalig ist.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schuld sind immer die anderen!)


Hinzu kommt, dass Sie, meine Damen und Herren von
der Opposition, durchgehend ausblenden, dass die wirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen für eine Verbesserung
unserer Lage derzeit in vielerlei Hinsicht so schlecht gar
nicht sind:


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wir sind schuld!)


Erstens. Die Preissteigerungsrate geht spürbar zurück;
insbesondere sind die Öl- und Benzinpreise im Jahres-
verlauf erheblich gesunken.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie sinken bestimmt wegen der Ökosteuer! Das ist wirklich Wodu-Ökonomie!)


Das Inflationsgespenst ist verjagt; wieder stabilisierte
Preise lassen die Händler hoffnungsvoller auf das Weih-
nachts- und das Frühjahrsgeschäft blicken.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist kein Poß, sondern eine Posse!)


– Entschuldigen Sie mal. Sie haben wegen der Inflations-
rate noch im April und Mai Aktuelle Stunden beantragt.
Haben Sie das schon wieder vergessen? Das Inflationsge-
spenst ist verjagt. Sehen Sie sich die Entwicklung an!

Zweitens. Der Eurokurs – bezogen auf den Dollar – be-
wegt sich nach wie vor – und wohl auch auf absehbare
Zeit – auf einem Niveau, das den deutschen Export unter-
stützt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: 25 Prozent Verlust für die Mark und den Euro, seit Sie dran sind!)


Drittens. Die Europäische Zentralbank hat in diesem
Jahr die Leitzinsen deutlich auf zurzeit 3,25 Prozent re-
duziert. Dadurch werden auf absehbare Zeit attraktive Fi-
nanzierungsmöglichkeiten für Investoren und Konsumen-
ten sichergestellt.

Viertens. Ich gehe fest davon aus, dass auch in den jetzt
anstehenden Tarifrunden die Tarifpartner einen Weg fin-
den werden, der die wirtschaftliche Entwicklung in
Deutschland weiter befördert. Die Tarifparteien haben
sich nämlich bisher immer verantwortungsbewusst ver-
halten. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies
auch weiterhin der Fall sein wird.

Fünftens. Alle Vorhersagen für die wirtschaftliche Ent-
wicklung im kommenden Jahr gehen davon aus, dass es
spätestens in der zweiten Jahreshälfte zu einer Wiederbe-
lebung der Auftriebskräfte kommen wird.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das glaubt Ihnen doch niemand! Erzählen Sie doch keinen Unfug!)


Unabhängig von der Entwicklung in Amerika wird
nach meiner Überzeugung in Europa und in Deutschland

die Umstellung, die Gewöhnung an und das sich verstär-
kende Vertrauen in den Euro in den nächsten Monaten zu
einer Verbesserung der wirtschaftlichen Stimmungslage
führen. Auch dies ist konjunkturpolitisch bedeutsam.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge ist
unbefriedigend. Wir werden unser Ziel, den Gesamtsozi-
alversicherungsbeitrag im Laufe der Legislaturperiode
auf unter 40 Prozent zu senken, aller Voraussicht nach
nicht erreichen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wie kommt das denn?)


Aber in konjunkturellen Schwächeperioden ist es nun ein-
mal so – das wissen Sie auch –, dass das Geld nicht nur
bei den Steuereinnahmen, sondern auch bei den Beitrags-
einnahmen fehlt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dank Ihrer Politik ist das so!)


Wir alle haben gesehen und gespürt, wie schwierig die
in diesem Jahr endgültig realisierte große Rentenstruktur-
reform gewesen ist. Ich kann nur jedem raten, Reform-
bemühungen in den anderen Sozialversicherungszweigen
ähnlich behutsam und sorgsam anzugehen. Die Reform
der Sozialversicherungssysteme ist eine gesellschaftspo-
litische Aufgabe ersten Ranges. So wichtig das für sich
genommen ist, so kann aber die Senkung der Sozialabga-
ben dabei nicht das alleinige Ziel der nötigen Reformen
im Sozialbereich sein. Es geht auch um die Qualität
unseres Sozialstaates. Möglicherweise unterscheidet uns
genau das. Auch darüber können wir im nächsten Jahr
streiten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie davon reden, dass die Sozialversicherungs-
abgaben weiter gesenkt werden sollen, müssen Sie den
Bürgerinnen und Bürgern auch sagen, was dies bedeutet:
Die von Ihnen geforderte Senkung des Beitrags zur
Arbeitslosenversicherungwäre nur dann möglich, wenn
das Arbeitslosengeld und die anderen Lohnersatzleistun-
gen gekürzt würden oder wenn der Etat für die aktive Ar-
beitsmarktpolitik, die wir nach wie vor dringend – vor al-
lem in Ostdeutschland – brauchen, radikal beschnitten
würde oder wenn erhebliche Lasten aus dem Haushalt der
Bundesanstalt für Arbeit in den Bundeshaushalt hinüber-
geschoben würden, welches zu einer stark nach oben stei-
genden Verschuldung des Bundes führen würde.

Ich bin auf Ihre Wahlprogramme gespannt, insbeson-
dere darauf, ob Sie den Bürgerinnen und Bürgern hierüber
reinen Wein einschenken werden oder ob Sie auch wei-
terhin Ihre vermeintlichen Politikalternativen hinter
wohlfeilen Sprüchen verbergen werden. Die Wahrheit ist
konkret; der können Sie nicht ausweichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zunächst einmal kann ich hier – auch in dem Papier
„Neue Soziale Marktwirtschaft“ von Frau Merkel – nur




Joachim Poß
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(D)



(A)



(B)


die Politik der Umverteilung von unten nach oben erken-
nen, die Sie 16 Jahre lang praktiziert haben.


(Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Selbst als Testamentsvollstrecker taugen Sie nichts!)


Ähnlich verhält es sich beim Rentenversicherungsbei-
trag. Auch hier müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern
sagen, was es bedeutet, wenn der Rentenversicherungs-
beitrag stärker als bisher zurückgehen soll. Sagen Sie den
Rentnerinnen und Rentnern, dass Sie das Rentenniveau
noch weiter senken wollen? Oder wollen Sie auch hier eine
stärkere Finanzierung aus dem Bundeshaushalt, der bereits
jetzt – mit steigender Tendenz – zu fast einem Drittel aus
Zahlungen an die Rentenversicherungsträger besteht?


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was Sie hier vortragen, ist eine wüste Mischung aus Demagogie und Unkenntnis! – Lachen des Abg. Ulrich Heinrich [FDP])


Hier zeigt sich auch die ganze Widersprüchlichkeit Ih-
rer Forderungen: Die von Ihnen immer wieder ohne Ein-
sicht geforderte Aussetzung der nächsten Ökosteuer-
stufe würde mit Sicherheit eine Konsequenz haben: Sie
würde nämlich den Rentenversicherungsbeitrag, den Sie
ja eigentlich weiter senken wollen, bereits im nächsten
Jahr in die Höhe treiben. Wie passt das zusammen? Zeigt
das Regierungs- oder Politikfähigkeit?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bei Ihnen kommt beides: Ökosteuer und eine Erhöhung der Beiträge!)


Wo ist also Ihr Konzept? Wo ist Ihre Alternative? Oder
anders formuliert: Wie hoch ist der Realitätsgehalt, wie
hoch ist eigentlich der Grad an Verantwortbarkeit Ihrer
auch in der abgelaufenen Woche wieder ohne Unterlass
vorgebrachten vermeintlichen Verbesserungsvorschläge?
Sie bieten ein virtuelles Programm, das mit der finanzpoli-
tischenRealität in diesemLandüberhaupt nichts zu tun hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Stichwort Steuerpolitik: Wider besseres Wissen versu-
chen Sie ständig, den Eindruck zu erwecken, in der Steu-
erpolitik bestünde konjunkturpolitischer Handlungsbe-
darf.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was denn sonst? – Walter Hirche [FDP]: Struktureller Handlungsbedarf!)


Nicht bestreitbar ist doch, dass es bereits jetzt durch die
von uns durchgesetzten massiven Steuerentlastungen er-
hebliche konjunkturfördernde Impulse gibt und noch
geben wird.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Keiner merkt es!)


Beschlossene Steuergesetze wirken natürlich nicht nur im
Jahr ihrer Einführung, sondern auch in den Folgejahren.
Zum nächsten Jahr, also genau dann, wenn wir das kon-
junkturell brauchen, werden zusätzlich sogar etwa 19Mil-

liarden DM an Steuerentlastungen wirksam, davon
5MilliardenDM zusätzlich für Familien mit Kindern. Wir
praktizieren nämlich Familienpolitik, Herr Kollege
Carstens, im Gegensatz zu dem, was Sie nur verbal dar-
gestellt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das wird seine konjunkturellen Wirkungen nicht verfehlen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Im Portemon naie merken die Menschen das nicht!)

Außerdem haben wir im Baubereich eine halbe Milli-

arde Euro an zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungen
mit Fälligkeit 2003 in den Haushaltsberatungen ausge-
bracht, sodass die entsprechenden Aufträge bereits nach
2002 vorgezogen werden können. Also wird die Wirt-
schaft auch im Baubereich anziehen.

Sie fordern immer noch, die für 2003 und 2005 vorge-
sehenen Entlastungsstufen unserer Steuerreform vorzu-
ziehen. Es ist hier in der Debatte bereits gesagt worden:
Erst haben Sie unsere Steuerreform beständig verteufelt,
jetzt wollen Sie sie sogar vorziehen. Das ist doch grotesk.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Sie haben eine gute Reform blockiert!)


Der Sachverständigenrat hat ausgeführt, dass alles in
allem überzeugende ökonomische Gründe gegen Kon-
junkturprogramme in einem normalen Konjunkturzy-
klus sprechen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Konjunkturprogramme hat überhaupt keiner gefordert! Das ist dummes Zeug, was Sie erzählen!)


Es gehe darum, stabile und verlässliche makroökonomi-
sche Rahmendaten als Voraussetzung für ein stärkeres Po-
tenzialwachstum zu schaffen. Das machen wir. Bei uns ist
Politik wieder planbar geworden.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bloß ist die Richtung falsch!)


Sie haben immer dann, wenn es zur Sache ging, zum Bei-
spiel bei der Verbreiterung der Steuerbasis, dagegen ge-
stimmt. Sie waren immer die Meister der Schlupflöcher
und haben damit einen finanzierungsfähigen Staat immer
mehr infrage gestellt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wer von Ihnen will angesichts der derzeitigen großen
Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung aus-
schließen, dass zusätzliche steuerliche Entlastungen
von den Bürgerinnen und Bürgern gar nicht konjunk-
turfördernd verausgabt, sondern auf die hohe Kante ge-
legt würden? Schauen Sie sich die Zahlen in den USA
an. Die Sparquote ist dort von 1 Prozent auf 4,7 Pro-
zent angestiegen. Auch dort stellt sich die Frage, ob das
von Bush auf den Weg gebrachte Steuersenkungs-
programm überhaupt etwas bewirkt. Damit bleibt fest-
zuhalten: Es gibt eine große ökonomische Skepsis




Joachim Poß

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(C)



(D)



(A)



(B)


gegenüber weiteren Steuerentlastungen in der jetzigen
Situation, ohne dass wir über die Finanzierbarkeit sol-
cher Steuerentlastungen bisher überhaupt geredet hätten.

Wir haben in der Diskussionsrunde am Sonntag Herrn
Stoiber gehört. Er sprach davon, dass die öffentlichen
Haushalte, insbesondere die der Länder, so ausgezehrt
seien, dass sie ein Vorziehen der Steuerreform finanziell
nicht verkraften könnten. Recht hat Herr Stoiber! Schaf-
fen Sie in Ihren Köpfen und in Ihren Reihen gedankliche
Klarheit. Dann können Sie sich wieder in den politischen
Wettbewerb begeben; denn bis heute haben Sie das wahr-
lich nicht geschafft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der letzten
Steuerschätzung mit Mindereinnahmen von 20 Milliar-
den DM allein im Jahr 2002 ist der Spielraum noch klei-
ner geworden. Es ist abwegig, davon auszugehen, dass die
Politik einfach einen Hebel umlegen kann und dann
brummt die Wirtschaft. Arbeitnehmer und Gewerk-
schaften, aber auch und vor allem die Unternehmer müs-
sen sich ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung be-
wusst sein.

Helfen Sie lieber mit, dass die Ihnen nahe stehenden
Präsidenten und sonstigen Funktionäre der Wirtschafts-
verbände ihre Mitglieder überzeugen, die von uns ge-
schaffenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu nut-
zen, um in Deutschland endlich neue Arbeitsplätze zu
schaffen und nicht kurzfristig und fantasielos Arbeits-
plätze zu Tausenden abzubauen. Das wäre eine Aufgabe
von Ihnen. Dann wären wir ein gutes Stück weiter.


(Beifall bei der SPD)

Kurzfristige Gewinnmaximierung ist keine Alternative
zur langfristigen Investitionsplanung im Interesse der
Belegschaften und der Volkswirtschaft. Nicht alles kann
mit dem Schlagwort der Globalisierung gerechtfertigt
werden.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Sehr wahr!)

Politische Opposition hat ihre Rolle und Funktion. Sie

darf allerdings nicht in die Rolle verfallen, aus reiner Wahl-
taktik die Stimmung schlecht zu reden. In dieser Haus-
haltsdebatte haben Sie jedenfalls nicht gezeigt, dass Sie
eine Gruppierung sind, die im nächsten Jahr in Deutschland
Regierungsverantwortung übernehmen könnte. Ihnen fehlt
trotz vieler Worte in dieser Woche ein stringentes inhaltli-
ches Konzept, das vor der Realität Bestand hat.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hanebüchen ist das!)


Bemühen Sie sich auch auf dem CDU-Parteitag um Kon-
zepte, lieber Kollege, um endlich in einen ernsthaften
und verantwortlichen Wettbewerb mit uns eintreten zu
können.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Vorwärts Genossen, wir treten zurück!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420600800
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Dr. Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktion.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Endlich einmal eine gute Rede!)



Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1420600900
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wir haben mehrere Tage aus-
führlich debattiert. Die Lage und die Daten der deutschen
Volkswirtschaft haben sich dadurch nicht geändert: Die
Arbeitslosigkeit ist weiterhin hoch; die Zahl der neuen
Arbeitsplätze ist ganz niedrig; die Teuerungsrate ist wei-
terhin hoch; die Sozialversicherungsbeiträge sinken nicht,
sondern steigen eher – wie die Ökosteuer, die eigentlich
eingeführt wurde, um sie sinken zu lassen –; die steuerli-
che Belastung der Durchschnittseinkommen ist hoch.
Selbst wenn Sie fünf Statistiken heranziehen: Wahr-
scheinlich liegen nur noch Belgien und Dänemark vor
Deutschland. Die Belastung der Unternehmensgewinne
ist weiterhin hoch. Hier liegt nur noch Frankreich vor
Deutschland. Wenn Sie so weitermachen, dann schaffen
Sie es, dass Deutschland auch noch diese Länder überholt
und bei den negativen Indikatoren an der Spitze der Bun-
desliga liegt.

Der Haushalt pfeift aus dem letzten Loch. Er sei auf
Kante genäht, sagt der Bundesfinanzminister. Er hat den
niedrigsten Investitionsanteil, den je ein Haushalt in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gehabt hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Einen Boom gibt es nur noch in der Schattenwirtschaft.
Das ist die Bilanz.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Im Hinblick darauf trägt die Regierung immer wieder

– das hat auch der Kollege Poß getan – zwei Argumente
vor: Daran seien – das ist wie im wirklichen Leben – die
Eltern schuld;


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Und die Opposition!)


denn die hätten dem Nachwuchs kein ausreichendes Erbe
hinterlassen. So lautet der Vorwurf an die ehemalige Re-
gierung. Der Bundeskanzler bemüht sich in einer langen
Rede, zu erklären, daran seien die weltwirtschaftlichen
Umstände schuld. Man müsse ein Stück auf die anderen
Länder, vor allen Dingen auf die USA, hoffen.

Dazu sagt der Sachverständigenrat, der sowohl die Er-
ben als auch die Erblasser immer kritisch beobachtet hat,
in seiner feinsinnigen Sprache, die aber ganz klar ist, Fol-
gendes: Die größte europäische Volkswirtschaft – ge-
meint ist die in Deutschland – müsste die der anderen Län-
der eigentlich ziehen und dürfte gewissermaßen nicht von
außen geschoben werden. Sie – gemeint ist noch immer
die Volkswirtschaft in Deutschland – dürfte in einer Phase
der allgemeinen Konjunkturschwäche nicht stärker an
Schwung verlieren als die Volkswirtschaften in den übri-
gen Mitgliedsländern. Weiter sagt der Sachverständigen-
rat: Das ist ein Befund, der Zweifel an der Effizienz der
für die wirtschaftlichen Entscheidungen maßgeblichen




Joachim Poß
20372


(C)



(D)



(A)



(B)


Anreizsysteme hierzulande nahe legt. Das nenne ich auf
den Punkt gebracht. Darum geht es!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Frage lautet nämlich – ich leite sie sinngemäß aus

dem Gutachten des Sachverständigenrates ab –: Was
macht die Bundesregierung, die Mehrheit in diesem Hause
eigentlich, um Menschen zu motivieren, Leistungen zu
erbringen und sich neuen Aktivitäten zuzuwenden? Was
tut sie, um die Anreizsysteme, die falsch ausgerichtet sind,
umzustellen?


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Keinen Finger krumm!)


Der Sachverständigenrat und nicht die böse Opposition
antwortet Ihnen, den Erben, darauf Folgendes: Es war ein
Fehler, dass die jetzige Bundesregierung glaubte, das we-
nige an Deregulierung des Arbeitsmarktes, das die
Vorgängerregierung zustande gebracht hatte, auch noch
rückgängig machen zu müssen. Damit ist alles gesagt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie können also nicht mehr sagen: Wir sind die Erben, wir
sind an nichts schuld; die Eltern hätten uns – weil es uns
friert – Handschuhe schenken müssen. Sie müssen sich
schon fragen lassen, was Sie tun.

Der Bundeskanzler hat zwar lange geredet. Aber er hat
genau die Fehler am vehementesten verteidigt, die ihm
der Sachverständigenrat ankreidet. Der Bundeskanzler er-
klärt, dass er die Abschaffung der 630-Mark-Arbeits-
verträge für richtig halte. Aber damit haben Sie, nur die
Arbeitslosenstatistik geschönt und die Schwarzarbeit
ausgeweitet.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit weiter
begründet. Sie haben damit die Einstellung von Frauen
behindert und dafür gesorgt, dass betriebliche Angelegen-
heiten eher vor die Gerichte gebracht werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben das Betriebsverfassungsgesetz geändert. Sie
haben die Mitbestimmung der Gewerkschaften ausgewei-
tet sowie die Selbstbestimmung der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer in den Betrieben zurückgedrängt. Sie
haben ein Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit erlassen.
Das alles haben Sie trotz der Kritik des Sachverständi-
genrates durchgesetzt. Damit haben Sie genau die Moti-
vationsanreize zurückgedrängt, die der Sachverständi-
genrat für die größte Volkswirtschaft in Europa anmahnt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben jetzt die Absicht – das sagt der Sachverstän-

digenrat auch –, ein weiteres Gesetz hinzuzufügen. Der
Bundeskanzler hat der IG BAU zugesagt, ein Vergabege-
setz vorzulegen. Der Sachverständigenrat hält das für eine
Fortsetzung der Fehlentwicklung:


(Widerspruch bei der SPD)

Das verteuert die Arbeit, das erhöht die Baupreise, das zö-
gert strukturelle Anpassungen hinaus und das diskrimi-
niert die Anbieter aus Ostdeutschland. Der Rat sagt:

Damit sagt die Bundesregierung den vielen Arbeits-
losen, dass sie keine neue, ausreichende hoffnungs-
volle Perspektive für den Eintritt in den regulären
Arbeitsmarkt haben und dass Deutschland als po-
tenzieller Investitionsstandort nicht ausreichend in
der Lage ist, überholte Strukturen aufzubrechen und
seine Regelwerke neu auszurichten.

Sie können auf die Weltwirtschaft, auf die Vereinigten
Staaten und auf das Erbe verweisen; aber Sie können sich
in dieser Woche nicht vier Tage lang darum herum-
drücken, die Frage zu beantworten, was Sie denn tun
wollen.


(Joachim Poß [SPD]: Sie auch nicht!)

Das ist die Kernfrage an die Bundesregierung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Sie stehen jetzt vor einem Waterloo Ihrer Arbeits-
marktspolitik. Die Daten, die wir nun abfragen und die of-
fensichtlich auch im nächsten Jahr nicht besser werden,
führen wir als Opposition natürlich ein, weil jedermann
dies im parlamentarischen Schlagabtausch erwartet. Ei-
gentlich kommen wir aber auch einem Wunsch des Bun-
deskanzlers nach. Er hat uns ja aufgefordert, ihn genau da-
ran zu messen. Er hatte wohl gedacht, er werde mit einem
Guthaben ins neue Jahr gehen. Er hat sich gründlich ver-
kalkuliert. Das werfen Sie aber bitte nicht der Opposition
vor. Sie müssen sich an dem messen lassen, woran er
sich – das ist vom Herrn Bundeskanzler in allen deut-
schen Zeitungen gewünscht worden – messen lassen
wollte. Wenn die Arbeitslosenzahl diese Entwicklung
nimmt, die wirtschaftlichen Daten so sind, wie sie sind,
dann wäre die Opposition geradezu mit dem Klammer-
beutel gepudert,


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das ist sie sowieso!)


wenn sie seinem Wunsch nicht nachkäme. Wir werden ihn
daran messen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie reden so viel mies, dass die Situation schlechter wird!)


In der Haushaltsdebatte hat sich der Bundeskanzler in
bemerkenswerter Weise geäußert: Die Steuerpraxis sei
nicht so, wie die Opposition es darstelle, wenn sie darauf
hinweise, dass der Mittelstand in Deutschland ungerecht
behandelt werde. Mit etwas Kreativität und guter Bera-
tung


(Walter Hirche könne man in der Steuergestaltung die Ungerechtigkeit im Hinblick auf die kleineren und mittleren Betriebe schon beseitigen. Allenfalls wolle er mit sich darüber reden lassen, dass bei großen mittelständischen Unternehmen im Vergleich zu Körperschaften und Kapitalgesellschaften ein Problem bestehe. Dazu hat er lange Ausführungen gemacht. (Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ein Seminar ge halten!)





Dr. Wolfgang Gerhardt

20373


(C)



(D)



(A)



(B)


Er ist aber an dem Kern des Problems gründlich vorbei-
gegangen.


(Joachim Poß [SPD]: Das machen Sie mit Ihrer Rede! Sie verfehlen den Kern!)


– Herr Poß, es geht dabei nicht um die Steuergestaltung in
der Praxis, auch nicht um die Unternehmen, ob kleine
oder große, und nicht um die Besänftigung der kleinen mit
den Freibeträgen bei der Gewerbesteuer. Im Kern geht es
um die Unternehmenskultur in Deutschland. Das hat er
gar nicht begriffen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Diese Unternehmenskultur, so schrieb Paul Kirchhof

gestern in der „FAZ“, ist der strukturelle Vorteil der Bun-
desrepublik Deutschland. Dies ist besonders in einer Zeit
von Bedeutung, in der flüchtige Aktienmärkte uns im Hin-
blick auf die soziale Sicherheit der Menschen dazu he-
rausfordern müssten,


(Joachim Poß [SPD]: Deswegen stärken wir ja den Mittelstand!)


die Personengesellschaften in der Bundesrepublik
Deutschland zu stabilisieren und nicht diejenigen zu be-
strafen, die sich in Form einer Personengesellschaft zu
Großunternehmen entwickeln und damit zu stabilen
Wettbewerbern der Körperschaften und Kapitalgesell-
schaften werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der Bundeskanzler – er ist nicht da; Sie werden es ihm

übermitteln – verrät in diesem Punkt die Neue Mitte, die
er bei der letzten Bundestagswahl gebeten hat, ihm die
Stimme zu geben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Damit trifft Rot-Grün gesellschaftspolitisch den Wachs-
tumsmotor der Bundesrepublik Deutschland.


(Zuruf von der SPD: Das Traurige ist ja, dass er das, was er sagt, wirklich glaubt!)


Rot-Grün bestraft Risikobereitschaft bei denen, die per-
sönlich bereit sind, etwas in Deutschland zu riskieren.

Die Bundesregierung hat in diesen zwei Kernpunkten
der übermäßigen Regulierung des Arbeitsmarktes und der
Vernachlässigung der Personengesellschaften die größten
Fehler gemacht, die sie machen konnte. Deshalb soll sie
sich nicht in Ausreden über das Erbe flüchten. Rot-Grün
hat in dieser Legislaturperiode die größte Verramschung
des Erbes von Ludwig Erhard vorgenommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Auf dem Gebiet der Außenpolitik durften wir erleben,

dass die Bundesregierung eine Vertrauensfrage brauchte,
um einen der Kernbestandteile der erfolgreichen Nach-
kriegsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, die
schlichte Bündnisfähigkeit, zu stabilisieren.


(Zuruf von der FDP: Richtig!)

Die Grünen haben das jetzt auf einem Parteitag abgeseg-
net. Ich sage hier voraus: Sie werden noch eine gewaltige
Interpretationsbandbreite für ihren Parteitagsbeschluss

brauchen, sofern ich die Buschtrommeln, die in den letz-
ten Tagen zu hören waren, richtig verstehe. Das ist noch
nicht an seinem Ende angekommen.


(Zuruf von der SPD: Sind Sie jetzt auch für Urwaldfragen zuständig?)


In der Wirtschaftspolitik hoffen Sie nun auf Amerika,
das Sie mit den Vokabeln „McJob“ und „Hire and Fire“
genüsslich heruntergeredet haben.


(Walter Hirche [FDP]: Genau so war es!)

Jetzt ist das die große Hoffnung von Rot-Grün.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dazu sagt der Sachverständigenrat Folgendes, was ich
Ihnen abschließend zitieren will:

Es ist nicht angebracht,
– das sagt der Sachverständigenrat, nicht die böse Oppo-
sition –

bei einer schwachen eigenen wirtschaftlichen Ent-
wicklung sich mit dem Hinweis auf andere damit ab-
zufinden und zu warten, bis die weltwirtschaftliche
Konjunktur, namentlich die Wirtschaftsentwicklung
in den Vereinigten Staaten, wieder in Schwung
kommt. Das hieße nämlich, vor den eigenen Proble-
men zu kapitulieren und darauf zu setzen, dass an-
dere Länder eher in der Lage sind, ihre Aufgaben zu
erledigen, und dass die deutsche Volkswirtschaft nur
gleichsam als stiller Teilhaber der anderswo erzielten
wirtschaftspolitischen Erfolge gesehen wird.

Der Sachverständigenrat fügt einen weiteren Satz hinzu:
Wir kommen um die Notwendigkeit nicht herum, die
eigenen wirtschaftlichen Antriebskräfte zu mobili-
sieren. Deutschland ist nicht ein Land, das damit
überfordert sein sollte.

Deutschland ist damit auch nicht überfordert, aber Rot-
Grün anscheinend komplett.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Sie haben es in vier Jahren

geschafft, Antriebskräfte in Deutschland zu verbrauchen
und zu beschädigen.


(Zurufe von der SPD: Drei!)

– Für das letzte Jahr dieser Wahlperiode sehe ich keinen
Aufschwung in Ihrer Geisteshaltung oder in den wirt-
schaftlichen Daten voraus. Dieses Jahr kann ich vorweg-
nehmen. Das wird ein verlorenes Jahr sein.

Sie haben die Antriebskräfte in Deutschland gründlich
demotiviert. Sie haben jede Bereitschaft zur eigenen An-
strengung, zum eigenen Risiko in Mitleidenschaft gezo-
gen. Sie haben Flexibilität zugeschüttet. Sie haben
Deutschland eingekerkert, aber sich selbst auch mit in die
Zelle gesperrt. Jetzt haben Sie nur noch die zwei Mög-
lichkeiten, die Sie immer nennen: ruhige Hand und run-
der Tisch.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Von welchem Deutschland reden Sie überhaupt?)





Dr. Wolfgang Gerhardt
20374


(C)



(D)



(A)



(B)


Das ist für die Freie Demokratische Partei zu wenig.
Deshalb bitten wir den Wähler,


(Hans Georg Wagner [SPD]: Wovon reden Sie denn?)


dieser Politik im nächsten Herbst ein Ende zu bereiten –
demokratisch, aber überzeugend.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: In welchem Land leben Sie eigentlich?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420601000
Ich erteile der Kolle-
gin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420601100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich
mich gleich diesen großen intellektuellen Herausforde-
rungen von Oppositionsseite stellen werde, möchte ich als
Erstes den Mitarbeitern des Sekretariats des Haushalts-
ausschusses danken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben dieselben Nachtschichten geschobenwie wir, bis
früh um vier die Anträge der Opposition kopiert, was sie
auch nicht besser machte, aber immerhin dazu führte, dass
sie vollzählig vorlagen, und sie in dieFächer einsortiert.Wir
konnten um neun ordentlich beraten. In der diesjährigen
Haushaltsberatung verdankt der Haushaltsausschuss den
Mitarbeitern sehr viel. Das muss auch gesagt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Jetzt will ich mich dieser intellektuellen Herausforde-
rung widmen. Herr Gerhardt, wenn Sie hier behaupten,
wir beklagten uns darüber, Sie hätten kein ordentliches
Erbe hinterlassen, so muss angemerkt werden, dass Sie
mindestens 30 Jahre mitregiert haben und insofern auch
für das, was Sie hinterlassen haben, zuständig sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mir hätte es schon genügt, wenn Sie uns keine so

großen Schulden hinterlassen hätten. Von Ihrer Erbschaft
will ich gar nichts haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mir nützte es schon, wenn ich als junger Mensch meine
Zukunft selbst gestalten könnte. Das geht aber gar nicht,
weil ich auf Jahre dazu verdammt bin, mit meinen Steu-
ergeldern Ihre Schulden abzutragen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Und das aus dem Munde eines Kindes der Wiedervereinigung! Unglaublich!)


Wir wollen Zukunft gestalten.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ohne uns würden Sie gar nicht hier stehen! Dann wären Sie noch hinter Stacheldraht!)


– Ihr Wehgeschrei zeigt, dass ich den richtigen Punkt er-
wischt habe. – Wir haben einen Haushalt vorgelegt, der
schwer zu fahren ist, weil er knapp ist. Trotzdem gestal-
ten wir die Zukunft, und zwar schon seit drei bis vier Jah-
ren erfolgreich gemeinsam in dieser Koalition. Sie ist in
ihrer Finanzpolitik erfolgreich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben die ökologische Modernisierung vorange-
trieben. Es gibt eine Energiewende. Energieforschung,
Markteinführung erneuerbarer Energien, Biomasse, die
Mittel für all das wurden aufgestockt.


(Walter Hirche [FDP]: Der Bundeswirtschaftsminister hat seinen Teil dazu gesagt!)


Das liegt stringent auf einer Linie. Das ist eine klare Stra-
tegie.

Wir haben eine Agrarwende begonnen. Inzwischen
gibt es gesündere Lebensmittel.


(Lachen bei der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Vor allem im PaulLöbe-Haus!)


Artgerechte Tierhaltung wird sich durchsetzen. Die Mit-
tel für Verbraucherschutz sind gestiegen. Auch das ist
wichtig für die Leute im Land.

Es wird eine Verkehrswende geben. Aus dem ZIP-
Programm, dem Zukunftsinvestitionsprogramm, das wir
vor zwei Jahren aufgelegt haben, ist von 2,6 Milliarden
Euro eine ganze Milliarde, also ein wirklich großer Be-
trag, in Investitionen in die Schiene gegangen. Das ist Zu-
kunft! Das ist ökologische Modernisierung der Gesell-
schaft!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben den Begriff der Nachhaltigkeit aus der
Ökologie auf die anderen gesellschaftlichen und politi-
schen Bereiche übertragen. Es gibt inzwischen auch De-
batten über eine nachhaltige Finanzpolitik.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die ist durch den Wechsel von Finanzminister Lafontaine
zu Finanzminister Eichel plastisch geworden. Die Koali-
tion hat darin in harter Arbeit ihre gemeinsamen Projekte
definiert. Das war weder für die Sozialdemokraten noch
für die Bündnisgrünen leicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sagen: Wir wollen die Gesellschaft modernisieren.
Denken Sie zum Beispiel an die Fragen der Zuwanderung
und der Integration! Es wird mehr Geld für eine bessere
Integration und für verstärkte Sprachförderung geben.
Denken Sie daran, dass Familienförderung betrieben
wird! Wir haben einmal 300 DM Kindergeld versprochen.
Das kommt nächstes Jahr. Das ist eine Punktlandung!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Dr. Wolfgang Gerhardt

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(D)



(A)



(B)


Sehen Sie sich den Haushalt für Bildung und For-
schung an! Der ist um mehr als 15 Prozent gestiegen. Das
BAföG ist dabei schon herausgerechnet.
Wenn Sie sich das einmal angucken, dann stellen Sie fest:
Das ist eine klare, stringente, kohärente Politik, auf we-
nige wichtige Investitionen in die Zukunft konzentriert,
und an allen anderen Stellen wird intelligent gespart.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich frage mich immer, wie Sie das alles gemacht hätten.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Besser!)


– Genau der Versuchung sind Sie erlegen. Sie von der
CDU/CSU haben Änderungsanträge mit einem Volumen
von mehr als 35 Milliarden Euro eingebracht. Das haben
Sie als ordentliche Haushaltspolitik zu suggerieren ver-
sucht. Dabei hätten Sie auf die Ökosteuer verzichtet. Da
hätten Ihnen schon einmal 15 bis 16 Milliarden gefehlt,
mindestens, wenn nicht noch mehr! Sie haben gesagt, Sie
wollten die Steuerreform vorziehen. Zusätzlich zu all
Ihren Änderungsanträgen wäre das ein Volumen gewesen,
das überhaupt nicht darstellbar gewesen wäre! Wahr-
scheinlich – da folge ich einmal Ihrer alten Programma-
tik – hätten Sie dann die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent
angehoben


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


oder hätten allen Deutschen die Grundrente verordnet;
denn anders hätten Sie das nicht finanzieren können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Da Sie nicht die Traute gehabt hätten – so denke ich je-
denfalls –, die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent anzuheben
oder die Grundrente in Deutschland einzuführen, muss
ich davon ausgehen, dass Ihre sämtlichen Erhöhungsan-
träge Popanz sind und überhaupt nichts taugen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich kann ein paar Beispiele bringen. Es gibt zum Bei-
spiel einen Antrag, 600 Millionen Euro mehr in den
Straßenbau zu investieren. Ich erinnere mich noch an
Wissmanns Spatenstiche. Wissen Sie noch, wie er damals
im Wahlkampf durch die Gegend gezogen ist und die Spa-
tenstiche gemacht hat?


(Zuruf von der SPD: Aber nur die Spatenstiche! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da wurde noch gebaut!)


Danach war das Geld alle. Alles sollte natürlich privat fi-
nanziert werden und nichts hat geklappt. So ist das damals
gelaufen!


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


So machen Sie das wieder. Sie haben nichts dazuge-
lernt. Sie machen wieder dieselben Fehler, die Sie schon
vor vier Jahren gemacht haben. Sie kommen mit einem
Antrag, den Verteidigungshaushalt um 1,4 Milliarden
Euro zu erhöhen, mit einem Antrag, den Zuschuss an die

Bundesanstalt für Arbeit um 2 Milliarden Euro zu er-
höhen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein, nein, kein Zuschuss an die BA! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


Ich kann mich noch an Blüms Wahlkampf-ABM erinnern.
Wissen Sie noch, wie das im letzten Wahljahr, als Sie ab-
gewählt worden sind, gewesen ist? Da hat Herr Blüm
noch erzählt: Jetzt kommen noch einmal ganz viele ABM
auf den Markt. – Die haben dann für vier Monate gehal-
ten – gerade bis einen Monat nach der Wahl! Solchen Ver-
suchungen sind Sie wieder erlegen. Wir sind es nicht. Wir
sind solchen Versuchungen nicht erlegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dieser Haushalt wird im Wahljahr Prüfstein für unsere
Vorschläge zur Modernisierung dieser Gesellschaft sein
müssen. Wir haben dazugelernt, übrigens sehr schmerz-
haft. Daher kommt genau die Häme, die Sie in der ganzen
Woche verbreiten. Natürlich freut Sie das. Sie sind ja we-
gen derselben Probleme, mit denen auch wir konfrontiert
sind – das ist ganz klar; wir leben im selben Land –, ab-
gewählt worden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Deswegen werden auch Sie abgewählt und das ist gut so!)


Aber Sie haben nichts dazugelernt. Wir lernen dazu. Un-
sere Lernprozesse regen Sie auf.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ärgert Sie am meisten. Daher kommt Ihre Häme. Wir
sind in der Lage, uns in die Regierungsrolle hineinzufin-
den,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie machen doch die Rolle rückwärts!)


während Sie eine schlechtere Opposition machen, als wir
sie früher gemacht haben. Damit lassen Sie sich hier
blicken!


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Sie haben die Änderungsanträge der Bündnisgrünen
zum Haushalt aus Oppositionszeiten bestimmt noch in Er-
innerung. Sie werden sich erinnern, dass die alle gedeckt
waren. Da gab es keine illusorischen Angelegenheiten wie
Ihre komischen Vorstellungen: Steuerreform vorziehen,
auf die Ökosteuer verzichten, Einfrieren der Grundrente,
Erhöhung der Mehrwertsteuer und alles irgendwann noch
einmal.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Danke fürs Zitat!)


Was Sie hier vorgelegt haben, ist Quatsch. Ich weiß nicht,

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dass Sie nichts wissen, wissen wir jetzt auch!)


aber wenn ich an Gerhard Stoltenberg denke, über den in
dieser Woche mehrmals gesprochen worden ist – mit Res-




Antje Hermenau
20376


(C)



(D)



(A)



(B)


pekt natürlich, das ist klar –, glaube ich, Herr Stoltenberg
hätte Ihnen diesen Mist nicht durchgehen lassen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir wollen Oswald Metzger hören!)


Herr Stoltenberg hätte Sie bei diesem Wirrwarr, den Sie
hier als Haushaltsberatung vorzulegen gewagt haben, ins
Gebet genommen. Sie haben Ihre Kompetenz auf dem
Gebiet völlig verloren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Herr Metzger hätte das Zeug, was man ihr aufgeschrieben hat, hier gar nicht vorgetragen!)


Der Wechsel von Stoltenberg zu Waigel erfolgte ein
halbes Jahr vor der Wende; deswegen kann man sich mit
den Kosten der deutschen Einheit nicht herausreden.


(Zustimmung der Abg. Uta Titze-Stecher [SPD])


Damals haben Sie in Ihrer Finanzpolitik umgesteuert und
den Pfad der stoltenbergschen Tugend verlassen. So ist es
doch gewesen, und zwar ein halbes Jahr vor der Wieder-
vereinigung. Kommen Sie mir nicht mit den Kosten der
deutschen Einheit. Ich kann es nicht mehr hören.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Nein, wir kommen Ihnen nicht! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das haben Sie doch noch nie geglaubt!)


In Wirklichkeit hat es etwas damit zu tun, dass Sie vor der
Bundestagswahl 1990 Muffensausen hatten und deshalb
Ihre Finanzpolitik ganz massiv geändert haben. So ist das
gelaufen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Laut ist noch nicht gut!)


Schwarz-Gelb hat von 1994 bis 1998 23,4 Prozent mehr
neue Schulden gemacht. Rot-Grün hat in den letzten vier
Jahren nicht einmal halb so viel Schulden gemacht, selbst
wenn man UMTS herausrechnet. Wenn wir auch zugeben,
dass wir die UMTS-Gelder zur Schuldentilgung genutzt
haben, haben wir eigentlich sogar nur 5 Prozent mehr
neue Schulden gemacht im Vergleich zu den 23,4 Prozent,
die Sie in Ihrer letzten Legislaturperiode abgeliefert
haben.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir wollen Metzger hören, bevor der Metzger zur GEBB geht!)


Wir haben die Trendumkehr eingeleitet. Wir haben Ihr
Erbe, Herr Gerhardt, gar nicht angetreten, wir haben es
ausgeschlagen. Wir machen etwas anderes. Wir werden
diese Neuverschuldung herunterfahren. Es tut weh, es ist
nicht leicht, es gibt Probleme, es ist diskussionswürdig,
aber es ist ehrlich und es ist zukunftsweisend.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ist es, was Sie wurmt. Herr Carstens hat Sie heute hier
vertreten, meine Damen und Herren von der Union. Der
hat hier doch im Prinzip einen Rückblick in die Ge-
schichte abgeliefert.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie glauben doch selbst nicht, was Sie da vortragen!)


Sie glauben, damit könnten Sie jüngere Menschen in die-
sem Land dafür interessieren, was Sie finanzpolitisch
eventuell noch anzubieten hätten.

Wie ich schon sagte: Häme steht Ihnen gut zu Gesicht.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir wollen jetzt nicht über Ästhetik reden!)

Das ist offensichtlich das Einzige, was Sie im Moment
drauf haben. Mehr kommt nicht. Ich erinnere mich an das
letzte tolle schwarz-gelbe Konjunktur-Ankurbelungspro-
gramm, die Sonder-AfA, mit dem die Baubranche im
Osten künstlich hoch geschraubt wurde.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie schrauben lediglich an den Pleiten!)


Es gab geborgte Arbeitsplätze in der Baubranche, diese
geborgten Arbeitsplätze wurden aus Steuerverzicht finan-
ziert und der Boom ist trotzdem nicht von Dauer gewesen.
Wir hingegen haben mühsam Gelder in Marktanreizpro-
gramme für erneuerbare Energien gesteckt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bei Ihrer Rede vergeht ja sogar dem Finanzminister das Lächeln! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Bei der Rede braucht er gar nicht zuzuhören!)


Dort entstehen neue zukunftsfeste Arbeitsplätze, ganz im
Gegensatz zu Ihrer durch Steuerersparnis erkauften Kon-
junktur.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Weil Sie der Meinung sind, wir hätten die Staats-
ausgaben davongaloppieren lassen: Man kann sie ja
durchaus einmal mit der waigelschen mittelfristigen
Finanzplanung vergleichen. Das müssen wir nicht
scheuen. Die läge nämlich maximal 1 bis 2 Milliar-
den Euro unter dem, was wir anzubieten haben. Aber die
waigelsche Planung wäre ohne Ökosteuer – da hätten
Sie schon ein Problem –, sie wäre ohne Zukunftsinves-
titionen, sie wäre mit 20 Prozent Mehrwertsteuer und
sie wäre mit einer Grundrente und einem Rentenversi-
cherungsbeitrag von wahrscheinlich immer noch unge-
fähr 20 Prozent.

Ich weiß doch noch,

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie wissen gar nichts, das dokumentieren Sie hier nun wortgewaltig!)


wie Norbert Blüm damals in den Haushaltsausschuss ge-
kommen ist und mit einer Träne im Knopfloch meinte,
jetzt müssten wir uns langsam auf 21 Prozent Rentenver-
sicherungsbeitrag zubewegen. Erinnern Sie sich doch ein-
mal an Ihren eigenen Minister. Er saß dort und sagte mit




Antje Hermenau

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(C)



(D)



(A)



(B)


einer Träne im Knopfloch: Tut mir Leid, Leute, 21 Pro-
zent, irgendwie lässt es sich nicht vermeiden. Das war
doch keine Zukunftsentwicklung.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir sind doch hier nicht auf der Bauernbühne!)


Wir stabilisieren den Rentenversicherungsbeitrag, und
wir stabilisieren ihn nicht dadurch, dass es nur eineGrund-
rente für alle gibt. Das ist doch der entscheidende Punkt,
der uns gelungen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie werden wahrscheinlich nicht müde werden, immer
wieder zu behaupten, Sie könnten die Steuerreform vor-
ziehen. Dazu haben Sie auch geistreiche Vorschläge. Ich
kann Ihnen nur sagen: Wenn Ihre eigene große Füh-
rungspersönlichkeit Stoiber schon den Rückzug angetre-
ten hat, weil ihm das Ganze nicht mehr ganz geheuer ist
und er merkt, dass das Eis bricht, auf das Sie sich da schlit-
ternd wagen, kann ich mir eigentlich jede weitere Bemer-
kung zu dem Schnulli-Vorschlag ersparen.

Kommen wir dann zu einem Vergleich, der ganz ein-
fach zu begreifen ist: Alle Deutschen waren im letzten
Jahr sehr bewegt von der Entwicklung der Fußball-Natio-
nalmannschaft. Das kann ich gut verstehen. Da ist genau
dasselbe passiert wie bei Ihnen. Dort gab es die gleiche
Nichtlernfähigkeit, die Sie hier auch dokumentiert haben,
in den letzten Jahren und in dieser Haushaltsberatung wie-
der. Da hat man sich in der Fußballnationalmannschaft auf
seinen Lorbeeren und dem vergangenen Ruhm ausgeruht.
Dann hat man in einem Dritte-Klasse-Spiel mörderisch
verloren. Anschließend hat man die nationale Krise aus-
gerufen. So ist das gelaufen.

So ähnlich ist Ihre Haushaltspolitik. Nachhaltigkeit be-
ginnt nämlich mit Vorausdenken. Man fängt beizeiten an,
an die Zukunft zu denken. Man investiert in junge Spieler
und man bemüht sich, Angebote zu machen, die auch
wirklich tragen. Aber Sie haben nichts dazugelernt. Sie
haben Herrn Stoltenberg verachtet. Sie haben zum Bei-
spiel Männer wie Kohl oder Waigel, die für den Maas-
tricht-Vertrag verhandelt haben, der Ihnen in Ihrer Fi-
nanzpolitik einmal so wichtig war, an die Wand laufen
lassen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie sieht es denn aus mit den Maastricht-Kriterien? Da wäre ich doch ganz vorsichtig!)


Ihnen scheint es doch wohl egal zu sein, ob die Nettokre-
ditaufnahme, die Neuverschuldung steigt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist auch Ihre letzte Haushaltsrede!)


Dabei müsste es Ihnen doch eigentlich richtig weh tun.
Kohl und Waigel haben für Sie in Verhandlungen eine
stringente Finanzpolitik in Europa durchgesetzt, aber Sie
tun hier so, als wäre es völlig egal, ob die Neuverschul-
dung steigt oder nicht. Sie sprechen von einer nationalen
Krise. Wir haben keine nationale Krise, sondern Sie ha-
ben eine Wahlkampfkrise; das ist Ihr Problem.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Krise am Pult!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420601200
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Uwe-Jens Rössel, PDS-Fraktion.


Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS):
Rede ID: ID1420601300
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir ein Bedürfnis,
zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Se-
kretariats des Haushaltsausschusses für ihre stets hilfsbe-
reite, engagierte und umsichtige Arbeit den Dank meiner
Fraktion auszusprechen.


(Beifall bei der PDS, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dank sagen möchte ich auch ausdrücklich den Kolle-
ginnen und Kollegen des Bundesrechnungshofs. Ihre Ar-
beit genießt bei uns hohe Wertschätzung. Sie ist für unser
parlamentarisches Wirken unverzichtbar.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn jetzt Bilanz der viertägigen Haushaltsberatungen
gezogen wird, wäre vieles zu sagen. Der politische
Schlagabtausch in der Haushaltsdebatte – dafür gibt es be-
reits heute viele Beispiele – zwischen der rot-grünen Ko-
alition und der Vorgängerkoalition verläuft aber in weiten
Teilen auf einem erschreckend niedrigen Niveau.


(Beifall bei der PDS)

Von Kultur im Meinungsstreit kann hier wohl nicht ge-
sprochen werden.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sie meinen die letzte Rede?)


Das erste Paradebeispiel lieferte Kollege Carstens.
Seine Rede strotzte nur so vor Peinlichkeiten und ideolo-
gischen Ausfällen.


(Beifall bei der PDS – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was?)


Kollege Carstens, wüsste ich nicht, dass Sie Mitglied des
Haushaltsausschusses des Bundestags sind, so müsste ich
sagen, Sie waren ein bestellter Gastredner.


(Beifall bei der PDS – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das war eine Beleidigung!)


Sie, Kollegin Antje Hermenau, kommen offensichtlich
– zu diesem Schluss komme ich nicht nur aufgrund Ihrer
Wortwahl, sondern auch aufgrund der Ergebnisse, die Sie
hier vorgetragen haben – vom Kongress der Weißwäscher.


(Beifall bei der PDS)

Die Bürgerinnen und Bürger im Land, Kollege

Carstens, Kollegin Hermenau, wollen von der Politik und
damit von uns Bundestagsabgeordneten doch vor allem
wissen, mit welchen Konzepten die anhaltend hohe
Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann. Sie wollen vor
allem wissen, wann endlich mehr soziale Gerechtigkeit
in dieses Land einzieht und die Renten auch für die künf-
tigen Generationen wirklich sicher sind.


(Lothar Mark [SPD]: Daran arbeiten wir!)

Sie wollen wissen, wie Bildung und Forschung nachhal-
tiger gefördert und die Gesundheitsfürsorge bezahlbar ge-




Antje Hermenau
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(C)



(D)



(A)



(B)


halten werden kann. Besonders darauf muss der vorge-
legte Haushalt Antwort geben.


(Beifall bei der PDS – Lothar Mark [SPD]: Die gaben wir!)


Angesichts der entsetzlichen Terroranschläge vom
11. September und deren Folgen, Kollege Mark, plagt im-
mer mehr Menschen die Sorge um die Erhaltung des
Friedens. Die PDS-Fraktion bekräftigt von hier aus ihre
Forderung, den Krieg in Afghanistan sofort einzustellen
und seine Ausdehnung auf andere Regionen zu verhin-
dern.


(Beifall bei der PDS – Hans Georg Wagner [SPD]: Das haben Sie 1980 auch schon gefordert!)


– Bitte nicht die alten Kamellen, Kollege Wagner!
Zum Etat 2002. Trotz manch unterstützenswerter

Einzelvorhaben und Projekte, die in den Bundesetat ein-
gestellt sind – ich nenne die Anhebung der langfristigen
Finanzierungsverpflichtungen des Bundes für die Städte-
bauförderung West; ich nenne die Bundeskulturförde-
rung –, wird der Haushalt insgesamt den Herausforderun-
gen der Zukunft nur unzureichend gerecht.


(Beifall bei der PDS)

Die soziale Schieflage in der Gesellschaft wird mit dem
Etat 2002 unter Rot-Grün nicht abgebaut; sie nimmt sogar
zu.


(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Das ist wahr!)

Finanzminister Eichel ist wegen der dramatisch

zurückgegangenen Steuereinnahmen und der unabwend-
baren Einstellung von Mehrausgaben für die Arbeits-
marktpolitik schon heilfroh, dass er die Eckdaten seiner
Regierungsvorlage vom Juni dieses Jahres halbwegs über
die Haushaltsberatungen bringen konnte. Auf Kante
genäht sei der Haushalt und enthalte keinen Spiel-
raum – das ist der Originalton des Finanzministers.

Dazu ist noch zu sagen, dass die Punktlandung bei der
Neuverschuldung in Höhe von 21,1 Milliarden Euro nur
dadurch möglich geworden ist, dass in diesen Haushalt
– sprichwörtlich fünf vor zwölf – massive Privatisie-
rungserlöse eingestellt wurden. Wäre das nicht passiert,
läge die Neuverschuldung im nächsten Jahr bereits über
dem Ansatz von 2001. Finanzminister Eichel wäre es da-
durch aber in der Öffentlichkeit sehr schwer gefallen, sei-
nen Kurs der Haushaltskonsolidierung weiterhin glaub-
haft zu machen.

Während der Bund dank umfangreicher Privatisie-
rungserlöse Möglichkeiten hat, die Aufnahme neuer
Schulden zu begrenzen, verfügen Länder und Kommunen
über derartige Chancen in aller Regel nicht mehr. Die
Länder und Kommunen werden in diesem Jahr neue
Schulden in einem Umfang von 88 Milliarden DM auf-
nehmen. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch
65,3 Milliarden DM. Die Haushaltskonsolidierung des
Bundes ist offensichtlich nicht mit Blick auf die Länder
und Kommunen vollzogen worden.


(Beifall bei der PDS)


Länder und Kommunen leiden teilweise spürbar unter der
Haushaltskonsolidierungspolitik der Bundesregierung.


(Beifall bei der PDS)

Das aber ist keine wahre Konsolidierung der öffentlichen
Haushalte. Minister Eichel, Sie wissen genau, dass Sie
damit aber immer mehr an die von der Europäischen
Union vorgegebene Obergrenze für die Nettoverschul-
dung herankommen.

Die Kommunen könnten vor allem von einer Reform
der Kommunalfinanzierung profitieren. Die Koalition
hatte das 1998 versprochen. Das Gegenteil aber ist einge-
treten. Der Grundsatz „Der Bund bestellt und die
Kommunen zahlen“ wird auch unter Finanzminister
Eichel praktiziert. Wir hatten erwartet, dass das
„Theo-Waigel-Credo“ endlich zu Grabe getragen ist.


(Beifall bei der PDS – Lothar Mark [SPD]: So ist es!)


Leere Kassen der Kommunen jedoch bedeuten weni-
ger Zuschüsse für Behindertenverbände und soziale Ver-
eine. Ferner bedeuten sie Schließung von Jugend- und
Freizeiteinrichtungen und weniger Geld für den Breiten-
sport. All das sind Fragen, die die Menschen bewegen.
Auch das muss der Finanzminister im Blick haben. Er
darf die Konsolidierung nicht auf die Bundesebene be-
grenzen.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Hat er fest im Blick!)


In diesem Zusammenhang bekräftigt die PDS-Fraktion
ihre Forderung, dass vor allem den finanziell arg gebeu-
telten Kommunen in Ostdeutschland und in verschiede-
nen Regionen in Westdeutschland schnelle Hilfe zuteil
werden muss.


(Beifall bei der PDS)

Die Verankerung einer Investitionspauschale des Bun-
des, wie wir sie vom Grundsatz her schon in zwei Jahren
hatten, ist dringend geboten, um mehr Beschäftigung zu
erreichen und die Selbstverwaltung der Kommunen zu er-
möglichen.


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Dem Bund geht es am schlechtesten, lieber Kollege Rössel!)


Im Hinblick auf Beschäftigungsförderung und Be-
schäftigungssicherung erwarten wir von der Bundesregie-
rung eine wirkliche Umkehr. Mittel für innovative Maß-
nahmen müssen in den Haushalt eingestellt werden. Dazu
gehört auch der Einstieg in den öffentlich geförderten Be-
schäftigungssektor. Meine Fraktion hat dazu schon vor
längerer Zeit konkrete Vorschläge auf den Tisch des Ho-
hen Hauses gelegt.


(Beifall bei der PDS – Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie schon einmal in den Sand gesetzt!)


2 000 zusätzliche Arbeitsvermittler, die die Bundesre-
gierung einstellen will, nützen wenig, wenn es keine ent-
sprechenden Arbeitsplatzangebote der Unternehmen gibt.
Zudem ist völlig unklar – meine Kollegin Luft hat es ges-
tern dargelegt –, wie diese zusätzlichen Vermittler bezahlt




Dr. Uwe-Jens Rössel

20379


(C)



(D)



(A)



(B)


werden sollen. Offenbar geht deren Finanzierung wieder
zulasten arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Das aber
wäre kontraproduktiv.


(Beifall bei der PDS)

Auch dazu muss der Finanzminister etwas sagen.

Mit der Vergabe von Mitteln ist die Bundesregierung
ausgesprochen knauserig, wenn es darum geht, diejenigen
Soldaten und Zivilbeschäftigten der Bundeswehr und der
Nationalen Volksarmee zu entschädigen, die aufgrund ih-
rer Tätigkeit als Radartechniker gesundheitlich schwer
geschädigt sind. Mit den Stimmen der Regierungskoali-
tion und der CDU/CSU – Letzteres sage ich ganz aus-
drücklich – wurde am Mittwoch ein entsprechender An-
trag der PDS-Fraktion in namentlicher Abstimmung
abgelehnt. Wir forderten darin die rasche Auszahlung er-
forderlicher Fürsorgeleistungen sowie Schadensersatz
und Schmerzensgeldzahlungen.


(Beifall bei der PDS)

Allein der Verzicht auf einen einzigen Eurofighter hätte
ausgereicht, um die Entschädigungsleistungen schon im
Haushalt 2002 zu finanzieren.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420601400
Kollege Rössel, Sie
müssen zum Schluss kommen.


Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS):
Rede ID: ID1420601500
Ich komme zum
Schluss, Herr Präsident.

In den viertägigen Haushaltsberatungen lagen insge-
samt 31 Änderungs- und Entschließungsanträge meiner
Fraktion für die Abstimmung vor. Sie umfassen sowohl
Verbesserungen auf der Einnahmeseite als auch Ein-
sparungen. Zum Vergleich: Die FDP stellte 24 entspre-
chende Anträge, die CDU/CSU 18.

Die PDS-Fraktion – das ist mein letzter Satz – wird den
Entwurf des Bundeshaushaltes ablehnen.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Was? Unglaublich!)


Er gibt überwiegend unzureichende Antworten, Kollege
Wagner, auf die Zukunftsfragen, die den Menschen in der
Bundesrepublik Deutschland unter den Nägeln brennen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420601600
Ich erteile dem Bun-
desminister Hans Eichel das Wort.


(von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt)

und Herren! Dies ist


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihre letzte Rede!)


die letzte Haushaltsdebatte in dieser Wahlperiode.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind nun am Ende der Haushaltsberatungen ange-
langt, sodass wir Bilanz ziehen können.

Da Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
die Regierung kritisieren,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Mit Recht!)

was Ihr gutes Recht ist, werden Sie es sich gefallen lassen
müssen, dass wir auch Bilanz ziehen und zwischen Ihrer
Regierungstätigkeit – das ist ja noch nicht so lange her –
und dem, was wir in vier Jahren erreicht haben, verglei-
chen. Dabei sind auch Ihre Vorschläge zu berücksichti-
gen, was man in diesem Land anders machen sollte.

Ich möchte heute zunächst Bilanz ziehen und zwischen
dem letzten Haushalt der vorigen Wahlperiode, nach dem
Sie die Regierungsverantwortung abgeben mussten, weil
die Bevölkerung Sie nicht wieder gewählt hat,


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Damit haben Sie ja Erfahrung!)


und dem letzten Haushalt dieser Wahlperiode, den wir
heute verabschieden, vergleichen. Wie sieht das Ergebnis
aus?

Erstens. Sie haben in der letzten Wahlperiode drei
Jahre lang verfassungswidrige Haushalte vollzogen und
deren Verfassungswidrigkeit durch riesige Privatisie-
rungserlöse überdeckt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist doch unwahr! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was machen Sie denn?)


Wir haben in der Zeit zwischen dem Haushalt 1998 und
dem Haushalt 2002 einen Konsolidierungsfortschritt in
Höhe von 30 Milliarden DM erreicht. Das ist das Mar-
kenzeichen dieser Wahlperiode.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweitens. In diesem Haushalt betragen die Steuermin-
dereinnahmen durch die Steuerreform über 25 Milliar-
den Euro.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wachstumseinbruch!)


Ich ziehe Bilanz: Am Anfang dieser Wahlperiode lag
das Kindergeld – das haben wir von Ihnen übernommen –
bei 220 DM; nach den Beschlüssen, die bereits gefasst
sind, wird es jetzt 300 DM betragen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für eine vierköpfige Familie bedeutet das netto 1 920 DM
mehr im Jahr an Kindergeld. Für eine Verkäuferin als
Ernährerin der Familie kommt dies einem 13. Monatsge-
halt gleich. Damit haben wir die verfassungswidrig hohe
Besteuerung der Familien, die Sie zu verantworten hatten,
beendet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das ist doch unwahr! Und das wissen Sie!)





Dr. Uwe-Jens Rössel
20380


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben von Ihnen ein steuerfreies Existenzmini-
mum in Höhe von 13 200 DM übernommen. Bereits jetzt
beträgt es 14 100 DM. Im Zuge der Steuerreform werden
wir es noch bis auf 15 000 DM anheben. Damit ist die
Besteuerung der Niedrigverdiener bei uns im Vergleich
zu den anderen Ländern der Europäischen Union am
günstigsten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Sie sind die Wachstumsbremse! Sie sind ein unglaublicher Schönredner!)


Wir haben von Ihnen einen Eingangssteuersatz in Höhe
von 25,9 Prozent übernommen. Sie haben Sie es in den
16 Jahren Ihrer Regierungstätigkeit nicht geschafft, hier
etwas Nennenswertes zu bewegen. Jetzt liegt er bereits bei
19,9 Prozent.

Das alles heißt: Wir haben eine massive Entlastung der
Bezieher niedriger Einkommen vorgenommen.

Ich komme nun zum Mittelstand. Ihre Lügen

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Na, na, Herr Minister!)

werden spätestens bei den Steuererklärungen, die jetzt an-
stehen, sichtbar, weil dann jedem Betriebsinhaber klar
wird: Wir haben die Gewerbesteuer, über die die Einzel-
händler und die Handwerksmeister seit 50 Jahren geklagt
haben, als Kostenfaktor beseitigt. Sie haben das, während
Sie die Bundesrepublik Deutschland regierten, nie ge-
schafft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie vom Mittelstand reden und ihn mit den Kapi-
talgesellschaften vergleichen, haben Sie ganz offenkun-
dig nur noch die ganz großen Einzelunternehmer im
Blick,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Der Kanzler!)

die als Verheiratete mehr als 480 000 DM verdienen, denn
nur diese ganz kleine Gruppe muss eventuell mehr Steu-
ern bezahlen als die Körperschaften.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Die stellt aber die Hälfte der Arbeitsplätze! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die beschäftigen 50Prozent der Arbeitnehmer!)


Das gilt auch nur für den einbehaltenen Gewinn, denn
beim ausgeschütteten Gewinn sind Körperschaften immer
schlechter gestellt als die Personengesellschaften.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie müssen bei den Arbeitnehmern anfangen!)


Ihre ganze Propaganda bricht zusammen, wenn man die
Steuererklärungen zugrunde legt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das glaube ich nicht! – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Der Mittelstand ist begeistert!)


Wir haben die Ausgaben für die Forschung wieder
hochgefahren, die Sie in den gesamten 90er-Jahren zu-
rückgefahren haben. Eine Schande ist die Tatsache, dass
am Ende Ihrer Regierungszeit 300 000 Studentinnen und
Studenten weniger BAföG bekommen konnten. Hier ha-
ben Sie Investitionen in die Zukunft unterlassen. Wer
nicht in die Köpfe der jungen Menschen investiert, ver-
sündigt sich an der Zukunft unseres Landes.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dagegen haben wir unsere Konsolidierungspolitik ge-
stellt: Wir haben eine BAföG-Reform durchgeführt, die
Schritt für Schritt dazu führt – es kann nicht in ein oder
zwei Jahren alles ausgebügelt werden, was Sie in 16 Jah-
ren versäumt haben –, dass die jungen Leute wieder un-
abhängig vom Geldbeutel der Eltern studieren können.
Das sind wir den jungen Leuten und der Zukunft unseres
Landes schuldig.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: In die eine Tasche gegeben, aus der anderen genommen!)


Die Bildung ist nämlich der wichtigste Produktionsfaktor,
den wir haben. Darin, was in den Köpfen unserer jungen
Leute ist, liegt unsere Zukunft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben Investitionen in die Zukunft unterlassen.
Jetzt spreche ich über die Beschäftigung: Ja, wir

wären gerne weiter vorangekommen. Wer wäre das
nicht? Die Bilanz ist aber, dass es jetzt 1 Million Be-
schäftigte mehr als am Ende Ihrer Regierungszeit gibt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Durch Tricks und Täuschen!)


Damit haben wir das aufgeholt, was Sie in den 90er-Jah-
ren versäumt hatten, und noch mehr erreicht. Wenn wir
auch nicht das erreicht haben, was wir wollten, so werden
wir dennoch, wenn die Konjunkturkrise im kommenden
Februar ihren Höhepunkt erreicht hat,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Auf dem Arbeitsmarkt ist wohl alles in Ordnung, nicht?)


500 000 bis 600 000 Arbeitslose weniger haben, als Sie
uns 1998 hinterlassen haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN– Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaubliche Schönrederei!)


Es wird, wie Professor Zimmermann gestern Abend zu
Recht gesagt hat, das erste Mal nach dem Krieg sein, dass
es in Deutschland nach einer Konjunkturkrise keine höhere
Arbeitslosigkeit gibt, sondern eine deutlich niedrigere.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Mal ganz langsam mit Ihren Prognosen!)


Das zeigt, dass wir mit unserer Politik auf dem richtigen
Wege sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN– Steffen Bundesminister Hans Eichel 20381 Kampeter [CDU/CSU]: Nehmen Sie den Mund nicht so voll!)





(C)


(D)


(A)


(B)


Wir haben außerdem – wir werden das ja gleich noch
diskutieren – langfristig die Grundlagen für den weiteren
Aufbau Ost gelegt, damit in Deutschland in einer Genera-
tion zusammenwachsen kann, was in der Tat zusammen-
gehört.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Etat ist so auf Sand gebaut wie Ihre Rede heute!)


– Sie sind ja schon wieder so unruhig. Das muss Ihnen ja
irgendwie Probleme machen; das ist jedenfalls mein Ein-
druck.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das müssen gerade Sie sagen! – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Sie sind der Zappelhans!)


Mit anderen Worten: Ihre Bilanz nach vier Jahren war
jämmerlich und Sie sind zu Recht abgewählt worden; un-
sere Bilanz ist gegenüber dem, was Sie uns hinterlassen
haben, ein riesiger Fortschritt. Dieser Vergleich muss ein-
fach einmal angestellt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist gar keine Frage, dass wir heute in einer schwie-
rigen ökonomischen Situation sind.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Dank eurer Politik!)

– Dank unserer Politik? Das müsste dann ja für die ganze
Welt gelten: Wir sind also auch an den Rezessionen in Ja-
pan und den Vereinigten Staaten schuld. Das übernehmen
wir dann gleich noch alles mit, das macht dann ja auch gar
keinen Unterschied mehr.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Reden Sie doch einmal vom Inland, von der Binnenkonjunktur, dem Arbeitsmarkt, den Sozialversicherungssystemen!)


Nein, die wichtigste Frage in dieser Situation ist doch, wie
Ihre Vorschläge aussehen und was wir machen wollen.
Die Ausführungen, die Frau Merkel in dieser Woche dazu
gemacht hat, waren übrigens jämmerlich.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie haben nur die Opposition beschimpft, Herr Eichel!)


Ihr Vorschlagsreigen begann im August mit der For-
derung nach einem großen Zehn-Punkte-Sofortpro-
gramm. Da wurde zum Beispiel gefordert, die gesamte
Steuerreform von 2003 und 2005 auf 2002 vorzuziehen.
Das hätte mal so eben läppische 60 Milliarden DM ge-
kostet, die man oben draufpacken müsste. An Maas-
tricht denkt in diesem Zusammenhang ja keiner. Allein
der Rückzieher in diesem Punkte war ja bemerkens-
wert:


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)


Etwas später sollte nicht mehr die Steuerreform 2005,
sondern nur noch die Steuerreform 2003 vorgezogen wer-
den. Dann hat der Herr Stoiber vor versammelter Öffent-

lichkeit am Sonntagabend zum großen Entsetzen der Frau
Merkel auch das noch vom Felde gezogen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie wissen, dass das falsch ist, was Sie da sagen, Herr Eichel!)


Als dann Frau Merkel am Mittwoch hier gegen den Bun-
deskanzler antreten sollte, ist das Wort vom Vorziehen der
Steuerreform überhaupt nicht mehr vorgekommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Kernstück Ihrer Alternativen – weg, einfach weg!

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Unfug!)


Dafür wird es allerdings auf dem Bundesparteitag in
Dresden wieder ausgepackt. Da wird dann mal eben eine
Steuerreform beschlossen, die zur glatten Halbierung der
Einkommen- und Körperschaftsteuer führt.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bei der Körperschaftsteuer können Sie nichts mehr halbieren! Die ist sowieso weg!)


Wer soll denn so etwas überhaupt noch ernst nehmen?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Arbeit, um dieses Land voranzubringen, verlangt mehr.

Sie verlangt vor allem Solidität und Seriosität. Wer solche
Vorschläge nicht macht, kann nicht ernst genommen
werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das ist eine Wahlkampfrede und keine Haushaltsrede, die Sie vortragen!)


Damit bin ich beim Haushalt 2002.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Na endlich!)


– Ich habe die Bilanz eben schon einmal gebracht.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben keine Perspektiven!)

Es gefällt Ihnen nicht, wenn ich über Ihre Zeit rede. Das
kann ich verstehen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das reicht als Entschuldigung nicht mehr, Herr Eichel!)


Wenn ich ein solches Erbe hinterlassen hätte, würde ich
auch nicht gerne haben, wenn andere darüber reden. Das
ist wahr.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Eine schwache Vorstellung, Herr Minister!)


Übrigens, Herr Brüderle ist auch wieder nicht da. Das
ist eine spannende Veranstaltung: Die Finanzämter neh-
men nicht Gelder ein, um Staatsaufgaben zu finanzieren;
die Finanzämter verteilen Schecks. – Meine Damen und
Herren, so etwas können Sie wirklich nur als Weihnachts-
mann irgendjemandem erzählen, aber nicht in einer seriö-
sen Finanzdebatte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesminister Hans Eichel
20382


(C)



(D)



(A)



(B)


Der Haushalt 2002 ist in der Tat viel schwieriger als
2001. 2001 haben wir es trotz 2 Prozent weniger Wirt-
schaftswachstum, als bei der Aufstellung des Haushalts
unterstellt – –


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Tricksen! Umverteilen!)


– Wir werden noch den Abschluss sehen. Dann haben Sie
wieder Pech gehabt.

Herr Austermann, bis Februar sagten Sie, ich müsse
Nachtragshaushalte aufstellen, weil ich das Geld ver-
steckt hätte; ich müsse es endlich einmal offen legen.
Nach dem Februar war es umgekehrt: Ich müsse einen
Nachtragshaushalt machen, weil ich riesige Löcher habe;
ich müsse hierher kommen und mir neue Kreditermäch-
tigungen holen. – Mit all dem haben Sie Pech gehabt,
Herr Austermann. Das eine hat nicht gestimmt und das
andere hat nicht gestimmt.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Bei denen stimmt nie was!)


Wir werden trotz 2 Prozent weniger Wachstum den Haus-
halt 2001 ziemlich dort abschließen, wo wir ihn vorge-
schlagen haben. Das ist eine gewaltige Leistung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: „Ziemlich“? Was heißt „ziemlich“?)


Wahr ist:

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dass Sie am Ende sind!)

Bei dieser Wirtschaftsentwicklung, die keiner vorausge-
sehen hat, ist der Haushalt 2002 mit dem Einhalten der
weiteren Absenkung der Nettoneuverschuldung in der
Tat auf Kante genäht. Es hat überhaupt keinen Zweck
– der Finanzminister tut das am allerwenigsten –, um
diesen Sachverhalt auch nur einen Moment herumzure-
den. Deswegen habe ich – das „Handelsblatt“ hat völlig
Recht – auch Alternativszenarien durchrechnen lassen:
Was bedeutet es, wenn, wie Sie behaupten, das Wirt-
schaftswachstum noch etwas niedriger ausfällt?


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Steuererhöhungen!)


Übrigens kommen in den letzten Tagen wieder ganz an-
dere, positivere Nachrichten herein. Die neuesten Nach-
richten waren die der OECD und des Instituts der deut-
schen Wirtschaft. Die kommen zu anderen Ergebnissen.
Die gehen nämlich wieder hoch: von 0,7 auf 1 Prozent.

Das werden wir am Jahresende sehen. Wir haben alle
Hände voll zu tun, diesen Kurs der Konsolidierung zu hal-
ten. Aber mit Ihren Vorschlägen, meine Damen und Her-
ren, ist überhaupt kein Staat zu machen, sondern das ge-
naue Gegenteil.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Sagen Sie mal was zum Haushalt!)


Wir halten den Kurs.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr souverän wirken Sie heute nicht, Herr Bundesminister!)


Wir haben trotzdem – das ist nun das Entscheidende – in
diesem Haushalt eine Fülle von Maßnahmen, die helfen,
das Wachstum zu stimulieren, und zwar nicht, weil wir
glaubten, wir könnten die Konjunktur steuern, sondern
weil wir den Haushalt systematisch auf Zukunftsfähigkeit
hin umbauen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nur Wortblasen!)


Erstens. 19 Milliarden DM an Steuerentlastungen aus
der ersten Stufe der Steuerreform plus Kindergeld plus
weitere Entlastungen im Zusammenhang mit dem Nicht-
einsetzen der neuen AfA-Tabellen: Das sind fast 0,5 Pro-
zent des Bruttoinlandsprodukts. Mehr macht kein anderes
Land in der Europäischen Union, um an dieser Stelle für
Wachstum zu sorgen.

Zweitens. Die Zusatzinvestitionen aufgrund der
Zinsersparnisse, die wir durch den Schuldenabbau wegen
der UMTS-Versteigerungserlöse haben, greifen jetzt rich-
tig.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Es eilt aber auf dem Arbeitsmarkt!)


Übrigens hat Herr Mehdorn mich angerufen und gesagt,
es tue ihm sehr Leid, was Herr Austermann da gesagt
habe; es gebe überhaupt kein Problem zwischen der Bahn
und der Bundesregierung, das Geld werde auch komplett
ausgegeben. – Das will ich noch einmal sagen, damit Sie
nicht mit Ihrer Brunnenvergiftung davonkommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben im Haushalt das neue Programm „Stadtum-
bau Ost“. Wir haben – das ist langfristig sichere Politik –
in diesem Jahr – wir werden darüber anschließend disku-
tieren und auch entscheiden – mit dem Solidarpakt II die
Grundlagen für einen langfristigen Aufbau im Osten ge-
legt. Etwas Wichtigeres kann es in dieser Periode über-
haupt nicht geben. Die gesamte Konsolidierungspolitik
hatte den Sinn, die Leistungsfähigkeit unseres Staates
auch in Zukunft zu gewährleisten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist natürlich nicht das Ende der Reform. Wir haben
einen Konsolidierungskurs eingeleitet und Jahr für Jahr
konsequent durchgehalten. Sie sollten sich daran gewöh-
nen, dass das eine Dauerveranstaltung ist und dass dieser
Kurs nicht nur für zwei Jahre gedacht war.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nein, nächstes Jahr ist Schluss!)


Wir haben eine Steuerreform, die sich über zwei Wahl-
perioden erstreckt, verabschiedet. Die wird auch eisern
durchgehalten.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Bis zum Sankt Nimmerleinstag!)


Wir haben eine Rentenreform durchgesetzt, die sich die
anderen großen Staaten auf dem europäischen Kontinent,




Bundesminister Hans Eichel

20383


(C)



(D)



(A)



(B)


wie die Europäische Kommission sagt, zum Vorbild neh-
men sollten. Denn sie haben die Bewältigung dieser Auf-
gabe noch vor sich.

Weitere Aufgaben liegen vor uns. Das Job-Aqtiv-Ge-
setz beinhaltet eine große Vermittlungsinitiative.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo ist der Arbeitsminister? Warum ist er heute Morgen schon wieder nicht hier? – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Kanzler blickt müde drein und der Arbeitsminister ist nicht da!)


Offiziell sind immerhin mehr als 400 000 Arbeitsplätze
frei. Da kann man einen Teil tun.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Arbeitsminister ist aber nicht in seinem Job aktiv!)


Herr Riester hat darauf hingewiesen, dass die Wirtschaft
sagt, es gebe 1,5 Millionen freie Arbeitsplätze. Dazu kann
ich nur sagen: Die Wirtschaft soll sie melden. Wir tun al-
les dafür, dass die freien Arbeitsplätze und die Menschen,
die keinen Job haben, zusammenkommen. Das ist der
Sinn des Job-Aqtiv-Gesetzes.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Gesundheitsreform wird der nächste Schritt sein.
Bei allem Ärger, den es an dieser Stelle gibt: Wir sind die
erste Regierung, in deren Wahlperiode die Lohnneben-
kosten sinken.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Bitte? – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo leben Sie denn? – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das gibt es doch nicht!)


Als wir die Regierung übernommen haben, lagen die
Lohnnebenkosten bei 42,1 Prozent und der Rentenversi-
cherungsbeitrag bei 20,3 Prozent. Herr Merz, Sie kennen
sich in der Wirklichkeit dieses Landes überhaupt nicht
mehr aus!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Was steht in Ihrer Koalitionsvereinbarung? 40 Prozent!)


Wir werden die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe
zusammenführen. Wir sind die Gemeindefinanzreform
angegangen und haben zu einer Verstetigung der Finanzen
beigetragen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch keine Märchenstunde!)


Schauen Sie sich doch einmal die Finanzentwicklung an:
Die Gewerbesteuer ist von 1995 bis 2000 auf mehr als
40 Prozent gestiegen. Dann ist sie auf einem – allerdings
hohen – Niveau eingebrochen, während alle anderen Ge-
bietskörperschaften in diesem Zeitraum bei den Einnah-
men einen Zuwachs von 12 Prozent zu verzeichnen hat-
ten. Sie sollten einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen.
Das sage ich vor allem den Damen und Herren von der
verehrten PDS.


(Zurufe von der PDS: Oh! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das sind doch Ihre Koalitionspartner!)


Diese Arbeit werden wir fortsetzen. Daran werden Sie
von der Opposition uns nicht hindern. Natürlich haben
wir Schwierigkeiten. Aber Sie malen alles schwarz in
schwarz. Die „Zeit“ hat Recht: Kassandra muss nicht
Recht haben. – Sie werden übrigens noch erleben: Nicht
Kassandra wird gewählt, sondern nur der, der eine Zu-
kunftsperspektive bietet. Das sollten Sie sich einmal mer-
ken!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir reden um nichts herum. Es ist ein fundamentaler
Fehler, die positiven Signale, die es gibt, zu verschwei-
gen. Das werden Ihnen die Menschen nicht abnehmen.
Denn die Wirtschaftspolitik ist zur Hälfte Psychologie.


(Lachen bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig! – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo ist der Wirtschaftsminister?)


Zu dieser Psychologie gehört, dass man das Positive,
das es gibt, nicht unterschlägt:

Erstens. Der Ölpreis – das ist der große Unterschied im
Vergleich zur Situation vor einem Jahr – ist ein eigenes
Konjunkturprogramm, eine gewaltige Entlastung der Pri-
vathaushalte und der Wirtschaft in Deutschland.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie sind die personifizierte Konjunkturvernichtung!)


Zweitens. Die Inflationsrate ist so niedrig wie schon
lange nicht mehr. Der Verbraucherpreisindex liegt bereits
bei 1,4 Prozent. Die Europäische Zentralbank hat, weil
wir konsequent Kurs halten, die Zinsen gesenkt. Deswe-
gen sind die Finanzierungskosten historisch niedrig. Der
Haushalt 2002 gibt eine Menge Anstöße für das nächste
Jahr.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Anstößig ist Ihre Politik! – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Anstößiger Haushalt!)


Die Menschen – dabei ist es nicht die Frage, ob ich das
gesagt habe oder nicht – nehmen diese Entwicklung wahr.
Im Oktober dieses Jahres gab es in der Automobilindus-
trie ein Absatzplus von 9,6 Prozent, einen richtigen Zulas-
sungsboom. Freuen Sie sich doch wenigstens darüber!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das heißt, die Menschen haben ein Stück mehr Vertrauen
in die Zukunft.

Zum Schluss sage ich Ihnen: Wenn das alles, was Sie
hier erzählt haben, wahr wäre, wie kommt es dann ei-
gentlich zu folgenden Umfrageergebnissen?


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt hat er wieder in seinem Zettelkasten gekramt!)


Diese Woche wurde den Menschen die einfache Frage ge-
stellt: Wem traut ihr zu, dass er mit den Problemen dieses
Landes am besten fertig wird? – Antwort: Für die SPD ha-
ben sich 33 Prozent entschieden.


(Zurufe von der CDU/CSU: Mehr nicht?)





Bundesminister Hans Eichel
20384


(C)



(D)



(A)



(B)


– Vorsicht, nicht lachen! Gleich können Sie lachen. – Für
die CDU/CSU haben sich 13 Prozent entschieden.


(Beifall bei der SPD)

Daran erkennen Sie: Sie leben in einer Scheinwelt, was
sowohl die Wirklichkeit in diesem Land als auch was die
Wahrnehmung Ihrer Kompetenzen angeht. Nur ganze
13 Prozent der Menschen dieses Landes trauen Ihnen zu,
mit den Problemen dieses Landes in der Zukunft erfolg-
reich fertig zu werden. Das holen Sie auch bis zum Sep-
tember des nächsten Jahres nicht mehr auf. Seien Sie da
gewiss.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420601700
Das Wort zu einer
Kurzintervention hat der Kollege Friedrich Merz.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Hans Georg Wagner [SPD]: Jetzt kommt die geballte Kompetenz!)



Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1420601800
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz – [der
Bundeskanzler verlässt auch gerade den Saal] – zwei
Punkte ansprechen.

Erstens. Ich finde, es ist eine Zumutung für dieses Par-
lament, dass die zweite und dritte Lesung des Bundes-
haushaltes für das kommende Jahr in dieser Besetzung der
Regierungsbank stattfindet. Noch nicht einmal der Bun-
desarbeitsminister und der Bundeswirtschaftsminister
scheinen es für nötig zu halten, an dieser Debatte teilzu-
nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich empfinde es als eine Zumutung für den Deutschen
Bundestag, wie die Regierungsbank bei der zweiten und
dritten Lesung für den Bundeshaushalt des nächsten Jah-
res besetzt ist.

Zweitens. Herr Bundesfinanzminister, nur damit
keine Legenden darüber entstehen, was wir zur Steuer-
politik in den letzten Wochen gesagt haben und was die
übereinstimmende Auffassung der Parteivorsitzenden
der CDU, der Kollegin Angela Merkel, des Parteivorsit-
zenden der CSU, des Ministerpräsidenten des Freistaa-
tes Bayern, und auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
zum Thema „Vorziehen einer Stufe der Steuerreform“
ist:


(Hans Georg Wagner [SPD]: Auf Pump geht alles!)


Es ist und bleibt unsere Auffassung, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der SPD, dass es in der gegenwärtigen
Lage der öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder
und der Gemeinden außerordentlich schwierig ist, mit ei-
ner vorgezogenen Steuerreform einen größeren Schritt bei
der Entlastung der Bürger und der Unternehmen in diesem
Land zu tun.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das sagen Sie jetzt erst?)


Das ist eine schwierige Lage.

(Zurufe von der SPD: Ah!)


Aber wir sind übereinstimmend mit vier der fünf For-
schungsinstitute der Auffassung: Es wäre richtig, wenigs-
tens die Stufe des Jahres 2003 auf das Jahr 2002 so vor-
zuziehen,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Richtig!)

dass der Mittelstand in diesem Lande entlastet wird, und
so vorzuziehen, dass die Wirtschaft ein Signal bekommt,
dass wir es ernst meinen mit ihrer Entlastung und dass wir
es ernst meinen mit Wachstum und Beschäftigung.

Herr Eichel, damit Sie hier nicht weiter an Legenden
stricken: Das ist die Auffassung der Union, der Vorsitzen-
den beider Parteien und auch der CDU/CSU-Bundestags-
fraktion.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420601900
Herr Minister Eichel,
Sie haben Gelegenheit zur Erwiderung.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420602000
Herr Prä-
sident! Meine Damen und Herren! Ich will nur auf einen
Punkt hinweisen: Herr Kollege Merz, es hat doch so viele
Gelegenheiten gegeben, diese Vorstellungen – sie sind
offenbar,wie Sie sagen, Ihre gemeinsamenVorstellungen –


(Joachim Poß [SPD]: Das hätte Frau Merkel am Mittwoch sagen können!)


in allen möglichen Gremien nicht nur zu debattieren, son-
dern dazu auch Anträge zu stellen.

Der Finanzplanungsrat, in dem auch alle Landesregie-
rungen vertreten sind, ist vor kurzem zusammengekom-
men. Von den acht Finanzministern, die die CDU und die
CSU stellen, waren fünf anwesend. Nicht einer hat auch
nur einen einzigen Mucks zu diesem Thema gesagt. Wir
haben ein Papier verabschiedet, das vorher von allen Lan-
desregierungen gebilligt wurde und in dem klipp und klar
die konsequente Fortsetzung des Konsolidierungskurses
festgestellt worden ist.

So viel zur Ernsthaftigkeit Ihrer steuerpolitischen Vor-
stellungen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420602100
Als letzter Redner in
der Haushaltsdebatte erteile ich dem Kollegen Dietrich
Austermann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1420602200
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginn
der Debatte den Mitgliedern des Haushaltsausschusses
und den Mitarbeitern des Sekretariats herzlich danken für
die Arbeit, die sie geleistet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Bundesminister Hans Eichel

20385


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich möchte in diesen Dank zugleich auch unseren Kolle-
gen Adolf Roth mit einschließen, der krank ist, aber sonst
an dieser Stelle geredet hätte.

Ich habe zunächst gedacht, es sei schwierig, in dieser
Phase der Debatte zu reden, nachdem der Finanzminister
groß eingestiegen ist. Aber nachdem ich gehört habe, was
Sie gesagt haben, Herr Eichel, denke ich, dass es doch
ziemlich einfach ist.

Es gibt kein neuesArgument, das Sie vorgetragen haben.
Sie haben imWesentlichen die Vergangenheit beschrieben.
Das war die Bilanz von Opa Hans zu dem,
was sich vor ein paar Jahren zugetragen hat. Zu der
gegenwärtigen konkreten Notwendigkeit und zu dem, was
jetzt erforderlich ist, um das Steuer herumzureißen, haben
Sie nichts gesagt.Dazu ist nichts gekommen–Fehlanzeige!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Debatte in dieser Woche hat gezeigt, dass man Ih-
nen eine erhebliche Realitätsferne bescheinigen muss. Es
gibt überhaupt keinen Bezug mehr zu dem, was die Men-
schen in diesem Land denken, was in der Wirtschaft ge-
dacht wird und welche Sorgen die Menschen tatsächlich
umtreiben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will das an einem Beispiel deutlich machen, weil

Sie bei einem Punkt noch etwas zu Herrn Mehdorn gesagt
haben: Heute Nachmittag fahre ich mit der Bahn nach
Hause.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Hoffentlich!)

Die Strecke von Berlin nach Hamburg wird repariert; sie
soll renoviert werden. Zu Zeiten der DDR war der Zu-
stand katastrophal. Jeder erinnert sich noch an den „Flie-
genden Hamburger“ aus den 30er-Jahren. Seit langem ist
die Bundesbahn bestrebt, diese Strecke in einen ordentli-
chen Zustand zu bringen.

Der Bahnvorstand schreibt jetzt dazu:
Die Bahn hat mit Hochdruck die Planungsarbeiten
für den Ausbau der Strecke Hamburg–Berlin auf
Tempo 230 vorangetrieben. Auftragsvergabe und
Anzahlung hätten im Juli 2001 erfolgen können. Sie
sind derzeit ausgesetzt, weil der Bund eine zusätzli-
che Planung für Tempo 200

– natürlich langsamer; das ist aber auch klar, da Sie re-
gieren –

zum Kostenvergleich beider Varianten fordert und es
derzeit ablehnt, auch nur eine Unbedenklichkeits-
bescheinigung für die Auftragsvergabe selbst von
denjenigen Streckenabschnitten zu erteilen, bei de-
nen zwischen beiden Varianten keine Kostendiffe-
renzen bestehen. Die DB AG ist daher gehindert, au-
genblicklich auch nur in die Auftragsvergabe und
Vorfinanzierung einzutreten.

Das macht doch wohl deutlich: Herr Finanzminister,
Sie persönlich sind an vielen Hunderttausend Arbeitslo-
sen in Deutschland schuld.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sie sind verantwortlich dafür, dass das Finanzministerium
die Auszahlung von Investitionsmitteln verweigert. Diese
Investitionen sind seit langer Zeit geplant und können
jetzt nicht durchgeführt werden. Und warum ist das so?
Weil Sie durch eingesparte Investitionen das Ziel der oh-
nehin hohen Nettoneuverschuldung von 43,5 Milliarden
DM noch einigermaßen erreichen wollen. Das ist der ein-
zige Grund.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans Georg Wagner [SPD]: So ein Quatsch!)


Sie haben davon gesprochen – ich arbeite es der Reihe
nach ab –, dass Sie mit der Konsolidierung jetzt anfangen
werden. Ist das Konsolidierung, wenn man in vier Jahren
183 Milliarden DM neue Schulden macht? Über das Kri-
terium der Gesamtverschuldung des Staates haben Sie
mit Ihren Kollegen im Finanzplanungsrat doch wohl auch
gesprochen; diese haben Ihnen offensichtlich gesagt, dass
Sie in diesem Jahr höhere Schulden machen müssen und
im nächsten Jahr noch höhere. Ist das Konsolidierung,
wenn sich die gesamtstaatliche Verschuldung von 1998
bis heute von 1,7 auf 2,7 Prozent verändert hat? Nein, Sie
haben lediglich Lasten aus dem Bundeshaushalt in die
Sozialkassen sowie in die Länder und Gemeinden ver-
schoben.

Sie haben dann die Mär von einer anderen Familien-
politik, die Sie jetzt machen wollten, erzählt. Dazu muss
ich zunächst feststellen: Als wir angefangen haben, gab es
keine Kinderfreibeträge mehr, weil die Sozialdemokraten
sie nicht wollten. Das Kindergeld war sehr niedrig. Viel-
leicht denken Sie noch einmal darüber nach, wie die Si-
tuation tatsächlich ausgesehen hat. Wir haben die Leis-
tungen für die Familien dann kräftig erhöht und
ausgeweitet.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Wovon reden Sie überhaupt?)


Sie sprechen jetzt immer von der Verkäuferin, die
durch die Steuerreform ein 13. Monatsgehalt zusätzlich
erhalte. Wenn ich am Bahnhof Itzehoe ankomme und in
die dortige Buchhandlung gehe, spricht mich die Verkäu-
ferin an und sagt, dass es ihr finanziell heute schlechter
geht. Sie sagt, sie habe Sorge, ob sie in diesem Jahr über-
haupt Weihnachtsgeld erhalte. Trotzdem stellen Sie sich
hier realitätsfern hin und sagen, dass die Leute mehr in der
Tasche haben. Das ist doch eindeutig falsch. Den Leuten
geht es heute schlechter als vor drei Jahren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP– Hans Georg Wagner [SPD]: Da freuen Sie sich!)


Ich komme zum Thema Lohnnebenkosten, das ja
für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung durchaus
wichtig ist. Rechnen wir einmal alle Sozialabgaben zu-
sammen – das ist relativ leicht überschaubar –: Der Pfle-
geversicherungsbeitrag beläuft sich auf 1,7 Prozent-
punkte; das galt 1998 wie heute. Der Beitrag zur
Arbeitslosenversicherung liegt derzeit bei 6,5 Prozent-
punkten. Vor etwa einem Jahr haben Sie davon geredet,
dass man diesen absenken könne; daraus ist nichts ge-
worden. Der Krankenversicherungsbeitrag betrug 1998
durchschnittlich 13,5 Prozentpunkte, jetzt liegt er bei




Dietrich Austermann
20386


(C)



(D)



(A)



(B)


14 Prozentpunkten. Der Beitrag zur Rentenversicherung
lag bei uns bei 20,2 Prozentpunkten, jetzt liegt er bei 19,1
Prozentpunkten. Wenn man den Griff in die Rentenkassen
berücksichtigt, wird er im neuen Jahr bei 19,4 Prozent-
punkten liegen. Beachten Sie bitte dabei, dass Sie den
Rentenbeitrag nur deshalb auf diesem Niveau halten kön-
nen, weil – das macht zumindest einen Prozentpunkt aus –
die Ökosteuer erhoben wird. Notwendig war darüber hi-
naus die Einführung der privaten Vorsorge am 1. Januar
– das macht einen weiteren Prozentpunkt aus –, damit
man überhaupt das Rentenniveau halten kann, das wir
1998 hatten. Realiter beträgt der Rentenversicherungsbei-
trag also mehr als 22 Prozent. Diese Beträge addiert be-
deuten, dass die Lohnnebenkosten in Deutschland in den
letzten drei Jahren deutlich gestiegen sind. Dies ist mit ein
Grund für die wirtschaftliche Misere in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Fehler haben Sie im Wesentlichen bei drei Punkten ge-
macht: Erstens haben Sie die Steuern – das ging im Zick-
zackkurs – und die Energiekosten drastisch erhöht. Das,
was an Steuerentlastung da war, wird scheibchenweise
durch die Energiekostensteigerung aufgefressen, zum
Beispiel über die Ökosteuer.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Wie hoch wollen Sie die Mehrwertsteuer denn erhöhen?)


Der erste Punkt, der bei Ihnen negativ zu Buche schlägt,
ist also die zu hohe Steuerbelastung.

Zweitens haben Sie die Investitionen gesenkt. Ich
habe dazu schon etwas gesagt. Sie stehen bei den Investi-
tionen seit Jahren auf der Bremse. Sie haben im Haushalt
2002 die niedrigste Investitionsquote, die es je in der
Nachkriegszeit gegeben hat.

Drittens haben Sie den Arbeitsmarkt zwangsreguliert.
Sie haben eine Fülle von neuen Regelungen getroffen, die
den Arbeitsmarkt zusätzlich unter Druck setzen und die
Möglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, erschweren.

Auf die Frage, was man in dieser Situation anders bzw.
besser machen könnte, sagen wir ganz klar: Die Steuern
müssen runter. Das hat auch Friedrich Merz eben ganz
deutlich gesagt. Dazu nenne ich ein Beispiel, bei dem
auch die Frage der Konsolidierung eine Rolle spielt: Von
1998 bis 2002 werden jährlich 50 Milliarden an Steuern
mehr kassiert. Spiegelt das eine Entlastung für Bürger und
Betriebe? Bei richtiger Konsolidierung könnte aus diesen
Steuermehreinnahmen jede Reform finanziert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie haben es nicht gemacht, weil Sie umverteilen wollten.
Wenn ich jetzt unterstelle, wir hätten das Wachstum aus

dem Jahre 1998, als sich alle relevanten Daten positiv ent-
wickelt haben, hätten Sie gar 70 Milliarden DM gehabt,
um eine kräftige Steuerentlastung zu finanzieren. Er-
zählen Sie also nicht, dass das nicht möglich ist. Es wäre
möglich gewesen, wenn Sie es richtig gemacht hätten.

Nun wird gegenwärtig versucht, das eine oder andere
zu verniedlichen. Wir haben gesagt: Wir befinden uns in

einer Rezession und diese Rezession ist hausgemacht. Sie
hat – dies wird deutlich am Einbruch bei der gesamtwirt-
schaftlichen Nachfrage – nichts mit Krisen außerhalb
Deutschlands zu tun, sondern vor allem mit der Krise die-
ser Bundesregierung.

Der Sachverständige Rürup hat vorgestern in einem In-
terview ausgeführt:

Deutschland befindet sich zwar in einer Rezession.
Aber diese Abschwächung ist noch nicht so stark,
dass sie eine Verletzung der 3-Prozent-Quote erlau-
ben würde.

Aber bei Fortsetzung Ihrer Politik der „eingeschlafenen
Hand“ werden Sie auch dies schaffen.

Herr Eichel, Sie haben gesagt, die von uns abgegebe-
nen Prognosen hätten nicht gestimmt. Haben wir im Au-
gust gesagt, dass Sie für das kommende Jahr ein Haus-
haltsloch in Höhe von 20 Milliarden DM haben oder
nicht? Hat es dieses Haushaltsloch gegeben oder nicht?
Das hat es gegeben; Sie haben sich verschätzt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben im März hier den Antrag auf einen Nach-
tragshaushalt gestellt, weil erkennbar war, dass sich die
Arbeitsmarktdaten nach unten entwickeln, weil erkennbar
war, dass in dem Zusammenhang auch die Steuereinnah-
men sinken. Sie haben nicht darauf reagiert. Natürlich
hätte man zu Beginn dieses Jahres eine Steuerreform
schneller, besser und großzügiger machen können.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Sie haben die Basis dafür weggeschlagen und werfen uns
jetzt vor, dass wir nicht am Gesamtmodell hängen blei-
ben. Der Fehler liegt doch bei der von Ihnen vorher so
schlecht geleisteten Arbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Versuchen Sie nicht, das Ganze zu verniedlichen. Ich
habe mir sagen lassen, dass Sie am letzten Dienstag beim
Bausparkassentag gesagt haben, um die Leute zu be-
schwichtigen, das sei keine Rezession, das sei nur eine
„Anpassungsrezession“.


(Lachen des Abg. Friedrich Merz [CDU/CSU])


Es gibt eine Reihe von Vokabeln, die Sie in der letzten Zeit
verwendet haben, die alle umschreiben sollen, dass die Si-
tuation schlecht ist, man es aber nicht zugeben möchte.

Was heißt denn „Anpassungsrezession“? Wer muss
sich denn an wen anpassen? Heißt das, dass sich die Men-
schen, die Arbeit haben, an die Situation anpassen müs-
sen, dass sie künftig keine Arbeit mehr haben? Heißt das,
dass sich die Firmen, die noch Aufträge haben, anpassen
müssen, dass sie künftig keine Aufträge mehr haben? Er-
zählen Sie doch keine Fantasiezahlen über irgendwelche
Auftragseingänge, sondern schauen Sie sich die Ge-
schäftsbilanzen der Unternehmen an!




Dietrich Austermann

20387


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben gestern in der Arbeitsgruppe Haushalt – der
ich für die gute Arbeit in den letzten Wochen und auch in
dieser Woche danken möchte – mit einem Vertreter einer
Sparkasse aus Süddeutschland zusammengesessen. Er hat
es auf den Punkt gebracht, als er meinte: Wenn der Fi-
nanzminister zum Konsum auffordert, dann müssen alle
Alarmglocken klingeln. Wenn das der Wirtschaftsminis-
ter macht, ist das in Ordnung. Aber beim Finanzminister
lässt das offensichtlich darauf schließen, dass er selbst
nicht daran glaubt, dass die Situation in Ordnung ist, son-
dern dass wir in einer ganz schwierigen Lage sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es gibt ein neues Gerücht, das da lautet, der Finanzmi-
nister habe mit dem Golfspielen angefangen: Er tastet sich
von Loch zu Loch.


(Simone Violka [SPD]: Darin hat Waigel ja Übung!)


Fragt einer nach dem Handicap, dann heißt es: 2002. Weil
es so ein hohes Handicap nicht gibt, heißt das, dass Sie die
Platzreife nicht haben. Im September 2002 wird sich die
Situation klären.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da hat er viel Zeit zum Golfspielen!)


Von solchen Sprüchen gibt es mittlerweile viele: Was
ist paradox? Paradox ist, wenn sich der Sohn des Kanzlers
namens Aufschwung in die Tochter Rezession verwandelt
und die Mutter deutsche Volkswirtschaft Vaterschafts-
klage einlegt.


(Ilse Janz [SPD]: Sehr witzig!)

Wenn Sie sich die Situation anschauen, dann werden

Sie feststellen, dass sich unter dieser Regierung die wirt-
schaftlichen Daten drastisch verschlechtert haben. Sie
müssen zu haushälterischen Tricks en masse greifen. Sie
gehen beim Wachstum von unrealistischen Annahmen
aus. Die Frage ist doch: Können aus der heutigen Situa-
tion bei der Beschlussfassung über diesen Bundeshaus-
halt für die Zukunft, für die Menschen im Land, die Wirt-
schaft und die wirtschaftliche Entwicklung Perspektiven
gewonnen werden? Wir sagen Nein. Wir sagen deshalb
Nein, weil die für diesen Haushalt unterstellten An-
nahmen – Sie nennen das „auf Kante genäht“ – hinsicht-
lich der Einnahmen aus Sozialabgaben, der Zahl der be-
schäftigten Menschen und der Auftragslage der Betriebe
– dies alles ist eng miteinander verknüpft – schon heute
nicht mehr stimmen und weil zudem Ihre Annahmen hin-
sichtlich der Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit
unrealistisch sind.

Ich will etwas zu dem Gerücht sagen, wir hätten 1998
so genannte Wahlkampf-ABM gemacht.


(Simone Violka [SPD]: Das ist kein Gerücht! Das ist die Wahrheit!)


Ich bemühe mich, das Ganze so darzustellen, dass ich mit
wenigen Zahlen auskomme: 1998 hatten wir im Sollan-
satz rund 37 Milliarden DM im Haushalt der Bundes-
anstalt für Arbeit für den zweiten Arbeitsmarkt. Als das
Jahr vorbei war, wurde festgestellt, dass davon 35 Milli-
arden DM ausgegeben wurden, also 2 Milliarden DM we-

niger. Sie haben im Haushalt des kommenden Jahres für
Arbeitsmarktpolitik 44 Milliarden DM eingestellt, also
7 Milliarden DM mehr, als wir 1998 im Sollansatz hatten.
Nehmen Sie Ihre Behauptung zurück, wir hätten den
zweiten Arbeitsmarkt aufgebläht. Sie tun das, um über-
haupt eine einigermaßen erträgliche Bilanz vorweisen zu
können. Diesen Sachverhalt können Sie sich überall be-
stätigen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies führt schließlich zu der Frage: Wie kann es ei-

gentlich passieren, dass eine Regierung völlig unvorbe-
reitet vor diesen Dingen steht? Sie verlässt sich immerhin
auf eine große Zahl von Sachverständigen. Ich kann das
nur so deuten, dass es offensichtlich eine erhebliche Rea-
litätsferne gibt. Wenn man mit den Menschen redet, wenn
man in die Betriebe geht und sich die Bilanzen der Unter-
nehmen anschaut, dann hat man seit mindestens einem
Jahr den Gang der Entwicklung absehen können. Dazu
brauche ich keine statistischen Zusammenfassungen, von
welchen Forschungsinstituten auch immer. Deren Pro-
gnosen kommen sowieso immer hinterher. Man muss die
Situation vor Ort betrachten. Dann kommt man zu der
richtigen Prognose, die zu den richtigen Schritten führt,
die wir vorgeschlagen haben.

Ich sage es noch einmal, damit deutlich wird, wo un-
sere Alternative liegt: Wir wollen die Rücknahme der Be-
schäftigungshemmnisse, die seit 1998 durchgesetzt wor-
den sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir wollen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
Sozialhilfe. Wir wollen die Einführung des Kombilohns
für Geringverdiener. Wir wollen, dass ein wesentlicher
Teil der Steuerreform vorgezogen wird. Wir wollen vor al-
len Dingen, dass das Steuerrecht vereinfacht wird. Wir
wollen, dass auf die nächste Stufe der Ökosteuer verzich-
tet wird, die insbesondere den Familien das, was sie an Fa-
miliengeld angeblich mehr in der Tasche haben, sofort
wieder wegnimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen ein modernes Betriebsverfassunggesetz. Wir
wollen eine grundlegende Reform des Gesundheitswe-
sens. Wir wollen vor allen Dingen die Eigen-
verantwortung stärken.

Im nächsten Schritt wird es notwendig sein, die Infra-
strukturlücken durch Mobilisierung von privatem Kapital
zu schließen. Die in diesem Land noch vorhandenen
schöpferischen und finanziellen Kräfte müssen für pri-
vate Investitionen genutzt werden. Sie dürfen nicht de-
motiviert werden. Wir wollen spätestens nach der nächs-
ten Wahl entsprechende Schritte unternehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Maßnahmen, die die Regierung eingeleitet hat, tau-
gen dafür nicht.

Ich sage es noch einmal: Der jetzt vorgelegte Haushalt
kommt nur mit Tricks zustande. Er zeigt keine Perspekti-
ven auf und gibt vor allen Dingen den Menschen, die ar-
beitslos sind, keine Hoffnung.




Dietrich Austermann
20388


(C)



(D)



(A)



(B)


Schauenwir uns einmal dieErgebnisse derUmfragen an,
die am Ende dieses Jahres durchgeführt worden sind. Die
Umfrage, aus der Sie zitiert haben – ich nehme an, sie war
von Forsa –, war voll daneben. Eine andere, gestern veröf-
fentlichte Umfrage hat Folgendes ergeben: Auf die Frage
„Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2002?“
haben etwa 62 Prozent der Menschen geantwortet, dass sie
demneuen Jahr skeptisch entgegensehen. Siemachen ihnen
keinenMut für die Zukunft. Etwa 28 Prozent derMenschen
rechnet damit, dass ihre persönliche Situation im nächsten
Jahr schwieriger sein wird. Solche negativen Umfrageer-
gebnissehat es langenichtmehrgegeben.VerlassenSie sich
also nicht auf Umfragen, die Sie selbst bestellt haben und
die die Realität schöner malen, als sie tatsächlich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Während wir hier beraten, trifft sich im Kanzleramt

eine Runde – ich vermute, dass der Bundeskanzler dabei
ist – und versucht, die Mittel für die Finanzierung des
Großflugzeugs, das der Kanzler in der letzten Woche dem
französischen Präsidenten versprochen hat, zusammenzu-
kratzen. Man hat offensichtlich ein Problem, den einge-
gangenen internationalen Verpflichtungen nachzu-
kommen; denn im laufenden Haushalt ist zu wenig Geld.
Deswegen müssen in den nächsten 6 Milliarden zusätz-
lich eingestellt werden. Auch das beschreibt im Grunde
genommen die wirtschaftliche Situation und die finanzi-
elle Lage des Verteidigungsetats.

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Wir haben unsere
Alternativen zu dem vorgelegten Haushalt aufgezeigt und
deutlich gemacht, dass es einen besseren Weg für
Deutschland gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie sich ein bisschen in Europa umschauen, dann

werden Sie feststellen: Als es vor ein paar Monaten
Wahlen in Norwegen gab, sind die Sozialdemokraten ab-
gewählt worden. Als es vor ein paar Tagen Wahlen in
Dänemark gab, sind die Sozialdemokraten abgewählt
worden. Am 22. September nächsten Jahres gibt es in
Deutschland Wahlen. Dann ereilt die deutschen So-
zialdemokraten wegen ihrer falschen Politik genau das
gleiche Schicksal.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420602300
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zur Schlussabstimmung über das Haus-
haltsgesetz 2002. Die Koalitionsfraktionen verlangen
namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men. – Sind die Schriftführerinnen und Schriftführer an
ihren Plätzen? Ist alles zur Abstimmung bereit? – Dann
eröffne ich die Abstimmung.1)

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.

Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen zur
Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst
über den Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/7590. Die Fraktion der
CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe-
nen Plätze einzunehmen. – Sind die Schriftführerinnen
und Schriftführer an ihren Plätzen? Ist alles zur Abstim-
mung bereit? – Das ist der Fall.

Ich eröffne die Abstimmung.2)

( V o r s i t z : Vizepräsidentin Anke Fuchs)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420602400
Ist noch ein Mitglied
des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben
hat? – Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu be-
ginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.

Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Frak-
tion der CDU/CSU auf Drucksache 14/7571. Wer stimmt
für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dage-
gen? –Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7592. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7594. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7663. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Antrag ist gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7625. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? –Wer stimmt dagegen? – Der An-
trag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU, FDP und PDS
abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7626. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –
Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ist der An-
trag abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7650. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Antrag ist gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP abgelehnt.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Und PDS!)

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion

der FDP auf Drucksache 14/7651. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? –Wer stimmt dagegen? –Wer ent-




Dietrich Austermann

20389


(C)



(D)



(A)



(B)


1) Ergebnis Seite Seite 20392.1) Ergebnis Seite Seite 20390.

hält sich? – Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP
abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7684. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? –Wer stimmt dagegen? –Wer ent-
hält sich? – Gegen die Stimmen der FDP ist der Antrag ab-
gelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/7576. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Keine. Der Entschließungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/7698. Wer stimmt für diesen
Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-

tungen? – Keine. Der Entschließungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS abgelehnt.

Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Schlussabstimmung über das Haushaltsgesetz 2002 un-
terbreche ich die Sitzung.


(Unterbrechung von 11.05 bis 11.09 Uhr)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420602500
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlussab-
stimmung über das Haushaltsgesetz 2002 bekannt: Abge-
gebene Stimmen 590. Mit Ja haben gestimmt 313, mit
Nein haben gestimmt 276, Enthaltungen 1.




Vizepräsidentin Anke Fuchs
20390


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 590;
davon

ja: 313
nein: 276
enthalten: 1

Ja
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki

Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack

(Extertal)


Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)


Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Gabriele Lösekrug-Möller

Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Volker Neumann (Bramsche)

Gerhard Neumann (Gotha)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel

Reinhold Robbe
Gudrun Roos




Vizepräsidentin Anke Fuchs

20391


(C)



(D)



(A)



(B)


René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Dr. Frank Schmidt

(Weilburg)


Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner

Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Helmut Wieczorek

(Duisburg)


Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese (Hannover)

Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Waltraud Wolff

(Wolmirstedt)


Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele

Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Helmut Wilhelm (Amberg)

Margareta Wolf (Frankfurt)


Nein
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek)

Peter H. Carstensen

(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E. Fischer

(Karlsruhe-Land)


Klaus Francke
Dr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis

Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)

Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein

Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser (Bonn)

Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach)


Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)


Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid)


Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven)

Erwin Marschewski

(Recklinghausen)


Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-

führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-

mung über den Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU zu Einzelplan 14 auf Drucksache 14/7590
bekannt: Abgegebene Stimmen 592. Mit Ja haben ge-
stimmt 247, mit Nein haben gestimmt 345, Enthaltungen
keine.




Vizepräsidentin Anke Fuchs
20392


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Christa Reichard (Dresden)

Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble

Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Dr. Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Andreas Schmidt (Mülheim)

Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Wolfgang Schulhoff
Gerhard Schulz
Clemens Schwalbe
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Wolfgang Steiger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)


Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss)

Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
FDP
Ina Albowitz
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler

Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Jürgen Türk
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Manfred Müller (Berlin)

Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert

Enthalten
Fraktionslose
Abgeordnete
Christa Lörcher

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 591;
davon

ja: 247
nein: 344

Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann

Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer

Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek)

Peter H. Carstensen

(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Dirk Fischer (Hamburg)





Vizepräsidentin Anke Fuchs

20393


(C)



(D)



(A)



(B)


Axel E. Fischer

(Karlsruhe-Land)


Klaus Francke
Dr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)

Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein

Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser (Bonn)

Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach)


Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus

Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)


Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid)


Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven)

Erwin Marschewski

(Recklinghausen)


Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Dr. Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Andreas Schmidt (Mülheim)

Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz

Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Gerhard Schulz
Clemens Schwalbe
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Carl-Dieter Spranger
Wolfgang Steiger
Erika Steinbach
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss)

Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
FDP
Ina Albowitz
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Jürgen Türk

Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)





Vizepräsidentin Anke Fuchs
20394


(C)



(D)



(A)



(B)


Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack

(Extertal)


Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)


Detlev von Larcher
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Volker Neumann (Bramsche)

Gerhard Neumann (Gotha)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel

Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer

Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Dr. Frank Schmidt

(Weilburg)


Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gert Weisskirchen

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt

Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Helmut Wieczorek

(Duisburg)


Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese (Hannover)

Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Waltraud Wolff

(Wolmirstedt)


Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

Margareta Wolf (Frankfurt)


Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt.
Ich danke den Schriftführerinnen und Schriftführern

für die schnelle Auszählung.

(Beifall bei der SPD)


Ich rufe Tagsordnungspunkt III auf:
– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen

der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnung
des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur

(Solidarpaktfortführungsgesetz – SFG)

– Drucksache 14/7063 –

(Erste Beratung 193. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuord-
nung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und
zur Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“

(Solidarpaktfortführungsgesetz – SFG)

– Drucksache 14/7256 –

(Erste Beratung 198. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des

Sonderausschusses Maßstäbe-/Finanzaus-
gleichsgesetz
– Drucksache 14/7646 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Schild
Heinz Seiffert
Oswald Metzger
Gisela Frick
Dr. Barabara Höll


(8. Ausschuss)

– Drucksache 14/7647 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger

Zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen liegt ein
Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. Ich höre keinen Wi-
derspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache – die Diskutanten sind da –
und erteile der Kollegin Sabine Kaspereit für die SPD-
Fraktion das Wort.


Sabine Kaspereit (SPD):
Rede ID: ID1420602600
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mit der abschließenden Bera-
tung des Gesetzentwurfs zur Fortführung des Solidar-
pakts, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzaus-
gleichs und zur Abwicklung des Fonds „Deutsche
Einheit“ wird nach der Steuer- und Rentenreform ein wei-
teres großes Projekt der Reformagenda dieser Bundes-
regierung zu einem guten Abschluss gebracht.


(Beifall bei der SPD)

Ich hätte vor einem Jahr noch nicht geglaubt, dass wir

an diesem 30. November des Jahres 2001 das Solidar-
paktfortführungsgesetz abschließend durch den Bundes-
tag bringen würden. Hier ist in unglaublich kurzer Zeit un-
glaublich viel passiert und gesetzgeberisch umgesetzt
worden, im Übrigen weit mehr, als uns die Karlsruher
Richter im November 1999 abverlangt hatten.

Es ist klar: Der Konsens zwischen den Ministerpräsi-
denten der Länder und dem Bundeskanzler vom Juni die-
ses Jahres hat hierfür die entscheidenden Weichen ge-
stellt. Dafür ist allen Beteiligten, aus welcher Region der
Bundesrepublik sie auch kommen, welcher Regierung sie
auch immer angehören, zu danken. Die Interessenlagen
hätten doch unterschiedlicher nicht sein können! Ob Bund
oder Länder, ob Zahler oder Empfänger, ob Ost oder West,
ob Nord oder Süd, ob SPD- oder CDU-regiert – man fand
sich in einem guten Kompromiss wieder.


(Beifall bei der SPD)

Es war richtig, dass die Bundesregierung zunächst ver-

halten agierte und dann bei den entscheidenden Weichen-
stellungen Tempo machte. Es war ebenso richtig, die Län-
der zu bewegen, vorweg in einem möglichst engen
Beratungs- und Konsensfindungsprozess so viele Kom-
promisslinien wie möglich zu entwickeln und darüber zu
sprechen. Ich finde es schade, dass die FDP sich dieser
Verfahrensweise verweigert hat. Wo es um so viel Geld
geht, ist es realitätsfern, zu glauben, man könne die Rech-
nung ohne den Wirt machen. Es ist nur legitim, dass die
Länder hier ein gewichtiges Wort mitreden müssen; es
geht gerade um sie.




Vizepräsidentin Anke Fuchs

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PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink

Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler

Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Manfred Müller (Berlin)

Kersten Naumann

Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Fraktionslose
Abgeordnete
Christa Lörcher

Ich kann das hier gewählte Verfahren der Kompromiss-
findung als Parlamentarierin, die nicht vom Lehrstuhl ei-
nes Rechtsprofessors oder vom Senatssessel eines Verfas-
sungsrichters Politik für die Menschen in diesem Lande
erfolgreich umzusetzen versucht, nicht grundsätzlich kri-
tisieren.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das sind aber hehre Ansprüche!)


Deshalb sage ich: Die Verabschiedung dieses Gesetzes
zur Fortführung des Solidarpakts, zur Neuordnung des
bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklung
des Fonds „Deutsche Einheit“ in einem einzigen Paket ist
ein gutes Ergebnis des deutschen Föderalismus.


(Beifall bei der SPD)

Es zeigt seine Fähigkeit, auch mit schwerwiegenden
Problemen unter schwierigen Umständen angemessen
fertig zu werden.

Meine Damen und Herren, es ist weitgehend unum-
stritten: Das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens kann
sich sehen lassen. Ich sage das ganz bewusst auch als ost-
deutsche Abgeordnete.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb beziehe ich mich in meiner Rede vor allem auf
die Fortführung des Solidarpakts.

Wir machen mit diesem Gesetz mehrere Dinge deut-
lich:

Erstens. Der wirtschaftliche Aufbau in den neuen
Bundesländern ist und bleibt für uns eine überragende
Aufgabe deutscher Politik.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben immer gesagt: Der wirtschaftliche Aufbau ist
ein gewaltiger Prozess, dem sich die Deutschen in Ost und
West als eine Generationenaufgabe stellen müssen. Wer
anderes behauptet, erweckt Illusionen, die nur in Ent-
täuschungen enden können. Wir haben zu keinem Zeit-
punkt unhaltbare Versprechungen gemacht, liebe Kol-
leginnen und Kollegen von der Opposition. Wir handeln
auf dem Boden der Realität und sagen das auch.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweitens. Für uns bleibt das Ziel, nämlich die Anglei-
chung der wirtschaftlichen Verhältnisse, der Lebens-
und Arbeitsverhältnisse der Menschen, im Mittelpunkt
unserer Arbeit. Dabei – auch das will ich an dieser Stelle
deutlich machen – geht es nicht darum, den Aufbau Ost
als einen schlichten Nachbau West zu begreifen. Es geht
darum, den Menschen in Ostdeutschland, denen in 40 Jah-
ren DDR ein Leben in Freiheit und Wohlstand verwehrt
worden war, die gleichen Lebenschancen wie den Bürge-
rinnen und Bürgern in Westdeutschland einzuräumen.

Drittens. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Solida-
rität der Länder und des Bundes in Form finanzieller Un-
terstützung eine – ich sage: eine – Maßnahme. Die Men-
schen in den neuen Ländern können sich dabei auf die

Regierung verlassen. Insgesamt 306 Milliarden DM hat
der Bund den neuen Ländern bis zum Jahre 2019 zuge-
sagt, um die teilungsbedingten Sonderlasten in den neuen
Ländern tragen zu helfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Finanzmittel aus dem Solidarpakt II in Höhe von
206 Milliarden DM oder gut 105 Milliarden Euro können
damit eingesetzt werden, um zum einen dem nach wie vor
erheblichen infrastrukturellen Nachholbedarf wirksam zu
begegnen und zum anderen die Finanzschwäche der ost-
deutschen Kommunen auszugleichen. Hinzu kommen
rund 100 Milliarden aus dem so genannten Korb 2, das
heißt diverser weiterer Förderprogramme.

Viertens. Ein in meinen Augen außerordentlich wichti-
ger Aspekt ist neben der Summe von 206 Milliarden DM
die Planungssicherheit, die die Länder und Gemeinden
in Ostdeutschland für ihre Investitionen jetzt haben, und
das für einen fast 20-jährigen Zeitraum. Das ist mehr wert
als das jahrelange Feilschen um die eine oder andere zu-
sätzliche Mark aus dem Bundeshaushalt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wissen jetzt, was der Bund zur Beseitigung tei-
lungsbedingter Sonderlasten in den neuen Ländern Jahr
für Jahr aufbringt.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Und die Länder!)

Die Länderregierungen und auch die Städte und Gemein-
den können jetzt auf Heller und Pfennig mit zweistelligen
Milliardensummen rechnen. Das bringt langfristige Pla-
nungssicherheit für öffentliche Investitionen. Der Aufbau
Ost hat damit eine klare Perspektive bis zum Jahr 2020.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde es im Übrigen sachgerecht und angemessen,
dass die Hilfen degressiv ausgestaltet sind. Entsprechend
dem Finanzbedarf werden sie von 10,5 Milliarden Euro
im Jahr 2005 auf 2,8Milliarden Euro im Jahr 2018 sinken.

Der Deutsche Bundestag wird mit diesem Gesetz der
stärkeren Regionalisierung in den neuen Ländern und da-
mit der stärkeren Verantwortung politischer Entscheidun-
gen vor Ort Rechnung tragen, und das bereits ab Beginn
des nächsten Jahres. Wir warten nicht bis zum Auslaufen
des Solidarpaktes I, sondern machen das schon jetzt und
kommen damit den neuen Ländern deutlich entgegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bislang sind im Rahmen des Investitionsförderungs-
gesetzes Aufbau Ost Mittel in Höhe von jährlich rund
3,4 Milliarden Euro – das sind 6,6 Milliarden DM –
zweckgebunden für gesetzlich definierte Investitionen
ausgegeben worden. Damit die ostdeutschen Länder und
Berlin schon ab dem Jahr 2002 in stärkerem Maße eigen-
verantwortlich handeln können, werden diese Mittel des
Investitionsförderungsgesetzes bereits ab 2002 in unge-




Sabine Kaspereit
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bundene Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen
umgewandelt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Damit erreichen wir zum einen mehr Transparenz bei der
Förderung und zum anderen mehr Klarheit und Kontrolle
beim Einsatz der Finanzmittel aus dem Solidarpakt. Die
Steuerbürger haben darauf ein Recht.

Die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vor-
pommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wer-
den dem Finanzplanungsrat im Rahmen von Fort-
schrittsberichten Aufbau Ost jährlich erstens über ihre
jeweiligen Fortschritte bei der Schließung der Infrastruk-
turlücke, zweitens über die Verwendung der erhaltenen
Mittel aus Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisun-
gen und drittens über die finanzwirtschaftliche Entwick-
lung der Länder und Kommunen einschließlich der Be-
grenzung der Nettoneuverschuldung berichten.


(Beifall bei der SPD)

Der Fortschrittsbericht Aufbau Ost wird erstmals im
Jahr 2003 vorgelegt werden. Ich möchte an dieser Stelle
erneut anregen, dass der Deutsche Bundestag diese Fort-
schrittsberichte und deren Bewertung durch die Bundes-
regierung zur Kenntnis erhält und debattiert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die rot-grüne Regierungskoalition hat mit diesem Ge-

setz und insbesondere mit der Festlegung auf das
Jahr 2019 deutlich gemacht: Wir haben erst die eine
Hälfte des Aufbauweges in Ostdeutschland hinter uns ge-
lassen. Uns steht noch eine zweite, mindestens ebenso
lange Wegstrecke bevor.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Sehr richtig!)

Wir müssen das den Bürgerinnen und Bürgern in beiden
Teilen Deutschlands immer wieder klar sagen, auch wenn
das unpopulär sein mag. Es war ein großer, vielleicht so-
gar der entscheidende Fehler der Kohl-Regierung, die Er-
wartungen der Menschen an das Tempo, die Breite und
die Tiefe des erforderlichen Aufbauprozesses unrealis-
tisch hoch geschraubt zu haben. Das werfe ich der alten
Regierung vor.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese enttäuschten Erwartungen sind es, die bei man-
chen Menschen in Ostdeutschland das Gefühl der Zweit-
klassigkeit aufkommen ließen. Dieses Gefühl zu nähren
und daraus politisch Kapital schlagen zu wollen, es op-
portunistisch in Wählerstimmen ummünzen zu wollen,
das werfe ich der PDS vor.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Billiger Populismus!)


Es ist ein Verdienst unserer Bundesregierung unter
Gerhard Schröder, gegenüber den Menschen in den neuen
Ländern eine Politik zu vertreten, die auf realistischen
Perspektiven für den weiteren Aufbau und die Anglei-
chung der Lebensverhältnisse beruht. Einen solchen Weg

zu beschreiten ist nicht immer populär; aber es ist der ein-
zig mögliche Weg, der glaubwürdig ist und der verloren
gegangenes Vertrauen wieder wecken kann.


(Beifall bei der SPD)

Es ist guter Brauch – ich komme ihm gerne nach –,

Dank an all diejenigen auszusprechen, die an dieser in der
Sache doch schwierigen und vom Verfahren her eher un-
gewöhnlichen Arbeit vor und hinter den Kulissen beteiligt
waren: Dank an die beiden Vorsitzenden des Sonderaus-
schusses, an Joachim Stünker und Volker Kröning.


(Beifall bei der SPD)

Ein ausdrücklicher Dank geht an das Sekretariat des Son-
derausschusses, an die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen
und ihre Mitarbeiter. Ich danke auch für die hilfreiche Zu-
sammenarbeit mit der Ministerialbürokratie in Bund und
Ländern. Ein weiterer Dank richtet sich an die Sachver-
ständigen in Anhörungen und Gesprächen. Last, but not
least: Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen der
Fraktionen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Allen zusammen gilt ein Kompliment für die überwie-
gend sachliche und konstruktive Zusammenarbeit. Eines
sage ich ganz ausdrücklich: Danke für die Solidarität!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420602700
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Leo Dautzenberg für die CDU/CSU-Frak-
tion.


Leo Dautzenberg (CDU):
Rede ID: ID1420602800
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Mit dem heute zu beschließenden so genannten So-
lidarpaktfortführungsgesetz wird eine Anschlussregelung
zum so genannten Solidarpakt zugunsten der neuen Län-
der getroffen und der bundesstaatliche Finanzausgleich
wird neu geregelt. Des Weiteren wird der Fonds „Deut-
sche Einheit“ abgewickelt.

Im Einzelnen zu nennen sind hier die Regelungen über
die Umwandlungen der Mittel des Investitionsförde-
rungsgesetzes Aufbau Ost in ungebundene Sonderbe-
darfs-Bundesergänzungszuweisungen bereits ab 2002 so-
wie Regelungen zur Wahrung der Haushaltsdisziplin im
Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungs-
union im Haushaltsgrundsätzegesetz.

Die Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“ wird
näher ausgestaltet und das Finanzausgleichsgesetz wird
neu gefasst. Beim Finanzausgleich geht es um eine Neu-
verteilung des Steueraufkommens zwischen dem Bund
und den Ländern sowie unter den Ländern. Ferner gilt es,
Unterschiede in der Finanzkraft der einzelnen Länder an-
gemessen auszugleichen. Insgesamt werden dazu jährlich
rund 60 Milliarden DM umgeschichtet.

Warum ist die vorliegende Regelung erforderlich? Das
Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom




Sabine Kaspereit

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11. November 1999 entschieden, dass der Bund-Län-
der-Ausgleich einer neuen Regelung bedarf. Außerdem
musste eineAnschlussregelung zugunsten der neuen Län-
der getroffen werden. Das Bundesverfassungsgericht gab
dem Gesetzgeber dabei ein zweistufiges Verfahren vor.
Der Gesetzgeber war aufgefordert, bis Ende 2002 ein Ge-
setz zu erlassen, in dem die unbestimmten Rechtsbegriffe
der Verfassung konkretisiert und ergänzt werden. Darauf
aufbauend sollte dann in einem zweiten Gesetz der
angemessene Ausgleich der unterschiedlichen Finanz-
kraft der Länder geregelt werden.

Die erste Stufe der höchstrichterlichen Vorgabe ist mit
dem so genannten Maßstäbegesetz, das am 5. Juli 2001
im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, umgesetzt
worden. Auf der Basis dieses Maßstäbegesetzes sind nun
die konkreten Regelungen festgelegt worden. Das
Bundesverfassungsgericht hat uns hier keine leichte Auf-
gabe gestellt. So verwundert es nicht, dass seit dem Urteil
zwei Jahre verstrichen sind, bis schließlich zwischen dem
Bund und allen 16 Bundesländern ein Konsens in greif-
bare Nähe rückte.

Der nun erzielte Kompromiss entspricht in vielen
Punkten nicht den Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Er trägt wohl auch den Vorgaben des Bundesverfassungs-
gerichtes nur weitläufig Rechnung. Dennoch stimmen wir
ihm zu, wenn auch mit Bedenken. Denn wir haben er-
reicht, dass ein Anreizsystem geschaffen wurde, sodass
sowohl Geber- als auch Empfängerländer für erfolgrei-
ches Wirtschaften belohnt wurden. Ferner wird für die
neuen Bundesländer eine langfristige Planungs- und Ge-
staltungssicherheit – zunächst bis zum Jahre 2019 – er-
reicht; sie ermöglicht auch eine größere Unabhängigkeit
der Kommunen. Schließlich wird es dem Bundesfinanz-
minister nicht mehr möglich sein, die Uneinigkeit der
Länder für sachfremde Zwecke auszunutzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Hört, Hört!)


Dabei bestand von Anfang an das Problem, dass der Ent-
scheidungsspielraum für die Mitglieder des Sonderaus-
schusses, die den Kompromiss erarbeitet haben, stark ein-
geschränkt war.

Der Finanzausgleich wird jedoch durch die getroffene
Regelung nicht einfacher und auch nicht transparenter.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Im Gegenteil!)

Eine geschickter agierende Bundesregierung hätte zwei-
fellos mehr Innovation in das System bringen können.

Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang der
schlechte Stil, mit dem die Beratungen insbesondere von-
seiten des Bundesfinanzministers immer wieder unnötig
verzögert worden sind.


(Jörg Tauss [SPD]: Na, na, na! Unglaublich!)

Wir hätten zugunsten der neuen Länder schon viel früher
ein Ergebnis erzielen können. Erforderliche Unterlagen

konnten oder wollten vom Finanzminister zum Teil nicht
vorgelegt werden.

So hat in Art. 5 die Regelung Eingang gefunden, dass
bezüglich der zusätzlichen Belastungen aus der Neurege-
lung des Familienleistungsausgleichs der Umsatzsteu-
eranteil an die Entwicklungen der Leistungen nach den
§§ 62 bis 78 des Einkommensteuergesetzes in der jeweils
geltenden Fassung angepasst wird, sodass diese zu
74 Prozent vom Bund und zu 26 Prozent von den Ländern
getragen werden. Nach Auffassung der Länder hat bei Er-
höhung dieser familienpolitischen Leistungen eine Über-
prüfung mit dem Ziel der Anpassung zu erfolgen.

Bundesminister Eichel hat den Versuch unternommen,
diese Regelung dahin gehend abzuschwächen, dass statt
einer „Anpassung“ nur eine „Überprüfung“ der Vorgabe
erfolgen soll. Diese Tricksereien des Bundesfinanzminis-
ters führten zu unnötigen Verzögerungen, da in der ersten
Vorlage das, was im Rahmen des Maßstäbegesetzes ge-
meinsam vereinbart wurde, nicht eingehalten worden ist
und die Zusammenkunft mit den Finanzministern der
Länder – diese fand auf Wunsch des Bundesfinanzminis-
ters statt – daher abgebrochen wurde. Dieser – so muss
man jetzt feststellen – untaugliche Versuch ging zulasten
der Länder.

Es ist festzuhalten, dass der gesamte Kompromiss im
Wesentlichen auf einer Liquiditätsverbesserung für den
Bund beruht – jedoch zulasten unserer Kinder. Der Bund
übernimmt von 2005 bis 2019 Zins- und Tilgungslasten;
er lässt sich diesen Aufwand teilweise durch Vorweg-
nahme der Gelder aus dem Umsatzsteuertopf entgelten
und vermindert damit die Tilgungsleistungen weiter.
Auch den Ländern – das muss man betonen – kommt
diese Tilgungsstreckung natürlich gelegen. Dem Bundes-
finanzminister gelingt es damit – zumindest mittelfris-
tig –, seine Haushaltsdefizite zu verdecken und vorerst
Tilgungsausgaben in Höhe von deutlich über 4 Milliar-
den DM zu vermeiden.

Diese Liquiditätsschöpfung wird der Bundesregierung
nur vordergründig helfen, ihre Haushaltsprobleme zu be-
wältigen. Sie versucht, damit ihre schlechte Arbeitsmarkt-
und Wirtschaftspolitik zu kaschieren. Das ist ein sehr
durchsichtiges Unterfangen, meine Damen und Herren.


(Joachim Stünker [SPD]: Tibetanische Gebetsmühle ist das hier! – Weitere Zurufe von der SPD)


Des Weiteren versucht die Bundesregierung, die leere
Haushaltskasse mit immer neuen Steuererhöhungen zu
füllen,


(Joachim Poß [SPD]: Was? Wir entlasten doch!)


aber eine Korrektur über die Einnahmeseite kann nicht
gut gehen. Im Gegenteil: Für die konjunkturelle Lage ist
sie Gift. Jüngstes Beispiel ist die Erhöhung der Versiche-
rung- und Tabaksteuer, angeblich um Kostendeckung
für Maßnahmen zur inneren Sicherheit zu erhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Das hat etwas mit dem Terrorismus und nichts mit dem Solidarpakt zu tun!)





Leo Dautzenberg
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– Herr Kollege Poß, Sie erkennen nicht, dass alles mit al-
lem zusammenhängt; das beste Ausgleichssystem nützt
dann nichts, wenn die Bemessungsgrundlagen für die Ver-
teilung auf alle staatliche Ebenen immer ungerechter wer-
den. Insbesondere der Bund muss das einsehen.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist unwahr!)

Das hat nämlich etwas mit der Wirtschafts- und Finanz-
politik dieser Bundesregierung zu tun, und nichts mit So-
lidarpakt oder Finanzausgleich.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen!)


ZuBeginn des nächsten Jahres,KollegePoß,werdenMi-
neralölsteuer und Stromsteuer erhöht. Steuererhöhungen
führen zuKaufkraftentzug, zu Einschränkung des Konsums
und letztlich zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum.
Die Bundesrepublik Deutschland weist im europäischen
Vergleich mittlerweile die schlechtesten Wachstumsraten
auf.UnserLand trägt damit inEuropadie roteLaterne.Diese
konjunkturelle Situation ist ausschließlich hausgemacht;
diese Bundesregierung hat das bisher nicht verstanden, sie
führt die notwendigenReformmaßnahmen, die von derVor-
gängerregierung eingeleitet worden sind, nicht fort.


(Jörg Tauss [SPD]: Ach du lieber Himmel! – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sie sind zurückgenommen worden! Statt Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt haben Sie neue Formen der Regulierung beschlossen. Ich erinnere nur an die Fremdbestimmung bei der Mitbestimmung, an das 630-Mark-Gesetz, an das Gesetz gegen die Scheinselbstständigkeit. All diese Maßnahmen haben mehr staatliche Regulierung herbeigeführt und nicht eine Deregulierung, wie sie eigentlich für die Flexibilisierung erforderlich gewesen wäre. Ich darf an die Einnahmen aus den Verkäufen der UMTS-Lizenzen erinnern, die im Grunde genommen einseitig dem Bund zugeflossen sind. Die Länder haben jedoch aufgrund der Betriebsausgaben der Unternehmen für die UMTS-Lizenzen weniger Steuereinnahmen und damit eine schlechtere Einnahmesituation, obwohl sie die Steuern dringend benötigen. Nun überlegt Finanzminister Eichel immer wieder gemeinsam mit dem französischen Finanzminister, wie die Stabilitätskriterien von Maastricht durch so genannte Ausgabenziele aufgeweicht werden können. Angesichts dessen habe ich kein Verständnis dafür, dass Sie über das Haushaltsgrundsätzegesetz die Länder und die Kommunen stärker auf die Stabilitätskriterien verpflichten wollen, während Sie sich selber einen Freiraum schaffen wollen. Das bringt nämlich eine Destabilisierung des Euro und damit auch unserer Stabilitätspolitik mit sich. Meine Damen und Herren, in dieser kritischen Wirtschaftslage sind andere Maßnahmen erforderlich. Gebot der Stunde ist ein Verzicht auf weitere Steuererhöhungen, ist eine schnellere Entlastung der Betriebe sowie der Bürgerinnen und Bürger. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist als ein Erfolg der CDU/CSU-Fraktion zu sehen,
dass aufgrund unserer Initiative zumindest bis zum Jahre
2010 eine Überprüfung der Gewerbesteuerumlage, die
sich positiv auf die Kommunen auswirken wird, statt-
finden wird.

Wir von der CDU/CSU-Fraktion legen Wert darauf,
dass die gemeinsame Entschließung trotz aller Bedenken
unsere Zustimmung findet, weil wir erreicht haben, dass
hiermit ein Anreizsystem geschaffen wird, das sowohl
Geber- als auch Empfängerländer für erfolgreiches Wirt-
schaften belohnt. Es gibt einerseits den neuen Ländern
Gestaltungssicherheit bis 2019. Auf der anderen Seite ist
es dem Finanzminister, wie schon betont, nicht mehr
möglich, die Länder mit sachfremden Aspekten gegen-
einander auszuspielen. Wir werden zustimmen, weil die
Länder in diesen Kompromiss eingebunden sind, obwohl
– das muss man betonen – der Spielraum für uns Parla-
mentarier sehr eng war.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420602900
Ich erteile das Wort
der Kollegin Antje Hermenau für Bündnis 90/Die Grünen.


Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420603000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich dachte
eigentlich, dass diese Debatte die ruhigere der beiden heu-
tigen Finanzdebatten sein würde. Als ich mich vorberei-
tete, dachte ich mir: Die erste wird lebendig und spritzig. –
Jetzt hat Herr Dautzenberg doch auch in diese Debatte
noch Pfeffer gebracht. Das haben wir gerade gemerkt.

Jede einzelne Fraktion, die hier zustimmt, tut das in
dem Bewusstsein, dass das Ganze ein Kompromiss ist.
Keine einzige Fraktion in diesem Haus ist wirklich hun-
dertprozentig zufrieden mit dem, was wir haben. Es ist ty-
pischer Kompromiss. Alle stimmen zu und alle meckern
rum; das ist ganz normal.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Gisela Frick [FDP]: Nicht alle stimmen zu!)


Ich erinnere mich, dass wir in öffentlicher Debatte und
nicht nur heimlich beim Bier unter Kollegen gesagt ha-
ben: Dieses Verfahren – Hinterzimmergespräche – ist für
uns alle eine Beleidigung oder eine Bedrückung. Wir ar-
beiten im Ausschuss gründlich und vertiefend und dann
wird das Problem doch im Hinterzimmer geklärt, wenn
die Ministerpräsidenten mit dem Finanzminister zusam-
mensitzen.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das kennen wir doch aus anderen Bereichen auch!)


Das ist für die Mitglieder des Ausschusses, die gearbeitet
haben, insgesamt keine angenehme Situation. Das haben
alle zugegeben und das wissen wir alle. Das zeigt aller-
dings auch, wie in den letzten Jahrzehnten der Föderalis-
mus in der Bundesrepublik Deutschland gewachsen ist
und welche Machtstellung die Ministerpräsidenten haben.




Leo Dautzenberg

20399


(C)



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(A)



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Drehen wir die Sache einmal um! Positiv ist zum Bei-
spiel, dass es gelungen ist, einen Ministerpräsidenten zu
stoppen, und zwar Herrn Stoiber, der permanent versucht
hat, aus dem Aufbau Ost auszusteigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Joachim Poß [SPD]: Und Herr Teufel!)


Die Kompromisslage ist klar. Wir haben ein paar Sa-
chen „reingestimmt“ bekommen, die den Ministerpräsi-
denten wichtig waren. Wir haben selber ein paar Sachen
„reingestimmt“, die uns wichtig waren und den Minister-
präsidenten, zumindest Herrn Stoiber, nicht so sehr. Das
ist ein ganz normaler Kompromiss.

Ich glaube, die Selbstbindung der Länder und Kom-
munen an das Stabilitätsziel, das in der EU greifen soll,
ist eine der wichtigsten Errungenschaften, auch wenn das
hier nach gar nichts klingt. Das bedeutet nämlich, dass
auch die Länder – ob Süd, ob Nord, ob Ost, ob West – und
die Kommunen angehalten sind, dazu beizutragen, dass
alle öffentlichen Ebenen es schaffen, dass die Bundesre-
publik Deutschland das Stabilitätsziel in Europa erreicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Denken Sie nicht, dass wir jetzt schon mit aller Arbeit
fertig sind, nur weil wir dieses Gesetz abschließen kön-
nen! In der nächsten Legislaturperiode wird die Kommu-
nalfinanzverfassung auf der Tagesordnung stehen. Es
wird eine schwierige Debatte über die Gemeindefinanz-
reform geben. Ich weiß, der Kollege Rössel macht sich
schon bereit. Wir werden also heftigst streiten. Warum ist
das so wichtig? – Weil der größte Teil der Politik, die die
Menschen erleben und anfassen können, bei ihnen zu
Hause stattfindet, nämlich in den Kommunen. Deswegen
wird es in diesem Parlament eine erbitterte Schlacht über
die Gemeindefinanzreform geben. Das ist auch richtig so;
denn das ist gelebte Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Bei aller Herummeckerei: Gelungen ist zum Beispiel,
dass der Länderfinanzausgleich endlich ein bisschen ent-
schlackt worden ist.


(Lachen des Abg. Heinz Seiffert [CDU/CSU])

Es sind ein paar Sachen herausgeflogen oder gemindert
worden.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das meinen Sie aber nicht ernst! „Entschlackt“ ist etwas anderes!)


– Na, na! Man kann es konkret machen – das ist kein Pro-
blem –: Entschlackt wurde zum Beispiel bei den Hafen-
lasten, zum Beispiel bei den Belastungen aus der politi-
schen Führung.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Was? Das gibt es doch weiterhin, Frau Kollegin!)


– Aus dem FAG ist das aber raus; das wissen Sie.
Diese Sachen sind geschafft worden. Das halte ich für

einen wichtigen Beitrag.

Eines ist natürlich auffällig: In der dritten Lesung be-
raten nur noch ein paar Fachpolitiker darüber. Ich weiß
noch, wie die Ministerpräsidenten wie die Döckchen artig
auf der Bundesratsbank saßen, als es darum ging, was die-
ser Bundestag beim Länderfinanzausgleich und beim
Maßstäbegesetz will. Denen ging die Muffe. Die hatten
Angst, wir könnten vielleicht wirklich etwas Gerechtes
erreichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Heinz Seiffert [CDU/CSU] – Gisela Frick [FDP]: Es wäre auch gut gewesen!)


Die hatten richtig Angst vor uns. Wenigstens das sei uns
als Befriedigung gegönnt.

Jetzt, wo alles beschlossen ist, ist natürlich kein einzi-
ger von den Ministerpräsidenten mehr da.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir reden über zukünftige Aufgaben, zum Beispiel über
die Gemeindefinanzreform, und wer glänzt durch Abwe-
senheit? – Der Schwamm der mittleren Ebene. Typisch,
aber auch damit müssen wir leben.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Man muss der Fairness halber sagen, dass die parallel Bundesratssitzung haben! Aber Beobachter müssen da sein!)


Ich halte es für eine besondere Errungenschaft des
Diskussionsprozesses, dass es gelungen ist, die Anrech-
nung der kommunalen Finanzkraft auf 64 Prozent an-
zuheben. Das ist bei weitem nicht genug. Wir haben das
deutlich und lautstark kritisiert. Die Kommunen hatten
eben nicht das Glück, im Hinterzimmer mit den entspre-
chenden Entscheidenden zu sitzen, wie die Ministerpräsi-
denten es taten. Das merkt man diesem Gesetz an. Aber
immerhin wurde die Anrechnung angehoben. Das war ein
Schritt in die richtige Richtung.

Es ist geschafft worden – das hat Herr Dautzenberg von
der CDU sogar gerade zugegeben –, gewisse Anreize zu
verankern. Auch das halte ich für richtig. Wer sich bei der
Steuereintreibung mehr bemüht, soll gefälligst ein biss-
chen mehr für sich selbst behalten können. Das halte ich
für eine vernünftige Vorgehensweise. Wir haben nämlich
sehr oft das Problem, dass die Länder gar nicht so sehr da-
ran interessiert sind, ein paar Steuermark mehr mit viel
Mühe einzusammeln, weil sie glauben, sie bekämen ge-
nug Bundesmittel und dann müssten sie sich nicht küm-
mern. Aber die Länder und Kommunen müssen sich ge-
nauso um die Steuereintreibung kümmern wie alle
anderen auch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zustimmung des Abg. Günter Nooke [CDU/CSU])


Wenn man das mit Anreizen schaffen kann, soll mir das
recht sein.

Noch einmal zum Aufbau Ost. In der Finanzdebatte
heute früh zum Haushalt 2002 ist unheimlich gestritten




Antje Hermenau
20400


(C)



(D)



(A)



(B)


worden. Man hat uns dauernd vorgeworfen, wir hätten un-
sere Investitionsquote dramatisch gesenkt. Aber jetzt
schauen wir uns doch einmal diesen Gesetzentwurf an:
Die Investitionen, die der Bund früher im Rahmen des In-
vestitionsförderungsgesetzes vorgenommen hat, dürfen
die fünf neuen Bundesländer jetzt selber vornehmen. Die
Investitionen finden in gleicher Höhe statt; das ist über-
haupt nicht das Problem. Sie gehen optisch nur nicht mehr
zulasten des Bundes. Aber uns deswegen herunterzuma-
chen und zu sagen, wir hätten keine vernünftige Inves-
titionsquote, ist albern. Es handelt sich dabei um eine op-
tische Verlagerung auf die Länderebene. Investitionen
finden statt, und zwar in gewohnter Höhe. Das ist ein
wichtiger Punkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich gehöre zu denen, die manchmal etwas kess und
selbstbewusst sagen: Warum sollen wir fünf neuen Län-
der eigentlich ständig darum betteln, solidarisch behan-
delt zu werden? Aber auf der anderen Seite muss ich
demutsvoll anerkennen: Wir sind in diesem Solidarpakt-
fortführungsgesetz solidarisch bedacht worden. Das ist
korrekt und richtig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Übrigens auch von den Geberländern!)


– Das ist völlig richtig. Natürlich muss einer etwas geben,
damit der andere etwas bekommt. Das ist ganz normal.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Schön, dass Sie das akzeptieren!)


Ich glaube, dass es uns damit gelungen ist, einen wirk-
lichen Beitrag dazu zu leisten, den Aufbau Ost oder, bes-
ser gesagt, die Verwirklichung der nationalen Einheit, die,
wie ich glaube, im letzten Jahrzehnt von fast allen Betei-
ligten ein bisschen unterschätzt worden ist – wir alle ler-
nen hinzu –, auf solide Füße zu stellen. Innerhalb von
zwei Jahren ist sicherlich kein Feuerwerk zu erwarten; das
haben inzwischen alle gelernt. Deswegen gibt es eine
Vereinbarung für 20 Jahre – das ist eindeutig – mit klaren
Zielvorgaben. In der Vereinbarung sind Jahr für Jahr Sen-
kungen vorgesehen; es wird immer weniger Geld geben.
Aber man klotzt am Anfang noch einmal richtig ran. Ich
halte das für das richtige Verfahren; das kann man nur so
machen.

Damit stellen wir den Aufbau Ost auf eine solide Ba-
sis, wenn sie auch nicht sehr erotisch und sexy erscheint.
Im Wahlkampf wird es natürlich nicht toll klingen, sagen
zu müssen: Der Solidarpakt existiert noch 20 Jahre. – Ich
weiß das. Die Erotik dieses Sachverhaltes ist gering. Das
wissen alle, die im Wahlkampf damit umgehen müssen.
Aber die Basis für den Aufbau Ost ist damit solide, be-
lastbar und verlässlich. Das ist das Entscheidende.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420603100
Für die FDP-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Professor Gisela Frick.


Prof. Gisela Frick (FDP):
Rede ID: ID1420603200
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Frau Kaspereit, Sie haben zu Beginn Ihrer
Rede gesagt, das Solidarpaktfortführungsgesetz sei ein
weiteres Projekt in der Agenda der großen Reformen der
rot-grünen Bundesregierung.


(Sabine Kaspereit [SPD]: Dazu stehe ich auch!)


Entschuldigen Sie bitte, dass ich das nicht mittragen kann.

(Sabine Kaspereit [SPD]: Sie haben auch den Solidarpakt nicht mitgetragen!)

Das ist kein großes Projekt. Es ist auch nicht, wie im Aus-
schuss immer wieder betont worden ist, die Erfüllung der
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Es ist sehr viel
weniger. Wir als FDP haben uns auch nicht verweigert.
Wir waren zur konstruktiven Mitarbeit bereit, aber natür-
lich nur auf der Basis dessen, was das Bundesverfas-
sungsgericht uns als Richtschnur vorgegeben hat.


(Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)


Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Im Maß-
stäbegesetz besteht natürlich ein Grundfehler; da gebe
ich Ihnen Recht. Das ist aber schon verabschiedet worden.
Insofern könnte ich viele der Argumente wiederholen, die
ich damals in der Lesung des Maßstäbegesetzes genannt
habe. Dieses Maßstäbegesetz ist die Grundlage für das Fi-
nanzausgleichsgesetz, das Sie jetzt novellieren möchten.

In einem Punkt würde ich Ihnen zustimmen: Es steht in
einer Reihe von großen Gesetzen Ihrer Bundesregierung,
nämlich in der Reihe euphemistischer Benennungen von
Gesetzen. Jetzt ist es das Solidarpaktfortführungsgesetz.
Die meisten stolpern über den Namen. Es handelt sich da-
bei natürlich um den neuen Finanzausgleich, in dem auch
der Solidarpakt enthalten ist. Insofern ist ganz klar, dass
wir diesen Gesetzentwurf, mit dem auf der Basis des
Maßstäbegesetzes die detaillierten Verteilungs- und Aus-
führungsfolgen geregelt werden sollen, auch nicht mittra-
gen können. Das ist ja ganz selbstverständlich.


(Sabine Kaspereit [SPD]: Das halte ich nicht für selbstverständlich!)


– Aus unserer Sicht ist es selbstverständlich.
Wenn Sie gestern den Artikel von Paul Kirchhof in der

„FAZ“ gelesen hätten, wüssten Sie – darauf wurde ganz
deutlich hingewiesen –, dass er mit diesen Regelungen
nicht einverstanden ist. Sie haben da ein kleines bisschen
arrogant gesagt – Frau Kaspereit, jedenfalls in meinen
Ohren klang das so –, Sie würden keine Regelungen vom
Lehrstuhl eines Universitätsprofessors oder vom Sessel
eines Bundesverfassungsrichters aus treffen. Das ist ja
schön und gut. Aber das Bundesverfassungsgericht ist
der Hüter unserer Verfassung; das möchte ich Ihnen sehr
deutlich sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Das war uns aber ganz neu!)


Es handelt sich nicht um eine abgehobene Rechtspre-
chung aus der theoretisch-abstrakten Sicht eines Bundes-
verfassungsrichters von einem komfortablen – auch das




Antje Hermenau

20401


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(D)



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(B)


klingt immer mit – Sessel. Es ist vielmehr die authenti-
sche Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, unsere
Verfassung für alle Staatsorgane und natürlich für alle
Staatsbürger verbindlich auszulegen. Ich halte es also
nicht für richtig, wenn wir uns darüber erheben und so tun,
als würde es sich bei den Entscheidungen um Elfenbein-
turmspielereien handeln, an die wir uns nicht weiter hal-
ten müssten.


(Beifall bei der FDP)

Frau Hermenau, ich gebe ihnen vollkommen Recht,

wenn Sie sagen, dass wir durch das Verfahren als Parla-
mentarier beleidigt wurden. Das Verfahren – das habe ich
damals bei der Lesung zum Maßstäbegesetz auch schon
ausgeführt – war natürlich ein Schlag ins Gesicht des Par-
lamentarismus.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich habe es damals so ausgedrückt: Wenn das als Stern-
stunde des Föderalismus gefeiert wird, dann muss ich sa-
gen, dass es eine rabenschwarze Stunde für den Parla-
mentarismus ist.


(Beifall bei der FDP)

Ich bleibe bei meinem Standpunkt.

Die Angelegenheit wäre nicht so schlimm, wenn es nur
um das Verfahren ginge. Aber auch der Inhalt ist in mei-
nen Augen rabenschwarz. Wir haben das heute Morgen
schon mehrfach gehört; ich kann mir nicht verkneifen, das
ebenfalls auszusprechen.

Sehr viel ist auf dem Rücken der Steuerzahler und ins-
besondere der künftigen Generationen geschehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Es war daher relativ leicht, eine 16:0-Lösung zu errei-
chen, mit der man sich brüsten kann und von der man sa-
gen kann: Es gibt nur Gewinner und keine Verlierer. Diese
Rechnung kann aber nicht aufgehen; denn das wäre die
Quadratur des Kreises. Die Verlierer haben wir eindeutig
da, wo es ganz besonders wehtut, nämlich bei der künfti-
gen Generation. Das ist also überhaupt keine Sternstunde
des Föderalismus – ganz im Gegenteil. Ich muss sagen,
dass es so wie immer gelaufen ist und dass es genau so ge-
laufen ist, wie es das Bundesverfassungsgericht durch
seine Rechtsprechung für die Zukunft verhindern wollte.

Über das Verfahren müssen wir uns in den Folgejahren
nicht mehr im Einzelnen verständigen; denn es ist Be-
standteil des Maßstäbegesetzes und damit Grundlage aller
zukünftigen Finanzausgleichsüberlegungen. Nach meiner
Meinung ist das noch schlimmer als das, was wir alles
schon erlebt haben. Es ist also eine nochmalige Ver-
schlechterung und keine Verbesserung. Wenn wir uns als
FDP der Zustimmung zu diesem Gesetz verweigern
– Gott sei Dank ernten wir Lob von der „FAZ“ und von
ähnlichen Organen, dass wir in diesem Punkt so konse-
quent sind –, dann ist das nicht auf bösen Willen
zurückzuführen, sondern auf ein anderes Verfassungsver-
ständnis als das der Mehrheit im Hause.


(Beifall bei der FDP – Sabine Kaspereit [SPD]: Frau Pieper wird in Ostdeutschland viel Verständnis dafür finden!)


– Frau Kaspereit, es ist gut, dass Sie diesen Zwischenruf
machen. Ich habe im Ausschuss darauf hingewiesen, dass
die Ablehnung des Verfahrens und zum Teil auch der In-
halte nicht bedeutet, dass ich die Regelungen im Einzel-
fall alle ablehne.


(JörgTauss [SPD]:Ach! –HeinzSeiffert [CDU/ CSU]:Wenn es alle somachenwürden!)


Ich habe schon damals bei der Lesung zum Maßstäbegesetz
gesagt, dass wir nicht die Solidarität mit den neuen Ländern
in irgendeiner Form aufkündigen wollen. Was aber schlecht
ist – das will ich hier wiederholen, weil Sie es als Positivum
angeführt haben –, ist das so genannte Verfallsdatum.


(Sabine Kaspereit [SPD]: Das habe ich nicht angeführt!)


Solche Dinge kann man in einem Maßstäbegesetz, das ob-
jektive, grundlegende Kriterien enthalten sollte, nicht auf-
nehmen. Es sind keine Lebensmittel, kein Quark und kein
Jogurt, obwohl der Vergleich mit dem Quark manchmal
gar nicht so falsch ist.

Es sind so viele Fehler gemacht worden, dass wir ins-
gesamt sagen müssen: so nicht! Wir bleiben bei dieser
Haltung. Sie werden verstehen, dass die FDP-Fraktion
dieses Solidarpaktfortführungsgesetz ablehnt. Weil die
Grundlagen schon nicht stimmen, können auch die nach-
folgenden Regelungen nicht stimmen.

Ich habe gestern gehört, dass Chateaubriand einmal ge-
sagt haben soll – offensichtlich hat er sich nicht nur um
die Gourmetküche, sondern auch um andere Fragen
gekümmert –, der Föderalismus sei die Staatsform für
Barbaren. Nun ist Chateaubriand als Franzose ein Vertre-
ter des Zentralstaates und Aphorismen sind immer etwas
zugespitzt formuliert. Aber ich muss sagen, dass ich nach
diesem Verfahren in diesem Sonderausschuss dazu neige,
dieser Aussage – zumindest in Teilen – zuzustimmen.
Wenn man sieht, was es da für einen Kuhhandel gegeben
hat, muss man sagen, dass es wirklich traurig ist.

Auch ich möchte den Dank an alle Beteiligten aus-
sprechen. Mein Dank geht besonders an das Sekretariat.
Ich kann das im Einzelnen nicht mehr ausführen, weil ich
nicht so viel Redezeit habe wie Sie, Frau Kaspereit. Die
Arbeit im Ausschuss war fair und ich danke deshalb allen
für die Zusammenarbeit, auch wenn wir als FDP vom Er-
gebnis alles andere als begeistert sind.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420603300
Nun hat die Kollegin
Dr. Barbara Höll für die PDS-Fraktion das Wort.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1420603400
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Nach zweijähriger Debatte kom-
men wir heute zum Abschluss. Ich schließe mich der Mei-
nung an, dass wir im Ausschuss sehr wohl ernsthaft und
intensiv diskutiert haben. Auch ich bin enttäuscht, dass
sich die Bundesratsmitglieder heute durch ihre völlige
Abwesenheit auszeichnen.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS und der SPD)





Gisela Frick
20402


(C)



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(A)



(B)


Wir haben uns intensiv in diesen Prozess eingebracht.
Das vorliegende Ergebnis findet in vielen Punkten unsere
ausdrückliche Unterstützung, vor allem weil es gelungen
ist, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
11. November 1999 in dem entscheidenden Punkt umzu-
setzen: Wir bleiben bei dem Prinzip des solidarischen Fi-
nanzausgleichs und wir gehen nicht in Richtung – wie es
Herr Dautzenberg heute auch noch einmal gesagt hat – ei-
nes Wettbewerbsföderalismus. Dem wurde eine klare Ab-
fuhr erteilt.


(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Joachim Stünker [SPD])


Für uns ist die Situation in den neuen Bundesländern
natürlich besonders wichtig. Wir freuen uns, dass es ge-
lungen ist, Planungssicherheit herzustellen: Den neuen
Bundesländern und Berlin werden für einen langen Zeit-
raum – bis 2019 – insgesamt 206 Milliarden DM zur Ver-
fügung gestellt. Wir meinen, dass das auch notwendig ist.

Frau Hermenau, manchmal sollte man sich als Person
nicht so wichtig nehmen. Es ist egal, ob Sie das hier forsch
fordern oder sich demutsvoll freuen.


(Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Man darf sich doch eine eigene Meinung leisten! Versuchen Sie es einmal!)


Es gibt ein Grundgesetz. In diesem Grundgesetz steht
immer noch, dass wir annähernd gleiche Lebensverhält-
nisse innerhalb des föderalen Systems der Bundesrepu-
blik Deutschland erreichen müssen. Genau das versuchen
wir sowohl mit dem Maßstäbegesetz als auch mit dem So-
lidarpaktfortführungsgesetz.


(Beifall bei der PDS)

Frau Kaspereit, Sie werfen uns Populismus vor. Ich

meine, wir als PDS haben uns ganz bewusst in die Dis-
kussion eingebracht. Dass es gelungen ist, den Flächen-
faktor tatsächlich zu verankern – dies ist wichtig für
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg –, ist auch
unserem Engagement im Ausschuss zu verdanken gewe-
sen. Das möchte ich uns zugute halten.


(Sabine Kaspereit [SPD]: Hören Sie richtig zu!)


– Ich habe richtig zugehört. – Es geht doch einfach darum,
dass die Realitäten zur Kenntnis genommen werden müs-
sen.

Wir freuen uns, dass über das Verankerte hinaus auch
– wir denken es zumindest – die Vereinbarung der Minis-
terpräsidenten vom Juni dieses Jahres eingelöst wird,
nach der für überproportionale Leistungen zusätzlich
100 Milliarden DM zur Verfügung gestellt werden sollen,
die die neuen Bundesländer einsetzen können.

Allerdings muss man sehen, dass wir natürlich trotz-
dem ein wirtschaftliches Problem haben: Wir müssen
feststellen, dass die Schere zwischen den neuen und den
alten Bundesländern wieder weiter auseinander geht.
Nicht nur die PDS, sondern auch die Ministerpräsidenten
der neuen Bundesländer – egal ob der SPD oder der CDU;
jeglicher Couleur also – fordern, dass wir ab dem nächs-
ten Jahr auf alle Fälle etwas tun müssen.


(Beifall bei der PDS)


Das ist auch einer der Gründe, warum wir dem Haushalt
für das nächste Jahr heute nicht zustimmen konnten.
In dieser Richtung muss auf alle Fälle etwas getan
werden.

Das DIW hat in der Diskussion auch schon darauf hin-
gewiesen, dass das Abschmelzen des Mittelflusses – also
die degressive Ausgestaltung – ab 2008 eine Gefahr für
den Aufholprozess der neuen Bundesländer darstellt. Wir
als PDS werden weiterhin konsequent darauf achten, wie
sich die Prozesse entwickeln. Wir werden die nötigen For-
derungen erheben, damit sie erfüllt werden. Wir erheben
sie nicht aus Populismus, sondern weil es uns darum geht,
die Vereinigung tatsächlich voranzutreiben.


(Beifall bei der PDS)

Ein wesentlicher Kritikpunkt, der auch dazu führt, dass

wir bezüglich des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht in
Jubel ausbrechen können, ist die unzureichende Beach-
tung der kommunalen Belange im Gesetzentwurf. Wir
haben einen Änderungsantrag eingebracht. In dem Ände-
rungsantrag fordern wir, dass die einfache Übertragung
EU-rechtlicher Vorgaben zur Haushaltsdisziplin vom
Bund und von den Ländern auf die Kommunen aus dem
Gesetz herausgenommen wird. Wir meinen, dass die
kommunalen Spitzenverbände mit ihrer diesbezüglichen
Forderung Recht haben, da die Regelung im Gesetzent-
wurf den Besonderheiten des kommunalen Haushalts-
rechts sowie der spezifischen Struktur der kommunalen
Ausgaben nicht gerecht wird.

Der so genannte Finanzierungssaldo, der auf der Ebene
des Bundes und der Länder aussagekräftig ist, hat auf
kommunaler Ebene nicht die gleiche Aussagekraft zur
Beurteilung der Haushaltssituation. Deshalb sind wir
dafür, diesen wieder zu streichen. In diesem Sinne werben
wir für Unterstützung.


(Beifall bei der PDS)

Wir möchten noch positiv anmerken, dass die Kritik

der kommunalen Spitzenverbände an anderer Stelle auf-
gegriffen wurde. Auch wir als Fraktion sind für die An-
nahme des Entschließungsantrags, der im Ausschuss fast
einvernehmlich beschlossen worden ist, dass im Jahre
2010 eine grundsätzliche Überprüfung der Finanzbetei-
ligung der westdeutschen Kommunen an den Solidar-
paktlasten erfolgen soll. Als Ergebnis dieser Überprüfung
muss dann eine entsprechende Reaktion, also eine gege-
benenfalls erforderliche Anpassung des Landesvervielfäl-
tigers bei der Gewerbesteuerumlage, erfolgen. – Ich halte
es nicht für sinnvoll, wenn Sie, Herr Dautzenberg, sagen:
Hierüber herrschte im Ausschuss Einigkeit. – Dies ist
wichtig, da sich inzwischen die Situation einiger west-
deutschen Kommunen nicht mehr sehr von der schlechten
Situation vieler ostdeutschen Kommunen unterscheidet.
Hier muss etwas getan werden.


(Beifall bei der PDS)

Insgesamt unterstützen wir das vorliegende Gesetz,

vor allem weil es gelungen ist, das Solidarprinzip
aufrechtzuerhalten. Nicht gelungen ist leider die Ver-
stärkung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der




Dr. Barbara Höll

20403


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(A)



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Finanzbeziehungen auch für die Bürgerinnen und Bürger.
Vielleicht gelingt dies dann in den weiteren Diskussionen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420603500
Ich erteile dem Bun-
desfinanzminister Hans Eichel das Wort.


(von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt)

und Herren! Zum Ende dieser Debatte will ich nur noch
wenige Bemerkungen zu diesem Thema machen. Ich
möchte mich zunächst ausdrücklich für die intensiven Be-
ratungen bedanken. Für den Deutschen Bundestag und
auch für den Sonderausschuss war dies kein einfaches
Verfahren.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


Das ist nicht zu bestreiten.
Die Frage war nur – insofern ist das Ganze am Schluss

dann doch nicht kritikwürdig –, welches Ergebnis am
Schluss der Veranstaltung herauskommen soll. Wollen
wir Mehrheitsentscheidungen, und zwar nicht nur im
Deutschen Bundestag – das werden wir haben –, sondern
auch im Bundesrat? Oder wollen wir eine Situation schaf-
fen, in der alle 16 Länder sagen können: „Jawohl, mit die-
sem Ergebnis sind wir einverstanden“?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wer das anpeilt, kommt – das haben wir gemeinsam
besprochen – in der Tat zu einem anderen Verfahren.
Das ist unvermeidlich. Das ist dann nicht das übliche Ge-
setzgebungsverfahren: Mehrheitsentscheidung, Vermitt-
lungsausschuss und dann möglicherweise wieder Mehr-
heitsentscheidung. Dann muss man sich erstens um die
Übereinstimmung aller 16 Länder und zweitens um die
Übereinstimmung zwischen der Gesamtheit der Länder
und dem Bund bemühen. Das war das Problem.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Das ist das Hauptproblem dieses Gesetzes; sowohl

dem Verfahren als auch dem Inhalt nach. Ich habe Zwei-
fel – mehr will ich dazu gar nicht sagen –, ob sich das
Bundesverfassungsgericht – das ich gut verstehen
kann – bei seiner Rechtsprechung über die Zweistufigkeit
diesem Sachverhalt gestellt hat.

Diesem Verfahren geht eine Einigung unter den Län-
dern darüber voraus, dass die Länderneugliederung in
diesem Zusammenhang kein Gegenstand der Beratung
sein soll. Wir wissen alle, dass über Länderneugliederun-
gen am Schluss nur die Bevölkerung des jeweiligen Lan-
des entscheiden kann. Wir haben das schmerzhaft – auch
ich war für den Zusammenschluss von Berlin und Bran-
denburg – im Falle Berlin und Brandenburg erlebt. Wenn
man dies aber als Grundlage des Föderalismus ansieht
– ich tue das und auch unsere Verfassung tut das –, dann

muss ein Finanzausgleich geschaffen werden, der allen
16 Ländern Lebensmöglichkeiten gibt. Es macht dann
keinen Sinn, einen Finanzausgleich – auch nicht mit
Mehrheit – zu beschließen, durch den am Ende einzelne
Länder zu Haushaltsnotlageländern werden. Dann muss
man darauf achten, dass alle die Chance haben, nicht in
diese Situation hineinzugeraten, sondern – natürlich auch
aufgrund eigener Anstrengungen – auf der Grundlage des
Finanzausgleichs ihre Aufgaben zu erfüllen.

So gesehen glaube ich, dass weder das Verfahren, das
wirklich schwierig war, noch das Ergebnis kritikwürdig
sind. Man kann natürlich über einzelne Fragen streiten,
aber man muss die Grundannahme akzeptieren oder ab-
lehnen.

Deswegen sage ich Ihnen, Frau Professor Frick: Es gibt
ein Problem.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Einige!)

Auf der Ebene der Länder haben sich alle Parteien, so sie
mitregieren, zu diesem Verfahren bekannt. Das gilt auch
für die FDP in Baden-Württemberg, Hessen und Rhein-
land-Pfalz.


(Gisela Frick [FDP]: Das weiß ich!)

Dieses Problem müssen Sie nicht anderen zuschieben,
sondern zuallererst in Ihrer eigenen Partei lösen. Zwi-
schen den Bundes- und Landespolitikern gibt es in diesem
Punkt Differenzen. Das ist nicht das Problem dieses Hau-
ses.

Dies vorausgeschickt sage ich: Der Föderalismus hat
sich als einigungsfähig und – das möchte ich noch aus-
führen – auch als reformfähig erwiesen. Dies setzt aber
immer die Grundannahme voraus. Ich habe über diesen
Punkt lange nachgedacht. Ich gebe Ihnen zu: Am Anfang
war ich nicht unbedingt dafür. Aber das, was Sie, Frau
Professor Frick, als Verfallsdatum genannt haben, kann
man auch ganz anders interpretieren. Ich weiß, dass dies
Herrn Kröning große Sorgen gemacht hat.

Man kann es so interpretieren – ich rate dazu, sich da-
rüber im Klaren zu sein –: Wir brauchen für die Herstel-
lung der inneren Einheit Deutschlands eine Genera-
tion. Mit dem Solidarpakt I und II beschreiben wir genau
diesen Zeitraum von 30 Jahren einer Generation.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Da hat er Recht!)

Dann erst werden wir die innere Einheit Deutschlands
– das ist die Aufgabenstellung des Solidarpakts II – her-
gestellt haben. Dann haben wir gemeinsam – von uns wird
wohl 2017/2018 kaum noch jemand dabei sein, wenn man
über die Folgeregelung nach 2019 nachdenkt – die
Chance, nach Herstellung der deutschen Einheit über alle
Grundsätze des Föderalismus neu zu diskutieren und
diese gegebenenfalls zu ändern, nicht nur die konkreten
Einzelregelungen, sondern auch die Prinzipien.

Vorausgesetzt, wir sind mit der Grundannahme der
Herstellung der inneren Einheit Deutschlands erfolgreich,
könnte dies dazu führen, dass die großen Differenzen zwi-
schen den Ländern geringer werden und man unter der
Voraussetzung zu neuen Regelungen für den Föderalis-
mus kommt, was ich hoffe. Ich glaube unverändert: Wir




Dr. Barbara Höll
20404


(C)



(D)



(A)



(B)


sollten insgesamt mehr zu einer Gemeinschaft der starken
Länder werden, die ihrerseits mehr Rechte im Föderalis-
mus ausüben. Darauf sollten wir zurückkommen.

Wir werden in der nächsten Wahlperiode, auch auf
Wunsch der Länder, bei der Entflechtung von Mischfi-
nanzierungstatbeständen einen ersten Versuch machen.
Wir sollten zu einer Regelung kommen, in der die Länder
und der Bund jeweils selber mehr eigenverantwortlich
entscheiden können. Das ist die bessere Lösung.

Damit komme ich auf die vorhin geäußerte Kritik am
Verfahren zurück, die in extremer Weise zeigt – jedenfalls
an diesem Fall, bei dem es unvermeidlich ist –, wie eng
der Willensbildungsprozess zwischen Bund und Ländern
verknotet ist. Das muss so sein. Aber ich wünsche mir eine
Vielzahl von Fällen, in denen das nicht so ist, in denen der
Deutsche Bundestag und die Länderparlamente alleine
entscheiden können.


(Günter Nooke [CDU/CSU]: Ja!)

Das ist eine befriedigendere Situation. Es wird in einer Si-
tuation, in der hoffentlich die Differenzen zwischen den
Ländern in ihrer Leistungsfähigkeit nicht mehr so groß
sind wie heute, möglicherweise leichter sein, zu diesen
Prinzipien zu finden, als man das in der gegenwärtigen Si-
tuation kann.


(Beifall bei der SPD)

Dies ist eine Politik der Nachhaltigkeit, also eine Poli-

tik, die eben nicht von der Hand in den Mund lebt. Diese
getroffenen Vereinbarungen müssen natürlich von allen,
auch den Ländern, eingehalten werden. Wir haben die
Verabredung: Bis 2019 gelten nicht nur der Solidarpakt II
und damit die Grundlagen für den Aufbau Ost, sondern es
gelten auch die Finanzbeziehungen zwischen den Län-
dern. Ich bin gespannt, ob diese Regelung wirklich alle
einhalten. Daran wird sich die Reife von Politiken erwei-
sen.

Ich sage ausdrücklich: Als hessischer Ministerpräsi-
dent wollte ich nicht das Gericht in Karlsruhe anrufen,
aber nachdem sich Bayern und Baden-Württemberg zu
diesem Schritt entschlossen hatten, konnte sich das
Hauptzahlerland Hessen nicht vom Votum anderer Zah-
lerländer abhängig machen, sondern musste seine eigene
Position vertreten.

Der Solidarpakt II war kaum in Kraft getreten, da hat
Bayern, das vom Nehmerland zum Geberland geworden
war, erklärt, dass ihm die finanziellen Belastungen, die
ihm im Rahmen des Finanzausgleichs aufgebürdet wür-
den, zu hoch seien. Ich hoffe, dass diesmal der Gedanke
der Solidarität nachhaltiger sein wird, als es beim Soli-
darpakt I der Fall gewesen ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der nächste Punkt betrifft die Nachhaltigkeit. Frau
Professor Frick, Ihre Behauptung, es sei ein raben-
schwarzer Tag gewesen, weil es zulasten der Steuerzahler
und der zukünftigen Generationen gehe, ist falsch.


(Heinz Seifert [CDU/CSU]: Nein!)


Sie hängen das immer wieder am Thema Fonds
„Deutsche Einheit“ auf. Das ist grundfalsch; denn bisher
hat in Wahrheit keine Tilgung stattgefunden. Von Tilgun-
gen kann man doch nur dann sprechen, wenn sie aus er-
sparten Mitteln und nicht aus aufgenommenen Krediten
finanziert werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jede Tilgung von Schulden aus dem Fonds „Deutsche
Einheit“ heute ist nichts anderes als eine teure Umbu-
chung; denn die Schulden im Fonds „Deutsche Einheit“
sind zurückgeführt worden, indem für deren Tilgung neue
Schulden in den Ländern und im Bund gemacht worden
sind. Wie kann man denn Schulden aus Krediten zurück-
zahlen? Deswegen haben Sie, Frau Professor Frick, fun-
damental Unrecht. Die Tilgung beginnt erst in dem Au-
genblick, in dem die Haushalte Überschüsse aufweisen.
Deswegen wird überhaupt nichts zulasten der künftigen
Generationen verschoben. Vielmehr haben wir mit der
bisherigen Praxis der Scheintilgung Schluss gemacht. Das
ist der ganze finanzpolitische Vorgang, mit dem wir es zu
tun haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu den Einzelregelungen ist ja schon vieles gesagt
worden. Das möchte ich nicht wiederholen. Ich möchte
nur noch etwas zum Thema Maastricht sagen. Das ist auch
ein sehr schwieriges Kapitel. Ich weiß, dass sich schon
mein Vorvorgänger im Amt, Herr Kollege Waigel, inten-
siv darum bemüht hat, die Bestimmungen des Europä-
ischen Stabilitäts- und Wachstumspakts in innerstaatli-
ches Recht umzusetzen. Das ist auch erforderlich.
Insofern bin ich froh, dass wir wenigstens den Einstieg
geschafft haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Aber selber auch einhalten!)


Angesichts der angepeilten Regelung 16:0 plus 1 – man
darf nicht vergessen, dass die Situationen in den Haushal-
ten der Länder sehr unterschiedlich sind; das macht es
außerordentlich schwierig – bin ich froh, dass sich alle zur
Politik der Reduzierung der Neuverschuldung mit dem
Ziel, ausgeglichene Haushalte zu erreichen, bekennen.
Ich hoffe, dass sich der Einstieg, den wir im Gesetz ge-
funden haben, in der Folge konkretisieren wird. Bisher
gab es hier keine Regelung.

Vor diesem Hintergrund brauchen wir, finde ich, die
abstrakte Debatte über die Frage „Was ist, wenn wir das
Ziel verfehlen; wer bezahlt dann?“ nicht weiterzuführen;
denn daran sind bislang alle Einigungsversuche geschei-
tert. Jeder ist jetzt für seinen Haushalt verantwortlich: wir
für den Bundeshaushalt und die Länder für ihre Haus-
halte. Es kann also – das möchte ich deutlich sagen – gar
nichts verschoben werden; denn alle finanzwirksamen
Gesetze können nie ohne die Zustimmung des Bundesra-
tes verabschiedet werden. Das ist die beste Ausformung
des Konnexitätsprinzips, die man sich überhaupt vor-
stellen kann. Abstrakt ist vieles möglich. Die Zustimmung
der ebenfalls von den Gesetzen, die wir auf den Weg




Bundesminister Hans Eichel

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(B)


bringen, Betroffenen ist die entscheidende Grundlage. Ich
bin froh, dass wir das erreicht haben.

Ich möchte auch noch eine Bemerkung zur PDS ma-
chen, die sich zu ihren kommunalen Finanzen geäußert
hat. Der Bund hat die Position vertreten, dass die kom-
munalen Finanzen zu 100 Prozent einzubeziehen sind.


(Beifall bei der PDS)

Diese Position hätten auch Sie einnehmen sollen; denn

schließlich sollen auch die schwächeren Kommunen voll
einbezogen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie wissen aber, dass dies aufgrund der Regelung 16:0
nicht durchgesetzt werden konnte. Deswegen mussten wir
inhaltliche Einschränkungen hinnehmen, die wir von uns
aus nicht gemacht hätten, obwohl wir weiterhin von der
Richtigkeit unserer Position überzeugt waren.


(Heinz Seifert [CDU/CSU]: Damit kann ich leben!)


Einfach war es auch nicht beim Thema vertikale Um-
satzsteuerverteilung. Ich habe mich über Ihre Bemerkung
zu diesem Thema, Herr Dautzenberg, gewundert; denn
bei aller Beachtung sämtlicher öffentlicher Haushalte ist
es doch unsere Aufgabe, den Bundeshaushalt davor zu be-
schützen, dass er in besonderem Maße belastet wird. Wahr
ist, dass der Bundeshaushalt der am höchsten belastete
Haushalt in Deutschland ist. Er ist strukturell sogar
schlechter als die Etats der Länder, die sich in einer Haus-
haltsnotlage befinden. Deswegen sage ich ausdrücklich,
dass wir – mir gefällt das nicht; aber das ist nun einmal
eine Folge des Prinzips 16:0 plus 1 – bei der vertikalen
Umsatzsteuerverteilung in Wahrheit nicht mehr erreicht
haben, als dass die wechselseitigen Rechtspositionen ge-
wahrt sind. Einzelgesetzliche Regelungen wie die zur Er-
höhung des Kindergeldes sind jeweils neu auszuhandeln.
Das ist das Ergebnis, das die Grundlage zukünftiger Ver-
handlungen ist.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, bekräftige
ich, dass wir es, wenn man das alles zusammen nimmt und
die Ausgangsprämisse teilt, mit einem guten Ergebnis zu
tun haben. Deshalb bitte ich Sie auch herzlich um Zu-
stimmung zu diesem Gesetz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420603600
Das Wort hat nun der
Kollege Heinz Seiffert für die CDU/CSU-Fraktion.


Heinz Seiffert (CDU):
Rede ID: ID1420603700
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Nach 24 Sitzungen im Sonderaus-
schuss und mindestens genau so vielen Sitzungen in den
Arbeitsgruppen können wir heute nach dem so genannten
Maßstäbegesetz die Neuordnung des bundesstaatlichen
Finanzausgleichs und die Fortführung des Solidarpakts
beschließen. Das Verfahren bei dieser Gesetzgebung ist
zuletzt von vielen Seiten völlig zu Recht kritisiert worden.
Das Parlament, also die Abgeordneten des Deutschen

Bundestages, waren quasi gezwungen, einem zwischen
den Ländern ausgehandelten Kompromiss, der dann auch
noch bei Nacht und Nebel im Bundeskanzleramt abge-
segnet wurde, nach Punkt und Komma umzusetzen.


(Hans Eichel, Bundesminister: Es war helllichter Tag! – Joachim Stünker [SPD]: Da war gar kein Nebel!)


Das war keine Sternstunde des Parlamentarismus, das war
eine Zumutung für die Abgeordneten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In diesem Zusammenhang sehe ich auch den Rücktritt des
früheren Ausschussvorsitzenden Kröning als logischen
und konsequenten Schritt an.

Es kommt ja nun nicht selten vor, dass die Abgeordne-
ten des Deutschen Bundestages ihr im harten parlamenta-
rischen Ringen beschlossenes Gesetz fast nicht mehr wie-
dererkennen, wenn es aus dem Vermittlungsausschuss
herauskommt. Ungewöhnlich – und hoffentlich einma-
lig – ist allerdings, dass wir bereits im Gesetzgebungsver-
fahren erfahren, was wir abzunicken haben.

Nach der Einigung der Ministerpräsidenten ist ziem-
lich euphorisch von einer Sternstunde des Föderalismus
gesprochen worden. Ich teile diese Beurteilung absolut
nicht. Das war kein Glanzlicht, sondern das ist ein hart er-
rungener Kompromiss mit ganz erheblichen Schönheits-
fehlern.


(Gisela Frick [FDP]: Ein fauler Kompromiss!)

Wenn ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

richtig verstanden habe, könnte es sein, dass die Verfas-
sungsrichter an dem, was wir heute beschließen und im
Maßstäbegesetz schon abgesegnet haben, nicht die reine
Freude haben werden. Aus heutiger Sicht braucht uns dies
zumindest für die kommenden 19 Jahre nicht besonders
zu beunruhigen. Bund und Länder waren sich ja einig. Wo
kein Kläger ist, ist auch kein Richter. Spannend wird die
Sache erst dann wieder, wenn es sich im Laufe der Jahre
eines der Länder oder gar der Bund anders überlegt. Ich
bin einmal gespannt, ob 19 Jahre auch wirklich 19 Jahre
sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ganz sicher hat das Bundesverfassungsgericht nicht

gewollt, dass man den komplizierten Finanzausgleich mit
all seinen Sonderregelungen fortschreibt, ohne deren Be-
rechtigung sauber nachzuweisen. Der Finanzausgleich
wird durch dieses Gesetz nicht einfacher und transparen-
ter, ganz im Gegenteil. Herr Minister Eichel, es ist keine
besondere Kunst, eine Reform zu machen, bei der alle Be-
teiligten nur profitieren, was hier der Fall ist. Dass dieser
Konsens nur durch die Einbeziehung des Fonds „Deut-
sche Einheit“ in den Finanzausgleich möglich wurde, ist
allerdings mehr als ein Schönheitsfehler. Diese scheinbar
elegante Lösung hat einen entscheidenden Nachteil: Die
Tilgungsstreckung – um nichts anderes dreht es sich hier –
geht voll zulasten der kommenden Generationen,


(Hans Eichel, Bundesminister: Falsch!)





Bundesminister Hans Eichel
20406


(C)



(D)



(A)



(B)


der künftigen Steuerzahler und auch zulasten späterer Re-
gierungen.


(Hans Eichel, Bundesminister: Falsch!)

Ihnen, Herr Minister Eichel, verschafft diese Tilgungs-
streckung Liquidität im Wahljahr.

Gestern hat der Verfassungsrechtler Professor Kirchhof,
der an dem Urteil maßgeblich mitgewirkt hat, in der
„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geschrieben, „dass
die Entschuldung der einigungsbedingten Sonderlasten
verlangsamt und damit noch mehr auf die zukünftige Ge-
neration verlagert worden ist.“ Entweder haben Sie oder
hat Professor Kirchhof es nicht richtig verstanden. Ich
sage Ihnen ganz offen: Ich glaube in diesem Fall Herrn
Professor Kirchhof mehr.


(Joachim Stünker [SPD]: Warum eigentlich?)

Wesentlich ehrenwerter – auch das sage ich ganz of-

fen – wird diese Aktion auch nicht dadurch, dass alle Lan-
desfinanzminister mitgemacht haben. Für sie habe ich im
Übrigen noch mehr Verständnis, weil auch die Länder-
haushalte unter den wegbrechenden Steuereinnahmen
und der Wirtschaftsschwäche leiden, die in erster Linie
diese Bundesregierung verursacht und zu verantworten
hat.

Es war unserer Fraktion wichtig, im Rahmen des Ge-
setzgebungsverfahrens auch den kommunalen Spitzen-
verbänden in einer Anhörung Gelegenheit zu einer Stel-
lungnahme zu geben. Auch bei diesem Gespräch ist
deutlich geworden, dass die Regierung die Kommunen in
eine äußerst dramatische Finanzsituation gebracht hat.


(Joachim Stünker [SPD]: Na, na, das war wohl anders!)


Es wurde berichtet, dass das Präsidium des Deutschen
Städtetages „in seiner Verzweiflung“


(Joachim Stünker [SPD]: Über die Länder!)

einen Brief an den Herrn Bundestagspräsidenten


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Auch an die Fraktionen!)


und an die Fraktionen geschrieben habe.
Auch wenn wir in diesem Ausschuss und in diesem Ge-

setzgebungsverfahren die Interessen der Kommunen
nicht wahrnehmen können – nach dem Grundgesetz sind
eben eindeutig die Länder zuständig –, so sollten wir we-
nigstens die Sorgen und Nöte der Kommunen ernst neh-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Stünker [SPD]: Das tun wir!)


Wir haben getan, was wir in diesem Ausschuss gemein-
sam tun konnten. Der Entschließungsantrag, wonach die
erhöhte Gewerbesteuerumlage bereits im Jahr 2010, also
fünf Jahre nach dem In-Kraft-Treten des neuen Finanz-
ausgleichs,


(Joachim Poß [SPD]: Sie haben die Gewerbesteuer ausgehöhlt!)


hinsichtlich ihrer Angemessenheit überprüft werden soll,
ist mehr als berechtigt. Dem stimmen wir auch gemein-
sam zu.

Ganz unabhängig hiervon sollte die Bundesregierung
als Sofortmaßnahme zugunsten der Kommunen die Ge-
werbesteuerumlage wieder absenken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie muss sofort auf das Niveau gebracht werden, das sie
vor der Unternehmensteuerreform hatte: Die Annahme
– höhere Steuereinnahmen –, die der damaligen Erhöhung
zugrunde gelegt wurden, sind nicht eingetreten. Deshalb
muss dies umgehend zugunsten der Kommunen korrigiert
werden.

Meine Damen und Herren, wenn wir dem vorliegenden
Gesetz trotz dieser kritischen Bemerkungen zustimmen,
dann deshalb, weil sich die Länder auf eine Verbesserung
der Anreize im Finanzausgleich einigen konnten und weil
eine Regelung zur Fortführung des Solidarpaktes gefun-
den wurde. Gerade für die neuen Länder ist es wichtig,
dass sie langfristig Planungssicherheit und Gestaltungs-
möglichkeiten haben. Dies ist eindeutig positiv zu werten.
Ich sehe darin auch ein Stück verwirklichter Solidarität
der Geberländer und auch des Bundes.

Eines will ich aber klar sagen: Was in der Öffentlich-
keit als großer Sieg für die neuen Bundesländer verkauft
worden ist – es wurden Stimmen laut, sie bekämen jetzt
mehr, als sie gewollt hätten –, ist deutlich weniger als das,
was berechtigt war und auch durch Gutachten eindeutig
belegt worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Fragen Sie mal Baden-Württemberg!)


Immerhin sollen die neuen Länder aber nun über dieses
Geld frei und ohne besondere Zweckbindung verfügen.
Das begrüßen wir ausdrücklich, weil es ein Stück mehr
Gestaltungsmöglichkeit und Autonomie für die Länder
schafft.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Allerdings übernehmen die Länder damit auch mehr Ver-
antwortung. Sie werden sich im jährlichen Fortschrittsbe-
richt bald an ihren Erfolgen messen lassen müssen. Ich
habe keinen Zweifel daran, dass gut regierte Länder die-
sen Vergleich nicht zu scheuen brauchen.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Sachsen und Thüringen zum Beispiel!)


Ich sehe nur noch eine größere Aufgabe für den Son-
derausschuss. Das ist die Beratung über ein Gesetz zur
Verteilung der Umsatzsteuer. Nicht nur im Ent-
schließungsantrag vom 5. Juli 2001 wurde bekundet, dass
für die Anwendung des Deckungsquotenverfahrens ein
rechtssicheres Verfahren vereinbart werden soll. Auch in
dem bereits angesprochenen Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts wird zwingend eine gesetzliche Regelung
gefordert. Der Kuhhandel um die Umsatzsteuer, der bis-
her jedes Jahr aufs Neue zwischen Bund und Ländern ver-
anstaltet wird, hat also rechtlich keinen Bestand und im
Übrigen auch keine Zukunft.




Heinz Seiffert

20407


(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Minister Eichel, wir erwarten also aus Ihrem
Hause alsbald einen fairen Vorschlag, der sowohl den In-
teressen des Bundes – das liegt uns natürlich auch am Her-
zen, wenn wir nächstes Jahr Ihr Haus wieder übertragen
bekommen –


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gisela Frick [FDP] – Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Warten Sie mal ab!)


als auch den Interessen der Länder gerecht wird. Falls sich
jedoch abzeichnet, dass es nicht gelingen wird, diesen Ge-
setzentwurf noch im Frühjahr 2002 zu beraten und zu ver-
abschieden, dann sollten wir die Arbeit dieses Sonderaus-
schusses, der getan hat, was er konnte – das will ich hier
auch bestätigen –, beenden.

Wir erwarten, dass sofort und nicht erst am Sankt-
Nimmerleins-Tag eine Kommission zur Neuordnung und
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung einge-
setzt wird. Zu dieser Föderalismusreform gehört auch
eine umfassende Gemeindefinanzreform.


(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der PDS)


Der Bund sollte die Länder, die jetzt eine Entflechtung der
Gemeinschaftsaufgaben und der Mischfinanzierungen
angemahnt haben, beim Wort nehmen.


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Die Kommission muss sofort eingesetzt werden!)


Es muss auch sichergestellt sein, dass das Geld, das den
Kommunen zum Wirtschaften und Überleben zusteht,
dann nicht auf anderen Ebenen hängen bleibt, sondern
wirklich durchgereicht wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wie in NordrheinWestfalen!)


Wichtig sind hierbei vor allem die eindeutige Zuordnung
von Verantwortlichkeiten sowie mehr Transparenz bei
den politischen Strukturen und Verfahren. Nur so wird der
– unter dem Strich – erfolgreiche Föderalismus in
Deutschland für die Zukunft gerüstet sein.

Dem so genannten Solidarpaktfortführungsgesetz
stimmen wir nach reiflicher Abwägung – bei Zurückstel-
lung der beschriebenen Bedenken – zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420603800
Ich schließe die Aus-
sprache und kündige an, dass der Kollege Jochen-Konrad
Fromme nach den Abstimmungen eine Erklärung zur Ab-
stimmung abgeben wird.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den von
den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-
nen eingebrachten Entwurf eines Solidarpaktfort-
führungsgesetzes, Drucksache 14/7063. Der Sonderaus-
schuss Maßstäbegesetz/Finanzausgleichsgesetz empfiehlt
unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/7646, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung
anzunehmen.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der PDS vor, über
den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Ände-
rungsantrag auf Drucksache 14/7648? – Wer stimmt da-
gegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist gegen
die Stimmen der PDS abgelehnt.

Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Kollege Fromme
und die FDP-Fraktion stimmen dagegen. Der Gesetz-
entwurf ist in zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Ge-
genprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit
angenommen. Ich gratuliere allen, die dazu beigetragen
haben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Wir kommen nun zu dem von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurf eines Solidarpaktfortführungsge-
setzes, Drucksache 14/7256. Der Ausschuss empfiehlt un-
ter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/7646, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. –
Ich überlege gerade, was eigentlich passierte, wenn wir
ihn nicht für erledigt erklärten. Aber das ist nicht meine
Aufgabe. – Wer stimmt für diesen Teil der Beschlussemp-
fehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dieser Teil der
Beschlussempfehlung ist angenommen.

Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/7646 empfiehlt der Ausschuss die Annahme einer
Entschließung. Wer stimmt für diesen Teil der Beschluss-
empfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Gegen die
Stimmen der FDP ist dieser Teil der Beschlussempfehlung
angenommen.

Nun folgt die Erklärung des Kollegen Jochen-Konrad
Fromme nach § 31 der Geschäftsordnung. Bitte sehr.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1420603900
Frau Präsi-
dentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich
kann dem Gesetz nicht zustimmen, weil es einen schwe-
ren Abwägungsmangel hat.

Es ist ein Bundesgesetz, das heißt, der Deutsche Bun-
destag muss zu diesem Gesetz und seinen Grundlagen
eine Abwägung vornehmen. Dazu müssen ihm die ent-
sprechenden Fakten vorgelegt werden.


(Beifall des Abg. Günter Nooke [CDU/CSU])

Das war in der Frage der Gewerbesteuerumlage nicht der
Fall. Wir haben die Bundesregierung rechtzeitig aufge-
fordert – da war sich der Ausschuss einig; schade, dass der
Kollege Metzger jetzt nicht hier ist –, uns die Entwick-
lung der Gewerbesteuer mit Zahlen und Fakten aufzu-
zeigen.

Die Festlegung beruht auf Prognosen. Von Zeit zu Zeit
muss man einmal nachschauen, ob diese Prognosen zu-
treffen. In diesem Fall ist äußerst umstritten, ob sie zu-




Heinz Seiffert
20408


(C)



(D)



(A)



(B)


treffen. Ich erinnere an die Anhörung der kommunalen
Spitzenverbände.

Die Bundesregierung hat zunächst einmal verbal mit
Ausflüchten geantwortet. Sie hat dann zugesagt, die Zah-
len und Fakten zu liefern.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Nichts kam!)

Als das entscheidende Datum war, hat sie nur gesagt, die
Länder seien zuständig, sie wolle die Fakten nicht vorle-
gen.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das war die Ausrede!)


Eine Abwägung, die sozusagen auf Nichtfakten beruht,
kann nicht in Ordnung sein.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder hat die Bun-
desregierung die Fakten nicht gekannt – dann war es fahr-
lässig, dem Bundestag ein Gesetz vorzulegen, weil ab-
sehbar war, dass die Abwägung nicht stattfinden kann –
oder sie hat die Fakten gekannt; dann hat sie etwas zu ver-
bergen und hat sie deshalb nicht vorgelegt. Beides ist
gleich schlimm und das versieht dieses Gesetz mit einem
unheilbaren und unerträglichen Mangel.

Ich muss auch sagen, dass die Arbeit der Abgeordne-
ten, insbesondere der Oppositionsabgeordneten, in einem
unerträglichen Maße erschwert worden ist, denn der Wis-
senschaftliche Dienst konnte nicht helfen, weil das
Bundesfinanzministerium auch hier die Zusammenarbeit
verweigert hat.

Einem Gesetz, das auf solche Art und Weise zustande
gekommen ist, kann ich nicht zustimmen.

Es gibt noch zwei weitere Punkte: Sie haben – daran
waren insbesondere die damaligen Ministerpräsidenten
Schröder, Eichel, Lafontaine. beteiligt – bei der Familien-
lastenausgleichsregelung 1996 festgelegt, in welchem
Verhältnis Bund und Länder belastet werden sollen.
Diese Festlegung haben Sie hier nicht eingehalten. Sie ist
eingefordert worden und wird leider nicht fortgeschrie-
ben. Das ist für mich der zweite Grund.

Der dritte Grund ist, dass der wesentliche Punkt, die
Umsatzsteuerverteilung durch Deckungsquotenberech-
nung, die zu den Grundfragen des Finanzausgleichs
gehört, nicht berücksichtigt wird. Herr Minister Eichel,
wenn das nun die große Reform ist, darf man eine solche
wichtige Grundfrage nicht offen lassen.

Das sind die drei Gründe dafür, dass ich nicht zustim-
men konnte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und bei der FDP)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420604000
Nun rufe ich Zusatz-
punkt 3 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Versor-
gungsänderungsgesetzes 2001
– Drucksachen 14/7223, 14/7257 –

(Erste Beratung 198. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Versor-
gungsänderungsgesetzes 2001
– Drucksache 14/7064 –

(Erste Beratung 193. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung des Beamtenrechtsrahmengesetzes

(BRRG)

– Drucksache 14/6717 –

(Erste Beratung 193. Sitzung)


a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)

– Drucksache 14/7681 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Meinrad Belle
Helmut Wilhelm (Amberg)

Dr. Max Stadler
Petra Pau

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 14/7693 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Werner Hoyer
Gunter Weißgerber
Carl-Detlev von Hammerstein
Oswald Metzger
Dr. Christa Luft

Der Innenausschuss hat in seine Beschlussempfehlung
den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Än-
derung des Beamtenrechtsrahmengesetzes einbezogen,
über den wir jetzt ebenfalls abschließend beraten werden. –
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist so be-
schlossen.

Zum Entwurf des Versorgungsänderungsgesetzes lie-
gen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU so-
wie ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag
der Fraktion der PDS vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Auch damit
sind Sie einverstanden. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Hans-Peter Kemper, SPD-Fraktion.


Hans-Peter Kemper (SPD):
Rede ID: ID1420604100
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Heute verabschieden wir das
Versorgungsänderungsgesetz 2001 und damit die wir-
kungsgleiche Übertragung der Rentenreform auf die
Beamtenversorgung. Außerdem beschließen wir die Än-
derung des Beamtenrechtsrahmengesetzes.

Bevor ich aber zu den Einzelheiten komme, will ich die
Gelegenheit nutzen und mich ganz herzlich bei den Kol-
leginnen und Kollegen aus dem Innenausschuss, insbe-
sondere bei den Berichterstattern, bedanken. Es war nicht




Jochen-Konrad Fromme

20409


(C)



(D)



(A)



(B)


immer ganz einfach. Es hat Irritationen, Zeitdruck und
Ärger gegeben; dennoch haben wir gut zusammenge-
arbeitet und waren in vielen Punkten einer Meinung, auch
wenn Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, heute in der Schlussabstimmung zu einem
falschen Ergebnis kommen.


(Zustimmung des Abg. René Röspel [SPD])

Aber so ist das halt in der Politik zwischen Opposition und
Regierung.

Ich möchte auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
tern des Innenministeriums danken, die sich in der letzten
Zeit über Arbeitsmangel wirklich nicht zu beklagen hat-
ten. Ich weiß, dass sie die eine oder andere Nachtschicht
eingelegt haben, um dieses Gesetz über die Bühne zu
bringen.

Zur Sache: Mit diesem Gesetz werden die Inhalte der
Rentenreform weitgehend wirkungsgleich auf die Beam-
tenversorgung übertragen. Der Anstieg der Beamten-
versorgung wird in acht Jahresschritten bis 2010 abge-
flacht. Die noch von der Vorgängerregierung installierte
Versorgungsrücklage von jährlich 0,2 Prozent wird bis
zum Jahre 2010 ausgesetzt und dann bis zum Jahre 2017
weitergeführt.

Ziel dieser Maßnahme ist es, wie bei der Rentenreform
die immensen Kosten der Alterssicherung abzumildern.
Die Kosten für die Versorgung werden sich in den nächs-
ten Jahren nahezu vervierfachen. Das liegt zum einen da-
ran, dass die Menschen älter werden; das ist die demo-
graphische Entwicklung. Zum anderen liegt es aber auch
daran, dass in den 60er- und 70er-Jahren ungleich mehr
Beamte eingestellt worden sind, die jetzt nach und nach in
den Ruhestand treten und damit zu Versorgungsempfän-
gern werden. Das trifft nicht in erster Linie die Bundes-
haushalte, sondern die Länderhaushalte.

Den Beamten wird künftig die Möglichkeit einer kapi-
talgedeckten, staatlich geförderten Alterssicherung einge-
räumt.

Ich will nur auf einige Punkte eingehen, die wir ne-
benher noch beschlossen haben. Stichwort: Qualifizier-
ter Dienstunfall. Wir haben die Anforderungen für den
qualifizierten Dienstunfall neu formuliert und zugespitzt.
Damit tragen wir einem alten Anliegen der Gewerkschaf-
ten und der Verbände Rechnung; denn es ist nicht einzu-
sehen, dass die Vollzugsbeamten im öffentlichen Dienst,
die in ihrem Dienst einer besonderen Gefährdung ausge-
setzt werden und durch ihren Einsatz für die innere Si-
cherheit, für die Sicherheit der Menschen gelegentlich
auch ihr Leben riskieren, im Anschluss an solch einen Un-
fall auch noch um die Anerkennung als qualifizierten
Dienstunfall kämpfen müssen, nämlich um 80 Prozent aus
der übernächst höheren Besoldungsgruppe. Das haben
wir umformuliert; das ist besser geworden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben gemeinsam mit der CDU/CSU einen Vor-

schlag des Bundesrates aufgegriffen. Es geht um die so
genannten Bürgermeister der ersten Stunde. Wir haben für
die kommunalen Wahlbeamten im Beitrittsgebiet, die
eine Amtszeit von acht Jahren erreicht oder überschritten

hatten und vor dem 3. Oktober 2000 in den Ruhestand ge-
treten sind, erhebliche Verbesserungen herbeigeführt.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Sehr gut!)

Das waren die Männer und Frauen der ersten Stunde, die
damals nicht lange gefragt haben, ob sie das können, ob
sie die richtige Ausbildung haben, ob es Vorbilder gibt für
das, was sie leisten sollten. Nein, sie haben angepackt und
ihre Sache gut gemacht.


(Beifall bei der SPD)

Ich will unserem Kollegen Ernst Bahr, der diese Pro-

blematik hier aufgegriffen hat und das Ganze intensiv be-
gleitet hat, noch einmal ganz ausdrücklich danken. Er hat
uns für diese Probleme sensibilisiert.

In Bezug auf die Bundeswehr haben wir deutlich ge-
macht, dass wir die Verantwortung für unsere Soldaten
ernst nehmen. Es ist klar, dass die Soldaten, die aufgrund
besonderer Altersgrenzen früher in den Ruhestand gehen,
Gehaltseinbußen zu verzeichnen haben. Wir haben dem
Rechnung getragen. Unter der Voraussetzung, dass die
vorzeitig in den Ruhestand gehenden Beamten nicht so-
fort wieder in einen gut dotierten Job eintreten, bekom-
men sie – zusätzlich zu einer einmaligen Abfindung – für
jedes Jahr, das sie vor dem 60. Lebensjahr in den Ruhe-
stand gehen, 1 000 DM.

Das ist nur wenige Tage nach den wesentlichen Struk-
turverbesserungen festgelegt worden, die vor kurzem
beschlossen worden sind, nämlich der Wegfall der Be-
soldungsgruppen A 1 und A 2 sowie die Ausweitung der
Besoldungsgruppen A 9 für Unteroffiziere und A 12 und
A 13 für das Führungspersonal. Es wäre nicht schlecht
gewesen, wenn der Bundeswehr-Verband bei der großen
Demonstration am letzten Montag auf diese massiven
Strukturverbesserungen hingewiesen hätte. Das hat es
nämlich in der alten Regierung in diesem Ausmaß nie
gegeben. Deshalb wäre es wert gewesen, das zu er-
wähnen.

Zwei weitere Themen möchte ich gerne noch anspre-
chen, zum einen die Möglichkeit einer kollektiven Lö-
sung bei der privaten Altersvorsorge. Das ist ein Anlie-
gen der Gewerkschaft, das wir mit aufgenommen haben.
Wir werden allerdings auf dieses Thema noch einmal
zurückkommen. Wenn die Verhandlungen im Tarifbereich
abgeschlossen sind, werden wir prüfen, ob eine
Entgeltumwandlung möglich ist.

Die Präsidentin mahnt mich über das Display, meine
Rede zu beenden. Ich hätte zwar noch einiges zu sagen,
aber ich will dann auch zum Schluss kommen – obwohl
ich mich hier vorne sehr wohl fühle, Frau Präsidentin;
aber es geht ja leider nicht anders.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420604200
Danke schön.


Hans-Peter Kemper (SPD):
Rede ID: ID1420604300
Wir wissen, dass wir
dem öffentlichen Dienst mit diesem Gesetzentwurf eine
Menge zumuten. Es geht aber nicht anders, wenn wir die
Staatsfinanzen dauerhaft stabilisieren wollen und wenn




Hans-Peter Kemper
20410


(C)



(D)



(A)



(B)


wir dem öffentlichen Dienst ein dauerhaftes Überleben
garantieren wollen.

Frau Präsidentin, ich bedanke mich ausdrücklich für
Ihre Langmut. Danke, Anke!


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420604400
Das war gewährt. –
Jetzt kommt der Kollege Meinrad Belle für die
CDU/CSU-Fraktion.


Meinrad Belle (CDU):
Rede ID: ID1420604500
Frau Präsidentin! Meine
Damen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es wird Sie nicht verwundern, dass ich dem Inhalt der
Rede meines geschätzten Kollegen Kemper natürlich
in keiner Weise zustimmen kann; denn 1,9 Millionen
Richter, Beamte und Soldaten sowie 850 000 Versor-
gungsempfänger mit ihren Familien fühlen sich veralbert,
ja verschaukelt.

Es ist eine Zumutung, in welchem Düsenjägertempo
– der bisher übliche Begriff D-Zug-Tempo reicht gar nicht
mehr aus – ein Gesetzesvorhaben mit erheblichen Aus-
wirkungen auf die Betroffenen und ihre Familien durch
die Bundestagsgremien gepeitscht wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: So was haben wir noch nie gehabt!)


Auf das vernichtende Ergebnis der der Sachverständi-
genanhörung wird weder von der Bundesregierung noch
von den Koalitionsfraktionen reagiert.


(Dr. Max Stadler [FDP ]: So ist es!)

Auf die sachlich fundierten Aussagen der Sachverständi-
gen sind Sie in Ihren Redebeiträgen im Innenausschuss
überhaupt nicht eingegangen. Die Beratungen im Innen-
ausschuss können unter diesen Umständen nur als Farce
bezeichnet werden.

Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Zigtausende
auf der Straße demonstrieren. Am Montag dieser Woche,
in einer Zeit, in der Polizeibeamte wegen der inneren Si-
cherheit und Soldaten wegen der gefährlichen Auslands-
einsätze besonders gefordert sind, demonstrierten
25 000 Polizeibeamte und Soldaten in Berlin. Wenn ich
Mitglied Ihrer Regierungskoalition wäre, würde ich mich
geohrfeigt fühlen.


(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Das ist denen völlig wurscht!)


Nun zur Sache. Der erste Versorgungsbericht wurde in
unserer Regierungszeit vorgelegt. Mit der Versorgungs-
rechtsreform in der letzten Legislaturperiode haben wir
wirkungsvolle Maßnahmen zur Untermauerung des Ver-
sorgungswerks in Bund, Ländern und Gemeinden ergrif-
fen. Wir benötigen keine Nachhilfe in Sachen Versor-
gungsreform.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Obgleich die riestersche Rentenreform von uns hier ab-
gelehnt wurde, haben wir uns grundsätzlich mit der wir-
kungsgleichen Übertragung der Rentenreform, allerdings
bei vollständiger Anrechnung der Vorleistungen, einver-
standen erklärt.


(Heidemarie Ehlert [PDS]: Darin liegt das Problem!)


– Ganz genau.
Von Anfang bestand Streit über die Wirkungsgleichheit

und die Anrechnung der Vorleistungen.

(Wolfgang Zeitlmann [CDU/CSU]: Reines Spargesetz!)

Daher kam dem Ergebnis der Sachverständigenanhörung
am 8. November 2001 besondere Bedeutung zu. Das Er-
gebnis war vernichtend. Einen derartigen Totalverriss ei-
nes Gesetzentwurfs habe ich noch nicht erlebt: Acht von
zehn Sachverständigen erklärten von vornherein, dass
keine wirkungsgleiche Übertragung vorliege und die Vor-
leistungen nicht ausreichend berücksichtigt seien. Ein
Sachverständiger bestätigte eine einigermaßen wirkungs-
gleiche Übertragung, wollte sich aber zur Anrechnung der
Vorleistungen nicht äußern. Ein einziger Sachverständi-
ger sprach von einer wirkungsgleichen Übertragung und
Anrechnung der Vorleistungen, war sich seiner Sache
dann aber doch nicht sicher; denn er empfahl den Aus-
tausch der Gesetzesbegründung,


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Herr Minister, ist Ihnen das berichtet worden?)


weg von der Übertragung der Rentenreform, hin zu einem
allgemeinen Versorgungsreformgesetz. Das war’s!

Es wurde überzeugend dargelegt, dass die vorgesehe-
nen Kürzungsmaßnahmen zu einer Sonderbelastung der
Beamten und der Versorgungsempfänger führen, und
zwar wegen der so genannten Bifunktionalität der Beam-
tenversorgung, die im Gegensatz zur gesetzlichen Rente
Regelversorgung und betriebliche Zusatzversorgung
beinhaltet. Mehrfach wurden grundsätzliche verfassungs-
rechtliche Bedenken, insbesondere wegen der Art und
Weise der Einbeziehung der Bestandspensionäre, vorge-
tragen.

Beanstandet wurde ebenfalls, dass die Einsparungen
aus den Vorleistungen der verschiedenen Einzelmaßnah-
men des Dienstrechts- und Versorgungsreformgesetzes
der letzten Legislaturperiode und die Wirkung der Erhe-
bung der Versorgungsrücklage auch bei den aktiven Be-
amten nicht berücksichtigt wurden. Die Summe der Ein-
sparungen der Einzelmaßnahmen – Wegfall der
Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage, Hinausschieben
der Antragsaltersgrenze usw. – belaufen sich allein bis
zum Ende dieses Jahres auf etwa 4,4 Milliarden DM.


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Das war ein schwerer Fehler, den Sie da gemacht haben!)


Ihre Reaktion auf dieses niederschmetternde Ergebnis
der Anhörung: null. Es gab hierzu keinen einzigen Wort-
beitrag Ihrerseits im Innenausschuss. Das ist ein Skandal!


(Beifall bei der CDU/CSU)





Hans-Peter Kemper

20411


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich möchte noch einige wenige Sätze zu den finanziel-
len Auswirkungen dieses Gesetzes sagen. Die Minderaus-
gaben der öffentlichen Haushalte belaufen sich in der ers-
ten Stufe auf 12 Milliarden DM. Es sollen also
12 Milliarden DM brutto eingespart werden. Davon wird
die Hälfte, also 6 Milliarden DM, der Versorgungsrück-
lage zugeführt. Nach den Auskünften der Bundesregie-
rung wird andererseits durch die Einbeziehung der Beam-
ten in die steuerliche Förderung der privaten
Altersvorsorgemit Steuermindereinnahmen in Höhe von
9,3 Milliarden DM gerechnet. In den Haushalten von
Bund, Ländern und Gemeinden fehlen also in der ersten
Stufe insgesamt 3,3 Milliarden DM. Adam Riese lässt
grüßen.

Lassen wir einmal die Zuführung zur Versorgungs-
rücklage unberücksichtigt: Nach Berechnungen des Deut-
schen Städte- und Gemeindebundes werden in Anbetracht
des Einkommensteuerverbundes Bund, Länder und Ge-
meinden in der ersten Stufe bis 2010 beim Bund und bei
den Kommunen zusammen rund 600 Millionen DM
Mehrausgaben entstehen. Lediglich die Länder können
mit einer Nettoentlastung von rund 4,7 Milliarden DM
rechnen. Da lobe ich mir die finanziellen Entlastungswir-
kungen der von uns 1998 mit Ihrer Zustimmung einge-
führten Versorgungsrücklage.

Überdenkt man die finanziellen Auswirkungen der be-
absichtigten Reform unter Berücksichtigung der Zu-
führung zur Versorgungsrücklage mit einer Zu-
satzbelastung von 3,3 Milliarden DM in der ersten Stufe,
kommt man zu folgendem Ergebnis:

Erstens. Eine Versorgungsrücklage und ein beabsich-
tigter Systemwechsel zur Absenkung des Höchstsatzes
der Pensionen passen nicht zusammen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Man muss sich für einen Weg entscheiden: entweder für
die Versorgungsrücklage oder für die Absenkung der pro-
zentualen Pensionshöhe.

Zweitens. Die finanziellen Auswirkungen sind nicht
vollständig bedacht. Entweder wurde schlampig gearbei-
tet oder man will auf kaltem Wege, sozusagen klamm-
heimlich, den ersten Schritt zu einem einheitlichen öf-
fentlichen Dienstrecht gehen; das könnte natürlich auch
sein.

Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern:
Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Gleichzeitig wollen
wir mit unserem Änderungsantrag zur zweiten und dritten
Lesung die im Innenausschuss teils abgelehnten, teils
nicht vollständig übernommenen folgenden Änderungen
erreichen: erstens die Beibehaltung der bisherigen
Rechtslage durch Fortführung der Versorgungsrücklage
entsprechend unserer Versorgungsrechtsreform mit einer
Absenkung der Aktiven- und Versorgungsbezüge um
3 Prozent, zweitens eindeutige Verbesserungen beim qua-
lifizierten Dienstunfall und drittens die Abschaffung der
einschränkenden Quotierung von Ausbildungszeiten.

Wenn ich die im Bereich des Innern geleistete gesetz-
geberische Arbeit der letzten Monate und die Tagesord-
nungen der letzten Wochen Revue passieren lasse, muss

ich feststellen: Zuerst passierte lange Zeit nichts. Ge-
setzesvorhaben wurden großartig angekündigt; aber den
Bundestag hat in dieser Hinsicht so gut wie nichts er-
reicht. Dann wurden in den letzten Wochen nicht aus-
gereifte Gesetzentwürfe überhastet eingebracht und der
Gesetzgebungsprozess überstürzt durchgezogen. Bei Ih-
nen war so gut wie keine Bereitschaft zu einer sachge-
rechten Diskussion vorhanden.

Meine Damen und Herren, auch in der Gesetzgebung
gilt der alte Grundsatz: Gut Ding will Weile haben. Die
Beachtung dieses alten Sprichwortes würde der Qualität
Ihrer Arbeit nur gut tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420604600
Das Wort hat nun der
Kollege Helmut Wilhelm für Bündnis 90/Die Grünen.

Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Um es gleich vorwegzunehmen: Bei der heutigen Ab-
schlussberatung des Versorgungsänderungsgesetzes 2001
bleibt für mich ein kleines Restproblem: Einerseits halte
ich das Vorhaben der wirkungsgleichen Übertragung der
Reform der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Be-
amtenversorgung tatsächlich für unaufschiebbar. Ande-
rerseits hätte ich es begrüßt, wenn auf einige Kritikpunkte
der Sachverständigen, geäußert in der Anhörung vor dem
Innenausschuss, noch etwas stärker eingegangen worden
wäre.

Während die neue Regierung für Arbeitnehmer die
Einschränkungen im Rentenversicherungssystem bei
ihrem Amtsantritt aufgehoben hat, blieb es bei den Beam-
ten bei dem entsprechenden Einschnitt, bei dem 0,2-pro-
zentigen Versorgungsabschlag. Zwar wurden diese Vor-
leistungen der Beamten und Beamtinnen mit der
Anhebung des Höchstversorgungssatzes von 71,25 Pro-
zent auf nunmehr 71,75 Prozent zumindest teilweise aus-
geglichen. Ich hätte mir aber nach der Sachverständigen-
anhörung gewünscht, dass wir uns – damit meine ich die
Innenpolitiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen –mit
unserem gemeinsamen Vorschlag, den Höchstversor-
gungssatz auf 72 Prozent anzuheben, hätten durchsetzen
können. Immerhin hat die große Mehrheit der Sach-
verständigen in der Anhörung auf die Gefahr hingewie-
sen, dass es zu einer Überkompensation zulasten der Be-
amten kommen könne. Aber leider haben wir uns mit
diesem Vorschlag nicht durchsetzen können. Für die Ak-
zeptanz des Gesetzesvorhabens in der Beamtenschaft
hätte dies nützlich sein können.

Ich stimme dem Gesetzesvorhaben trotzdem zu, da wir
letztendlich daran gemessen werden, ob es uns gelingt,
die bestehenden Versorgungssysteme auch in Zukunft
funktionsfähig zu erhalten, damit sie ihren Zweck erfül-
len können.

Die Beamtenversorgung steht bekanntlich vor den
gleichen Problemen wie andere Alterssicherungssysteme.
Die allgemeine demographische Entwicklung in Deut-




Meinrad Belle
20412


(C)



(D)



(A)



(B)


schland führt zu einem raschen Anstieg der Ausgaben für
die Beamtenversorgung. Das hängt zum einen mit der be-
kanntlich stetig steigenden Lebenserwartung zusammen.
Zum anderen liegt das durchschnittliche Ruheeintrittsal-
ter in den letzten Jahren auf konstant niedrigem Niveau:
Auch aufgrund der hohen Zahl der Frühpensionierungen
liegt es zurzeit bei 59 Jahren. Dass diese beiden Faktoren
zusammengenommen zu erheblichen Steigerungen der
Versorgungsleistungen geführt haben, ist bekannt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)

Eine gewisse Brisanz bekommt die Geschichte, wenn

man sich die Tatsache vor Augen hält, dass die durch-
schnittliche Pensionslaufzeit derzeit bei rund 20 Jahren
liegt. Für die Berechtigten ist das sicherlich angenehm.
Sie ist gegenüber früheren Zeiten also ebenfalls erheblich
angewachsen. Hinzu kommt der so genannte Versor-
gungsberg als Folge der Ausweitung des öffentlichen
Dienstes in den 60er- und 70er-Jahren. Die Pensionsauf-
wendungen von Bund, Ländern und Gemeinden werden
deshalb von heute bis 2030 auf das 3,5fache ansteigen:
von derzeit 43 Milliarden DM auf rund 150 Milliar-
den DM. Aus alledem ergibt sich schlichtweg ein Finanz-
problem.

Außerdem ist zwischen Rot-Grün im Koalitionsvertrag
festgeschrieben worden, nach der Reform der gesetzli-
chen Rentenversicherung auch die Beamtenversorgung
entsprechend und im Einklang mit der Rentenreform
– wirkungsgleich also – fortzuentwickeln. Wirkungsglei-
che Übertragung bedeutet einerseits eine den Einsparun-
gen bei den Rentenversicherungsträgern vergleichbare
Entlastung der öffentlichen Haushalte und andererseits
eine äquivalente monetäre Auswirkung bei Beamten und
Pensionären, so wie bei Arbeitnehmern und Rentnern
auch. Dies ergibt sich bereits aus dem Gleichheitsprinzip.
Dabei darf die wirkungsgleiche Übertragung der Renten-
reform auf die Beamtenversorgung wegen der besonderen
verfassungsrechtlichen Stellung nur systemkonform er-
folgen.

Die Schwerpunkte des Gesetzentwurfs bezüglich des
Versorgungsniveaus sind bereits mehrfach genannt und
dargestellt worden; ich kann mir dies ersparen.

Hervorheben möchte ich allerdings, dass es nach der
Anhörung doch noch einige Verbesserungen gegeben hat.
So kann zukünftig der qualifizierte Dienstunfall begriff-
lich besser vom einfachen Dienstunfall unterschieden
werden.


(Meinrad Belle [CDU/CSU]: Weil wir es beantragt haben!)


Das erleichtert die Rechtsanwendung und dient den Be-
troffenen.

Auch die Bürgermeister der ersten Stunde, also die
Kommunalbeamten im Beitrittsgebiet, die eine Amtszeit
von acht Jahren erreichen und bis zum 3. Oktober 2000 in
den Ruhestand getreten sind, kommen nunmehr in den
Genuss des § 66 Abs. 2 Satz 1 Beamtenversorgungs-
gesetz.


(Meinrad Belle [CDU/CSU]: Weil wir es beantragt haben!)


– Ja. – Damit wird einem Änderungsantrag des Bundes-
rates Rechnung getragen.

Ich kann darum dem Gesetzesvorhaben zustimmen,
auch damit ein gemeinsames In-Kraft-Treten mit der Ren-
tenreform gesichert ist.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420604700
Nun hat der Kollege
Dr. Max Stadler für die FDP-Fraktion das Wort.


Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1420604800
Frau Präsidentin! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Der Bundesinnenminister
hat zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, dass die In-
nenpolitik ein Politikbereich sei, wo ähnlich wie in der
Außenpolitik Kontinuität gewahrt werden müsse. Herr
Minister Schily, es ist Ihnen wirklich in überzeugendem
Maße gelungen, zum Beispiel bei der inneren Sicherheit,
die Politik Ihres Vorgängers fortzusetzen, ja sogar in ei-
nem solchen Maße, dass es Ihren eigenen Koalitionspart-
ner hie und da etwas erschreckt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie wären aber gut beraten gewesen, wenn Sie diese Kon-
tinuität gerade bei der Frage der Beamtenversorgung auch
gewahrt hätten.

Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat ja mit den
Reformen in der letzten Legislaturperiode Vorsorge ge-
troffen, damit die Pensionsansprüche auch über die kriti-
schen Jahre hinweg, in denen sie in hoher Zahl auflaufen,
erfüllt werden können. Deswegen wäre es doch zweck-
mäßig gewesen, im System zu bleiben und, wenn es denn
wirklich notwendig gewesen wäre, etwa die Versor-
gungsrücklage anzuheben, aber nicht eine völlige Neu-
regelung der Beamtenversorgung vorzuschlagen.

Herr Minister Schily, Sie haben in der Haushaltsde-
batte davor gewarnt, bei diesem Thema Polemik zu be-
treiben. Das tun wir keineswegs. Vielmehr lehnt die FDP
Ihr Gesetz aus sachlichen Gründen ab.

Erstens. Das Gesetz ist nicht notwendig. Laut Versor-
gungsbericht der Bundesregierung reichen die Maßnah-
men aus der letzten Legislaturperiode durchaus aus.

Zweitens. Zum Verfahren hat der Kollege Belle schon
einiges gesagt. Ich möchte noch anmerken: Es war auch
ein Fehler des Verfahrens, dass gerade dieser Versor-
gungsbericht, den ich jetzt kurz zitiert habe, nicht richtig
in die parlamentarischen Beratungen eingeflossen ist,
weil er zwar von der Bundesregierung meines Wissens im
September verabschiedet worden ist, aber erst vor kurzem
den Parlamentariern überhaupt zugegangen ist. Eine
wirkliche Auswertung hat nicht stattgefunden.

Wir sind drittens der Meinung, dass die vorgesehenen
Maßnahmen eine Überkompensation im Vergleich zur
Rentenreform darstellen.

Viertens. Es wird nicht beachtet, dass die Rentenre-
form in die Grundsicherung eingreift, dagegen die Neu-
fassung der Beamtenversorgung die Vollversorgung




Helmut Wilhelm (Amberg)


20413


(C)



(D)



(A)



(B)


betrifft. Würde die Rentenreform tatsächlich wirkungs-
gleich übertragen, so würde eine geringere Absenkung
der Beamtenversorgung ausreichen.

Fünftens. Die durch das Gesetz erzielten Minderaus-
gaben von 12 Milliarden DM werden durch die jährlichen
staatlichen Zuschüsse zum Aufbau der Privatvorsorge in
Höhe von 9 Milliarden DM weitgehend aufgezehrt. Das
Gesetz bringt also auch finanziell nicht das, was Sie sich
und der Öffentlichkeit versprechen.

Sechstens. Einige der Maßnahmen bewegen sich
mindest an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit. So
könnte etwa in Zukunft die Witwenversorgung nahe am
Sozialhilfesatz liegen, was gegen die Alimentations-
pflicht des Staates verstoßen würde.

Im Übrigen ist auch in den Übergangsregelungen eine
Fehlkonstruktion enthalten; denn ältere Beamte haben
nicht mehr die Möglichkeit, eine private Altersversorgung
zur Kompensation aufzubauen, während übrigens bei den
Angestellten die Zusatzversorgung voll bestehen bleibt.

Das sind alles keine Polemiken, sondern sachliche Ar-
gumente für eine Ablehnung. Aber am schlimmsten ist,
dass das Ergebnis der Sachverständigenanhörung – das
hat Herr Kollege Wilhelm von den Grünen selber zum
Ausdruck gebracht – nicht mehr entscheidend in die Ge-
setzgebung eingeflossen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der PDS)


Ich finde, wenn eine Sachverständigenanhörung eine so
eindeutige Ablehnung ergibt, dann muss ein solch ein-
schneidendes Reformwerk wirklich ernsthaft überdacht
werden.

Ich habe Bedenken, dass uns heute Nachmittag ab
13 Uhr beim Terrorismusbekämpfungsgesetz dasselbe
widerfährt, wo der Zeitplan ja vorsieht, rasch zu einer Be-
schlussfassung zu kommen. Offenkundig will man die
Anhörung, die jetzt gleich stattfindet, nicht auswerten.

Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen
können wir Ihrem Reformgesetz nicht zustimmen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1420604900
Das Wort hat nun die
Kollegin Petra Pau für die PDS-Fraktion.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420605000
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Der Kollege Kemper meinte vorhin
zum Abschluss, dass wir mit diesem Gesetzentwurf den
Betroffenen eine Menge zumuten. Ich finde, das ganze
Gesetzeswerk, welches heute auf dem Tisch liegt, ist eine
Zumutung, sowohl in Bezug auf den als Inhalt auch auf
das Verfahren.


(Beifall bei der PDS)

Dazu, wie es hier zur Verabschiedung gelangt ist, haben
die Kollegen Belle und Stadler hier schon ausführlich ge-
redet; das muss nicht wiederholt werden.

Von diesen Regelungen betroffen sind rund 2 Milli-
onen Beschäftigte im öffentlichen Dienst und Soldatinnen
und Soldaten, die im Moment aktiv sind.


(Hans-Peter Kemper [SPD]: Die kommen dabei sehr gut weg!)


Angeblich wollen Sie mit diesem Gesetz die Rentenre-
form wirkungsgleich übertragen. War schon die Renten-
reform der Einstieg in den Ausstieg aus der solidarischen
Alterssicherung, ist diese Art der Änderung in der
Beamtenbesoldung noch viel schlimmer. Sie brechen das
Vertrauen derjenigen, welche sich im öffentlichen Dienst
für unser Gemeinwesen besonders zu engagieren haben,
und Sie sind mindestens am Rande der Verfassungswid-
rigkeit und vielleicht bei einigen Regelungen tatsächlich
schon darüber hinaus. Darüber wird sicherlich nach dem
heutigen Tage weiter zu reden sein.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Mit diesem Gesetz verringern Sie natürlich die Attrak-

tivität der Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Ich habe
in dieser Woche mit Vertretern des Richterbundes gespro-
chen. Sie haben aufgrund ihrer Erfahrungen aus dem
heutigen Alltag erzählt, wie schwer es ist, junge, qualifi-
ziert ausgebildete Kolleginnen und Kollegen für diesen
Beruf zu gewinnen. Was soll erst werden, wenn dieses Ge-
setz greift, das heißt, wenn man sich nicht darauf verlas-
sen kann, dass man selbst – und auch die Angehörigen –
am Ende eines Arbeitslebens entsprechend abgesichert
ist?

Ich gehe davon aus, dass die Betroffenen auch nach
dem heutigen Tage sehr viel Grund zum Protest haben
werden.


(Beifall bei der PDS)

Denn es bleibt bei der pauschalen Absenkung der Versor-
gungsanpassungen, vor allen Dingen im einfachen und
mittleren Dienst. Es bleibt dabei, dass die Vorleistungen,
welche die Beamtinnen und Beamten erbracht haben,
nicht berücksichtigt werden. Es bleibt dabei, dass diejeni-
gen, welche in den nächsten Jahren die Pensionsgrenze er-
reichen, keine Chance mehr haben, vorzusorgen, um die-
sen Absenkungen entsprechend entgegenzutreten. Sie
haben keine Ausnahmen für Dienstunfähige und Schwer-
behinderte vorgesehen; sie werden also mit diesem Ge-
setzentwurf doppelt benachteiligt.


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Unerhört!)

Auch die Arbeitsbedingungen in den Vollzugsdiensten

sind nicht berücksichtigt worden. Feuerwehrbeamte wer-
den im Vergleich zu den Vollzugsdienstleistenden doppelt
benachteiligt. Diejenigen, die im Osten im öffentlichen
Dienst beschäftigt sind, werden ganz besonders getroffen.
Hier bleibt die Aufgabe der Gleichstellung; denn nach wie
vor werden sie nicht nur niedriger bezahlt, sondern brau-
chen auch mehr Zeit, um überhaupt eine Mindestpension
zu erreichen.


(Beifall bei der PDS)

Unterm Strich muten Sie dann auch noch den Frauen die
so genannte Quotelung der Ausbildungszeiten zu.




Dr. Max Stadler
20414


(C)



(D)



(A)



(B)


Die einzig positive Änderung in dieser Gesetzgebung
– dies wurde schon hervorgehoben – ist die Regelung für
die Kommunalbeamten der ersten Stunde im Osten.
Dieser haben wir im Ausschuss natürlich zugestimmt. Ich
denke, wir werden bald über die Folgen der verfassungs-
rechtlichen Prüfungen dieses Gesetzeswerkes zu sprechen
haben. Ich sehe bereits nachfolgende Gesetzespakete am
Horizont.

Es wird Sie nicht wundern: Nach einer solchen Liste
von Ablehnungsgründen können wir dieses Gesetzespa-
ket insgesamt nur ablehnen – es sei denn, Sie stimmen un-
serem Änderungsantrag und unserem Entschließungs-
antrag heute zu.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420605100
Das Wort hat
jetzt der Herr Bundesminister des Innern, Otto Schily.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1420605200
Frau Präsi-
dentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich der
Wirklichkeit nicht verschließt, dann muss man anerken-
nen, dass das Versorgungsänderungsgesetz 2001 notwen-
dig ist, um das Versorgungssystem zu erhalten


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Flickschusterei!)

und die Pensionen von Beamten, Richtern und Soldaten
zu sichern. Wir müssen die Rentenreform – das ist übri-
gens ein gesetzlicher Auftrag – wirkungsgleich auf die
Beamtenversorgung übertragen.


(Heidemarie Ehlert [PDS]: Das tun Sie aber nicht!)


Ich empfehle allen, den Zweiten Versorgungsbericht
der Bundesregierung nachzulesen. Aus diesem Versor-
gungsbericht ergibt sich, dass allein im früheren Bundes-
gebiet die Versorgungsausgaben der Gebietskörperschaf-
ten von derzeit fast 43 Milliarden DM bis 2040 auf circa
164 Milliarden DM ansteigen werden. Das ist fast eine
Vervierfachung. Diesem Problem müssen wir uns alle
stellen. Eine verantwortungsbewusste Politik kann das
nicht einfach beiseite schieben.

Die PDS hat ja allenfalls Ahnung, wie man Ausgaben
erhöht, versteht aber von Finanzpolitik nicht mehr als das
Schwarze unterm Fingernagel. Das will ich jedoch nicht
weiter kommentieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heidemarie Ehlert [PDS]: Unverschämtheit! – Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Wer keine Argumente hat, kommt mit so primitiven!)


Im Übrigen sind die Maßnahmen, die wir hier treffen
und die der wirkungsgleichen Übertragung der Renten-
reform entsprechen, ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit.
Die Konsequenzen, die sich aus den verschiedenen Fi-
nanzproblemen ergeben, müssen gleichmäßig auf die ak-
tiv Beschäftigten und auf die im Ruhestand Befindlichen
verteilt werden, damit die soziale Gerechtigkeit keinen
Schaden nimmt.


(Heidemarie Ehlert [PDS]: Weil Sie vergessen haben, Rücklagen zu bilden!)


Dazu gehören selbstverständlich auch die im öffentlichen
Dienst Beschäftigten. Darüber sollten wir mit diesen ehr-
lich sprechen.


(Heidemarie Ehlert [PDS]: Dann tun Sie das!)

Die Veränderungen der Beamtenpensionen dienen in

erster Linie den Interessen der Länder; das will ich hier
besonders herausstellen. Die Zahl der Versorgungsemp-
fänger in den Ländern


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Es geht um die Menschen!)


– rufen Sie doch nicht immer solchen Unsinn dazwischen –

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

wird sich bis 2030 verdoppeln. Beim Bund hingegen wird
sich die Zahl um 15 Prozent verringern.

Wir machen eine verantwortungsbewusste Politik, die
wir vor allem im Interesse der Länder durchsetzen müs-
sen;


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Das sehen die Beamtinnen und Beamten aber anders!)


denn die Versorgungsausgaben in den Ländernwerden
in dem genannten Zeitraum um 300 Prozent steigen.
Diese Zahl muss man auch vor dem Hintergrund sehen,
dass in den Ländern bereits heute circa 40 Prozent des
Haushalts für Personalkosten aufgewendet werden. Der
Bund liegt bei etwa 12 Prozent. Diese Tatsache muss man
berücksichtigen.

Ohne dieses Gesetz können die Probleme der Länder
überhaupt nicht gelöst werden. Deshalb erwarte ich auch,
dass die Länder im Bundesrat zustimmen werden. Es wäre
einmal ganz interessant, zu erfahren, ob es einige Länder
darauf ankommen lassen würden, dieses Gesetz scheitern
zu lassen. Mit Blick auf ihre künftigen Finanzprobleme
können sie sich das nämlich gar nicht leisten.

Was von verantwortungslosen Politikerinnen und Poli-
tikern leider geäußert wird, es würden die Pensionen
gekürzt, ist schlicht falsch. Es wird nur der Anstieg ent-
sprechend den Vorgaben der Rentenreform abgeflacht.
Dadurch sinkt der Höchstruhegehaltssatz von 75 auf
71,75 Prozent. Auch nach der Reform bleibt für alle Be-
troffenen die verfassungsrechtlich abgesicherte Vollver-
sorgung erhalten. Ich werde am Schluss noch auf das
Sachverständigengutachten eingehen.

Entgegen der Propaganda einiger Kritiker werden die
Vorleistungen berücksichtigt. Die in den Versorgungs-
rücklagen schon erbrachten Leistungen in Höhe von
0,6 Prozent werden bereits in der ersten Stufe der Über-
tragung der Rentenreform berücksichtigt. Insgesamt wird
das Versorgungsniveau von 2003 bis 2010 um circa 5 Pro-
zent abgeflacht. Das ist genau wirkungsgleich zur Ren-
tenreform. Zur Vermeidung von Doppelbelastungen ist
in diesem Zeitraum der weitere Aufbau der Versorgungs-
rücklage ausgesetzt. Von 2011 bis 2017 wird dann in
Umsetzung der zweiten Stufe der Rentenreform die
Versorgungsrücklage fortgeführt. Soziale Härten werden
vermieden. Auch dafür gibt es genügend Belege.




Petra Pau

20415


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich komme zu einem anderen Sachverhalt, den Sie
ebenfalls nicht berücksichtigen. Dass auch Beamte künf-
tig an der staatlichen Förderung teilnehmen können, über-
sehen manche. Ich muss in Richtung Herrn Stadler – er
musste aus zwingenden Gründen die Debatte verlassen –
und Herrn Belle sagen: Bei Ihren Vorschlägen bleiben die
Beamten hinsichtlich der staatlichen Förderung außen
vor. Sie müssen einmal die Zahlen vergleichen: Die Ent-
lastungen zugunsten der Länder, des Bundes und der an-
deren Gebietskörperschaften betragen etwas über 12 Mil-
liarden DM. Über die Förderung der privaten Vorsorge
geben wir 9,3 Milliarden DM zurück. Auch diese Zahlen
muss man bei einer objektiven Beurteilung zur Kenntnis
nehmen.

Wir müssen uns im Übrigen darüber im Klaren sein,
dass wir mit den Versorgungsproblemen noch grundsätz-
licher umgehen müssen. Tatsache ist, dass im Jahre 1999
circa 47 Prozent aller Pensionierungen wegen Dienst-
unfähigkeit erfolgt sind und dass die Beamtinnen und
Beamten im Durchschnitt mit 59 Jahren in den Ruhestand
treten. Angesichts des starken Anstiegs der Versorgungs-
ausgaben muss diese Situation geändert werden. Ich be-
grüße deshalb ausdrücklich den Entschließungsantrag der
Koalition, der dieses Thema aufgreift. Ich erwarte selbst-
verständlich nicht, dass alle meinem Beispiel folgen und
zur Entlastung der Renten- bzw. Versorgungskassen ihre
Lebensarbeitszeit verlängern.


(Heiterkeit bei der SPD)

Noch eine Bemerkung zur Sachverständigenanhörung:

Die Sachverständigen sind schlicht von einer falschen Vo-
raussetzung ausgegangen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Alle?)

– Ja. – Sie kannten nämlich nicht das Ergebnis der Ver-
handlungen über die Zusatzversorgung des öffentlichen
Dienstes. Wenn sie die gekannt hätten, wären sie zu ganz
anderen Feststellungen gekommen. Ich will einmal davon
absehen, dass einige Sachverständige Verbandsvertreter
waren und eher die Verbandspositionen vertreten haben.


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Maulkorb!)

– Das ist kein Maulkorb. Die Objektivität kann aber in ei-
nem solchen Fall an der einen oder anderen Stelle infrage
gestellt werden.

Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Tarifvertrags-
parteien, dass sie in diesen schwierigen Verhandlungen
über die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu
einem guten Ergebnis gekommen sind.

Das muss man in einem Zusammenhang sehen: Ohne
die Reform der Beamtenversorgung wäre die Bereitschaft
der Tarifvertragsparteien – zumindest auf der Seite der
Gewerkschaften –, diese schwierigen Verhandlungen zu
einem erfolgreichen Ende zu führen, nicht vorhanden ge-
wesen. Diesen Zusammenhang sollten Sie beachten.

Das Gesamtkonzept der Bundesregierung sorgt dafür,
dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentli-
chen Dienstes, seien es nun Arbeiter, Angestellte oder Be-
amte, auch in Zukunft eine sichere und finanzierbare

Altersversorgung erhalten. Ich bitte Sie deshalb alle um
Zustimmung zu diesem Gesetzgebungswerk.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420605300
Danke schön. –
Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die von den Frak-
tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie
von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines
Versorgungsänderungsgesetzes 2001. Der Innenausschuss
empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/7681 die Annahme der genannten Gesetz-
entwürfe als Versorgungsänderungsgesetz 2001 in der
Ausschussfassung.

Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir
zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag
der Fraktion der CDU/CSU, Drucksache 14/7694? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7699? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen und der FDPgegen die PDS
bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt worden.

Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetz-
entwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen wor-
den.

Wir kommen zur
dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,
wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Wer
stimmt dagegen? – Der Gesetzentwurf ist damit in dritter
Lesung angenommen worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/7700. Wer stimmt dafür? – Dagegen? – Enthaltungen? –
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen der
PDS bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt worden.

Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 14/7681 die An-
nahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD,
des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP bei Enthal-
tung der CDU/CSU und der PDS angenommen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat
eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Beamten-
rechtsrahmengesetzes, Drucksache 14/6717. Der Innen-
ausschuss empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 14/7681, den Gesetzentwurf
abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim-




Bundesminister Otto Schily
20416


(C)



(D)



(A)



(B)


men? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.

Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die wei-
tere Beratung.

Ich rufe jetzt Zusatzpunkt 4 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung der Strafprozessordnung
– Drucksachen 14/7008, 14/7258 –

(Erste Beratung 192. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 14/7679 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Joachim Stünker
Norbert Geis
Volker Kauder
Volker Beck (Köln)

Jörg van Essen
Dr. Evelyn Kenzler

Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU vor. Für die Aussprache ist eine halbe Stunde
vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat für die Bun-
desregierung der Parlamentarische Staatssekretär Eckhart
Pick das Wort.

D
Prof. Dr. Eckhart Pick (SPD):
Rede ID: ID1420605400
Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Mit Ablauf des 31. Dezember dieses Jahres tritt
§ 12 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen außer Kraft.
Der vorliegende Gesetzentwurf zur Einführung der
§§ 100 g und 100 h StPO schafft eine verbesserte Nach-
folgeregelung zu dieser Vorschrift.

Eine solche Nachfolgeregelung ist wichtig. Gerade im
Rahmen organisierter oder gar terroristischer Krimina-
lität beobachten wir immer wieder den Einsatz moder-
ner Telekommunikationstechniken. So wissen sich ge-
rade auch archaisch anmutende so genannte Gotteskrieger
modernster Telekommunikationsformen zu bedienen.

Die §§ 100 g und 100 h StPO erlauben den Strafver-
folgungsbehörden – ebenso wie die Vorgängerregelung –
den Zugriff auf solche Daten, die Informationen darüber
geben, mit wem ein Verdächtiger wann telefoniert oder im
Internet kommuniziert hat. Diese Fähigkeit der Strafver-
folgungsbehörden ist unverzichtbar. Staatsanwaltschaften
und Polizei können dieses Ermittlungsinstrument auch
in Zukunft nutzen. Damit leisten Bundesregierung und
Regierungskoalition einen weiteren messbaren Beitrag
dazu, dass sich die Menschen in unserem Land sicher
fühlen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Allerdings darf es Sicherheit ohne Freiheit nicht ge-
ben. Diese Erkenntnis gilt auch in Zeiten, in denen sich
unsere demokratische Gesellschaft als wehrhaft gegen die
Bedrohung durch den internationalen Terrorismus er-
weisen muss. Aus diesem Grund kommt für die Bundes-
regierung eine bloße Verlängerung oder Entfristung des
§ 12 FAG nicht in Betracht. Sie wissen, diese Vorschrift
stammt im Wesentlichen aus dem Jahre 1927 und ist auf
die damalige, von Handvermittlung geprägte Fernmelde-
technik zugeschnitten. Gerade weil die moderne Digitali-
sierung des Telekommunikationsverkehrs zu einer enor-
men Fülle abruffähiger Daten geführt hat, ist ein neuer
Ausgleich zwischen den Belangen der Kriminalitäts-
bekämpfung einerseits sowie dem Schutz des Fernmel-
degeheimnisses andererseits zu schaffen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diesem Anspruch wird der Gesetzentwurf, über den wir
heute beschließen, gerecht. Er stärkt die Verbrechens-
bekämpfung und die Bürgerrechte.

Lassen Sie mich kurz auf die wesentlichen Verbesse-
rungen in diesem Gesetzentwurf eingehen:

Erstens. Das Auskunftsrecht besteht künftig bei der
Aufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung,
wobei im Gesetz der Katalog des § 100 a Satz 1 StPO bei-
spielhaft genannt wird. Bei den telekommunikationstypi-
schen Straftaten wie etwa der Datennetzkriminalität oder
belästigenden Anrufen kann die Auskunft sogar bereits
dann verlangt werden, wenn Gründe der Verhältnis-
mäßigkeit nicht entgegenstehen.

In diesem Zusammenhang ist die Kritik an dieser
maßvollen Absenkung der Auskunftsvoraussetzungen
nicht nachvollziehbar. Ich verweise insbesondere auf die
Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Oktober 2001, in
der er diesen Punkt ausdrücklich begrüßt hat. Dieser über-
zeugenden Einschätzung kann ich mich nur anschließen.
Sie wird im Übrigen auch von dem Bundesbeauftragten
für den Datenschutz geteilt.


(Beifall des Abg. Alfred Hartenbach [SPD])

Zweitens. Da wir das Ermittlungsinstrument der

§§ 100 g und 100 h StPO nunmehr stärker auf die erheb-
lichen Straftaten konzentrieren, wollen wir gleichzeitig
den Wert der Auskünfte für die Strafverfolgungsbehörden
verbessern. Der Gesetzentwurf räumt Staatsanwaltschaf-
ten und Polizei erstmals die Möglichkeit ein, Auskunft
auch über zukünftige Telekommunikationsverbindungen
zu erlangen. Damit begegnen wir der Gefahr, dass den
Strafverfolgungsbehörden wichtige Erkenntnisse vorent-
halten bleiben.

Drittens. Schließlich präzisiert der Gesetzentwurf erst-
mals die Daten, über die Auskunft zu erteilen ist. Dabei
beschränken wir die Auskunft über die Standortkennung
bei Mobiltelefonen ganz bewusst auf die Fälle, in denen
es zu einer Verbindung gekommen ist.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Sehr gut!)

Präzise Bewegungsprofile von Personen anhand der
Funkzellen, in die sich Handys im Stand-by-Betrieb




Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

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(D)



(A)



(B)


einbuchen, sollen den Strafverfolgungsbehörden zwar
weiter zur Verfügung stehen, aber nur wie bisher bei Vor-
liegen der Voraussetzungen einer Telefonüberwachung.

Die Neuregelung des § 12 FAG in der Form der
§§ 100 g und 100 h StPO ist eine wesentliche Verbesse-
rung gegenüber der geltenden Rechtslage. Sie schafft Si-
cherheit und sichert Freiheit. Deswegen bitte ich um Ihre
Zustimmung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alfred Hartenbach [SPD]: Unsere haben Sie!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420605500
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Volker Kauder.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1420605600
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär
Pick, man muss sich über die Einlassung, die Sie gerade
gemacht haben, schon wundern. Sie haben darauf ver-
wiesen, dass die Regelungen des § 12 des Fernmeldean-
lagengesetzes im Wesentlichen aus dem Jahr 1927 stam-
men. Man wundert sich doch sehr, wie lange Sie in dieser
rot-grünen Bundesregierung gebraucht haben, um eine
neue Regelung herbeizuführen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es in 16 Jahren nicht geschafft!)


Wenn man sich das Verfahren anschaut, dann muss
man sich noch mehr wundern. Man muss der Öffentlich-
keit einmal sagen, wie das abgelaufen ist. Man weiß seit
zwei Jahren, dass die Regelung im Dezember 2001 aus-
läuft. Bereits im Oktober 1999 stand ich an diesem Pult
im Deutschen Bundestag und habe einen Gesetzentwurf
der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgetragen, der diese
Regelung verlängern und entfristen sollte, damit sie dau-
erhaft zur Verfügung steht.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Es sind zwei Jahre ins Land gegangen, bis Sie endlich

– vor wenigen Wochen – einen Gesetzentwurf vorgelegt
haben. Als wir ihn in dieser Woche beraten wollten, haben
Sie ihn kurzfristig zurückgezogen und diesen Punkt von
der Tagesordnung nehmen wollen. Zur völligen Überra-
schung von uns allen ist dann eine Sondersitzung des Aus-
schusses einberufen worden. Man hat auf einmal eine
Regelung vorgelegt, die alles andere als systematisch kor-
rekt und inhaltlich in Ordnung ist. Das muss man einmal
klar und deutlich sagen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist dieselbe Regelung!)


Wir wissen natürlich ganz genau, womit das zusam-
menhängt, Herr Kollege Ströbele. Sie waren vermutlich
derjenige, der entscheidend dazu beigetragen hat, aus ei-
ner guten Regelung mit guten Möglichkeiten für die
Strafverfolgungsbehörden eine Regelung zu machen, die
verwässert ist und schlechter als die ist, die wir bisher hat-
ten. Dies alles musste in einer Nacht-und-Nebel-Aktion
geschehen, sodass innerhalb von wenigen Stunden ein

Gesetzentwurf auf der Tagesordnung war, wieder abge-
setzt wurde, um dann wieder neu auf die Tagesordnung
gesetzt zu werden. Das ist ein Beispiel dafür, wie diese
rot-grüne Koalition im Rechtsausschuss schon seit Jahren
arbeitet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Das war ein Küsschen für den grünen Frosch!)


Sie sollten mit dieser Form der Arbeit, Herr Staatsse-
kretär Pick, nicht weitermachen, weil dies nicht seriös ist.
Ich könnte eine ganze Reihe von anderen Gesetzesvorha-
ben nennen, bei denen Sie in gleicher Weise vorgegangen
sind. Mich wundert ein bisschen, dass Sie, die Sie nicht in
der Regierung sitzen, sondern Abgeordnete sind, so etwas
mit sich machen lassen. Es ist eine grobe Missachtung der
Rechte von Parlamentariern, wie die Beratungen im
Rechtsausschuss stattfinden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal was Inhaltliches!)


Sie haben zwei Jahre Zeit gehabt, sich eine konkrete
Regelung zu überlegen. Sie haben in diesen zwei Jahren
nichts gemacht. Aber auf einmal kommt etwas. Man ver-
mutet fast, seit den Ereignissen vom 11. September ist bei
Ihnen die Erkenntnis gewachsen, dass nun doch schneller
etwas getan werden muss. Sie haben sich dann darauf
festgelegt, nicht nur eine Verlängerung des § 12 des Fern-
meldeanlagengesetzes, sondern einen Gesetzentwurf vor-
zulegen.

In diesem Gesetzentwurf haben Sie die Bedingungen
angehoben. Sie gleichen die neuen Regelungen den Re-
gelungen zur Abhörung von Telefongesprächen an, bei
denen auch über die Inhalte berichtet werden muss. Es
gibt aber überhaupt keine Notwendigkeit, bei den Rege-
lungen zur Fortführung des § 12 FAG die gleichen schar-
fen Eingriffsvoraussetzungen wie bei den Vorschriften an-
zulegen, die sich auf die Abhörung beziehen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sehen die Länder aber anders!)


Sie haben damit eine Regelung, die wesentlich weni-
ger greift und weniger Möglichkeiten als bisher zur Ver-
fügung stellt. Dazu kann ich nur sagen: So etwas erleben
wir in diesen Tagen permanent. Der Bundesinnenminister
spricht scharf wie ein Rasiermesser. Aber es kommt im-
mer viel weniger heraus, als versprochen worden ist. Es
gilt auch hier der alte Satz der Heiligen Schrift: An euren
Taten werdet ihr gemessen, nicht an euren Worten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommen Sie aber schlecht weg!)


Sie spielen ein ganz eigenartiges Spiel. Am Montag hat
der Bundesinnenminister mit aller Schärfe erklärt: Wir
werden alles tun. Am Dienstag hat sich Herr Ströbele
geäußert, worauf alles verwässert wurde. Am Freitag se-
hen die Dinge wieder ganz anders aus.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Eure Rede sei: Ja, ja und nein, nein!)





Parl. Staatssekretär Dr. Eckhart Pick
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(A)



(B)


Ich möchte Ihnen dafür ein Beispiel geben: SPD und
Bündnis 90/Die Grünen haben große Probleme, auf dem
Gebiet der inneren Sicherheit zu einem Kompromiss zu
kommen. Herr Schily hat angekündigt, dass der
Daumenabdruck in den Ausweis aufgenommen werden
soll. Herr Ströbele hat daraufhin gesagt: Das kommt nicht
in die Tüte. Dann kam es auch nicht in die Tüte.


(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht in die Tüte und nicht in den Ausweis!)


So sieht der Preis aus, der für die Zustimmung der Grünen
zum Einsatz der Bundeswehr gezahlt werden muss. Die
Wechsel werden jetzt präsentiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Ströbele, dies dient nicht der inneren Si-
cherheit.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie fantasieren!)


Richtig ist aber – das will ich durchaus anerkennen –,
dass Sie sich nach zwei Jahren dazu durchgerungen ha-
ben, das Thema innere Sicherheit etwas ernster zu neh-
men und einen Gesetzentwurf vorzulegen. Einige Teile
des Gesetzentwurfs weisen allerdings systematische
Mängel auf. Dies wird – darauf möchte ich hinweisen –
auch noch selber zugegeben: Es ist nicht geboten, das
Zeugnisverweigerungsrecht in § 100 h einzuschränken.
Es ist nicht sachgerecht. – Dass das Zeugnisverweige-
rungsrecht in § 100 h ein Fremdkörper ist, wird pikanter-
weise in der Begründung des Entwurfs zugegeben. Die
Befristung der Neuregelung wird nämlich ausdrücklich
damit begründet, dass ein Gesamtkonzept zum Zeugnis-
verweigerungsrecht noch vollständig fehle. Wir werden
uns also erneut mit diesem Komplex befassen müssen. Sie
geben zu, dass Sie unter Zeitdruck gehandelt haben. Nur
weil Sie sich im Rechtsausschuss nicht durchringen konn-
ten – das finde ich ausgesprochen jämmerlich –, den An-
trag des Kollegen Funke anzunehmen, § 12 FAG noch
einmal um ein halbes Jahr zu verlängern – das wäre die
sachgerechte Lösung gewesen –, haben Sie einen eigenen
Entwurf vorgelegt. Das ist unerträglich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

So sollten wir als Juristen im Rechtsausschuss eigentlich
nicht miteinander umgehen.

Rot-Grün geht es also um alte ideologische Ziele. Es
geht um bessere Möglichkeiten zur Kontrolle des Han-
delns der Strafverfolgungsbehörden. Aber es geht wieder
nicht darum, den Polizeien, den Staatsanwaltschaften und
den Gerichten bestmögliche Instrumente zur Bekämpfung
der Kriminalität zu geben.

Wir verschließen uns nicht dem Ansinnen, § 12 FAG
im Rahmen eines vernünftigen – und dem Eingriff in die
Rechte der Telefonnutzer angemessenen – Verfahrens in
neuer Form in die Strafprozessordnung einzufügen. Ihren
über das Knie gebrochenen Vorschlag, der eine eindeutige
Verwässerung der Regelung und eine Einschränkung der
Effektivität der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden be-
deutet, können wir jedoch nicht mittragen. Es war seit lan-
gem bekannt, dass und wann § 12 FAG außer Kraft treten
wird. Dennoch hat die Koalition die Zeit nicht genutzt, in

einem Gesetzgebungsverfahren, das einen Eingriff in
Grundrechtspositionen sauber und angemessen regelt,
eine dauerhafte Fortgeltung dieser Regelung zu kodifizie-
ren. Herr Staatssekretär, Sie haben das Thema unerträg-
lich lange schleifen lassen und überbieten sich jetzt in Ak-
tionismus.

Der vorliegende Entwurf ist nicht durchdacht und in
sich widersprüchlich, wie Sie selber in der Begründung
Ihres Gesetzentwurfs zugeben.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


Er widerspricht auch dem erklärten Ziel der Bundesregie-
rung, den Terrorismus mit bestmöglichen Mitteln zu
bekämpfen. Die Entwurfsfassung ist ein massiver Rück-
schritt im Vergleich zu dem bisherigen Rechtszustand.
Wir bedauern es außerordentlich, dass Sie uns im Rechts-
ausschuss keine Gelegenheit gegeben haben, angemessen
über dieses schwierige Thema, das natürlich mit Ein-
griffen in Grundrechtspositionen verbunden ist, zu bera-
ten. Schließlich handelt es sich ja nicht um eine Regelung,
die sich einfach aus dem Ärmel schütteln lässt. Man kann
nicht einfach sagen: Wenn sie nichts ist, machen wir halt
eine neue. Diese Regelung ist ja von einer gewissen Be-
deutung.

Ich finde es besonders ärgerlich, dass wir jetzt eigent-
lich Gelegenheit gehabt hätten, eine Regelung auf den
Weg zu bringen, die Bestand hat und auf Dauer wirkt. Die
Strafverfolgungsbehörden haben in der heutigen Zeit
wirklich etwas anderes zu tun, als immer wieder in das
Gesetzblatt zu schauen, was sich geändert hat. Es wäre
richtig gewesen, die Regelung zu verlängern. Dann hätte
man genug Zeit gehabt, um eine gute Regelung auf den
Weg zu bringen und den Strafverfolgungsbehörden ein In-
strument an die Hand zu geben, das bei der Bekämpfung
der Kriminalität wirksam ist und die Bürgerrechte trotz-
dem nicht einschränkt. Diese Chance haben Sie verpasst,
wie es bei manchen Gesetzgebungsvorhaben der letzten
Zeit auch der Fall war. Deswegen werden wir nicht zu-
stimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420605700
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

legen! Weniger wegen der Union – obwohl der Kollege
Kauder mir gerade reichlich Gelegenheit gegeben hat,
ihm zu antworten –, sondern wegen alle der beiden klei-
neren Parteien habe ich Wert darauf gelegt, heute hier
noch einmal zu diesem Gesetzentwurf zu sprechen.

Herr Kollege Funke, ich verstehe überhaupt nicht, wie
ein gestandener Abgeordneter aus einer sich liberal nen-
nenden Fraktion dafür sein kann, dass die alte Regelung
des § 12 FAG erneut verlängert wird, von der Sie selber
und eigentlich alle sagen, dass sie nicht nur alt ist – sie
stammt aus dem Jahre 1927 –,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Alt ist noch kein Grund! Das sieht man an Ihnen!)





Volker Kauder

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(A)



(B)


sondern auch die moderne Telekommunikation nicht
berücksichtigt. Vor allen Dingen aber engt sie eine Reihe
von Freiheitsrechten unzulässigerweise viel zu weit ein,
weil der Eingriff in das Telefongeheimnis, nämlich die
Feststellung, mit welcher Telefonnummer jemand eine
Verbindung hatte, bei jeder x-beliebigen Straftat vorge-
nommen werden soll, auch dann, wenn es vielleicht nur
um einen kleinen Diebstahl, einen kleinen Betrug oder
eine Sachbeschädigung geht. Diesen Teil der alten Rege-
lung wollen wir im Gegensatz zu Ihnen nicht beibehalten.


(Rainer Funke [FDP]: Ich will nur eine andere Beratung haben!)


Zur PDS kann ich nur feststellen, dass sie überhaupt
keine Änderung will. Sie hat im Rechtsausschuss alle An-
träge abgelehnt. Ich bin nun wirklich kein großer Freund
repressiver Strafverfolgungsmaßnahmen. Aber auch Sie
müssten einsehen, dass es hin und wieder ein Interesse der
Strafverfolgungsbehörden gibt, zu wissen, wer mit wem
telefoniert hat. Wenn wir beispielsweise – Ihnen passiert
das sicherlich wie mir auch – nachts am Telefon be-
schimpft und beleidigt werden,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das passiert uns nicht!)


dann haben wir und auch die Strafverfolgungsbehörden
das Interesse, zumindest zu wissen, von welcher Telefon-
nummer der Anruf kam. Das ermöglicht diese Vorschrift.
Dasselbe gilt, wenn festgestellt werden soll, wer zuletzt
mit einem Ermordeten telefoniert hat. So etwas festzu-
stellen ist doch ein berechtigtes Anliegen der Strafverfol-
gungsbehörden. Es geht überhaupt nicht um die Ge-
sprächsinhalte, sondern nur um die Daten der
Telekommunikationsverbindungen. Wie man angesichts
dessen sagen kann, man wolle und brauche dies alles
nicht, verstehe ich nicht.

Wir haben hier ein Gesetz vorgelegt, das die Möglich-
keit aufrechterhält und sogar noch ein bisschen ausbaut,
Telekommunikationsverbindungen im Rahmen des Not-
wendigen festzustellen. Die Erweiterung bezieht sich zum
einen auf die Daten, die aufgezeichnet werden können,
zum anderen auf den Zeitraum, für den eine solche Maß-
nahme zulässig sein soll. Den Zeitraum haben wir auf drei
Monate begrenzt. Das ist richtig und vernünftig. Wenn
man erkennen will, ob und von wem ein Telefonanschluss
angewählt wird, dann standen die Richter auch in der Ver-
gangenheit immer wieder vor der Notwendigkeit – darauf
hat der Datenschutzbeauftragte hingewiesen –, solche Er-
mächtigungen für einige Wochen zu erteilen. Wurden sie
nicht erteilt, hat die Staatsanwaltschaft sie alle paar Tage
oder Wochen neu gefordert. Jetzt dehnen wir das auf drei
Monate aus; das ist richtig und vernünftig und notwendig,
weil es einem berechtigten Bedürfnis der Strafverfol-
gungsbehörden entspricht.

Aber, Herr Kollege Kauder, nicht alles, was möglich
ist, um den Terrorismus zu bekämpfen, ist richtig. Unsere
Fraktion und unsere Koalition bestehen auf der Einhal-
tung der rechtsstaatlichen Regeln und der Freiheitsrechte,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das erfüllt unser Vorschlag auch!)


die wir doch verteidigen wollen. Wir können nicht das
Kind mit dem Bade ausschütten, indem alle möglichen
Formen polizeilicher Repression zugelassen werden. In
den USAtreibt das ganz schreckliche Blüten; es wird über
Folter und über monatelange Festnahme ohne jede Be-
schuldigung und ohne jedes Verdachtsmoment gespro-
chen. Das wollen wir nicht.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das gab es auch unter dem alten § 12 FAG nicht! Malen Sie keine Gespenster an die Wand!)


Vielmehr wollen wir uns in den Bahnen bewegen, die
richtig und vernünftig sind und zugleich die Freiheits-
rechte sichern.

Die wichtigste Bestimmung, um die wir die frühere
Regelung erweitert haben, ist, dass die Vorschrift nur für
erhebliche Straftaten gilt. Es ist doch zwingend, dass ers-
tens die Regelungen dem Grundsatz der Verhältnismäßig-
keit entsprechen und dass zweitens die Richter die Maß-
nahmen anordnen. Wenn Staatsanwälte das im Einzelfall
wegen Gefahr im Verzuge machen, dann muss unverzüg-
lich die nachträgliche richterliche Genehmigung einge-
holt werden. Anders geht das vor allen Dingen in Zukunft
nicht.

Wir wollen drittens ebenfalls nicht – Herr Pick hat be-
reits darauf hingewiesen –, dass im Stand-by-Verkehr,
wenn also ein Handy nur da liegt, aber keine Verbindung
besteht, für die so genannten Bewegungsbilder festge-
stellt und aufgezeichnet werden kann, wo es sich befindet.

Wir haben viertens im Anschluss an die Diskussion
über dieses Thema in der letzten Legislaturperiode von
Anfang an verlangt und großen Wert darauf gelegt – das
war tatsächlich einer der Gründe, warum es so lange ge-
dauert hat –, dass die Berufsgeheimnisträger geschützt
bleiben, weil wir es für richtig halten, dass Anrufe bei
Geistlichen, beispielsweise Beichtvätern – Beichtmütter
gibt es wohl gar nicht –,


(Alfred Hartenbach [SPD]: Demnächst vielleicht auch!)


Verteidigern und Abgeordneten nicht festgehalten, son-
dern geschützt werden sollen, weil diese Vertrauens-
sphäre schützenswert ist. Wir haben die Diskussion da-
rüber, ob auch die anderen Berufsgeheimnisträger wie
Rechtsanwälte, Ärzte, aber auch vor allen Dingen Journa-
listen in gleicher Weise geschützt werden sollen, noch
nicht abgeschlossen. Das wollen wir nachbessern, sobald
das in Auftrag gegebene Gutachten vorliegen wird, was
bisher leider daran scheiterte, dass die dazu erforderlichen
Daten von den von Ihnen regierten Ländern noch nicht ge-
liefert worden sind. Eigentlich sollte dieses Gutachten im
September vorliegen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


Deshalb konnten wir diesen Punkt noch nicht klären und
erledigen. Das wird nachgeliefert werden.

Wir haben hiermit ein sehr wirksames, aber den rechts-
staatlichen Grundsätzen und Freiheitsrechten verpflichte-
tes Gesetz geschaffen. Es ist ein recht gutes Gesetz, das




Hans-Christian Ströbele
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weiter verbessert werden kann. Auf jeden Fall ist es viel
besser als die Regelung, die wir damit ablösen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Rainer Funke [FDP]: Das so genannte Ströbele-Gesetz! – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Lex Ströbele!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420605800
Das Wort hat
jetzt Herr Kollege Funke.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1420605900
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Herr Kollege Ströbele, natürlich brau-
chen wir eine Nachfolgeregelung zu § 12 FAG. Das war
doch zwischen uns völlig unstreitig.

Unsere Kritik bezieht sich darauf, dass Sie dieses Ge-
setz in einem wirklich chaotischen Verfahren beraten
wollten.


(Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] spricht mit einem Mitarbeiter des Plenarassistenzdienstes)


– Herr Kollege Ströbele, ich wollte Sie gerade anspre-
chen.


(Jörg Tauss [SPD]: Es geht um sein Manuskript! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entschuldigung!)


Herr Kollege Ströbele, wir wollten lediglich eine ord-
nungsgemäße Beratung zu dieser Nachfolgeregelung.
Das, was Sie hier veranstalteten, war das schlichte Chaos.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wohl wahr!)


Das wundert mich bei der rot-grünen Koalition nicht,

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


aber wir mussten das in den letzten Jahren noch nicht in
einem solchen Ausmaß erleben.

Wenige Tage vor dem Auslaufen der alten Regelung
des § 12 FAG haben Sie dieses Gesetz im Rechtsaus-
schuss durchgepeitscht.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Wir peitschen nie durch, Herr Funke! Wir beraten immer sorgfältig!)


Heute soll es noch schnell im Plenum beschlossen wer-
den. Der Bundesrat hat überhaupt keine Möglichkeit
mehr, beispielsweise den Vermittlungsausschuss anzuru-
fen, es sei denn, man ließe sich darauf ein, dass es zeit-
weise überhaupt keine gesetzliche Regelung gibt. Sie
wussten die ganze Zeit über, dass § 12 FAG geändert wer-
den muss. Das ist schon ein sehr beachtlicher Vorgang.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Länder haben längst Stellung genommen!)


Selbst parlamentarische Regeln haben Sie missachtet. Sie
haben noch nicht einmal abgewartet, bis das Protokoll der
Anhörung vorlag.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist wirklich abenteuerlich, wie hier miteinander umge-
gangen wird.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Das ist wieder die alte Leier! Sie waren doch dabei und haben zugehört! Oder haben Sie nicht zugehört?)


– Herr Hartenbach, ich kann doch auch zuhören und habe
zugehört.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Ich bitte Sie! Dann brauchen Sie doch kein Protokoll! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Warum machen wir überhaupt ein Protokoll?)


– Dann brauchen wir überhaupt kein Protokoll mehr.
Das ist eine diffizile Rechtsfrage. Es geht um rechts-

staatliche Fragen, um Fragen der Einhaltung des Grund-
gesetzes. Deshalb möchte ich doch einen Blick ins Proto-
koll werfen können. Das haben Sie uns verwehrt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

In der Sache kann man sehr unterschiedlicher Meinung

sein. Es ist sicherlich richtig, dass die Nachfolgeregelung
zu § 12 FAG in der Strafprozessordnung untergebracht
wird. Das ist systematisch in Ordnung.

Ausdrücklich begrüßt die FDP, dass die Neuregelung
gerade keine Auskünfte über die „Aktiv“-Meldung von
Mobiltelefonen, also beim Stand-by, erlaubt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum haben wir auch gekämpft!)


– Das halte ich auch für richtig. Keine Bewegungsbilder!
Das ist übrigens auch einer der Gründe dafür, dass wir
uns dem CDU/CSU-Änderungsantrag nicht anschließen
können.


(Beifall bei der FDP)

Im Übrigen bleibt es inhaltlich dabei, dass trotz eines

vielfach besseren Schutzes gegen Eingriffe in die Grund-
rechte nach Art. 10 Grundgesetz – das kann man be-
grüßen – die Eingriffsschwelle gegenüber der Vorgänger-
regelung letztlich deutlich niedriger ist, da Straftaten von
erheblicher Bedeutung als Voraussetzung für einen Ein-
griff ausreichen. Die FDP hätte einen abschließenden und
klar festgelegten Katalog befürwortet, so wie sie es auch
beim Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten getan
hat.


(Beifall bei der FDP)

Das war bei der Schnelligkeit, in der Sie in der Nacht von
Dienstag auf Mittwoch beraten haben, wohl nicht mög-
lich.

Hinzu kommt noch etwas. Zwar hat der Bundesdaten-
schutzbeauftragte eine Reihe von Änderungen im Grund-
satz durchaus begrüßt, aber immerhin vier wesentliche
Punkte kritisiert und die haben Sie nicht berücksichtigt.
Das ist einer der Gründe, die mich zu der Auffassung ge-
führt haben, dass inhaltliche Fragen nicht hinreichend
berücksichtigt worden sind, weil Sie sich in der Nacht die
Zeit dafür nicht genommen haben und auch nicht nehmen
konnten. Wir hätten eine gründliche Beratung gewünscht.




Hans-Christian Ströbele

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(D)



(A)



(B)


Das war wegen Ihrer Verzögerung vorher nicht möglich.
Deswegen lehnen wir das Gesetz ab.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420606000
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Kenzler.


Dr. Evelyn Kenzler (PDS):
Rede ID: ID1420606100
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Uns ist durch eigene Anfra-
gen, aber auch durch den Tätigkeitsbericht des Bundesbe-
auftragten für den Datenschutz vom März dieses Jahres
bekannt, dass die Zahl der strafprozessualen Telefon-
überwachungen und damit der Eingriffe in die Grund-
rechte nach Art. 10 Grundgesetz seit Jahren erheblich
steigt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht so wie früher!)


Bereits 1999 haben die Datenschutzbeauftragten eini-
ger Bundesländer Alarm geschlagen; denn in der Vergan-
genheit wurden die staatlichen Lauschbefugnisse durch
ausufernde Überwachungsvorschriften und -maßnahmen
ständig erweitert.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber nichts mit dem FAG zu tun!)


Die Zahl der richterlichen Anordnungen für Telefonüber-
wachungsmaßnahmen nach § 100 a StPO hat sich bereits
von 1989 bis 1993 nahezu verdoppelt. 1996 ist sie sogar
auf über 6 000 angewachsen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber nichts mit dem Paragraphen zu tun!)


– Das müssen Sie sich trotzdem anhören. – Derzeit wer-
den jährlich mehr als 13 000 Telefonanschlüsse abgehört.
Wenn davon im Durchschnitt circa 50 Gesprächsteilneh-
mer betroffen sind, geraten schätzungsweise mehr als
600 000 Bürger im Jahr in eine Telefonkontrolle. Das sind
die Fakten. Damit nimmt Deutschland beim Abhören in-
ternational einen Spitzenplatz ein.

Der Katalog der Straftaten, bei denen die Telefonab-
hörung erlaubt ist, wurde mehrfach erweitert. Er umfasst
inzwischen circa 90 Straftatbestände. Insgesamt ist die
Entwicklung deshalb höchst alarmierend.

Unter diesen Umständen dürfte man zumindest ent-
sprechende rechtsstaatliche Sicherungen erwarten. Das ist
aber nicht der Fall. Die Zustimmung des Richters zur Te-
lefonüberwachung braucht nicht begründet zu werden. Es
gibt auch keine richterliche Verlaufskontrolle mit regel-
mäßigen Berichtspflichten. Rechtstatsachenforschung und
Qualitätskontrolle gibt es bislang ebenfalls nicht in ausrei-
chendem Maß. Berichte an das Parlament über Anlass,
Verlauf, Ergebnisse, Anzahl der Betroffenen und Kosten
der durchgeführten Maßnahmen sucht man vergebens. Es
findet schlichtweg eine unzulängliche Rechtskontrolle
statt. Es geht uns nicht um Totalverweigerung, sondern um
das Wie und um die Rechtskontrolle.


(Beifall bei der PDS)


Herr Kollege Ströbele, Sie werden uns aber auch nicht in
die Ecke der Totalzustimmung bekommen, in der Sie sich
offensichtlich befinden.

Statt diesen Zustand zu verbessern, wird die Aus-
kunftsbefugnis von Strafverfolgungsbehörden über Tele-
kommunikationsverbindungen in die StPO eingestellt und
bis 2004 befristet. Mit dem Verweis auf noch ausstehende
Gutachten sind rechtsstaatliche Korrekturen in weite
Ferne gerückt.

Für die neu eingefügten §§ 100 g und 100 h StPO setzt
der Entwurf die Eingriffsschwelle zum Teil sogar niedri-
ger, wenn auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ ab-
gestellt wird. Im Interesse der Rechtsklarheit und damit
der Rechtssicherheit sollte zumindest ein abschließender
Katalog der Straftaten von erheblicher Bedeutung aufge-
stellt werden.

Auskünfte über Telekommunikationsdaten sollten
nicht geringeren Anforderungen als bei der Telefonüber-
wachung unterworfen werden. Bedenklich ist im Übrigen
auch, dass keine Höchstfrist für die Anordnung der Aus-
kunft über in der Vergangenheit liegende Telekommuni-
kationsdaten vorgesehen ist.

Auch wenn jetzt noch auf die Schnelle durch die Re-
gierungskoalition beim Zeugnisverweigerungsrecht ein
Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot für bestimmte
Berufsgruppen nachgereicht wurde – was ich durchaus
anerkenne und was auch unser Sachverständiger bei der
Anhörung mit ins Gespräch gebracht hat –, können wir
diesem Gesetzentwurf wegen grundsätzlicher Bedenken
nicht zustimmen.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420606200
Jetzt hat der Ab-
geordnete Jürgen Meyer das Wort.


Prof. Dr. Jürgen Meyer (SPD):
Rede ID: ID1420606300
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der
Bundesregierung, der heute in zweiter und dritter Lesung
beraten und verabschiedet werden soll, erfüllt eine Forde-
rung, die von der Koalition und der Opposition dieses
Hauses gemeinsam erhoben worden ist. Ohne dieses Ge-
setz würde die durch den bisherigen § 12 des Gesetzes
über Fernmeldeanlagen den Strafverfolgungsbehörden
eröffnete Möglichkeit, von verpflichteten Diensteanbie-
tern Auskunft über Telekommunikationsverbindungen
zu verlangen, am 31. Dezember dieses Jahres ersatzlos
beendet. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Op-
position, Sie sollten sich also überlegen, ob Sie heute mit
Nein stimmen können.


(Rainer Funke [FDP]: Kommt das so ganz überraschend für Sie?)


Unbestreitbar ist es aber für eine effektive Strafverfol-
gung unverzichtbar, dass die Strafverfolgungsbehörden
derartige Auskünfte zu Ermittlungs- und Fahndungs-
zwecken auch weiterhin erhalten können. Die Nachfolge-
regelung musste der Tatsache Rechnung tragen, dass die
Ermittlungsmaßnahme einen Eingriff in mehrere Grund-
rechte darstellt. Betroffen ist zum einen das Fern-




Rainer Funke
20422


(C)



(D)



(A)



(B)


meldegeheimnis gemäß Art. 10 Grundgesetz, zum ande-
ren aber auch das Grundrecht auf informationelle Selbst-
bestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1
Abs. 1 Grundgesetz.

Die hier interessierenden Auskünfte betreffen nicht
den Inhalt von Ferngesprächen, wohl aber technische Da-
ten wie Zeitpunkt, Anschlussstelle und Ort des Ge-
spräches. Ursprünglich – darauf haben mehrere Redner
hingewiesen – sollten auch im Sachzusammenhang ste-
hende Regelungen wie die Überwachung von Telefonge-
sprächen gemäß § 100 a StPO systematisch neu geregelt
werden. Leider hat sich dieses bis zum Zeitpunkt des Aus-
laufens der Geltung von § 12 FAG als umöglich erwiesen.
Darauf gehe ich noch ein, Herr Kollege Kauder.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber heftig!)

Gleichwohl ist die Nachfolgeregelung unbestreitbar

besser als die auslaufende Regelung. Dies stellt beispiels-
weise der Bundesbeauftragte für den Datenschutz bei
aller Einzelkritik in seinem Schreiben vom 12. November
dieses Jahres zutreffend fest. Er hebt als positiv hervor:

Erstens wird die Nachfolgeregelung aus systemati-
schen Gründen in die StPO eingegliedert und damit auch
inhaltlich in die Nähe der Telekommunikationsüberwa-
chung gerückt.

Zweitens werden die Anspruchsvoraussetzungen ange-
hoben, indem – wenn die Tat nicht mittels einer Endein-
richtung begangen worden ist – eine Straftat von erheb-
licher Bedeutung vorliegen muss.

Drittens wird die Harmonisierung mit den Vorschriften
der Telekommunikationsüberwachung in den §§ 100 a,
100 b StPO fortgesetzt, indem beispielsweise eine Anord-
nung, die wegen Gefahr im Verzug durch einen Staatsan-
walt erfolgte, außer Kraft treten soll, wenn sie nicht bin-
nen drei Tagen vom Richter bestätigt wird.

Die Tatsache, dass die Neuregelung bis zum 31. De-
zember 2004 befristet wird, dient nicht zuletzt dem
Zweck, spätestens zu diesem Zeitpunkt eine umfassende
Regelung des Schutzes von Zeugnisverweigerungsrech-
ten der Berufsgeheimnisträger vorzunehmen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Spätestens!)


Die aus den Ausschussberatungen hervorgegangene
Regelung umfasst zum Beispiel noch nicht das journalis-
tische Zeugnigsverweigerungsrecht, dessen gesetzliche
Neuregelung gegenwärtig noch Gegenstand eines Ver-
mittlungsverfahrens ist. Nach meiner Auffassung wird in
die spätestens 2004 erfolgende endgültige Regelung auch
das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3
StPO aufgenommen werden können.

Ich gehe davon aus, dass mit der bevorstehenden Re-
form für diesen Bereich bis dahin gute Erfahrungen ge-
macht sein werden. Eine vorsichtige Bewertung des heute
zu verabschiedenden Gesetzes kann nur lauten, dass es
besser ist als § 12 FAG, dass es aber nicht das Ende der
Diskussion bedeuten kann.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass die
Telefonüberwachung gemäß § 100 a StPO häufig Gegen-

stand lebhafter Debatten, auch in diesem Hause, gewesen
ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Zu Recht!)

Dabei hat die CDU/CSU-Fraktion immer wieder eine Er-
weiterung des Deliktskataloges verlangt, während die
Koalition auf einer gleichzeitigen kritischen Überprüfung
der derzeitigen Katalogtaten


(Rainer Funke [FDP]: Was hätten Sie gemacht?)


und der Einführung von Kontrollmaßnahmen analog den
für die technische Wohnraumüberwachung vorgesehenen
Kontrollen gemäß Art. 13 des Grundgesetzes bestanden
hat.


(Beifall bei der SPD)

Grundlage der von allen Fraktionen gewünschten Re-

form sollte ein rechtstatsächliches und rechtsvergleichen-
des Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts
sein, das zwar vom Bundesjustizministerium im Dezem-
ber 1999 in Auftrag gegeben worden ist, aber bis heute
nicht fertig gestellt werden konnte. Der Grund dafür ist
einfach und alles andere, Herr Kollege Kauder, als Anlass
für Vorhaltungen etwa gegenüber der derzeitigen Bundes-
regierung.


(Jörg Tauss [SPD]: Unglaublich!)

Die Herausgabe der Akten für die vereinbarte empirische
Untersuchung bedurfte nämlich einer gesetzlichen
Grundlage, die seit dem bekannten Volkszählungsurteil
des Bundesverfassungsgerichts von 1983 längst hätte
geschaffen werden müssen.


(Alfred Hartenbach [SPD]: So ist es!)

Leider haben der früheren Bundesregierung die 16 Jahre
bis 1998 dafür nicht ausgereicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber Ihre drei auch nicht!)


Der Flughafenkompromiss eines neuen Strafverfah-
rensänderungsgesetzes vom August 1998 scheiterte letzt-
lich am Widerstand der Bayerischen Landesregierung.
Die Folge war, dass beispielsweise das FDP-geführte
Justizministerium von Baden-Württemberg


(Jörg Tauss [SPD]: Gekuscht hat!)

verständlicherweise die Herausgabe der benötigten Akten
zunächst abgelehnt hat, bis die überfällige gesetzliche
Grundlage vorliegen würde.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann hatten Sie doch seit 1998 Zeit!)


Bekanntlich ist unter der Federführung der jetzigen
Bundesregierung das Projekt StVÄG zügig zu Ende ge-
bracht worden,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Im Schneckentempo geht das!)





Dr. Jürgen Meyer (Ulm)


20423


(C)



(D)



(A)



(B)


sodass die gesetzliche Grundlage für die Herausgabe der
benötigten Akten im August des vergangenen Jahres in
Kraft treten konnte.

Anschließend, verehrte Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU-Fraktion, kam es dann zu viel zu langen
und teilweise von bürokratischer Bedenkenträgerei der
Landesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Rainer Funke [FDP]: Ach, dann sind die schuld!)


gekennzeichneten Verhandlungen zwischen dem Max-
Planck-Institut und den genannten Bundesländern. Da-
durch vergingen volle zwölf Monate, bis endlich im Au-
gust dieses Jahres die Akten übergeben worden sind.

Das ist der Sachverhalt, der zur Folge hat, dass wir
heute lediglich eine vorläufige, wenn auch den alten § 12
FAG verbessernde Regelung und nicht eine Gesamtrege-
lung der Überwachung von Telekommunikation ver-
abschieden können. Wenn also die von der Opposition in
den Ausschussberatungen und heute erhobenen Vorwürfe
ernst gemeint sein sollten, müssten sie auf die frühere
Bundesregierung und die genannten CDU-FDP bzw.
CSU-geführten Landesregierungen zurückfallen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU]: Antizipierte Verantwortung! Sensationell!)


Sobald im kommenden Jahr die rechtstatsächliche und
rechtsvergleichende Untersuchung des Freiburger Max-
Planck-Instituts vorliegt, werden die Beratungen über die
Reform insbesondere von § 100 a StPO, die wir ja ge-
meinsam wollen, intensiv aufzunehmen sein.


(Jörg Tauss [SPD]: Und TKG!)

Ich hoffe, dass dem Bundestag dann gelingt, was trotz
mehrerer Anläufe der Justizministerkonferenz, auf die wir
ursprünglich gesetzt hatten,


(Alfred Hartenbach [SPD]: Und auch gehofft hatten!)


nicht gelungen ist, nämlich ein Gesetz, das sowohl dem
Grundrechtsschutz der Betroffenen als auch der Effektivität
der Strafrechtspflege in vollem Umfang Rechnung trägt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU]: Die Quadratur des Kreises sucht ihr ja überall, Herr Meyer!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420606400
Ich schließe da-
mit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
der Strafprozessordnung in der Ausschussfassung. Dazu
liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache
14/7691 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt
für den Änderungsantrag der CDU/CSU? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit

den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und
PDSgegen die StimmenderCDU/CSUabgelehntworden.

Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetz-
entwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesam-
ten Opposition angenommen worden.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zu-
stimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestellten
Stimmenverhältnis angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier,
Doris Barnett, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Grietje Bettin, Dr. Thea Dückert,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ge-
setzes über Arbeitnehmererfindungen
– Drucksache 14/5975 –

(Erste Beratung 170. Sitzung)

Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur För-
derung des Patentwesens an den Hochschulen
– Drucksache 14/5939 –

(Erste Beratung 170. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 14/7573 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Alfred Hartenbach
Dr. Norbert Röttgen
Volker Beck (Köln)

Rainer Funke
Sabine Jünger

Zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen liegt
ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor.

Erfreulicherweise haben die Kollegen Hartenbach,
Loske, Funke, Böttcher und Tauss ihre Reden zu Protokoll
gegeben.1) – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.

Herr Hauser, ich habe gehört, dass es Ihre letzte Rede
sein könnte. Wir werden Ihnen daher besonders aufmerk-
sam zuhören. Als einziger Redner in dieser Debatte hat
der Kollege Norbert Hauser das Wort.


(Jörg Tauss [SPD]: Wenn es die letzte ist, dann hören wir zu!)



Norbert Hauser (CDU):
Rede ID: ID1420606500
Frau Präsiden-
tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Tagen




Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

20424


(C)



(D)



(A)



(B)


1) siehe Anlage 2

läuft in unseren Kinos der Film „Harry Potter und der
Stein der Weisen“.


(Jörg Tauss [SPD]: Soll schön sein!)

Herr Tauss, wenn Sie sich diesen Film angeschaut hätten,
dann hätten Sie etwas lernen können. Offenbar haben Sie
das nicht gemacht. Mit Ihrem Vorschlag zur Abschaffung
des Hochschullehrerprivilegs haben Sie den Stein der
Weisen jedenfalls nicht gefunden. So ist das eben, wenn
sich „Bildungsmuggels“ austoben dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Alle waren sich einig: Das Hochschullehrerprivileg ist

ein Relikt aus der Kaiserzeit; daher ist es abzuschaffen. Es
gibt den Professoren eine Vormachtstellung, die nicht
zeitgemäß ist. Während sie von ihren Erfindungen finan-
ziell profitieren können, geht die Universität, die die In-
frastruktur und damit die Voraussetzungen für die Erfin-
dungen zur Verfügung stellt, leer aus. Gerade in der
heutigen Zeit, in der viele unserer Hochschulen finanziell
am Stock gehen, ist ein solches Ungleichgewicht nicht ak-
zeptabel.


(Jörg Tauss [SPD]: Gut, da sind wir uns einig!)

Den Hochschulen sind bessere Rechte bei der Ver-

marktung von Patenten zu geben. Diesem Ziel wurde
auch die Initiative des Bundesrats vom Dezember 2000
gerecht. Sicherlich hätte man über diese Initiative geson-
dert positiv abstimmen können; aber es herrschte die Auf-
fassung, das Arbeitnehmererfindungsgesetz insgesamt sei
zu novellieren. Auch die Bundesratsinitiative hätte in De-
tailfragen noch überarbeitet werden müssen; allerdings
stimmte zumindest einmal die Richtung.

Sie von Rot-Grün gingen einen anderen Weg.

(Alfred Hartenbach [SPD]: Das war der bes sere Weg!)

Man brachte einen eigenen Gesetzesantrag ein. Dieser
fand zwar kaum die Zustimmung der Betroffenen und der
Verbände. Aber das war Ihnen, wie üblich, egal; Mehrheit
ist Mehrheit. Sie hielten am einmal eingeschlagenen Kurs
fest und zeigten sich, wie auch sonst, in vielen Fällen ab-
solut beratungsresistent. Entsprechend schlecht durch-
dacht ist das Ergebnis.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei den Beratungen hat wieder einmal die Bundesfor-

schungsministerin Bulmahn verloren. Erst hakte es zwar
zwischen den beteiligten Ministerien, sodass die Fraktio-
nen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen eigenen
Entwurf vorlegten; aber dann kam die Ministerin doch
noch aus den Puschen.


(Jörg Tauss [SPD]: Was?)

Im Juli stimmte das Kabinett ihrem Vorstoß endlich zu
und unsere Ministerin feierte sich selbst, wie sie es auch
in diesen Tagen – dies wurde durch eine Pressemitteilung
deutlich – wieder trefflich getan hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Zu Recht, sehr gute Arbeit! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wenn man gut ar beitet, darf man sich feiern lassen! – Lothar Mark [SPD]: Sie hat gute Arbeit geleistet!)


– Ich gebe gern zu: In dieser Disziplin ist sie Weltmeis-
terin.


(Jörg Tauss [SPD]: Und auch sonst!)

Bei einigen anderen Disziplinen, auf die es eigentlich an-
kommt, hat sie die Kreisklasse noch nicht erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Überschrift der Pressemitteilung hieß: „Bulmahn

holt Erfindung aus den Schubladen“.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Jörg Tauss [SPD]: Das ist ein gutes Ziel!)

Ihr Problem ist allerdings: Es gab Zoff im Bundesrat, der
seinen eigenen Vorschlag – zu Recht – für besser hielt,
und Frau Bulmahn geriet in Zeitnot. Antwort Bulmahn:
Zurück in die Schublade und schnell wieder vergessen.
Das war der wegweisende Beitrag unserer Bundesfor-
schungsministerin zur Abschaffung des Hochschullehrer-
privilegs!


(Alfred Hartenbach [SPD]: Haben Sie heute Morgen im Kaffeesatz gelesen, oder was?)


Ob die Hochschulen bei der Umsetzung des rot-grünen
Gesetzentwurfes besser fahren, ist allerdings auch zwei-
felhaft. Zahlreiche Fachleute haben die heute vorliegende
Regelung scharf kritisiert und darauf gedrängt, sie zu
überarbeiten. Herausgekommen sind eine Fristverlänge-
rung von einem Monat auf zwei Monate für die Offenba-
rungsmöglichkeit nach vorher angezeigter Erfindung
beim Dienstherrn und das Austauschen des Wortes „Ver-
öffentlichung“ durch „Offenbarung“ in der Frage, was zu
tun ist, wenn ein Erfinder die Preisgabe seiner Dienst-
erfindung ablehnt.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Vielleicht hätten Sie das ein bisschen besser lesen sollen!)


Meine Damen und Herren von Rot-Grün, diese Änderun-
gen sind Marginalien. Sie müssen sich die Frage gefallen
lassen, ob Sie die guten Ratschläge der Fachleute über-
haupt zur Kenntnis genommen haben.

Wie schwach Ihr Gesetzesvorschlag ist, erkennt man
bereits an zwei Details:

Die Frist zwischen der Anmeldung der Diensterfin-
dung beim Dienstherrn und der Möglichkeit, sie zu offen-
baren, wird von einem Monat auf zwei Monate verlängert.
Zahlreiche Sachverständige haben bei dem Bericht
erstattergespräch im Rechtsausschuss darauf gedrängt, die
Frist auf vier Monate zu verlängern. Bei einer Frist von nur
zwei Monaten ergeben sich Schwierigkeiten bei der Be-
wertung der Erfindungsergebnisse und gravierende Pro-
bleme bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Im
Übrigen beträgt die nach dem Arbeitnehmererfindungs-
gesetz übliche Frist gemäß § 6 Abs. 2 vier Monate. Das
heißt: Wird in der Wirtschaft geforscht, so hat der Arbeit-
geber zwei Monate länger Zeit, als wenn eine Hochschule
beteiligt ist. Warum Sie den Hochschulen nicht die gleiche
Zeit einräumen wollen, konnten Sie nicht überzeugend
darlegen.




Norbert Hauser (Bonn)


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(C)



(D)



(A)



(B)


Völlig außer Acht gelassen haben Sie das Problem der
Gemeinschaftserfindungen. Ohne eine Lösung dieser
Frage in der Neufassung von § 42 des Arbeitnehmererfin-
dungsgesetzes ist dieses jedoch nicht tragfähig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Überregulierung!)


– Sie werden hier noch eine Neuformulierung vornehmen,
Herr Tauss.

Wer glaubt, dass der Arbeitnehmer in der Hochschule
in einem stillen Kämmerlein vor sich hin brütet, dann
schreit: „Heureka, ich habe es!“, in das Rektorat rennt und
sagt: „Hier ist meine Erfindung“, der denkt in Kategorien
des 19. Jahrhunderts.

Die Wirklichkeit sieht anders aus:

(Beifall bei der CDU/CSU)


Heute wird im Team geforscht; oft sind unterschiedliche
Träger beteiligt.


(Jörg Tauss [SPD]: Die sind kooperativ! Deswegen spielt das auch keine Rolle, was Sie vortragen!)


Es kann also sein, dass Hochschulen mit Forschungsein-
richtungen und Abteilungen aus der Industrie gemeinsam
Erfindungen hervorbringen und es bei der Offenbarung zu
Problemen kommt. Was ist dann zu tun? Ihr Gesetzentwurf
gibt darauf keine Antwort. Dies hat nicht nur für die Pa-
tentierbarkeit von Hochschulerfindungen Folgen. Wenn
diese alltäglichen Probleme nicht juristisch geklärt wer-
den, wird es zu Schwierigkeiten sowohl bei der Zusam-
menarbeit zwischen Hochschulen, zwischen Hoschschu-
len und Instituten und zwischen Hochschulen und der
Wirtschaft kommen als auch bei der Einwerbung dringend
benötigter Drittmittel.

Sie sollten nicht die Augen vor der Wirklichkeit ver-
schließen. Sie halten aber trotz des Wissens, dass Ihr Ent-
wurf von allen vorliegenden Entwürfen der schwächste
ist,


(Jörg Tauss [SPD]: Na, na, na! – Alfred Hartenbach [SPD]: Sie haben nicht einmal einen eigenen geschafft, Herr Hauser!)


krampfhaft am eigenen Entwurf fest. Wahre Größe zeigt
sich daran, wie man mit Kritik umgeht. Was das anbe-
langt, Herr Tauss,


(Jörg Tauss [SPD]: Ja, eben! Ich höre Sie mit Geduld an!)


sind Sie bis heute noch nicht über einen Zwergenwuchs
hinausgekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Ich bin 1,86 groß! Ich bitte Sie!)


Meine Damen und Herren, die Koalition wird noch
nicht einmal ihrem eigenen politischen Anliegen gerecht.
Frau Bulmahn versprach in ihrer Pressemitteilung eine
Unterstützung der wirtschaftlichen Verwertung von
Hochschulpatenten. Dafür sollte es eine Gesetzesände-
rung geben; zudem sollte ein 100-Millionen-Programm

aufgelegt werden. Der Ansatz ist löblich, die Realisierung
aber ist leider unzureichend. Dafür werden Agenturen ge-
gründet bzw. bereits tätige Agenturen erhalten neue Auf-
träge. Wenn ich den Forschungsgeist in den Hochschulen
betrachte, dann glaube ich, dass sie Erfolg haben werden.
Nach drei Jahren aber wird die Förderung seitens des
Bundes eingestellt. Was passiert dann? Diese Frage be-
antwortet der Gesetzentwurf nicht.

Ohne eine weitere finanzielle Unterstützung durch den
Bund werden die dann mühsam aufgebauten Strukturen
abgebaut. Wenn Deutschland hinsichtlich der wirtschaft-
lichen Verwertung von Hochschulpatenten konkurrenz-
fähig sein will, muss die Förderung langfristig angelegt
werden. Das heißt, es muss die Bereitschaft zu einem An-
schlusskonzept geben.


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt haben Sie schon eine Glaskugel und nicht mehr nur den Kaffeesatz!)


Fehlt diese Bereitschaft, läuft man Gefahr, 100 Millionen
in den Sand gesetzt zu haben.

Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie ver-
fahren folgendermaßen: Erst setzt man Länder und Hoch-
schulen an einen reich gedeckten Tisch, um ihnen nach
der Vorspeise den Hauptgang wegzunehmen.


(Jörg Tauss [SPD]: Was?)

Was bleibt, ist Hunger.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Merkwürdige Bilder hat er!)


Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Bundesrat.
Dieser hat am 27. September 2001 in seiner Stellung-
nahme zum inzwischen eingestampften Gesetzentwurf
der Bundesregierung festgestellt:

Die in einigen Ländern noch aufzubauenden Patent-
und Verwaltungsstrukturen werden jedoch voraus-
sichtlich über die Dauer der auf drei Jahre befristeten
Bundeshilfen hinaus defizitär bleiben. Deshalb for-
dert der Bundesrat eine entsprechende Verlängerung
der finanziellen Unterstützung durch den Bund.

Aber auch dieser Appell hat die Ohren der Koalition
nicht erreicht, obwohl


(Alfred Hartenbach [SPD]: Sie sollten zum Schluss kommen!)


– Herr Kollege, das ist Ihnen natürlich unangenehm –
auch die Länder das mitverfasst haben, in denen die Lan-
desregierungen von Ihnen getragen werden. Verschließen
Sie also nicht die Augen vor der Wirklichkeit, stellen Sie
die Weichen für eine dauerhafte Lösung! Gesetzestech-
nisch wäre noch Zeit innerhalb der kompletten Novellie-
rung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes.


(Jörg Tauss [SPD]: Ach was! In der nächsten Legislaturperiode!)


Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Sie innerhalb weniger
Monate Ihre eigenen Gesetze überarbeiten müssten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])





Norbert Hauser (Bonn)

20426


(C)



(D)



(A)



(B)


Meine Damen und Herren, uns allen ist daran gelegen,
die Hochschulen bei der wirtschaftlichen Vermarktung ih-
rer Patente zu unterstützen. Wir liegen im internationalen
Vergleich noch weit zurück. Hilfe seitens des Bundes ist
dringend notwendig, sowohl als Geldgeber wie auch als
Gesetzgeber.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Wenn Sie heute das Arbeitnehmererfindungsgesetz in der
vorliegenden Fassung beschließen, versagen Sie als Ge-
setzgeber. Es bleibt zu hoffen, dass die Erfinder an unse-
ren Hochschulen auch ohne rot-grüne Hilfe in der Lage
sind, den Stein der Weisen zu finden.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420606600
Danke schön. –
Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zu der Abstimmung über den von den
Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einge-
brachten Gesetzentwurf. Der Rechtsausschuss empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/7573, den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung anzunehmen.

Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS
vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den
Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 14/7652? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt worden.

Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und
FDP bei Enthaltung der PDS angenommen worden.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,
wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestellten
Stimmverhältnis angenommen worden.

Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten
Gesetzentwurf zur Förderung des Patentwesens an den
Hochschulen. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzent-
wurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-
wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hau-
ses abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Ge-
schäftsordnung die weitere Beratung.

Wir sind damit am Schluss unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-

tages auf Mittwoch, den 12. Dezember, 13 Uhr, ein.
Sofern ich mich mit dem Kalender richtig auskenne,

kann ich Ihnen einen schönen Advent wünschen.
Die Sitzung ist geschlossen.