Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2002
Haushaltsgesetz 2002
– Drucksachen 14/6800, 14/7537, 14/7301 bis
14/7320, 14/7321, 14/7322, 14/7323 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Dr. Elke Leonhard
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft
Über den Gesetzentwurf sowie über einen Ent-
schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU werden
wir nach der Aussprache namentlich abstimmen; zu einer
Reihe weiterer Entschließungsanträge erfolgt einfache
Abstimmung.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Manfred Carstens, CDU/CSU-Fraktion.
Manfred Carstens (CDU/CSU) (von der
CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine
verehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute beraten wir
abschließend in dritter Lesung den Bundeshaushalt 2002.
Ich würde mich sehr darüber freuen – ich hoffe auch da-
rauf –, wenn das der letzte Bundeshaushalt wäre, der von
Rot-Grün zu verantworten ist.
Der Kollege Austermann hat bei der zweiten Lesung
am Dienstag auf vorzügliche Weise dargelegt, wo die fi-
nanz- und haushaltspolitischen Versäumnisse der Bun-
desregierung liegen.
Ich möchte mich insbesondere einem Thema zuwenden,
nämlich dem, wie es möglich sein konnte, dass in einer so
kurzen Zeit ein relativ robuster wirtschaftlicher Auf-
schwung zunichte gemacht wurde.
Die derzeitige wirtschaftliche Lage kann man wohl als
Stagnation bezeichnen, möglicherweise befinden wir uns
schon in einem Schrumpfungsprozess.
– Der Finanzminister scheint sich für diese Debatte nicht
zu interessieren, weil er nicht anwesend ist.
Kollege Carstens,
gestatten Sie eine Zwischenfrage? Ich ahne schon, welche
es ist.
Ja, bitte
sehr.
Bitte schön.
ment informieren, warum zum entscheidenden Tagesord-
nungspunkt, zur dritten Lesung des Bundeshaushaltes,
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206. Sitzung
Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Beginn: 9.00 Uhr
weder der Finanzminister noch ein Staatssekretär hier
heute Morgen anwesend sind. Vielleicht können Sie das
beantworten.
Ich kann die Frage lei-
der auch nicht beantworten. Ich habe gerade darum gebe-
ten, nach ihm zu fragen, weil auch mir das aufgefallen ist.
– Wir haben Glück, der Finanzminister hat gerade den
Saal betreten.
Herr Kollege Carstens, jetzt können Sie in aller Ruhe
fortfahren.
Herr Kol-lege von Hammerstein, es ist in der Tat so, dass der Fi-nanzminister bei diesem Thema anwesend sein muss.Aber da es sein letzter Haushalt ist, wäre es eigentlichdoch nicht so wichtig.
Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft sehr be-drohlich. Es weiß noch keiner abzuschätzen, wie sichdie Dinge im Jahre 2002 darstellen. Der Sachverstän-digenrat geht noch davon aus, dass es ein geringesWachstum geben wird, fügt aber sofort hinzu: Alles an-dere, was wir unterstellt haben, muss sich aber auch soereignen; ansonsten geraten wir tatsächlich in einerezessive Phase. Wie gesagt, keiner weiß, ob wir unsnicht wirklich schon in einem Schrumpfungsprozessbefinden.Am deutlichsten wird die Gefährlichkeit einer solchenEntwicklung, wenn man die Entwicklung der Arbeitslo-sigkeit betrachtet. Man muss sich einmal vorstellen, dasswir in den letzten zwölf Monaten vor dem Regierungs-wechsel, von Oktober 1997 bis Oktober 1998, die Zahlder Arbeitslosen um 399 000 reduziert haben.
1999 und in den folgenden Jahren sind darüber hinausüber 200 000 ältere Menschen mehr aus dem Arbeits-prozess ausgeschieden als jüngere nachgekommen sind.Bei einer moderaten wirtschaftlichen Entwicklung hättees möglich sein müssen, die Arbeitslosigkeit im Durch-schnitt des Jahres 2002 in Richtung 3 Millionen zu brin-gen.
Was wir jetzt erleben, ist das genaue Gegenteil.
Der Bundeskanzler hat noch im Frühjahr 2001 versucht,einen Notnagel einzuschlagen, indem er sagte: Es werdenwohl 3,5 Millionen arbeitslose Menschen werden. – Aberjetzt sagt die Regierung selbst: Wir gehen von fast3,9 Millionen Arbeitslosen aus. Der Sachverständigenratsagt: Es werden knapp 4 Millionen Arbeitslose. Wahr-scheinlich ist, dass wir im nächsten Jahr über 4 MillionenArbeitslose im Jahresdurchschnitt haben werden.
Da der Bundeskanzler sich und seine politische Entwick-lung mit der Zahl der Arbeitslosen verbunden hat, ist er imGrunde nur noch ein Kanzler auf Abruf.
Diese Entwicklung, dieser rapide Verfall der Wirt-schaft ist nur mit der Maßgabe vorstellbar, dass ein Groß-teil der Bevölkerung einfach das Vertrauen in die Regie-rung und in die weitere Entwicklung verloren hat.
Das ist auch gut nachvollziehbar. Denn wenn Sie einmalnachlesen, was der Kanzler, die Minister und der Gene-ralsekretär der SPD in den letzten Jahren und Monaten ge-sagt haben, dann stellen Sie fest: Ob Sie sich das angehörthaben, ist völlig egal; denn es ist sowieso nicht so einge-troffen, wie sie es gesagt haben.
Wenn man eine solche Politik macht, ist völlig klar, dassdas Vertrauen als wichtige Voraussetzung für wirtschaft-liche Entwicklung nicht mehr da sein kann.Wenn Sie sich die Statistiken anschauen, dann stellenSie fest, dass die Ausrüstungsinvestitionen ausbleiben,dass die Bauinvestitionen ausbleiben, dass das Mehr-wertsteueraufkommen rapide abnimmt. Das hat es indiesem Umfang im Vergleich zu den Schätzungen über-haupt noch nicht gegeben. Das sind Entwicklungen, diedarauf hindeuten, dass die Bevölkerung der Zukunft nichtmehr traut. Man kauft nicht mehr; man investiert nichtmehr. Wenn der Finanzminister sagt: „Liebe Deutsche,sorgt für den Aufschwung! Kauft! Legt euer Geld an!“,dann klingt das bei vielen Arbeitnehmern und Rentnernangesichts der Tatsache, dass er der breiten Masse ständigdurch Steuererhöhungen das Geld aus der Tasche gezogenhat, wie Hohn.
Wenn man so will, ist eine Regierung aus Rot-Grünschon an sich ein Risiko für die Konjunktur.
Die Grünen sind ein latentes Risiko. Die Grünen wissen,was sie alles nicht wollen; aber sie wissen kaum, was siewollen. So kann man keine Wirtschaftspolitik machen.
Kernenergie, PKWs und Straßenbau sind Feindbilder fürdie Grünen. Entsprechend sieht die Politik aus. Was wir inden letzten drei, vier Jahren erlebt haben, war ein Reper-
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Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein20366
toire von Strafexpeditionen gegen Autofahrer: jedes Jahrsechs Pfennig drauf.
So kann man keine Wirtschaftspolitik machen. So kann esnicht dauerhaft gut gehen. Da geht selbst die stabilsteKonjunktur in die Knie. Da steigt die Arbeitslosigkeit an.
Wie Sie den Mittelstand bei der Steuerreform behan-delt haben, wie Sie ihn mit bürokratischen Auflagen be-lastet haben und wie Sie überhaupt mit ihm umgehen, ge-rade mit den Familienbetrieben, wie Sie mit derLandwirtschaft umgehen, was Frau Künast sich seit derBSE-Krise erlaubt, die im Grunde gar keine war, sondernkünstlich erzeugt wurde – –
– Wenn Sie das so mit Widerspruch belegen, dann habenwir heute noch genauso eine BSE-Krise wie vor einemJahr. Da hat sich überhaupt nichts geändert, meine Damenund Herren.
Von daher ist bei den Landwirten wie beim Mittelstandeinfach kein Vertrauen da. Man hat bei Frau Künast denEindruck, als ob sie die deutsche Landwirtschaft amliebsten des Landes verweisen möchte. Woher sollen denndann noch Investitionen kommen? Das ist doch völlig un-vorstellbar.
Es gibt noch etwas, was zur Gesamtbetrachtung derFrage gehört, warum das Vertrauen in die Regierung bzw.in eine gesunde Politik nicht vorhanden ist. Es gibt so-wohl in Westdeutschland als auch in Ostdeutschland nachwie vor einen großen Vorbehalt – ich meine, zu Recht –gegen die PDS.
Eine Bürgerrechtlerin hat einmal gesagt: Das ist die SED,die sich mit einem neuen Namen maskiert hat. – Das isteine gute Beschreibung.
Wenn sich die Regierungspartei SPD mit der PDS inMecklenburg-Vorpommern in ein Boot begibt
sowie sich von ihr in Sachsen-Anhalt tolerieren lässt undwenn sie sich in Berlin auf unseriöse Weise an die Regie-rung bringen lässt, dann denkt sich das deutsche Volk et-was dabei.
Da hat es Absprachen gegeben. Man weiß, dass Abspra-chen, die es vorher gegeben hat, auch eingehalten werdenmüssen. Solchen Absprachen traut man nicht; daraufsetzt man nicht. Daher kann eine Regierung Schrödernicht erwarten, dass die Wirtschaft noch Vertrauen in ihrePolitik hat.
Wir haben darüber hinaus zu bedenken – das möchteich ebenso deutlich ansprechen –, dass diejenigen, die inder Politik das Vertrauen verspielt haben, kaum imstandesein werden, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Wenndie Wirtschaft kein Vertrauen mehr zur Politik hat, wennman ihrem Wort nicht mehr glaubt, wenn man der Regie-rung nichts mehr, erst recht nichts Gutes, zutraut, danngibt es kaum noch Aussicht darauf, dass es mit dieserRegierung in der Wirtschaft wieder aufwärts gehen kann.Deswegen muss die Lösung heißen: Weg mit dieser Re-gierung! Her mit einem neuen Programm und einer neuenRegierung!
Das muss natürlich durch das Einhalten gewisserGrundsätze angereichert werden. Ich bin davon über-zeugt, dass sich unser Land in Zukunft wirklich nur danngedeihlich entwickeln kann, wenn wir der Familiewiederden Stellenwert einräumen, den sie haben muss.
Sie muss der Kern unserer gesellschaftlichen Entwick-lung sein.
Die Familien müssen wieder bereit sein, mehr Kinder zuhaben, Kinder zu erziehen und sie für das Leben fit zu ma-chen, um sie dann entsprechend ins Leben entlassen zukönnen. Das bedarf unserer Unterstützung.
Darüber hinaus ist es wichtig, dass wir uns weiterhinan gewisse Grundsätze halten. Es kann einfach nicht sein,dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften der Ehe undder Familie gleichgestellt werden. Das ist völlig undenk-bar. Das kann in Zukunft nicht gut gehen.
Wir müssen uns auch gewisse Normen auferlegen. Wirmüssen uns wieder daran gewöhnen, gewisse Grundsätzeim zwischenmenschlichen Zusammenleben, Grundsätze,die uns von Gott gegeben sind, einzuhalten.Zum Schluss meiner Ausführungen sage ich Ihnen: Wirwerden erleben, dass wir in dem Maße, in dem wir in un-serem Leben bereit sind, uns an diese Grundsätze zu hal-ten und sie zu praktizieren, eine gesegnete und gute
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Manfred Carstens
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Zukunft haben werden. Das wünsche ich Ihnen allen undunserem ganzen Volk.Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile dem Kolle-
gen Joachim Poß, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damenund Herren! Herr Kollege Carstens, Sie sind jemand, denich persönlich wirklich achte. Sie haben in den letztenJahrzehnten versucht, insgesamt gesehen einen guten Bei-trag zur Finanzpolitik zu erbringen.
Weil Sie von Grundsätzen geredet haben, werden Sie mirdie folgende Feststellung aber erlauben, Herr KollegeCarstens: Die Grundsätze einer geordneten Finanzpolitikwurden unter Ihrer Mitwirkung über Jahre missachtet.Dieses Urteil kann man Ihnen leider nicht ersparen.
Im Übrigen will ich sagen, dass Sie stellenweise mit IhrerRede Ihren Humor durchaus unter Beweis gestellt haben.
Am Ende der Haushaltsdebatte bleibt als wichtigsteFeststellung: Die Koalition aus SPD und Bündnis 90/DieGrünen bleibt auf Kurs,
und das in wirtschaftlich schwieriger Zeit. Wir sind struk-turell in die richtige Richtung vorangekommen.
Das wurde in dieser Woche vom Bundesfinanzministerund vom Bundeskanzler eindeutig unter Beweis gestellt.
Das zeigt auch der Haushalt, der heute verabschiedetwird. Mit der Nettokreditaufnahme von 21,1 Milliar-den Euro bleiben wir trotz der konjunkturbedingtenMehrbelastungen, die in den Regierungsentwurf einzu-arbeiten waren, im vorher geplanten Rahmen. Das war einhartes Stück Arbeit, für das wir sicherlich alle den Haus-hältern zu Dank verpflichtet sind.
Im überschaubaren Maße mussten wir Privatisierungs-erlöse einstellen. Nach vernünftiger Abwägung halten wirdas für vertretbar; denn die Einhaltung der vorgesehenenGrenzefürdieNettokreditaufnahmeisteinwichtigesSignaldafür, dass die Regierungsfraktionen, die Bundesregierungund der Bundesfinanzminister in einer Situation Kurs hal-ten, die immer noch durch Unsicherheiten bei den Men-schen und in denwirtschaftlichen Prognosen geprägt ist.
Wer in den letzten Tagen und Wochen davon geredethat und dafür geworben hat, den Konsolidierungspfadauch nur vorübergehend zu verlassen,
der bedenkt eines nicht: Wie sollen die Menschen, die In-vestoren und Konsumenten wieder die nötige Zuversichtund Sicherheit bekommen, wenn selbst die verantwortli-che Politik keine verlässlichen Fixpunkte gibt?
Wir bieten diese Verlässlichkeit.Wie nicht anders zu erwarten, hat die Opposition in derabgelaufenen Woche immer wieder versucht, unsereSpar- und Konsolidierungserfolge der letzten Jahre kleinzu reden.
Aber ohne unser mittelfristig angelegtes Konsolidie-rungspaket, das wir 1999 als Teil des Zukunftspro-gramms 2000 verabredet haben,
hätte das Niveau der Neuverschuldung des Bundes, HerrKollege Carstens, das in der Endzeit der RegierungKohl/Waigel jährlich Spitzenwerte in Höhe von 60 Milli-arden bis 70Milliarden DM erreicht hatte, auch noch nach1998 fortgeschrieben werden müssen. Davon sind wirjetzt weit entfernt. Die Menschen wissen das.
Für 2002 sind rund 42 Milliarden DM für die Neuver-schuldung vorgesehen. Das sind jährlich mindestens20 Milliarden DM weniger als zur Endzeit Ihrer Regie-rung. Im Gegensatz zu uns mussten Sie jedes Jahr bangen,ob es Ihnen überhaupt gelingt, einen verfassungsmäßi-gen Haushalt aufzustellen. Dieses Problem haben wir– selbst in der derzeit schwierigen konjunkturellen Situa-tion – nicht mehr.
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Manfred Carstens
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Es ist reine Ablenkung, wenn Sie mit Ihrer Vergangen-heit uns heute mangelnde Konsolidierungsbemühungenvorwerfen. Wer sich den gemeinsamen Grundtenor derOppositionsreden vor Augen hält, der erkennt deutlich dasrein taktische Bemühen, die Bundesrepublik Deutschlandzum Sorgenkind Europas herunterzureden. Das soll wohlIhr Hauptmotiv bei der Wahlkampfauseinandersetzungwerden. Das ist aber ein Versuch, der die Realität maßlosverzerrt darstellt.
Dieses Vorgehen ist zudem auch unverantwortlich;denn so lässt sich die nötige Zuversicht bei Investoren undKonsumenten nicht erreichen.
Wer wünschte nicht, dass unsere Wachstumsraten im in-ternationalen Vergleich besser wären? Aber bei seriöserBetrachtung sind die Gründe offenkundig: 40 Jahre SED-Herrschaft mit all ihren ökonomischen und sozialenVerwerfungen in Ostdeutschland können nicht in wenigenJahren völlig aufgearbeitet werden.
Wir als Sozialdemokraten haben schon 1990 und in derFolgezeit gesagt, dass das eine Generationenaufgabe ist.Hier liegt Ihre grundlegende Fehleinschätzung.
Sie haben beim Aufbau Ost die Weichen falsch gestellt.Auch darunter leiden wir noch heute. Damit haben wirnoch zu tun. Zwei Komponenten machen uns Schwierig-keiten: zum einen natürlich die SED-Vergangenheit undzum anderen Ihre falsche Weichenstellung beim AufbauOst im Jahre 1990.
Es ist ein Teil der Argumentation Ihres beginnendenWahlkampfes, dass Sie immer wieder behaupten,Deutschland sei das ökonomische Schlusslicht Europasund die SPD und die Grünen seien daran schuld.
Dabei unterschlagen Sie, wie es während Ihrer Regie-rungszeit war, – das werden wir Ihnen noch öfter sagen –:1996, 1997 und 1998 lag Deutschland – bezogen auf dasWachstum – am Ende der Reihenfolge in Europa.
1993, 1994 und 1995 stand sogar das ökonomisch ver-meintlich stärkere Westdeutschland – bezogen auf dasWachstum – am Ende der Reihenfolge in Europa.
Auch wenn wir uns natürlich eine weitaus bessere wirt-schaftliche Entwicklung wünschen, entspricht es nunwirklich nicht der Wahrnehmung und Überzeugung derallermeisten Bürgerinnen und Bürger, dass Deutschlanddas Sorgenhaus Europas ist.In Ihren Haushaltsreden versuchen Sie, der Regierungdie wirtschaftliche Schwäche in die Schuhe zu schieben.
Deshalb will ich hier noch einmal das neueste Gutachtendes Sachverständigenrates zitieren, das gerade einmalzwei Wochen alt ist. Der Sachverständigenrat führt aus:Eigene Berechnungen zeigen, dass allein dieVerlangsamung der wirtschaftlichen Expansion inden Vereinigten Staaten ... in diesem Jahr zu einemRückgang der deutschen Zuwachsrate des Brutto-inlandsprodukts von knapp einem Prozentpunktführt.Ich füge hinzu – auch der Bundeskanzler hat das in seinerRede angedeutet –: Dabei wurden die Sekundäreffekteaufgrund des Rückgangs der Gewinne von US-Töchterndeutscher Konzerne noch nicht berücksichtigt.
Ähnliches steht im Herbstgutachten der Wirtschafts-forschungsinstitute:Auslöser des konjunkturellen Abschwungs, der Mittedes vergangenes Jahres eingesetzt hatte, war derÖlpreisschock; im Laufe dieses Jahres kamen zudemdie bremsenden Wirkungen der im Vorjahr merklichgestrafften Geldpolitik zum Tragen.
Es geht noch weiter:Zunächst konzentrierte sich der Abschwung auf dieBinnennachfrage.
Seit Beginn dieses Jahres wurde der Export von dersich deutlich verschlechternden Weltkonjunktur er-fasst.Einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, dasökonomisch in außergewöhnlichem Umfang mit seinenNachbarn und anderen Industriestaaten der Welt ver-flochten ist, kann es nicht gut gehen, wenn es, was zurzeitder Fall ist, all seinen Partnern schlecht geht.
Sowohl die USA als auch Japan und die Staaten der EU– im Blick auf England und Frankreich brauchen Sieheute Morgen nur die Zeitung zu lesen – befinden sichzurzeit in konjunkturell schwierigem Fahrwasser.
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Dass es allen großen Wirtschaftsräumen zur gleichen Zeitwirtschaftlich nicht gut geht, ist übrigens eine Konstella-tion, die historisch fast einmalig ist.
Hinzu kommt, dass Sie, meine Damen und Herren vonder Opposition, durchgehend ausblenden, dass die wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen für eine Verbesserungunserer Lage derzeit in vielerlei Hinsicht so schlecht garnicht sind:
Erstens. Die Preissteigerungsrate geht spürbar zurück;insbesondere sind die Öl- und Benzinpreise im Jahres-verlauf erheblich gesunken.
Das Inflationsgespenst ist verjagt; wieder stabilisiertePreise lassen die Händler hoffnungsvoller auf das Weih-nachts- und das Frühjahrsgeschäft blicken.
– Entschuldigen Sie mal. Sie haben wegen der Inflations-rate noch im April und Mai Aktuelle Stunden beantragt.Haben Sie das schon wieder vergessen? Das Inflationsge-spenst ist verjagt. Sehen Sie sich die Entwicklung an!Zweitens. Der Eurokurs – bezogen auf den Dollar – be-wegt sich nach wie vor – und wohl auch auf absehbareZeit – auf einem Niveau, das den deutschen Export unter-stützt.
Drittens. Die Europäische Zentralbank hat in diesemJahr die Leitzinsen deutlich auf zurzeit 3,25 Prozent re-duziert. Dadurch werden auf absehbare Zeit attraktive Fi-nanzierungsmöglichkeiten für Investoren und Konsumen-ten sichergestellt.Viertens. Ich gehe fest davon aus, dass auch in den jetztanstehenden Tarifrunden die Tarifpartner einen Weg fin-den werden, der die wirtschaftliche Entwicklung inDeutschland weiter befördert. Die Tarifparteien habensich nämlich bisher immer verantwortungsbewusst ver-halten. Es gibt keinen Grund, daran zu zweifeln, dass diesauch weiterhin der Fall sein wird.Fünftens. Alle Vorhersagen für die wirtschaftliche Ent-wicklung im kommenden Jahr gehen davon aus, dass esspätestens in der zweiten Jahreshälfte zu einer Wiederbe-lebung der Auftriebskräfte kommen wird.
Unabhängig von der Entwicklung in Amerika wirdnach meiner Überzeugung in Europa und in Deutschlanddie Umstellung, die Gewöhnung an und das sich verstär-kende Vertrauen in den Euro in den nächsten Monaten zueiner Verbesserung der wirtschaftlichen Stimmungslageführen. Auch dies ist konjunkturpolitisch bedeutsam.
Die Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge istunbefriedigend. Wir werden unser Ziel, den Gesamtsozi-alversicherungsbeitrag im Laufe der Legislaturperiodeauf unter 40 Prozent zu senken, aller Voraussicht nachnicht erreichen.
Aber in konjunkturellen Schwächeperioden ist es nun ein-mal so – das wissen Sie auch –, dass das Geld nicht nurbei den Steuereinnahmen, sondern auch bei den Beitrags-einnahmen fehlt.
Wir alle haben gesehen und gespürt, wie schwierig diein diesem Jahr endgültig realisierte große Rentenstruktur-reform gewesen ist. Ich kann nur jedem raten, Reform-bemühungen in den anderen Sozialversicherungszweigenähnlich behutsam und sorgsam anzugehen. Die Reformder Sozialversicherungssysteme ist eine gesellschaftspo-litische Aufgabe ersten Ranges. So wichtig das für sichgenommen ist, so kann aber die Senkung der Sozialabga-ben dabei nicht das alleinige Ziel der nötigen Reformenim Sozialbereich sein. Es geht auch um die Qualitätunseres Sozialstaates. Möglicherweise unterscheidet unsgenau das. Auch darüber können wir im nächsten Jahrstreiten.
Wenn Sie davon reden, dass die Sozialversicherungs-abgaben weiter gesenkt werden sollen, müssen Sie denBürgerinnen und Bürgern auch sagen, was dies bedeutet:Die von Ihnen geforderte Senkung des Beitrags zurArbeitslosenversicherungwäre nur dann möglich, wenndas Arbeitslosengeld und die anderen Lohnersatzleistun-gen gekürzt würden oder wenn der Etat für die aktive Ar-beitsmarktpolitik, die wir nach wie vor dringend – vor al-lem in Ostdeutschland – brauchen, radikal beschnittenwürde oder wenn erhebliche Lasten aus dem Haushalt derBundesanstalt für Arbeit in den Bundeshaushalt hinüber-geschoben würden, welches zu einer stark nach oben stei-genden Verschuldung des Bundes führen würde.Ich bin auf Ihre Wahlprogramme gespannt, insbeson-dere darauf, ob Sie den Bürgerinnen und Bürgern hierüberreinen Wein einschenken werden oder ob Sie auch wei-terhin Ihre vermeintlichen Politikalternativen hinterwohlfeilen Sprüchen verbergen werden. Die Wahrheit istkonkret; der können Sie nicht ausweichen.
Zunächst einmal kann ich hier – auch in dem Papier„Neue Soziale Marktwirtschaft“ von Frau Merkel – nur
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die Politik der Umverteilung von unten nach oben erken-nen, die Sie 16 Jahre lang praktiziert haben.
Ähnlich verhält es sich beim Rentenversicherungsbei-trag. Auch hier müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgernsagen, was es bedeutet, wenn der Rentenversicherungs-beitrag stärker als bisher zurückgehen soll. Sagen Sie denRentnerinnen und Rentnern, dass Sie das Rentenniveaunoch weiter senken wollen? Oder wollen Sie auch hier einestärkere Finanzierung aus dem Bundeshaushalt, der bereitsjetzt – mit steigender Tendenz – zu fast einem Drittel ausZahlungen an die Rentenversicherungsträger besteht?
Hier zeigt sich auch die ganze Widersprüchlichkeit Ih-rer Forderungen: Die von Ihnen immer wieder ohne Ein-sicht geforderte Aussetzung der nächsten Ökosteuer-stufe würde mit Sicherheit eine Konsequenz haben: Siewürde nämlich den Rentenversicherungsbeitrag, den Sieja eigentlich weiter senken wollen, bereits im nächstenJahr in die Höhe treiben. Wie passt das zusammen? Zeigtdas Regierungs- oder Politikfähigkeit?
Wo ist also Ihr Konzept? Wo ist Ihre Alternative? Oderanders formuliert: Wie hoch ist der Realitätsgehalt, wiehoch ist eigentlich der Grad an Verantwortbarkeit Ihrerauch in der abgelaufenen Woche wieder ohne Unterlassvorgebrachten vermeintlichen Verbesserungsvorschläge?Sie bieten ein virtuelles Programm, das mit der finanzpoli-tischenRealität in diesemLandüberhaupt nichts zu tun hat.
Stichwort Steuerpolitik: Wider besseres Wissen versu-chen Sie ständig, den Eindruck zu erwecken, in der Steu-erpolitik bestünde konjunkturpolitischer Handlungsbe-darf.
Nicht bestreitbar ist doch, dass es bereits jetzt durch dievon uns durchgesetzten massiven Steuerentlastungen er-hebliche konjunkturfördernde Impulse gibt und nochgeben wird.
Beschlossene Steuergesetze wirken natürlich nicht nur imJahr ihrer Einführung, sondern auch in den Folgejahren.Zum nächsten Jahr, also genau dann, wenn wir das kon-junkturell brauchen, werden zusätzlich sogar etwa 19Mil-liarden DM an Steuerentlastungen wirksam, davon5MilliardenDM zusätzlich für Familien mit Kindern. Wirpraktizieren nämlich Familienpolitik, Herr KollegeCarstens, im Gegensatz zu dem, was Sie nur verbal dar-gestellt haben.
Das wird seine konjunkturellen Wirkungen nicht verfehlen.
Außerdem haben wir im Baubereich eine halbe Milli-arde Euro an zusätzlichen Verpflichtungsermächtigungenmit Fälligkeit 2003 in den Haushaltsberatungen ausge-bracht, sodass die entsprechenden Aufträge bereits nach2002 vorgezogen werden können. Also wird die Wirt-schaft auch im Baubereich anziehen.Sie fordern immer noch, die für 2003 und 2005 vorge-sehenen Entlastungsstufen unserer Steuerreform vorzu-ziehen. Es ist hier in der Debatte bereits gesagt worden:Erst haben Sie unsere Steuerreform beständig verteufelt,jetzt wollen Sie sie sogar vorziehen. Das ist doch grotesk.
Der Sachverständigenrat hat ausgeführt, dass alles inallem überzeugende ökonomische Gründe gegen Kon-junkturprogramme in einem normalen Konjunkturzy-klus sprechen.
Es gehe darum, stabile und verlässliche makroökonomi-sche Rahmendaten als Voraussetzung für ein stärkeres Po-tenzialwachstum zu schaffen. Das machen wir. Bei uns istPolitik wieder planbar geworden.
Sie haben immer dann, wenn es zur Sache ging, zum Bei-spiel bei der Verbreiterung der Steuerbasis, dagegen ge-stimmt. Sie waren immer die Meister der Schlupflöcherund haben damit einen finanzierungsfähigen Staat immermehr infrage gestellt.
Wer von Ihnen will angesichts der derzeitigen großenUnsicherheit über die zukünftige Entwicklung aus-schließen, dass zusätzliche steuerliche Entlastungenvon den Bürgerinnen und Bürgern gar nicht konjunk-turfördernd verausgabt, sondern auf die hohe Kante ge-legt würden? Schauen Sie sich die Zahlen in den USAan. Die Sparquote ist dort von 1 Prozent auf 4,7 Pro-zent angestiegen. Auch dort stellt sich die Frage, ob dasvon Bush auf den Weg gebrachte Steuersenkungs-programm überhaupt etwas bewirkt. Damit bleibt fest-zuhalten: Es gibt eine große ökonomische Skepsis
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gegenüber weiteren Steuerentlastungen in der jetzigenSituation, ohne dass wir über die Finanzierbarkeit sol-cher Steuerentlastungen bisher überhaupt geredet hätten.Wir haben in der Diskussionsrunde am Sonntag HerrnStoiber gehört. Er sprach davon, dass die öffentlichenHaushalte, insbesondere die der Länder, so ausgezehrtseien, dass sie ein Vorziehen der Steuerreform finanziellnicht verkraften könnten. Recht hat Herr Stoiber! Schaf-fen Sie in Ihren Köpfen und in Ihren Reihen gedanklicheKlarheit. Dann können Sie sich wieder in den politischenWettbewerb begeben; denn bis heute haben Sie das wahr-lich nicht geschafft.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der letztenSteuerschätzung mit Mindereinnahmen von 20 Milliar-den DM allein im Jahr 2002 ist der Spielraum noch klei-ner geworden. Es ist abwegig, davon auszugehen, dass diePolitik einfach einen Hebel umlegen kann und dannbrummt die Wirtschaft. Arbeitnehmer und Gewerk-schaften, aber auch und vor allem die Unternehmer müs-sen sich ihrer gesamtwirtschaftlichen Verantwortung be-wusst sein.Helfen Sie lieber mit, dass die Ihnen nahe stehendenPräsidenten und sonstigen Funktionäre der Wirtschafts-verbände ihre Mitglieder überzeugen, die von uns ge-schaffenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu nut-zen, um in Deutschland endlich neue Arbeitsplätze zuschaffen und nicht kurzfristig und fantasielos Arbeits-plätze zu Tausenden abzubauen. Das wäre eine Aufgabevon Ihnen. Dann wären wir ein gutes Stück weiter.
Kurzfristige Gewinnmaximierung ist keine Alternativezur langfristigen Investitionsplanung im Interesse derBelegschaften und der Volkswirtschaft. Nicht alles kannmit dem Schlagwort der Globalisierung gerechtfertigtwerden.
Politische Opposition hat ihre Rolle und Funktion. Siedarf allerdings nicht in die Rolle verfallen, aus reiner Wahl-taktik die Stimmung schlecht zu reden. In dieser Haus-haltsdebatte haben Sie jedenfalls nicht gezeigt, dass Sieeine Gruppierung sind, die im nächsten Jahr in DeutschlandRegierungsverantwortung übernehmen könnte. Ihnen fehlttrotz vieler Worte in dieser Woche ein stringentes inhaltli-ches Konzept, das vor der Realität Bestand hat.
Bemühen Sie sich auch auf dem CDU-Parteitag um Kon-zepte, lieber Kollege, um endlich in einen ernsthaftenund verantwortlichen Wettbewerb mit uns eintreten zukönnen.Danke.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Dr. Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktion.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Wir haben mehrere Tage aus-führlich debattiert. Die Lage und die Daten der deutschenVolkswirtschaft haben sich dadurch nicht geändert: DieArbeitslosigkeit ist weiterhin hoch; die Zahl der neuenArbeitsplätze ist ganz niedrig; die Teuerungsrate ist wei-terhin hoch; die Sozialversicherungsbeiträge sinken nicht,sondern steigen eher – wie die Ökosteuer, die eigentlicheingeführt wurde, um sie sinken zu lassen –; die steuerli-che Belastung der Durchschnittseinkommen ist hoch.Selbst wenn Sie fünf Statistiken heranziehen: Wahr-scheinlich liegen nur noch Belgien und Dänemark vorDeutschland. Die Belastung der Unternehmensgewinneist weiterhin hoch. Hier liegt nur noch Frankreich vorDeutschland. Wenn Sie so weitermachen, dann schaffenSie es, dass Deutschland auch noch diese Länder überholtund bei den negativen Indikatoren an der Spitze der Bun-desliga liegt.Der Haushalt pfeift aus dem letzten Loch. Er sei aufKante genäht, sagt der Bundesfinanzminister. Er hat denniedrigsten Investitionsanteil, den je ein Haushalt in derGeschichte der Bundesrepublik Deutschland gehabt hat.
Einen Boom gibt es nur noch in der Schattenwirtschaft.Das ist die Bilanz.
Im Hinblick darauf trägt die Regierung immer wieder– das hat auch der Kollege Poß getan – zwei Argumentevor: Daran seien – das ist wie im wirklichen Leben – dieEltern schuld;
denn die hätten dem Nachwuchs kein ausreichendes Erbehinterlassen. So lautet der Vorwurf an die ehemalige Re-gierung. Der Bundeskanzler bemüht sich in einer langenRede, zu erklären, daran seien die weltwirtschaftlichenUmstände schuld. Man müsse ein Stück auf die anderenLänder, vor allen Dingen auf die USA, hoffen.Dazu sagt der Sachverständigenrat, der sowohl die Er-ben als auch die Erblasser immer kritisch beobachtet hat,in seiner feinsinnigen Sprache, die aber ganz klar ist, Fol-gendes: Die größte europäische Volkswirtschaft – ge-meint ist die in Deutschland – müsste die der anderen Län-der eigentlich ziehen und dürfte gewissermaßen nicht vonaußen geschoben werden. Sie – gemeint ist noch immerdie Volkswirtschaft in Deutschland – dürfte in einer Phaseder allgemeinen Konjunkturschwäche nicht stärker anSchwung verlieren als die Volkswirtschaften in den übri-gen Mitgliedsländern. Weiter sagt der Sachverständigen-rat: Das ist ein Befund, der Zweifel an der Effizienz derfür die wirtschaftlichen Entscheidungen maßgeblichen
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Anreizsysteme hierzulande nahe legt. Das nenne ich aufden Punkt gebracht. Darum geht es!
Die Frage lautet nämlich – ich leite sie sinngemäß ausdem Gutachten des Sachverständigenrates ab –: Wasmacht die Bundesregierung, die Mehrheit in diesem Hauseeigentlich, um Menschen zu motivieren, Leistungen zuerbringen und sich neuen Aktivitäten zuzuwenden? Wastut sie, um die Anreizsysteme, die falsch ausgerichtet sind,umzustellen?
Der Sachverständigenrat und nicht die böse Oppositionantwortet Ihnen, den Erben, darauf Folgendes: Es war einFehler, dass die jetzige Bundesregierung glaubte, das we-nige an Deregulierung des Arbeitsmarktes, das dieVorgängerregierung zustande gebracht hatte, auch nochrückgängig machen zu müssen. Damit ist alles gesagt.
Sie können also nicht mehr sagen: Wir sind die Erben, wirsind an nichts schuld; die Eltern hätten uns – weil es unsfriert – Handschuhe schenken müssen. Sie müssen sichschon fragen lassen, was Sie tun.Der Bundeskanzler hat zwar lange geredet. Aber er hatgenau die Fehler am vehementesten verteidigt, die ihmder Sachverständigenrat ankreidet. Der Bundeskanzler er-klärt, dass er die Abschaffung der 630-Mark-Arbeits-verträge für richtig halte. Aber damit haben Sie, nur dieArbeitslosenstatistik geschönt und die Schwarzarbeitausgeweitet.
Sie haben den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit weiterbegründet. Sie haben damit die Einstellung von Frauenbehindert und dafür gesorgt, dass betriebliche Angelegen-heiten eher vor die Gerichte gebracht werden.
Sie haben das Betriebsverfassungsgesetz geändert. Siehaben die Mitbestimmung der Gewerkschaften ausgewei-tet sowie die Selbstbestimmung der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer in den Betrieben zurückgedrängt. Siehaben ein Gesetz gegen Scheinselbstständigkeit erlassen.Das alles haben Sie trotz der Kritik des Sachverständi-genrates durchgesetzt. Damit haben Sie genau die Moti-vationsanreize zurückgedrängt, die der Sachverständi-genrat für die größte Volkswirtschaft in Europa anmahnt.
Sie haben jetzt die Absicht – das sagt der Sachverstän-digenrat auch –, ein weiteres Gesetz hinzuzufügen. DerBundeskanzler hat der IG BAU zugesagt, ein Vergabege-setz vorzulegen. Der Sachverständigenrat hält das für eineFortsetzung der Fehlentwicklung:
Das verteuert die Arbeit, das erhöht die Baupreise, das zö-gert strukturelle Anpassungen hinaus und das diskrimi-niert die Anbieter aus Ostdeutschland. Der Rat sagt:Damit sagt die Bundesregierung den vielen Arbeits-losen, dass sie keine neue, ausreichende hoffnungs-volle Perspektive für den Eintritt in den regulärenArbeitsmarkt haben und dass Deutschland als po-tenzieller Investitionsstandort nicht ausreichend inder Lage ist, überholte Strukturen aufzubrechen undseine Regelwerke neu auszurichten.Sie können auf die Weltwirtschaft, auf die VereinigtenStaaten und auf das Erbe verweisen; aber Sie können sichin dieser Woche nicht vier Tage lang darum herum-drücken, die Frage zu beantworten, was Sie denn tunwollen.
Das ist die Kernfrage an die Bundesregierung.
Sie stehen jetzt vor einem Waterloo Ihrer Arbeits-marktspolitik. Die Daten, die wir nun abfragen und die of-fensichtlich auch im nächsten Jahr nicht besser werden,führen wir als Opposition natürlich ein, weil jedermanndies im parlamentarischen Schlagabtausch erwartet. Ei-gentlich kommen wir aber auch einem Wunsch des Bun-deskanzlers nach. Er hat uns ja aufgefordert, ihn genau da-ran zu messen. Er hatte wohl gedacht, er werde mit einemGuthaben ins neue Jahr gehen. Er hat sich gründlich ver-kalkuliert. Das werfen Sie aber bitte nicht der Oppositionvor. Sie müssen sich an dem messen lassen, woran ersich – das ist vom Herrn Bundeskanzler in allen deut-schen Zeitungen gewünscht worden – messen lassenwollte. Wenn die Arbeitslosenzahl diese Entwicklungnimmt, die wirtschaftlichen Daten so sind, wie sie sind,dann wäre die Opposition geradezu mit dem Klammer-beutel gepudert,
wenn sie seinem Wunsch nicht nachkäme. Wir werden ihndaran messen.
In der Haushaltsdebatte hat sich der Bundeskanzler inbemerkenswerter Weise geäußert: Die Steuerpraxis seinicht so, wie die Opposition es darstelle, wenn sie daraufhinweise, dass der Mittelstand in Deutschland ungerechtbehandelt werde. Mit etwas Kreativität und guter Bera-tung
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Dr. Wolfgang Gerhardt20373
Er ist aber an dem Kern des Problems gründlich vorbei-gegangen.
– Herr Poß, es geht dabei nicht um die Steuergestaltung inder Praxis, auch nicht um die Unternehmen, ob kleineoder große, und nicht um die Besänftigung der kleinen mitden Freibeträgen bei der Gewerbesteuer. Im Kern geht esum die Unternehmenskultur in Deutschland. Das hat ergar nicht begriffen.
Diese Unternehmenskultur, so schrieb Paul Kirchhofgestern in der „FAZ“, ist der strukturelle Vorteil der Bun-desrepublik Deutschland. Dies ist besonders in einer Zeitvon Bedeutung, in der flüchtige Aktienmärkte uns im Hin-blick auf die soziale Sicherheit der Menschen dazu he-rausfordern müssten,
die Personengesellschaften in der BundesrepublikDeutschland zu stabilisieren und nicht diejenigen zu be-strafen, die sich in Form einer Personengesellschaft zuGroßunternehmen entwickeln und damit zu stabilenWettbewerbern der Körperschaften und Kapitalgesell-schaften werden.
Der Bundeskanzler – er ist nicht da; Sie werden es ihmübermitteln – verrät in diesem Punkt die Neue Mitte, dieer bei der letzten Bundestagswahl gebeten hat, ihm dieStimme zu geben.
Damit trifft Rot-Grün gesellschaftspolitisch den Wachs-tumsmotor der Bundesrepublik Deutschland.
Rot-Grün bestraft Risikobereitschaft bei denen, die per-sönlich bereit sind, etwas in Deutschland zu riskieren.Die Bundesregierung hat in diesen zwei Kernpunktender übermäßigen Regulierung des Arbeitsmarktes und derVernachlässigung der Personengesellschaften die größtenFehler gemacht, die sie machen konnte. Deshalb soll siesich nicht in Ausreden über das Erbe flüchten. Rot-Grünhat in dieser Legislaturperiode die größte Verramschungdes Erbes von Ludwig Erhard vorgenommen.
Auf dem Gebiet der Außenpolitik durften wir erleben,dass die Bundesregierung eine Vertrauensfrage brauchte,um einen der Kernbestandteile der erfolgreichen Nach-kriegsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland, dieschlichte Bündnisfähigkeit, zu stabilisieren.
Die Grünen haben das jetzt auf einem Parteitag abgeseg-net. Ich sage hier voraus: Sie werden noch eine gewaltigeInterpretationsbandbreite für ihren Parteitagsbeschlussbrauchen, sofern ich die Buschtrommeln, die in den letz-ten Tagen zu hören waren, richtig verstehe. Das ist nochnicht an seinem Ende angekommen.
In der Wirtschaftspolitik hoffen Sie nun auf Amerika,das Sie mit den Vokabeln „McJob“ und „Hire and Fire“genüsslich heruntergeredet haben.
Jetzt ist das die große Hoffnung von Rot-Grün.
Dazu sagt der Sachverständigenrat Folgendes, was ichIhnen abschließend zitieren will:Es ist nicht angebracht,– das sagt der Sachverständigenrat, nicht die böse Oppo-sition –bei einer schwachen eigenen wirtschaftlichen Ent-wicklung sich mit dem Hinweis auf andere damit ab-zufinden und zu warten, bis die weltwirtschaftlicheKonjunktur, namentlich die Wirtschaftsentwicklungin den Vereinigten Staaten, wieder in Schwungkommt. Das hieße nämlich, vor den eigenen Proble-men zu kapitulieren und darauf zu setzen, dass an-dere Länder eher in der Lage sind, ihre Aufgaben zuerledigen, und dass die deutsche Volkswirtschaft nurgleichsam als stiller Teilhaber der anderswo erzieltenwirtschaftspolitischen Erfolge gesehen wird.Der Sachverständigenrat fügt einen weiteren Satz hinzu:Wir kommen um die Notwendigkeit nicht herum, dieeigenen wirtschaftlichen Antriebskräfte zu mobili-sieren. Deutschland ist nicht ein Land, das damitüberfordert sein sollte.Deutschland ist damit auch nicht überfordert, aber Rot-Grün anscheinend komplett.
Meine Damen und Herren, Sie haben es in vier Jahrengeschafft, Antriebskräfte in Deutschland zu verbrauchenund zu beschädigen.
– Für das letzte Jahr dieser Wahlperiode sehe ich keinenAufschwung in Ihrer Geisteshaltung oder in den wirt-schaftlichen Daten voraus. Dieses Jahr kann ich vorweg-nehmen. Das wird ein verlorenes Jahr sein.Sie haben die Antriebskräfte in Deutschland gründlichdemotiviert. Sie haben jede Bereitschaft zur eigenen An-strengung, zum eigenen Risiko in Mitleidenschaft gezo-gen. Sie haben Flexibilität zugeschüttet. Sie habenDeutschland eingekerkert, aber sich selbst auch mit in dieZelle gesperrt. Jetzt haben Sie nur noch die zwei Mög-lichkeiten, die Sie immer nennen: ruhige Hand und run-der Tisch.
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Dr. Wolfgang Gerhardt20374
Das ist für die Freie Demokratische Partei zu wenig.Deshalb bitten wir den Wähler,
dieser Politik im nächsten Herbst ein Ende zu bereiten –demokratisch, aber überzeugend.
Ich erteile der Kolle-
gin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ichmich gleich diesen großen intellektuellen Herausforde-rungen von Oppositionsseite stellen werde, möchte ich alsErstes den Mitarbeitern des Sekretariats des Haushalts-ausschusses danken.
Sie haben dieselben Nachtschichten geschobenwie wir, bisfrüh um vier die Anträge der Opposition kopiert, was sieauch nicht besser machte, aber immerhin dazu führte, dasssie vollzählig vorlagen, und sie in dieFächer einsortiert.Wirkonnten um neun ordentlich beraten. In der diesjährigenHaushaltsberatung verdankt der Haushaltsausschuss denMitarbeitern sehr viel. Das muss auch gesagt werden.
Jetzt will ich mich dieser intellektuellen Herausforde-rung widmen. Herr Gerhardt, wenn Sie hier behaupten,wir beklagten uns darüber, Sie hätten kein ordentlichesErbe hinterlassen, so muss angemerkt werden, dass Siemindestens 30 Jahre mitregiert haben und insofern auchfür das, was Sie hinterlassen haben, zuständig sind.
Mir hätte es schon genügt, wenn Sie uns keine sogroßen Schulden hinterlassen hätten. Von Ihrer Erbschaftwill ich gar nichts haben.
Mir nützte es schon, wenn ich als junger Mensch meineZukunft selbst gestalten könnte. Das geht aber gar nicht,weil ich auf Jahre dazu verdammt bin, mit meinen Steu-ergeldern Ihre Schulden abzutragen.
Wir wollen Zukunft gestalten.
– Ihr Wehgeschrei zeigt, dass ich den richtigen Punkt er-wischt habe. – Wir haben einen Haushalt vorgelegt, derschwer zu fahren ist, weil er knapp ist. Trotzdem gestal-ten wir die Zukunft, und zwar schon seit drei bis vier Jah-ren erfolgreich gemeinsam in dieser Koalition. Sie ist inihrer Finanzpolitik erfolgreich.
Wir haben die ökologische Modernisierung vorange-trieben. Es gibt eine Energiewende. Energieforschung,Markteinführung erneuerbarer Energien, Biomasse, dieMittel für all das wurden aufgestockt.
Das liegt stringent auf einer Linie. Das ist eine klare Stra-tegie.Wir haben eine Agrarwende begonnen. Inzwischengibt es gesündere Lebensmittel.
Artgerechte Tierhaltung wird sich durchsetzen. Die Mit-tel für Verbraucherschutz sind gestiegen. Auch das istwichtig für die Leute im Land.Es wird eine Verkehrswende geben. Aus dem ZIP-Programm, dem Zukunftsinvestitionsprogramm, das wirvor zwei Jahren aufgelegt haben, ist von 2,6 MilliardenEuro eine ganze Milliarde, also ein wirklich großer Be-trag, in Investitionen in die Schiene gegangen. Das ist Zu-kunft! Das ist ökologische Modernisierung der Gesell-schaft!
Wir haben den Begriff der Nachhaltigkeit aus derÖkologie auf die anderen gesellschaftlichen und politi-schen Bereiche übertragen. Es gibt inzwischen auch De-batten über eine nachhaltige Finanzpolitik.
Die ist durch den Wechsel von Finanzminister Lafontainezu Finanzminister Eichel plastisch geworden. Die Koali-tion hat darin in harter Arbeit ihre gemeinsamen Projektedefiniert. Das war weder für die Sozialdemokraten nochfür die Bündnisgrünen leicht.
Wir sagen: Wir wollen die Gesellschaft modernisieren.Denken Sie zum Beispiel an die Fragen der Zuwanderungund der Integration! Es wird mehr Geld für eine bessereIntegration und für verstärkte Sprachförderung geben.Denken Sie daran, dass Familienförderung betriebenwird! Wir haben einmal 300 DM Kindergeld versprochen.Das kommt nächstes Jahr. Das ist eine Punktlandung!
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Dr. Wolfgang Gerhardt20375
Sehen Sie sich den Haushalt für Bildung und For-schung an! Der ist um mehr als 15 Prozent gestiegen. DasBAföG ist dabei schon herausgerechnet.Wenn Sie sich das einmal angucken, dann stellen Sie fest:Das ist eine klare, stringente, kohärente Politik, auf we-nige wichtige Investitionen in die Zukunft konzentriert,und an allen anderen Stellen wird intelligent gespart.
Ich frage mich immer, wie Sie das alles gemacht hätten.
– Genau der Versuchung sind Sie erlegen. Sie von derCDU/CSU haben Änderungsanträge mit einem Volumenvon mehr als 35 Milliarden Euro eingebracht. Das habenSie als ordentliche Haushaltspolitik zu suggerieren ver-sucht. Dabei hätten Sie auf die Ökosteuer verzichtet. Dahätten Ihnen schon einmal 15 bis 16 Milliarden gefehlt,mindestens, wenn nicht noch mehr! Sie haben gesagt, Siewollten die Steuerreform vorziehen. Zusätzlich zu allIhren Änderungsanträgen wäre das ein Volumen gewesen,das überhaupt nicht darstellbar gewesen wäre! Wahr-scheinlich – da folge ich einmal Ihrer alten Programma-tik – hätten Sie dann die Mehrwertsteuer auf 20 Prozentangehoben
oder hätten allen Deutschen die Grundrente verordnet;denn anders hätten Sie das nicht finanzieren können.
Da Sie nicht die Traute gehabt hätten – so denke ich je-denfalls –, die Mehrwertsteuer auf 20 Prozent anzuhebenoder die Grundrente in Deutschland einzuführen, mussich davon ausgehen, dass Ihre sämtlichen Erhöhungsan-träge Popanz sind und überhaupt nichts taugen.
Ich kann ein paar Beispiele bringen. Es gibt zum Bei-spiel einen Antrag, 600 Millionen Euro mehr in denStraßenbau zu investieren. Ich erinnere mich noch anWissmanns Spatenstiche. Wissen Sie noch, wie er damalsim Wahlkampf durch die Gegend gezogen ist und die Spa-tenstiche gemacht hat?
Danach war das Geld alle. Alles sollte natürlich privat fi-nanziert werden und nichts hat geklappt. So ist das damalsgelaufen!
So machen Sie das wieder. Sie haben nichts dazuge-lernt. Sie machen wieder dieselben Fehler, die Sie schonvor vier Jahren gemacht haben. Sie kommen mit einemAntrag, den Verteidigungshaushalt um 1,4 MilliardenEuro zu erhöhen, mit einem Antrag, den Zuschuss an dieBundesanstalt für Arbeit um 2 Milliarden Euro zu er-höhen.
Ich kann mich noch an Blüms Wahlkampf-ABM erinnern.Wissen Sie noch, wie das im letzten Wahljahr, als Sie ab-gewählt worden sind, gewesen ist? Da hat Herr Blümnoch erzählt: Jetzt kommen noch einmal ganz viele ABMauf den Markt. – Die haben dann für vier Monate gehal-ten – gerade bis einen Monat nach der Wahl! Solchen Ver-suchungen sind Sie wieder erlegen. Wir sind es nicht. Wirsind solchen Versuchungen nicht erlegen.
Dieser Haushalt wird im Wahljahr Prüfstein für unsereVorschläge zur Modernisierung dieser Gesellschaft seinmüssen. Wir haben dazugelernt, übrigens sehr schmerz-haft. Daher kommt genau die Häme, die Sie in der ganzenWoche verbreiten. Natürlich freut Sie das. Sie sind ja we-gen derselben Probleme, mit denen auch wir konfrontiertsind – das ist ganz klar; wir leben im selben Land –, ab-gewählt worden.
Aber Sie haben nichts dazugelernt. Wir lernen dazu. Un-sere Lernprozesse regen Sie auf.
Das ärgert Sie am meisten. Daher kommt Ihre Häme. Wirsind in der Lage, uns in die Regierungsrolle hineinzufin-den,
während Sie eine schlechtere Opposition machen, als wirsie früher gemacht haben. Damit lassen Sie sich hierblicken!
Sie haben die Änderungsanträge der Bündnisgrünenzum Haushalt aus Oppositionszeiten bestimmt noch in Er-innerung. Sie werden sich erinnern, dass die alle gedecktwaren. Da gab es keine illusorischen Angelegenheiten wieIhre komischen Vorstellungen: Steuerreform vorziehen,auf die Ökosteuer verzichten, Einfrieren der Grundrente,Erhöhung der Mehrwertsteuer und alles irgendwann nocheinmal.
Was Sie hier vorgelegt haben, ist Quatsch. Ich weiß nicht,
aber wenn ich an Gerhard Stoltenberg denke, über den indieser Woche mehrmals gesprochen worden ist – mit Res-
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Antje Hermenau20376
pekt natürlich, das ist klar –, glaube ich, Herr Stoltenberghätte Ihnen diesen Mist nicht durchgehen lassen.
Herr Stoltenberg hätte Sie bei diesem Wirrwarr, den Siehier als Haushaltsberatung vorzulegen gewagt haben, insGebet genommen. Sie haben Ihre Kompetenz auf demGebiet völlig verloren.
Der Wechsel von Stoltenberg zu Waigel erfolgte einhalbes Jahr vor der Wende; deswegen kann man sich mitden Kosten der deutschen Einheit nicht herausreden.
Damals haben Sie in Ihrer Finanzpolitik umgesteuert undden Pfad der stoltenbergschen Tugend verlassen. So ist esdoch gewesen, und zwar ein halbes Jahr vor der Wieder-vereinigung. Kommen Sie mir nicht mit den Kosten derdeutschen Einheit. Ich kann es nicht mehr hören.
In Wirklichkeit hat es etwas damit zu tun, dass Sie vor derBundestagswahl 1990 Muffensausen hatten und deshalbIhre Finanzpolitik ganz massiv geändert haben. So ist dasgelaufen!
Schwarz-Gelb hat von 1994 bis 1998 23,4 Prozent mehrneue Schulden gemacht. Rot-Grün hat in den letzten vierJahren nicht einmal halb so viel Schulden gemacht, selbstwenn man UMTS herausrechnet. Wenn wir auch zugeben,dass wir die UMTS-Gelder zur Schuldentilgung genutzthaben, haben wir eigentlich sogar nur 5 Prozent mehrneue Schulden gemacht im Vergleich zu den 23,4 Prozent,die Sie in Ihrer letzten Legislaturperiode abgelieferthaben.
Wir haben die Trendumkehr eingeleitet. Wir haben IhrErbe, Herr Gerhardt, gar nicht angetreten, wir haben esausgeschlagen. Wir machen etwas anderes. Wir werdendiese Neuverschuldung herunterfahren. Es tut weh, es istnicht leicht, es gibt Probleme, es ist diskussionswürdig,aber es ist ehrlich und es ist zukunftsweisend.
Das ist es, was Sie wurmt. Herr Carstens hat Sie heute hiervertreten, meine Damen und Herren von der Union. Derhat hier doch im Prinzip einen Rückblick in die Ge-schichte abgeliefert.
Sie glauben, damit könnten Sie jüngere Menschen in die-sem Land dafür interessieren, was Sie finanzpolitischeventuell noch anzubieten hätten.Wie ich schon sagte: Häme steht Ihnen gut zu Gesicht.
Das ist offensichtlich das Einzige, was Sie im Momentdrauf haben. Mehr kommt nicht. Ich erinnere mich an dasletzte tolle schwarz-gelbe Konjunktur-Ankurbelungspro-gramm, die Sonder-AfA, mit dem die Baubranche imOsten künstlich hoch geschraubt wurde.
Es gab geborgte Arbeitsplätze in der Baubranche, diesegeborgten Arbeitsplätze wurden aus Steuerverzicht finan-ziert und der Boom ist trotzdem nicht von Dauer gewesen.Wir hingegen haben mühsam Gelder in Marktanreizpro-gramme für erneuerbare Energien gesteckt.
Dort entstehen neue zukunftsfeste Arbeitsplätze, ganz imGegensatz zu Ihrer durch Steuerersparnis erkauften Kon-junktur.
Weil Sie der Meinung sind, wir hätten die Staats-ausgaben davongaloppieren lassen: Man kann sie jadurchaus einmal mit der waigelschen mittelfristigenFinanzplanung vergleichen. Das müssen wir nichtscheuen. Die läge nämlich maximal 1 bis 2 Milliar-den Euro unter dem, was wir anzubieten haben. Aber diewaigelsche Planung wäre ohne Ökosteuer – da hättenSie schon ein Problem –, sie wäre ohne Zukunftsinves-titionen, sie wäre mit 20 Prozent Mehrwertsteuer undsie wäre mit einer Grundrente und einem Rentenversi-cherungsbeitrag von wahrscheinlich immer noch unge-fähr 20 Prozent.Ich weiß doch noch,
wie Norbert Blüm damals in den Haushaltsausschuss ge-kommen ist und mit einer Träne im Knopfloch meinte,jetzt müssten wir uns langsam auf 21 Prozent Rentenver-sicherungsbeitrag zubewegen. Erinnern Sie sich doch ein-mal an Ihren eigenen Minister. Er saß dort und sagte mit
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einer Träne im Knopfloch: Tut mir Leid, Leute, 21 Pro-zent, irgendwie lässt es sich nicht vermeiden. Das wardoch keine Zukunftsentwicklung.
Wir stabilisieren den Rentenversicherungsbeitrag, undwir stabilisieren ihn nicht dadurch, dass es nur eineGrund-rente für alle gibt. Das ist doch der entscheidende Punkt,der uns gelungen ist.
Sie werden wahrscheinlich nicht müde werden, immerwieder zu behaupten, Sie könnten die Steuerreform vor-ziehen. Dazu haben Sie auch geistreiche Vorschläge. Ichkann Ihnen nur sagen: Wenn Ihre eigene große Füh-rungspersönlichkeit Stoiber schon den Rückzug angetre-ten hat, weil ihm das Ganze nicht mehr ganz geheuer istund er merkt, dass das Eis bricht, auf das Sie sich da schlit-ternd wagen, kann ich mir eigentlich jede weitere Bemer-kung zu dem Schnulli-Vorschlag ersparen.Kommen wir dann zu einem Vergleich, der ganz ein-fach zu begreifen ist: Alle Deutschen waren im letztenJahr sehr bewegt von der Entwicklung der Fußball-Natio-nalmannschaft. Das kann ich gut verstehen. Da ist genaudasselbe passiert wie bei Ihnen. Dort gab es die gleicheNichtlernfähigkeit, die Sie hier auch dokumentiert haben,in den letzten Jahren und in dieser Haushaltsberatung wie-der. Da hat man sich in der Fußballnationalmannschaft aufseinen Lorbeeren und dem vergangenen Ruhm ausgeruht.Dann hat man in einem Dritte-Klasse-Spiel mörderischverloren. Anschließend hat man die nationale Krise aus-gerufen. So ist das gelaufen.So ähnlich ist Ihre Haushaltspolitik. Nachhaltigkeit be-ginnt nämlich mit Vorausdenken. Man fängt beizeiten an,an die Zukunft zu denken. Man investiert in junge Spielerund man bemüht sich, Angebote zu machen, die auchwirklich tragen. Aber Sie haben nichts dazugelernt. Siehaben Herrn Stoltenberg verachtet. Sie haben zum Bei-spiel Männer wie Kohl oder Waigel, die für den Maas-tricht-Vertrag verhandelt haben, der Ihnen in Ihrer Fi-nanzpolitik einmal so wichtig war, an die Wand laufenlassen.
Ihnen scheint es doch wohl egal zu sein, ob die Nettokre-ditaufnahme, die Neuverschuldung steigt.
Dabei müsste es Ihnen doch eigentlich richtig weh tun.Kohl und Waigel haben für Sie in Verhandlungen einestringente Finanzpolitik in Europa durchgesetzt, aber Sietun hier so, als wäre es völlig egal, ob die Neuverschul-dung steigt oder nicht. Sie sprechen von einer nationalenKrise. Wir haben keine nationale Krise, sondern Sie ha-ben eine Wahlkampfkrise; das ist Ihr Problem.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Uwe-Jens Rössel, PDS-Fraktion.
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Es ist mir ein Bedürfnis,zunächst den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Se-kretariats des Haushaltsausschusses für ihre stets hilfsbe-reite, engagierte und umsichtige Arbeit den Dank meinerFraktion auszusprechen.
Dank sagen möchte ich auch ausdrücklich den Kolle-ginnen und Kollegen des Bundesrechnungshofs. Ihre Ar-beit genießt bei uns hohe Wertschätzung. Sie ist für unserparlamentarisches Wirken unverzichtbar.
Wenn jetzt Bilanz der viertägigen Haushaltsberatungengezogen wird, wäre vieles zu sagen. Der politischeSchlagabtausch in der Haushaltsdebatte – dafür gibt es be-reits heute viele Beispiele – zwischen der rot-grünen Ko-alition und der Vorgängerkoalition verläuft aber in weitenTeilen auf einem erschreckend niedrigen Niveau.
Von Kultur im Meinungsstreit kann hier wohl nicht ge-sprochen werden.
Das erste Paradebeispiel lieferte Kollege Carstens.Seine Rede strotzte nur so vor Peinlichkeiten und ideolo-gischen Ausfällen.
Kollege Carstens, wüsste ich nicht, dass Sie Mitglied desHaushaltsausschusses des Bundestags sind, so müsste ichsagen, Sie waren ein bestellter Gastredner.
Sie, Kollegin Antje Hermenau, kommen offensichtlich– zu diesem Schluss komme ich nicht nur aufgrund IhrerWortwahl, sondern auch aufgrund der Ergebnisse, die Siehier vorgetragen haben – vom Kongress der Weißwäscher.
Die Bürgerinnen und Bürger im Land, KollegeCarstens, Kollegin Hermenau, wollen von der Politik unddamit von uns Bundestagsabgeordneten doch vor allemwissen, mit welchen Konzepten die anhaltend hoheArbeitslosigkeit abgebaut werden kann. Sie wollen vorallem wissen, wann endlich mehr soziale Gerechtigkeitin dieses Land einzieht und die Renten auch für die künf-tigen Generationen wirklich sicher sind.
Sie wollen wissen, wie Bildung und Forschung nachhal-tiger gefördert und die Gesundheitsfürsorge bezahlbar ge-
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Antje Hermenau20378
halten werden kann. Besonders darauf muss der vorge-legte Haushalt Antwort geben.
Angesichts der entsetzlichen Terroranschläge vom11. September und deren Folgen, Kollege Mark, plagt im-mer mehr Menschen die Sorge um die Erhaltung desFriedens. Die PDS-Fraktion bekräftigt von hier aus ihreForderung, den Krieg in Afghanistan sofort einzustellenund seine Ausdehnung auf andere Regionen zu verhin-dern.
– Bitte nicht die alten Kamellen, Kollege Wagner!Zum Etat 2002. Trotz manch unterstützenswerterEinzelvorhaben und Projekte, die in den Bundesetat ein-gestellt sind – ich nenne die Anhebung der langfristigenFinanzierungsverpflichtungen des Bundes für die Städte-bauförderung West; ich nenne die Bundeskulturförde-rung –, wird der Haushalt insgesamt den Herausforderun-gen der Zukunft nur unzureichend gerecht.
Die soziale Schieflage in der Gesellschaft wird mit demEtat 2002 unter Rot-Grün nicht abgebaut; sie nimmt sogarzu.
Finanzminister Eichel ist wegen der dramatischzurückgegangenen Steuereinnahmen und der unabwend-baren Einstellung von Mehrausgaben für die Arbeits-marktpolitik schon heilfroh, dass er die Eckdaten seinerRegierungsvorlage vom Juni dieses Jahres halbwegs überdie Haushaltsberatungen bringen konnte. Auf Kantegenäht sei der Haushalt und enthalte keinen Spiel-raum – das ist der Originalton des Finanzministers.Dazu ist noch zu sagen, dass die Punktlandung bei derNeuverschuldung in Höhe von 21,1 Milliarden Euro nurdadurch möglich geworden ist, dass in diesen Haushalt– sprichwörtlich fünf vor zwölf – massive Privatisie-rungserlöse eingestellt wurden. Wäre das nicht passiert,läge die Neuverschuldung im nächsten Jahr bereits überdem Ansatz von 2001. Finanzminister Eichel wäre es da-durch aber in der Öffentlichkeit sehr schwer gefallen, sei-nen Kurs der Haushaltskonsolidierung weiterhin glaub-haft zu machen.Während der Bund dank umfangreicher Privatisie-rungserlöse Möglichkeiten hat, die Aufnahme neuerSchulden zu begrenzen, verfügen Länder und Kommunenüber derartige Chancen in aller Regel nicht mehr. DieLänder und Kommunen werden in diesem Jahr neueSchulden in einem Umfang von 88 Milliarden DM auf-nehmen. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es noch65,3 Milliarden DM. Die Haushaltskonsolidierung desBundes ist offensichtlich nicht mit Blick auf die Länderund Kommunen vollzogen worden.
Länder und Kommunen leiden teilweise spürbar unter derHaushaltskonsolidierungspolitik der Bundesregierung.
Das aber ist keine wahre Konsolidierung der öffentlichenHaushalte. Minister Eichel, Sie wissen genau, dass Siedamit aber immer mehr an die von der EuropäischenUnion vorgegebene Obergrenze für die Nettoverschul-dung herankommen.Die Kommunen könnten vor allem von einer Reformder Kommunalfinanzierung profitieren. Die Koalitionhatte das 1998 versprochen. Das Gegenteil aber ist einge-treten. Der Grundsatz „Der Bund bestellt und dieKommunen zahlen“ wird auch unter FinanzministerEichel praktiziert. Wir hatten erwartet, dass das„Theo-Waigel-Credo“ endlich zu Grabe getragen ist.
Leere Kassen der Kommunen jedoch bedeuten weni-ger Zuschüsse für Behindertenverbände und soziale Ver-eine. Ferner bedeuten sie Schließung von Jugend- undFreizeiteinrichtungen und weniger Geld für den Breiten-sport. All das sind Fragen, die die Menschen bewegen.Auch das muss der Finanzminister im Blick haben. Erdarf die Konsolidierung nicht auf die Bundesebene be-grenzen.
In diesem Zusammenhang bekräftigt die PDS-Fraktionihre Forderung, dass vor allem den finanziell arg gebeu-telten Kommunen in Ostdeutschland und in verschiede-nen Regionen in Westdeutschland schnelle Hilfe zuteilwerden muss.
Die Verankerung einer Investitionspauschale des Bun-des, wie wir sie vom Grundsatz her schon in zwei Jahrenhatten, ist dringend geboten, um mehr Beschäftigung zuerreichen und die Selbstverwaltung der Kommunen zu er-möglichen.
Im Hinblick auf Beschäftigungsförderung und Be-schäftigungssicherung erwarten wir von der Bundesregie-rung eine wirkliche Umkehr. Mittel für innovative Maß-nahmen müssen in den Haushalt eingestellt werden. Dazugehört auch der Einstieg in den öffentlich geförderten Be-schäftigungssektor. Meine Fraktion hat dazu schon vorlängerer Zeit konkrete Vorschläge auf den Tisch des Ho-hen Hauses gelegt.
2 000 zusätzliche Arbeitsvermittler, die die Bundesre-gierung einstellen will, nützen wenig, wenn es keine ent-sprechenden Arbeitsplatzangebote der Unternehmen gibt.Zudem ist völlig unklar – meine Kollegin Luft hat es ges-tern dargelegt –, wie diese zusätzlichen Vermittler bezahlt
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Dr. Uwe-Jens Rössel20379
werden sollen. Offenbar geht deren Finanzierung wiederzulasten arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen. Das aberwäre kontraproduktiv.
Auch dazu muss der Finanzminister etwas sagen.Mit der Vergabe von Mitteln ist die Bundesregierungausgesprochen knauserig, wenn es darum geht, diejenigenSoldaten und Zivilbeschäftigten der Bundeswehr und derNationalen Volksarmee zu entschädigen, die aufgrund ih-rer Tätigkeit als Radartechniker gesundheitlich schwergeschädigt sind. Mit den Stimmen der Regierungskoali-tion und der CDU/CSU – Letzteres sage ich ganz aus-drücklich – wurde am Mittwoch ein entsprechender An-trag der PDS-Fraktion in namentlicher Abstimmungabgelehnt. Wir forderten darin die rasche Auszahlung er-forderlicher Fürsorgeleistungen sowie Schadensersatzund Schmerzensgeldzahlungen.
Allein der Verzicht auf einen einzigen Eurofighter hätteausgereicht, um die Entschädigungsleistungen schon imHaushalt 2002 zu finanzieren.
Kollege Rössel, Sie
müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum
Schluss, Herr Präsident.
In den viertägigen Haushaltsberatungen lagen insge-
samt 31 Änderungs- und Entschließungsanträge meiner
Fraktion für die Abstimmung vor. Sie umfassen sowohl
Verbesserungen auf der Einnahmeseite als auch Ein-
sparungen. Zum Vergleich: Die FDP stellte 24 entspre-
chende Anträge, die CDU/CSU 18.
Die PDS-Fraktion – das ist mein letzter Satz – wird den
Entwurf des Bundeshaushaltes ablehnen.
Er gibt überwiegend unzureichende Antworten, Kollege
Wagner, auf die Zukunftsfragen, die den Menschen in der
Bundesrepublik Deutschland unter den Nägeln brennen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile dem Bun-desminister Hans Eichel das Wort.
und Herren! Dies ist
die letzte Haushaltsdebatte in dieser Wahlperiode.
Wir sind nun am Ende der Haushaltsberatungen ange-langt, sodass wir Bilanz ziehen können.Da Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,die Regierung kritisieren,
was Ihr gutes Recht ist, werden Sie es sich gefallen lassenmüssen, dass wir auch Bilanz ziehen und zwischen IhrerRegierungstätigkeit – das ist ja noch nicht so lange her –und dem, was wir in vier Jahren erreicht haben, verglei-chen. Dabei sind auch Ihre Vorschläge zu berücksichti-gen, was man in diesem Land anders machen sollte.Ich möchte heute zunächst Bilanz ziehen und zwischendem letzten Haushalt der vorigen Wahlperiode, nach demSie die Regierungsverantwortung abgeben mussten, weildie Bevölkerung Sie nicht wieder gewählt hat,
und dem letzten Haushalt dieser Wahlperiode, den wirheute verabschieden, vergleichen. Wie sieht das Ergebnisaus?Erstens. Sie haben in der letzten Wahlperiode dreiJahre lang verfassungswidrige Haushalte vollzogen undderen Verfassungswidrigkeit durch riesige Privatisie-rungserlöse überdeckt.
Wir haben in der Zeit zwischen dem Haushalt 1998 unddem Haushalt 2002 einen Konsolidierungsfortschritt inHöhe von 30 Milliarden DM erreicht. Das ist das Mar-kenzeichen dieser Wahlperiode.
Zweitens. In diesem Haushalt betragen die Steuermin-dereinnahmen durch die Steuerreform über 25 Milliar-den Euro.
Ich ziehe Bilanz: Am Anfang dieser Wahlperiode lagdas Kindergeld – das haben wir von Ihnen übernommen –bei 220 DM; nach den Beschlüssen, die bereits gefasstsind, wird es jetzt 300 DM betragen.
Für eine vierköpfige Familie bedeutet das netto 1 920 DMmehr im Jahr an Kindergeld. Für eine Verkäuferin alsErnährerin der Familie kommt dies einem 13. Monatsge-halt gleich. Damit haben wir die verfassungswidrig hoheBesteuerung der Familien, die Sie zu verantworten hatten,beendet.
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Dr. Uwe-Jens Rössel20380
Wir haben von Ihnen ein steuerfreies Existenzmini-mum in Höhe von 13 200 DM übernommen. Bereits jetztbeträgt es 14 100 DM. Im Zuge der Steuerreform werdenwir es noch bis auf 15 000 DM anheben. Damit ist dieBesteuerung der Niedrigverdiener bei uns im Vergleichzu den anderen Ländern der Europäischen Union amgünstigsten.
Wir haben von Ihnen einen Eingangssteuersatz in Höhevon 25,9 Prozent übernommen. Sie haben Sie es in den16 Jahren Ihrer Regierungstätigkeit nicht geschafft, hieretwas Nennenswertes zu bewegen. Jetzt liegt er bereits bei19,9 Prozent.Das alles heißt: Wir haben eine massive Entlastung derBezieher niedriger Einkommen vorgenommen.Ich komme nun zum Mittelstand. Ihre Lügen
werden spätestens bei den Steuererklärungen, die jetzt an-stehen, sichtbar, weil dann jedem Betriebsinhaber klarwird: Wir haben die Gewerbesteuer, über die die Einzel-händler und die Handwerksmeister seit 50 Jahren geklagthaben, als Kostenfaktor beseitigt. Sie haben das, währendSie die Bundesrepublik Deutschland regierten, nie ge-schafft.
Wenn Sie vom Mittelstand reden und ihn mit den Kapi-talgesellschaften vergleichen, haben Sie ganz offenkun-dig nur noch die ganz großen Einzelunternehmer imBlick,
die als Verheiratete mehr als 480 000 DM verdienen, dennnur diese ganz kleine Gruppe muss eventuell mehr Steu-ern bezahlen als die Körperschaften.
Das gilt auch nur für den einbehaltenen Gewinn, dennbeim ausgeschütteten Gewinn sind Körperschaften immerschlechter gestellt als die Personengesellschaften.
Ihre ganze Propaganda bricht zusammen, wenn man dieSteuererklärungen zugrunde legt.
Wir haben die Ausgaben für die Forschung wiederhochgefahren, die Sie in den gesamten 90er-Jahren zu-rückgefahren haben. Eine Schande ist die Tatsache, dassam Ende Ihrer Regierungszeit 300 000 Studentinnen undStudenten weniger BAföG bekommen konnten. Hier ha-ben Sie Investitionen in die Zukunft unterlassen. Wernicht in die Köpfe der jungen Menschen investiert, ver-sündigt sich an der Zukunft unseres Landes.
Dagegen haben wir unsere Konsolidierungspolitik ge-stellt: Wir haben eine BAföG-Reform durchgeführt, dieSchritt für Schritt dazu führt – es kann nicht in ein oderzwei Jahren alles ausgebügelt werden, was Sie in 16 Jah-ren versäumt haben –, dass die jungen Leute wieder un-abhängig vom Geldbeutel der Eltern studieren können.Das sind wir den jungen Leuten und der Zukunft unseresLandes schuldig.
Die Bildung ist nämlich der wichtigste Produktionsfaktor,den wir haben. Darin, was in den Köpfen unserer jungenLeute ist, liegt unsere Zukunft.
Sie haben Investitionen in die Zukunft unterlassen.Jetzt spreche ich über die Beschäftigung: Ja, wirwären gerne weiter vorangekommen. Wer wäre dasnicht? Die Bilanz ist aber, dass es jetzt 1 Million Be-schäftigte mehr als am Ende Ihrer Regierungszeit gibt.
Damit haben wir das aufgeholt, was Sie in den 90er-Jah-ren versäumt hatten, und noch mehr erreicht. Wenn wirauch nicht das erreicht haben, was wir wollten, so werdenwir dennoch, wenn die Konjunkturkrise im kommendenFebruar ihren Höhepunkt erreicht hat,
500 000 bis 600 000 Arbeitslose weniger haben, als Sieuns 1998 hinterlassen haben.
Es wird, wie Professor Zimmermann gestern Abend zuRecht gesagt hat, das erste Mal nach dem Krieg sein, dasses in Deutschland nach einer Konjunkturkrise keine höhereArbeitslosigkeit gibt, sondern eine deutlich niedrigere.
Das zeigt, dass wir mit unserer Politik auf dem richtigenWege sind.
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Wir haben außerdem – wir werden das ja gleich nochdiskutieren – langfristig die Grundlagen für den weiterenAufbau Ost gelegt, damit in Deutschland in einer Genera-tion zusammenwachsen kann, was in der Tat zusammen-gehört.
– Sie sind ja schon wieder so unruhig. Das muss Ihnen jairgendwie Probleme machen; das ist jedenfalls mein Ein-druck.
Mit anderen Worten: Ihre Bilanz nach vier Jahren warjämmerlich und Sie sind zu Recht abgewählt worden; un-sere Bilanz ist gegenüber dem, was Sie uns hinterlassenhaben, ein riesiger Fortschritt. Dieser Vergleich muss ein-fach einmal angestellt werden.
Es ist gar keine Frage, dass wir heute in einer schwie-rigen ökonomischen Situation sind.
– Dank unserer Politik? Das müsste dann ja für die ganzeWelt gelten: Wir sind also auch an den Rezessionen in Ja-pan und den Vereinigten Staaten schuld. Das übernehmenwir dann gleich noch alles mit, das macht dann ja auch garkeinen Unterschied mehr.
Nein, die wichtigste Frage in dieser Situation ist doch, wieIhre Vorschläge aussehen und was wir machen wollen.Die Ausführungen, die Frau Merkel in dieser Woche dazugemacht hat, waren übrigens jämmerlich.
Ihr Vorschlagsreigen begann im August mit der For-derung nach einem großen Zehn-Punkte-Sofortpro-gramm. Da wurde zum Beispiel gefordert, die gesamteSteuerreform von 2003 und 2005 auf 2002 vorzuziehen.Das hätte mal so eben läppische 60 Milliarden DM ge-kostet, die man oben draufpacken müsste. An Maas-tricht denkt in diesem Zusammenhang ja keiner. Alleinder Rückzieher in diesem Punkte war ja bemerkens-wert:
Etwas später sollte nicht mehr die Steuerreform 2005,sondern nur noch die Steuerreform 2003 vorgezogen wer-den. Dann hat der Herr Stoiber vor versammelter Öffent-lichkeit am Sonntagabend zum großen Entsetzen der FrauMerkel auch das noch vom Felde gezogen.
Als dann Frau Merkel am Mittwoch hier gegen den Bun-deskanzler antreten sollte, ist das Wort vom Vorziehen derSteuerreform überhaupt nicht mehr vorgekommen.
Das Kernstück Ihrer Alternativen – weg, einfach weg!
Dafür wird es allerdings auf dem Bundesparteitag inDresden wieder ausgepackt. Da wird dann mal eben eineSteuerreform beschlossen, die zur glatten Halbierung derEinkommen- und Körperschaftsteuer führt.
Wer soll denn so etwas überhaupt noch ernst nehmen?
Arbeit, um dieses Land voranzubringen, verlangt mehr.Sie verlangt vor allem Solidität und Seriosität. Wer solcheVorschläge nicht macht, kann nicht ernst genommenwerden.
Damit bin ich beim Haushalt 2002.
– Ich habe die Bilanz eben schon einmal gebracht.
Es gefällt Ihnen nicht, wenn ich über Ihre Zeit rede. Daskann ich verstehen.
Wenn ich ein solches Erbe hinterlassen hätte, würde ichauch nicht gerne haben, wenn andere darüber reden. Dasist wahr.
Übrigens, Herr Brüderle ist auch wieder nicht da. Dasist eine spannende Veranstaltung: Die Finanzämter neh-men nicht Gelder ein, um Staatsaufgaben zu finanzieren;die Finanzämter verteilen Schecks. – Meine Damen undHerren, so etwas können Sie wirklich nur als Weihnachts-mann irgendjemandem erzählen, aber nicht in einer seriö-sen Finanzdebatte.
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Bundesminister Hans Eichel20382
Der Haushalt 2002 ist in der Tat viel schwieriger als2001. 2001 haben wir es trotz 2 Prozent weniger Wirt-schaftswachstum, als bei der Aufstellung des Haushaltsunterstellt – –
– Wir werden noch den Abschluss sehen. Dann haben Siewieder Pech gehabt.Herr Austermann, bis Februar sagten Sie, ich müsseNachtragshaushalte aufstellen, weil ich das Geld ver-steckt hätte; ich müsse es endlich einmal offen legen.Nach dem Februar war es umgekehrt: Ich müsse einenNachtragshaushalt machen, weil ich riesige Löcher habe;ich müsse hierher kommen und mir neue Kreditermäch-tigungen holen. – Mit all dem haben Sie Pech gehabt,Herr Austermann. Das eine hat nicht gestimmt und dasandere hat nicht gestimmt.
Wir werden trotz 2 Prozent weniger Wachstum den Haus-halt 2001 ziemlich dort abschließen, wo wir ihn vorge-schlagen haben. Das ist eine gewaltige Leistung.
Wahr ist:
Bei dieser Wirtschaftsentwicklung, die keiner vorausge-sehen hat, ist der Haushalt 2002 mit dem Einhalten derweiteren Absenkung der Nettoneuverschuldung in derTat auf Kante genäht. Es hat überhaupt keinen Zweck– der Finanzminister tut das am allerwenigsten –, umdiesen Sachverhalt auch nur einen Moment herumzure-den. Deswegen habe ich – das „Handelsblatt“ hat völligRecht – auch Alternativszenarien durchrechnen lassen:Was bedeutet es, wenn, wie Sie behaupten, das Wirt-schaftswachstum noch etwas niedriger ausfällt?
Übrigens kommen in den letzten Tagen wieder ganz an-dere, positivere Nachrichten herein. Die neuesten Nach-richten waren die der OECD und des Instituts der deut-schen Wirtschaft. Die kommen zu anderen Ergebnissen.Die gehen nämlich wieder hoch: von 0,7 auf 1 Prozent.Das werden wir am Jahresende sehen. Wir haben alleHände voll zu tun, diesen Kurs der Konsolidierung zu hal-ten. Aber mit Ihren Vorschlägen, meine Damen und Her-ren, ist überhaupt kein Staat zu machen, sondern das ge-naue Gegenteil.
Wir halten den Kurs.
Wir haben trotzdem – das ist nun das Entscheidende – indiesem Haushalt eine Fülle von Maßnahmen, die helfen,das Wachstum zu stimulieren, und zwar nicht, weil wirglaubten, wir könnten die Konjunktur steuern, sondernweil wir den Haushalt systematisch auf Zukunftsfähigkeithin umbauen.
Erstens. 19 Milliarden DM an Steuerentlastungen ausder ersten Stufe der Steuerreform plus Kindergeld plusweitere Entlastungen im Zusammenhang mit dem Nicht-einsetzen der neuen AfA-Tabellen: Das sind fast 0,5 Pro-zent des Bruttoinlandsprodukts. Mehr macht kein anderesLand in der Europäischen Union, um an dieser Stelle fürWachstum zu sorgen.Zweitens. Die Zusatzinvestitionen aufgrund derZinsersparnisse, die wir durch den Schuldenabbau wegender UMTS-Versteigerungserlöse haben, greifen jetzt rich-tig.
Übrigens hat Herr Mehdorn mich angerufen und gesagt,es tue ihm sehr Leid, was Herr Austermann da gesagthabe; es gebe überhaupt kein Problem zwischen der Bahnund der Bundesregierung, das Geld werde auch komplettausgegeben. – Das will ich noch einmal sagen, damit Sienicht mit Ihrer Brunnenvergiftung davonkommen.
Wir haben im Haushalt das neue Programm „Stadtum-bau Ost“. Wir haben – das ist langfristig sichere Politik –in diesem Jahr – wir werden darüber anschließend disku-tieren und auch entscheiden – mit dem Solidarpakt II dieGrundlagen für einen langfristigen Aufbau im Osten ge-legt. Etwas Wichtigeres kann es in dieser Periode über-haupt nicht geben. Die gesamte Konsolidierungspolitikhatte den Sinn, die Leistungsfähigkeit unseres Staatesauch in Zukunft zu gewährleisten.
Das ist natürlich nicht das Ende der Reform. Wir habeneinen Konsolidierungskurs eingeleitet und Jahr für Jahrkonsequent durchgehalten. Sie sollten sich daran gewöh-nen, dass das eine Dauerveranstaltung ist und dass dieserKurs nicht nur für zwei Jahre gedacht war.
Wir haben eine Steuerreform, die sich über zwei Wahl-perioden erstreckt, verabschiedet. Die wird auch eiserndurchgehalten.
Wir haben eine Rentenreform durchgesetzt, die sich dieanderen großen Staaten auf dem europäischen Kontinent,
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Bundesminister Hans Eichel20383
wie die Europäische Kommission sagt, zum Vorbild neh-men sollten. Denn sie haben die Bewältigung dieser Auf-gabe noch vor sich.Weitere Aufgaben liegen vor uns. Das Job-Aqtiv-Ge-setz beinhaltet eine große Vermittlungsinitiative.
Offiziell sind immerhin mehr als 400 000 Arbeitsplätzefrei. Da kann man einen Teil tun.
Herr Riester hat darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftsagt, es gebe 1,5 Millionen freie Arbeitsplätze. Dazu kannich nur sagen: Die Wirtschaft soll sie melden. Wir tun al-les dafür, dass die freien Arbeitsplätze und die Menschen,die keinen Job haben, zusammenkommen. Das ist derSinn des Job-Aqtiv-Gesetzes.
Die Gesundheitsreform wird der nächste Schritt sein.Bei allem Ärger, den es an dieser Stelle gibt: Wir sind dieerste Regierung, in deren Wahlperiode die Lohnneben-kosten sinken.
Als wir die Regierung übernommen haben, lagen dieLohnnebenkosten bei 42,1 Prozent und der Rentenversi-cherungsbeitrag bei 20,3 Prozent. Herr Merz, Sie kennensich in der Wirklichkeit dieses Landes überhaupt nichtmehr aus!
Wir werden die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfezusammenführen. Wir sind die Gemeindefinanzreformangegangen und haben zu einer Verstetigung der Finanzenbeigetragen.
Schauen Sie sich doch einmal die Finanzentwicklung an:Die Gewerbesteuer ist von 1995 bis 2000 auf mehr als40 Prozent gestiegen. Dann ist sie auf einem – allerdingshohen – Niveau eingebrochen, während alle anderen Ge-bietskörperschaften in diesem Zeitraum bei den Einnah-men einen Zuwachs von 12 Prozent zu verzeichnen hat-ten. Sie sollten einmal die Fakten zur Kenntnis nehmen.Das sage ich vor allem den Damen und Herren von derverehrten PDS.
Diese Arbeit werden wir fortsetzen. Daran werden Sievon der Opposition uns nicht hindern. Natürlich habenwir Schwierigkeiten. Aber Sie malen alles schwarz inschwarz. Die „Zeit“ hat Recht: Kassandra muss nichtRecht haben. – Sie werden übrigens noch erleben: NichtKassandra wird gewählt, sondern nur der, der eine Zu-kunftsperspektive bietet. Das sollten Sie sich einmal mer-ken!
Wir reden um nichts herum. Es ist ein fundamentalerFehler, die positiven Signale, die es gibt, zu verschwei-gen. Das werden Ihnen die Menschen nicht abnehmen.Denn die Wirtschaftspolitik ist zur Hälfte Psychologie.
Zu dieser Psychologie gehört, dass man das Positive,das es gibt, nicht unterschlägt:Erstens. Der Ölpreis – das ist der große Unterschied imVergleich zur Situation vor einem Jahr – ist ein eigenesKonjunkturprogramm, eine gewaltige Entlastung der Pri-vathaushalte und der Wirtschaft in Deutschland.
Zweitens. Die Inflationsrate ist so niedrig wie schonlange nicht mehr. Der Verbraucherpreisindex liegt bereitsbei 1,4 Prozent. Die Europäische Zentralbank hat, weilwir konsequent Kurs halten, die Zinsen gesenkt. Deswe-gen sind die Finanzierungskosten historisch niedrig. DerHaushalt 2002 gibt eine Menge Anstöße für das nächsteJahr.
Die Menschen – dabei ist es nicht die Frage, ob ich dasgesagt habe oder nicht – nehmen diese Entwicklung wahr.Im Oktober dieses Jahres gab es in der Automobilindus-trie ein Absatzplus von 9,6 Prozent, einen richtigen Zulas-sungsboom. Freuen Sie sich doch wenigstens darüber!
Das heißt, die Menschen haben ein Stück mehr Vertrauenin die Zukunft.Zum Schluss sage ich Ihnen: Wenn das alles, was Siehier erzählt haben, wahr wäre, wie kommt es dann ei-gentlich zu folgenden Umfrageergebnissen?
Diese Woche wurde den Menschen die einfache Frage ge-stellt: Wem traut ihr zu, dass er mit den Problemen diesesLandes am besten fertig wird? – Antwort: Für die SPD ha-ben sich 33 Prozent entschieden.
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Bundesminister Hans Eichel20384
– Vorsicht, nicht lachen! Gleich können Sie lachen. – Fürdie CDU/CSU haben sich 13 Prozent entschieden.
Daran erkennen Sie: Sie leben in einer Scheinwelt, wassowohl die Wirklichkeit in diesem Land als auch was dieWahrnehmung Ihrer Kompetenzen angeht. Nur ganze13 Prozent der Menschen dieses Landes trauen Ihnen zu,mit den Problemen dieses Landes in der Zukunft erfolg-reich fertig zu werden. Das holen Sie auch bis zum Sep-tember des nächsten Jahres nicht mehr auf. Seien Sie dagewiss.
Das Wort zu einer
Kurzintervention hat der Kollege Friedrich Merz.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz kurz – [der
Bundeskanzler verlässt auch gerade den Saal] – zwei
Punkte ansprechen.
Erstens. Ich finde, es ist eine Zumutung für dieses Par-
lament, dass die zweite und dritte Lesung des Bundes-
haushaltes für das kommende Jahr in dieser Besetzung der
Regierungsbank stattfindet. Noch nicht einmal der Bun-
desarbeitsminister und der Bundeswirtschaftsminister
scheinen es für nötig zu halten, an dieser Debatte teilzu-
nehmen.
Ich empfinde es als eine Zumutung für den Deutschen
Bundestag, wie die Regierungsbank bei der zweiten und
dritten Lesung für den Bundeshaushalt des nächsten Jah-
res besetzt ist.
Zweitens. Herr Bundesfinanzminister, nur damit
keine Legenden darüber entstehen, was wir zur Steuer-
politik in den letzten Wochen gesagt haben und was die
übereinstimmende Auffassung der Parteivorsitzenden
der CDU, der Kollegin Angela Merkel, des Parteivorsit-
zenden der CSU, des Ministerpräsidenten des Freistaa-
tes Bayern, und auch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
zum Thema „Vorziehen einer Stufe der Steuerreform“
ist:
Es ist und bleibt unsere Auffassung, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der SPD, dass es in der gegenwärtigen
Lage der öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder
und der Gemeinden außerordentlich schwierig ist, mit ei-
ner vorgezogenen Steuerreform einen größeren Schritt bei
der Entlastung der Bürger und der Unternehmen in diesem
Land zu tun.
Das ist eine schwierige Lage.
Aber wir sind übereinstimmend mit vier der fünf For-
schungsinstitute der Auffassung: Es wäre richtig, wenigs-
tens die Stufe des Jahres 2003 auf das Jahr 2002 so vor-
zuziehen,
dass der Mittelstand in diesem Lande entlastet wird, und
so vorzuziehen, dass die Wirtschaft ein Signal bekommt,
dass wir es ernst meinen mit ihrer Entlastung und dass wir
es ernst meinen mit Wachstum und Beschäftigung.
Herr Eichel, damit Sie hier nicht weiter an Legenden
stricken: Das ist die Auffassung der Union, der Vorsitzen-
den beider Parteien und auch der CDU/CSU-Bundestags-
fraktion.
Herzlichen Dank.
Herr Minister Eichel,
Sie haben Gelegenheit zur Erwiderung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Prä-
sident! Meine Damen und Herren! Ich will nur auf einen
Punkt hinweisen: Herr Kollege Merz, es hat doch so viele
Gelegenheiten gegeben, diese Vorstellungen – sie sind
offenbar,wie Sie sagen, Ihre gemeinsamenVorstellungen –
in allen möglichen Gremien nicht nur zu debattieren, son-
dern dazu auch Anträge zu stellen.
Der Finanzplanungsrat, in dem auch alle Landesregie-
rungen vertreten sind, ist vor kurzem zusammengekom-
men. Von den acht Finanzministern, die die CDU und die
CSU stellen, waren fünf anwesend. Nicht einer hat auch
nur einen einzigen Mucks zu diesem Thema gesagt. Wir
haben ein Papier verabschiedet, das vorher von allen Lan-
desregierungen gebilligt wurde und in dem klipp und klar
die konsequente Fortsetzung des Konsolidierungskurses
festgestellt worden ist.
So viel zur Ernsthaftigkeit Ihrer steuerpolitischen Vor-
stellungen.
Als letzter Redner in
der Haushaltsdebatte erteile ich dem Kollegen Dietrich
Austermann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Auch ich möchte zu Beginnder Debatte den Mitgliedern des Haushaltsausschussesund den Mitarbeitern des Sekretariats herzlich danken fürdie Arbeit, die sie geleistet haben.
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Bundesminister Hans Eichel20385
Ich möchte in diesen Dank zugleich auch unseren Kolle-gen Adolf Roth mit einschließen, der krank ist, aber sonstan dieser Stelle geredet hätte.Ich habe zunächst gedacht, es sei schwierig, in dieserPhase der Debatte zu reden, nachdem der Finanzministergroß eingestiegen ist. Aber nachdem ich gehört habe, wasSie gesagt haben, Herr Eichel, denke ich, dass es dochziemlich einfach ist.Es gibt kein neuesArgument, das Sie vorgetragen haben.Sie haben imWesentlichen die Vergangenheit beschrieben.Das war die Bilanz von Opa Hans zu dem,was sich vor ein paar Jahren zugetragen hat. Zu dergegenwärtigen konkreten Notwendigkeit und zu dem, wasjetzt erforderlich ist, um das Steuer herumzureißen, habenSie nichts gesagt.Dazu ist nichts gekommen–Fehlanzeige!
Die Debatte in dieser Woche hat gezeigt, dass man Ih-nen eine erhebliche Realitätsferne bescheinigen muss. Esgibt überhaupt keinen Bezug mehr zu dem, was die Men-schen in diesem Land denken, was in der Wirtschaft ge-dacht wird und welche Sorgen die Menschen tatsächlichumtreiben.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen, weilSie bei einem Punkt noch etwas zu Herrn Mehdorn gesagthaben: Heute Nachmittag fahre ich mit der Bahn nachHause.
Die Strecke von Berlin nach Hamburg wird repariert; siesoll renoviert werden. Zu Zeiten der DDR war der Zu-stand katastrophal. Jeder erinnert sich noch an den „Flie-genden Hamburger“ aus den 30er-Jahren. Seit langem istdie Bundesbahn bestrebt, diese Strecke in einen ordentli-chen Zustand zu bringen.Der Bahnvorstand schreibt jetzt dazu:Die Bahn hat mit Hochdruck die Planungsarbeitenfür den Ausbau der Strecke Hamburg–Berlin aufTempo 230 vorangetrieben. Auftragsvergabe undAnzahlung hätten im Juli 2001 erfolgen können. Siesind derzeit ausgesetzt, weil der Bund eine zusätzli-che Planung für Tempo 200– natürlich langsamer; das ist aber auch klar, da Sie re-gieren –zum Kostenvergleich beider Varianten fordert und esderzeit ablehnt, auch nur eine Unbedenklichkeits-bescheinigung für die Auftragsvergabe selbst vondenjenigen Streckenabschnitten zu erteilen, bei de-nen zwischen beiden Varianten keine Kostendiffe-renzen bestehen. Die DB AG ist daher gehindert, au-genblicklich auch nur in die Auftragsvergabe undVorfinanzierung einzutreten.Das macht doch wohl deutlich: Herr Finanzminister,Sie persönlich sind an vielen Hunderttausend Arbeitslo-sen in Deutschland schuld.
Sie sind verantwortlich dafür, dass das Finanzministeriumdie Auszahlung von Investitionsmitteln verweigert. DieseInvestitionen sind seit langer Zeit geplant und könnenjetzt nicht durchgeführt werden. Und warum ist das so?Weil Sie durch eingesparte Investitionen das Ziel der oh-nehin hohen Nettoneuverschuldung von 43,5 MilliardenDM noch einigermaßen erreichen wollen. Das ist der ein-zige Grund.
Sie haben davon gesprochen – ich arbeite es der Reihenach ab –, dass Sie mit der Konsolidierung jetzt anfangenwerden. Ist das Konsolidierung, wenn man in vier Jahren183 Milliarden DM neue Schulden macht? Über das Kri-terium der Gesamtverschuldung des Staates haben Siemit Ihren Kollegen im Finanzplanungsrat doch wohl auchgesprochen; diese haben Ihnen offensichtlich gesagt, dassSie in diesem Jahr höhere Schulden machen müssen undim nächsten Jahr noch höhere. Ist das Konsolidierung,wenn sich die gesamtstaatliche Verschuldung von 1998bis heute von 1,7 auf 2,7 Prozent verändert hat? Nein, Siehaben lediglich Lasten aus dem Bundeshaushalt in dieSozialkassen sowie in die Länder und Gemeinden ver-schoben.Sie haben dann die Mär von einer anderen Familien-politik, die Sie jetzt machen wollten, erzählt. Dazu mussich zunächst feststellen: Als wir angefangen haben, gab eskeine Kinderfreibeträge mehr, weil die Sozialdemokratensie nicht wollten. Das Kindergeld war sehr niedrig. Viel-leicht denken Sie noch einmal darüber nach, wie die Si-tuation tatsächlich ausgesehen hat. Wir haben die Leis-tungen für die Familien dann kräftig erhöht undausgeweitet.
Sie sprechen jetzt immer von der Verkäuferin, diedurch die Steuerreform ein 13. Monatsgehalt zusätzlicherhalte. Wenn ich am Bahnhof Itzehoe ankomme und indie dortige Buchhandlung gehe, spricht mich die Verkäu-ferin an und sagt, dass es ihr finanziell heute schlechtergeht. Sie sagt, sie habe Sorge, ob sie in diesem Jahr über-haupt Weihnachtsgeld erhalte. Trotzdem stellen Sie sichhier realitätsfern hin und sagen, dass die Leute mehr in derTasche haben. Das ist doch eindeutig falsch. Den Leutengeht es heute schlechter als vor drei Jahren.
Ich komme zum Thema Lohnnebenkosten, das jafür die gesamtwirtschaftliche Entwicklung durchauswichtig ist. Rechnen wir einmal alle Sozialabgaben zu-sammen – das ist relativ leicht überschaubar –: Der Pfle-geversicherungsbeitrag beläuft sich auf 1,7 Prozent-punkte; das galt 1998 wie heute. Der Beitrag zurArbeitslosenversicherung liegt derzeit bei 6,5 Prozent-punkten. Vor etwa einem Jahr haben Sie davon geredet,dass man diesen absenken könne; daraus ist nichts ge-worden. Der Krankenversicherungsbeitrag betrug 1998durchschnittlich 13,5 Prozentpunkte, jetzt liegt er bei
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Dietrich Austermann20386
14 Prozentpunkten. Der Beitrag zur Rentenversicherunglag bei uns bei 20,2 Prozentpunkten, jetzt liegt er bei 19,1Prozentpunkten. Wenn man den Griff in die Rentenkassenberücksichtigt, wird er im neuen Jahr bei 19,4 Prozent-punkten liegen. Beachten Sie bitte dabei, dass Sie denRentenbeitrag nur deshalb auf diesem Niveau halten kön-nen, weil – das macht zumindest einen Prozentpunkt aus –die Ökosteuer erhoben wird. Notwendig war darüber hi-naus die Einführung der privaten Vorsorge am 1. Januar– das macht einen weiteren Prozentpunkt aus –, damitman überhaupt das Rentenniveau halten kann, das wir1998 hatten. Realiter beträgt der Rentenversicherungsbei-trag also mehr als 22 Prozent. Diese Beträge addiert be-deuten, dass die Lohnnebenkosten in Deutschland in denletzten drei Jahren deutlich gestiegen sind. Dies ist mit einGrund für die wirtschaftliche Misere in Deutschland.
Fehler haben Sie im Wesentlichen bei drei Punkten ge-macht: Erstens haben Sie die Steuern – das ging im Zick-zackkurs – und die Energiekosten drastisch erhöht. Das,was an Steuerentlastung da war, wird scheibchenweisedurch die Energiekostensteigerung aufgefressen, zumBeispiel über die Ökosteuer.
Der erste Punkt, der bei Ihnen negativ zu Buche schlägt,ist also die zu hohe Steuerbelastung.Zweitens haben Sie die Investitionen gesenkt. Ichhabe dazu schon etwas gesagt. Sie stehen bei den Investi-tionen seit Jahren auf der Bremse. Sie haben im Haushalt2002 die niedrigste Investitionsquote, die es je in derNachkriegszeit gegeben hat.Drittens haben Sie den Arbeitsmarkt zwangsreguliert.Sie haben eine Fülle von neuen Regelungen getroffen, dieden Arbeitsmarkt zusätzlich unter Druck setzen und dieMöglichkeit, Arbeitsplätze zu schaffen, erschweren.Auf die Frage, was man in dieser Situation anders bzw.besser machen könnte, sagen wir ganz klar: Die Steuernmüssen runter. Das hat auch Friedrich Merz eben ganzdeutlich gesagt. Dazu nenne ich ein Beispiel, bei demauch die Frage der Konsolidierung eine Rolle spielt: Von1998 bis 2002 werden jährlich 50 Milliarden an Steuernmehr kassiert. Spiegelt das eine Entlastung für Bürger undBetriebe? Bei richtiger Konsolidierung könnte aus diesenSteuermehreinnahmen jede Reform finanziert werden.
Sie haben es nicht gemacht, weil Sie umverteilen wollten.Wenn ich jetzt unterstelle, wir hätten das Wachstum ausdem Jahre 1998, als sich alle relevanten Daten positiv ent-wickelt haben, hätten Sie gar 70 Milliarden DM gehabt,um eine kräftige Steuerentlastung zu finanzieren. Er-zählen Sie also nicht, dass das nicht möglich ist. Es wäremöglich gewesen, wenn Sie es richtig gemacht hätten.Nun wird gegenwärtig versucht, das eine oder anderezu verniedlichen. Wir haben gesagt: Wir befinden uns ineiner Rezession und diese Rezession ist hausgemacht. Siehat – dies wird deutlich am Einbruch bei der gesamtwirt-schaftlichen Nachfrage – nichts mit Krisen außerhalbDeutschlands zu tun, sondern vor allem mit der Krise die-ser Bundesregierung.Der Sachverständige Rürup hat vorgestern in einem In-terview ausgeführt:Deutschland befindet sich zwar in einer Rezession.Aber diese Abschwächung ist noch nicht so stark,dass sie eine Verletzung der 3-Prozent-Quote erlau-ben würde.Aber bei Fortsetzung Ihrer Politik der „eingeschlafenenHand“ werden Sie auch dies schaffen.Herr Eichel, Sie haben gesagt, die von uns abgegebe-nen Prognosen hätten nicht gestimmt. Haben wir im Au-gust gesagt, dass Sie für das kommende Jahr ein Haus-haltsloch in Höhe von 20 Milliarden DM haben odernicht? Hat es dieses Haushaltsloch gegeben oder nicht?Das hat es gegeben; Sie haben sich verschätzt.
Wir haben im März hier den Antrag auf einen Nach-tragshaushalt gestellt, weil erkennbar war, dass sich dieArbeitsmarktdaten nach unten entwickeln, weil erkennbarwar, dass in dem Zusammenhang auch die Steuereinnah-men sinken. Sie haben nicht darauf reagiert. Natürlichhätte man zu Beginn dieses Jahres eine Steuerreformschneller, besser und großzügiger machen können.
Sie haben die Basis dafür weggeschlagen und werfen unsjetzt vor, dass wir nicht am Gesamtmodell hängen blei-ben. Der Fehler liegt doch bei der von Ihnen vorher soschlecht geleisteten Arbeit.
Versuchen Sie nicht, das Ganze zu verniedlichen. Ichhabe mir sagen lassen, dass Sie am letzten Dienstag beimBausparkassentag gesagt haben, um die Leute zu be-schwichtigen, das sei keine Rezession, das sei nur eine„Anpassungsrezession“.
Es gibt eine Reihe von Vokabeln, die Sie in der letzten Zeitverwendet haben, die alle umschreiben sollen, dass die Si-tuation schlecht ist, man es aber nicht zugeben möchte.Was heißt denn „Anpassungsrezession“? Wer musssich denn an wen anpassen? Heißt das, dass sich die Men-schen, die Arbeit haben, an die Situation anpassen müs-sen, dass sie künftig keine Arbeit mehr haben? Heißt das,dass sich die Firmen, die noch Aufträge haben, anpassenmüssen, dass sie künftig keine Aufträge mehr haben? Er-zählen Sie doch keine Fantasiezahlen über irgendwelcheAuftragseingänge, sondern schauen Sie sich die Ge-schäftsbilanzen der Unternehmen an!
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Dietrich Austermann20387
Wir haben gestern in der Arbeitsgruppe Haushalt – derich für die gute Arbeit in den letzten Wochen und auch indieser Woche danken möchte – mit einem Vertreter einerSparkasse aus Süddeutschland zusammengesessen. Er hates auf den Punkt gebracht, als er meinte: Wenn der Fi-nanzminister zum Konsum auffordert, dann müssen alleAlarmglocken klingeln. Wenn das der Wirtschaftsminis-ter macht, ist das in Ordnung. Aber beim Finanzministerlässt das offensichtlich darauf schließen, dass er selbstnicht daran glaubt, dass die Situation in Ordnung ist, son-dern dass wir in einer ganz schwierigen Lage sind.
Es gibt ein neues Gerücht, das da lautet, der Finanzmi-nister habe mit dem Golfspielen angefangen: Er tastet sichvon Loch zu Loch.
Fragt einer nach dem Handicap, dann heißt es: 2002. Weiles so ein hohes Handicap nicht gibt, heißt das, dass Sie diePlatzreife nicht haben. Im September 2002 wird sich dieSituation klären.
Von solchen Sprüchen gibt es mittlerweile viele: Wasist paradox? Paradox ist, wenn sich der Sohn des Kanzlersnamens Aufschwung in die Tochter Rezession verwandeltund die Mutter deutsche Volkswirtschaft Vaterschafts-klage einlegt.
Wenn Sie sich die Situation anschauen, dann werdenSie feststellen, dass sich unter dieser Regierung die wirt-schaftlichen Daten drastisch verschlechtert haben. Siemüssen zu haushälterischen Tricks en masse greifen. Siegehen beim Wachstum von unrealistischen Annahmenaus. Die Frage ist doch: Können aus der heutigen Situa-tion bei der Beschlussfassung über diesen Bundeshaus-halt für die Zukunft, für die Menschen im Land, die Wirt-schaft und die wirtschaftliche Entwicklung Perspektivengewonnen werden? Wir sagen Nein. Wir sagen deshalbNein, weil die für diesen Haushalt unterstellten An-nahmen – Sie nennen das „auf Kante genäht“ – hinsicht-lich der Einnahmen aus Sozialabgaben, der Zahl der be-schäftigten Menschen und der Auftragslage der Betriebe– dies alles ist eng miteinander verknüpft – schon heutenicht mehr stimmen und weil zudem Ihre Annahmen hin-sichtlich der Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeitunrealistisch sind.Ich will etwas zu dem Gerücht sagen, wir hätten 1998so genannte Wahlkampf-ABM gemacht.
Ich bemühe mich, das Ganze so darzustellen, dass ich mitwenigen Zahlen auskomme: 1998 hatten wir im Sollan-satz rund 37 Milliarden DM im Haushalt der Bundes-anstalt für Arbeit für den zweiten Arbeitsmarkt. Als dasJahr vorbei war, wurde festgestellt, dass davon 35 Milli-arden DM ausgegeben wurden, also 2 Milliarden DM we-niger. Sie haben im Haushalt des kommenden Jahres fürArbeitsmarktpolitik 44 Milliarden DM eingestellt, also7 Milliarden DM mehr, als wir 1998 im Sollansatz hatten.Nehmen Sie Ihre Behauptung zurück, wir hätten denzweiten Arbeitsmarkt aufgebläht. Sie tun das, um über-haupt eine einigermaßen erträgliche Bilanz vorweisen zukönnen. Diesen Sachverhalt können Sie sich überall be-stätigen lassen.
Dies führt schließlich zu der Frage: Wie kann es ei-gentlich passieren, dass eine Regierung völlig unvorbe-reitet vor diesen Dingen steht? Sie verlässt sich immerhinauf eine große Zahl von Sachverständigen. Ich kann dasnur so deuten, dass es offensichtlich eine erhebliche Rea-litätsferne gibt. Wenn man mit den Menschen redet, wennman in die Betriebe geht und sich die Bilanzen der Unter-nehmen anschaut, dann hat man seit mindestens einemJahr den Gang der Entwicklung absehen können. Dazubrauche ich keine statistischen Zusammenfassungen, vonwelchen Forschungsinstituten auch immer. Deren Pro-gnosen kommen sowieso immer hinterher. Man muss dieSituation vor Ort betrachten. Dann kommt man zu derrichtigen Prognose, die zu den richtigen Schritten führt,die wir vorgeschlagen haben.Ich sage es noch einmal, damit deutlich wird, wo un-sere Alternative liegt: Wir wollen die Rücknahme der Be-schäftigungshemmnisse, die seit 1998 durchgesetzt wor-den sind.
Wir wollen die Zusammenlegung von Arbeitslosen- undSozialhilfe. Wir wollen die Einführung des Kombilohnsfür Geringverdiener. Wir wollen, dass ein wesentlicherTeil der Steuerreform vorgezogen wird. Wir wollen vor al-len Dingen, dass das Steuerrecht vereinfacht wird. Wirwollen, dass auf die nächste Stufe der Ökosteuer verzich-tet wird, die insbesondere den Familien das, was sie an Fa-miliengeld angeblich mehr in der Tasche haben, sofortwieder wegnimmt.
Wir wollen ein modernes Betriebsverfassunggesetz. Wirwollen eine grundlegende Reform des Gesundheitswe-sens. Wir wollen vor allen Dingen die Eigen-verantwortung stärken.Im nächsten Schritt wird es notwendig sein, die Infra-strukturlücken durch Mobilisierung von privatem Kapitalzu schließen. Die in diesem Land noch vorhandenenschöpferischen und finanziellen Kräfte müssen für pri-vate Investitionen genutzt werden. Sie dürfen nicht de-motiviert werden. Wir wollen spätestens nach der nächs-ten Wahl entsprechende Schritte unternehmen.
Die Maßnahmen, die die Regierung eingeleitet hat, tau-gen dafür nicht.Ich sage es noch einmal: Der jetzt vorgelegte Haushaltkommt nur mit Tricks zustande. Er zeigt keine Perspekti-ven auf und gibt vor allen Dingen den Menschen, die ar-beitslos sind, keine Hoffnung.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Dietrich Austermann20388
Schauenwir uns einmal dieErgebnisse derUmfragen an,die am Ende dieses Jahres durchgeführt worden sind. DieUmfrage, aus der Sie zitiert haben – ich nehme an, sie warvon Forsa –, war voll daneben. Eine andere, gestern veröf-fentlichte Umfrage hat Folgendes ergeben: Auf die Frage„Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Jahr 2002?“haben etwa 62 Prozent der Menschen geantwortet, dass siedemneuen Jahr skeptisch entgegensehen. Siemachen ihnenkeinenMut für die Zukunft. Etwa 28 Prozent derMenschenrechnet damit, dass ihre persönliche Situation im nächstenJahr schwieriger sein wird. Solche negativen Umfrageer-gebnissehat es langenichtmehrgegeben.VerlassenSie sichalso nicht auf Umfragen, die Sie selbst bestellt haben unddie die Realität schöner malen, als sie tatsächlich ist.
Während wir hier beraten, trifft sich im Kanzleramteine Runde – ich vermute, dass der Bundeskanzler dabeiist – und versucht, die Mittel für die Finanzierung desGroßflugzeugs, das der Kanzler in der letzten Woche demfranzösischen Präsidenten versprochen hat, zusammenzu-kratzen. Man hat offensichtlich ein Problem, den einge-gangenen internationalen Verpflichtungen nachzu-kommen; denn im laufenden Haushalt ist zu wenig Geld.Deswegen müssen in den nächsten 6 Milliarden zusätz-lich eingestellt werden. Auch das beschreibt im Grundegenommen die wirtschaftliche Situation und die finanzi-elle Lage des Verteidigungsetats.Lassen Sie mich zum Ende kommen. Wir haben unsereAlternativen zu dem vorgelegten Haushalt aufgezeigt unddeutlich gemacht, dass es einen besseren Weg fürDeutschland gibt.
Wenn Sie sich ein bisschen in Europa umschauen, dannwerden Sie feststellen: Als es vor ein paar MonatenWahlen in Norwegen gab, sind die Sozialdemokraten ab-gewählt worden. Als es vor ein paar Tagen Wahlen inDänemark gab, sind die Sozialdemokraten abgewähltworden. Am 22. September nächsten Jahres gibt es inDeutschland Wahlen. Dann ereilt die deutschen So-zialdemokraten wegen ihrer falschen Politik genau dasgleiche Schicksal.
Ich schließe die Aus-
sprache.
Wir kommen zur Schlussabstimmung über das Haus-
haltsgesetz 2002. Die Koalitionsfraktionen verlangen
namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerin-
nen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzuneh-
men. – Sind die Schriftführerinnen und Schriftführer an
ihren Plätzen? Ist alles zur Abstimmung bereit? – Dann
eröffne ich die Abstimmung.1)
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.
Wir setzen die Abstimmungen fort und kommen zur
Abstimmung über die Entschließungsanträge, zunächst
über den Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/7590. Die Fraktion der
CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte
die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehe-
nen Plätze einzunehmen. – Sind die Schriftführerinnen
und Schriftführer an ihren Plätzen? Ist alles zur Abstim-
mung bereit? – Das ist der Fall.
Ich eröffne die Abstimmung.2)
Ist noch ein Mitglieddes Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegebenhat? – Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu be-ginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen späterbekannt gegeben.Wir kommen jetzt zum Entschließungsantrag der Frak-tion der CDU/CSU auf Drucksache 14/7571. Wer stimmtfür diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dage-gen? –Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag abgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder CDU/CSU auf Drucksache 14/7592. Wer stimmt fürdiesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder CDU/CSU auf Drucksache 14/7594. Wer stimmt fürdiesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Der Antrag ist abgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder CDU/CSU auf Drucksache 14/7663. Wer stimmt fürdiesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –Wer enthält sich? – Der Antrag ist gegen die Stimmen vonCDU/CSU und FDP abgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder FDP auf Drucksache 14/7625. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? –Wer stimmt dagegen? – Der An-trag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU, FDP und PDSabgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder FDP auf Drucksache 14/7626. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ist der An-trag abgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder FDP auf Drucksache 14/7650. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Der Antrag ist gegen die Stimmen vonCDU/CSU und FDP abgelehnt.
Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder FDP auf Drucksache 14/7651. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? –Wer stimmt dagegen? –Wer ent-
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Dietrich Austermann20389
1) Ergebnis Seite Seite 20392.1) Ergebnis Seite Seite 20390.hält sich? – Gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDPabgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder FDP auf Drucksache 14/7684. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? –Wer stimmt dagegen? –Wer ent-hält sich? – Gegen die Stimmen der FDP ist der Antrag ab-gelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder PDS auf Drucksache 14/7576. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Keine. Der Entschließungsantrag ist gegen dieStimmen der PDS abgelehnt.Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktionder PDS auf Drucksache 14/7698. Wer stimmt für diesenEntschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Keine. Der Entschließungsantrag ist gegen dieStimmen der PDS abgelehnt.Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichenSchlussabstimmung über das Haushaltsgesetz 2002 un-terbreche ich die Sitzung.
Die unterbrocheneSitzung ist wieder eröffnet.Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Schlussab-stimmung über das Haushaltsgesetz 2002 bekannt: Abge-gebene Stimmen 590. Mit Ja haben gestimmt 313, mitNein haben gestimmt 276, Enthaltungen 1.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Vizepräsidentin Anke Fuchs20390
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 590;davonja: 313nein: 276enthalten: 1JaSPDBrigitte AdlerGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauWolfgang BehrendtDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseAnke Fuchs
Arne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnKerstin GrieseAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannManfred HampelAlfred HartenbachAnke HartnagelKlaus HasenfratzHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannGustav HerzogMonika HeubaumReinhold Hiller
Gerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerUlrich KelberHans-Peter KemperKlaus KirschnerSiegrun KlemmerFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerKlaus LennartzDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-MöllerErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Martin PfaffJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichDr. Carola ReimannMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterChristel Riemann-HanewinckelReinhold RobbeGudrun Roos
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Vizepräsidentin Anke Fuchs20391
René RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Marlene RupprechtThomas SauerGudrun Schaich-WalchRudolf ScharpingBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildOtto SchilyDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Dr. Frank Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGerhard SchröderDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Volkmar Schultz
Ewald SchurerDr. Angelica Schwall-DürenRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseReinhold Strobl
Dr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerJochen WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekJürgen Wieczorek
Helmut Wieczorek
Dieter WiefelspützHeino Wiese
Brigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfDr. Christoph ZöpelPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENVolker Beck
Angelika BeerMatthias BerningerGrietje BettinEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Joseph Fischer
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberGerald HäfnerWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKerstin Müller
Christa NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstChristine ScheelIrmingard Schewe-GerigkAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleDr. Antje VollmerDr. Ludger VolmerHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
NeinCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümAntje BlumenthalDr. Maria BöhmerSylvia BonitzJochen BorchertWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepeGeorg BrunnhuberHartmut Büttner
Dankward BuwittManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Leo DautzenbergWolfgang DehnelHubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke Eymer
Ilse FalkDr. Hans Georg FaustAlbrecht FeibelUlf FinkDirk Fischer
Axel E. Fischer
Klaus FranckeDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisGeorg GirischMichael GlosDr. Reinhard GöhnerPeter GötzDr. Wolfgang GötzerHermann GröheManfred GrundHorst Günther
Carl-Detlev Freiherr vonHammersteinGerda HasselfeldtNorbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen HedrichHelmut HeiderichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesJoachim HörsterHubert HüppeSusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlSteffen KampeterDr.-Ing. Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertDr. Helmut KohlNorbert KönigshofenEva-Maria KorsHartmut KoschykThomas KossendeyDr. Martina KrogmannDr. Hermann KuesWerner KuhnKarl LamersDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertHelmut LampDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin Marschewski
Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-mung über den Entschließungsantrag der Fraktion derCDU/CSU zu Einzelplan 14 auf Drucksache 14/7590bekannt: Abgegebene Stimmen 592. Mit Ja haben ge-stimmt 247, mit Nein haben gestimmt 345, Enthaltungenkeine.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Vizepräsidentin Anke Fuchs20392
Dr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsDr. Gerd MüllerBernward Müller
Elmar Müller
Bernd Neumann
Claudia NolteGünter NookeFranz ObermeierEduard OswaldNorbert Otto
Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerThomas RachelHans RaidelDr. Peter RamsauerHelmut RauberChrista Reichard
Katherina ReicheErika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHeinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt J. RossmanithDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckVolker RüheAnita SchäferDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteHeinz SchemkenKarl-Heinz ScherhagDr. Gerhard ScheuNorbert SchindlerBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von SchmudeDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerWolfgang SchulhoffGerhard SchulzClemens SchwalbeWilhelm Josef SebastianHorst SeehoferHeinz SeiffertDr. h. c. Rudolf SeitersBernd SiebertWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteCarl-Dieter SprangerWolfgang SteigerErika SteinbachAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Klaus-Peter WillschBernd WilzWilly Wimmer
Matthias WissmannWerner WittlichDagmar WöhrlAribert WolfElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerFDPIna AlbowitzRainer BrüderleErnst BurgbacherJörg van EssenUlrike FlachGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannDr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptDr. Helmut HaussmannUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerJürgen TürkPDSDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsWolfgang GehrckeDr. Klaus GrehnDr. Gregor GysiUwe HikschDr. Barbara HöllSabine JüngerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthPia MaierAngela MarquardtManfred Müller
Kersten NaumannRosel NeuhäuserDr. Uwe-Jens RösselGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertEnthaltenFraktionsloseAbgeordneteChrista LörcherEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 591;davonja: 247nein: 344JaCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserDr. Norbert BlümAntje BlumenthalDr. Maria BöhmerSylvia BonitzJochen BorchertWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepeGeorg BrunnhuberHartmut Büttner
Dankward BuwittManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Leo DautzenbergWolfgang DehnelHubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke Eymer
Ilse FalkDr. Hans Georg FaustAlbrecht FeibelUlf FinkDirk Fischer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Vizepräsidentin Anke Fuchs20393
Axel E. Fischer
Klaus FranckeDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisGeorg GirischMichael GlosDr. Reinhard GöhnerPeter GötzDr. Wolfgang GötzerHermann GröheManfred GrundHorst Günther
Carl-Detlev Freiherr vonHammersteinGerda HasselfeldtNorbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen HedrichHelmut HeiderichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesJoachim HörsterHubert HüppeSusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlSteffen KampeterDr.-Ing. Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertDr. Helmut KohlNorbert KönigshofenEva-Maria KorsHartmut KoschykThomas KossendeyDr. Martina KrogmannDr. Hermann KuesWerner KuhnKarl LamersDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertHelmut LampDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsDr. Gerd MüllerBernward Müller
Elmar Müller
Bernd Neumann
Claudia NolteGünter NookeFranz ObermeierEduard OswaldNorbert Otto
Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerThomas RachelHans RaidelDr. Peter RamsauerPeter RauenChrista Reichard
Katherina ReicheErika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHeinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt J. RossmanithDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckVolker RüheAnita SchäferDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteHeinz SchemkenKarl-Heinz ScherhagDr. Gerhard ScheuNorbert SchindlerBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von SchmudeDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerGerhard SchulzClemens SchwalbeWilhelm Josef SebastianHorst SeehoferHeinz SeiffertDr. h. c. Rudolf SeitersBernd SiebertWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannMargarete SpäteCarl-Dieter SprangerWolfgang SteigerErika SteinbachAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter WillschBernd WilzWilly Wimmer
Matthias WissmannWerner WittlichDagmar WöhrlAribert WolfElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang ZöllerFDPIna AlbowitzRainer BrüderleErnst BurgbacherJörg van EssenUlrike FlachGisela FrickPaul K. FriedhoffHorst Friedrich
Rainer FunkeDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannDr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptDr. Helmut HaussmannUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeSabine Leutheusser-SchnarrenbergerDirk NiebelGünther Friedrich NoltingDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerJürgen TürkNeinSPDBrigitte AdlerGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauWolfgang BehrendtDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Büttner
Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich
Harald FrieseAnke Fuchs
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Vizepräsidentin Anke Fuchs20394
Arne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnKerstin GrieseAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannManfred HampelAlfred HartenbachAnke HartnagelKlaus HasenfratzHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannGustav HerzogMonika HeubaumReinhold Hiller
Gerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterEike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerUlrich KelberHans-Peter KemperKlaus KirschnerSiegrun KlemmerFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnRobert LeidingerKlaus LennartzDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Gabriele Lösekrug-MöllerErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Martin PfaffJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichDr. Carola ReimannMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterChristel Riemann-HanewinckelReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Marlene RupprechtThomas SauerGudrun Schaich-WalchRudolf ScharpingBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildOtto SchilyDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Dr. Frank Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGerhard SchröderDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann
Brigitte Schulte
Volkmar Schultz
Ewald SchurerDr. Angelica Schwall-DürenRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseReinhold Strobl
Dr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich vonWeizsäckerJochen WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekJürgen Wieczorek
Helmut Wieczorek
Dieter WiefelspützHeino Wiese
Brigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfDr. Christoph ZöpelPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENVolker Beck
Angelika BeerGrietje BettinEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer
Joseph Fischer
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberGerald HäfnerWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtMonika KnocheDr. Angelika Köster-LoßackSteffi LemkeDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKerstin Müller
Christa NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstChristine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Werner Schulz
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleDr. Antje VollmerDr. Ludger VolmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
Der Entschließungsantrag ist damit abgelehnt.Ich danke den Schriftführerinnen und Schriftführernfür die schnelle Auszählung.
Ich rufe Tagsordnungspunkt III auf:– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurFortführung des Solidarpaktes, zur Neuordnungdes bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur
– Drucksache 14/7063 –
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Fortführung des Solidarpaktes, zur Neuord-nung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs undzur Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“
– Drucksache 14/7256 –
a) Beschlussempfehlung und Bericht desSonderausschusses Maßstäbe-/Finanzaus-gleichsgesetz– Drucksache 14/7646 –Berichterstattung:Abgeordnete Horst SchildHeinz SeiffertOswald MetzgerGisela FrickDr. Barabara Höll
– Drucksache 14/7647 –Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich AustermannDr. Werner HoyerDr. Christa LuftHans Georg WagnerOswald MetzgerZum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen liegt einÄnderungsantrag der Fraktion der PDS vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. Ich höre keinen Wi-derspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache – die Diskutanten sind da –und erteile der Kollegin Sabine Kaspereit für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Mit der abschließenden Bera-tung des Gesetzentwurfs zur Fortführung des Solidar-pakts, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzaus-gleichs und zur Abwicklung des Fonds „DeutscheEinheit“ wird nach der Steuer- und Rentenreform ein wei-teres großes Projekt der Reformagenda dieser Bundes-regierung zu einem guten Abschluss gebracht.
Ich hätte vor einem Jahr noch nicht geglaubt, dass wiran diesem 30. November des Jahres 2001 das Solidar-paktfortführungsgesetz abschließend durch den Bundes-tag bringen würden. Hier ist in unglaublich kurzer Zeit un-glaublich viel passiert und gesetzgeberisch umgesetztworden, im Übrigen weit mehr, als uns die KarlsruherRichter im November 1999 abverlangt hatten.Es ist klar: Der Konsens zwischen den Ministerpräsi-denten der Länder und dem Bundeskanzler vom Juni die-ses Jahres hat hierfür die entscheidenden Weichen ge-stellt. Dafür ist allen Beteiligten, aus welcher Region derBundesrepublik sie auch kommen, welcher Regierung sieauch immer angehören, zu danken. Die Interessenlagenhätten doch unterschiedlicher nicht sein können! Ob Bundoder Länder, ob Zahler oder Empfänger, ob Ost oder West,ob Nord oder Süd, ob SPD- oder CDU-regiert – man fandsich in einem guten Kompromiss wieder.
Es war richtig, dass die Bundesregierung zunächst ver-halten agierte und dann bei den entscheidenden Weichen-stellungen Tempo machte. Es war ebenso richtig, die Län-der zu bewegen, vorweg in einem möglichst engenBeratungs- und Konsensfindungsprozess so viele Kom-promisslinien wie möglich zu entwickeln und darüber zusprechen. Ich finde es schade, dass die FDP sich dieserVerfahrensweise verweigert hat. Wo es um so viel Geldgeht, ist es realitätsfern, zu glauben, man könne die Rech-nung ohne den Wirt machen. Es ist nur legitim, dass dieLänder hier ein gewichtiges Wort mitreden müssen; esgeht gerade um sie.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Vizepräsidentin Anke Fuchs20395
PDSDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsWolfgang GehrckeDr. Klaus GrehnDr. Gregor GysiUwe HikschDr. Barbara HöllSabine JüngerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthPia MaierAngela MarquardtManfred Müller
Kersten NaumannRosel NeuhäuserChristine OstrowskiDr. Uwe-Jens RösselGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertFraktionsloseAbgeordneteChrista LörcherIch kann das hier gewählte Verfahren der Kompromiss-findung als Parlamentarierin, die nicht vom Lehrstuhl ei-nes Rechtsprofessors oder vom Senatssessel eines Verfas-sungsrichters Politik für die Menschen in diesem Landeerfolgreich umzusetzen versucht, nicht grundsätzlich kri-tisieren.
Deshalb sage ich: Die Verabschiedung dieses Gesetzeszur Fortführung des Solidarpakts, zur Neuordnung desbundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Abwicklungdes Fonds „Deutsche Einheit“ in einem einzigen Paket istein gutes Ergebnis des deutschen Föderalismus.
Es zeigt seine Fähigkeit, auch mit schwerwiegendenProblemen unter schwierigen Umständen angemessenfertig zu werden.Meine Damen und Herren, es ist weitgehend unum-stritten: Das Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens kannsich sehen lassen. Ich sage das ganz bewusst auch als ost-deutsche Abgeordnete.
Deshalb beziehe ich mich in meiner Rede vor allem aufdie Fortführung des Solidarpakts.Wir machen mit diesem Gesetz mehrere Dinge deut-lich:Erstens. Der wirtschaftliche Aufbau in den neuenBundesländern ist und bleibt für uns eine überragendeAufgabe deutscher Politik.
Wir haben immer gesagt: Der wirtschaftliche Aufbau istein gewaltiger Prozess, dem sich die Deutschen in Ost undWest als eine Generationenaufgabe stellen müssen. Weranderes behauptet, erweckt Illusionen, die nur in Ent-täuschungen enden können. Wir haben zu keinem Zeit-punkt unhaltbare Versprechungen gemacht, liebe Kol-leginnen und Kollegen von der Opposition. Wir handelnauf dem Boden der Realität und sagen das auch.
Zweitens. Für uns bleibt das Ziel, nämlich die Anglei-chung der wirtschaftlichen Verhältnisse, der Lebens-und Arbeitsverhältnisse der Menschen, im Mittelpunktunserer Arbeit. Dabei – auch das will ich an dieser Stelledeutlich machen – geht es nicht darum, den Aufbau Ostals einen schlichten Nachbau West zu begreifen. Es gehtdarum, den Menschen in Ostdeutschland, denen in 40 Jah-ren DDR ein Leben in Freiheit und Wohlstand verwehrtworden war, die gleichen Lebenschancen wie den Bürge-rinnen und Bürgern in Westdeutschland einzuräumen.Drittens. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Solida-rität der Länder und des Bundes in Form finanzieller Un-terstützung eine – ich sage: eine – Maßnahme. Die Men-schen in den neuen Ländern können sich dabei auf dieRegierung verlassen. Insgesamt 306 Milliarden DM hatder Bund den neuen Ländern bis zum Jahre 2019 zuge-sagt, um die teilungsbedingten Sonderlasten in den neuenLändern tragen zu helfen.
Die Finanzmittel aus dem Solidarpakt II in Höhe von206 Milliarden DM oder gut 105 Milliarden Euro könnendamit eingesetzt werden, um zum einen dem nach wie vorerheblichen infrastrukturellen Nachholbedarf wirksam zubegegnen und zum anderen die Finanzschwäche der ost-deutschen Kommunen auszugleichen. Hinzu kommenrund 100 Milliarden aus dem so genannten Korb 2, dasheißt diverser weiterer Förderprogramme.Viertens. Ein in meinen Augen außerordentlich wichti-ger Aspekt ist neben der Summe von 206 Milliarden DMdie Planungssicherheit, die die Länder und Gemeindenin Ostdeutschland für ihre Investitionen jetzt haben, unddas für einen fast 20-jährigen Zeitraum. Das ist mehr wertals das jahrelange Feilschen um die eine oder andere zu-sätzliche Mark aus dem Bundeshaushalt.
Wir wissen jetzt, was der Bund zur Beseitigung tei-lungsbedingter Sonderlasten in den neuen Ländern Jahrfür Jahr aufbringt.
Die Länderregierungen und auch die Städte und Gemein-den können jetzt auf Heller und Pfennig mit zweistelligenMilliardensummen rechnen. Das bringt langfristige Pla-nungssicherheit für öffentliche Investitionen. Der AufbauOst hat damit eine klare Perspektive bis zum Jahr 2020.
Ich finde es im Übrigen sachgerecht und angemessen,dass die Hilfen degressiv ausgestaltet sind. Entsprechenddem Finanzbedarf werden sie von 10,5 Milliarden Euroim Jahr 2005 auf 2,8Milliarden Euro im Jahr 2018 sinken.Der Deutsche Bundestag wird mit diesem Gesetz derstärkeren Regionalisierung in den neuen Ländern und da-mit der stärkeren Verantwortung politischer Entscheidun-gen vor Ort Rechnung tragen, und das bereits ab Beginndes nächsten Jahres. Wir warten nicht bis zum Auslaufendes Solidarpaktes I, sondern machen das schon jetzt undkommen damit den neuen Ländern deutlich entgegen.
Bislang sind im Rahmen des Investitionsförderungs-gesetzes Aufbau Ost Mittel in Höhe von jährlich rund3,4 Milliarden Euro – das sind 6,6 Milliarden DM –zweckgebunden für gesetzlich definierte Investitionenausgegeben worden. Damit die ostdeutschen Länder undBerlin schon ab dem Jahr 2002 in stärkerem Maße eigen-verantwortlich handeln können, werden diese Mittel desInvestitionsförderungsgesetzes bereits ab 2002 in unge-
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Sabine Kaspereit20396
bundene Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungenumgewandelt werden.
Damit erreichen wir zum einen mehr Transparenz bei derFörderung und zum anderen mehr Klarheit und Kontrollebeim Einsatz der Finanzmittel aus dem Solidarpakt. DieSteuerbürger haben darauf ein Recht.Die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vor-pommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wer-den dem Finanzplanungsrat im Rahmen von Fort-schrittsberichten Aufbau Ost jährlich erstens über ihrejeweiligen Fortschritte bei der Schließung der Infrastruk-turlücke, zweitens über die Verwendung der erhaltenenMittel aus Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisun-gen und drittens über die finanzwirtschaftliche Entwick-lung der Länder und Kommunen einschließlich der Be-grenzung der Nettoneuverschuldung berichten.
Der Fortschrittsbericht Aufbau Ost wird erstmals imJahr 2003 vorgelegt werden. Ich möchte an dieser Stelleerneut anregen, dass der Deutsche Bundestag diese Fort-schrittsberichte und deren Bewertung durch die Bundes-regierung zur Kenntnis erhält und debattiert.
Die rot-grüne Regierungskoalition hat mit diesem Ge-setz und insbesondere mit der Festlegung auf dasJahr 2019 deutlich gemacht: Wir haben erst die eineHälfte des Aufbauweges in Ostdeutschland hinter uns ge-lassen. Uns steht noch eine zweite, mindestens ebensolange Wegstrecke bevor.
Wir müssen das den Bürgerinnen und Bürgern in beidenTeilen Deutschlands immer wieder klar sagen, auch wenndas unpopulär sein mag. Es war ein großer, vielleicht so-gar der entscheidende Fehler der Kohl-Regierung, die Er-wartungen der Menschen an das Tempo, die Breite unddie Tiefe des erforderlichen Aufbauprozesses unrealis-tisch hoch geschraubt zu haben. Das werfe ich der altenRegierung vor.
Diese enttäuschten Erwartungen sind es, die bei man-chen Menschen in Ostdeutschland das Gefühl der Zweit-klassigkeit aufkommen ließen. Dieses Gefühl zu nährenund daraus politisch Kapital schlagen zu wollen, es op-portunistisch in Wählerstimmen ummünzen zu wollen,das werfe ich der PDS vor.
Es ist ein Verdienst unserer Bundesregierung unterGerhard Schröder, gegenüber den Menschen in den neuenLändern eine Politik zu vertreten, die auf realistischenPerspektiven für den weiteren Aufbau und die Anglei-chung der Lebensverhältnisse beruht. Einen solchen Wegzu beschreiten ist nicht immer populär; aber es ist der ein-zig mögliche Weg, der glaubwürdig ist und der verlorengegangenes Vertrauen wieder wecken kann.
Es ist guter Brauch – ich komme ihm gerne nach –,Dank an all diejenigen auszusprechen, die an dieser in derSache doch schwierigen und vom Verfahren her eher un-gewöhnlichen Arbeit vor und hinter den Kulissen beteiligtwaren: Dank an die beiden Vorsitzenden des Sonderaus-schusses, an Joachim Stünker und Volker Kröning.
Ein ausdrücklicher Dank geht an das Sekretariat des Son-derausschusses, an die Vorsitzenden der Arbeitsgruppenund ihre Mitarbeiter. Ich danke auch für die hilfreiche Zu-sammenarbeit mit der Ministerialbürokratie in Bund undLändern. Ein weiterer Dank richtet sich an die Sachver-ständigen in Anhörungen und Gesprächen. Last, but notleast: Dank auch an die Kolleginnen und Kollegen derFraktionen.
Allen zusammen gilt ein Kompliment für die überwie-gend sachliche und konstruktive Zusammenarbeit. Einessage ich ganz ausdrücklich: Danke für die Solidarität!
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Leo Dautzenberg für die CDU/CSU-Frak-
tion.
Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle-gen! Mit dem heute zu beschließenden so genannten So-lidarpaktfortführungsgesetz wird eine Anschlussregelungzum so genannten Solidarpakt zugunsten der neuen Län-der getroffen und der bundesstaatliche Finanzausgleichwird neu geregelt. Des Weiteren wird der Fonds „Deut-sche Einheit“ abgewickelt.Im Einzelnen zu nennen sind hier die Regelungen überdie Umwandlungen der Mittel des Investitionsförde-rungsgesetzes Aufbau Ost in ungebundene Sonderbe-darfs-Bundesergänzungszuweisungen bereits ab 2002 so-wie Regelungen zur Wahrung der Haushaltsdisziplin imRahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungs-union im Haushaltsgrundsätzegesetz.Die Abwicklung des Fonds „Deutsche Einheit“ wirdnäher ausgestaltet und das Finanzausgleichsgesetz wirdneu gefasst. Beim Finanzausgleich geht es um eine Neu-verteilung des Steueraufkommens zwischen dem Bundund den Ländern sowie unter den Ländern. Ferner gilt es,Unterschiede in der Finanzkraft der einzelnen Länder an-gemessen auszugleichen. Insgesamt werden dazu jährlichrund 60 Milliarden DM umgeschichtet.Warum ist die vorliegende Regelung erforderlich? DasBundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom
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Sabine Kaspereit20397
11. November 1999 entschieden, dass der Bund-Län-der-Ausgleich einer neuen Regelung bedarf. Außerdemmusste eineAnschlussregelung zugunsten der neuen Län-der getroffen werden. Das Bundesverfassungsgericht gabdem Gesetzgeber dabei ein zweistufiges Verfahren vor.Der Gesetzgeber war aufgefordert, bis Ende 2002 ein Ge-setz zu erlassen, in dem die unbestimmten Rechtsbegriffeder Verfassung konkretisiert und ergänzt werden. Daraufaufbauend sollte dann in einem zweiten Gesetz derangemessene Ausgleich der unterschiedlichen Finanz-kraft der Länder geregelt werden.Die erste Stufe der höchstrichterlichen Vorgabe ist mitdem so genannten Maßstäbegesetz, das am 5. Juli 2001im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, umgesetztworden. Auf der Basis dieses Maßstäbegesetzes sind nundie konkreten Regelungen festgelegt worden. DasBundesverfassungsgericht hat uns hier keine leichte Auf-gabe gestellt. So verwundert es nicht, dass seit dem Urteilzwei Jahre verstrichen sind, bis schließlich zwischen demBund und allen 16 Bundesländern ein Konsens in greif-bare Nähe rückte.Der nun erzielte Kompromiss entspricht in vielenPunkten nicht den Vorstellungen der CDU/CSU-Fraktion.
Er trägt wohl auch den Vorgaben des Bundesverfassungs-gerichtes nur weitläufig Rechnung. Dennoch stimmen wirihm zu, wenn auch mit Bedenken. Denn wir haben er-reicht, dass ein Anreizsystem geschaffen wurde, sodasssowohl Geber- als auch Empfängerländer für erfolgrei-ches Wirtschaften belohnt wurden. Ferner wird für dieneuen Bundesländer eine langfristige Planungs- und Ge-staltungssicherheit – zunächst bis zum Jahre 2019 – er-reicht; sie ermöglicht auch eine größere Unabhängigkeitder Kommunen. Schließlich wird es dem Bundesfinanz-minister nicht mehr möglich sein, die Uneinigkeit derLänder für sachfremde Zwecke auszunutzen.
Dabei bestand von Anfang an das Problem, dass der Ent-scheidungsspielraum für die Mitglieder des Sonderaus-schusses, die den Kompromiss erarbeitet haben, stark ein-geschränkt war.Der Finanzausgleich wird jedoch durch die getroffeneRegelung nicht einfacher und auch nicht transparenter.
Eine geschickter agierende Bundesregierung hätte zwei-fellos mehr Innovation in das System bringen können.Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang derschlechte Stil, mit dem die Beratungen insbesondere von-seiten des Bundesfinanzministers immer wieder unnötigverzögert worden sind.
Wir hätten zugunsten der neuen Länder schon viel früherein Ergebnis erzielen können. Erforderliche Unterlagenkonnten oder wollten vom Finanzminister zum Teil nichtvorgelegt werden.So hat in Art. 5 die Regelung Eingang gefunden, dassbezüglich der zusätzlichen Belastungen aus der Neurege-lung des Familienleistungsausgleichs der Umsatzsteu-eranteil an die Entwicklungen der Leistungen nach den§§ 62 bis 78 des Einkommensteuergesetzes in der jeweilsgeltenden Fassung angepasst wird, sodass diese zu74 Prozent vom Bund und zu 26 Prozent von den Länderngetragen werden. Nach Auffassung der Länder hat bei Er-höhung dieser familienpolitischen Leistungen eine Über-prüfung mit dem Ziel der Anpassung zu erfolgen.Bundesminister Eichel hat den Versuch unternommen,diese Regelung dahin gehend abzuschwächen, dass statteiner „Anpassung“ nur eine „Überprüfung“ der Vorgabeerfolgen soll. Diese Tricksereien des Bundesfinanzminis-ters führten zu unnötigen Verzögerungen, da in der erstenVorlage das, was im Rahmen des Maßstäbegesetzes ge-meinsam vereinbart wurde, nicht eingehalten worden istund die Zusammenkunft mit den Finanzministern derLänder – diese fand auf Wunsch des Bundesfinanzminis-ters statt – daher abgebrochen wurde. Dieser – so mussman jetzt feststellen – untaugliche Versuch ging zulastender Länder.Es ist festzuhalten, dass der gesamte Kompromiss imWesentlichen auf einer Liquiditätsverbesserung für denBund beruht – jedoch zulasten unserer Kinder. Der Bundübernimmt von 2005 bis 2019 Zins- und Tilgungslasten;er lässt sich diesen Aufwand teilweise durch Vorweg-nahme der Gelder aus dem Umsatzsteuertopf entgeltenund vermindert damit die Tilgungsleistungen weiter.Auch den Ländern – das muss man betonen – kommtdiese Tilgungsstreckung natürlich gelegen. Dem Bundes-finanzminister gelingt es damit – zumindest mittelfris-tig –, seine Haushaltsdefizite zu verdecken und vorerstTilgungsausgaben in Höhe von deutlich über 4 Milliar-den DM zu vermeiden.Diese Liquiditätsschöpfung wird der Bundesregierungnur vordergründig helfen, ihre Haushaltsprobleme zu be-wältigen. Sie versucht, damit ihre schlechte Arbeitsmarkt-und Wirtschaftspolitik zu kaschieren. Das ist ein sehrdurchsichtiges Unterfangen, meine Damen und Herren.
Des Weiteren versucht die Bundesregierung, die leereHaushaltskasse mit immer neuen Steuererhöhungen zufüllen,
aber eine Korrektur über die Einnahmeseite kann nichtgut gehen. Im Gegenteil: Für die konjunkturelle Lage istsie Gift. Jüngstes Beispiel ist die Erhöhung der Versiche-rung- und Tabaksteuer, angeblich um Kostendeckungfür Maßnahmen zur inneren Sicherheit zu erhalten.
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Leo Dautzenberg20398
– Herr Kollege Poß, Sie erkennen nicht, dass alles mit al-lem zusammenhängt; das beste Ausgleichssystem nütztdann nichts, wenn die Bemessungsgrundlagen für die Ver-teilung auf alle staatliche Ebenen immer ungerechter wer-den. Insbesondere der Bund muss das einsehen.
Das hat nämlich etwas mit der Wirtschafts- und Finanz-politik dieser Bundesregierung zu tun, und nichts mit So-lidarpakt oder Finanzausgleich.
ZuBeginn des nächsten Jahres,KollegePoß,werdenMi-neralölsteuer und Stromsteuer erhöht. Steuererhöhungenführen zuKaufkraftentzug, zu Einschränkung des Konsumsund letztlich zu einem schwächeren Wirtschaftswachstum.Die Bundesrepublik Deutschland weist im europäischenVergleich mittlerweile die schlechtesten Wachstumsratenauf.UnserLand trägt damit inEuropadie roteLaterne.Diesekonjunkturelle Situation ist ausschließlich hausgemacht;diese Bundesregierung hat das bisher nicht verstanden, sieführt die notwendigenReformmaßnahmen, die von derVor-gängerregierung eingeleitet worden sind, nicht fort.
Es ist als ein Erfolg der CDU/CSU-Fraktion zu sehen,dass aufgrund unserer Initiative zumindest bis zum Jahre2010 eine Überprüfung der Gewerbesteuerumlage, diesich positiv auf die Kommunen auswirken wird, statt-finden wird.Wir von der CDU/CSU-Fraktion legen Wert darauf,dass die gemeinsame Entschließung trotz aller Bedenkenunsere Zustimmung findet, weil wir erreicht haben, dasshiermit ein Anreizsystem geschaffen wird, das sowohlGeber- als auch Empfängerländer für erfolgreiches Wirt-schaften belohnt. Es gibt einerseits den neuen LändernGestaltungssicherheit bis 2019. Auf der anderen Seite istes dem Finanzminister, wie schon betont, nicht mehrmöglich, die Länder mit sachfremden Aspekten gegen-einander auszuspielen. Wir werden zustimmen, weil dieLänder in diesen Kompromiss eingebunden sind, obwohl– das muss man betonen – der Spielraum für uns Parla-mentarier sehr eng war.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort
der Kollegin Antje Hermenau für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich dachteeigentlich, dass diese Debatte die ruhigere der beiden heu-tigen Finanzdebatten sein würde. Als ich mich vorberei-tete, dachte ich mir: Die erste wird lebendig und spritzig. –Jetzt hat Herr Dautzenberg doch auch in diese Debattenoch Pfeffer gebracht. Das haben wir gerade gemerkt.Jede einzelne Fraktion, die hier zustimmt, tut das indem Bewusstsein, dass das Ganze ein Kompromiss ist.Keine einzige Fraktion in diesem Haus ist wirklich hun-dertprozentig zufrieden mit dem, was wir haben. Es ist ty-pischer Kompromiss. Alle stimmen zu und alle meckernrum; das ist ganz normal.
Ich erinnere mich, dass wir in öffentlicher Debatte undnicht nur heimlich beim Bier unter Kollegen gesagt ha-ben: Dieses Verfahren – Hinterzimmergespräche – ist füruns alle eine Beleidigung oder eine Bedrückung. Wir ar-beiten im Ausschuss gründlich und vertiefend und dannwird das Problem doch im Hinterzimmer geklärt, wenndie Ministerpräsidenten mit dem Finanzminister zusam-mensitzen.
Das ist für die Mitglieder des Ausschusses, die gearbeitethaben, insgesamt keine angenehme Situation. Das habenalle zugegeben und das wissen wir alle. Das zeigt aller-dings auch, wie in den letzten Jahrzehnten der Föderalis-mus in der Bundesrepublik Deutschland gewachsen istund welche Machtstellung die Ministerpräsidenten haben.
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Leo Dautzenberg20399
Drehen wir die Sache einmal um! Positiv ist zum Bei-spiel, dass es gelungen ist, einen Ministerpräsidenten zustoppen, und zwar Herrn Stoiber, der permanent versuchthat, aus dem Aufbau Ost auszusteigen.
Die Kompromisslage ist klar. Wir haben ein paar Sa-chen „reingestimmt“ bekommen, die den Ministerpräsi-denten wichtig waren. Wir haben selber ein paar Sachen„reingestimmt“, die uns wichtig waren und den Minister-präsidenten, zumindest Herrn Stoiber, nicht so sehr. Dasist ein ganz normaler Kompromiss.Ich glaube, die Selbstbindung der Länder und Kom-munen an das Stabilitätsziel, das in der EU greifen soll,ist eine der wichtigsten Errungenschaften, auch wenn dashier nach gar nichts klingt. Das bedeutet nämlich, dassauch die Länder – ob Süd, ob Nord, ob Ost, ob West – unddie Kommunen angehalten sind, dazu beizutragen, dassalle öffentlichen Ebenen es schaffen, dass die Bundesre-publik Deutschland das Stabilitätsziel in Europa erreicht.
Denken Sie nicht, dass wir jetzt schon mit aller Arbeitfertig sind, nur weil wir dieses Gesetz abschließen kön-nen! In der nächsten Legislaturperiode wird die Kommu-nalfinanzverfassung auf der Tagesordnung stehen. Eswird eine schwierige Debatte über die Gemeindefinanz-reform geben. Ich weiß, der Kollege Rössel macht sichschon bereit. Wir werden also heftigst streiten. Warum istdas so wichtig? – Weil der größte Teil der Politik, die dieMenschen erleben und anfassen können, bei ihnen zuHause stattfindet, nämlich in den Kommunen. Deswegenwird es in diesem Parlament eine erbitterte Schlacht überdie Gemeindefinanzreform geben. Das ist auch richtig so;denn das ist gelebte Politik.
Bei aller Herummeckerei: Gelungen ist zum Beispiel,dass der Länderfinanzausgleich endlich ein bisschen ent-schlackt worden ist.
Es sind ein paar Sachen herausgeflogen oder gemindertworden.
– Na, na! Man kann es konkret machen – das ist kein Pro-blem –: Entschlackt wurde zum Beispiel bei den Hafen-lasten, zum Beispiel bei den Belastungen aus der politi-schen Führung.
– Aus dem FAG ist das aber raus; das wissen Sie.Diese Sachen sind geschafft worden. Das halte ich füreinen wichtigen Beitrag.Eines ist natürlich auffällig: In der dritten Lesung be-raten nur noch ein paar Fachpolitiker darüber. Ich weißnoch, wie die Ministerpräsidenten wie die Döckchen artigauf der Bundesratsbank saßen, als es darum ging, was die-ser Bundestag beim Länderfinanzausgleich und beimMaßstäbegesetz will. Denen ging die Muffe. Die hattenAngst, wir könnten vielleicht wirklich etwas Gerechteserreichen.
Die hatten richtig Angst vor uns. Wenigstens das sei unsals Befriedigung gegönnt.Jetzt, wo alles beschlossen ist, ist natürlich kein einzi-ger von den Ministerpräsidenten mehr da.
Wir reden über zukünftige Aufgaben, zum Beispiel überdie Gemeindefinanzreform, und wer glänzt durch Abwe-senheit? – Der Schwamm der mittleren Ebene. Typisch,aber auch damit müssen wir leben.
Ich halte es für eine besondere Errungenschaft desDiskussionsprozesses, dass es gelungen ist, die Anrech-nung der kommunalen Finanzkraft auf 64 Prozent an-zuheben. Das ist bei weitem nicht genug. Wir haben dasdeutlich und lautstark kritisiert. Die Kommunen hatteneben nicht das Glück, im Hinterzimmer mit den entspre-chenden Entscheidenden zu sitzen, wie die Ministerpräsi-denten es taten. Das merkt man diesem Gesetz an. Aberimmerhin wurde die Anrechnung angehoben. Das war einSchritt in die richtige Richtung.Es ist geschafft worden – das hat Herr Dautzenberg vonder CDU sogar gerade zugegeben –, gewisse Anreize zuverankern. Auch das halte ich für richtig. Wer sich bei derSteuereintreibung mehr bemüht, soll gefälligst ein biss-chen mehr für sich selbst behalten können. Das halte ichfür eine vernünftige Vorgehensweise. Wir haben nämlichsehr oft das Problem, dass die Länder gar nicht so sehr da-ran interessiert sind, ein paar Steuermark mehr mit vielMühe einzusammeln, weil sie glauben, sie bekämen ge-nug Bundesmittel und dann müssten sie sich nicht küm-mern. Aber die Länder und Kommunen müssen sich ge-nauso um die Steuereintreibung kümmern wie alleanderen auch.
Wenn man das mit Anreizen schaffen kann, soll mir dasrecht sein.Noch einmal zum Aufbau Ost. In der Finanzdebatteheute früh zum Haushalt 2002 ist unheimlich gestritten
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Antje Hermenau20400
worden. Man hat uns dauernd vorgeworfen, wir hätten un-sere Investitionsquote dramatisch gesenkt. Aber jetztschauen wir uns doch einmal diesen Gesetzentwurf an:Die Investitionen, die der Bund früher im Rahmen des In-vestitionsförderungsgesetzes vorgenommen hat, dürfendie fünf neuen Bundesländer jetzt selber vornehmen. DieInvestitionen finden in gleicher Höhe statt; das ist über-haupt nicht das Problem. Sie gehen optisch nur nicht mehrzulasten des Bundes. Aber uns deswegen herunterzuma-chen und zu sagen, wir hätten keine vernünftige Inves-titionsquote, ist albern. Es handelt sich dabei um eine op-tische Verlagerung auf die Länderebene. Investitionenfinden statt, und zwar in gewohnter Höhe. Das ist einwichtiger Punkt.
Ich gehöre zu denen, die manchmal etwas kess undselbstbewusst sagen: Warum sollen wir fünf neuen Län-der eigentlich ständig darum betteln, solidarisch behan-delt zu werden? Aber auf der anderen Seite muss ichdemutsvoll anerkennen: Wir sind in diesem Solidarpakt-fortführungsgesetz solidarisch bedacht worden. Das istkorrekt und richtig.
– Das ist völlig richtig. Natürlich muss einer etwas geben,damit der andere etwas bekommt. Das ist ganz normal.
Ich glaube, dass es uns damit gelungen ist, einen wirk-lichen Beitrag dazu zu leisten, den Aufbau Ost oder, bes-ser gesagt, die Verwirklichung der nationalen Einheit, die,wie ich glaube, im letzten Jahrzehnt von fast allen Betei-ligten ein bisschen unterschätzt worden ist – wir alle ler-nen hinzu –, auf solide Füße zu stellen. Innerhalb vonzwei Jahren ist sicherlich kein Feuerwerk zu erwarten; dashaben inzwischen alle gelernt. Deswegen gibt es eineVereinbarung für 20 Jahre – das ist eindeutig – mit klarenZielvorgaben. In der Vereinbarung sind Jahr für Jahr Sen-kungen vorgesehen; es wird immer weniger Geld geben.Aber man klotzt am Anfang noch einmal richtig ran. Ichhalte das für das richtige Verfahren; das kann man nur somachen.Damit stellen wir den Aufbau Ost auf eine solide Ba-sis, wenn sie auch nicht sehr erotisch und sexy erscheint.Im Wahlkampf wird es natürlich nicht toll klingen, sagenzu müssen: Der Solidarpakt existiert noch 20 Jahre. – Ichweiß das. Die Erotik dieses Sachverhaltes ist gering. Daswissen alle, die im Wahlkampf damit umgehen müssen.Aber die Basis für den Aufbau Ost ist damit solide, be-lastbar und verlässlich. Das ist das Entscheidende.Danke schön.
Für die FDP-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Professor Gisela Frick.
Frau Präsidentin! Meine Damenund Herren! Frau Kaspereit, Sie haben zu Beginn IhrerRede gesagt, das Solidarpaktfortführungsgesetz sei einweiteres Projekt in der Agenda der großen Reformen derrot-grünen Bundesregierung.
Entschuldigen Sie bitte, dass ich das nicht mittragen kann.
Das ist kein großes Projekt. Es ist auch nicht, wie im Aus-schuss immer wieder betont worden ist, die Erfüllung derVorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Es ist sehr vielweniger. Wir als FDP haben uns auch nicht verweigert.Wir waren zur konstruktiven Mitarbeit bereit, aber natür-lich nur auf der Basis dessen, was das Bundesverfas-sungsgericht uns als Richtschnur vorgegeben hat.
Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Im Maß-stäbegesetz besteht natürlich ein Grundfehler; da gebeich Ihnen Recht. Das ist aber schon verabschiedet worden.Insofern könnte ich viele der Argumente wiederholen, dieich damals in der Lesung des Maßstäbegesetzes genannthabe. Dieses Maßstäbegesetz ist die Grundlage für das Fi-nanzausgleichsgesetz, das Sie jetzt novellieren möchten.In einem Punkt würde ich Ihnen zustimmen: Es steht ineiner Reihe von großen Gesetzen Ihrer Bundesregierung,nämlich in der Reihe euphemistischer Benennungen vonGesetzen. Jetzt ist es das Solidarpaktfortführungsgesetz.Die meisten stolpern über den Namen. Es handelt sich da-bei natürlich um den neuen Finanzausgleich, in dem auchder Solidarpakt enthalten ist. Insofern ist ganz klar, dasswir diesen Gesetzentwurf, mit dem auf der Basis desMaßstäbegesetzes die detaillierten Verteilungs- und Aus-führungsfolgen geregelt werden sollen, auch nicht mittra-gen können. Das ist ja ganz selbstverständlich.
– Aus unserer Sicht ist es selbstverständlich.Wenn Sie gestern den Artikel von Paul Kirchhof in der„FAZ“ gelesen hätten, wüssten Sie – darauf wurde ganzdeutlich hingewiesen –, dass er mit diesen Regelungennicht einverstanden ist. Sie haben da ein kleines bisschenarrogant gesagt – Frau Kaspereit, jedenfalls in meinenOhren klang das so –, Sie würden keine Regelungen vomLehrstuhl eines Universitätsprofessors oder vom Sesseleines Bundesverfassungsrichters aus treffen. Das ist jaschön und gut. Aber das Bundesverfassungsgericht istder Hüter unserer Verfassung; das möchte ich Ihnen sehrdeutlich sagen.
Es handelt sich nicht um eine abgehobene Rechtspre-chung aus der theoretisch-abstrakten Sicht eines Bundes-verfassungsrichters von einem komfortablen – auch das
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Antje Hermenau20401
klingt immer mit – Sessel. Es ist vielmehr die authenti-sche Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, unsereVerfassung für alle Staatsorgane und natürlich für alleStaatsbürger verbindlich auszulegen. Ich halte es alsonicht für richtig, wenn wir uns darüber erheben und so tun,als würde es sich bei den Entscheidungen um Elfenbein-turmspielereien handeln, an die wir uns nicht weiter hal-ten müssten.
Frau Hermenau, ich gebe ihnen vollkommen Recht,wenn Sie sagen, dass wir durch das Verfahren als Parla-mentarier beleidigt wurden. Das Verfahren – das habe ichdamals bei der Lesung zum Maßstäbegesetz auch schonausgeführt – war natürlich ein Schlag ins Gesicht des Par-lamentarismus.
Ich habe es damals so ausgedrückt: Wenn das als Stern-stunde des Föderalismus gefeiert wird, dann muss ich sa-gen, dass es eine rabenschwarze Stunde für den Parla-mentarismus ist.
Ich bleibe bei meinem Standpunkt.Die Angelegenheit wäre nicht so schlimm, wenn es nurum das Verfahren ginge. Aber auch der Inhalt ist in mei-nen Augen rabenschwarz. Wir haben das heute Morgenschon mehrfach gehört; ich kann mir nicht verkneifen, dasebenfalls auszusprechen.Sehr viel ist auf dem Rücken der Steuerzahler und ins-besondere der künftigen Generationen geschehen.
Es war daher relativ leicht, eine 16:0-Lösung zu errei-chen, mit der man sich brüsten kann und von der man sa-gen kann: Es gibt nur Gewinner und keine Verlierer. DieseRechnung kann aber nicht aufgehen; denn das wäre dieQuadratur des Kreises. Die Verlierer haben wir eindeutigda, wo es ganz besonders wehtut, nämlich bei der künfti-gen Generation. Das ist also überhaupt keine Sternstundedes Föderalismus – ganz im Gegenteil. Ich muss sagen,dass es so wie immer gelaufen ist und dass es genau so ge-laufen ist, wie es das Bundesverfassungsgericht durchseine Rechtsprechung für die Zukunft verhindern wollte.Über das Verfahren müssen wir uns in den Folgejahrennicht mehr im Einzelnen verständigen; denn es ist Be-standteil des Maßstäbegesetzes und damit Grundlage allerzukünftigen Finanzausgleichsüberlegungen. Nach meinerMeinung ist das noch schlimmer als das, was wir allesschon erlebt haben. Es ist also eine nochmalige Ver-schlechterung und keine Verbesserung. Wenn wir uns alsFDP der Zustimmung zu diesem Gesetz verweigern– Gott sei Dank ernten wir Lob von der „FAZ“ und vonähnlichen Organen, dass wir in diesem Punkt so konse-quent sind –, dann ist das nicht auf bösen Willenzurückzuführen, sondern auf ein anderes Verfassungsver-ständnis als das der Mehrheit im Hause.
– Frau Kaspereit, es ist gut, dass Sie diesen Zwischenrufmachen. Ich habe im Ausschuss darauf hingewiesen, dassdie Ablehnung des Verfahrens und zum Teil auch der In-halte nicht bedeutet, dass ich die Regelungen im Einzel-fall alle ablehne.
Ich habe schon damals bei der Lesung zum Maßstäbegesetzgesagt, dass wir nicht die Solidarität mit den neuen Ländernin irgendeiner Form aufkündigen wollen. Was aber schlechtist – das will ich hier wiederholen, weil Sie es als Positivumangeführt haben –, ist das so genannte Verfallsdatum.
Solche Dinge kann man in einem Maßstäbegesetz, das ob-jektive, grundlegende Kriterien enthalten sollte, nicht auf-nehmen. Es sind keine Lebensmittel, kein Quark und keinJogurt, obwohl der Vergleich mit dem Quark manchmalgar nicht so falsch ist.Es sind so viele Fehler gemacht worden, dass wir ins-gesamt sagen müssen: so nicht! Wir bleiben bei dieserHaltung. Sie werden verstehen, dass die FDP-Fraktiondieses Solidarpaktfortführungsgesetz ablehnt. Weil dieGrundlagen schon nicht stimmen, können auch die nach-folgenden Regelungen nicht stimmen.Ich habe gestern gehört, dass Chateaubriand einmal ge-sagt haben soll – offensichtlich hat er sich nicht nur umdie Gourmetküche, sondern auch um andere Fragengekümmert –, der Föderalismus sei die Staatsform fürBarbaren. Nun ist Chateaubriand als Franzose ein Vertre-ter des Zentralstaates und Aphorismen sind immer etwaszugespitzt formuliert. Aber ich muss sagen, dass ich nachdiesem Verfahren in diesem Sonderausschuss dazu neige,dieser Aussage – zumindest in Teilen – zuzustimmen.Wenn man sieht, was es da für einen Kuhhandel gegebenhat, muss man sagen, dass es wirklich traurig ist.Auch ich möchte den Dank an alle Beteiligten aus-sprechen. Mein Dank geht besonders an das Sekretariat.Ich kann das im Einzelnen nicht mehr ausführen, weil ichnicht so viel Redezeit habe wie Sie, Frau Kaspereit. DieArbeit im Ausschuss war fair und ich danke deshalb allenfür die Zusammenarbeit, auch wenn wir als FDP vom Er-gebnis alles andere als begeistert sind.Danke schön.
Nun hat die Kollegin
Dr. Barbara Höll für die PDS-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Nach zweijähriger Debatte kom-men wir heute zum Abschluss. Ich schließe mich der Mei-nung an, dass wir im Ausschuss sehr wohl ernsthaft undintensiv diskutiert haben. Auch ich bin enttäuscht, dasssich die Bundesratsmitglieder heute durch ihre völligeAbwesenheit auszeichnen.
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Gisela Frick20402
Wir haben uns intensiv in diesen Prozess eingebracht.Das vorliegende Ergebnis findet in vielen Punkten unsereausdrückliche Unterstützung, vor allem weil es gelungenist, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom11. November 1999 in dem entscheidenden Punkt umzu-setzen: Wir bleiben bei dem Prinzip des solidarischen Fi-nanzausgleichs und wir gehen nicht in Richtung – wie esHerr Dautzenberg heute auch noch einmal gesagt hat – ei-nes Wettbewerbsföderalismus. Dem wurde eine klare Ab-fuhr erteilt.
Für uns ist die Situation in den neuen Bundesländernnatürlich besonders wichtig. Wir freuen uns, dass es ge-lungen ist, Planungssicherheit herzustellen: Den neuenBundesländern und Berlin werden für einen langen Zeit-raum – bis 2019 – insgesamt 206 Milliarden DM zur Ver-fügung gestellt. Wir meinen, dass das auch notwendig ist.Frau Hermenau, manchmal sollte man sich als Personnicht so wichtig nehmen. Es ist egal, ob Sie das hier forschfordern oder sich demutsvoll freuen.
Es gibt ein Grundgesetz. In diesem Grundgesetz stehtimmer noch, dass wir annähernd gleiche Lebensverhält-nisse innerhalb des föderalen Systems der Bundesrepu-blik Deutschland erreichen müssen. Genau das versuchenwir sowohl mit dem Maßstäbegesetz als auch mit dem So-lidarpaktfortführungsgesetz.
Frau Kaspereit, Sie werfen uns Populismus vor. Ichmeine, wir als PDS haben uns ganz bewusst in die Dis-kussion eingebracht. Dass es gelungen ist, den Flächen-faktor tatsächlich zu verankern – dies ist wichtig fürMecklenburg-Vorpommern und Brandenburg –, ist auchunserem Engagement im Ausschuss zu verdanken gewe-sen. Das möchte ich uns zugute halten.
– Ich habe richtig zugehört. – Es geht doch einfach darum,dass die Realitäten zur Kenntnis genommen werden müs-sen.Wir freuen uns, dass über das Verankerte hinaus auch– wir denken es zumindest – die Vereinbarung der Minis-terpräsidenten vom Juni dieses Jahres eingelöst wird,nach der für überproportionale Leistungen zusätzlich100 Milliarden DM zur Verfügung gestellt werden sollen,die die neuen Bundesländer einsetzen können.Allerdings muss man sehen, dass wir natürlich trotz-dem ein wirtschaftliches Problem haben: Wir müssenfeststellen, dass die Schere zwischen den neuen und denalten Bundesländern wieder weiter auseinander geht.Nicht nur die PDS, sondern auch die Ministerpräsidentender neuen Bundesländer – egal ob der SPD oder der CDU;jeglicher Couleur also – fordern, dass wir ab dem nächs-ten Jahr auf alle Fälle etwas tun müssen.
Das ist auch einer der Gründe, warum wir dem Haushaltfür das nächste Jahr heute nicht zustimmen konnten.In dieser Richtung muss auf alle Fälle etwas getanwerden.Das DIW hat in der Diskussion auch schon darauf hin-gewiesen, dass das Abschmelzen des Mittelflusses – alsodie degressive Ausgestaltung – ab 2008 eine Gefahr fürden Aufholprozess der neuen Bundesländer darstellt. Wirals PDS werden weiterhin konsequent darauf achten, wiesich die Prozesse entwickeln. Wir werden die nötigen For-derungen erheben, damit sie erfüllt werden. Wir erhebensie nicht aus Populismus, sondern weil es uns darum geht,die Vereinigung tatsächlich voranzutreiben.
Ein wesentlicher Kritikpunkt, der auch dazu führt, dasswir bezüglich des vorliegenden Gesetzentwurfs nicht inJubel ausbrechen können, ist die unzureichende Beach-tung der kommunalen Belange im Gesetzentwurf. Wirhaben einen Änderungsantrag eingebracht. In dem Ände-rungsantrag fordern wir, dass die einfache ÜbertragungEU-rechtlicher Vorgaben zur Haushaltsdisziplin vomBund und von den Ländern auf die Kommunen aus demGesetz herausgenommen wird. Wir meinen, dass diekommunalen Spitzenverbände mit ihrer diesbezüglichenForderung Recht haben, da die Regelung im Gesetzent-wurf den Besonderheiten des kommunalen Haushalts-rechts sowie der spezifischen Struktur der kommunalenAusgaben nicht gerecht wird.Der so genannte Finanzierungssaldo, der auf der Ebenedes Bundes und der Länder aussagekräftig ist, hat aufkommunaler Ebene nicht die gleiche Aussagekraft zurBeurteilung der Haushaltssituation. Deshalb sind wirdafür, diesen wieder zu streichen. In diesem Sinne werbenwir für Unterstützung.
Wir möchten noch positiv anmerken, dass die Kritikder kommunalen Spitzenverbände an anderer Stelle auf-gegriffen wurde. Auch wir als Fraktion sind für die An-nahme des Entschließungsantrags, der im Ausschuss fasteinvernehmlich beschlossen worden ist, dass im Jahre2010 eine grundsätzliche Überprüfung der Finanzbetei-ligung der westdeutschen Kommunen an den Solidar-paktlasten erfolgen soll. Als Ergebnis dieser Überprüfungmuss dann eine entsprechende Reaktion, also eine gege-benenfalls erforderliche Anpassung des Landesvervielfäl-tigers bei der Gewerbesteuerumlage, erfolgen. – Ich haltees nicht für sinnvoll, wenn Sie, Herr Dautzenberg, sagen:Hierüber herrschte im Ausschuss Einigkeit. – Dies istwichtig, da sich inzwischen die Situation einiger west-deutschen Kommunen nicht mehr sehr von der schlechtenSituation vieler ostdeutschen Kommunen unterscheidet.Hier muss etwas getan werden.
Insgesamt unterstützen wir das vorliegende Gesetz,vor allem weil es gelungen ist, das Solidarprinzipaufrechtzuerhalten. Nicht gelungen ist leider die Ver-stärkung der Transparenz und Nachvollziehbarkeit der
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Dr. Barbara Höll20403
Finanzbeziehungen auch für die Bürgerinnen und Bürger.Vielleicht gelingt dies dann in den weiteren Diskussionen.Ich danke Ihnen.
Ich erteile dem Bun-desfinanzminister Hans Eichel das Wort.
und Herren! Zum Ende dieser Debatte will ich nur nochwenige Bemerkungen zu diesem Thema machen. Ichmöchte mich zunächst ausdrücklich für die intensiven Be-ratungen bedanken. Für den Deutschen Bundestag undauch für den Sonderausschuss war dies kein einfachesVerfahren.
Das ist nicht zu bestreiten.Die Frage war nur – insofern ist das Ganze am Schlussdann doch nicht kritikwürdig –, welches Ergebnis amSchluss der Veranstaltung herauskommen soll. Wollenwir Mehrheitsentscheidungen, und zwar nicht nur imDeutschen Bundestag – das werden wir haben –, sondernauch im Bundesrat? Oder wollen wir eine Situation schaf-fen, in der alle 16 Länder sagen können: „Jawohl, mit die-sem Ergebnis sind wir einverstanden“?
Wer das anpeilt, kommt – das haben wir gemeinsambesprochen – in der Tat zu einem anderen Verfahren.Das ist unvermeidlich. Das ist dann nicht das übliche Ge-setzgebungsverfahren: Mehrheitsentscheidung, Vermitt-lungsausschuss und dann möglicherweise wieder Mehr-heitsentscheidung. Dann muss man sich erstens um dieÜbereinstimmung aller 16 Länder und zweitens um dieÜbereinstimmung zwischen der Gesamtheit der Länderund dem Bund bemühen. Das war das Problem.
Das ist das Hauptproblem dieses Gesetzes; sowohldem Verfahren als auch dem Inhalt nach. Ich habe Zwei-fel – mehr will ich dazu gar nicht sagen –, ob sich dasBundesverfassungsgericht – das ich gut verstehenkann – bei seiner Rechtsprechung über die Zweistufigkeitdiesem Sachverhalt gestellt hat.Diesem Verfahren geht eine Einigung unter den Län-dern darüber voraus, dass die Länderneugliederung indiesem Zusammenhang kein Gegenstand der Beratungsein soll. Wir wissen alle, dass über Länderneugliederun-gen am Schluss nur die Bevölkerung des jeweiligen Lan-des entscheiden kann. Wir haben das schmerzhaft – auchich war für den Zusammenschluss von Berlin und Bran-denburg – im Falle Berlin und Brandenburg erlebt. Wennman dies aber als Grundlage des Föderalismus ansieht– ich tue das und auch unsere Verfassung tut das –, dannmuss ein Finanzausgleich geschaffen werden, der allen16 Ländern Lebensmöglichkeiten gibt. Es macht dannkeinen Sinn, einen Finanzausgleich – auch nicht mitMehrheit – zu beschließen, durch den am Ende einzelneLänder zu Haushaltsnotlageländern werden. Dann mussman darauf achten, dass alle die Chance haben, nicht indiese Situation hineinzugeraten, sondern – natürlich auchaufgrund eigener Anstrengungen – auf der Grundlage desFinanzausgleichs ihre Aufgaben zu erfüllen.So gesehen glaube ich, dass weder das Verfahren, daswirklich schwierig war, noch das Ergebnis kritikwürdigsind. Man kann natürlich über einzelne Fragen streiten,aber man muss die Grundannahme akzeptieren oder ab-lehnen.Deswegen sage ich Ihnen, Frau Professor Frick: Es gibtein Problem.
Auf der Ebene der Länder haben sich alle Parteien, so siemitregieren, zu diesem Verfahren bekannt. Das gilt auchfür die FDP in Baden-Württemberg, Hessen und Rhein-land-Pfalz.
Dieses Problem müssen Sie nicht anderen zuschieben,sondern zuallererst in Ihrer eigenen Partei lösen. Zwi-schen den Bundes- und Landespolitikern gibt es in diesemPunkt Differenzen. Das ist nicht das Problem dieses Hau-ses.Dies vorausgeschickt sage ich: Der Föderalismus hatsich als einigungsfähig und – das möchte ich noch aus-führen – auch als reformfähig erwiesen. Dies setzt aberimmer die Grundannahme voraus. Ich habe über diesenPunkt lange nachgedacht. Ich gebe Ihnen zu: Am Anfangwar ich nicht unbedingt dafür. Aber das, was Sie, FrauProfessor Frick, als Verfallsdatum genannt haben, kannman auch ganz anders interpretieren. Ich weiß, dass diesHerrn Kröning große Sorgen gemacht hat.Man kann es so interpretieren – ich rate dazu, sich da-rüber im Klaren zu sein –: Wir brauchen für die Herstel-lung der inneren Einheit Deutschlands eine Genera-tion. Mit dem Solidarpakt I und II beschreiben wir genaudiesen Zeitraum von 30 Jahren einer Generation.
Dann erst werden wir die innere Einheit Deutschlands– das ist die Aufgabenstellung des Solidarpakts II – her-gestellt haben. Dann haben wir gemeinsam – von uns wirdwohl 2017/2018 kaum noch jemand dabei sein, wenn manüber die Folgeregelung nach 2019 nachdenkt – dieChance, nach Herstellung der deutschen Einheit über alleGrundsätze des Föderalismus neu zu diskutieren unddiese gegebenenfalls zu ändern, nicht nur die konkretenEinzelregelungen, sondern auch die Prinzipien.Vorausgesetzt, wir sind mit der Grundannahme derHerstellung der inneren Einheit Deutschlands erfolgreich,könnte dies dazu führen, dass die großen Differenzen zwi-schen den Ländern geringer werden und man unter derVoraussetzung zu neuen Regelungen für den Föderalis-mus kommt, was ich hoffe. Ich glaube unverändert: Wir
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Dr. Barbara Höll20404
sollten insgesamt mehr zu einer Gemeinschaft der starkenLänder werden, die ihrerseits mehr Rechte im Föderalis-mus ausüben. Darauf sollten wir zurückkommen.Wir werden in der nächsten Wahlperiode, auch aufWunsch der Länder, bei der Entflechtung von Mischfi-nanzierungstatbeständen einen ersten Versuch machen.Wir sollten zu einer Regelung kommen, in der die Länderund der Bund jeweils selber mehr eigenverantwortlichentscheiden können. Das ist die bessere Lösung.Damit komme ich auf die vorhin geäußerte Kritik amVerfahren zurück, die in extremer Weise zeigt – jedenfallsan diesem Fall, bei dem es unvermeidlich ist –, wie engder Willensbildungsprozess zwischen Bund und Ländernverknotet ist. Das muss so sein. Aber ich wünsche mir eineVielzahl von Fällen, in denen das nicht so ist, in denen derDeutsche Bundestag und die Länderparlamente alleineentscheiden können.
Das ist eine befriedigendere Situation. Es wird in einer Si-tuation, in der hoffentlich die Differenzen zwischen denLändern in ihrer Leistungsfähigkeit nicht mehr so großsind wie heute, möglicherweise leichter sein, zu diesenPrinzipien zu finden, als man das in der gegenwärtigen Si-tuation kann.
Dies ist eine Politik der Nachhaltigkeit, also eine Poli-tik, die eben nicht von der Hand in den Mund lebt. Diesegetroffenen Vereinbarungen müssen natürlich von allen,auch den Ländern, eingehalten werden. Wir haben dieVerabredung: Bis 2019 gelten nicht nur der Solidarpakt IIund damit die Grundlagen für den Aufbau Ost, sondern esgelten auch die Finanzbeziehungen zwischen den Län-dern. Ich bin gespannt, ob diese Regelung wirklich alleeinhalten. Daran wird sich die Reife von Politiken erwei-sen.Ich sage ausdrücklich: Als hessischer Ministerpräsi-dent wollte ich nicht das Gericht in Karlsruhe anrufen,aber nachdem sich Bayern und Baden-Württemberg zudiesem Schritt entschlossen hatten, konnte sich dasHauptzahlerland Hessen nicht vom Votum anderer Zah-lerländer abhängig machen, sondern musste seine eigenePosition vertreten.Der Solidarpakt II war kaum in Kraft getreten, da hatBayern, das vom Nehmerland zum Geberland gewordenwar, erklärt, dass ihm die finanziellen Belastungen, dieihm im Rahmen des Finanzausgleichs aufgebürdet wür-den, zu hoch seien. Ich hoffe, dass diesmal der Gedankeder Solidarität nachhaltiger sein wird, als es beim Soli-darpakt I der Fall gewesen ist.
Der nächste Punkt betrifft die Nachhaltigkeit. FrauProfessor Frick, Ihre Behauptung, es sei ein raben-schwarzer Tag gewesen, weil es zulasten der Steuerzahlerund der zukünftigen Generationen gehe, ist falsch.
Sie hängen das immer wieder am Thema Fonds„Deutsche Einheit“ auf. Das ist grundfalsch; denn bisherhat in Wahrheit keine Tilgung stattgefunden. Von Tilgun-gen kann man doch nur dann sprechen, wenn sie aus er-sparten Mitteln und nicht aus aufgenommenen Kreditenfinanziert werden.
Jede Tilgung von Schulden aus dem Fonds „DeutscheEinheit“ heute ist nichts anderes als eine teure Umbu-chung; denn die Schulden im Fonds „Deutsche Einheit“sind zurückgeführt worden, indem für deren Tilgung neueSchulden in den Ländern und im Bund gemacht wordensind. Wie kann man denn Schulden aus Krediten zurück-zahlen? Deswegen haben Sie, Frau Professor Frick, fun-damental Unrecht. Die Tilgung beginnt erst in dem Au-genblick, in dem die Haushalte Überschüsse aufweisen.Deswegen wird überhaupt nichts zulasten der künftigenGenerationen verschoben. Vielmehr haben wir mit derbisherigen Praxis der Scheintilgung Schluss gemacht. Dasist der ganze finanzpolitische Vorgang, mit dem wir es zutun haben.
Zu den Einzelregelungen ist ja schon vieles gesagtworden. Das möchte ich nicht wiederholen. Ich möchtenur noch etwas zum Thema Maastricht sagen. Das ist auchein sehr schwieriges Kapitel. Ich weiß, dass sich schonmein Vorvorgänger im Amt, Herr Kollege Waigel, inten-siv darum bemüht hat, die Bestimmungen des Europä-ischen Stabilitäts- und Wachstumspakts in innerstaatli-ches Recht umzusetzen. Das ist auch erforderlich.Insofern bin ich froh, dass wir wenigstens den Einstieggeschafft haben.
Angesichts der angepeilten Regelung 16:0 plus 1 – mandarf nicht vergessen, dass die Situationen in den Haushal-ten der Länder sehr unterschiedlich sind; das macht esaußerordentlich schwierig – bin ich froh, dass sich alle zurPolitik der Reduzierung der Neuverschuldung mit demZiel, ausgeglichene Haushalte zu erreichen, bekennen.Ich hoffe, dass sich der Einstieg, den wir im Gesetz ge-funden haben, in der Folge konkretisieren wird. Bishergab es hier keine Regelung.Vor diesem Hintergrund brauchen wir, finde ich, dieabstrakte Debatte über die Frage „Was ist, wenn wir dasZiel verfehlen; wer bezahlt dann?“ nicht weiterzuführen;denn daran sind bislang alle Einigungsversuche geschei-tert. Jeder ist jetzt für seinen Haushalt verantwortlich: wirfür den Bundeshaushalt und die Länder für ihre Haus-halte. Es kann also – das möchte ich deutlich sagen – garnichts verschoben werden; denn alle finanzwirksamenGesetze können nie ohne die Zustimmung des Bundesra-tes verabschiedet werden. Das ist die beste Ausformungdes Konnexitätsprinzips, die man sich überhaupt vor-stellen kann. Abstrakt ist vieles möglich. Die Zustimmungder ebenfalls von den Gesetzen, die wir auf den Weg
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Bundesminister Hans Eichel20405
bringen, Betroffenen ist die entscheidende Grundlage. Ichbin froh, dass wir das erreicht haben.Ich möchte auch noch eine Bemerkung zur PDS ma-chen, die sich zu ihren kommunalen Finanzen geäußerthat. Der Bund hat die Position vertreten, dass die kom-munalen Finanzen zu 100 Prozent einzubeziehen sind.
Diese Position hätten auch Sie einnehmen sollen; dennschließlich sollen auch die schwächeren Kommunen volleinbezogen werden.
Sie wissen aber, dass dies aufgrund der Regelung 16:0nicht durchgesetzt werden konnte. Deswegen mussten wirinhaltliche Einschränkungen hinnehmen, die wir von unsaus nicht gemacht hätten, obwohl wir weiterhin von derRichtigkeit unserer Position überzeugt waren.
Einfach war es auch nicht beim Thema vertikale Um-satzsteuerverteilung. Ich habe mich über Ihre Bemerkungzu diesem Thema, Herr Dautzenberg, gewundert; dennbei aller Beachtung sämtlicher öffentlicher Haushalte istes doch unsere Aufgabe, den Bundeshaushalt davor zu be-schützen, dass er in besonderem Maße belastet wird. Wahrist, dass der Bundeshaushalt der am höchsten belasteteHaushalt in Deutschland ist. Er ist strukturell sogarschlechter als die Etats der Länder, die sich in einer Haus-haltsnotlage befinden. Deswegen sage ich ausdrücklich,dass wir – mir gefällt das nicht; aber das ist nun einmaleine Folge des Prinzips 16:0 plus 1 – bei der vertikalenUmsatzsteuerverteilung in Wahrheit nicht mehr erreichthaben, als dass die wechselseitigen Rechtspositionen ge-wahrt sind. Einzelgesetzliche Regelungen wie die zur Er-höhung des Kindergeldes sind jeweils neu auszuhandeln.Das ist das Ergebnis, das die Grundlage zukünftiger Ver-handlungen ist.Zum Schluss, meine Damen und Herren, bekräftigeich, dass wir es, wenn man das alles zusammen nimmt unddie Ausgangsprämisse teilt, mit einem guten Ergebnis zutun haben. Deshalb bitte ich Sie auch herzlich um Zu-stimmung zu diesem Gesetz.
Das Wort hat nun der
Kollege Heinz Seiffert für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! MeineDamen und Herren! Nach 24 Sitzungen im Sonderaus-schuss und mindestens genau so vielen Sitzungen in denArbeitsgruppen können wir heute nach dem so genanntenMaßstäbegesetz die Neuordnung des bundesstaatlichenFinanzausgleichs und die Fortführung des Solidarpaktsbeschließen. Das Verfahren bei dieser Gesetzgebung istzuletzt von vielen Seiten völlig zu Recht kritisiert worden.Das Parlament, also die Abgeordneten des DeutschenBundestages, waren quasi gezwungen, einem zwischenden Ländern ausgehandelten Kompromiss, der dann auchnoch bei Nacht und Nebel im Bundeskanzleramt abge-segnet wurde, nach Punkt und Komma umzusetzen.
Das war keine Sternstunde des Parlamentarismus, das wareine Zumutung für die Abgeordneten.
In diesem Zusammenhang sehe ich auch den Rücktritt desfrüheren Ausschussvorsitzenden Kröning als logischenund konsequenten Schritt an.Es kommt ja nun nicht selten vor, dass die Abgeordne-ten des Deutschen Bundestages ihr im harten parlamenta-rischen Ringen beschlossenes Gesetz fast nicht mehr wie-dererkennen, wenn es aus dem Vermittlungsausschussherauskommt. Ungewöhnlich – und hoffentlich einma-lig – ist allerdings, dass wir bereits im Gesetzgebungsver-fahren erfahren, was wir abzunicken haben.Nach der Einigung der Ministerpräsidenten ist ziem-lich euphorisch von einer Sternstunde des Föderalismusgesprochen worden. Ich teile diese Beurteilung absolutnicht. Das war kein Glanzlicht, sondern das ist ein hart er-rungener Kompromiss mit ganz erheblichen Schönheits-fehlern.
Wenn ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtsrichtig verstanden habe, könnte es sein, dass die Verfas-sungsrichter an dem, was wir heute beschließen und imMaßstäbegesetz schon abgesegnet haben, nicht die reineFreude haben werden. Aus heutiger Sicht braucht uns dieszumindest für die kommenden 19 Jahre nicht besonderszu beunruhigen. Bund und Länder waren sich ja einig. Wokein Kläger ist, ist auch kein Richter. Spannend wird dieSache erst dann wieder, wenn es sich im Laufe der Jahreeines der Länder oder gar der Bund anders überlegt. Ichbin einmal gespannt, ob 19 Jahre auch wirklich 19 Jahresind.
Ganz sicher hat das Bundesverfassungsgericht nichtgewollt, dass man den komplizierten Finanzausgleich mitall seinen Sonderregelungen fortschreibt, ohne deren Be-rechtigung sauber nachzuweisen. Der Finanzausgleichwird durch dieses Gesetz nicht einfacher und transparen-ter, ganz im Gegenteil. Herr Minister Eichel, es ist keinebesondere Kunst, eine Reform zu machen, bei der alle Be-teiligten nur profitieren, was hier der Fall ist. Dass dieserKonsens nur durch die Einbeziehung des Fonds „Deut-sche Einheit“ in den Finanzausgleich möglich wurde, istallerdings mehr als ein Schönheitsfehler. Diese scheinbarelegante Lösung hat einen entscheidenden Nachteil: DieTilgungsstreckung – um nichts anderes dreht es sich hier –geht voll zulasten der kommenden Generationen,
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Bundesminister Hans Eichel20406
der künftigen Steuerzahler und auch zulasten späterer Re-gierungen.
Ihnen, Herr Minister Eichel, verschafft diese Tilgungs-streckung Liquidität im Wahljahr.Gestern hat der Verfassungsrechtler Professor Kirchhof,der an dem Urteil maßgeblich mitgewirkt hat, in der„Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ geschrieben, „dassdie Entschuldung der einigungsbedingten Sonderlastenverlangsamt und damit noch mehr auf die zukünftige Ge-neration verlagert worden ist.“ Entweder haben Sie oderhat Professor Kirchhof es nicht richtig verstanden. Ichsage Ihnen ganz offen: Ich glaube in diesem Fall HerrnProfessor Kirchhof mehr.
Wesentlich ehrenwerter – auch das sage ich ganz of-fen – wird diese Aktion auch nicht dadurch, dass alle Lan-desfinanzminister mitgemacht haben. Für sie habe ich imÜbrigen noch mehr Verständnis, weil auch die Länder-haushalte unter den wegbrechenden Steuereinnahmenund der Wirtschaftsschwäche leiden, die in erster Liniediese Bundesregierung verursacht und zu verantwortenhat.Es war unserer Fraktion wichtig, im Rahmen des Ge-setzgebungsverfahrens auch den kommunalen Spitzen-verbänden in einer Anhörung Gelegenheit zu einer Stel-lungnahme zu geben. Auch bei diesem Gespräch istdeutlich geworden, dass die Regierung die Kommunen ineine äußerst dramatische Finanzsituation gebracht hat.
Es wurde berichtet, dass das Präsidium des DeutschenStädtetages „in seiner Verzweiflung“
einen Brief an den Herrn Bundestagspräsidenten
und an die Fraktionen geschrieben habe.Auch wenn wir in diesem Ausschuss und in diesem Ge-setzgebungsverfahren die Interessen der Kommunennicht wahrnehmen können – nach dem Grundgesetz sindeben eindeutig die Länder zuständig –, so sollten wir we-nigstens die Sorgen und Nöte der Kommunen ernst neh-men.
Wir haben getan, was wir in diesem Ausschuss gemein-sam tun konnten. Der Entschließungsantrag, wonach dieerhöhte Gewerbesteuerumlage bereits im Jahr 2010, alsofünf Jahre nach dem In-Kraft-Treten des neuen Finanz-ausgleichs,
hinsichtlich ihrer Angemessenheit überprüft werden soll,ist mehr als berechtigt. Dem stimmen wir auch gemein-sam zu.Ganz unabhängig hiervon sollte die Bundesregierungals Sofortmaßnahme zugunsten der Kommunen die Ge-werbesteuerumlage wieder absenken.
Sie muss sofort auf das Niveau gebracht werden, das sievor der Unternehmensteuerreform hatte: Die Annahme– höhere Steuereinnahmen –, die der damaligen Erhöhungzugrunde gelegt wurden, sind nicht eingetreten. Deshalbmuss dies umgehend zugunsten der Kommunen korrigiertwerden.Meine Damen und Herren, wenn wir dem vorliegendenGesetz trotz dieser kritischen Bemerkungen zustimmen,dann deshalb, weil sich die Länder auf eine Verbesserungder Anreize im Finanzausgleich einigen konnten und weileine Regelung zur Fortführung des Solidarpaktes gefun-den wurde. Gerade für die neuen Länder ist es wichtig,dass sie langfristig Planungssicherheit und Gestaltungs-möglichkeiten haben. Dies ist eindeutig positiv zu werten.Ich sehe darin auch ein Stück verwirklichter Solidaritätder Geberländer und auch des Bundes.Eines will ich aber klar sagen: Was in der Öffentlich-keit als großer Sieg für die neuen Bundesländer verkauftworden ist – es wurden Stimmen laut, sie bekämen jetztmehr, als sie gewollt hätten –, ist deutlich weniger als das,was berechtigt war und auch durch Gutachten eindeutigbelegt worden ist.
Immerhin sollen die neuen Länder aber nun über diesesGeld frei und ohne besondere Zweckbindung verfügen.Das begrüßen wir ausdrücklich, weil es ein Stück mehrGestaltungsmöglichkeit und Autonomie für die Länderschafft.
Allerdings übernehmen die Länder damit auch mehr Ver-antwortung. Sie werden sich im jährlichen Fortschrittsbe-richt bald an ihren Erfolgen messen lassen müssen. Ichhabe keinen Zweifel daran, dass gut regierte Länder die-sen Vergleich nicht zu scheuen brauchen.
Ich sehe nur noch eine größere Aufgabe für den Son-derausschuss. Das ist die Beratung über ein Gesetz zurVerteilung der Umsatzsteuer. Nicht nur im Ent-schließungsantrag vom 5. Juli 2001 wurde bekundet, dassfür die Anwendung des Deckungsquotenverfahrens einrechtssicheres Verfahren vereinbart werden soll. Auch indem bereits angesprochenen Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts wird zwingend eine gesetzliche Regelunggefordert. Der Kuhhandel um die Umsatzsteuer, der bis-her jedes Jahr aufs Neue zwischen Bund und Ländern ver-anstaltet wird, hat also rechtlich keinen Bestand und imÜbrigen auch keine Zukunft.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Heinz Seiffert20407
Herr Minister Eichel, wir erwarten also aus IhremHause alsbald einen fairen Vorschlag, der sowohl den In-teressen des Bundes – das liegt uns natürlich auch am Her-zen, wenn wir nächstes Jahr Ihr Haus wieder übertragenbekommen –
als auch den Interessen der Länder gerecht wird. Falls sichjedoch abzeichnet, dass es nicht gelingen wird, diesen Ge-setzentwurf noch im Frühjahr 2002 zu beraten und zu ver-abschieden, dann sollten wir die Arbeit dieses Sonderaus-schusses, der getan hat, was er konnte – das will ich hierauch bestätigen –, beenden.Wir erwarten, dass sofort und nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag eine Kommission zur Neuordnung undModernisierung der bundesstaatlichen Ordnung einge-setzt wird. Zu dieser Föderalismusreform gehört aucheine umfassende Gemeindefinanzreform.
Der Bund sollte die Länder, die jetzt eine Entflechtung derGemeinschaftsaufgaben und der Mischfinanzierungenangemahnt haben, beim Wort nehmen.
Es muss auch sichergestellt sein, dass das Geld, das denKommunen zum Wirtschaften und Überleben zusteht,dann nicht auf anderen Ebenen hängen bleibt, sondernwirklich durchgereicht wird.
Wichtig sind hierbei vor allem die eindeutige Zuordnungvon Verantwortlichkeiten sowie mehr Transparenz beiden politischen Strukturen und Verfahren. Nur so wird der– unter dem Strich – erfolgreiche Föderalismus inDeutschland für die Zukunft gerüstet sein.Dem so genannten Solidarpaktfortführungsgesetzstimmen wir nach reiflicher Abwägung – bei Zurückstel-lung der beschriebenen Bedenken – zu.Vielen Dank.
Ich schließe die Aus-
sprache und kündige an, dass der Kollege Jochen-Konrad
Fromme nach den Abstimmungen eine Erklärung zur Ab-
stimmung abgeben wird.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den von
den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-
nen eingebrachten Entwurf eines Solidarpaktfort-
führungsgesetzes, Drucksache 14/7063. Der Sonderaus-
schuss Maßstäbegesetz/Finanzausgleichsgesetz empfiehlt
unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/7646, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung
anzunehmen.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der PDS vor, über
den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Ände-
rungsantrag auf Drucksache 14/7648? – Wer stimmt da-
gegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist gegen
die Stimmen der PDS abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Kollege Fromme
und die FDP-Fraktion stimmen dagegen. Der Gesetz-
entwurf ist in zweiter Beratung angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Ge-
genprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit
angenommen. Ich gratuliere allen, die dazu beigetragen
haben.
Wir kommen nun zu dem von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurf eines Solidarpaktfortführungsge-
setzes, Drucksache 14/7256. Der Ausschuss empfiehlt un-
ter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/7646, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. –
Ich überlege gerade, was eigentlich passierte, wenn wir
ihn nicht für erledigt erklärten. Aber das ist nicht meine
Aufgabe. – Wer stimmt für diesen Teil der Beschlussemp-
fehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dieser Teil der
Beschlussempfehlung ist angenommen.
Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/7646 empfiehlt der Ausschuss die Annahme einer
Entschließung. Wer stimmt für diesen Teil der Beschluss-
empfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Gegen die
Stimmen der FDP ist dieser Teil der Beschlussempfehlung
angenommen.
Nun folgt die Erklärung des Kollegen Jochen-Konrad
Fromme nach § 31 der Geschäftsordnung. Bitte sehr.
Frau Präsi-dentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ichkann dem Gesetz nicht zustimmen, weil es einen schwe-ren Abwägungsmangel hat.Es ist ein Bundesgesetz, das heißt, der Deutsche Bun-destag muss zu diesem Gesetz und seinen Grundlageneine Abwägung vornehmen. Dazu müssen ihm die ent-sprechenden Fakten vorgelegt werden.
Das war in der Frage der Gewerbesteuerumlage nicht derFall. Wir haben die Bundesregierung rechtzeitig aufge-fordert – da war sich der Ausschuss einig; schade, dass derKollege Metzger jetzt nicht hier ist –, uns die Entwick-lung der Gewerbesteuer mit Zahlen und Fakten aufzu-zeigen.Die Festlegung beruht auf Prognosen. Von Zeit zu Zeitmuss man einmal nachschauen, ob diese Prognosen zu-treffen. In diesem Fall ist äußerst umstritten, ob sie zu-
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Heinz Seiffert20408
treffen. Ich erinnere an die Anhörung der kommunalenSpitzenverbände.Die Bundesregierung hat zunächst einmal verbal mitAusflüchten geantwortet. Sie hat dann zugesagt, die Zah-len und Fakten zu liefern.
Als das entscheidende Datum war, hat sie nur gesagt, dieLänder seien zuständig, sie wolle die Fakten nicht vorle-gen.
Eine Abwägung, die sozusagen auf Nichtfakten beruht,kann nicht in Ordnung sein.Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder hat die Bun-desregierung die Fakten nicht gekannt – dann war es fahr-lässig, dem Bundestag ein Gesetz vorzulegen, weil ab-sehbar war, dass die Abwägung nicht stattfinden kann –oder sie hat die Fakten gekannt; dann hat sie etwas zu ver-bergen und hat sie deshalb nicht vorgelegt. Beides istgleich schlimm und das versieht dieses Gesetz mit einemunheilbaren und unerträglichen Mangel.Ich muss auch sagen, dass die Arbeit der Abgeordne-ten, insbesondere der Oppositionsabgeordneten, in einemunerträglichen Maße erschwert worden ist, denn der Wis-senschaftliche Dienst konnte nicht helfen, weil dasBundesfinanzministerium auch hier die Zusammenarbeitverweigert hat.Einem Gesetz, das auf solche Art und Weise zustandegekommen ist, kann ich nicht zustimmen.Es gibt noch zwei weitere Punkte: Sie haben – daranwaren insbesondere die damaligen MinisterpräsidentenSchröder, Eichel, Lafontaine. beteiligt – bei der Familien-lastenausgleichsregelung 1996 festgelegt, in welchemVerhältnis Bund und Länder belastet werden sollen.Diese Festlegung haben Sie hier nicht eingehalten. Sie isteingefordert worden und wird leider nicht fortgeschrie-ben. Das ist für mich der zweite Grund.Der dritte Grund ist, dass der wesentliche Punkt, dieUmsatzsteuerverteilung durch Deckungsquotenberech-nung, die zu den Grundfragen des Finanzausgleichsgehört, nicht berücksichtigt wird. Herr Minister Eichel,wenn das nun die große Reform ist, darf man eine solchewichtige Grundfrage nicht offen lassen.Das sind die drei Gründe dafür, dass ich nicht zustim-men konnte.
Nun rufe ich Zusatz-
punkt 3 auf:
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Versor-
gungsänderungsgesetzes 2001
– Drucksachen 14/7223, 14/7257 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Versor-
gungsänderungsgesetzes 2001
– Drucksache 14/7064 –
– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung des Beamtenrechtsrahmengesetzes
– Drucksache 14/6717 –
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses
– Drucksache 14/7681 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Meinrad Belle
Helmut Wilhelm
Dr. Max Stadler
Petra Pau
b) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 14/7693 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Werner Hoyer
Gunter Weißgerber
Carl-Detlev von Hammerstein
Oswald Metzger
Dr. Christa Luft
Der Innenausschuss hat in seine Beschlussempfehlung
den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zur Än-
derung des Beamtenrechtsrahmengesetzes einbezogen,
über den wir jetzt ebenfalls abschließend beraten werden. –
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist so be-
schlossen.
Zum Entwurf des Versorgungsänderungsgesetzes lie-
gen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU so-
wie ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag
der Fraktion der PDS vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Auch damit
sind Sie einverstanden. Dann ist es so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Hans-Peter Kemper, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Heute verabschieden wir dasVersorgungsänderungsgesetz 2001 und damit die wir-kungsgleiche Übertragung der Rentenreform auf dieBeamtenversorgung. Außerdem beschließen wir die Än-derung des Beamtenrechtsrahmengesetzes.Bevor ich aber zu den Einzelheiten komme, will ich dieGelegenheit nutzen und mich ganz herzlich bei den Kol-leginnen und Kollegen aus dem Innenausschuss, insbe-sondere bei den Berichterstattern, bedanken. Es war nicht
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Jochen-Konrad Fromme20409
immer ganz einfach. Es hat Irritationen, Zeitdruck undÄrger gegeben; dennoch haben wir gut zusammenge-arbeitet und waren in vielen Punkten einer Meinung, auchwenn Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen vonder Opposition, heute in der Schlussabstimmung zu einemfalschen Ergebnis kommen.
Aber so ist das halt in der Politik zwischen Opposition undRegierung.Ich möchte auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern des Innenministeriums danken, die sich in der letztenZeit über Arbeitsmangel wirklich nicht zu beklagen hat-ten. Ich weiß, dass sie die eine oder andere Nachtschichteingelegt haben, um dieses Gesetz über die Bühne zubringen.Zur Sache: Mit diesem Gesetz werden die Inhalte derRentenreform weitgehend wirkungsgleich auf die Beam-tenversorgung übertragen. Der Anstieg der Beamten-versorgung wird in acht Jahresschritten bis 2010 abge-flacht. Die noch von der Vorgängerregierung installierteVersorgungsrücklage von jährlich 0,2 Prozent wird biszum Jahre 2010 ausgesetzt und dann bis zum Jahre 2017weitergeführt.Ziel dieser Maßnahme ist es, wie bei der Rentenreformdie immensen Kosten der Alterssicherung abzumildern.Die Kosten für die Versorgung werden sich in den nächs-ten Jahren nahezu vervierfachen. Das liegt zum einen da-ran, dass die Menschen älter werden; das ist die demo-graphische Entwicklung. Zum anderen liegt es aber auchdaran, dass in den 60er- und 70er-Jahren ungleich mehrBeamte eingestellt worden sind, die jetzt nach und nach inden Ruhestand treten und damit zu Versorgungsempfän-gern werden. Das trifft nicht in erster Linie die Bundes-haushalte, sondern die Länderhaushalte.Den Beamten wird künftig die Möglichkeit einer kapi-talgedeckten, staatlich geförderten Alterssicherung einge-räumt.Ich will nur auf einige Punkte eingehen, die wir ne-benher noch beschlossen haben. Stichwort: Qualifizier-ter Dienstunfall. Wir haben die Anforderungen für denqualifizierten Dienstunfall neu formuliert und zugespitzt.Damit tragen wir einem alten Anliegen der Gewerkschaf-ten und der Verbände Rechnung; denn es ist nicht einzu-sehen, dass die Vollzugsbeamten im öffentlichen Dienst,die in ihrem Dienst einer besonderen Gefährdung ausge-setzt werden und durch ihren Einsatz für die innere Si-cherheit, für die Sicherheit der Menschen gelegentlichauch ihr Leben riskieren, im Anschluss an solch einen Un-fall auch noch um die Anerkennung als qualifiziertenDienstunfall kämpfen müssen, nämlich um 80 Prozent ausder übernächst höheren Besoldungsgruppe. Das habenwir umformuliert; das ist besser geworden.
Wir haben gemeinsam mit der CDU/CSU einen Vor-schlag des Bundesrates aufgegriffen. Es geht um die sogenannten Bürgermeister der ersten Stunde. Wir haben fürdie kommunalen Wahlbeamten im Beitrittsgebiet, dieeine Amtszeit von acht Jahren erreicht oder überschrittenhatten und vor dem 3. Oktober 2000 in den Ruhestand ge-treten sind, erhebliche Verbesserungen herbeigeführt.
Das waren die Männer und Frauen der ersten Stunde, diedamals nicht lange gefragt haben, ob sie das können, obsie die richtige Ausbildung haben, ob es Vorbilder gibt fürdas, was sie leisten sollten. Nein, sie haben angepackt undihre Sache gut gemacht.
Ich will unserem Kollegen Ernst Bahr, der diese Pro-blematik hier aufgegriffen hat und das Ganze intensiv be-gleitet hat, noch einmal ganz ausdrücklich danken. Er hatuns für diese Probleme sensibilisiert.In Bezug auf die Bundeswehr haben wir deutlich ge-macht, dass wir die Verantwortung für unsere Soldatenernst nehmen. Es ist klar, dass die Soldaten, die aufgrundbesonderer Altersgrenzen früher in den Ruhestand gehen,Gehaltseinbußen zu verzeichnen haben. Wir haben demRechnung getragen. Unter der Voraussetzung, dass dievorzeitig in den Ruhestand gehenden Beamten nicht so-fort wieder in einen gut dotierten Job eintreten, bekom-men sie – zusätzlich zu einer einmaligen Abfindung – fürjedes Jahr, das sie vor dem 60. Lebensjahr in den Ruhe-stand gehen, 1 000 DM.Das ist nur wenige Tage nach den wesentlichen Struk-turverbesserungen festgelegt worden, die vor kurzembeschlossen worden sind, nämlich der Wegfall der Be-soldungsgruppen A 1 und A 2 sowie die Ausweitung derBesoldungsgruppen A 9 für Unteroffiziere und A 12 undA 13 für das Führungspersonal. Es wäre nicht schlechtgewesen, wenn der Bundeswehr-Verband bei der großenDemonstration am letzten Montag auf diese massivenStrukturverbesserungen hingewiesen hätte. Das hat esnämlich in der alten Regierung in diesem Ausmaß niegegeben. Deshalb wäre es wert gewesen, das zu er-wähnen.Zwei weitere Themen möchte ich gerne noch anspre-chen, zum einen die Möglichkeit einer kollektiven Lö-sung bei der privaten Altersvorsorge. Das ist ein Anlie-gen der Gewerkschaft, das wir mit aufgenommen haben.Wir werden allerdings auf dieses Thema noch einmalzurückkommen. Wenn die Verhandlungen im Tarifbereichabgeschlossen sind, werden wir prüfen, ob eineEntgeltumwandlung möglich ist.Die Präsidentin mahnt mich über das Display, meineRede zu beenden. Ich hätte zwar noch einiges zu sagen,aber ich will dann auch zum Schluss kommen – obwohlich mich hier vorne sehr wohl fühle, Frau Präsidentin;aber es geht ja leider nicht anders.
Danke schön.
Wir wissen, dass wirdem öffentlichen Dienst mit diesem Gesetzentwurf eineMenge zumuten. Es geht aber nicht anders, wenn wir dieStaatsfinanzen dauerhaft stabilisieren wollen und wenn
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Hans-Peter Kemper20410
wir dem öffentlichen Dienst ein dauerhaftes Überlebengarantieren wollen.Frau Präsidentin, ich bedanke mich ausdrücklich fürIhre Langmut. Danke, Anke!
Das war gewährt. –
Jetzt kommt der Kollege Meinrad Belle für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! MeineDamen! Meine Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es wird Sie nicht verwundern, dass ich dem Inhalt derRede meines geschätzten Kollegen Kemper natürlichin keiner Weise zustimmen kann; denn 1,9 MillionenRichter, Beamte und Soldaten sowie 850 000 Versor-gungsempfänger mit ihren Familien fühlen sich veralbert,ja verschaukelt.Es ist eine Zumutung, in welchem Düsenjägertempo– der bisher übliche Begriff D-Zug-Tempo reicht gar nichtmehr aus – ein Gesetzesvorhaben mit erheblichen Aus-wirkungen auf die Betroffenen und ihre Familien durchdie Bundestagsgremien gepeitscht wird.
Auf das vernichtende Ergebnis der der Sachverständi-genanhörung wird weder von der Bundesregierung nochvon den Koalitionsfraktionen reagiert.
Auf die sachlich fundierten Aussagen der Sachverständi-gen sind Sie in Ihren Redebeiträgen im Innenausschussüberhaupt nicht eingegangen. Die Beratungen im Innen-ausschuss können unter diesen Umständen nur als Farcebezeichnet werden.Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Zigtausendeauf der Straße demonstrieren. Am Montag dieser Woche,in einer Zeit, in der Polizeibeamte wegen der inneren Si-cherheit und Soldaten wegen der gefährlichen Auslands-einsätze besonders gefordert sind, demonstrierten25 000 Polizeibeamte und Soldaten in Berlin. Wenn ichMitglied Ihrer Regierungskoalition wäre, würde ich michgeohrfeigt fühlen.
Nun zur Sache. Der erste Versorgungsbericht wurde inunserer Regierungszeit vorgelegt. Mit der Versorgungs-rechtsreform in der letzten Legislaturperiode haben wirwirkungsvolle Maßnahmen zur Untermauerung des Ver-sorgungswerks in Bund, Ländern und Gemeinden ergrif-fen. Wir benötigen keine Nachhilfe in Sachen Versor-gungsreform.
Obgleich die riestersche Rentenreform von uns hier ab-gelehnt wurde, haben wir uns grundsätzlich mit der wir-kungsgleichen Übertragung der Rentenreform, allerdingsbei vollständiger Anrechnung der Vorleistungen, einver-standen erklärt.
– Ganz genau.Von Anfang bestand Streit über die Wirkungsgleichheitund die Anrechnung der Vorleistungen.
Daher kam dem Ergebnis der Sachverständigenanhörungam 8. November 2001 besondere Bedeutung zu. Das Er-gebnis war vernichtend. Einen derartigen Totalverriss ei-nes Gesetzentwurfs habe ich noch nicht erlebt: Acht vonzehn Sachverständigen erklärten von vornherein, dasskeine wirkungsgleiche Übertragung vorliege und die Vor-leistungen nicht ausreichend berücksichtigt seien. EinSachverständiger bestätigte eine einigermaßen wirkungs-gleiche Übertragung, wollte sich aber zur Anrechnung derVorleistungen nicht äußern. Ein einziger Sachverständi-ger sprach von einer wirkungsgleichen Übertragung undAnrechnung der Vorleistungen, war sich seiner Sachedann aber doch nicht sicher; denn er empfahl den Aus-tausch der Gesetzesbegründung,
weg von der Übertragung der Rentenreform, hin zu einemallgemeinen Versorgungsreformgesetz. Das war’s!Es wurde überzeugend dargelegt, dass die vorgesehe-nen Kürzungsmaßnahmen zu einer Sonderbelastung derBeamten und der Versorgungsempfänger führen, undzwar wegen der so genannten Bifunktionalität der Beam-tenversorgung, die im Gegensatz zur gesetzlichen RenteRegelversorgung und betriebliche Zusatzversorgungbeinhaltet. Mehrfach wurden grundsätzliche verfassungs-rechtliche Bedenken, insbesondere wegen der Art undWeise der Einbeziehung der Bestandspensionäre, vorge-tragen.Beanstandet wurde ebenfalls, dass die Einsparungenaus den Vorleistungen der verschiedenen Einzelmaßnah-men des Dienstrechts- und Versorgungsreformgesetzesder letzten Legislaturperiode und die Wirkung der Erhe-bung der Versorgungsrücklage auch bei den aktiven Be-amten nicht berücksichtigt wurden. Die Summe der Ein-sparungen der Einzelmaßnahmen – Wegfall derRuhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage, Hinausschiebender Antragsaltersgrenze usw. – belaufen sich allein biszum Ende dieses Jahres auf etwa 4,4 Milliarden DM.
Ihre Reaktion auf dieses niederschmetternde Ergebnisder Anhörung: null. Es gab hierzu keinen einzigen Wort-beitrag Ihrerseits im Innenausschuss. Das ist ein Skandal!
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Hans-Peter Kemper20411
Ich möchte noch einige wenige Sätze zu den finanziel-len Auswirkungen dieses Gesetzes sagen. Die Minderaus-gaben der öffentlichen Haushalte belaufen sich in der ers-ten Stufe auf 12 Milliarden DM. Es sollen also12 Milliarden DM brutto eingespart werden. Davon wirddie Hälfte, also 6 Milliarden DM, der Versorgungsrück-lage zugeführt. Nach den Auskünften der Bundesregie-rung wird andererseits durch die Einbeziehung der Beam-ten in die steuerliche Förderung der privatenAltersvorsorgemit Steuermindereinnahmen in Höhe von9,3 Milliarden DM gerechnet. In den Haushalten vonBund, Ländern und Gemeinden fehlen also in der erstenStufe insgesamt 3,3 Milliarden DM. Adam Riese lässtgrüßen.Lassen wir einmal die Zuführung zur Versorgungs-rücklage unberücksichtigt: Nach Berechnungen des Deut-schen Städte- und Gemeindebundes werden in Anbetrachtdes Einkommensteuerverbundes Bund, Länder und Ge-meinden in der ersten Stufe bis 2010 beim Bund und beiden Kommunen zusammen rund 600 Millionen DMMehrausgaben entstehen. Lediglich die Länder könnenmit einer Nettoentlastung von rund 4,7 Milliarden DMrechnen. Da lobe ich mir die finanziellen Entlastungswir-kungen der von uns 1998 mit Ihrer Zustimmung einge-führten Versorgungsrücklage.Überdenkt man die finanziellen Auswirkungen der be-absichtigten Reform unter Berücksichtigung der Zu-führung zur Versorgungsrücklage mit einer Zu-satzbelastung von 3,3 Milliarden DM in der ersten Stufe,kommt man zu folgendem Ergebnis:Erstens. Eine Versorgungsrücklage und ein beabsich-tigter Systemwechsel zur Absenkung des Höchstsatzesder Pensionen passen nicht zusammen.
Man muss sich für einen Weg entscheiden: entweder fürdie Versorgungsrücklage oder für die Absenkung der pro-zentualen Pensionshöhe.Zweitens. Die finanziellen Auswirkungen sind nichtvollständig bedacht. Entweder wurde schlampig gearbei-tet oder man will auf kaltem Wege, sozusagen klamm-heimlich, den ersten Schritt zu einem einheitlichen öf-fentlichen Dienstrecht gehen; das könnte natürlich auchsein.Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern:Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Gleichzeitig wollenwir mit unserem Änderungsantrag zur zweiten und drittenLesung die im Innenausschuss teils abgelehnten, teilsnicht vollständig übernommenen folgenden Änderungenerreichen: erstens die Beibehaltung der bisherigenRechtslage durch Fortführung der Versorgungsrücklageentsprechend unserer Versorgungsrechtsreform mit einerAbsenkung der Aktiven- und Versorgungsbezüge um3 Prozent, zweitens eindeutige Verbesserungen beim qua-lifizierten Dienstunfall und drittens die Abschaffung dereinschränkenden Quotierung von Ausbildungszeiten.Wenn ich die im Bereich des Innern geleistete gesetz-geberische Arbeit der letzten Monate und die Tagesord-nungen der letzten Wochen Revue passieren lasse, mussich feststellen: Zuerst passierte lange Zeit nichts. Ge-setzesvorhaben wurden großartig angekündigt; aber denBundestag hat in dieser Hinsicht so gut wie nichts er-reicht. Dann wurden in den letzten Wochen nicht aus-gereifte Gesetzentwürfe überhastet eingebracht und derGesetzgebungsprozess überstürzt durchgezogen. Bei Ih-nen war so gut wie keine Bereitschaft zu einer sachge-rechten Diskussion vorhanden.Meine Damen und Herren, auch in der Gesetzgebunggilt der alte Grundsatz: Gut Ding will Weile haben. DieBeachtung dieses alten Sprichwortes würde der QualitätIhrer Arbeit nur gut tun.Vielen Dank.
Das Wort hat nun derKollege Helmut Wilhelm für Bündnis 90/Die Grünen.Helmut Wilhelm (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!Um es gleich vorwegzunehmen: Bei der heutigen Ab-schlussberatung des Versorgungsänderungsgesetzes 2001bleibt für mich ein kleines Restproblem: Einerseits halteich das Vorhaben der wirkungsgleichen Übertragung derReform der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Be-amtenversorgung tatsächlich für unaufschiebbar. Ande-rerseits hätte ich es begrüßt, wenn auf einige Kritikpunkteder Sachverständigen, geäußert in der Anhörung vor demInnenausschuss, noch etwas stärker eingegangen wordenwäre.Während die neue Regierung für Arbeitnehmer dieEinschränkungen im Rentenversicherungssystem beiihrem Amtsantritt aufgehoben hat, blieb es bei den Beam-ten bei dem entsprechenden Einschnitt, bei dem 0,2-pro-zentigen Versorgungsabschlag. Zwar wurden diese Vor-leistungen der Beamten und Beamtinnen mit derAnhebung des Höchstversorgungssatzes von 71,25 Pro-zent auf nunmehr 71,75 Prozent zumindest teilweise aus-geglichen. Ich hätte mir aber nach der Sachverständigen-anhörung gewünscht, dass wir uns – damit meine ich dieInnenpolitiker von SPD und Bündnis 90/Die Grünen –mitunserem gemeinsamen Vorschlag, den Höchstversor-gungssatz auf 72 Prozent anzuheben, hätten durchsetzenkönnen. Immerhin hat die große Mehrheit der Sach-verständigen in der Anhörung auf die Gefahr hingewie-sen, dass es zu einer Überkompensation zulasten der Be-amten kommen könne. Aber leider haben wir uns mitdiesem Vorschlag nicht durchsetzen können. Für die Ak-zeptanz des Gesetzesvorhabens in der Beamtenschafthätte dies nützlich sein können.Ich stimme dem Gesetzesvorhaben trotzdem zu, da wirletztendlich daran gemessen werden, ob es uns gelingt,die bestehenden Versorgungssysteme auch in Zukunftfunktionsfähig zu erhalten, damit sie ihren Zweck erfül-len können.Die Beamtenversorgung steht bekanntlich vor dengleichen Problemen wie andere Alterssicherungssysteme.Die allgemeine demographische Entwicklung in Deut-
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Meinrad Belle20412
schland führt zu einem raschen Anstieg der Ausgaben fürdie Beamtenversorgung. Das hängt zum einen mit der be-kanntlich stetig steigenden Lebenserwartung zusammen.Zum anderen liegt das durchschnittliche Ruheeintrittsal-ter in den letzten Jahren auf konstant niedrigem Niveau:Auch aufgrund der hohen Zahl der Frühpensionierungenliegt es zurzeit bei 59 Jahren. Dass diese beiden Faktorenzusammengenommen zu erheblichen Steigerungen derVersorgungsleistungen geführt haben, ist bekannt.
Eine gewisse Brisanz bekommt die Geschichte, wennman sich die Tatsache vor Augen hält, dass die durch-schnittliche Pensionslaufzeit derzeit bei rund 20 Jahrenliegt. Für die Berechtigten ist das sicherlich angenehm.Sie ist gegenüber früheren Zeiten also ebenfalls erheblichangewachsen. Hinzu kommt der so genannte Versor-gungsberg als Folge der Ausweitung des öffentlichenDienstes in den 60er- und 70er-Jahren. Die Pensionsauf-wendungen von Bund, Ländern und Gemeinden werdendeshalb von heute bis 2030 auf das 3,5fache ansteigen:von derzeit 43 Milliarden DM auf rund 150 Milliar-den DM. Aus alledem ergibt sich schlichtweg ein Finanz-problem.Außerdem ist zwischen Rot-Grün im Koalitionsvertragfestgeschrieben worden, nach der Reform der gesetzli-chen Rentenversicherung auch die Beamtenversorgungentsprechend und im Einklang mit der Rentenreform– wirkungsgleich also – fortzuentwickeln. Wirkungsglei-che Übertragung bedeutet einerseits eine den Einsparun-gen bei den Rentenversicherungsträgern vergleichbareEntlastung der öffentlichen Haushalte und andererseitseine äquivalente monetäre Auswirkung bei Beamten undPensionären, so wie bei Arbeitnehmern und Rentnernauch. Dies ergibt sich bereits aus dem Gleichheitsprinzip.Dabei darf die wirkungsgleiche Übertragung der Renten-reform auf die Beamtenversorgung wegen der besonderenverfassungsrechtlichen Stellung nur systemkonform er-folgen.Die Schwerpunkte des Gesetzentwurfs bezüglich desVersorgungsniveaus sind bereits mehrfach genannt unddargestellt worden; ich kann mir dies ersparen.Hervorheben möchte ich allerdings, dass es nach derAnhörung doch noch einige Verbesserungen gegeben hat.So kann zukünftig der qualifizierte Dienstunfall begriff-lich besser vom einfachen Dienstunfall unterschiedenwerden.
Das erleichtert die Rechtsanwendung und dient den Be-troffenen.Auch die Bürgermeister der ersten Stunde, also dieKommunalbeamten im Beitrittsgebiet, die eine Amtszeitvon acht Jahren erreichen und bis zum 3. Oktober 2000 inden Ruhestand getreten sind, kommen nunmehr in denGenuss des § 66 Abs. 2 Satz 1 Beamtenversorgungs-gesetz.
– Ja. – Damit wird einem Änderungsantrag des Bundes-rates Rechnung getragen.Ich kann darum dem Gesetzesvorhaben zustimmen,auch damit ein gemeinsames In-Kraft-Treten mit der Ren-tenreform gesichert ist.Danke schön.
Nun hat der Kollege
Dr. Max Stadler für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehrgeehrten Damen und Herren! Der Bundesinnenministerhat zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, dass die In-nenpolitik ein Politikbereich sei, wo ähnlich wie in derAußenpolitik Kontinuität gewahrt werden müsse. HerrMinister Schily, es ist Ihnen wirklich in überzeugendemMaße gelungen, zum Beispiel bei der inneren Sicherheit,die Politik Ihres Vorgängers fortzusetzen, ja sogar in ei-nem solchen Maße, dass es Ihren eigenen Koalitionspart-ner hie und da etwas erschreckt.
Sie wären aber gut beraten gewesen, wenn Sie diese Kon-tinuität gerade bei der Frage der Beamtenversorgung auchgewahrt hätten.Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat ja mit denReformen in der letzten Legislaturperiode Vorsorge ge-troffen, damit die Pensionsansprüche auch über die kriti-schen Jahre hinweg, in denen sie in hoher Zahl auflaufen,erfüllt werden können. Deswegen wäre es doch zweck-mäßig gewesen, im System zu bleiben und, wenn es dennwirklich notwendig gewesen wäre, etwa die Versor-gungsrücklage anzuheben, aber nicht eine völlige Neu-regelung der Beamtenversorgung vorzuschlagen.Herr Minister Schily, Sie haben in der Haushaltsde-batte davor gewarnt, bei diesem Thema Polemik zu be-treiben. Das tun wir keineswegs. Vielmehr lehnt die FDPIhr Gesetz aus sachlichen Gründen ab.Erstens. Das Gesetz ist nicht notwendig. Laut Versor-gungsbericht der Bundesregierung reichen die Maßnah-men aus der letzten Legislaturperiode durchaus aus.Zweitens. Zum Verfahren hat der Kollege Belle schoneiniges gesagt. Ich möchte noch anmerken: Es war auchein Fehler des Verfahrens, dass gerade dieser Versor-gungsbericht, den ich jetzt kurz zitiert habe, nicht richtigin die parlamentarischen Beratungen eingeflossen ist,weil er zwar von der Bundesregierung meines Wissens imSeptember verabschiedet worden ist, aber erst vor kurzemden Parlamentariern überhaupt zugegangen ist. Einewirkliche Auswertung hat nicht stattgefunden.Wir sind drittens der Meinung, dass die vorgesehenenMaßnahmen eine Überkompensation im Vergleich zurRentenreform darstellen.Viertens. Es wird nicht beachtet, dass die Rentenre-form in die Grundsicherung eingreift, dagegen die Neu-fassung der Beamtenversorgung die Vollversorgung
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Helmut Wilhelm
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betrifft. Würde die Rentenreform tatsächlich wirkungs-gleich übertragen, so würde eine geringere Absenkungder Beamtenversorgung ausreichen.Fünftens. Die durch das Gesetz erzielten Minderaus-gaben von 12 Milliarden DM werden durch die jährlichenstaatlichen Zuschüsse zum Aufbau der Privatvorsorge inHöhe von 9 Milliarden DM weitgehend aufgezehrt. DasGesetz bringt also auch finanziell nicht das, was Sie sichund der Öffentlichkeit versprechen.Sechstens. Einige der Maßnahmen bewegen sichmindest an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit. Sokönnte etwa in Zukunft die Witwenversorgung nahe amSozialhilfesatz liegen, was gegen die Alimentations-pflicht des Staates verstoßen würde.Im Übrigen ist auch in den Übergangsregelungen eineFehlkonstruktion enthalten; denn ältere Beamte habennicht mehr die Möglichkeit, eine private Altersversorgungzur Kompensation aufzubauen, während übrigens bei denAngestellten die Zusatzversorgung voll bestehen bleibt.Das sind alles keine Polemiken, sondern sachliche Ar-gumente für eine Ablehnung. Aber am schlimmsten ist,dass das Ergebnis der Sachverständigenanhörung – dashat Herr Kollege Wilhelm von den Grünen selber zumAusdruck gebracht – nicht mehr entscheidend in die Ge-setzgebung eingeflossen ist.
Ich finde, wenn eine Sachverständigenanhörung eine soeindeutige Ablehnung ergibt, dann muss ein solch ein-schneidendes Reformwerk wirklich ernsthaft überdachtwerden.Ich habe Bedenken, dass uns heute Nachmittag ab13 Uhr beim Terrorismusbekämpfungsgesetz dasselbewiderfährt, wo der Zeitplan ja vorsieht, rasch zu einer Be-schlussfassung zu kommen. Offenkundig will man dieAnhörung, die jetzt gleich stattfindet, nicht auswerten.Meine Damen und Herren, unter diesen Umständenkönnen wir Ihrem Reformgesetz nicht zustimmen.
Das Wort hat nun die
Kollegin Petra Pau für die PDS-Fraktion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-nen und Kollegen! Der Kollege Kemper meinte vorhinzum Abschluss, dass wir mit diesem Gesetzentwurf denBetroffenen eine Menge zumuten. Ich finde, das ganzeGesetzeswerk, welches heute auf dem Tisch liegt, ist eineZumutung, sowohl in Bezug auf den als Inhalt auch aufdas Verfahren.
Dazu, wie es hier zur Verabschiedung gelangt ist, habendie Kollegen Belle und Stadler hier schon ausführlich ge-redet; das muss nicht wiederholt werden.Von diesen Regelungen betroffen sind rund 2 Milli-onen Beschäftigte im öffentlichen Dienst und Soldatinnenund Soldaten, die im Moment aktiv sind.
Angeblich wollen Sie mit diesem Gesetz die Rentenre-form wirkungsgleich übertragen. War schon die Renten-reform der Einstieg in den Ausstieg aus der solidarischenAlterssicherung, ist diese Art der Änderung in derBeamtenbesoldung noch viel schlimmer. Sie brechen dasVertrauen derjenigen, welche sich im öffentlichen Dienstfür unser Gemeinwesen besonders zu engagieren haben,und Sie sind mindestens am Rande der Verfassungswid-rigkeit und vielleicht bei einigen Regelungen tatsächlichschon darüber hinaus. Darüber wird sicherlich nach demheutigen Tage weiter zu reden sein.
Mit diesem Gesetz verringern Sie natürlich die Attrak-tivität der Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Ich habein dieser Woche mit Vertretern des Richterbundes gespro-chen. Sie haben aufgrund ihrer Erfahrungen aus demheutigen Alltag erzählt, wie schwer es ist, junge, qualifi-ziert ausgebildete Kolleginnen und Kollegen für diesenBeruf zu gewinnen. Was soll erst werden, wenn dieses Ge-setz greift, das heißt, wenn man sich nicht darauf verlas-sen kann, dass man selbst – und auch die Angehörigen –am Ende eines Arbeitslebens entsprechend abgesichertist?Ich gehe davon aus, dass die Betroffenen auch nachdem heutigen Tage sehr viel Grund zum Protest habenwerden.
Denn es bleibt bei der pauschalen Absenkung der Versor-gungsanpassungen, vor allen Dingen im einfachen undmittleren Dienst. Es bleibt dabei, dass die Vorleistungen,welche die Beamtinnen und Beamten erbracht haben,nicht berücksichtigt werden. Es bleibt dabei, dass diejeni-gen, welche in den nächsten Jahren die Pensionsgrenze er-reichen, keine Chance mehr haben, vorzusorgen, um die-sen Absenkungen entsprechend entgegenzutreten. Siehaben keine Ausnahmen für Dienstunfähige und Schwer-behinderte vorgesehen; sie werden also mit diesem Ge-setzentwurf doppelt benachteiligt.
Auch die Arbeitsbedingungen in den Vollzugsdienstensind nicht berücksichtigt worden. Feuerwehrbeamte wer-den im Vergleich zu den Vollzugsdienstleistenden doppeltbenachteiligt. Diejenigen, die im Osten im öffentlichenDienst beschäftigt sind, werden ganz besonders getroffen.Hier bleibt die Aufgabe der Gleichstellung; denn nach wievor werden sie nicht nur niedriger bezahlt, sondern brau-chen auch mehr Zeit, um überhaupt eine Mindestpensionzu erreichen.
Unterm Strich muten Sie dann auch noch den Frauen dieso genannte Quotelung der Ausbildungszeiten zu.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 206. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. November 2001
Dr. Max Stadler20414
Die einzig positive Änderung in dieser Gesetzgebung– dies wurde schon hervorgehoben – ist die Regelung fürdie Kommunalbeamten der ersten Stunde im Osten.Dieser haben wir im Ausschuss natürlich zugestimmt. Ichdenke, wir werden bald über die Folgen der verfassungs-rechtlichen Prüfungen dieses Gesetzeswerkes zu sprechenhaben. Ich sehe bereits nachfolgende Gesetzespakete amHorizont.Es wird Sie nicht wundern: Nach einer solchen Listevon Ablehnungsgründen können wir dieses Gesetzespa-ket insgesamt nur ablehnen – es sei denn, Sie stimmen un-serem Änderungsantrag und unserem Entschließungs-antrag heute zu.
Das Wort hat
jetzt der Herr Bundesminister des Innern, Otto Schily.
Frau Präsi-dentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich derWirklichkeit nicht verschließt, dann muss man anerken-nen, dass das Versorgungsänderungsgesetz 2001 notwen-dig ist, um das Versorgungssystem zu erhalten
und die Pensionen von Beamten, Richtern und Soldatenzu sichern. Wir müssen die Rentenreform – das ist übri-gens ein gesetzlicher Auftrag – wirkungsgleich auf dieBeamtenversorgung übertragen.
Ich empfehle allen, den Zweiten Versorgungsberichtder Bundesregierung nachzulesen. Aus diesem Versor-gungsbericht ergibt sich, dass allein im früheren Bundes-gebiet die Versorgungsausgaben der Gebietskörperschaf-ten von derzeit fast 43 Milliarden DM bis 2040 auf circa164 Milliarden DM ansteigen werden. Das ist fast eineVervierfachung. Diesem Problem müssen wir uns allestellen. Eine verantwortungsbewusste Politik kann dasnicht einfach beiseite schieben.Die PDS hat ja allenfalls Ahnung, wie man Ausgabenerhöht, versteht aber von Finanzpolitik nicht mehr als dasSchwarze unterm Fingernagel. Das will ich jedoch nichtweiter kommentieren.
Im Übrigen sind die Maßnahmen, die wir hier treffenund die der wirkungsgleichen Übertragung der Renten-reform entsprechen, ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit.Die Konsequenzen, die sich aus den verschiedenen Fi-nanzproblemen ergeben, müssen gleichmäßig auf die ak-tiv Beschäftigten und auf die im Ruhestand Befindlichenverteilt werden, damit die soziale Gerechtigkeit keinenSchaden nimmt.
Dazu gehören selbstverständlich auch die im öffentlichenDienst Beschäftigten. Darüber sollten wir mit diesen ehr-lich sprechen.
Die Veränderungen der Beamtenpensionen dienen inerster Linie den Interessen der Länder; das will ich hierbesonders herausstellen. Die Zahl der Versorgungsemp-fänger in den Ländern
– rufen Sie doch nicht immer solchen Unsinn dazwischen –
wird sich bis 2030 verdoppeln. Beim Bund hingegen wirdsich die Zahl um 15 Prozent verringern.Wir machen eine verantwortungsbewusste Politik, diewir vor allem im Interesse der Länder durchsetzen müs-sen;
denn die Versorgungsausgaben in den Ländernwerdenin dem genannten Zeitraum um 300 Prozent steigen.Diese Zahl muss man auch vor dem Hintergrund sehen,dass in den Ländern bereits heute circa 40 Prozent desHaushalts für Personalkosten aufgewendet werden. DerBund liegt bei etwa 12 Prozent. Diese Tatsache muss manberücksichtigen.Ohne dieses Gesetz können die Probleme der Länderüberhaupt nicht gelöst werden. Deshalb erwarte ich auch,dass die Länder im Bundesrat zustimmen werden. Es wäreeinmal ganz interessant, zu erfahren, ob es einige Länderdarauf ankommen lassen würden, dieses Gesetz scheiternzu lassen. Mit Blick auf ihre künftigen Finanzproblemekönnen sie sich das nämlich gar nicht leisten.Was von verantwortungslosen Politikerinnen und Poli-tikern leider geäußert wird, es würden die Pensionengekürzt, ist schlicht falsch. Es wird nur der Anstieg ent-sprechend den Vorgaben der Rentenreform abgeflacht.Dadurch sinkt der Höchstruhegehaltssatz von 75 auf71,75 Prozent. Auch nach der Reform bleibt für alle Be-troffenen die verfassungsrechtlich abgesicherte Vollver-sorgung erhalten. Ich werde am Schluss noch auf dasSachverständigengutachten eingehen.Entgegen der Propaganda einiger Kritiker werden dieVorleistungen berücksichtigt. Die in den Versorgungs-rücklagen schon erbrachten Leistungen in Höhe von0,6 Prozent werden bereits in der ersten Stufe der Über-tragung der Rentenreform berücksichtigt. Insgesamt wirddas Versorgungsniveau von 2003 bis 2010 um circa 5 Pro-zent abgeflacht. Das ist genau wirkungsgleich zur Ren-tenreform. Zur Vermeidung von Doppelbelastungen istin diesem Zeitraum der weitere Aufbau der Versorgungs-rücklage ausgesetzt. Von 2011 bis 2017 wird dann inUmsetzung der zweiten Stufe der Rentenreform dieVersorgungsrücklage fortgeführt. Soziale Härten werdenvermieden. Auch dafür gibt es genügend Belege.
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Petra Pau20415
Ich komme zu einem anderen Sachverhalt, den Sieebenfalls nicht berücksichtigen. Dass auch Beamte künf-tig an der staatlichen Förderung teilnehmen können, über-sehen manche. Ich muss in Richtung Herrn Stadler – ermusste aus zwingenden Gründen die Debatte verlassen –und Herrn Belle sagen: Bei Ihren Vorschlägen bleiben dieBeamten hinsichtlich der staatlichen Förderung außenvor. Sie müssen einmal die Zahlen vergleichen: Die Ent-lastungen zugunsten der Länder, des Bundes und der an-deren Gebietskörperschaften betragen etwas über 12 Mil-liarden DM. Über die Förderung der privaten Vorsorgegeben wir 9,3 Milliarden DM zurück. Auch diese Zahlenmuss man bei einer objektiven Beurteilung zur Kenntnisnehmen.Wir müssen uns im Übrigen darüber im Klaren sein,dass wir mit den Versorgungsproblemen noch grundsätz-licher umgehen müssen. Tatsache ist, dass im Jahre 1999circa 47 Prozent aller Pensionierungen wegen Dienst-unfähigkeit erfolgt sind und dass die Beamtinnen undBeamten im Durchschnitt mit 59 Jahren in den Ruhestandtreten. Angesichts des starken Anstiegs der Versorgungs-ausgaben muss diese Situation geändert werden. Ich be-grüße deshalb ausdrücklich den Entschließungsantrag derKoalition, der dieses Thema aufgreift. Ich erwarte selbst-verständlich nicht, dass alle meinem Beispiel folgen undzur Entlastung der Renten- bzw. Versorgungskassen ihreLebensarbeitszeit verlängern.
Noch eine Bemerkung zur Sachverständigenanhörung:Die Sachverständigen sind schlicht von einer falschen Vo-raussetzung ausgegangen.
– Ja. – Sie kannten nämlich nicht das Ergebnis der Ver-handlungen über die Zusatzversorgung des öffentlichenDienstes. Wenn sie die gekannt hätten, wären sie zu ganzanderen Feststellungen gekommen. Ich will einmal davonabsehen, dass einige Sachverständige Verbandsvertreterwaren und eher die Verbandspositionen vertreten haben.
– Das ist kein Maulkorb. Die Objektivität kann aber in ei-nem solchen Fall an der einen oder anderen Stelle infragegestellt werden.Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Tarifvertrags-parteien, dass sie in diesen schwierigen Verhandlungenüber die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zueinem guten Ergebnis gekommen sind.Das muss man in einem Zusammenhang sehen: Ohnedie Reform der Beamtenversorgung wäre die Bereitschaftder Tarifvertragsparteien – zumindest auf der Seite derGewerkschaften –, diese schwierigen Verhandlungen zueinem erfolgreichen Ende zu führen, nicht vorhanden ge-wesen. Diesen Zusammenhang sollten Sie beachten.Das Gesamtkonzept der Bundesregierung sorgt dafür,dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentli-chen Dienstes, seien es nun Arbeiter, Angestellte oder Be-amte, auch in Zukunft eine sichere und finanzierbareAltersversorgung erhalten. Ich bitte Sie deshalb alle umZustimmung zu diesem Gesetzgebungswerk.
Danke schön. –Ich schließe damit die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die von den Frak-tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowievon der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe einesVersorgungsänderungsgesetzes 2001. Der Innenausschussempfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 14/7681 die Annahme der genannten Gesetz-entwürfe als Versorgungsänderungsgesetz 2001 in derAusschussfassung.Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wirzuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantragder Fraktion der CDU/CSU, Drucksache 14/7694? – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantragist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion derPDS auf Drucksache 14/7699? – Wer stimmt dagegen? –Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-men der Koalitionsfraktionen und der FDPgegen die PDSbei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt worden.Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschuss-fassung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetz-entwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen wor-den.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Werstimmt dagegen? – Der Gesetzentwurf ist damit in dritterLesung angenommen worden.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache14/7700. Wer stimmt dafür? – Dagegen? – Enthaltungen? –Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen derKoalitionsfraktionen und der FDP gegen die Stimmen derPDS bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt worden.Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Be-schlussempfehlung auf Drucksache 14/7681 die An-nahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Be-schlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD,des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP bei Enthal-tung der CDU/CSU und der PDS angenommen worden.Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrateingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Beamten-rechtsrahmengesetzes, Drucksache 14/6717. Der Innen-ausschuss empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfeh-lung auf Drucksache 14/7681, den Gesetzentwurfabzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurfzustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim-
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Bundesminister Otto Schily20416
men? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiterBeratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegendie Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die wei-tere Beratung.Ich rufe jetzt Zusatzpunkt 4 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Änderung der Strafprozessordnung– Drucksachen 14/7008, 14/7258 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 14/7679 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Jürgen Meyer
Joachim StünkerNorbert GeisVolker KauderVolker Beck
Jörg van EssenDr. Evelyn KenzlerEs liegt ein Änderungsantrag der Fraktion derCDU/CSU vor. Für die Aussprache ist eine halbe Stundevorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist dasso beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat für die Bun-desregierung der Parlamentarische Staatssekretär EckhartPick das Wort.D
Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Mit Ablauf des 31. Dezember dieses Jahres tritt§ 12 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen außer Kraft.Der vorliegende Gesetzentwurf zur Einführung der§§ 100 g und 100 h StPO schafft eine verbesserte Nach-folgeregelung zu dieser Vorschrift.Eine solche Nachfolgeregelung ist wichtig. Gerade imRahmen organisierter oder gar terroristischer Krimina-lität beobachten wir immer wieder den Einsatz moder-ner Telekommunikationstechniken. So wissen sich ge-rade auch archaisch anmutende so genannte Gotteskriegermodernster Telekommunikationsformen zu bedienen.Die §§ 100 g und 100 h StPO erlauben den Strafver-folgungsbehörden – ebenso wie die Vorgängerregelung –den Zugriff auf solche Daten, die Informationen darübergeben, mit wem ein Verdächtiger wann telefoniert oder imInternet kommuniziert hat. Diese Fähigkeit der Strafver-folgungsbehörden ist unverzichtbar. Staatsanwaltschaftenund Polizei können dieses Ermittlungsinstrument auchin Zukunft nutzen. Damit leisten Bundesregierung undRegierungskoalition einen weiteren messbaren Beitragdazu, dass sich die Menschen in unserem Land sicherfühlen können.
Allerdings darf es Sicherheit ohne Freiheit nicht ge-ben. Diese Erkenntnis gilt auch in Zeiten, in denen sichunsere demokratische Gesellschaft als wehrhaft gegen dieBedrohung durch den internationalen Terrorismus er-weisen muss. Aus diesem Grund kommt für die Bundes-regierung eine bloße Verlängerung oder Entfristung des§ 12 FAG nicht in Betracht. Sie wissen, diese Vorschriftstammt im Wesentlichen aus dem Jahre 1927 und ist aufdie damalige, von Handvermittlung geprägte Fernmelde-technik zugeschnitten. Gerade weil die moderne Digitali-sierung des Telekommunikationsverkehrs zu einer enor-men Fülle abruffähiger Daten geführt hat, ist ein neuerAusgleich zwischen den Belangen der Kriminalitäts-bekämpfung einerseits sowie dem Schutz des Fernmel-degeheimnisses andererseits zu schaffen.
Diesem Anspruch wird der Gesetzentwurf, über den wirheute beschließen, gerecht. Er stärkt die Verbrechens-bekämpfung und die Bürgerrechte.Lassen Sie mich kurz auf die wesentlichen Verbesse-rungen in diesem Gesetzentwurf eingehen:Erstens. Das Auskunftsrecht besteht künftig bei derAufklärung von Straftaten von erheblicher Bedeutung,wobei im Gesetz der Katalog des § 100 a Satz 1 StPO bei-spielhaft genannt wird. Bei den telekommunikationstypi-schen Straftaten wie etwa der Datennetzkriminalität oderbelästigenden Anrufen kann die Auskunft sogar bereitsdann verlangt werden, wenn Gründe der Verhältnis-mäßigkeit nicht entgegenstehen.In diesem Zusammenhang ist die Kritik an diesermaßvollen Absenkung der Auskunftsvoraussetzungennicht nachvollziehbar. Ich verweise insbesondere auf dieStellungnahme des Bundesrates vom 19. Oktober 2001, inder er diesen Punkt ausdrücklich begrüßt hat. Dieser über-zeugenden Einschätzung kann ich mich nur anschließen.Sie wird im Übrigen auch von dem Bundesbeauftragtenfür den Datenschutz geteilt.
Zweitens. Da wir das Ermittlungsinstrument der§§ 100 g und 100 h StPO nunmehr stärker auf die erheb-lichen Straftaten konzentrieren, wollen wir gleichzeitigden Wert der Auskünfte für die Strafverfolgungsbehördenverbessern. Der Gesetzentwurf räumt Staatsanwaltschaf-ten und Polizei erstmals die Möglichkeit ein, Auskunftauch über zukünftige Telekommunikationsverbindungenzu erlangen. Damit begegnen wir der Gefahr, dass denStrafverfolgungsbehörden wichtige Erkenntnisse vorent-halten bleiben.Drittens. Schließlich präzisiert der Gesetzentwurf erst-mals die Daten, über die Auskunft zu erteilen ist. Dabeibeschränken wir die Auskunft über die Standortkennungbei Mobiltelefonen ganz bewusst auf die Fälle, in denenes zu einer Verbindung gekommen ist.
Präzise Bewegungsprofile von Personen anhand derFunkzellen, in die sich Handys im Stand-by-Betrieb
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer20417
einbuchen, sollen den Strafverfolgungsbehörden zwarweiter zur Verfügung stehen, aber nur wie bisher bei Vor-liegen der Voraussetzungen einer Telefonüberwachung.Die Neuregelung des § 12 FAG in der Form der§§ 100 g und 100 h StPO ist eine wesentliche Verbesse-rung gegenüber der geltenden Rechtslage. Sie schafft Si-cherheit und sichert Freiheit. Deswegen bitte ich um IhreZustimmung.
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Volker Kauder.
Frau Präsidentin! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Herr StaatssekretärPick, man muss sich über die Einlassung, die Sie geradegemacht haben, schon wundern. Sie haben darauf ver-wiesen, dass die Regelungen des § 12 des Fernmeldean-lagengesetzes im Wesentlichen aus dem Jahr 1927 stam-men. Man wundert sich doch sehr, wie lange Sie in dieserrot-grünen Bundesregierung gebraucht haben, um eineneue Regelung herbeizuführen.
Wenn man sich das Verfahren anschaut, dann mussman sich noch mehr wundern. Man muss der Öffentlich-keit einmal sagen, wie das abgelaufen ist. Man weiß seitzwei Jahren, dass die Regelung im Dezember 2001 aus-läuft. Bereits im Oktober 1999 stand ich an diesem Pultim Deutschen Bundestag und habe einen Gesetzentwurfder CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorgetragen, der dieseRegelung verlängern und entfristen sollte, damit sie dau-erhaft zur Verfügung steht.
Es sind zwei Jahre ins Land gegangen, bis Sie endlich– vor wenigen Wochen – einen Gesetzentwurf vorgelegthaben. Als wir ihn in dieser Woche beraten wollten, habenSie ihn kurzfristig zurückgezogen und diesen Punkt vonder Tagesordnung nehmen wollen. Zur völligen Überra-schung von uns allen ist dann eine Sondersitzung des Aus-schusses einberufen worden. Man hat auf einmal eineRegelung vorgelegt, die alles andere als systematisch kor-rekt und inhaltlich in Ordnung ist. Das muss man einmalklar und deutlich sagen.
Wir wissen natürlich ganz genau, womit das zusam-menhängt, Herr Kollege Ströbele. Sie waren vermutlichderjenige, der entscheidend dazu beigetragen hat, aus ei-ner guten Regelung mit guten Möglichkeiten für dieStrafverfolgungsbehörden eine Regelung zu machen, dieverwässert ist und schlechter als die ist, die wir bisher hat-ten. Dies alles musste in einer Nacht-und-Nebel-Aktiongeschehen, sodass innerhalb von wenigen Stunden einGesetzentwurf auf der Tagesordnung war, wieder abge-setzt wurde, um dann wieder neu auf die Tagesordnunggesetzt zu werden. Das ist ein Beispiel dafür, wie dieserot-grüne Koalition im Rechtsausschuss schon seit Jahrenarbeitet.
Sie sollten mit dieser Form der Arbeit, Herr Staatsse-kretär Pick, nicht weitermachen, weil dies nicht seriös ist.Ich könnte eine ganze Reihe von anderen Gesetzesvorha-ben nennen, bei denen Sie in gleicher Weise vorgegangensind. Mich wundert ein bisschen, dass Sie, die Sie nicht inder Regierung sitzen, sondern Abgeordnete sind, so etwasmit sich machen lassen. Es ist eine grobe Missachtung derRechte von Parlamentariern, wie die Beratungen imRechtsausschuss stattfinden.
Sie haben zwei Jahre Zeit gehabt, sich eine konkreteRegelung zu überlegen. Sie haben in diesen zwei Jahrennichts gemacht. Aber auf einmal kommt etwas. Man ver-mutet fast, seit den Ereignissen vom 11. September ist beiIhnen die Erkenntnis gewachsen, dass nun doch schnelleretwas getan werden muss. Sie haben sich dann darauffestgelegt, nicht nur eine Verlängerung des § 12 des Fern-meldeanlagengesetzes, sondern einen Gesetzentwurf vor-zulegen.In diesem Gesetzentwurf haben Sie die Bedingungenangehoben. Sie gleichen die neuen Regelungen den Re-gelungen zur Abhörung von Telefongesprächen an, beidenen auch über die Inhalte berichtet werden muss. Esgibt aber überhaupt keine Notwendigkeit, bei den Rege-lungen zur Fortführung des § 12 FAG die gleichen schar-fen Eingriffsvoraussetzungen wie bei den Vorschriften an-zulegen, die sich auf die Abhörung beziehen.
Sie haben damit eine Regelung, die wesentlich weni-ger greift und weniger Möglichkeiten als bisher zur Ver-fügung stellt. Dazu kann ich nur sagen: So etwas erlebenwir in diesen Tagen permanent. Der Bundesinnenministerspricht scharf wie ein Rasiermesser. Aber es kommt im-mer viel weniger heraus, als versprochen worden ist. Esgilt auch hier der alte Satz der Heiligen Schrift: An eurenTaten werdet ihr gemessen, nicht an euren Worten.
Sie spielen ein ganz eigenartiges Spiel. Am Montag hatder Bundesinnenminister mit aller Schärfe erklärt: Wirwerden alles tun. Am Dienstag hat sich Herr Ströbelegeäußert, worauf alles verwässert wurde. Am Freitag se-hen die Dinge wieder ganz anders aus.
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Parl. Staatssekretär Dr. Eckhart Pick20418
Ich möchte Ihnen dafür ein Beispiel geben: SPD undBündnis 90/Die Grünen haben große Probleme, auf demGebiet der inneren Sicherheit zu einem Kompromiss zukommen. Herr Schily hat angekündigt, dass derDaumenabdruck in den Ausweis aufgenommen werdensoll. Herr Ströbele hat daraufhin gesagt: Das kommt nichtin die Tüte. Dann kam es auch nicht in die Tüte.
So sieht der Preis aus, der für die Zustimmung der Grünenzum Einsatz der Bundeswehr gezahlt werden muss. DieWechsel werden jetzt präsentiert.
Herr Kollege Ströbele, dies dient nicht der inneren Si-cherheit.
Richtig ist aber – das will ich durchaus anerkennen –,dass Sie sich nach zwei Jahren dazu durchgerungen ha-ben, das Thema innere Sicherheit etwas ernster zu neh-men und einen Gesetzentwurf vorzulegen. Einige Teiledes Gesetzentwurfs weisen allerdings systematischeMängel auf. Dies wird – darauf möchte ich hinweisen –auch noch selber zugegeben: Es ist nicht geboten, dasZeugnisverweigerungsrecht in § 100 h einzuschränken.Es ist nicht sachgerecht. – Dass das Zeugnisverweige-rungsrecht in § 100 h ein Fremdkörper ist, wird pikanter-weise in der Begründung des Entwurfs zugegeben. DieBefristung der Neuregelung wird nämlich ausdrücklichdamit begründet, dass ein Gesamtkonzept zum Zeugnis-verweigerungsrecht noch vollständig fehle. Wir werdenuns also erneut mit diesem Komplex befassen müssen. Siegeben zu, dass Sie unter Zeitdruck gehandelt haben. Nurweil Sie sich im Rechtsausschuss nicht durchringen konn-ten – das finde ich ausgesprochen jämmerlich –, den An-trag des Kollegen Funke anzunehmen, § 12 FAG nocheinmal um ein halbes Jahr zu verlängern – das wäre diesachgerechte Lösung gewesen –, haben Sie einen eigenenEntwurf vorgelegt. Das ist unerträglich.
So sollten wir als Juristen im Rechtsausschuss eigentlichnicht miteinander umgehen.Rot-Grün geht es also um alte ideologische Ziele. Esgeht um bessere Möglichkeiten zur Kontrolle des Han-delns der Strafverfolgungsbehörden. Aber es geht wiedernicht darum, den Polizeien, den Staatsanwaltschaften undden Gerichten bestmögliche Instrumente zur Bekämpfungder Kriminalität zu geben.Wir verschließen uns nicht dem Ansinnen, § 12 FAGim Rahmen eines vernünftigen – und dem Eingriff in dieRechte der Telefonnutzer angemessenen – Verfahrens inneuer Form in die Strafprozessordnung einzufügen. Ihrenüber das Knie gebrochenen Vorschlag, der eine eindeutigeVerwässerung der Regelung und eine Einschränkung derEffektivität der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden be-deutet, können wir jedoch nicht mittragen. Es war seit lan-gem bekannt, dass und wann § 12 FAG außer Kraft tretenwird. Dennoch hat die Koalition die Zeit nicht genutzt, ineinem Gesetzgebungsverfahren, das einen Eingriff inGrundrechtspositionen sauber und angemessen regelt,eine dauerhafte Fortgeltung dieser Regelung zu kodifizie-ren. Herr Staatssekretär, Sie haben das Thema unerträg-lich lange schleifen lassen und überbieten sich jetzt in Ak-tionismus.Der vorliegende Entwurf ist nicht durchdacht und insich widersprüchlich, wie Sie selber in der BegründungIhres Gesetzentwurfs zugeben.
Er widerspricht auch dem erklärten Ziel der Bundesregie-rung, den Terrorismus mit bestmöglichen Mitteln zubekämpfen. Die Entwurfsfassung ist ein massiver Rück-schritt im Vergleich zu dem bisherigen Rechtszustand.Wir bedauern es außerordentlich, dass Sie uns im Rechts-ausschuss keine Gelegenheit gegeben haben, angemessenüber dieses schwierige Thema, das natürlich mit Ein-griffen in Grundrechtspositionen verbunden ist, zu bera-ten. Schließlich handelt es sich ja nicht um eine Regelung,die sich einfach aus dem Ärmel schütteln lässt. Man kannnicht einfach sagen: Wenn sie nichts ist, machen wir halteine neue. Diese Regelung ist ja von einer gewissen Be-deutung.Ich finde es besonders ärgerlich, dass wir jetzt eigent-lich Gelegenheit gehabt hätten, eine Regelung auf denWeg zu bringen, die Bestand hat und auf Dauer wirkt. DieStrafverfolgungsbehörden haben in der heutigen Zeitwirklich etwas anderes zu tun, als immer wieder in dasGesetzblatt zu schauen, was sich geändert hat. Es wärerichtig gewesen, die Regelung zu verlängern. Dann hätteman genug Zeit gehabt, um eine gute Regelung auf denWeg zu bringen und den Strafverfolgungsbehörden ein In-strument an die Hand zu geben, das bei der Bekämpfungder Kriminalität wirksam ist und die Bürgerrechte trotz-dem nicht einschränkt. Diese Chance haben Sie verpasst,wie es bei manchen Gesetzgebungsvorhaben der letztenZeit auch der Fall war. Deswegen werden wir nicht zu-stimmen.
Das Wort hatjetzt der Abgeordnete Hans-Christian Ströbele.
legen! Weniger wegen der Union – obwohl der KollegeKauder mir gerade reichlich Gelegenheit gegeben hat,ihm zu antworten –, sondern wegen alle der beiden klei-neren Parteien habe ich Wert darauf gelegt, heute hiernoch einmal zu diesem Gesetzentwurf zu sprechen.Herr Kollege Funke, ich verstehe überhaupt nicht, wieein gestandener Abgeordneter aus einer sich liberal nen-nenden Fraktion dafür sein kann, dass die alte Regelungdes § 12 FAG erneut verlängert wird, von der Sie selberund eigentlich alle sagen, dass sie nicht nur alt ist – siestammt aus dem Jahre 1927 –,
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Volker Kauder20419
sondern auch die moderne Telekommunikation nichtberücksichtigt. Vor allen Dingen aber engt sie eine Reihevon Freiheitsrechten unzulässigerweise viel zu weit ein,weil der Eingriff in das Telefongeheimnis, nämlich dieFeststellung, mit welcher Telefonnummer jemand eineVerbindung hatte, bei jeder x-beliebigen Straftat vorge-nommen werden soll, auch dann, wenn es vielleicht nurum einen kleinen Diebstahl, einen kleinen Betrug odereine Sachbeschädigung geht. Diesen Teil der alten Rege-lung wollen wir im Gegensatz zu Ihnen nicht beibehalten.
Zur PDS kann ich nur feststellen, dass sie überhauptkeine Änderung will. Sie hat im Rechtsausschuss alle An-träge abgelehnt. Ich bin nun wirklich kein großer Freundrepressiver Strafverfolgungsmaßnahmen. Aber auch Siemüssten einsehen, dass es hin und wieder ein Interesse derStrafverfolgungsbehörden gibt, zu wissen, wer mit wemtelefoniert hat. Wenn wir beispielsweise – Ihnen passiertdas sicherlich wie mir auch – nachts am Telefon be-schimpft und beleidigt werden,
dann haben wir und auch die Strafverfolgungsbehördendas Interesse, zumindest zu wissen, von welcher Telefon-nummer der Anruf kam. Das ermöglicht diese Vorschrift.Dasselbe gilt, wenn festgestellt werden soll, wer zuletztmit einem Ermordeten telefoniert hat. So etwas festzu-stellen ist doch ein berechtigtes Anliegen der Strafverfol-gungsbehörden. Es geht überhaupt nicht um die Ge-sprächsinhalte, sondern nur um die Daten derTelekommunikationsverbindungen. Wie man angesichtsdessen sagen kann, man wolle und brauche dies allesnicht, verstehe ich nicht.Wir haben hier ein Gesetz vorgelegt, das die Möglich-keit aufrechterhält und sogar noch ein bisschen ausbaut,Telekommunikationsverbindungen im Rahmen des Not-wendigen festzustellen. Die Erweiterung bezieht sich zumeinen auf die Daten, die aufgezeichnet werden können,zum anderen auf den Zeitraum, für den eine solche Maß-nahme zulässig sein soll. Den Zeitraum haben wir auf dreiMonate begrenzt. Das ist richtig und vernünftig. Wennman erkennen will, ob und von wem ein Telefonanschlussangewählt wird, dann standen die Richter auch in der Ver-gangenheit immer wieder vor der Notwendigkeit – daraufhat der Datenschutzbeauftragte hingewiesen –, solche Er-mächtigungen für einige Wochen zu erteilen. Wurden sienicht erteilt, hat die Staatsanwaltschaft sie alle paar Tageoder Wochen neu gefordert. Jetzt dehnen wir das auf dreiMonate aus; das ist richtig und vernünftig und notwendig,weil es einem berechtigten Bedürfnis der Strafverfol-gungsbehörden entspricht.Aber, Herr Kollege Kauder, nicht alles, was möglichist, um den Terrorismus zu bekämpfen, ist richtig. UnsereFraktion und unsere Koalition bestehen auf der Einhal-tung der rechtsstaatlichen Regeln und der Freiheitsrechte,
die wir doch verteidigen wollen. Wir können nicht dasKind mit dem Bade ausschütten, indem alle möglichenFormen polizeilicher Repression zugelassen werden. Inden USAtreibt das ganz schreckliche Blüten; es wird überFolter und über monatelange Festnahme ohne jede Be-schuldigung und ohne jedes Verdachtsmoment gespro-chen. Das wollen wir nicht.
Vielmehr wollen wir uns in den Bahnen bewegen, dierichtig und vernünftig sind und zugleich die Freiheits-rechte sichern.Die wichtigste Bestimmung, um die wir die frühereRegelung erweitert haben, ist, dass die Vorschrift nur fürerhebliche Straftaten gilt. Es ist doch zwingend, dass ers-tens die Regelungen dem Grundsatz der Verhältnismäßig-keit entsprechen und dass zweitens die Richter die Maß-nahmen anordnen. Wenn Staatsanwälte das im Einzelfallwegen Gefahr im Verzuge machen, dann muss unverzüg-lich die nachträgliche richterliche Genehmigung einge-holt werden. Anders geht das vor allen Dingen in Zukunftnicht.Wir wollen drittens ebenfalls nicht – Herr Pick hat be-reits darauf hingewiesen –, dass im Stand-by-Verkehr,wenn also ein Handy nur da liegt, aber keine Verbindungbesteht, für die so genannten Bewegungsbilder festge-stellt und aufgezeichnet werden kann, wo es sich befindet.Wir haben viertens im Anschluss an die Diskussionüber dieses Thema in der letzten Legislaturperiode vonAnfang an verlangt und großen Wert darauf gelegt – daswar tatsächlich einer der Gründe, warum es so lange ge-dauert hat –, dass die Berufsgeheimnisträger geschütztbleiben, weil wir es für richtig halten, dass Anrufe beiGeistlichen, beispielsweise Beichtvätern – Beichtmüttergibt es wohl gar nicht –,
Verteidigern und Abgeordneten nicht festgehalten, son-dern geschützt werden sollen, weil diese Vertrauens-sphäre schützenswert ist. Wir haben die Diskussion da-rüber, ob auch die anderen Berufsgeheimnisträger wieRechtsanwälte, Ärzte, aber auch vor allen Dingen Journa-listen in gleicher Weise geschützt werden sollen, nochnicht abgeschlossen. Das wollen wir nachbessern, sobalddas in Auftrag gegebene Gutachten vorliegen wird, wasbisher leider daran scheiterte, dass die dazu erforderlichenDaten von den von Ihnen regierten Ländern noch nicht ge-liefert worden sind. Eigentlich sollte dieses Gutachten imSeptember vorliegen.
Deshalb konnten wir diesen Punkt noch nicht klären underledigen. Das wird nachgeliefert werden.Wir haben hiermit ein sehr wirksames, aber den rechts-staatlichen Grundsätzen und Freiheitsrechten verpflichte-tes Gesetz geschaffen. Es ist ein recht gutes Gesetz, das
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Hans-Christian Ströbele20420
weiter verbessert werden kann. Auf jeden Fall ist es vielbesser als die Regelung, die wir damit ablösen.
Das Wort hat
jetzt Herr Kollege Funke.
Frau Präsidentin! Meine Da-men und Herren! Herr Kollege Ströbele, natürlich brau-chen wir eine Nachfolgeregelung zu § 12 FAG. Das wardoch zwischen uns völlig unstreitig.Unsere Kritik bezieht sich darauf, dass Sie dieses Ge-setz in einem wirklich chaotischen Verfahren beratenwollten.
– Herr Kollege Ströbele, ich wollte Sie gerade anspre-chen.
Herr Kollege Ströbele, wir wollten lediglich eine ord-nungsgemäße Beratung zu dieser Nachfolgeregelung.Das, was Sie hier veranstalteten, war das schlichte Chaos.
Das wundert mich bei der rot-grünen Koalition nicht,
aber wir mussten das in den letzten Jahren noch nicht ineinem solchen Ausmaß erleben.Wenige Tage vor dem Auslaufen der alten Regelungdes § 12 FAG haben Sie dieses Gesetz im Rechtsaus-schuss durchgepeitscht.
Heute soll es noch schnell im Plenum beschlossen wer-den. Der Bundesrat hat überhaupt keine Möglichkeitmehr, beispielsweise den Vermittlungsausschuss anzuru-fen, es sei denn, man ließe sich darauf ein, dass es zeit-weise überhaupt keine gesetzliche Regelung gibt. Siewussten die ganze Zeit über, dass § 12 FAG geändert wer-den muss. Das ist schon ein sehr beachtlicher Vorgang.
Selbst parlamentarische Regeln haben Sie missachtet. Siehaben noch nicht einmal abgewartet, bis das Protokoll derAnhörung vorlag.
Es ist wirklich abenteuerlich, wie hier miteinander umge-gangen wird.
– Herr Hartenbach, ich kann doch auch zuhören und habezugehört.
– Dann brauchen wir überhaupt kein Protokoll mehr.Das ist eine diffizile Rechtsfrage. Es geht um rechts-staatliche Fragen, um Fragen der Einhaltung des Grund-gesetzes. Deshalb möchte ich doch einen Blick ins Proto-koll werfen können. Das haben Sie uns verwehrt.
In der Sache kann man sehr unterschiedlicher Meinungsein. Es ist sicherlich richtig, dass die Nachfolgeregelungzu § 12 FAG in der Strafprozessordnung untergebrachtwird. Das ist systematisch in Ordnung.Ausdrücklich begrüßt die FDP, dass die Neuregelunggerade keine Auskünfte über die „Aktiv“-Meldung vonMobiltelefonen, also beim Stand-by, erlaubt.
– Das halte ich auch für richtig. Keine Bewegungsbilder!Das ist übrigens auch einer der Gründe dafür, dass wiruns dem CDU/CSU-Änderungsantrag nicht anschließenkönnen.
Im Übrigen bleibt es inhaltlich dabei, dass trotz einesvielfach besseren Schutzes gegen Eingriffe in die Grund-rechte nach Art. 10 Grundgesetz – das kann man be-grüßen – die Eingriffsschwelle gegenüber der Vorgänger-regelung letztlich deutlich niedriger ist, da Straftaten vonerheblicher Bedeutung als Voraussetzung für einen Ein-griff ausreichen. Die FDP hätte einen abschließenden undklar festgelegten Katalog befürwortet, so wie sie es auchbeim Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten getanhat.
Das war bei der Schnelligkeit, in der Sie in der Nacht vonDienstag auf Mittwoch beraten haben, wohl nicht mög-lich.Hinzu kommt noch etwas. Zwar hat der Bundesdaten-schutzbeauftragte eine Reihe von Änderungen im Grund-satz durchaus begrüßt, aber immerhin vier wesentlichePunkte kritisiert und die haben Sie nicht berücksichtigt.Das ist einer der Gründe, die mich zu der Auffassung ge-führt haben, dass inhaltliche Fragen nicht hinreichendberücksichtigt worden sind, weil Sie sich in der Nacht dieZeit dafür nicht genommen haben und auch nicht nehmenkonnten. Wir hätten eine gründliche Beratung gewünscht.
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Hans-Christian Ströbele20421
Das war wegen Ihrer Verzögerung vorher nicht möglich.Deswegen lehnen wir das Gesetz ab.
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Kenzler.
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Uns ist durch eigene Anfra-
gen, aber auch durch den Tätigkeitsbericht des Bundesbe-
auftragten für den Datenschutz vom März dieses Jahres
bekannt, dass die Zahl der strafprozessualen Telefon-
überwachungen und damit der Eingriffe in die Grund-
rechte nach Art. 10 Grundgesetz seit Jahren erheblich
steigt.
Bereits 1999 haben die Datenschutzbeauftragten eini-
ger Bundesländer Alarm geschlagen; denn in der Vergan-
genheit wurden die staatlichen Lauschbefugnisse durch
ausufernde Überwachungsvorschriften und -maßnahmen
ständig erweitert.
Die Zahl der richterlichen Anordnungen für Telefonüber-
wachungsmaßnahmen nach § 100 a StPO hat sich bereits
von 1989 bis 1993 nahezu verdoppelt. 1996 ist sie sogar
auf über 6 000 angewachsen.
– Das müssen Sie sich trotzdem anhören. – Derzeit wer-
den jährlich mehr als 13 000 Telefonanschlüsse abgehört.
Wenn davon im Durchschnitt circa 50 Gesprächsteilneh-
mer betroffen sind, geraten schätzungsweise mehr als
600 000 Bürger im Jahr in eine Telefonkontrolle. Das sind
die Fakten. Damit nimmt Deutschland beim Abhören in-
ternational einen Spitzenplatz ein.
Der Katalog der Straftaten, bei denen die Telefonab-
hörung erlaubt ist, wurde mehrfach erweitert. Er umfasst
inzwischen circa 90 Straftatbestände. Insgesamt ist die
Entwicklung deshalb höchst alarmierend.
Unter diesen Umständen dürfte man zumindest ent-
sprechende rechtsstaatliche Sicherungen erwarten. Das ist
aber nicht der Fall. Die Zustimmung des Richters zur Te-
lefonüberwachung braucht nicht begründet zu werden. Es
gibt auch keine richterliche Verlaufskontrolle mit regel-
mäßigen Berichtspflichten. Rechtstatsachenforschung und
Qualitätskontrolle gibt es bislang ebenfalls nicht in ausrei-
chendem Maß. Berichte an das Parlament über Anlass,
Verlauf, Ergebnisse, Anzahl der Betroffenen und Kosten
der durchgeführten Maßnahmen sucht man vergebens. Es
findet schlichtweg eine unzulängliche Rechtskontrolle
statt. Es geht uns nicht um Totalverweigerung, sondern um
das Wie und um die Rechtskontrolle.
Herr Kollege Ströbele, Sie werden uns aber auch nicht in
die Ecke der Totalzustimmung bekommen, in der Sie sich
offensichtlich befinden.
Statt diesen Zustand zu verbessern, wird die Aus-
kunftsbefugnis von Strafverfolgungsbehörden über Tele-
kommunikationsverbindungen in die StPO eingestellt und
bis 2004 befristet. Mit dem Verweis auf noch ausstehende
Gutachten sind rechtsstaatliche Korrekturen in weite
Ferne gerückt.
Für die neu eingefügten §§ 100 g und 100 h StPO setzt
der Entwurf die Eingriffsschwelle zum Teil sogar niedri-
ger, wenn auf „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ ab-
gestellt wird. Im Interesse der Rechtsklarheit und damit
der Rechtssicherheit sollte zumindest ein abschließender
Katalog der Straftaten von erheblicher Bedeutung aufge-
stellt werden.
Auskünfte über Telekommunikationsdaten sollten
nicht geringeren Anforderungen als bei der Telefonüber-
wachung unterworfen werden. Bedenklich ist im Übrigen
auch, dass keine Höchstfrist für die Anordnung der Aus-
kunft über in der Vergangenheit liegende Telekommuni-
kationsdaten vorgesehen ist.
Auch wenn jetzt noch auf die Schnelle durch die Re-
gierungskoalition beim Zeugnisverweigerungsrecht ein
Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot für bestimmte
Berufsgruppen nachgereicht wurde – was ich durchaus
anerkenne und was auch unser Sachverständiger bei der
Anhörung mit ins Gespräch gebracht hat –, können wir
diesem Gesetzentwurf wegen grundsätzlicher Bedenken
nicht zustimmen.
Jetzt hat der Ab-
geordnete Jürgen Meyer das Wort.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf derBundesregierung, der heute in zweiter und dritter Lesungberaten und verabschiedet werden soll, erfüllt eine Forde-rung, die von der Koalition und der Opposition diesesHauses gemeinsam erhoben worden ist. Ohne dieses Ge-setz würde die durch den bisherigen § 12 des Gesetzesüber Fernmeldeanlagen den Strafverfolgungsbehördeneröffnete Möglichkeit, von verpflichteten Diensteanbie-tern Auskunft über Telekommunikationsverbindungenzu verlangen, am 31. Dezember dieses Jahres ersatzlosbeendet. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Op-position, Sie sollten sich also überlegen, ob Sie heute mitNein stimmen können.
Unbestreitbar ist es aber für eine effektive Strafverfol-gung unverzichtbar, dass die Strafverfolgungsbehördenderartige Auskünfte zu Ermittlungs- und Fahndungs-zwecken auch weiterhin erhalten können. Die Nachfolge-regelung musste der Tatsache Rechnung tragen, dass dieErmittlungsmaßnahme einen Eingriff in mehrere Grund-rechte darstellt. Betroffen ist zum einen das Fern-
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Rainer Funke20422
meldegeheimnis gemäß Art. 10 Grundgesetz, zum ande-ren aber auch das Grundrecht auf informationelle Selbst-bestimmung gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1Abs. 1 Grundgesetz.Die hier interessierenden Auskünfte betreffen nichtden Inhalt von Ferngesprächen, wohl aber technische Da-ten wie Zeitpunkt, Anschlussstelle und Ort des Ge-spräches. Ursprünglich – darauf haben mehrere Rednerhingewiesen – sollten auch im Sachzusammenhang ste-hende Regelungen wie die Überwachung von Telefonge-sprächen gemäß § 100 a StPO systematisch neu geregeltwerden. Leider hat sich dieses bis zum Zeitpunkt des Aus-laufens der Geltung von § 12 FAG als umöglich erwiesen.Darauf gehe ich noch ein, Herr Kollege Kauder.
Gleichwohl ist die Nachfolgeregelung unbestreitbarbesser als die auslaufende Regelung. Dies stellt beispiels-weise der Bundesbeauftragte für den Datenschutz beialler Einzelkritik in seinem Schreiben vom 12. Novemberdieses Jahres zutreffend fest. Er hebt als positiv hervor:Erstens wird die Nachfolgeregelung aus systemati-schen Gründen in die StPO eingegliedert und damit auchinhaltlich in die Nähe der Telekommunikationsüberwa-chung gerückt.Zweitens werden die Anspruchsvoraussetzungen ange-hoben, indem – wenn die Tat nicht mittels einer Endein-richtung begangen worden ist – eine Straftat von erheb-licher Bedeutung vorliegen muss.Drittens wird die Harmonisierung mit den Vorschriftender Telekommunikationsüberwachung in den §§ 100 a,100 b StPO fortgesetzt, indem beispielsweise eine Anord-nung, die wegen Gefahr im Verzug durch einen Staatsan-walt erfolgte, außer Kraft treten soll, wenn sie nicht bin-nen drei Tagen vom Richter bestätigt wird.Die Tatsache, dass die Neuregelung bis zum 31. De-zember 2004 befristet wird, dient nicht zuletzt demZweck, spätestens zu diesem Zeitpunkt eine umfassendeRegelung des Schutzes von Zeugnisverweigerungsrech-ten der Berufsgeheimnisträger vorzunehmen.
Die aus den Ausschussberatungen hervorgegangeneRegelung umfasst zum Beispiel noch nicht das journalis-tische Zeugnigsverweigerungsrecht, dessen gesetzlicheNeuregelung gegenwärtig noch Gegenstand eines Ver-mittlungsverfahrens ist. Nach meiner Auffassung wird indie spätestens 2004 erfolgende endgültige Regelung auchdas Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 3StPO aufgenommen werden können.Ich gehe davon aus, dass mit der bevorstehenden Re-form für diesen Bereich bis dahin gute Erfahrungen ge-macht sein werden. Eine vorsichtige Bewertung des heutezu verabschiedenden Gesetzes kann nur lauten, dass esbesser ist als § 12 FAG, dass es aber nicht das Ende derDiskussion bedeuten kann.Ich erinnere in diesem Zusammenhang daran, dass dieTelefonüberwachung gemäß § 100 a StPO häufig Gegen-stand lebhafter Debatten, auch in diesem Hause, gewesenist.
Dabei hat die CDU/CSU-Fraktion immer wieder eine Er-weiterung des Deliktskataloges verlangt, während dieKoalition auf einer gleichzeitigen kritischen Überprüfungder derzeitigen Katalogtaten
und der Einführung von Kontrollmaßnahmen analog denfür die technische Wohnraumüberwachung vorgesehenenKontrollen gemäß Art. 13 des Grundgesetzes bestandenhat.
Grundlage der von allen Fraktionen gewünschten Re-form sollte ein rechtstatsächliches und rechtsvergleichen-des Gutachten des Freiburger Max-Planck-Institutssein, das zwar vom Bundesjustizministerium im Dezem-ber 1999 in Auftrag gegeben worden ist, aber bis heutenicht fertig gestellt werden konnte. Der Grund dafür isteinfach und alles andere, Herr Kollege Kauder, als Anlassfür Vorhaltungen etwa gegenüber der derzeitigen Bundes-regierung.
Die Herausgabe der Akten für die vereinbarte empirischeUntersuchung bedurfte nämlich einer gesetzlichenGrundlage, die seit dem bekannten Volkszählungsurteildes Bundesverfassungsgerichts von 1983 längst hättegeschaffen werden müssen.
Leider haben der früheren Bundesregierung die 16 Jahrebis 1998 dafür nicht ausgereicht.
Der Flughafenkompromiss eines neuen Strafverfah-rensänderungsgesetzes vom August 1998 scheiterte letzt-lich am Widerstand der Bayerischen Landesregierung.Die Folge war, dass beispielsweise das FDP-geführteJustizministerium von Baden-Württemberg
verständlicherweise die Herausgabe der benötigten Aktenzunächst abgelehnt hat, bis die überfällige gesetzlicheGrundlage vorliegen würde.
Bekanntlich ist unter der Federführung der jetzigenBundesregierung das Projekt StVÄG zügig zu Ende ge-bracht worden,
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Dr. Jürgen Meyer
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sodass die gesetzliche Grundlage für die Herausgabe derbenötigten Akten im August des vergangenen Jahres inKraft treten konnte.Anschließend, verehrte Kolleginnen und Kollegen vonder CDU/CSU-Fraktion, kam es dann zu viel zu langenund teilweise von bürokratischer Bedenkenträgerei derLandesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern
gekennzeichneten Verhandlungen zwischen dem Max-Planck-Institut und den genannten Bundesländern. Da-durch vergingen volle zwölf Monate, bis endlich im Au-gust dieses Jahres die Akten übergeben worden sind.Das ist der Sachverhalt, der zur Folge hat, dass wirheute lediglich eine vorläufige, wenn auch den alten § 12FAG verbessernde Regelung und nicht eine Gesamtrege-lung der Überwachung von Telekommunikation ver-abschieden können. Wenn also die von der Opposition inden Ausschussberatungen und heute erhobenen Vorwürfeernst gemeint sein sollten, müssten sie auf die frühereBundesregierung und die genannten CDU-FDP bzw.CSU-geführten Landesregierungen zurückfallen.
Sobald im kommenden Jahr die rechtstatsächliche undrechtsvergleichende Untersuchung des Freiburger Max-Planck-Instituts vorliegt, werden die Beratungen über dieReform insbesondere von § 100 a StPO, die wir ja ge-meinsam wollen, intensiv aufzunehmen sein.
Ich hoffe, dass dem Bundestag dann gelingt, was trotzmehrerer Anläufe der Justizministerkonferenz, auf die wirursprünglich gesetzt hatten,
nicht gelungen ist, nämlich ein Gesetz, das sowohl demGrundrechtsschutz der Betroffenen als auch der Effektivitätder Strafrechtspflege in vollem Umfang Rechnung trägt.Ich danke Ihnen.
Ich schließe da-
mit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
der Strafprozessordnung in der Ausschussfassung. Dazu
liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU auf Drucksache
14/7691 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt
für den Änderungsantrag der CDU/CSU? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit
den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und
PDSgegen die StimmenderCDU/CSUabgelehntworden.
Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschuss-
fassung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetz-
entwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der gesam-
ten Opposition angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zu-
stimmen möchte, den bitte ich, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestellten
Stimmenverhältnis angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier,
Doris Barnett, weiteren Abgeordneten und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker
Beck , Grietje Bettin, Dr. Thea Dückert,
weiteren Abgeordneten und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ge-
setzes über Arbeitnehmererfindungen
– Drucksache 14/5975 –
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur För-
derung des Patentwesens an den Hochschulen
– Drucksache 14/5939 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses
– Drucksache 14/7573 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Alfred Hartenbach
Dr. Norbert Röttgen
Volker Beck
Rainer Funke
Sabine Jünger
Zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen liegt
ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor.
Erfreulicherweise haben die Kollegen Hartenbach,
Loske, Funke, Böttcher und Tauss ihre Reden zu Protokoll
gegeben.1) – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden.
Herr Hauser, ich habe gehört, dass es Ihre letzte Rede
sein könnte. Wir werden Ihnen daher besonders aufmerk-
sam zuhören. Als einziger Redner in dieser Debatte hat
der Kollege Norbert Hauser das Wort.
Frau Präsiden-tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Tagen
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Dr. Jürgen Meyer
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1) siehe Anlage 2läuft in unseren Kinos der Film „Harry Potter und derStein der Weisen“.
Herr Tauss, wenn Sie sich diesen Film angeschaut hätten,dann hätten Sie etwas lernen können. Offenbar haben Siedas nicht gemacht. Mit Ihrem Vorschlag zur Abschaffungdes Hochschullehrerprivilegs haben Sie den Stein derWeisen jedenfalls nicht gefunden. So ist das eben, wennsich „Bildungsmuggels“ austoben dürfen.
Alle waren sich einig: Das Hochschullehrerprivileg istein Relikt aus der Kaiserzeit; daher ist es abzuschaffen. Esgibt den Professoren eine Vormachtstellung, die nichtzeitgemäß ist. Während sie von ihren Erfindungen finan-ziell profitieren können, geht die Universität, die die In-frastruktur und damit die Voraussetzungen für die Erfin-dungen zur Verfügung stellt, leer aus. Gerade in derheutigen Zeit, in der viele unserer Hochschulen finanziellam Stock gehen, ist ein solches Ungleichgewicht nicht ak-zeptabel.
Den Hochschulen sind bessere Rechte bei der Ver-marktung von Patenten zu geben. Diesem Ziel wurdeauch die Initiative des Bundesrats vom Dezember 2000gerecht. Sicherlich hätte man über diese Initiative geson-dert positiv abstimmen können; aber es herrschte die Auf-fassung, das Arbeitnehmererfindungsgesetz insgesamt seizu novellieren. Auch die Bundesratsinitiative hätte in De-tailfragen noch überarbeitet werden müssen; allerdingsstimmte zumindest einmal die Richtung.Sie von Rot-Grün gingen einen anderen Weg.
Man brachte einen eigenen Gesetzesantrag ein. Dieserfand zwar kaum die Zustimmung der Betroffenen und derVerbände. Aber das war Ihnen, wie üblich, egal; Mehrheitist Mehrheit. Sie hielten am einmal eingeschlagenen Kursfest und zeigten sich, wie auch sonst, in vielen Fällen ab-solut beratungsresistent. Entsprechend schlecht durch-dacht ist das Ergebnis.
Bei den Beratungen hat wieder einmal die Bundesfor-schungsministerin Bulmahn verloren. Erst hakte es zwarzwischen den beteiligten Ministerien, sodass die Fraktio-nen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen eigenenEntwurf vorlegten; aber dann kam die Ministerin dochnoch aus den Puschen.
Im Juli stimmte das Kabinett ihrem Vorstoß endlich zuund unsere Ministerin feierte sich selbst, wie sie es auchin diesen Tagen – dies wurde durch eine Pressemitteilungdeutlich – wieder trefflich getan hat.
– Ich gebe gern zu: In dieser Disziplin ist sie Weltmeis-terin.
Bei einigen anderen Disziplinen, auf die es eigentlich an-kommt, hat sie die Kreisklasse noch nicht erreicht.
Die Überschrift der Pressemitteilung hieß: „Bulmahnholt Erfindung aus den Schubladen“.
Ihr Problem ist allerdings: Es gab Zoff im Bundesrat, derseinen eigenen Vorschlag – zu Recht – für besser hielt,und Frau Bulmahn geriet in Zeitnot. Antwort Bulmahn:Zurück in die Schublade und schnell wieder vergessen.Das war der wegweisende Beitrag unserer Bundesfor-schungsministerin zur Abschaffung des Hochschullehrer-privilegs!
Ob die Hochschulen bei der Umsetzung des rot-grünenGesetzentwurfes besser fahren, ist allerdings auch zwei-felhaft. Zahlreiche Fachleute haben die heute vorliegendeRegelung scharf kritisiert und darauf gedrängt, sie zuüberarbeiten. Herausgekommen sind eine Fristverlänge-rung von einem Monat auf zwei Monate für die Offenba-rungsmöglichkeit nach vorher angezeigter Erfindungbeim Dienstherrn und das Austauschen des Wortes „Ver-öffentlichung“ durch „Offenbarung“ in der Frage, was zutun ist, wenn ein Erfinder die Preisgabe seiner Dienst-erfindung ablehnt.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, diese Änderun-gen sind Marginalien. Sie müssen sich die Frage gefallenlassen, ob Sie die guten Ratschläge der Fachleute über-haupt zur Kenntnis genommen haben.Wie schwach Ihr Gesetzesvorschlag ist, erkennt manbereits an zwei Details:Die Frist zwischen der Anmeldung der Diensterfin-dung beim Dienstherrn und der Möglichkeit, sie zu offen-baren, wird von einem Monat auf zwei Monate verlängert.Zahlreiche Sachverständige haben bei dem Berichterstattergespräch im Rechtsausschuss darauf gedrängt, dieFrist auf vier Monate zu verlängern. Bei einer Frist von nurzwei Monaten ergeben sich Schwierigkeiten bei der Be-wertung der Erfindungsergebnisse und gravierende Pro-bleme bei der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. ImÜbrigen beträgt die nach dem Arbeitnehmererfindungs-gesetz übliche Frist gemäß § 6 Abs. 2 vier Monate. Dasheißt: Wird in der Wirtschaft geforscht, so hat der Arbeit-geber zwei Monate länger Zeit, als wenn eine Hochschulebeteiligt ist. Warum Sie den Hochschulen nicht die gleicheZeit einräumen wollen, konnten Sie nicht überzeugenddarlegen.
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Norbert Hauser
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Völlig außer Acht gelassen haben Sie das Problem derGemeinschaftserfindungen. Ohne eine Lösung dieserFrage in der Neufassung von § 42 des Arbeitnehmererfin-dungsgesetzes ist dieses jedoch nicht tragfähig.
– Sie werden hier noch eine Neuformulierung vornehmen,Herr Tauss.Wer glaubt, dass der Arbeitnehmer in der Hochschulein einem stillen Kämmerlein vor sich hin brütet, dannschreit: „Heureka, ich habe es!“, in das Rektorat rennt undsagt: „Hier ist meine Erfindung“, der denkt in Kategoriendes 19. Jahrhunderts.Die Wirklichkeit sieht anders aus:
Heute wird im Team geforscht; oft sind unterschiedlicheTräger beteiligt.
Es kann also sein, dass Hochschulen mit Forschungsein-richtungen und Abteilungen aus der Industrie gemeinsamErfindungen hervorbringen und es bei der Offenbarung zuProblemen kommt. Was ist dann zu tun? Ihr Gesetzentwurfgibt darauf keine Antwort. Dies hat nicht nur für die Pa-tentierbarkeit von Hochschulerfindungen Folgen. Wenndiese alltäglichen Probleme nicht juristisch geklärt wer-den, wird es zu Schwierigkeiten sowohl bei der Zusam-menarbeit zwischen Hochschulen, zwischen Hoschschu-len und Instituten und zwischen Hochschulen und derWirtschaft kommen als auch bei der Einwerbung dringendbenötigter Drittmittel.Sie sollten nicht die Augen vor der Wirklichkeit ver-schließen. Sie halten aber trotz des Wissens, dass Ihr Ent-wurf von allen vorliegenden Entwürfen der schwächsteist,
krampfhaft am eigenen Entwurf fest. Wahre Größe zeigtsich daran, wie man mit Kritik umgeht. Was das anbe-langt, Herr Tauss,
sind Sie bis heute noch nicht über einen Zwergenwuchshinausgekommen.
Meine Damen und Herren, die Koalition wird nochnicht einmal ihrem eigenen politischen Anliegen gerecht.Frau Bulmahn versprach in ihrer Pressemitteilung eineUnterstützung der wirtschaftlichen Verwertung vonHochschulpatenten. Dafür sollte es eine Gesetzesände-rung geben; zudem sollte ein 100-Millionen-Programmaufgelegt werden. Der Ansatz ist löblich, die Realisierungaber ist leider unzureichend. Dafür werden Agenturen ge-gründet bzw. bereits tätige Agenturen erhalten neue Auf-träge. Wenn ich den Forschungsgeist in den Hochschulenbetrachte, dann glaube ich, dass sie Erfolg haben werden.Nach drei Jahren aber wird die Förderung seitens desBundes eingestellt. Was passiert dann? Diese Frage be-antwortet der Gesetzentwurf nicht.Ohne eine weitere finanzielle Unterstützung durch denBund werden die dann mühsam aufgebauten Strukturenabgebaut. Wenn Deutschland hinsichtlich der wirtschaft-lichen Verwertung von Hochschulpatenten konkurrenz-fähig sein will, muss die Förderung langfristig angelegtwerden. Das heißt, es muss die Bereitschaft zu einem An-schlusskonzept geben.
Fehlt diese Bereitschaft, läuft man Gefahr, 100 Millionenin den Sand gesetzt zu haben.Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie ver-fahren folgendermaßen: Erst setzt man Länder und Hoch-schulen an einen reich gedeckten Tisch, um ihnen nachder Vorspeise den Hauptgang wegzunehmen.
Was bleibt, ist Hunger.
Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Bundesrat.Dieser hat am 27. September 2001 in seiner Stellung-nahme zum inzwischen eingestampften Gesetzentwurfder Bundesregierung festgestellt:Die in einigen Ländern noch aufzubauenden Patent-und Verwaltungsstrukturen werden jedoch voraus-sichtlich über die Dauer der auf drei Jahre befristetenBundeshilfen hinaus defizitär bleiben. Deshalb for-dert der Bundesrat eine entsprechende Verlängerungder finanziellen Unterstützung durch den Bund.Aber auch dieser Appell hat die Ohren der Koalitionnicht erreicht, obwohl
– Herr Kollege, das ist Ihnen natürlich unangenehm –auch die Länder das mitverfasst haben, in denen die Lan-desregierungen von Ihnen getragen werden. VerschließenSie also nicht die Augen vor der Wirklichkeit, stellen Siedie Weichen für eine dauerhafte Lösung! Gesetzestech-nisch wäre noch Zeit innerhalb der kompletten Novellie-rung des Arbeitnehmererfindungsgesetzes.
Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Sie innerhalb wenigerMonate Ihre eigenen Gesetze überarbeiten müssten.
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Norbert Hauser
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Meine Damen und Herren, uns allen ist daran gelegen,die Hochschulen bei der wirtschaftlichen Vermarktung ih-rer Patente zu unterstützen. Wir liegen im internationalenVergleich noch weit zurück. Hilfe seitens des Bundes istdringend notwendig, sowohl als Geldgeber wie auch alsGesetzgeber.
Wenn Sie heute das Arbeitnehmererfindungsgesetz in dervorliegenden Fassung beschließen, versagen Sie als Ge-setzgeber. Es bleibt zu hoffen, dass die Erfinder an unse-ren Hochschulen auch ohne rot-grüne Hilfe in der Lagesind, den Stein der Weisen zu finden.Ich wünsche Ihnen ein gutes Wochenende.
Danke schön. –
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zu der Abstimmung über den von den
Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen einge-
brachten Gesetzentwurf. Der Rechtsausschuss empfiehlt
unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/7573, den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung anzunehmen.
Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS
vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den
Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 14/7652? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt worden.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und
FDP bei Enthaltung der PDS angenommen worden.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,
wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Lesung mit dem eben festgestellten
Stimmverhältnis angenommen worden.
Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten
Gesetzentwurf zur Förderung des Patentwesens an den
Hochschulen. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzent-
wurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-
wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hau-
ses abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Ge-
schäftsordnung die weitere Beratung.
Wir sind damit am Schluss unserer Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 12. Dezember, 13 Uhr, ein.
Sofern ich mich mit dem Kalender richtig auskenne,
kann ich Ihnen einen schönen Advent wünschen.
Die Sitzung ist geschlossen.