Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b auf:a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung
— Drucksache 10/2677 —aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksachen 10/3518, 10/3519 —Berichterstatter:Abgeordnete GüntherHeyennFrau Dr. Adam-Schwaetzer Buebbb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 10/3526 —Berichterstatter: Abgeordnete Sieler Dr. FriedmannFrau Seiler-Albring Dr. Müller
b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Verbesserung und Ergänzung sozialer Maßnahmen in der Landwirtschaft
— Drucksache 10/3483 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO
— Ich nehme das zur Kenntnis. Aber ich bin gerade dabei, Herr Kollege, die Tagesordnung vorzutragen, und lasse mich dabei ungern unterbrechen. —Weiter rufe ich die Zusatz-Tagesordnungspunkte 6 und 7 auf:
— Drucksache 10/2608 —a) Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung
— Drucksachen 10/3518, 10/3519 —Berichterstatter:Abgeordnete GüntherHeyennFrau Dr. Adam-Schwaetzer Buebb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung— Drucksache 10/3527 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Friedmann Frau Seiler-AlbringDr. Müller
Sieler
Fr zu Punkt 19 TO
Beratung des Antrags des AbgeordnetenBueb und der Fraktion DIE GRÜNEN Grundrente statt Altersarmut— Drucksache 10/3496 —Überweisungsvorschlag:Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für WirtschaftHaushaltsausschuß
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10910 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Präsident Dr. JenningerZu dem Tagesordnungspunkt 19 a liegen Änderungsanträge auf den Drucksachen 10/3521 und 10/3522 und ein Entschließungsantrag auf Drucksache 10/3523 der Fraktion der SPD sowie ein Änderungsantrag auf Drucksache 10/3520 des Abgeordneten Bueb und der Fraktion DIE GRÜNEN vor.Meine Damen und Herren, nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sind eine gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b sowie der Zusatz-Tagesordnungspunkte 6 und 7 und eine Aussprache von vier Stunden vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Ströbele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einen Antrag zur Tagesordnung stellen. Ich bin in dieser Woche zum zweitenmal gehindert, an der Sitzung des Plenums teilzunehmen, weil der Innenausschuß gleichzeitig über das Volkszählungsgesetz berät, das nach der Tagesordnung für die nächste Woche vor der Sommerpause gar nicht mehr verabschiedet werden soll.
Ich habe mich in den Deutschen Bundestag wählen lassen, weil ich den Parlamentarismus beim Wort nehmen will, und dazu gehört in erster Linie die Teilnahme an den Sitzungen des Plenums.
Ich beantrage daher, die Tagesordnung dahin gehend zu ändern,
daß entweder der Herr Präsident die Genehmigung für die gleichzeitige Sitzung des Innenausschusses widerruft oder hier bis halb zehn zugewartet wird, damit auch ich Gelegenheit habe, dieser wichtigen Rentendebatte zu folgen und mich an ihr zu beteiligen.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Das Wort hat der Abgeordnete Seiters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache es ganz kurz: Wir haben eine interfraktionelle Vereinbarung, daß wir — mit Rücksicht auf die Trauerfeierlichkeiten für den verstorbenen Staatsminister Alois Mertes — diese vierstündige Debatte von 8 bis 12 Uhr hier im Deutschen Bundestag durchführen. Über die Frage der gleichzeitigen Sitzung des Innenausschusses ist im
Ältestenrat und unter den Fraktionen gesprochen worden. Der Präsident hat diese Sitzung nach meiner Meinung aus guten Gründen — zwar nicht in Übereinstimmung mit Ihrer Fraktion, aber mit den anderen Fraktionen — genehmigt, wie das in anderen Fällen auch üblich ist.
Ich denke, wir sollten uns jetzt sehr schnell der wichtigen Materie der Rentengesetzgebung zuwenden.
Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor.
— Zur Geschäftsordnung, Herr Kollege? — Bitte sehr, Herr Abgeordneter Ströbele, Sie haben das Wort.
Meine Fraktion hat der Genehmigung der gleichzeitigen Sitzung des Innenausschusses widersprochen. Aus der Kommentierung zu § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung ergibt sich, daß der Präsident die Genehmigung verweigern soll,
wenn mindestens eine Fraktion sich dagegen ausspricht, weil sie Interesse daran bekundet, daß alle Abgeordneten an der Sitzung des Plenums teilnehmen können.
— Ich bin da!
Herr Abgeordneter Ströbele, zunächst einmal gibt es in der Geschäftsordnung keine Bestimmung, wonach es üblich oder zwangsweise so ist, daß, wenn eine Fraktion widerspricht, eine Ausschußsitzung nicht stattfinden kann.
Zum zweiten gibt es eine Verständigung im Ältestenrat darüber, daß diese Sitzung, wie der Abgeordnete Seiters eben ausgeführt hat, heute wegen der Geschäftslage ausnahmsweise um 8 Uhr beginnt.
Ich sehe, daß der Herr Abgeordnete Porzner noch zur Geschäftsordnung das Wort wünscht. Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine Fraktion hat der Sitzung des Innenausschusses zugestimmt. In der Regel lehnen wir Sitzungen der Ausschüsse während der Plenarsitzungen ab; aber durch einen Beschluß des Innenausschusses, dem meine Fraktion dort zugestimmt hat, ist an den Präsidenten und an den Ältestenrat die Bitte herangetragen worden, daß wichtige Dinge, die dort behandelt werden müssen, weil sie nächste Woche abgeschlossen werden sollen, beraten werden können.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10911
PorznerIm übrigen sehe ich, daß einige Mitglieder des Hauses — auch Ihrer Fraktion, Herr Ströbele —, die nicht in Ausschußsitzungen sind, nicht anwesend sind,
womit ich Ihrem Wunsch gar nicht widersprechen will. Ich bitte aber darum, den Geschäftsordnungsantrag, den Sie gestellt haben, abzulehnen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Über die Entscheidung des Präsidenten ist hier nicht abzustimmen; sie kann nicht Gegenstand einer Beratung sein. Insofern ist nur darüber abzustimmen, ob die Sitzung des Bundestages bis 9.30 Uhr unterbrochen wird. Wer für diesen Antrag des Abgeordneten Ströbele ist, den bitte ich um ein Handzeichen. —
Wer lehnt diesen Antrag ab? — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Wird das Wort zur Berichterstattung oder zur Begründung gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Günther.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz und auch das Rentenreformgesetz 1985 der SPD behandeln eine der schwierigsten Materien und Problembereiche auf sozialpolitischem Felde überhaupt.
— Ausgangspunkt für das Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz der Bundesregierung ist, Frau Kollegin Steinhauer, das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 12. März 1975, in dem dem Gesetzgeber eine Neuordnung der Hinterbliebenenrenten, die dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau besser Rechnung trägt als das geltende Recht, als Aufgabe auferlegt wurde. Eine entsprechende Neuordnung sollte bis Ende 1984 in Kraft gesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat demnach in Kenntnis der Schwierigkeit der zu lösenden Probleme dem Gesetzgeber zeitlichen Spielraum gewährt.Trotz dieses zeitlichen Spielraums von fast zehn Jahren ist die Gesetzgebung zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten in Zeitnot geraten, weil dem Deutschen Bundestag in der Zeit der sozialliberalenKoalition, bis 1982, kein entsprechender Gesetzentwurf zur Beratung vorgelegt wurde.
— Dies ist kein Unsinn, Kollege Glombig, sondern nachweisbare Tatsache,
und Sie wissen das viel besser als ich, denn Sie gehören schon in dieser ganzen Zeit dem Bundestag an. Das Rentenreformgesetz 1985 hat die SPD erst Ende 1984, wenige Tage vor Einbringung des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes eingebracht.Zunächst wurde, wie Ihnen bekannt ist, im Jahre 1977 eine unabhängige Sachverständigenkommission berufen, die 1979 ein Abschlußgutachten über Modelle zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten vorlegte. In dem Gutachten wurde aber nicht nur eine kostenneutrale Neuregelung der Hinterbliebenenrente, sondern auch die Verbesserung der Hinterbliebenenversorgung insgesamt und das Ziel einer eigenständigen sozialen Sicherung der Frau angeregt.In der Zeit der Gutachtenserstellung und auch noch nach Abgabe des Gutachtens entstand in der Öffentlichkeit und auch im politischen Raum der Eindruck, man könne aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Reform zugunsten der Hinterbliebenen insgesamt ableiten und durchführen. Die Gleichstellung von Frau und Mann im Rentenrecht geriet seltsamerweise in den Hintergrund. Es wurde in diesem Stadium der Diskussion um die Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung viel zuwenig Augenmerk darauf gelegt, daß das Bundesverfassungsgerichtsurteil ein Witwerrentenurteil ist und die Gleichstellung des Mannes mit der Frau im Rentenrecht fordert. Kritisiert wurde vom Bundesverfassungsgericht, daß Witwen in jedem Fall eine Witwenrente aus der Rente ihres Ehegatten erhalten, Witwer aber nur dann eine Witwerrente aus der Rente der Ehefrau erhalten, wenn die Frau im Zeitpunkt des Versicherungsfalles überwiegend den Lebensunterhalt der Familie bestritten hat.
Das Bundesverfassungsgerichtsurteil intendiert also eine Besserstellung der Witwer, ohne daß das Bundesverfassungsgericht Hinweise gegeben hätte, wie diese Besserstellung, die Witwerrentenzahlung also, finanziert werden soll. Die Problematik der Neuregelung liegt demnach eindeutig darin, daß eine Besserstellung der Witwer ohne zusätzliche Finanzmittel zwangsläufig andere Rentenbezieher bzw. Rentenanspruchsinhaber negativ tangieren muß.Die Frage war: Wer sollte Opfer zur Finanzierung der zusätzlichen Witwerrenten bringen? Da die Alterssicherung der Frauen als ohnehin verbesserungswürdig und -bedürftig angesehen wurde, waren Modelle zur Neuregelung, die eine Umverteilung von Rentenfinanzen von Frauen auf Männer beinhalteten von vornherein problembehaftet.
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10912 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
GüntherDas von der Sachverständigenkommission erarbeitete Modell einer 70%igen Teilhaberente mit Garantie der selbsterworbenen Ansprüche, das von allen Parteien letztlich akzeptiert worden war,
war kostenneutral nicht zu realisieren.
Eine 70%ige Teilhaberente wie sie nunmehr auch von der SPD in ihrem Reformgesetz vorgeschlagen wird, hätte einerseits zu einer Verschlechterung der Rentensituation der berufstätigen Frauen und aller Frauen mit Rentenansprüchen von über einem Drittel der Ansprüche der Ehegatten geführt, andererseits die Männer in jedem Falle begünstigt.In der Sachverständigenkommission und auch in der anschließenden Diskussion in allen Parteien und Fachkreisen sprach man in diesem Zusammenhang oft von einem notwendigen Abbau der Überversorgung, die man bei den berufstätigen Frauen entdeckt zu haben glaubte, da sie 100 % der eigenerworbenen Ansprüche und 60 % abgeleitete Ansprüche aus der Rente des Mannes als Alterversorgung erhalten.
Ich will hier anmerken: Die Benachteiligung der berufstätigen Frau in nicht zu vertretender Größenordnung ist natürlich grundsätzlich ein Nachteil des Teilhabemodells.Trotz grundsätzlichen Konsenses aller Parteien zur 70%igen Teilhaberente wurde bald deutlich, daß das Modell nicht kostenneutral zu verwirklichen war und mit steigenden Problemen bei der Rentenfinanzierung immer weniger realisierbar wurde.
Das Modell einer 70%igen Teilhaberente würde nach VdR-Berechnungen im Jahre 2000 — so lange ist das für Rentenpolitik nicht hin — zu Mehraufwendungen von 1,7 % der Rentenausgaben und damit zu Beitragssatzerhöhungen führen.Die christlich-liberale Regierung stand nach der Regierungsübernahme auch hier, wie in vielen anderen Bereichen, meine Kolleginnen und Kollegen, vor einem Scherbenhaufen.
Von 1975 bis September 1982 hat es die Regierung Schmidt nicht fertiggebracht, wenigstens einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Mit der Teilhaberente lag zwar ein Modell in der Schublade, das aber noch nicht voll ausgearbeitet war, das keine sozialpolitisch befriedigende Lösung, insbesondere für die Frauen, brachte und vor allen Dingen auch nicht kostenneutral war.Es galt deshalb, ein neues, weniger kostenaufwendiges Modell zu erarbeiten, das dem Bundesverfassungsgerichtsurteil gerecht und von den Betroffenen akzeptiert wurde.
Die Bundesregierung Kohl hat bei dieser Sachlage das Modell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag entwickelt, das als kostenneutral angesehen werden kann. Die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag sieht für Männer und Frauen als Hinterbliebene jeweils 60 % als Hinterbliebenenrente bei Garantie der eigenen Versichertenrente vor. Allerdings wird Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen oberhalb eines Betrages von 900 DM zuzüglich eventueller Kinderzuschläge von 190 DM je Kind zu 40 % auf die hinzufließende Hinterbliebenenrente angerechnet. Die Dynamisierung dieser Freibeträge ist ebenfalls Gesetzesinhalt.Die eigenerworbene Rente wird also nicht angetastet; nur bei Hinterbliebenenfällen, wo Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen — z. B. Beamtenpensionen oder Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken — vorliegen, wird nach Abzug des Freibetrages, eventueller Kinderzuschläge und eines Abschlags für Steuern und Sozialabgaben sowie des Anteils der Alterssicherung mit Zusatzcharakter, Einkommen teilweise, nämlich zu 40% vom Rest, auf die Hinterbliebenenrente angerechnet.
Die Anrechnung erscheint auf den ersten Blick sehr problematisch. Stellt man sich aber die Frage, wer belastet wird, so ergibt sich folgendes Bild. Nur 10 % der künftigen Witwen mit eigenen Versichertenrenten fallen unter die Anrechnung. Bei 90 % der künftigen Witwen — die Regelung gilt ab 1. 1. 1986 — ändert sich gegenüber dem heutigen Stand überhaupt nichts. Auch für Frauen, die lediglich eine Witwenrente beziehen, ändert sich nichts. Von der Anrechnung stärker betroffen werden die etwa 220 000 erwerbstätigen Witwen. Hier kommt es bei 70% zu einem teilweisen, in Einzelfällen völligen Ruhen der Witwenrente, allerdings nur so lange, wie sie erwerbstätig sind.Im Vergleich mit der Teilhaberente der SPD, wo eine Rentenreduzierung auf Dauer erfolgt, lebt nach dem Regierungsentwurf des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes die Witwen- und Witwerrente wieder auf, wenn die Erwerbstätigkeit entfällt. Bei 30 % der erwerbstätigen Witwen wird die volle Witwenrente gezahlt.Meine Kolleginnen und Kollegen, im Gesetzgebungsverfahren haben die Koalitionsfraktionen die Wirkung der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf diesen Personenkreis durch Kinderzuschläge von je 190 DM pro Kind noch wesentlich abgemildert und damit noch sozial verträglicher gestaltet. Begünstigt sind durch das Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz theoretisch durchschnittlich 500 000 künftige Witwer. 300 000 davon erhalten im Durchschnitt in Zukunft Versichertenrente und Witwerrente, die allerdings in 77% der Fälle durch die vorgesehene Anrechnung voll oder teilweise ruht, während 23 % dieses Personenkrei-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10913
Güntherses die eigene Rente zuzüglich einer vollen Witwerrente beziehen werden.Die Verbesserung der Witwerrente entsprechend dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts erfaßt demnach einen relativ geringen Personenkreis. Die Regierung und die CDU/CSU-Fraktion haben bei der Erarbeitung des Konzepts der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag besonders darauf geachtet, daß die Anrechnung, wo sie nicht zu vermeiden war, schonend erfolgt. Es muß darauf hingewiesen werden, daß trotz gewisser Härten das Modell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag von allen diskutierten Modellen das frauenfreundlichste ist.
Die Teilhaberente mit 70% und erst recht die Teilhaberente mit 65% wirken sich auf die Rentensituation der Frauen wesentlich negativer aus.
Die Frauenverbände, zusammengefaßt im Deutschen Frauenrat, und auch der DGB und die DAG haben dem Modell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag deshalb auch entsprechend früh zugestimmt und es ausdrücklich begrüßt.Das Gesetz soll am 1. Januar 1986 in Kraft treten. Entsprechend sind auch nur Hinterbliebenenfälle nach dem 1. Januar 1986 davon betroffen. Das möchte ich ausdrücklich noch einmal sagen, weil es in der Öffentlichkeit oft falsch diskutiert wird.
Alle laufenden Hinterbliebenenrenten — dies zur Beruhigung hauptsächlich der Rentnerinnen — bleiben von der Neuregelung völlig unberührt, es sei denn positiv. Durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten kann sich nämlich für Frauen, die Kinder erzogen haben, eine Erhöhung der Rente um 25 DM pro Kind ergeben.
— Ja, ich komme noch dazu, Frau Fuchs. Warten Sie ein bißchen ab. Seien Sie nicht so ungeduldig. — Voraussetzung ist allerdings, daß die Mütter am 1. Januar 1986 noch keine 65 Jahre alt sind.
— So sind Sie zufrieden, nicht?Im übrigen gibt es eine Übergangsregelung, die eventuelle Belastungen aus der Anrechnung erst allmählich eintreten läßt. Im ersten Jahr nach dem Tode des Ehegatten findet überhaupt keine Anrechnung statt. In den folgenden drei Jahren setzt die Einkommensberücksichtigung allmählich und in Stufen von 10 Prozentpunkten ein und erreicht im fünften Jahr nach dem Tode des Ehegatten 40%.Die dem Vertrauensschutz dienende Übergangsregelung gilt für Hinterbliebenenfälle bis zum Jahre 1995. Ebenfalls aus Gründen des Vertrauensschutzes wurde für Ältere eine weitere Übergangsregelung eingeführt, die den Betroffenen in den drei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes bei Vorliegen bestimmter Bedingungen ein Wahlrecht zwischen altem und neuem Recht gewährt.Meine Damen und Herren, die Versicherten sollten sich durch den politischen Streit und auch durch den Streit der betroffenen Gruppen nicht irritieren lassen. Der politische Streit über das beste Verfahren — einerseits Teilhaberente, andererseits Hinterbliebenenrente mit Freibetrag — dürfte sehr bald nach Verabschiedung dieses Gesetzes beendet sein.
Es ist letztlich ein Streit über die Finanzierung der Neuregelung, oder, konkreter gesagt, ein Streit, wer die zusätzlichen Witwerrenten finanzieren soll. CDU/CSU und FDP waren gezwungen — ich möchte das ausdrücklich noch einmal sagen —, angesichts der zukünftigen Finanzprobleme der Rentenversicherung, die sich insbesondere aus der demographischen Entwicklung unserer Bevölkerung ergeben, ein Modell zu erarbeiten, das dem Bundesverfassungsgerichtsurteil gerecht wird, das sozialpolitisch akzeptabel, langfristig kostenneutral und finanzierbar ist.
Mit zusätzlichen Mitteln wäre es leichter gewesen, ein Modell zu erarbeiten, das dann von noch breiteren Kreisen akzeptiert und sicher begrüßt worden wäre.Meine Damen und Herren, wir leben in einer Welt der begrenzten Finanzen.
Deshalb war ein weniger aufwendiges, aber solides und praktikables Modell zu erarbeiten. Wer Geld für diese Reform für andere Dinge verfrühstückt hat, der soll sich jetzt nicht beschweren, daß kein Geld mehr da ist, meine Damen und Herren.
Das sage ich besonders an die Adresse aller Versicherten.Dabei kam es uns auch darauf an, trotz der Fessel der Kostenneutralität eine sozialpolitisch befriedigende und von den Betroffenen akzeptierbare Regelung zu realisieren. Eigene Beitragsleistungen und soziale Verträglichkeit waren bei diesem Gesetzentwurf tragende Säulen und Leitmotive unseres Handelns. Ich gehe davon aus, daß das Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz bald noch größere Akzeptanz findet, als es zur Zeit nach dem Diskussionsstand den Anschein hat.
Selbst wenn die besonders umstrittene Berücksichtigung von Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkom-
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10914 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Günthermen, wie von einigen betroffenen Verbänden angedroht
verfassungsrechtlich in Karlsruhe überprüft werden sollte, glauben wir, daß das Gesetz Bestand haben wird. Die Fraktion der CDU/CSU hält den Gesetzentwurf nach sorgfältiger monatelanger Prüfung für verfassungsgemäß.
Mein Kollege Seehofer wird dazu gleich noch dezidiert sprechen.Die Akzeptanz des Gesetzes wird sicher nicht zuletzt wegen der erstmaligen Anrechnung von Kindererziehungszeiten größer sein als erwartet.
Die Einrechnung von Kindererziehungszeiten stellt einen Durchbruch im Rentenrecht zugunsten der Familie dar.
Die Regelung, die auf den Rentenzugang, soweit die Begünstigten nicht älter als 65 Jahre sind, beschränkt ist, mildert wieder einige Härten für Frauen im Hinterbliebenenrententeil des Gesetzes, soweit sie unter die 10 % der Betroffenen fallen.Die Anrechnung eines Jahres der Kindererziehung ist rentenbegründend und rentensteigernd. Sie erfaßt nicht nur leibliche Mütter und Väter, sondern auch Adoptiv-, Stief- und Pflegemütter und -väter.Eine Ausweitung der Regelung auch auf den Bestand der Rentnerinnen des Jahrgangs 1920 und älterer Rentnerinnen ist aus finanziellen Gründen nicht möglich, meine Kolleginnen und Kollegen.
Meine Kollegen werden zu Einzelheiten gleich noch sprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen; ich bin der festen Überzeugung, daß das Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetz jedem Vergleich mit den entsprechenden Regelungen des Rentenreformgesetzes 1985, also des Teilhaberentenentwurfs der SPD, der in Wahrheit ein Anrechnungsmodell ist, standhält.
Die dort scheinbar günstigeren Regelungen für enige Personenkreise sind nicht finanzierbar bzw. die entsprechende Finanzmasse muß erst anderen Rentnern weggenommen werden.
Dazu, meine Kolleginnen und Kollegen, geben wir uns nicht her.Die SPD rühmt sich schon jetzt, den Entwurf eines Rentenstrukturreformgesetzes — oder zumindest Teile davon — vorgelegt zu haben. Sie hat diese Teile meines Erachtens nur deshalb vorgelegt, um ihr wenig kostenneutrales und deshalb nicht finanzierbares Teilhabemodell überhaupt einbringen zu können. Im übrigen ist das SPD-Gesetz in den Rentenstrukturteilen zur Zeit überhaupt nicht realisierbar.
— Das sage ich Ihnen jetzt. Sie waren doch in der Anhörung anwesend, Frau Fuchs. Die Rentenversicherungsträger haben in der Anhörung übereinstimmend erklärt, daß Übergangs- und Überleitungsregelungen fehlen. Das Schwierigste, was man in dieser Frage überhaupt regeln muß, ist im SPD-Gesetz überhaupt nicht geregelt. Die Rentenversicherungsträger haben erklärt, daß sie mindestens zwei Jahre Vorlauf- und Programmierzeit brauchen, um es überhaupt praktikabel zu machen.
Für die Verabschiedung hatten Sie zehn Jahre Zeit, aber Sie haben nichts gemacht.
Nun reklamieren Sie hier die Verabschiedung. Von 1975 bis September 1982 — auch wenn Sie das nicht hören wollen, halte ich Ihnen das immer wieder vor; genauso lange, wie wir Ihnen die Zeit vorhalten, die wir benötigen, um die Schulden abzubauen, die wir von Ihnen übernommen haben — haben Sie nicht einen Gesetzentwurf vorgelegt. Nun wissen Sie auf einmal alles besser. Woher haben Sie eigentlich die Weisheit in wenigen Monaten bezogen?
Meine Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung wird die Rentenstrukturprobleme in der nächsten Legislaturperiode gezielt angehen. Deshalb brauchen wir heute auch keinen Entschließungsantrag vorzulegen. Es besteht keine Eile, und es gibt keinen Grund für übereilte Maßnahmen. Mit dem Hinterbliebenenrenten- und ErziehungszeitenGesetz wird zunächst eine dringliche Problemstellung gelöst. Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen haben sich für das Modell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag entschieden, das weniger verspricht, aber mehr hält.
Das Modell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag ist praktikabel, systemkonform, führt zu sozialpolitisch akzeptablen Lösungen, wird dem Bundesverfassungsgerichtsurteil gerecht und ist finanzierbar.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10915
GüntherMeine sehr verehrten Damen und Herren, wir bitten heute um Zustimmung zu einem Gesetzentwurf, der in der breiten Bevölkerung begrüßt wird.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Glombig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Freude, die die Bevölkerung empfindet — wenn sie überhaupt Gelegenheit gehabt hat, sich den Gesetzentwurf der Bundesregierung bis jetzt anzusehen, denn der Bundestag hatte kaum Gelegenheit, dies zu tun, geschweige denn der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung —,
wollen wir einmal das Urteil der Bevölkerung vor allem im Sommerloch, das Sie so schmerzlich erwarten, abwarten.
Bevor ich zur Sache komme, möchte ich vorweg einen kurzen Blick auf die Tagesordnung des heutigen Tages richten. Da steht für Freitag unter Punkt 19 a: „Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ... ". Unter 19b steht: „Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes ... (Drittes Agrarsoziales Ergänzungsgesetz ...)". In der verteilten Tagesordnung ist von dem Gesetzentwurf der SPD, der im Dezember vorigen Jahres als erster eingereicht worden ist, überhaupt nicht die Rede.
Es mag j a sein — es ist j a wohl auch so; ich habe es soeben gehört; der Präsident hat es aufgerufen —, daß dies nun geheilt worden ist, indem der Gesetzentwurf der SPD als Zusatzpunkt aufgerufen worden ist.
Ich finde, daß der Gesetzentwurf der SPD unter a) hätte aufgerufen werden müssen, weil alles andere gegen die Geschäftsordnung verstößt.
Dieser Vorgang im Zusammenhang mit der Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung ist nicht der erste Fall, sondern auch bei anderer Gelegenheit stelle ich fest, daß es hier eine Benachteiligung
— entweder im Rahmen der Geschäftsordnung oder außerhalb des Rahmens der Geschäftsordnung
— für die Opposition dieses Hauses gibt. Dies möchte ich vorher einmal ganz grundsätzlich feststellen.
Ich komme darauf auch bei anderer Gelegenheit im Zuge meiner Rede noch zu sprechen.
Herr Abgeordneter Glombig, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Blüm?
Der Abgeordnete Blüm kann nachher als Minister reden. Er soll sich um die Exekutive und darum kümmern, wie er den Gesetzentwurf rechtzeitig an die Legislative weiterleitet, weil ich meine, daß es sonst eine Mißachtung der Legislative ist.
Ich werde diesem Minister hier doch nicht noch einmal Gelegenheit geben, sich in der Sache zu produzieren. Wo kommen wir denn eigentlich hin?!
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cronenberg?
Nur deswegen, weil er ein netter Mensch ist; aber von der Sache her ist es dasselbe.
Herr Kollege Glombig, ich bedanke mich. Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie es nicht für sinnvoll und richtig halten, dem Hohen Hause auch mitzuteilen, daß wir mit der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfs gewartet haben, bis auch der Gesetzentwurf der Opposition vorhanden ist.
Herr Vizepräsident Cronenberg, dies ist eine Geschichtsklitterung. Wenn Sie die Daten der beiden Gesetzentwürfe gegenüberstellen, sehen Sie, daß unser Gesetzentwurf der erste war; er hat eine frühere Nummer als der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Dies hat mir der Bundesarbeitsminister in einem persönlichen Gespräch schon einmal gesagt. Sehr wahrscheinlich wollte er diese Frage stellen, die Sie jetzt freundlicherweise gestellt haben. Aber ich beantworte Sie Ihnen, vor allem in Ihrer Eigenschaft als Vizepräsident, besonders gern, und ich bitte, die Dinge auch bei Ihnen endlich einmal klarzustellen und zu sagen, was den Tatsachen entspricht. Wir hatten unseren Gesetzentwurf zuerst auf dem Markt, und die Bundesregierung kam danach. Das ist bei der Bundesregierung zu einem Zeitpunkt geschehen, als wir vor der Weihnachtspause so gut wie im Aufbruch waren. Gleich in der ersten Sitzung des neuen Jahres haben wir mit der ersten Lesung begonnen. Das sind die Tatsachen.
— Herr Feilcke, ich bin versucht, Ihnen zuzurufen: Hoffentlich haben Sie sich mit Ihrem eigenen Gesetzentwurf beschäftigt! Ich befürchte, dies war nicht der Fall. Damit Sie wissen, was Sie verab-
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10916 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Glombigschieden — die meisten wissen es nicht —, werde ich Ihnen dazu noch einiges sagen.
— Das bin ich nicht,
aber ich bilde mir ein — es ist mir unangenehm, das zu sagen —, von dieser Sache etwas mehr als Sie zu verstehen, und deswegen erlaube ich mir auch, Sie darauf hinzuweisen, um was es hier eigentlich geht.
— Nun hören Sie mal auf!Der Gesetzentwurf der Bundesregierung, den der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zur Annahme empfohlen hat, ist ein Produkt abenteuerlicher Flickschusterei.
Mit diesem Entwurf dokumentieren der Arbeitsminister und die Koalition erneut, daß sie unfähig sind, die Probleme der Alterssicherung vorausschauend zu lösen. Dabei hatten Sie, Herr Arbeitsminister, die besten Chancen, im allgemeinen Konsens eine vernünftige Reform zustande zu bringen.
Sie hätten die Möglichkeit gehabt, gleichzeitig die Alterssicherung der Frauen zu verbessern und die Rentenversicherung für zukünftige Belastungen wetterfester zu machen. Sie wollten das aus parteipolitischen Gründen nicht,
weil Sie nicht mit uns bestimmten Gruppen im Rahmen der Rentenversicherung vor der Bundestagswahl 1987 Belastungen zumuten wollten. Dies ist der wahre Grund.
Und dies geht auf Kosten der Rentner und der Beitragszahler.
Sie konnten sich auf eine breite gesellschaftliche Übereinstimmung in der Befürwortung des Teilhabemodells stützen, wie Herr Günther ja selbst gesagt hat, trotz all der verschämten Umschreibungen, die er in diesem Zusammenhang gebraucht hat.Sie hatten die Chance, die konstruktive Mitarbeit der Opposition zu gewinnen.
Denn wir als Opposition haben, anders als die CDU/ CSU in ihrer früheren Oppositionszeit — wenn Sie dies meinen —, wiederholt unsere Bereitschaft bekundet, im Rahmen von sozialpolitischen Reformen auch einzelne Besitzstände zu überprüfen, wenn dadurch der Sozialstaat insgesamt gerechter und dauerhafter finanzierbar gemacht wird. Ich selbst habe bereits im August 1982 — zur Zeit der sozialliberalen Koalition, Herr Kollege Cronenberg; ich erinnere Sie daran — in meiner damaligen Eigenschaft als Arbeitskreisvorsitzender der SPD meine grundsätzliche Bereitschaft dazu erklärt. Seit der sogenannten Wende haben wir der Bundesregierung wiederholt unsere Kooperationsbereitschaft signalisiert, obwohl wir wußten, daß umfassende Reformen in der Rentenversicherung keineswegs nur aus Leistungsverbesserungen bestehen können.Wir sind als Oppositionsfraktion sogar in Vorleistung getreten und haben einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der zwar erhebliche Verbesserungen für Frauen enthält, aber auch Umschichtungen innerhalb des Rentenrechts und eine neue Rentenformel, die unter bestimmten Umständen zu einer Verminderung des Rentenanstiegs führt.
— Darauf komme ich noch. Dies hat damit im Augenblick überhaupt nichts zu tun.Ich wollte Ihnen sagen, daß dies keineswegs populär ist, schon gar nicht für die SPD-Bundestagsfraktion. Aber, Sie haben doch den Mut zur Unpopularität in diesem Punkt nicht aufgebracht.
Wir haben bewiesen, daß wir zu konstruktiver Zusammenarbeit bereit sind, und gezeigt, wie man auch unter schwierigen ökonomischen Rahmenbedingungen eine Rentenpolitik machen kann, die sozial gerecht, langfristig angelegt und finanzierbar ist.Die Chancen für eine vernünftige Lösung im Konsens haben Sie, Herr Arbeitsminister, leichtsinnig und — ich setze hinzu — arrogant verspielt.
Sie haben immer nur von Gemeinsamkeit geredet, aber sie in Wirklichkeit nicht ernsthaft gewollt.
Ihnen lag immer nur daran, Ihre eilig zusammengestoppelten Gesetzentwürfe innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums durchzupeitschen, nicht nur gegen die Opposition, sondern auch gegen den Rat vieler Fachleute aus dem konservativen Lager.
Wir haben einen Arbeitsminister,
den eigentlich nichts anderes mehr interessiert als sein Terminplan. Er versucht nur noch, seine Gesetzentwürfe in einem solchen Eiltempo durchzubringen, daß von vornherein keiner der Abgeordneten, was ich ja aus den Zwischenrufen merke, vor allem kein Abgeordneter der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion eine Chance hat, darüber nachzudenken, was er beschließt und wofür er letztlich die
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10917
GlombigVerantwortung vor seinen Wählern zu übernehmen hat.
— Ich spreche nicht über Ihre Dummheit. Das müssen wir außerhalb dieses Plenums machen. Das wäre ja unparlamentarisch. Ich sage mit allem Nachdruck
— und ich weiß als Vorsitzender des federführenden Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, wovon ich rede —:
Die Art und Weise, wie der Minister, die Bundesregierung und die Ministerialbürokratie — ich füge dies hinzu, so schwer es mir auch fällt — das Parlament bei der Beratung der hier vorliegenden Gesetzentwürfe unter Druck gesetzt haben, ist eines frei gewählten Parlaments unwürdig
und ein Skandal. Ein Trauerspiel ist es auch,
wie sich die Kollegen aus der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung dem Druck, den Regierungsentwurf durchzupeitschen, willenlos gebeugt haben, statt ihre verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten als Abgeordnete wahrzunehmen
und zusammen mit den Oppositionsabgeordneten dafür zu sorgen, daß ausreichend Zeit für eine qualitative Beratung zur Verfügung steht. — Wenn da jemand ruft: „Unerhört!", dann sagt er dies wider besseres Wissen, oder er hat überhaupt keine Ahnung, weil er nicht an den Beratungen teilgenommen hat.
Die parlamentarische Beratung der beiden Gesetzentwürfe, über die heute zu entscheiden ist, war absolut unzureichend.
Trotz der drei Sondersitzungen des Ausschusses zur Rentenreform, die gegen das Votum der SPD-Bundestagsfraktion — das hat ja heute morgen in einem anderen Zusammenhang schon einmal eine Rolle gespielt — aus rein parteipolitischen Gründen beantragt und genehmigt worden sind,
standen für die Beratung der außerordentlich komplizierten Fragen der Rentenreform insgesamt nur fünf Sitzungstage zur Verfügung.
— Das können Sie so auslegen, wie Sie wollen.
Meine Meinung dem Präsidenten gegenüber habe ich in aller Deutlichkeit gesagt. Ich bedaure, daß meine sachlichen Argumente nicht berücksichtigt worden sind.
Dies werde ich hier im Plenum wohl auch zum Ausdruck bringen können, denn Sie rügen mich doch auch im Ausschuß.
Im Ausschuß hätte ich doch eine ähnliche Stellungwie der Präsident. Davor scheuen Sie nicht zurück.
Herr Abgeordneter Glombig, ich muß den Vorwurf der parteipolitischen Genehmigung zurückweisen.
Ich nehme dies zur Kenntnis.
— Sie werden mich gar nicht irreführen.
Zum Vergleich: Beim Rentenreformgesetz 1972 wurden nicht weniger als 18 Sitzungstage benötigt.
— Ach, reden Sie doch nicht. Sie sind doch selbst gegen dieses Gesetz. Nun tun Sie doch nicht so, als wären Sie dafür.
Sie hätten doch dafür sorgen müssen, daß dies verhindert wird, vor allem Sie hätten dafür sorgen müssen! Wenn sie sich zurückgehalten hätten, dann hätte ich davor Respekt. Ich finde es nicht in Ordnung, daß Sie hier solche Zwischenrufe machen.
Der Arbeitsminister und die Koalitionsfraktionen haben es soweit gebracht, daß die Bürger nicht mehr damit rechnen können, daß die zu verabschiedende Gesetzesvorlage — vom sozialpolitischen Inhalt einmal ganz abgesehen — wenigstens fachlich fehlerfrei formuliert ist.
Keiner kann garantieren, daß dieses Gesetz, dasheute verabschiedet werden soll, keine Pannen und
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10918 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Glombigunvorhergesehene, nicht beabsichtigte Auswirkungen enthält.
Ich sage: Das Tempo, das die Koalitionsmehrheit bei der Beratung dieser Gesetzentwürfe auf Kosten der Qualität vorgelegt hat, war überhaupt nicht aus der Sache heraus begründet
— dies hat nichts mit der Qualität der Beratung im Ausschuß zu tun —,
sondern hatte einzig und allein parteipolitische Motive. Es ist ja sogar von seiten der Koalition, vom Bundesarbeitsminister, in Gesprächen, die wir geführt haben, unbestritten geblieben, es ist auch ausdrücklich anerkannt worden, sogar im Ausschuß von seiten der Koalition — das können Sie doch heute nicht bestreiten! —: Es gibt keinerlei verfassungsrechtliche Notwendigkeit, die Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung unbedingt zum 1. Januar 1986 in Kraft zu setzen.
Es ist ein reines Märchen, wenn behauptet wird,das Bundesverfassungsgericht habe das Parlamentzur Einhaltung eines fixierten Datums verpflichtet.
Nach dem Urteil der Verfassungsrechtler hätte es vollkommen ausgereicht, wenn der Bundestag zu irgendeinem Datum,
allerdings noch vor Ablauf der jetzigen Wahlperiode — das ist das Entscheidende —, die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung beschlossen hätte. Das Gesetz hätte z. B. auch zum 1. April 1986 in Kraft treten können.
Wäre dies nicht ein Angebot gewesen? — Dies haben wir gemacht.
Die Wahrheit ist, daß der Bundeskanzler im Rahmen seiner sogenannten Richtlinienkompetenz unbedingt die Verabschiedung des Gesetzes noch vor dem von ihm so gefürchteten „Sommerloch" gewollt hat, einer Richtlinienkompetenz, die er in seinem eigenen Kabinett nicht durchsetzen kann und die gegenüber dem Parlament eine reine Anmaßung ist.
Am Ende eines derart unwürdigen und miserablen Gesetzgebungsverfahrens muß schließlich auch ein rundum mißglücktes Gesetz herauskommen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung, den die Mehrheit heute verabschieden will, ist auch nach den Änderungen, die von den Koalitionsfraktionen im Ausschuß vorgenommen worden sind, eine erbärmliche Flickschusterei. Er trägt dem Reformbedarf in keiner Weise Rechnung und schafft nur neue Ungerechtigkeiten.Sie, Herr Arbeitsminister, haben meines Erachtens in der Rentenpolitik drei schwere Fehler gemacht, von denen ich sicher bin, daß Sie sie noch bitter bereuen werden.Der erste Fehler war die Kürzung der Rentenversicherungsbeiträge der Bundesanstalt für Arbeit um mehr als die Hälfte. Sie haben zugelassen, daß sich der Bundeshaushalt in der Zeit von 1983 bis 1985 um beinahe 15 Milliarden DM aus den Rentenkassen bedient hat.
Da finde ich es unerhört, was in diesem Zusammenhang von Herrn Günther hier zu hören war.Der zweite Fehler war, daß Sie trotz der eindringlichen Forderungen der gesamten Selbstverwaltung in der Rentenversicherung nicht den Mut und die Kraft gehabt haben, diesen Fehler rückgängig zu machen. Deshalb waren Sie gezwungen — um noch einmal auf Herrn Günther zurückzukommen, der wohl gar nicht begriffen hat, welche Zusammenhänge hier wirklich bestehen — —
- Ach, seien Sie doch ruhig! Ihre Empfindlichkeit können Sie sich schenken.
Deshalb waren Sie gezwungen — Herr Jagoda, haben Sie doch auch einmal den Mut, das zuzugeben—, insgesamt viermal innerhalb von zweieinhalb Jahren am Rentenwerk herumzureparieren.
— Ihre Schreierei nützt da auch nichts. — Sie mußten das Rentenniveau um mehr als 8 % gegenüber dem früheren Rechtszustand absenken.
— Ich danke Ihnen, daß Herr Jagoda ein bißchen gebremst wird.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10919
Glombig— Ich stehe hier am Rednerpult, und da kann ich schreien, soviel ich will. Ob Sie das können, weiß ich nicht.
Sie mußten nicht weniger als viermal die Versicherungsbeiträge erhöhen. Trotzdem müssen Sie die Renten auch in diesem Jahr zeitweise auf Kredit finanzieren.
In der 15-Jahres-Rechnung bis 1998 zeigt sich schon wieder ein Fehlbetrag in der Größenordnung von sage und schreibe etwa 150 Milliarden DM.
— Ich will Ihnen dazu einmal folgendes sagen. Wenn Sie von Erblast reden, dann, so meine ich, ist eine Rücklage von 20 Milliarden DM, die Sie 1982 von uns übernommen haben, besser als die Rücklage, die heute nur noch 10 weniger als 10 Milliarden DM beträgt und, die Sie uns demnächst überlassen werden.
— Das kann doch alles nicht wahr sein.Der dritte Fehler war, daß Sie die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung von der allseits geforderten Strukturreform der Rentenversicherung abgekoppelt haben. Damit haben Sie sich selber zum Gefangenen der Kostenneutralität gemacht. Das Wort von der Kostenneutralität ist eine Schimäre. In dem Sinne, wie es Herr Günther gebraucht hat, erscheint es nicht einmal im Kommissionsbericht 1984, dem Sie doch zugestimmt haben
bzw. Frau Verhülsdonk, die damals Mitglied der CDU/CSU in dieser Kommission gewesen ist. Sie haben sich selber zum Gefangenen der Kostenneutralität gemacht, weil Sie darauf verzichten mußten, die für eine echte Reform der Alterssicherung der Frau notwendigen Finanzierungsmittel durch Umschichtungen im Rentenrecht zu beschaffen. Oder ist es vernünftig, ist es gerecht, daß diejenigen, die jahrelang studieren, eine Ausfallzeit zu 90% zugestanden bekommen, die von den Arbeitnehmern mit ihren Beiträgen zu bezahlen ist? Sie selber haben doch vor, dies zu ändern, aber im Gegensatz zu uns wiederum nicht den Mut, dies hier zu bekennen.
Das hat Sie dann dazu gezwungen, den gesellschaftlichen Konsens über die Teilhaberente aufzukündigen.
Deshalb mußten Sie ein Modell präsentieren, das für keine einzige Frau eine Verbesserung der Witwenversorgung bringt, sondern nur für Männer von Vorteil sein wird.
— Ja, so ist es.Das, was Herr Günther gesagt hat, sollten Sie sich auf Grund des Protokolls noch einmal genau ansehen. Ich weiß nicht, wer ihm das aufgeschrieben hat. Aber das kann j a wohl nicht wahr sein, was ich da eben von Herrn Günther gehört habe.Diese drei Kardinalfehler des Arbeitsministers führten zu einer Rentenpolitik, die — wie wir heute wissen — einen Scherbenhaufen zurückläßt, und zwar einen ganz anderen als den, von dem Herr Günther gesprochen hat.Auf diesem Scherbenhaufen landen nicht zuletzt Ihre eigenen Prinzipien Herr Bundesarbeitsminister, mit denen Sie früher einmal als Oppositionsabgeordneter und als Bundesvorsitzender der Sozialausschüsse angetreten sind.Auf dem Scherbenhaufen Ihrer Politik landet das Versicherungsprinzip, das klare und verläßliche Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Wir haben noch alle Ihre flotten Sprüche im Ohr, daß die Rente kein Almosen, sondern ein Lohn im Alter für die erbrachte Lebensleistung sei. Jetzt gehen Sie als derjenige Arbeitsminister in die Geschichte ein, der das Bedürftigkeitsprinzip in die Sozialversicherung eingeführt hat.
Dies hätten wir uns als Sozialdemokraten einmal erlauben sollen. Es ist uns auch — und zwar völlig unbegründet — immer der Vorwurf gemacht worden, wir wären die Systemüberwinder. Es gibt keine größeren Systemüberwinder als die Abgeordneten die auf dieser, der rechten Seite des Hauses sitzen.
Das fängt mit der Hinterbliebenenrente an und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trotz gegenteiliger Beteuerungen damit enden, daß auch aus der Versichertenrente eines Tages eine Bedürftigkeitsrente wird. Nicht umsonst ist ja in den schriftlichen Bericht auf Verlangen der Koalition hineingeschrieben worden, dies solle nur für die Hinterbliebenenrente gelten. Ein frommer Wunsch! Ich möchte mit Ihnen beten, daß das nicht
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10920 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Glombigauf die Versichertenrente übertragen wird. Ich habe keine große Hoffnung.
— So stark sind Sie j a nun auch wieder nicht. Es ist j a gestern erst gesagt worden, daß Sie über 5% sind und vier Minister haben, aber damit ist es auch vorbei.
Auf der Strecke bleiben bei Ihrer Politik gerade diejenigen Frauen, die Sie, bevor Sie Arbeitsminister wurden, mit dem Schlagwort von der neuen Mütterlichkeit ködern wollten. Gerade die nicht berufstätigen Frauen, die Ihnen doch angeblich immer besonders am Herzen gelegen haben, gehen bei Ihnen leer aus.
Sie verweigern den Hausfrauen, die meistens auch einmal Arbeitnehmerinnen waren, im Hinterbliebenenfall eine gerechte Teilhabe an den Rentenanwartschaften ihrer Männer. Dabei haben doch diese Frauen mit ihrer Erziehungs- und Hausarbeit die Berufstätigkeit ihrer Männer mit ermöglicht.
Warum mißachten Sie, Herr Bundesarbeitsminister, die allgemeine und früher auch von Ihnen geteilte Erkenntnis, daß die Rentenanwartschaften eines Ehepaares letztlich das Ergebnis der gemeinsamen Lebensleistung beider Ehegatten sind?Auf dem Scherbenhaufen Ihrer Politik landen insbesondere die Versprechungen, die Sie gerade den älteren Frauen gemacht haben. Den heutigen Rentnerinnen verweigern Sie sogar kaltherzig die Anerkennung auch nur eines Kindererziehungsjahres.
Diese Frauen müssen jetzt erkennen, daß für sie die „neue Mütterlichkeit" eines Arbeitsministers Blüm offenbar nur ein Scherz gewesen ist,
obwohl ihnen zur Oppositionszeit von der CDU/ CSU bedeutend mehr als ein Kindererziehungsjahr versprochen worden war. Ich hoffe, sie erinnern sich daran.Der Bundesarbeitsminister hat sogar von dieser Stelle aus die Geschmacklosigkeit besessen, an die Rentnerinnen zu appellieren, auf das Kindererziehungsjahr zu verzichten. Zu gleicher Zeit hat er Milliardengeschenken an Landwirte, Unternehmer und Offiziere zugestimmt.
Auf der Strecke bleibt bei der Rentenpolitik des Bundesarbeitsministers auch der Respekt vor der Verfassung und dem Bundesverfassungsgericht. Es ist ein einmaliger Vorgang, daß ein Gesetzentwurf, gegen den derart massive verfassungsrechtliche Bedenken geäußert werden, unberührt und praktisch ohne jede Änderung von Gewicht verabschiedet werden soll. Von sieben Verfassungsrechtlern, die in der öffentlichen Informationssitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu Wort kamen, waren vier der Meinung, daß der Gesetzentwurf der Bundesregierung schon vom Ansatz her wegen der Anrechnung von Einkommen auf die Hinterbliebenenrenten mit Art. 3 und Art. 14 des Grundgesetzes unvereinbar sei. Weitere zwei Sachverständige haben immerhin an wichtigen Details Kritik geübt. Noch nicht einmal diese Detailkritik ist in den Änderungen, die die Koalitionsfraktionen im Ausschuß vorgenommen haben, berücksichtigt worden. Wenn unter diesen Umständen ein Gesetz im Eiltempo verabschiedet wird, so kann man dies nur als unverantwortliches Pokerspiel mit der Verfassung bezeichnen,
zumal in wenigen Wochen ein neues Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts erwartet wird, von dem verfassungsrechtliche Aufschlüsse über den Eigentumsschutz der Renten ausgehen können. Hätte man nur weinige Wochen mit der Entscheidung gewartet, so hätte man möglicherweise Klarheit darüber bekommen, ob die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Anrechnungsmodell der Bundesregierung, das in verschämter und irreführender Weise als „Hinterbliebenenrentenmodell mit Freibetrag" bezeichnet wird, begründet oder unbegründet sind. Daß man diese Chance zu verfassungsrechtlicher Klärung nicht genutzt und das Gesetz aus rein parteipolitischen Gründen noch vor der Sommerpause verabschieden will, verrät schlechte politische Manieren und mangelnden Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht.
Ich komme zum Schluß, Herr Präsident. Die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung, auf die alle so große Hoffnung gesetzt haben, ist nun wohl in die Hände dieser Mehrheit gegeben.
— Ich habe zur Sache viel gesagt,
aber Sie haben nicht zugehört.Damit wird dieser Tag als ein schwarzer Tag in die Geschichte der deutschen Sozialversicherung eingehen, zum Nachteil der Rentner und Versicherten, insbesondere aber zum Nachteil der Frauen.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, darf ich, Herr Abgeordneter Glombig, auf Ihre kritischen Anmerkungen, was die Reihenfolge der Tagesordnung betrifft, zurückkommen. Wie Sie wissen, wird die Tagesordnung einvernehmlich im Ältestenrat festgelegt. Ich habe inzwischen nachprüfen lassen, daß es
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10921
Präsident Dr. Jenningerkeinen Antrag Ihrer Fraktion auf eine andere Reihenfolge der zur Beratung anstehenden Punkte gegeben hat. Deswegen ist in der Weise verfahren worden, wie dies in diesem Hause seit 1949 üblich war. Ich muß deswegen Ihre Kritik insoweit zurückweisen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Adam-Schwaetzer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Glombig, ich fühle mich ja richtig gebeugt, seitdem Sie uns zum willenlosen Wesen der Regierung gemacht haben. Ich meine, Sie müßten dies aus der Ausschußarbeit eigentlich besser wissen. Ich hätte es begrüßt, wenn Sie hier deutlich gemacht hätten, daß es nicht so ist.
Ich finde, wir haben im Ausschuß hart gearbeitet, wir haben vor allen Dingen unter einem fleißigen Vorsitzenden hart gearbeitet.
— Wir haben uns mit vielen Geschäftsordnungsanträgen des Kollegen Lutz auseinanderzusetzen gehabt, wir haben viele Provokationen des Kollegen Lutz zu ertragen gehabt. Das alles machte nicht immer den Eindruck, als würde die Arbeit mit Willen befördert, sondern viel häufiger den Eindruck, als würde die Arbeit nicht mit Willen befördert.
Aber wir haben es geschafft. Dafür danke ich ich auch Ihnen, Herr Kollege Glombig, als Vorsitzendem des Ausschusses.Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben sich für das Modell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag entschieden, um den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zur Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung zu erfüllen. Die Einzelheiten des Modells hat der Kollege Günther j a bereits dargelegt.So kurz vor der Sommerpause werden überall im Lande Zeugnisse verteilt. Deshalb sollte man vielleicht auch einmal mit einer Bewertung an das herangehen, was wir da gemacht haben, und sich noch einmal vor Augen führen, welchen Schwierigkeiten, welchen unterschiedlichen Anforderungen wir uns gegenübersahen. Wir hatten nicht nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, sondern wir hatten auch die langfristige Situation der Rentenversicherung zu beachten. Und wir hatten natürlich dafür zu sorgen, daß die Erwartungen, die seit 1979 von allen Seiten dieses Hauses in der Bevölkerung geweckt worden sind, zumindest in etwa mit dem Ergebnis in Einklang stehen. Wenn ich mir dieses Dreieck der Zwänge betrachte, dann muß ich sagen: Das, was wir gemacht haben, verdient die Note ausreichend.
In Abwandlung eines Churchill-Wortes, daß die Demokratie die schlechteste aller Staatsformen sei — mit Ausnahme aller anderen —, hat der Vorsitzende des Sozialbeirates diesen Gesetzentwurf mit den Worten charakterisiert: Ich sehe keine bessere Lösung als diese schlechte, also auch nicht die Lösung, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, vorschlagen. Er hat ausdrücklich gesagt, daß er unsere Lösung als annehmbarer bewertet als die Lösung der SPD.In diesem Zusammenhang muß auch an die Erklärungen der DAG und des DGB erinnert werden, die zu der Feststellung kommen, daß dem Modell der Bundesregierung unter pragmatischen Gesichtspunkten der Vorzug zu geben ist, weil es vor allem der Prämisse, daß keine gravierenden Verschlechterungen für schutzbedürftige Personenkreise eintreten sollen, stärker Rechnung trägt als ein anderes Modell.
Auch der Deutsche Frauenrat kommentiert den Gesetzentwurf mit folgenden Worten:Der deutsche Frauenrat stimmt — wenn auch nicht mit fliegenden Fahnen und mit großer Begeisterung — dem Anrechnungsmodell als dem weniger frauenunfreundlichen Modell zu.
Insofern kommt der Deutsche Frauenrat zu einer anderen Bewertung, als Sie, Herr Kollege Glombig, sie gerade vorgenommen haben.
Es gibt also keine überschäumende Begeisterung. Aber das, was jetzt folgen muß, ist eben eine sachgerechte Bewertung auch in der Öffentlichkeit.Meine Damen und Herren, den Freien Demokraten ist es nicht leichtgefallen — im Gegenteil, es ist uns schwergefallen —, von dem auch von uns zunächst beschlossenen Modell einer 70 %igen Teilhaberente Abschied zu nehmen. Wir sind ja die ersten gewesen, die dieses Teilhabemodell mit den programmatischen Beschlüssen zur Alterssicherung 1979 auf ihre Fahnen geschrieben haben. Aber wir haben einsehen müssen, daß dieses Modell kostenneutral nicht zu verwirklichen ist. Wir haben einsehen müssen, daß ein kostenneutraler Teilhabesatz so gravierende Nachteile, vor allen Dingen für berufstätige Frauen, bringen würde, daß wir uns auf diesem Hintergrund entschlossen haben, das Modell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag mitzutragen.Für die FDP-Bundestagsfraktion sind für die Beratung dieses Gesetzentwurfs und für die Verabschiedung folgende sechs Punkte entscheidend:
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10922 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Frau Dr. Adam- SchwaetzerErstens. Die Gleichbehandlung von Männern und Frauen wird — entsprechend der Forderung des Bundesverfassungsgerichts — verwirklicht.Zweitens. Eine möglichst weitgehende Kostenneutralität bei der Regelung der Hinterbliebenenversorgung ist sichergestellt. Denn zusätzliche Belastungen kann diese Rentenversicherung wirklich nicht mehr verkraften.Drittens. Die Einführung von Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung wird für die Zukunft festgeschrieben.Viertens. Die Finanzierung dieser Kindererziehungszeiten muß aus dem Bundeshaushalt erfolgen, weil es sich hierbei um eine Maßnahme des Familienlastenausgleichs handelt, die man nicht der Versichertengemeinschaft aufbürden kann.
Fünftens. Wir brauchen eine systematisch ausreichende Abgrenzung der anzurechnenden Einkommen, die dafür sorgt, daß die drei Säulen unserer Alterssicherung erhalten bleiben: die gesetzliche Rentenversicherung, ergänzt durch die betriebliche Altersversorgung und — darüber hinaus — durch eine Eigenvorsorge, über die jeder für sich selbst entscheiden kann.Sechstens. Wir wollen, daß die unterschiedlichen Funktionen von Versicherten- und Hinterbliebenenrente auch für die Zukunft festgeschrieben sind.All dies sehen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verwirklicht, und deshalb werden wir diesem Gesetz zustimmen.In der Diskussion der letzten Monate hat das SPD-Modell einer Teilhaberente mit einem Teilhabesatz von 70 % überhaupt keine Rolle mehr gespielt. Das ist, so glaube ich, auch verständlich, denn der SPD-Gesetzentwurf ist nicht kostenneutral, und auf dem Hintergrund auch dessen, was Sie, Herr Kollege Glombig, über die finanzielle Situation der Rentenversicherung gesagt haben, scheint es mir nicht tragbar zu sein, weiter darauf zu bestehen, der Rentenversicherung zusätzliche Belastungen aufzubürden.Zum anderen schlagen die Elemente, die von Ihnen zum Ausgleich der Kosten vorgetragen werden, kurzfristig in der Rentenversicherung nicht positiv zu Buche, das heißt, das, was als finanzieller Ausgleich vorgesehen wird, ist, wenn überhaupt, erst langfristig realisierbar und möglicherweise nicht mit den Beträgen, die Sie errechnet haben.
Hinzu kommt, meine Damen und Herren, daß in dem SPD-Modell Frauen schlechter behandelt werden als in dem Regierungsmodell.
Nach dem SPD-Modell sind all die Frauen, dereneigene Altersrente mehr als ein Drittel der Mannesrente beträgt, schlechter gestellt als im geltenden Recht.
Außerdem erfolgt nach dem SPD-Modell auch schon bei kleinsten eigenen Renten eine Anrechnung, wenn Mann und Frau in etwa Altersrenten in der gleichen Höhe haben. Dies kann ich nicht als eine sehr frauenfreundliche Regelung betrachten, und ich muß Ihnen sagen: Auch deshalb habe ich — wahrscheinlich leichter als viele meiner Kollegen — Abstand vom Teilhabemodell genommen, das auch wir zunächst favorisiert hatten.
Im SPD-Modell wird außerdem nicht geregelt, wie denn der Übergang vom alten zum neuen Recht auszusehen habe. Schon das macht diesen Entwurf angreifbar und eigentlich nicht verabschiedungswürdig.Richtig ist, daß in dem SPD-Entwurf ein paar Elemente für die Strukturreform, die wir ja auch in Angriff nehmen müssen, enthalten sind, die durchaus diskutabel sind.Aber, Herr Kollege Glombig, eines möchte ich nun wirklich zurückweisen, nämlich die Behauptung, wir seien nicht bereit gewesen, in Fragen des Rentenrechts mit der SPD zusammenzuarbeiten. Die Tatsache, daß wir die Reform der Hinterbliebenenrenten jetzt verabschieden wollen, hat natürlich auch damit zu tun, daß nichts dauerhafter ist als eine Übergangsregelung; das „Provisorium Bonn" zeigt das. Wenn wir uns jetzt, wie Sie es vorgeschlagen haben, für eine bis zur Strukturreform geltende Übergangslösung hätten gewinnen lassen, hätte man also mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen können, daß sich diese Übergangsregelung mit den zu erwartenden Schwierigkeiten und Problemen zu einer Dauerlösung ausgewachsen hätte.Meine Damen und Herren, all dies hat uns dazu geführt, den jetzt vorliegenden Entwurf mit zu verabschieden.Ein Teil der in der Öffentlichkeit und in Anhörungen gegenüber dem Entwurf der Bundesregierung geäußerten Besorgnisse gilt der Befürchtung, hier würden Weichenstellungen auch für die Versichertenrente getroffen. Diese Befürchtungen waren für uns Gegenstand ausführlicher Diskussionen, denn wir kennen ja die Neigung vieler Finanzminister, sich immer wieder neue Dinge auszudenken, um ihre eigenen Kassen zu füllen. Wir wissen außerdem, daß etwas dran ist an dem, was man so landläufig sagt, daß nämlich bei Gott, auf hoher See und vor deutschen Gerichten alles möglich ist.
Um es ganz deutlich zu machen: Wir haben deshalb besonderen Wert darauf gelegt, daß ganz klar wird, daß dieser Gesetzentwurf eine auf die Hinterbliebenenrente begrenzte Regelung darstellt, und wir wollen, daß das so bleibt. Das Element der Un-
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Frau Dr. Adam-Schwaetzerterhaltsersatzfunktion — im Gegensatz zur Lohnersatzfunktion der Versichertenrente — sowie die prägenden Elemente des sozialen Ausgleichs sprechen eindeutig gegen eine Anwendung dieses Modells auf die Versichertenrente.
Der durch Art. 14 des Grundgesetzes gewährte Eigentumsschutz der Versichertenrente ist in unseren Augen ein entscheidender Schutzwall gegen weitergehende Überlegungen. Dabei machen wir uns nichts vor: Soweit nicht in den durch die Verfassung geschützten Bereich der Rentenanwartschaft eingegriffen wird, hat der Gesetzgeber Gestaltungsmöglichkeiten. Dies war und ist schon im geltenden Recht so und folgt aus unserer Verfassungsordnung. Wir sind uns deshalb der Gratwanderung bewußt, die wir zwischen Anpassungszwang und Bestandsschutz gemacht haben.Wir sind der Auffassung, daß die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag auch dem Versicherungsprinzip Rechnung trägt. Ich verweise insofern auf die Witwerregelung des geltenden Rechts, die nur wegen der unterschiedlichen Anwendung auf Männer und Frauen für verfassungswidrig erklärt worden ist und nicht, weil eine derartige Regelung gegen die Grundsätze der Verfassung verstoßen würde.
Hinterbliebenenrenten bleiben Versicherungsleistungen, die sich grundlegend von Sozialhilfeleistungen unterscheiden.
Sie werden durch Beitragsleistungen erworben und grundsätzlich immer gewährt und ruhen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Da das versicherte Risiko bei der Hinterbliebenenrente nicht der ausgefallene Lohn, sondern der Unterhaltsersatz ist, läßt es sich unseres Erachtens rechtfertigen, auch nach dem Versicherungsfall erzieltes Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen zu berücksichtigen.Sozialhilfeleistungen — auch dies sei noch einmal hervorgehoben — berücksichtigen nur den im Einzelfall konkret ermittelten Mindestbedarf und unterscheiden sich deshalb grundlegend von diesem durch Versicherungsleistungen erworbenen Anspruch.Unserer Ansicht nach bewegt sich der Gesetzentwurf in dem zulässigen Rahmen einer Inhaltsbestimmung des Eigentums, selbst dann, wenn man in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch bei Hinterbliebenenrenten Elemente des Eigentumsschutzes bejaht.Verständlicherweise hat sich die öffentliche Diskussion auch noch an einem anderen Punkt festgemacht, nämlich an dem anzurechnenden Einkommen. Für uns waren bei der Abgrenzung der anzurechnenden Einkommen zwei Überlegungen wichtig und entscheidend.Erstens. Die Gliederung unseres Alterssicherungssystems in drei Säulen muß erhalten bleiben.Zweitens. Die Anrechnung von Einkommen bei der Hinterbliebenenrente muß sich an Grundsätzen orientieren, die dem Rentenversicherungsrecht immanent sind.Wir Liberalen haben uns nachdrücklich dafür eingesetzt, die betriebliche Altersversorgung aus der Anrechnung herauszuhalten, weil sie, wenn sie einbezogen würde, die zweite Säule unseres Alterssicherungssystems unterminieren würde. Wir haben uns auch dafür ausgesprochen, weil die betriebliche Altersversorgung eine wesentliche Absicherung älterer Arbeitnehmer darstellt und für viele Element der Lebensstandardsicherung ist. Wir haben uns drittens dafür ausgesprochen, daß sie nicht angerechnet wird, weil sie durch Tarifverträge bestimmt wird und wir in Tarifverträge nicht eingreifen dürfen.Konsequent ist demnach auch, daß wir nur durch Beiträge erworbene Ansprüche in die Anrechnung einbeziehen.Überraschend ist in diesem Zusammenhang, daß die SPD in ihrem eigenen Gesetzentwurf und im Bericht zu den Ausschußberatungen zu unterschiedlichen Auffassungen kommt, was die Anrechnung der betrieblichen Altersversorgung angeht. Ist sie in ihrem eigenen Gesetzentwurf noch der Meinung, daß die betriebliche Altersversorgung nicht in die Teilhaberente einbezogen werden soll, so moniert sie im Ausschußbericht, daß die Koalitionsfraktionen darauf bestanden haben, daß sie nicht angerechnet werden kann. Nun wird die SPD wahrscheinlich damit argumentieren, daß j a das Teilhabemodell ein anderes sei als das Modell der Hinterbliebenenversorgung mit Freibetrag.
— Aber, Frau Kollegin Fuchs, dies ist natürlich vom Grundsatz her nicht so.
Auch Ihr Teilhabemodell ist ein Anrechnungsmodell,
was in den Anhörungen von den Wissenschaftlern bestätigt worden ist.
Daß die Einbeziehung der berufsständischen Versorgungswerke, die auch aus finanziellen Gründen nicht geboten ist, nicht unser Herzenswunsch war, wird niemanden überraschen. Wir begrüßen aber, daß durch entsprechende Abschläge den Besonderheiten dieses Sicherungssystems Rechnung getragen wird.
Denn vergessen wir nicht: im Gegensatz zu den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern finanzieren sich die berufsständischen Versorgungswerke selbst. Ein Beispiel, das Schule machen sollte!
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10924 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Frau Dr. Adam-SchwaetzerLassen Sie mich an dieser Stelle noch ein Wort zum Antrag der GRÜNEN sagen, den wir heute ja auch behandeln. Die GRÜNEN wollen weg vom beitragsfinanzierten System; sie wollen weg vom gegliederten Aufbau der Alterssicherung,
sie wollen eine Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten; sie rechnen abenteuerliche Kosten vor, ohne zu sagen, wo sie die Finanzmittel dafür hernehmen wollen.
Das ganze System aus dem Vorschlag der GRÜNEN, meine Damen und Herren, ist schon ungerecht gegenüber den Beitragszahlern, die in vielen Fällen schon viele Jahre lang nun Monat für Monat ihre Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein Wort zur Anrechnung von Kindererziehungszeiten im Rentenrecht sagen. Die FDP hat seit langem in ihren programmatischen Aussagen die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten gefordert. Deshalb sind wir froh, daß mit der jetzt vorliegenden Vorlage eine Regelung getroffen wird und damit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung getan wird. Die Regelung, die wir heute verabschieden, kann nicht in allen Punkten befriedigen. Das ist häufig so. Es wäre wünschenswert, wenn man mehr machen könnte. Wir hätten uns auch vorstellen können, daß manches anders gestaltet wird.
Aber aus finanziellen Gründen — der Bundesfinanzminister hält nun mal zu Recht den Daumen auf die Kasse — ist das nicht zu realisieren.Herr Kollege Glombig, wenn Sie hier der Koalition vorwerfen, sie sei kaltherzig,
weil sie mit der Stichtagsregelung den Frauen eine Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Rentenrecht nicht zukommen läßt, die bereits in Rente sind, dann müssen Sie ja wohl sagen, daß Ihre eigene Fraktion 1972 besonders kaltherzig gewesen ist, weil Sie das nämlich damals auch nicht vorhatten. Ich darf aus dem Bundestagsprotokoll vom 20. September 1972 zitieren. Da sagte die damalige Kollegin Frau Schlei von der SPD-Fraktion:Besonders gründlich wurde auch die Frage der sogenannten alten Last geprüft, also das Hineinnehmen der Mütter, die bereits Rentnerinnen sind, in die Vergünstigung.— Genau zu der Frage der Anrechnung von Kindererziehungszeiten —Diese Frauen haben ihre Mutterschaft unter viel schwierigeren materiellen Bedingungen bestehen müssen, als das heute allgemein der Fall ist. In der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs hatte ich bereits zum Ausdruck gebracht, daß es wünschenswert und gerecht wäre, auch diesen Frauen das Baby-Jahr zu gewähren. Leider hat der zu enge Finanzrahmen hier keine Lösung zugelassen.
Dies, meine Damen und Herren, auf dem Hintergrund der finanziellen Situation von 1972, wo es sowohl dem Bundeshaushalt als auch den Rentenkassen wesentlich besser ging als heute.
Ganz großen Wert legt meine Fraktion darauf, daß die Kindererziehungszeiten aus dem Bundeshaushalt gezahlt werden. Dies ist eine Aufgabe des Familienlastenausgleichs und nicht der Rentenversicherung.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glombig?
Ja bitte.
Frau Kollegin Dr. Adam-Schwaetzer, wollten Sie mit Ihren Bemerkungen eben allen Ernstes behaupten, daß Sie sich für die Gewährung von Kindererziehungszeiten in der Vergangenheit — außerhalb der Schließung von Versicherungsbiographien; dies ist j a dann auch durch den Gesetzentwurf tatsächlich angestrebt worden — als FDP während der Beratungen der damaligen Koalition eingesetzt haben? Habe ich dies richtig verstanden? Dann kann ich nur sagen, dies ist nun absolut falsch.
Herr Kollege Glombig, ich habe mich mit meinen Ausführungen ausdrücklich auf Sie bezogen.
Ich habe darauf hingewiesen, daß es meines Erachtens der SPD gut anstünde, jetzt nicht scheinheilig anders zu argumentieren, als sie 1972 argumentiert hat.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Frau Abgeordnete Adam-Schwaetzer?
Ja bitte.
Ist Ihnen erinnerlich, daß die SPD im Gegensatz zur FDP, und zwar auch innerhalb der Koalition von SPD und FDP, und gegen Ihren Widerstand, Kindererziehungszeiten für die Ver-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10925
Glombiggangenheit seit dem Jahre 1976 in aller Öffentlichkeit gefordert hat?
Herr Kollege Glombig, ich habe hier nicht von 1976 gesprochen, sondern ich habe mich auf die Zeit von 1972 bezogen. Da stand diese Frage hier im Plenum zur Debatte an. Sie sind heute hingegangen und haben der Koalition Kaltherzigkeit vorgeworfen. Ich habe darauf hingewiesen, daß Sie 1972 genauso argumentiert haben und daß Sie deshalb den Vorwurf der Kaltherzigkeit an dieser Stelle nun wirklich nicht aufrechterhalten sollten.
Frau Abgeordnete Dr. Adam-Schwaetzer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Heyenn?
Aber bitte. Ich sehe aber, daß Sie die Uhr etwas weiterlaufen lassen. Das könnte ich allerdings nicht akzeptieren.
Frau Kollegin, würden Sie mir zugestehen, daß wenn die konservative Opposition 1972 nicht verhindert hätte, daß wir das Baby-Jahr nur für die Zukunft eingeführt hätten,
heute schon drei Viertel aller Rentnerinnen ein Baby-Jahr in ihrer Rente angerechnet hätten?
Herr Kollege Heyenn, das ist überhaupt nicht die Frage, die wir hier zu prüfen haben.
Die Frage, die wir hier zu prüfen haben, ist Ihre Bewertung dessen, was die Koalition jetzt verabschiedet, ihr Versuch, der Bevölkerung einzureden, das, was jetzt gemacht werde, sei etwas anderes in bezug auf die Einbeziehung der Vergangenheit als das, was Sie damals vorgelegt haben. Nur darum geht es.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu der Frage zurückkommen, wie die Kindererziehungszeiten finanziert werden sollen. Ich wiederhole: Wir legen großen Wert darauf, daß jetzt und in der Zukunft diese Gelder aus dem Bundeshaushalt gezahlt werden. Für meine Fraktion ist diese Regelung eine Conditio sine qua non für die Zustimmung zum Gesetzentwurf. Wir werden daran auch in der Zukunft festhalten. Das gebe ich hier ausdrücklich zu Protokoll.
Zusammenfassend möchte ich feststellen: Mit der Neuregelung, die wir vorlegen, wird der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts erfüllt. Wir hätten uns gewünscht, wir hätten mehr machen können. Aber die Entwicklung der Finanzen der Rentenversicherung und auch des Bundeshaushalts legen uns hier Zwänge auf, die wir nicht durchbrechen können.
Auch im Hinblick darauf, daß die Beitragszahler der Zukunft diese Solidarleistung finanzieren müssen, können wir uns nicht dazu entschließen, ungedeckte Wechsel auf die Zukunft auszuschreiben. Deshalb bestehen wir darauf, daß diese Regelung kostenneutral zu sein hat. Sie ist weitgehend kostenneutral.
Wir stimmen diesem Gesetzentwurf zu, weil wir ihn als eine angemessene Regelung empfinden.
Vielen Dank.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bueb.
Meine Damen und Herren! Zehn Jahre hatte der geballte Sachverstand dieses Hohen Hauses Zeit gehabt,
die Hinterbliebenenrenten so zu ordnen, wie es jenes Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1975 verlangt. Wie ernst es den etablierten Parteien dieses Parlaments in den letzten zehn Jahren war, läßt sich an dem Beispiel ablesen, daß wir in der letzten Woche drei Sondersitzungen des federführenden Ausschusses haben mußten
— natürlich haben wir daran teilgenommen —, um das Machwerk aus dem Hause Blüm in aller Hast noch vor den Sommerferien durchzupeitschen. Vor uns liegen sie nun, das Jahrhundertwerk der Regierung und der angeblich alternative Entwurf der Sozialdemokratie. In der ganzen Republik schallt die Kritik, wie hier mit der Existenzsicherung von Millionen von heutigen und zukünftigen Alten umgegangen wird. Denn Regierungsentwurf wie SPD-Papier sind sich in einem einig: Den Frauen soll keine eigenständige Alterssicherung zuerkannt werden. Oder anders ausgedrückt: Die Frauen sollen weiterhin um das ihnen zustehende Altersgeld betrogen werden. Hier, meine Damen und Herren, trifft am besten der Vorwurf des Rentenbetrugs, nämlich bei den alten Frauen.
Erst hieß es noch, die Frauen sollten eine eigenständige Alterssicherung erhalten. Dann kamen die Regierungskommissionen, die hauptsächlich mit Männern besetzt sind.
Am Ende der vielen Versprechungen stand danndie Einigkeit aller Etablierten, aller herrschenden
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10926 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
BuebKräfte, daß die eigenständige Sicherung der Frauen nicht finanzierbar wäre — angeblich.Merkwürdige Koalitionen haben sich in der Vergangenheit gebildet. Auf der einen Seite steht Norbert Blüm mit seinem Anrechnungsmodell. Ihm hat sich der Deutsche Gewerkschaftsbund angeschlossen. Auf der anderen Seite findet sich eine Koalition aus SPD und Arbeitgeberverbänden. Der DGB sieht im Blümschen Modell, daß hier die erwerbstätigen Frauen weniger benachteiligt werden als bei den Vorstellungen der SPD-Teilhaberente von 70 %.Die SPD sieht sich deshalb auf der Seite der Arbeitgeber, weil beide dem Phantom der sogenannten Leistungsbezogenheit der Rente hinterherrennen. Beiden, SPD und Arbeitgebern, ist die Situation der nicht erwerbstätigen Hausfrauen, die eben ein Gutteil der Rentnerinnen ausmachen, gleichgültig.Gleichzeitig benachteiligt die SPD-Rente aber auch die erwerbstätigen Frauen. 21 % der Witwen würden im Teilhabemodell schlechtergestellt als heute. Jede fünfte Witwe hat unter dem Konzept der SPD, wenn es Wirklichkeit würde, zu leiden.
So sieht die Emanzipationsförderung der SPD aus.Entscheidend ist aber: Beide Modelle sind sich einig, das Schicksal der Frauen, die ihr Leben als Hausfrauen verbrachten, interessiert sie nicht; denn auch im Blüm-Entwurf steht die Chimäre von der Leistungsbezogenheit. Ich möchte auf diesen Leistungsbegriff etwas näher eingehen, um daran deutlich zu machen,
worin sich die Rentenreformvorstellungen der GRÜNEN von denen der Großen Koalition aus SPD, Rechtsregierung, Arbeitgebern und Gewerkschaften fundamental unterscheiden.Ich will dazu aus einer offiziellen Stellungnahme zitieren, die das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung auf die Vorstellung des grünen Rentenmodells hin in einer großen deutschen Zeitung zum Besten gegeben hat. Zitat:Der richtige Weg zur sozialen Gerechtigkeit in der Rentenversicherung führt auch weiterhin über die Beitragsbezogenheit der Rentenleistungen. Rente ist— so Zitat Blüm —Alterslohn für Lebensleistung.Aber was gilt denn im Denkhorizont von Blüm, SPD und Co. als Leistung? Allein die Erwerbsarbeit. Doch wie sehen die Bewertungskriterien dieser Erwerbsarbeit aus? Ist z. B. die Leistung einer Spule-rin in einer Textilfabrik denn wirklich weniger wert als die eines Fließbandarbeiters, oder erbringen beide soviel weniger „Leistung" als ein Manager? Die Leistungsbewertung in der Erwerbsarbeit folgt meiner Meinung nach der Systemlogik des Kapitalismus.
Es herrscht bei uns das Recht des Stärkeren. Dies wird am deutlichsten sichtbar an der Situation der Frauen. Frauen werden im Erwerbsleben schlechter bezahlt und haben auf dem Arbeitsmarkt partout schlechtere Arbeitschancen.
Fast völlig ausgeblendet werden in diesen sogenannten Leistungsüberlegungen die Kindererziehung und die häusliche Pflege kranker und gebrechlicher Menschen. Ist es nur Zufall, daß die meisten der schlecht oder gar nicht bezahlten Arbeiten von Frauen erbracht werden müssen?Wer sein Verständnis von Leistung so reduziert — da nützen auch die Sonntagsreden und das moderne Mutterkreuz von Geißlers Stiftung „Mutter und Kind" nicht —, der zementiert die patriarchalen Strukturen unseres Systems.Vor diesem Hintergrund ist das Herzstück der jetzigen deutschen Rentenversicherung, die sogenannte Leistungsbezogenheit, nichts als Ideologie. Frauen, die Kinder erzogen und Gebrechliche gepflegt haben und dem Mann die Hausarbeit verrichteten und deshalb keine oder nur geringfügige Beiträge zu ihrer Alterssicherung entrichteten, empfiehlt Sozialminister Blüm, dessen künftige Alterssicherung bestimmt nicht unter 10 000 DM liegen wird, den Weg zum Sozialamt. Originalzitat: „Wir müssen die Sozialhilfe von ihrem falschen Image befreien."Auch Behinderte und Erwerbslose, die keine Chance für ein sogenanntes erfülltes Arbeitsleben im Sinne der Rentenversicherung haben, werden im Alter wegen mangelnder Beitragszahlungen auf die Sozialhilfe verwiesen. Das gleiche trifft auf die rund 2 Millionen Erwerbstätigen zu, deren Einkommen so gering ist, daß sie trotz lebenslanger Beitragszahlung einen Rentenanspruch unter dem Sozialhilfeniveau erwerben.
Von der Regierungsseite wird zwar grundsätzlich nicht bestritten, daß es das Problem der Altersarmut gibt, aber sie wird bagatellisiert, als sei sie das Problem einer winzigen Gruppe und ein Schicksal, das die einzelne Frau — um die Frauen geht es hier vor allem — selbst verschuldet hat. Doch das Gegenteil ist wahr. So hatten nach den Ergebnissen des Mikrozensus 1982 550 000 Personen in Rentenhaushalten weniger als 600 DM und insgesamt 5,7 Millionen Personen weniger als 1 000 DM pro Kopf zum Leben. Selbst die Witwe eines Durchschnittsverdieners mit 43 gezahlten Rentenversicherungsjahren erhält nach der jetzigen Rentenformel eine Witwenrente, die geringer ist als die Sozialhilfeleistungen für alte Menschen, wobei die Sozialhilfeleistungen bekanntlich um 30 % zu niedrig
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Buebsind, trotz der symbolischen Erhöhung aus dem vergangenen Monat.
Eine Hinterbliebenenrente ersetzt deshalb nicht die Notwendigkeit einer eigenständigen Alterssicherung der Frau.
— Ich selber.
Auch ein Vergleich der Alterseinkommen in den verschiedenen Alterssicherungszweigen stellt die sogenannte Leistungsbezogenheit der Alterseinkommen in Frage. So erreichen versicherungspflichtige Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes bei gleichem Bruttoverdienst nur etwa zwei Drittel der Altersbezüge der Beamten. Wie unterschiedlich die Arbeitsleistung zwischen den Systemen bewertet wird, zeigt sich auch daran, daß das Risiko der Altersarmut im Beamtenrecht wirksam reduziert ist. Bereits nach fünf Dienstjahren wird bekanntlich ein Anspruch auf eine Mindestversorgung von mehr als 1 500 DM erworben, und auch die verehrten Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben sich bekanntlich eine sehr schöne Grundrente bewilligt.
Nach sechs Jahren Bundestagszugehörigkeit haben sie einen Anspruch auf ein Alterseinkommen von derzeit 2 000 DM monatlich.
Ich möchte nun die Kritik an den Modellen zusammenfassen. Zunächst das Blümsche Anrechnungsmodell: Unsere beiden Hauptkritikpunkte an diesem Modell sind erstens, daß das Problem der Altersarmut in keiner Weise angegangen wird, und zweitens, daß das Blüm-Modell den Frauen keine eigenständige Alterssicherung bietet. Das ist unsere Grundsatzkritik am Regierungsentwurf.Im konkreten noch drei weitere Kritikpunkte. Das Modell führt die Bedürftigkeitsprüfung für den Bezug von Witwen- und Waisenrenten ein, aber die Bedürftigkeitsprüfung wird nur dazu verwendet, um Rentenansprüche zu kürzen und nicht, wie im Vorschlag der GRÜNEN, um einen Grundrentenanspruch von unten her aufzubauen. Daran zeigt es sich, wie ernst es Blüm & Co. mit ihrem Gerede von der Leistungsbezogenheit und der Beitragsäquivalenz meinen. Man hält diese Prinzipien hoch, um eine steuerfinanzierte Grundrente zu verteufeln, aber wenn es um den bekannten Sozialabbau geht, sind diese Prinzipien vergessen.Zum zweiten begünstigt die Beschränkung der Einkommensanrechnung auf Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen die Bevölkerungsgruppen, die ohnehin in unserer Gesellschaft zu den Privilegierten gehören, die Bezieher von Kapitaleinkünften, von Immobilien- und Unternehmereinkommen, Bezieher von Betriebs- und Zusatzrenten, Lebensversicherungen. Diese Einschränkung ist verteilungspolitisch nicht zu begründen. Damit ist dieses Gesetz als krudes Klassengesetz zu bezeichnen.Unser dritter Kritikpunkt im Blüm-Modell ist das sogenannte Babyjahr. Ganze 25 DM im Monat ist der Regierungskoalition die Kindererziehung wert, und dieser lächerliche Betrag wird auch noch als bedeutender Schritt — so wurde es im Ausschuß gesagt — zu einer eigenständigen Alterssicherung der Frau verkauft. Wie kann aber — so fragen mit Recht alle Frauenverbände — das Ziel einer eigenständigen Alterssicherung der Frauen mit einem Jahr Kindererziehungszeiten erfüllt werden?Den schwarzen Freitag für die Rentnerinnen macht Blüm aber mit der Regelung fällig, alle Frauen, die vor dem Jahr 1921 geboren sind, leer ausgehen zu lassen, also alle heutigen Rentnerinnen. Diese Regelung ist ein Schlag ins Gesicht der Trümmerfrauen, die dieses Land wesentlich mit aufgebaut haben.
So danken die Herren der Regierung ihren eigenen Müttern.
Wir sollten doch nicht vergessen: Wenn eine Mutter wegen der Kindererziehung nicht erwerbstätig war oder ist, verzichtet sie, wie der Berliner Rentenökonom Professor Hellberger in der „Deutschen Rentenversicherung" vorrechnete, gerechnet auf heutige Einkommensverhältnisse, auf ein Lebenserwerbseinkommen von 0,5 bis 1,5 Millionen DM. Durch die Erziehungsjahre für zwei oder drei Kinder steht diesem Verzicht eine Lebensrentenleistung von 10 000 bis 15 000 DM gegenüber.
Das ist die wahre Diskriminierung der Frauen.
Das ist der Rentnerinnenbetrug, von dem ich anfangs gesprochen habe und den der Regierungsentwurf für die nächsten Jahrzehnte festschreiben möchte.Nun noch mal zum SPD-Modell. Die SPD hängt, konservativ, wie sie in der Rentenpolitik ist, immer noch dem Modell der Teilhaberente an, das für Frauen eindeutig keine eigenständige Alterssicherung vorsieht.
Nach dem SPD-Modell soll der die Hinterbliebene 70% der gemeinsam während der Ehe erworbenen Ansprüche erhalten, mindestens aber 100 % der eigenen Ansprüche. Damit würden in der Tat die Witwenrenten für Frauen ohne eigene Anwartschaft zwar leicht angehoben, für Frauen mit eigenen An-
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Buebsprüchen jedoch tritt eine Kürzung gegenüber dem vorigen Recht bereits dann ein, wenn ihre Ansprüche ein Drittel des Anspruchs des Mannes ausmachen.Alles in allem: Im SPD-Konzept der Teilhaberente werden Frauen und Männer letztlich nur formal gleichgestellt. Angesichts der realen Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen ist das ein Hohn. Wir meinen: Das Teilhabemodell der SPD ist ein Konzept aus der Rumpelkammer der Rentenreformdebatte. Es löst weder das Problem der Altersarmut, noch tut es etwas gegen die Diskrimierung der Frauen.
Im Gegensatz zum Flickwerk der SPD und der CDU-Regierung machen die GRÜNEN
mit ihrem neuen Antrag „Grundrente statt Altersarmut" deutlich,
daß Altersarmut verhindert werden kann, zweitens, daß alle Frauen eine eigenständige Alterssicherung erwerben müssen, drittens, daß die Vereinheitlichung aller Alterssicherungssysteme das Gebot der Stunde ist,
unter Einschluß der Beamten, Selbständigen, Freiberufler, Landwirte usf.
Mit ihren kurz- und langfristigen Rentenreformvorschlägen machen die GRÜNEN deutlich, daß sie die einzige rentenpolitische Opposition im Lande sind.
Denn die GRÜNEN sind die einzige Partei im Deutschen Bundestag,
die ein schlüssiges, langfristiges Konzept zur Rentensicherung vorgelegt hat,
das auch finanzierbar ist.
Kurzfristig sind dabei folgende Lösungsschritte nötig und möglich: Erstens. Eine sukzessive Anhebung der Gesamteinkommen von Rentnerhaushalten auf mindestens 1 000 DM pro Person
durch die gesetzliche Rentenversicherung. DieGruppen, die bislang ohne Anspruch sind, sollengleichfalls in die Rentenversicherung einbezogenwerden. Das ist unserer Meinung nach der erste Schritt gegen Altersarmut.Zweitens. Parallel dazu muß das Beitragsvolumen der gesetzlichen Rentenversicherung durch die schrittweise Einbeziehung der Beamten, Selbständigen und Freiberufler deutlich ausgeweitet werden, womit die sukzessive Anhebung der niedrigen Alterseinkommen auf das Niveau der künftigen Grundrente finanzierbar ist. Pensionen und Renten oberhalb der künftig geltenden höchstmöglichen Gesamtrente werden in der Übergangszeit eingefroren.Drittens. Ab sofort sind Kindererziehungszeiten in Höhe von mindestens drei Jahren pro Kind für alle Rentnerinnen und Rentner, also auch für die jetzigen Rentnerinnen, einzuführen. Sie müssen mit dem Durchschnitt der versicherungspflichtigen Einkommen bewertet werden.
Viertens. Der Bundeszuschuß an die gesetzliche Rentenversicherung ist sofort oder spätestens innerhalb von drei Jahren auf mindestens 30 % der Rentenausgaben anzuheben.Fünftens. Die volle Beitragszahlung der Bundesanstalt für Arbeit an die Rentenversicherung ist wiederherzustellen.Sechstens. Eine zusammengestoppelte Rentenreform à la Blüm ist nicht notwendig, um dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1975 gerecht zu werden. Dazu genügte auch, wie Professor Schmähl es jüngst vorschlug, eine Übergangslösung in Form einer bedingten Witwen- und Witwerrente, die befristet ist, jedenfalls so lange, bis sich das Hohe Haus auf eine ordentliche Lösung einigen könnte.DIE GRÜNEN im Bundestag haben darüber hinaus ein langfristiges Rentenmodell vorgelegt, das aus diesen soeben geschilderten Einstiegsschritten entwickelt werden kann. Es muß eine steuerfinanzierte Grundrente in Höhe von mindestens 1 000 DM pro Person und ab dem 60. Lebensjahr eingeführt werden, die allen Deutschen und allen niederlassungsberechtigten Ausländern zusteht. Auf dieser Grundrente soll dann eine obligatorische Zusatzrente aufbauen,
die sich allein aus den Beiträgen der Erwerbstätigen finanziert und deren Rentenleistungen beitragsbezogen sind.
Diese Zusatzrente muß eine Pflichtversicherung für die ganze Bevölkerung sein, also auch für die Beamten, Selbständigen usf.Die Beiträge der Zusatzversicherung werden zwischen den Eheleuten und Partnern gesplittet. Mann und Frau erwerben damit eine eigenständige Alterssicherung. Jeder hat eine Grundrente, und
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Buebbeide haben ein eigenes Rentenkonto. So muß eine saubere Alterssicherung aussehen.
DIE GRÜNEN im Bundestag haben vor nun über einem Jahr ein Gutachten bei einem der fünf am Jahresgutachten beteiligten Institute, nämlich beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, in Auftrag gegeben.
Das Gutachten liegt vor. Es macht deutlich: Wenn eine Rentenreform im Sinne des grünen Rentenmodells politisch gewollt ist, dann ist sie nahezu belastungsneutral zu finanzieren.
Wenn diejenigen, die heute noch auf ihren Privilegien hocken,
aus Solidarität abgeben würden oder dazu gedrängt würden abzugeben, dann könnte Altersarmut und Frauendiskriminierung im Alter verhindert werden.Die Argumente von CDU, SPD, CSU, FDP, eine solche soziale Rentenreform sei nicht zu finanzieren, haben sich wieder einmal als Totschlagargumente erwiesen. Ein Blick nach Schweden — zu Ihren Kollegen — oder nach Holland, wo es seit vielen Jahren auskömmliche Grundrenten für alle Bürgerinnen und Bürger — auch für Ausländer — gibt, ganz gleich, was sie in ihrem Erwerbsleben „geleistet" haben, hätte Ihnen schon längst zeigen können, daß eine alternative menschenwürdige Rentenreform möglich wäre.
Ihre Totschlagargumente sind nichts weiter als Bequemlichkeit im Denken und die Sicherung von Lobbyansprüchen. Die Lobbyisten der Beamten und Selbständigen wickeln die Parlamentarier dieses Hohen Hauses um ihren Finger. Flick, Krause & Co lassen hier grüßen.
Wir erleben heute in der Rentenpolitik das gleiche, was wir alltäglich in der Wirtschafts-, der Umwelt-, der Wohnungsbau- und Verkehrspolitik, der Energie- und Medienpolitik erleben. Hier wird Rentenpolitik nach dem Prinzip: nach uns die Sintflut gemacht. Ob das Alterssicherungssystem nach dem Jahr 2000 noch funktioniert, kümmert die Architekten des Regierungsentwurfs und der SPD einenfeuchten Kehricht.
Das grüne Rentenmodell aus Grundrente und obligatorischer Zusatzrente
ist von den schon heute absehbaren demographischen Entwicklungen um ein Vielfaches unabhängiger; denn der Sockel des alternativen Systemsist die Grundrente, und diese wird aus Steuermitteln finanziert.
Zur Finanzierung der Grundrente schlagen wir eine Bruttowertschöpfungssteuer als Ersatz für die Arbeitgeberbeiträge vor. Damit würde die Grundrente wesentlich unabhängiger von den einzelnen Erwerbstätigen als das heutige Rentensystem.Wir machen mit unserem Rentenvorschlag deutlich, daß angesichts der chaotischen Situation der Rentenpolitik — das wird ja wohl niemand mehr bestreiten —, angesichts dessen, daß die Rentenversicherung permanent am Bankrott entlang schlittert, eine grundlegende Anstrengung notwendig ist, um die Rentenkrise zu überwinden. Eine zukunftssichere Alterssicherung ohne Altersarmut und ohne Diskriminierung der Frauen kann mit dem bißchen Gehirnschmalz, das uns Blüm und die SPD-Fraktion heute vorgelegt haben, nicht erreicht werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seehofer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gesetzliche Rentenversicherung steht vor einer schwierigen und weitreichenden Neuordnung. Die unterschiedlichen Voraussetzungen bei der Hinterbliebenenversorgung für Frauen und Männer müssen beseitigt werden, gleiche Voraussetzungen müssen geschaffen werden. Dieses Thema, Herr Kollege Glombig, eignet sich nicht für Polemik. Die Rentner haben Anspruch auf sachliche Information und Entscheidung.
Bereits 1975 hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber aufgefordert, Mann und Frau bei der Hinterbliebenenrente gleichzustellen. Bisher erhalten Frauen immer eine Witwenrente. Die Männer bekommen dagegen eine Witwerrente nur dann, wenn die Frau die Familie überwiegend unterhalten hat. Die SPD-geführten Bundesregierungen haben in sieben Jahren dieses Problem nicht gelöst. Wir verdanken es der Tatkraft unseres Bundesarbeitsministers Norbert Blüm,
daß wir nach zehnjähriger Diskussion endlich einen Gesetzentwurf haben und heute entscheiden können.Das Modell der Bundesregierung sieht die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag vor. In Zukunft soll auch der Mann ohne besondere Voraussetzungen eine Witwerrente bekommen können, so wie dies jetzt bereits bei der Frau der Fall ist. Gleichzeitig — und dies ist neu — soll unter bestimmten Voraussetzungen eigenes Einkommen bei der Witwen- und Witwerrente berücksichtigt werden, allerdings
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10930 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Seehofernur dann, wenn ein Einkommensfreibetrag überschritten wird.Ich möchte noch einmal ausdrücklich klarstellen, daß diese Neuordnung nur für die Zukunft gilt. Wer bereits jetzt Hinterbliebenenrente erhält, für den ändert sich überhaupt nichts. Die neue Regelung gilt nur für die zukünftigen Hinterbliebenenrenten ab 1986. Auch wer in Zukunft Hinterbliebenenrente erhält und keine eigene Versichertenrente oder eigenes Einkommen hat, ist nicht betroffen. Bei ihm kann kein Einkommen angerechnet werden, für ihn ändert sich ebenfalls nichts.Hauptgegenstand der Diskussion ist die vorgesehene Einkommensanrechnung. Mit dieser Frage — insbesondere mit den daraus resultierenden verfassungsrechtlichen Problemen — möchte ich mich in erster Linie auseinandersetzen. Entscheidende systematische Grundlage für die Berücksichtigung von Einkommen ist die Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente. Nach dem Tod eines Ehegatten tritt an die Stelle des Unterhalts, den er nicht mehr erbringen kann, die Hinterbliebenenrente. Diese Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente ist in langjähriger Rechtsprechung — auch vom Bundesverfassungsgericht — anerkannt. Sie kommt auch sehr sinnfällig im geltenden Recht durch den Wegfall der Hinterbliebenenrente bei Wiederheirat zum Ausdruck.Ich meine, daß derjenige, dessen Unterhalt bereits durch eigenes Einkommen sichergestellt ist, nicht auch noch aus der Rentenversicherung eine volle Hinterbliebenenrente als Unterhaltsersatz braucht. Sozialpolitisch erscheint mir die Einkommensberücksichtigung daher grundsätzlich gerechtfertigt.Durch die Berücksichtigung von Einkommen verliert die Hinterbliebenenrente nicht ihren Charakter als Versicherungsleistung. Sie hat zur Voraussetzung, daß der verstorbene Ehegatte Beiträge entrichtet hat. In der Höhe richtet sich die Hinterbliebenenrente immer nach der Rente des verstorbenen Ehegatten.In diesen beiden Punkten unterscheiden sich die Hinterbliebenenrenten von der Fürsorgeleistung. Die Fürsorgeleistung verlangt keine Vorleistung und orientiert sich am konkreten Bedarf im Einzelfall. Aus diesen beiden Unterschieden heraus sind Hinterbliebenenrenten mit Fürsorgeleistungen in keiner Weise vergleichbar.Allerdings enthalten die Hinterbliebenenrenten wie die meisten Leistungen der Rentenversicherung Elemente des sozialen Ausgleichs, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Hinterbliebenenrenten besonders stark ausgeprägt sind.Meine Damen und Herren, im übrigen kennt auch das geltende Recht der Rentenversicherung eine Vielzahl von Fällen, bei denen Einkommen berücksichtigt wird, so z. B. die Versagung des Anspruchs auf Witwerrente an einen Witwer, dessen Einkommen das der verstorbenen Ehefrau überstieg. Die Einkommensberücksichtigung ist daher auch systemgerecht. Sie ist in der Rentenversicherung kein Fremdkörper. Sie wird jetzt nicht plötzlich neu eingeführt.Meine Damen und Herren von der SPD, auch das von Ihnen vertretene Teilhabemodell ist wirtschaftlich nichts anderes als eigene Rente mit Einkommensanrechnung. Hier wird teilweise sogar in erheblich schärferer Form Einkommen berücksichtigt als bei unserer Lösung — insbesondere bei kleinen Renten —, weil Ihr Modell Freibeträge nicht kennt.Eine ganz entscheidende Frage ist, welches Einkommen nun berücksichtigt werden soll. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen nur das Erwerbseinkommen und das Erwerbsersatzeinkommen erfaßt werden. Sonstige Einkünfte wie z. B. aus privaten Lebensversicherungsverträgen, aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung werden nicht berücksichtigt, da es sich nicht um Erwerbsoder Erwerbsersatzeinkommen handelt.Die Beschränkung des Einkommens auf Erwerbs- und Ersatzeinkommen hat verschiedene Gründe. Sie ist einmal dadurch gerechtfertigt, daß im System der gesetzlichen Rentenversicherung die Beiträge vom versicherten Arbeitseinkommen erhoben werden, nicht aber von etwaigen Kapitaleinkünften. Auch auf der Leistungsseite richtet sich die Höhe der Rente nicht nach den Kapitaleinkünften, sondern nach Versicherungsdauer und Höhe der versicherten Entgelte. Neben diesen systematischen Überlegungen ist für uns auch von Bedeutung, daß wir durch eine Rentenreform den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich halten wollen.
Wir wollen weder durch eine Reform eine gigantische Bürokratie, noch durch die Einbeziehung aller Einkommen etwa eine Schnüffelei in den Sparbüchern der Rentner.
Soweit es um das Erwerbsersatzeinkommen geht, beschränken wir diese Berücksichtigung auf öffentlich-rechtliche Regel- und Sondersysteme. Dies ergibt sich aus der Überlegung, daß wir in die privatrechtliche Vorsorge der Bürger nicht eingreifen wollen. Dies bedeutet, daß z. B. Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unberücksichtigt bleiben.Wir haben in diesem Zusammenhang auch sehr sorgfältig die verfassungsrechtlichen Fragen geprüft. Nach unserer Überzeugung ist es verfassungsgemäß zwischen Einkommen, das zu berücksichtigen ist, und Einkommen, das nicht berücksichtigt wird, zu unterscheiden. Der Gesetzgeber ist bei der Zuordnung von Einkommen allerdings nicht ganz frei. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zieht hier Grenzen. Gesetzliche Differenzierungen dürfen nicht willkürlich sein. Sie sind nur dann verfassungsgemäß, wenn sie sich sachlich begründen lassen. Dies ist bei unserem Modell der Fall. Eigenes Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen soll nur insoweit berück-
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Seehofersichtigt werden, als es über einem dynamisch ausgestalteten Freibetrag liegt. Der Freibetrag beträgt zunächst 900 DM. Dieser Grundfreibetrag erhöht sich je Kind um ca. 200 DM. In der Höhe orientiert sich der Freibetrag in etwa an dem notwendigen Selbstbehalt eines unterhaltspflichtigen Ehegatten.Der Freibetrag hat eine soziale Ausgleichsfunktion. Er führt dazu, daß Bezieher kleinerer Einkommen von der Neuordnung nicht berührt werden. Dies trifft vor allem für Frauen mit Witwenrente und eigener Versichertenrente zu. 90 % aller Frauen, die heute eine Witwenrente erhalten, bekommen gegenwärtig noch eine Versichertenrente, die unter dem von uns vorgesehenen Freibetrag liegt. Für diese 90 % der Frauen ändert sich also durch diese Reform überhaupt nichts.
Der Freibetrag kommt aber auch Beziehern höherer Einkommen zugute, weil nur das Einkommen berücksichtigt wird, das den Freibetrag übersteigt. Soweit das Nettoeinkommen den Freibetrag übersteigt, soll es zu 40 % bei der Hinterbliebenenrente berücksichtigt werden. 60 % bleiben also frei. Wir sind der Auffassung, daß mit dieser Regelung auch dem Leistungsgedanken Rechnung getragen wird.Soweit Einkommen zu berücksichtigen ist, ruht die Hinterbliebenenrente teilweise oder ganz. Sie entfällt also nicht auf Dauer, sie ruht lediglich. Dies heißt, daß bei einer Verminderung des Einkommens der Anspruch wieder aufleben kann. Daß die Hinterbliebenenrenten zum Teil oder auch ganz ruhen können, verstößt nach unserer Überzeugung nicht gegen die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. Die Hinterbliebenenrente und die Frage, ob sie dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes unterliegt, hat das Bundesverfassungsgericht bisher ausdrücklich nicht behandelt und offen gelassen. Es hat diese Frage bisher nur für Versichertenrenten bejaht.Aber selbst wenn man Hinterbliebenenrenten als Eigentum im Sinne des Grundgesetzes ansieht, ist unser Modell verfassungsgemäß, denn aus der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente und dem Prinzip des sozialen Ausgleichs folgt, daß der Gesetzgeber einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsspielraum hat, um Inhalt und Schranken dieses Eigentums zu bestimmten. Dies zeigt auch die bestehende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.Der Gesetzgeber bleibt mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf innerhalb der ihm gezogenen Grenzen. Dies wird allein schon dadurch deutlich, daß wir aus Gründen des Vertrauensschutzes weitreichende Übergangsregelungen vorsehen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung ist ohne Zweifel ein kompliziertes Reformwerk; aber es gibt kein System, das gleichzeitig gerecht und unkompliziert sein könnte. Wir alle haben es uns vor allem mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit nicht leicht gemacht. Ich erinnere daran, daß nach einer ersten Sachverständigenanhörung, die sämtlichen Aspekten des Gesetzentwurfes galt, eine zweite Sachverständigenanhörung allein den verfassungsrechtlichen Fragen gewidmet war. Die Argumente, die von den Sachverständigen für die Verfassungsmäßigkeit des Modells der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag vorgebracht wurden, sind für uns überzeugend. Wir halten den vorliegenden Gesetzentwurf für verfassungsgemäß.
Soweit in dieser Anhörung Bedenken geäußert wurden, beruhten sie weithin nicht auf verfassungsrechtlichen, sondern auf sozialpolitischen Überlegungen, oder man ging von Erwägungen aus, die mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, so wie wir sie heute vorfinden, nicht übereinstimmen. Herr Kollege Glombig, es besteht auch kein vernünftiger Grund, mit der Verabschiedung des Gesetzes auf das Urteil zu warten, das das Bundesverfassungsgericht am 16. Juli verkünden wird. Selbst wenn die Entscheidung zur Neuregelung der Krankenversicherung der Rentner etwas zu der Frage sagt, ob Hinterbliebenenrente Eigentum im Sinne des Grundgesetzes ist, so entstünde keine neue Situation, weil unsere verfassungsrechtliche Prüfung auch unter diesem Gesichtspunkt vorgenommen worden ist.Meine Damen und Herren, die von uns vorgeschlagene Neuordnung der Hinterbliebenenrente ist von allen diskutierten Modellen die beste Lösung: Die Lösung führt zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen bei der Hinterbliebenenrente. Die Lösung ist kostenneutral. Wir vermeiden damit, daß morgen wieder eingesammelt wird, was heute beschlossen wird. Und: Die Lösung schont die Bezieher von kleinen Renten und damit vor allem die Frauen.Die Koalition hat sich in einer schwierigen Frage einmal mehr als handlungsfähig erwiesen. Es ist uns gelungen, den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts in sehr kurzer Zeit systemkonform und sozial ausgewogen zu erledigen.
Ich bin überzeugt, daß sich dieses Reformwerk in der Praxis behaupten wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Heyenn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Seehofer, all' die schönen Worte,
die Sie gefunden haben, um Ihre Haltung zu begründen, werden Ihnen nicht helfen. Denn Sie sind über die verfassungsrechtlichen Bedenken in den Beratungen mit einer Unbekümmertheit sondergleichen hinweggegangen.
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10932 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
HeyennSie haben im weiteren Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtlich begründete Vorschläge der Sachverständigen zum Teil sogar ins Gegenteil verkehrt.
Herr Kollege Bueb, Sie haben gesagt, der sozialdemokratische Entwurf berücksichtige die Hausfrauen nicht. Was sind denn die 80 % Frauen, für die unser Entwurf mehr bringt, jahrzehntelang anderes gewesen als Hausfrauen, weswegen sie heute ja so geringe Renten haben?
Was sind denn viele der Rentnerinnen mit geringen Renten, die heute schon Rente bekommen, denen wir ein Babyjahr geben, die ein Babyjahr dazubekommen?
Meine Damen und Herren, ich komme nicht umhin, auf den heutigen Tag hinzuweisen: Es ist Sommeranfang, aber für Rentnerinnen und Rentner ist es der Anfang des Winters.
Ich möchte versuchen, die beiden Gesetzentwürfe kurz gegenüberzustellen, um einmal deutlich aufzuzeigen, wie die Vorstellungen sind.Unser sozialdemokratischer Entwurf verbessert — unbestritten — die soziale Sicherung der Witwen. Er führt zum Ausbau einer eigenständigen Alterssicherung der Frau
und entspricht dem Prinzip der Partnerschaft in der Ehe.
Der CDU-Entwurf bringt keinerlei Verbesserung der Hinterbliebenenversorgung für Frauen. Er führt mit der Einkommensanrechnung das Bedürftigkeitsprinzip in die Sozialversicherung ein
und schafft ein gefährliches Präjudiz für späteren, weiteren Sozialabbau.
Und: Der CDU-, der Regierungsentwurf schafft bei der Anrechnung durch Ungleichbehandlung der verschiedenen Einkommensarten eine Fülle neuer Ungerechtigkeiten.Der SPD-Entwurf enthält die aus Bundesmitteln finanzierte Anerkennung von Kindererziehungszeiten für Frauen aller Generationen und vermeidet die Benachteiligung derjenigen Frauen, die ihre Kinder in der Vergangenheit unter besonders schwierigen Bedingungen erzogen haben.
Sie verweigern den heutigen Rentnerinnen mit Ihrem Entwurf die Anerkennung dieser Kindererziehungszeiten.
Wir vermeiden mit unserem Entwurf Eingriffe in das Recht der Unfallhinterbliebenenrenten, die mit dem Entschädigungsprinzip nicht vereinbar sind. Sie greifen mit der Übertragung der Einkommensanrechnung auf die gesetzliche Hinterbliebenenrente in eben dieses Entschädigungsprinzip ein.Wir leisten durch den Ausbau der Rente nach Mindesteinkommen
einen Beitrag zur Verhinderung der Armut im Alter, der insbesondere Frauen zugute kommt.
Unser Entwurf kommt durch Umschichtungen im Rentenrecht bei der Bewertung der beitragslosen Zeiten
zu einer nahezu kostenneutralen Regelung der Hinterbliebenenrente.
— Herr Bueb, Sie hatten doch die Möglichkeit, zu reden. Melden Sie sich meinetwegen, aber das dauernde Dazwischenreden ist doch Unsinn. Sie hätten sich im Ausschuß häufiger melden sollen.
Unser Entwurf stabilisiert durch schrittweise Wiederherstellung voller Rentenversicherungsbeiträge der Bundesanstalt für Arbeit, durch eine neue Rentenformel, durch Beteiligung des Bundes am demographischen Risiko und durch flexible Beitragssatzregelung langfristig und sozial ausgewogen die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bueb?
Bitte.
Herr Abgeordneter.
Herr Kollege, in welcher Höhe liegt denn die Rente nach Mindesteinkommen? Können Sie das in der Staffelung einmal darstellen?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10933
Die Aufgabe der Politik ist es — und dem stellen wir Sozialdemokraten uns —, zu fragen: Was sind die wirklichen Probleme in der Alterssicherung? Da ist zunächst das Urteil des Verfassungsgerichts aus dem Jahre 1975, das die Gleichstellung fordert.
Dann ist da die Tatsache — über die vor wenigen Jahren noch zwischen allen Parteien Übereinstimmung bestand —, daß die Alterssicherung der Frau insgesamt reformbedürftig ist. Die materielle Unterversorgung vieler Frauen im Alter ist unbestritten. Rund 1,5 Millionen Witwen im Rentenalter erhalten lediglich eine Witwenrente, keine Versichertenrente. Rund zwei Drittel der Witwenrenten liegen unter 900 DM, fast 40 % sogar unter 600 DM.
— Weil — teilweise wegen Lohndiskriminierung — zu niedrige Beiträge entrichtet wurden,
weil die Frauen daran gehindert wurden, auf den Arbeitsmarkt zu gehen; denn sie sind industrielle Reservearmee.
Meine Damen und Herren, die Alterssicherung der Frauen ist auch deswegen reformbedürftig, weil die herkömmliche Witwenversorgung dem neuen Eherecht und einem partnerschaftlichen Eheverständnis nicht mehr entspricht. Die grundsätzliche Reform der Alterssicherung der Frauen ist das erste Problem, dessen Lösung die Bürger von diesem Parlament erwarten dürfen.
Das zweite ist, daß die Bürger Sorgen um ihre Renten haben, und zwar begründete Sorgen, weil sie wissen, daß die Dauerarbeitslosigkeit das soziale Netz belastet und daß auf längere Sicht immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner einzutreten haben. Das kann man nicht so flapsig wegwischen, wie es der Herr Bundesarbeitsminister immer tut, wenn er sagt: Keine Rente wird gekürzt, die Renten werden pünktlich gezahlt.
Das ist doch gar nicht das Problem!
Das Problem ist, daß die Rentner befürchten müssen, von der Realeinkommensentwicklung abgehängt zu werden. Das Problem ist, daß die Beitragszahler befürchten, daß sie für wachsende Beiträge einen immer geringeren Gegenwert erhalten werden
und daß man in der Rentenversicherung trotz hoher Beiträge keine angemessene Lebensstandardsicherung mehr erreichen kann. Das Problem ist, daß es keine stetige, vorausschauende und ehrliche Rentenpolitik mehr gibt, auf die man sich verlassen kann.
Wenn hier „Erblast" dazwischengerufen wird,
lassen Sie mich nur sagen: Als wir aus der Regierung ausschieden, gab es Rücklagen für zwei Monatsrenten,
und Sie haben in der Zwischenzeit sogar das gesetzliche Mindestmaß unterschritten;
Sie mußten die Renten auf Pump zahlen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kolb?
Ja.
Herr Kollege Heyenn, stimmen Sie mir darin zu, daß wir 1974 neun Monatsrücklagen hatten, daß die Monatsrücklagen bis 1982 auf zwei zurückgegangen sind und daß dies deswegen passiert ist, weil die Systematik in sich höhere Ausgaben als Einnahmen brachte? Ist das richtig?
Es ist falsch; denn diese Reduzierunmg ist wesentlich Folge der Tatsache, daß Sie durch Ihre Zufallsmehrheit 1972 die Rentenversicherung überlastet haben.
Meine Damen und Herren, ein kurzes Wort zur Teilhaberente. Wir realisieren mit der Teilhaberente in der Hinterbliebenenversorgung das Prinzip der ehelichen Partnerschaft. An Stelle des Unterhaltsersatzanspruches tritt das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe an dem vom Ehegatten erworbenen Rentenanspruch. Deshalb soll die Hinterbliebenenrente 70 % der Summe aller von beiden Ehepartnern erworbenen Rentenansprüche betragen, min-
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10934 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Heyenndestens allerdings die eigene Rente. Und für eine Übergangszeit, Herr Kollege Seehofer — er ist nicht da —, die Sie völlig außer acht gelassen haben, garantieren wir, daß Frauen die Rente nach altem Recht erhalten können, wenn sie günstiger ist. Das wesentlich Neue an der Teilhaberente ist, daß sie nicht mehr den Charakter einer abgeleiteten Rente hat, sondern einen eigenen Rentenanspruch darstellt. Das ist ein grundsätzlicher Unterschied. Frau Adam-Schwaetzer, das vergessen Sie, wenn Sie sagen, bei unserem Modell handle es sich auch um ein Einkommensanrechnungsmodell. Wir rechnen kein Arbeitseinkommen an.Auf der Grundlage des heutigen Rentenbestandes berechnet, meine Damen und Herren, würden rund 85% der Frauen gegenüber dem heutigen Recht Verbesserungen erhalten. Wir verschweigen dabei nicht, daß es für 15% gewisse Verschlechterungen gäbe. Das sind die Frauen, die durch langjährige Beitragszahlungen auch relativ hohe Ansprüche erworben haben. Aber dies müssen wir wohl hinnehmen, wenn wir damit die Alterssicherung der Frauen insgesamt wesentlich verbessern.Im übrigen, wer nur die Witwenrente bekommt, der erhält nach unserem Modell statt 60% wie bei Herrn Blüm in Zukunft 70% Witwenrente. Das sind wohl 10 % mehr.
Nun hat sich der Deutsche Gewerkschaftsbund — darauf ist hingewiesen worden — für den Vorschlag der Bundesregierung entschieden, weil er meint, diese 15 % der Witwen vertreten zu müssen, die von uns gewisse Verschlechterungen erfahren würden. Das steht zwar im Widerspruch zu einer Entscheidung des letzten DGB-Bundeskongresses, aber damit will ich mich gar nicht beschäftigen. Ich glaube, der Deutsche Gewerkschaftsbund oder, genauer, seine Sozialpolitiker, vergessen, daß die 85% der durch unseren Entwurf begünstigten Frauen mit bisher zum Teil sehr niedrigen Renten ausnahmslos Arbeiterinnen waren und aus Arbeitnehmerfamilien kommen.
Diese Frauen haben es nicht zu verantworten, daß sie z. B. nach Jahren der Kindererziehung nicht wieder ins Erwerbsleben zurückkehren konnten, weil der Arbeitsmarkt keinen Platz für sie hatte.Nun ein paar Worte zum Einkommensanrechnungsmodell der Bundesregierung, das keinen Beitrag zur Beseitigung von Armut im Alter darstellt und zu haarsträubenden Ungerechtigkeiten führt. Ich habe bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes hier im Januar einige Fragen aufgeworfen, die wegen der Hektik in den Ausschußberatungen nicht umfassend haben beantwortet werden können. Ich hatte gefragt, was das eigentlich für eine Reform sei, bei der Hinterbliebene, die ein Arbeitseinkommen oder eine eigene Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezögen, in krasser Weise gegenüber den Beziehern von Vermögenseinkünften, Beamtenpensionen oder Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken benachteiligt würden. Ich hatte gefragt, ob Sie es denn vertreten könnten, daß ein Zahnarzt, der sich zur Ruhe setzt, die Witwenrente seiner Frau neben den Einkünften aus seinem Vermögen ungekürzt bekommt, während seine frühere Sprechstundenhilfe hinnehmen muß, daß ihre eigene Rente auf ihre Witwenrente angerechnet wird. Und ich hatte gefragt: Was ist das eigentlich für eine Reform, die wegen der Einkommensanrechnung Witwen zur Berufsaufgabe zwingt, die spätere Einbußen in der eigenen Rente zur Folge haben? Was ist das für eine Reform, die die eigene Berufstätigkeit der Hinterbliebenen bestraft und somit leistungsfeindlich ist?
Wir wollen versuchen, die Lücken in der sozialen Biogaraphie aller Frauen zu schließen. Der Entwurf der Bundesregierung bedenkt lediglich einen Personenkreis, der zu einem guten Teil seine Kinder schon mit BAföG, Wohngeld, Kindergeld und anderen Transferleistungen als ergänzendes Einkommen erziehen konnte. Dies ist, meine Damen und Herren, kein Einstieg in die Kindererziehung sondern das ist ein Ausstieg für die Frauen, die heute Rente beziehen, vielleicht im Ersten Weltkrieg großgeworden sind, im Zweiten Weltkrieg ihre Kinder erzogen haben und nach dem Krieg dann die Trümmer in den Städten wieder beseitigt haben. Wer diese Frauen ausschließt, handelt rücksichtslos.
Und wer sagt, es stünde kein Geld zur Verfügung, dem darf ich doch einmal sagen: Ist dies nicht Argu-
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Heyennmentation wider besseres Wissen? Eine Milliarde für 1 200 Offiziere jenseits der Knackigkeit.
Wie, ich höre: der Ansatz für die Beschaffung z. B. von Panzern im Verteidigungshaushalt ist in diesem Jahr eine Milliarde zu hoch,
weiter 3 Milliarden zusätzlich für die Landwirte, Reduzierung bei der Vermögensteuer, Verzicht auf eine Ergänzungsabgabe zu Lasten der Besserverdienenden. Wer hier sagt, das Babyjahr sei nicht zu finanzieren, der kann nicht hoffen, dies gehe nach dem Motto „Das macht doch nichts, das merkt doch keiner". Herr Blüm, das werden Ihnen die Frauen in der Bundesrepublik nicht vergessen.
Zur Reform der Alterssicherung nach unserem Entwurf gehört auch der Ausbau der Renten nach Mindesteinkommen. Wir finden es hier einigermaßen merkwürdig, daß in der Ablehnung dieses wichtigen Reformschrittes Konservative, Wirtschaftsliberale und GRÜNE sich einig sind, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen.
Die Koalition beruft sich auf das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit, das durch die Rente nach Mindesteinkommen verletzt sei. Auf einmal ist dieser Koalition dann, wenn es paßt, das Versicherungsprinzip heilig, wenn sie es mißbrauchen kann, um Altersarmut ideologisch zu rechtfertigen. Genau das gleiche Prinzip, das sie bei der Bedürftigkeitsrente für Frauen mit Füßen tritt! Wie paßt das eigentlich zusammen?
Ich halte es auch nicht für passend, daß die GRÜNEN, weil ihrer Forderung nach einer Mindestrente für jeden — sie ist noch nicht einmal eingebracht — nicht Rechnung getragen wird, Schritte zu einer besseren Versorgung der Frauen wie z. B. die Ausdehnung der Rente nach Mindesteinkommen ablehnen.
— Gut, vielen Dank für die Ergänzung.Die Bundesregierung, meine Damen und Herren, überträgt ihre Hinterbliebenenrente mit Einkommensanrechnung und Freibetrag auch auf die Unfallversicherung. Dort will man dies nicht, weil es einen Eingriff in das Entschädigungsprinzip darstellt. Auch die Arbeitgeber, die die Kosten dafür tragen, wollen das nicht. Herr Blüm macht ihnen ein Geschenk, das sie gar nicht wollen. Vor wenigen Tagen hat die Unfallversicherung den 100jährigen Geburtstag gefeiert. Mir kommt Herr Blüm vor wie ein Pfadfinder, der täglich eine gute Tat tun muß, der die „alte Dame Unfallversicherung" am Rande einer befahrenen Straße sieht, sie am Ärmel packt, über die Straße zerrt, Dank erwartet und dann hört: „Sie Flegel, was machen sie? Ich wollte doch gar nicht über die Straße".
Herr Blüm, ich glaube, so wie Herr Strauß uns bei den zwölfhundert Offizieren helfen wird, wird er uns auch hier helfen. Das wird in den Vermittlungsausschuß kommen.
„... Gerade für die älteren Mitbürger wäre es eine große Beruhigung, wenn sie wüßten, daß die Rente ... von der Hektik des Gesetzgebungsverfahrens abgehängt und auf eine Formel gestellt wird, die auf Generationen hinaus wasserdicht ist" — so Norbert Blüm im Januar 1984. Das wäre konsensfähig.
Jedoch die Macht des Faktischen, Herr Blüm, entlarvt den Widerspruch zwischen Ihren Prophezeiungen und Ihrem tatsächlichen Handeln. Der Gesetzentwurf garantiert weder eine langfristige Sicherung der Renten,
noch sind die Gesetzgebungsverfahren frei von Hektik. Daß Rechtsstaat, Herr Minister Blüm, auch etwas mit Gerechtigkeit im materiellen Sinne zu tun haben könnte, scheint sich Ihren Vorstellungen zu entziehen. Aber damit stehen Sie exakt in der konservativen Tradition.
Daß es aber eine Vorstellungswelt des deutschen Trivialromans ist, wenn Sie implizieren „Jeder ist seines Glückes Schmied", „Wer nur will, der kann", das wissen Sie genauso gut wie wir. Das steht im Gegensatz zur Situation vieler Rentner. Sie sollten die Bürger nicht für dümmer halten, als sie sind
und an deren Moral appellieren. Herr Arbeitsminister, Sie sind die Beweise Ihrer sozialpolitischen Moral bisher schuldig geblieben.
Warum Sie unser Angebot, gemeinsam die vollen Beiträge der Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfeempfänger wiederherzustellen, abgelehnt haben, warum Sie das Angebot unseres Gesetzentwurfs zu einer neuen Rentenformel ausschlagen, ist letztendlich für uns kaum zu beantworten. Wir wollen der Rentenversicherung eine dauerhafte und solide Finanzgrundlage geben. Wir wollen weg von Ihren permanenten Beitragserhöhungen, wo die Unterschrift des Bundespräsidenten unter das letzte Beitragsanhebungsgesetz noch nicht trocken ist und Sie hier im Parlament schon das nächste beraten.
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HeyennWir wollen den Bund über einen steigenden Bundeszuschuß an den Lasten der sich verändernden Altersstruktur beteiligen. Wir wollen eine gerechtere Bewertung der beitragslosen Zeiten vornehmen.
Wir wollen mit diesen Maßnahmen die Renten aus dem täglichen Gerede heraushalten und mit der Verunsicherung der Rentner Schluß machen.Wenn Sie im Kabinett eine Lanze für die Strukturreform gebrochen hätten, Herr Blüm, könnten wir so schnell wie möglich Rentnern und Beitragszahlern wieder Vertrauen geben. Doch Sie verweigern sich. Die Fachwelt fordert: Fangt an! Denn die Versicherungsträger brauchen, wenn wir fertig sind, zwei Jahre Vorbereitungszeit. Sie verweigern sich. Denken wir über diesen Gesetzentwurf hinaus! Denken wir an den Wertschöpfungsbeitrag, Herr Kollege Bueb, den wir planen hier einzubringen. Hier verweigern Sie sich ebenfalls. Andere sind offener. Herr Stoltenberg will dies überlegen. Herr Strauß will dies ebenfalls überlegen. Sie lassen sich permanent bange machen. Ich habe den Eindruck, Sie denken auch schon wie Herr Bangemann.
Wir haben einen umfassenden Gesetzentwurf vorgelegt. Unser Entwurf bedeutet Strukturreform. Ihr Entwurf bedeutet weitere Reparatur. Mir kommen dabei, Herr Bundesarbeitsminister, Ihre Worte aus der Debatte über die Regierungserklärung des Kanzlers in den Sinn. Sie haben da gesagt: Nie mehr als ein Werkstück im Schraubstock! Das Werkstück, das ich jetzt im Schraubstock habe, heißt Rentenkonsolidierung. Wenn das erledigt ist, kommt die Hinterbliebenenversorgung dran. Eines nach dem anderen!Nun ist es aber schon bei dem ersten Werkstück— das war nämlich nicht Konsolidierung — eines nach dem anderen geworden: fünf Beitragsanhebungen, drei reduzierte Rentenanpassungen in dieser Zeit.
Dies war kein gelungenes Werkstück. Genausowenig ist die Rentenreform ein gelungenes Werkstück.Wer diesen Entwurf nach fast drei Jahren Lehrzeit— und so lange regieren Sie, Herr Bundesarbeitsminister — so seinem Meister vorgelegt hätte, bei dem hätte der Meister mit Sicherheit erwogen, ihm zu empfehlen, auch jetzt noch den Lehrberuf zu wechseln. Oder er hätte Ihnen gesagt: Wenn du mit Ach und Krach bestehst, dann bekommst du aber nur einen befristeten Arbeitsvertrag!
Oder der Meister hätte gesagt: Norbert, geh ins Showgeschäft; mit dem Handwerk klappt das nicht, aber mit dem Mundwerk, das haut hin!
Unserem in sich geschlossenen Entwurf, der die Rente aus dem Gerede bringt, der den alten Menschen wieder Vertrauen geben kann, steht kein gelungenes Stückwerk — Entschuldigung, kein gelungenes Werkstück, sondern nur Stückwerk gegenüber. Weil ich mich versprochen habe, fasse ich das noch einmal zusammen:
statt Handwerk — Mundwerk und statt Werkstück Stückwerk!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluß Herrn Jürgen Forster aus der heutigen „Süddeutschen Zeitung" mit einem Satz zitieren:Das ... vorgelegte Modell der Anrechnung vollzieht einen Bruch mit der rentenpolitischen Werteordnung, wie es ihn in seiner Tendenz eines Rückzugs des Staats aus bisherigen Leistungsversprechen in der Nachkriegsgeschichte nicht gegeben hat.Dem schließen wir uns an. Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Blüm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist ein wichtiger Tag für die Rentenversicherung, ein wichtiger Tag für die Rentner.
Endlich kommt die Reform der Hinterbliebenenversorgung. Wir leisten unsere Arbeit — sehr richtig — Werkstück für Werkstück, Baustein um Baustein. Stockwerk um Stockwerk geht es um die Renovierung des Rentensystems,
damit auch zukünftige Generationen darunter Schutz und Sicherheit finden können.
Meine Damen und Herren von der Opposition, auf einen Vorwurf müssen Sie sich jetzt einigen: Sie können nicht vortragen, ich würde in Sachen Rentenversicherung und Rentenreform zu langsam arbeiten, und im nächsten Satz, wir würden zu schnell arbeiten. Beide Vorwürfe behindern sich wechselseitig.
Ich komme zur Reform der Hinterbliebenenversorgung. Am 12. März 1975 sprach das Bundesver-
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Bundesminister Dr. Blümfassungsgericht sein Urteil und gab uns den Auftrag, die Hinterbliebenenrenten neu zu regeln.
Das war am 12. März 1975. Das Bundesverfassungsgericht versah seinen Auftrag mit der Terminierung: bis Ende der übernächsten Legislaturperiode. In einer großzügigen Interpretation ist das der Herbst 1984.Noch einmal: Das Verfassungsgerichtsurteil war 1975. Hätten Sie nicht sieben Jahre geschlafen, müßten wir nicht in kurzer Zeit diese Reform der Hinterbliebenenversorgung durchführen!
Wie kann denn ausgerechnet jemand, der die Sache vertrottelt hat, uns vorwerfen, wir würden spurten! Das ist doch ein Widerspruch.
Zur Sache: Meine Damen und Herren, es bleibt die Aufgabe — auch aus Respekt vor dem Verfassungsgericht —, die Hinterbliebenen nicht auf die Reform ihres Versorgungssystems warten zu lassen. Witwen und Witwer sollen gleichgestellt werden. Das ist eine elementare Forderung der Gleichberechtigung, der sich niemand entzieht. Das wollen auch wir.Nur: Ein zweites Erfordernis begleitet diese Reform, nämlich neben der unbestrittenen Gleichberechtigung auch die Kostenneutralität. Ich denke, sie ist eine Bedingung einer soliden und sozialen Rentenpolitik. Denn heute mehr Geld ausgeben und morgen wieder einsammeln — das ist das Wechselbad sozialdemokratischer Rentenpolitik. Das machen wir nicht.
Herr Heyenn, welche Logik: Sie werfen mir vor, unsere Reform der Hinterbliebenenversorgung sei kein Beitrag zur langfristigen Sicherheit der Rentenfinanzen, und Sie legen selber Reformvorschläge vor, die 3 Milliarden DM mehr kosten. Wo bleibt denn da die Logik? Sie sagen, wir leisten keinen Beitrag, und Sie verteuern die Sache. Wer heute kostensteigernde Rentenreformen vorlegt, muß morgen Renten kürzen. Jede Reform der Hinterbliebenenrente, die heute mehr Geld kostet, ist ein Angriff auf das Rentenniveau der Rentner. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik.
Deswegen, Herr Kollege Glombig, kann es nur kurzsichtig sein, Kostenneutralität zu einer Chimäre zu erklären, wie Sie das getan haben. Kostenneutralität ist ein Gebot einer klugen Haushaltspolitik für die Rentner, einer klugen Politik für die Rentner, die ihre Groschen zusammenhält, damit wir das Rentenniveau morgen auch noch finanzieren können.Nun zu Kostenneutralität und Gleichberechtigung. Ich gestehe es: Beide Bedingungen zu erfüllen bedeutet fast die Quadratur des Kreises. Wie war es denn bisher, wenn Gleichberechtigung herzustellen war? Da wurden die Renten der Benachteiligten angehoben. Mit vollen Kassen ist das relativ leicht. Wie stellt man aber Gleichberechtigung bei knappen Kassen her? Dann ist die Gefahr groß, daß ungerecht gekürzt werden muß. In der Tat: Rechtlich sind die Männer benachteiligt; denn sie erhalten — jedenfalls in der Regel — keine Witwerrente, sondern nur in Ausnahmefällen. Tatsächlich sind allerdings die Frauen benachteiligt, denn sie haben die niedrigen Renten. Aus diesem Gestrüpp von rechtlichen Erfordernissen, politischen Erwartungen der Frauen, nämlich daß ihre Lage verbessert wird, und finanzieller Notwendigkeit einen Weg zu finden, bedeutet fast — ich wiederhole es — die Quadratur des Kreises. Dabei füge ich hinzu: Ich stehe hier nicht vor Ihnen, um eine Ideallösung anzubieten. Sie gibt es auch selten; sie gibt es in der Ideologie.
Vielleicht haben Sie die Ideallösung; ich habe sie nicht. In der Sozialpolitik — dazu gehört eine gewisse Bescheidenheit — gibt es keine Lösung ohne Einwände und keine Politik ohne Alternative. Die absolute Gerechtigkeit läßt sich nicht verwirklichen.Vier Wege bieten sich an, um das Problem zu lösen. Ich will sie vom ganzen Gedankengang her noch einmal vortragen.Die erste Lösung im Hinblick auf Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in der Hinterbliebenenrente: Wir dehnen die Regelung für die Witwen einfach auf die Witwer aus. Jeder Mann erhält auch eine 60 %ige Hinterbliebenenrente. Man muß nicht lange erklären: Diese Regelung verstößt gegen das Gebot der Kostenneutralität. Sie wäre im übrigen eine reine Männerbegünstigung. Sie würde einfach die Männer, die bisher nichts bekamen, in den Genuß einer Hinterbliebenenrente setzen.Zweitens bietet sich der umgekehrte Weg an, die heutige Regelung für die Witwer auf die Witwen zu übertragen. Die Witwer erhalten nur eine Hinterbliebenenrente, wenn sie nachweisen, daß der verstorbene Ehepartner der Hauptverdiener war. Hat er nur eine Mark weniger zum Unterhalt beigetragen, gibt es keine Hinterbliebenenrente. Meine Damen und Herren, das wäre eine Rentenreform, die die Schnüffelei zum Systembestandteil der Rentenversicherung erklären würde. Wir müßten bis in die Sparbücher hinein überprüfen, wer am Todestag des Ehepartners der Hauptverdiener war. Im übrigen würde aus der Rentenversicherung auch jede Kalkulierbarkeit entschwinden. Nehmen wir ein Beispiel: Ein 30jähriges Ehepaar weiß nicht, wer 30, 40 oder 50 Jahre später von beiden zuerst stirbt und wer dann von beiden der Hauptverdiener ist. Es würde jede Kalkulierbarkeit von Erwartungen aus der Rentenversicherung beseitigt werden. Deshalb ist dieses System erstens zu kompliziert und zweitens zu konfus.
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10938 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Bundesminister Dr. BlümDer dritte Weg ist Ihr Weg, und das — ich will es bekennen — war auch unser gemeinsamer Weg: Teilhaberente. Auf den ersten Blick — ich gestehe es — hat diese Lösung sehr viel Plausibilität: Wir bilden aus den beiden Ansprüchen von Mann und Frau, der beiden Ehepartner, im Sterbefall eines der Partner einen gemeinsamen Anspruch von 70, von 65 % bei Garantie der eigenen Rente für den Hinterbliebenen.Wenn Sie an dieses Modell aber mit der Bedingung der Kostenneutralität herangehen, müssen Sie eine Teilhaberente von 65% anbieten. Eine Teilhaberente von 65 % benachteiligt zwei Drittel — ich wiederhole: zwei Drittel — der berufstätigen Frauen. Bereits eine Frau, deren eigener Anspruch 14 des Anspruchs ihres Mannes entspricht, muß draufzahlen. Es wird doch wohl niemand eine Teilhaberente anbieten, die so eklatant gegen die Interessen der berufstätigen Frauen verstößt.
Es bleibt der Ausweg, den Sie gesucht haben: 70 %. Diese Lösung ist aber nicht kostenneutral. Sie kostet drei Milliarden mehr, die das Rentenniveau ganz allgemein gefährden. Aber selbst bei 70%iger Teilhabe muß ein Drittel der berufstätigen Frauen Einbußen hinnehmen. Ich wiederhole: Selbst bei 70 %iger Teilhabe muß ein Drittel der berufstätigen Frauen Einbußen hinnehmen.Ich füge als Drittes hinzu: Auch dieses Teilhabemodell — da können Sie reden, solange Sie wollen — ist ein Anrechnungsmodell. Da es ohne Freibetrag arbeitet, wird von der ersten Mark an angerechnet. Wenn Anrechnung Ihre Klage ist, dann müssen Sie die Klage erst an sich richten. Denn Ihr Modell geht in der Anrechnung weiter als unser Modell mit dem Freibetrag.
Ich füge einen vierten Einwand hinzu. Ich gestehe: Das ist das K.-o.-Argument, verehrte Frau Fuchs, für Ihren Vorschlag. Das K.-o.-Argument lautet: „Die Teilhaberente in Form einer Gesamtversorgungsrente ist nicht machbar." Das ist ein Zitat von Helmut Kaltenbach, dem Direktor der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Er fügt — in einer sehr lesenswerten Broschüre der Bundesversicherungsanstalt
hinzu:Das ist eine späte Erkenntnis.— nämlich die Teilhaberente nicht machbar ist —Sie gewinnt man, wenn man versucht, eine Gesamtversorgungsrente für die Fälle zu bilden, in denen die Eheleute verschiedenen Alterssicherungssystemen angehören beziehungsweise angehört haben ...In der Tat. Wenn der Mann Beamter und die Frau in der Rentenversicherung versichert ist und wenn aus beiden Ansprüchen ein gemeinsamer dritter Anspruch — 70% Teilhabe — entstehen soll, dann erklären Sie hier, Frau Fuchs: Sind die 70% Beamtenversorgung, oder sind sie Rente? Was sind sie denn?Das ist keine akademische Frage. Das ist eine sehr konkrete Frage. Danach entscheidet sich nämlich, wie sie steigen. Danach entscheidet sich, wie sie besteuert werden. Die Anspruchsvoraussetzungen sind sehr verschieden. Es bleibt die alte Einsicht: Aus Äpfeln und Birnen können Sie keine neue Obstsorte machen. Sie versuchen, aus Äpfeln und Birnen eine neue Obstsorte zu machen.Das ist der Einstieg in den großen Rentenkuddelmuddel der SPD. Aus diesem Rentenkuddelmuddel soll die Einheitsrente entstehen. Das ist der strategische Punkt der Grenzverwischung.Aber es geht nicht nur um diese Grenzverwischung. Wir wollen jetzt einmal ins Detail gehen und nicht nur in Überschriften sprechen. Sie muten den Hinterbliebenen auch einen Rentenslalom zu, beispielsweise der Frau, deren Mann stirbt, die aber noch gar keinen eigenen Anspruch hat. Da kann ja noch nichts zusammengelegt werden. Die Teilhabe kann j a nur entstehen, wenn zwei Rentenansprüche vorhanden sind. Was machen Sie, wenn der eine stirbt und der andere die Wartezeit noch nicht erfüllt hat? Dann muß er warten. Dann gibt's auch keine Teilhabe. Wenn er Kinder hat, bekommt er eine Rente. Wenn er keine Kinder hat, die er erzieht, bekommt er keine. Also Rentenslalom: Erziehst du mit 40 Jahren noch Kinder, bekommst du noch eine Rente. Wenn das Kind aus dem Haus ist, dann bekommst du keine mehr. Wenn du 60 bist, kommst du dann in die Teilhaberente. Am besten geben Sie den Rentnern einen Fahrplan, damit sie überhaupt mitbekommen, wann für sie neue Regelungen gelten. Was daran einfach sein soll, weiß ich nicht.
Ich behaupte, der SPD-Vorschlag, der vorliegt, ist erstens Rentenkuddelmuddel und zweitens Rentenslalom. Das ist der Vorschlag der SPD.
Es bleibt der vierte Weg, der Weg, den wir vorschlagen.
Immer wenn es schwer ist, ist es gut, sich an Grundsätzen zu orientieren. Immer wenn es kompliziert wird, ist es gut, sich auf Prinzipien zurückzuziehen.Da sind zwei Prinzipien, die wir beachten. Die Versichertenrente muß Lohn ersetzen. Das ist ihre traditionelle Funktion. Die Hinterbliebenenrente muß Unterhalt ersetzen. Das ist ihre unbestrittene Funktion. Wer das bestreitet, müßte erklären, warum eine Frau im Fall der Wiederverheiratung beispielsweise ihre Versichertenrente unverändert weiter erhält. Das ist die Rente, die sie mit ihrem Beitrag erworben hat. Demgegenüber fällt die Unterhaltsersatzrente weg, weil sie j a nun von ihrem Ehemann Unterhalt bekommt.Die Regelung für den Witwer läßt sich auch gar nicht anders erklären. Sie läßt sich nur aus einem
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Bundesminister Dr. Blümtraditionellen Rollenverständis heraus erklären. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist nicht mehr unser Rollenverständnis. Die traditionelle Rollenvorstellung sieht folgendermaßen aus: Der Mann arbeitet; die Frau ist zu Hause; der Mann ernährt die Frau. Wenn der Mann stirbt, tritt die Rentenversicherung an die Stelle des Mannes und gewährt der Frau Unterhalt. So einfach, so festgeschrieben sind die Verhältnisse heute nicht mehr. Deshalb — aber auch aus verfassungsrechtlichen Gründen — können wir dem Mann nicht einfach jeden Unterhaltsersatzanspruch streitig machen. Wir machen mit unserem Angebot im Grunde nichts anderes, als daß wir von der heutigen geschlechtsspezifischen Vorentscheidung — die Frau bekommt immer einen Unterhaltsersatzanspruch, der Mann aber nie — abgehen und diese Frage entsprechend den sozialen Verhältnissen individualisieren. Insofern ist unsere Regelung individueller und sozialer.Wir fragen: Verändert sich dein Unterhaltsersatzanspruch? — Er verändert sich, wenn die eigene Rente hoch ist, wenn sie sehr hoch ist. Wenn das eigene Einkommen hoch ist, dann ist der Unterhaltsersatzanspruch doch nicht in der gleichen Weise gegeben, wie wenn jemand nur auf Hinterbliebenenrente angewiesen ist.Deshalb gilt — ich wiederhole mich —: Die eigene Rente bleibt immer unangetastet; sie ist tabu. Herr Kollege Bueb, das ist Ausdruck des Leistungsprinzips. Ich füge hinzu: Das ist aus meiner Sicht ein emanzipatorisches Prinzip. Einen sozialen Anspruch auf eigene Leistung zu gründen ist ein Teil der Emanzipation: Ich habe das Bewußtsein, meine Rente selbst verdient zu haben; keine Obrigkeit teilt mir irgendeine Fürsorge zu.Meine Damen und Herren, mit Bedürftigkeit hat das überhaupt nichts zu tun. Ich prüfe nämlich überhaupt nicht, ob der einzelne reich oder arm ist. Wir prüfen nur, welche Leistungen er aus öffentlich-rechtlichen Systemen erhält. Das ist das eindeutige Abgrenzungskriterium.Lassen Sie mich auch einmal folgendes festhalten. Auch bei knappen Kassen gilt: Es gibt Überversorgungen im öffentlich-rechtlichen System. In der Mehrzahl der Fälle entsteht diese Überversorgung nicht aus einer Leistung, sondern aus der sogenannten Kumulation, also dann, wenn mehrere Ansprüche zusammenkommen. Deshalb wird man doch bei mehreren Ansprüchen prüfen müssen, ob ein Anspruch reduziert werden kann, denn die Überversorgung des einen wird durch die Unterversorgung des anderen finanziert.Meine Damen und Herren, um noch einmal auf den Bedürftigkeitsvorwurf einzugehen: Ich antworte mit der Funktionärszeitschrift des DGB, „Die Quelle", Ausgabe Juni 1984. Auf den Vorwurf, im Anrechnungsmodell der Regierung sei Bedürftigkeit enthalten, antwortet der DGB in seiner Funktionärszeitschrift — hören Sie zu, falls es peinlich ist; ich kann es Ihnen dennoch nicht ersparen —:Dieser Einwand kommt ausgerechnet von derjenigen Partei, unter deren Regierungsverantwortung die Rentenanpassungen entsprechenddem finanziellen Rahmen für drei Jahre von der Bruttolohnentwicklung abgekoppelt waren.Waren zu Ihrer Amtszeit die Renten keine Versicherungsleistungen? Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Drei Merkposten für die Rentner: Meine Damen und Herren, an der Position derjenigen, die jetzt schon in Rente sind, ändert sich überhaupt nichts. Das muß man einmal festhalten.
Da steht überhaupt nichts zur Disposition.Bei demjenigen, der nur eine Rente hat, verändert sich auch nichts, und zwar unabhängig davon, ob es die eigene Rente ist oder nur eine Hinterbliebenenrente.Zur Debatte steht nur jene Gruppe, die zwei Renten hat. Ist es nicht auch sozial, zu sagen: Derjenige, der zwei Renten hat, wird anders behandelt als derjenige, der nur eine Rente hat. Derjenige, der zwei Renten hat, wird aber nur dann anders behandelt, wenn eine Rente sehr hoch ist. Oberhalb eines Freibetrages — der dynamisiert wird — wird auf die andere ganz bescheiden etwas angerechnet.Meine Damen und Herren — das richtet sich auch noch einmal an die Kollegen der SPD —, es kann doch wohl nicht Sinn der Hinterbliebenenrentenreform sein, daß ein Mann mit einer hohen eigenen Rente, der nie erwartet hat, von seiner Frau eine Hinterbliebenenrente zu erhalten, im Zuge dieser Hinterbliebenenrentenreform noch ein Zubrot erhält. Das kann doch wohl nicht Sinn der Gleichberechtigung sein. Wir müssen doch dieses Zubrot den Witwen lassen, die nur von ihrer Witwenrente leben. Etwas anderes kann doch nicht soziale Rentenpolitik sein.Verehrte Frau Kollegin Fuchs, wer zahlt denn — wenn Sie das vielleicht auch einmal beantworten — bei Ihrem großen „Erfolg", die Hinterbliebenenrente von 60% auf 70 % anzuheben? Ich kann es Ihnen ganz leicht sagen: Die Männer können es nicht sein, denn die Versichertenrente ist ja tabu. Die Witwen, die nur eine Hinterbliebenenrente haben, können es auch nicht sein. Es können nur diejenigen sein, die zwei Renten erhalten, und das sind die berufstätigen Frauen. Diese Aufwertung, das, was Sie als Fortschritt feiern, wird ausschließlich von den berufstätigen Frauen finanziert.
Ich füge unserem Modell drei Sicherheiten hinzu: Wir arbeiten mit großen Übergangsfristen. Zu unserer Sozialpolitik gehören keine abrupten Aktionen, sondern zehn Jahre Übergangsfristen. Die über 50jährigen Ehepartner haben ein Wahlrecht zwischen dem alten und dem neuen System. Ich füge noch einmal hinzu, weil ich es wichtig finde: Wer in Rente ist, erfährt keine Veränderung.Ich fasse unseren Vorschlag in sieben Vorteile zusammen: Erstens: Unser Modell ist systemge-
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Bundesminister Dr. Blümrecht. Es fädelt in das bestehende System ein. Zweitens: Unser System ist sozial rücksichtsvoll. Ein Freibetrag wirkt so, daß die kleinen Renten geschont bleiben. Drittens: Unser Modell ist auch leistungsgerechter, denn der Freibetrag wirkt sich auch so aus, daß die Anrechnung später beginnt und deshalb Ansprüche später wegfallen. Viertens: Unser Vorschlag ist frauenfreundlich: 90% der berufstätigen Frauen haben derzeit eine Rente unter 900 DM. Der Freibetrag wird dynamisiert, so daß man mit Fug und Recht behaupten kann, daß überhaupt nur eine kleine Gruppe betroffen ist. Hingegen bei Ihnen müssen, obwohl Ihre Lösung nicht kostenneutral ist — das Kunststück haben Sie wirklich fertiggebracht — und mehr Geld ausgegeben wird, die berufstätigen Frauen draufzahlen. Fünftens ist unser Modell familienfreundlich. In den Freibetrag haben wir eine Kinderkomponente einbezogen. Sechstens ist es praktikabel. Wir müssen kein neues System durch Zusammenlegung bilden. Siebtens ist es kostenneutral.Deshalb bin ich ganz stolz: Der Deutsche Frauenrat ist für unser Modell. Laut Protokoll des Hearings hat die Vertreterin des Deutschen Frauenrates gesagt: „Hier ist auch nach unserer Auffassung dem Anrechnungsmodell eindeutig der Vorzug zu geben."Ich emfephle Ihnen allen, besonders den Sozialdemokraten, die hervorragende Broschüre des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Es ist die beste, die ich seit langer Zeit gesehen habe. In dieser Broschüre zum Hinterbliebenenmodell steht:Das Anrechungsmodell dagegen verschont diese kleinen Rentner vor tiefgreifenden Verschlechtungen, indem es sie anrechnungsfrei läßt. Damit enthält es eine für uns unübersehbare soziale Komponente und verdient auch deshalb den Vorzug gegenüber einem Teilhabemodell mit nur 70 %.Wenn es Sie nicht langweilt, lese ich noch ein paar DGB-Stellungnahmen vor. — Die DAG sagt: allein schon aus pragmatischen Überlegungen sei sie der Meinung, daß diesem Modell der Hinterbliebenenrente mit Freibetrag der Vorzug gegeben werden muß.Die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratische Frauen schreibt am 12. Juni 1984 — Frau Fuchs, das ist Ihnen doch bekannt —: „Das Teilhabemodell der SPD ist aus frauenpolitischer Sicht abzulehnen."
Die IG Chemie — ich sehe den Kollegen Rappe, einen geschätzten Kollegen in diesem Hause — beschließt auf ihrem letzten Gewerkschaftstag — ich zitiere mit freundlicher Genehmigung des Vorsitzenden —:Eine Reform der Hinterbliebenenversorgung, die eine Teilhaberente von nur 70 oder gar 65% der von beiden Ehegatten vor und während der Ehe erworbenen Ansprüche vorsieht, wird abgelehnt. Ein derart niedriger Teilhabesatz greift so elementar in die Rechtsposition dererwerbstätigen Frauen ein, daß er völlig unakzeptabel ist.Deshalb bevorzugt auch die IG Chemie, deren Vorsitzender Herr Rappe ist, unser Modell.
— Ich kann die Zitatensammlung fortsetzen, wenn es gewünscht wird.Aber bleiben wir beim zweiten großen Thema: Kindererziehung. Meine Damen und Herren, während die Hinterbiebenenrentenreform eine Weiterentwicklung unseres Rentensystems ist, schlagen wir mit der Einführung von Kindererziehungszeiten ein neues Kapitel in der Rentenversicherung auf.
Heute, an diesem Freitag, dem 21. Juni 1985, hier im Deutschen Bundestag, beginnt ein neues Kapitel in der deutschen Rentenversicherung.
Hundert Jahre Rentenversicherung heißen hundert Jahre Rücksichtslosigkeit gegenüber den Müttern und den Kindern. Dieses Kapitel liegt hinter uns. Wir schlagen heute ein neues Kapitel auf.
— Nur kein Neid. Sie hätten es ja machen können. Sie hatten ja 13 Jahre lang die Chance, dieses Kapitel zu eröffnen.
— Ich komme jetzt zu diesem Problem.Drei Möglichkeiten gab es zur Regelung dieser Frage. Erstens: die Einbeziehung aller. Das wäre die umfassendste und, wie ich gestehe, allgemein befriedigende Lösung gewesen. Das wäre — damit da gar kein Zweifel entsteht — sozusagen das Modell, das auch die Vergangenheit umschließt. Das wäre das Maximalmodell gewesen.
Das Modell auf der Gegenseite wäre gewesen: Wir führen Kindererziehungszeiten für die Kinder ein, die nach Inkrafttreten des Gesetzes geboren sind. Jeder weiß: Die erste Mutter, die solche Kindererziehungszeiten in Anspruch nehmen kann, würde wahrscheinlich in 30 Jahren in die Rente kommen. Das ist die Minimallösung; diese haben wir ausgeschlossen.Wer die maximale Lösung nicht finanzieren kann und die minimale nicht will, weil sie eine Verschiebung des Problems ist, der bevorzugt den dritten, den mittleren Weg, daß alle Frauen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes in die Altersrente gehen —65 Jahre sind oder vorher in Rente gehen —, in den Genuß von Kindererziehungszeiten kommen.Meine Damen und Herren, Sie brauchen sich jetzt gar nicht zu erregen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10941
Bundesminister Dr. BlümIch weiß, daß dies beklagt wird. Ich habe sehr viel Verständnis für die Klagen. Meine Damen und Herren, umfassend befriedigend ist die Lösung nicht. Ich verstehe sehr gut, daß Frauen darüber klagen, Frauen, die in schwerer Zeit Kinder erzogen haben. Ich bin ein Kind einer Trümmerfrau. Meine Mutter hat mich in Luftschutzbunkern und in Hungerjahren erzogen. Ich weiß, wie schwer das war. Aber ich bin ganz sicher: Diese Generation von Frauen, von der wir nur mit großem Respekt sprechen können, weiß, was Familienzusammenhalt bedeutet. Sie denkt in Generationen. Vor die Frage gestellt, ob die absolute Gleichbehandlung das Wichtigste ist und wir deshalb gar nichts machen können oder ob wir jetzt anfangen sollen, entscheidet sich — auch aus Gründen der Solidarität —, wie ich hoffe, auch diese Generation dafür, zu sagen: Es ist besser, jetzt zu beginnen, als auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten, wenn die absolute Gerechtigkeit verwirklicht werden kann.
Es wir immer die beste Tradition der Sozialpolitik, jetzt das Mögliche zu machen und nicht zu warten, bis das Wünschbare Wirklichkeit wird. Meine Damen und Herren, ich füge noch etwas hinzu. Ich bin ganz sicher — ich habe sie nicht gefragt —, wenn ich meine Mutter fragen würde, ob nichts gemacht werden solle, oder ob man wenigstens ihren Schwiegertöchtern und Enkeln Kindererziehungszeiten gönnen solle und ein Unrecht, das seit hundert Jahren gegolten hat, jetzt beseitigen solle, sie würde sich gegen die absolute Gleichbehandlung entscheiden, sie würde sich dafür entscheiden, daß es ihren Schwiegertöchtern und ihren Enkeln in der Kindererziehung besser geht als ihr selber.
Das gehört aus meiner Sicht auch dazu.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?
Aber bitte.
Herr Minister Blüm, Sie haben gerade in beredten Worten für den möglichen Schritt, was die Erziehungszeiten angeht, zur jetzigen Zeit plädiert. Wie es der Zufall will, betritt der Herr Verteidigungsminister gerade den Raum. Finden Sie nicht, daß es ein Mißverhältnis ist, wenn wir auf der einen Seite 60 Milliarden für Verteidigung ausgeben können und auf der anderen Seite den Trümmerfrauen die Einbeziehung in diese Anrechnung verweigern? Finden Sie nicht, daß Ihre Worte angesichts dessen irgendwie scheinheilig sind?
Die Trümmerfrauen haben am meisten unter Krieg und Waffeneinsatz gelitten. Deshalb bin ich sicher, daß die Trümmerfrauen den Frieden zu schätzen wissen, den auch unsere Bundeswehr mit garantiert.
Ich würde mir wie Sie wünschen, daß wir das Geld, das wir für Panzer und Raketen ausgeben, besser für Mütter und hungernde Kinder ausgeben. Das würde ich mir mit Ihnen wünschen. Das muß aber dann für alle Seiten gelten. Wenn eine Seite Waffen niederlegt, gebraucht die andere Seite die Waffen. Deshalb sind wir dafür, daß der Frieden mit immer weniger Waffen gesichert wird, aber im Gleichgewicht der Kräfte.
Herr Abgeordneter Mann, den Ausdruck „scheinheilig" weise ich als unparlamentarisch zurück.
Meine Damen und Herren, wir führen jetzt Erziehungsgeld ein. Wir können es auch nicht rückwirkend einführen. Kindergeld ist auch nicht rückwirkend eingeführt worden. Wir geben 10 Milliarden DM für Familienpolitik aus. Wenn wir die Ungerechtigkeiten der letzten 100 Jahre finanziell ausgleichen wollten, langte der ganze Haushalt nicht. Die Sozialpolitik war nie in der Lage, den Film sozusagen zurückzudrehen und die ganze Geschichte noch einmal ablaufen zu lassen. Die Sozialpolitik wußte immer, daß es Fortschritt nur Schritt für Schritt gibt. Ich bleibe auf alle Fälle dabei, meine Damen und Herren: Das, was wir einführen, ist nicht die absolute Gerechtigkeit — ich gestehe es —, es ist aber mehr Gerechtigkeit als bisher. Die größte Ungerechtigkeit war, überhaupt keine Kindererziehungszeiten anzurechnen, und diese größte Ungerechtigkeit ist von der SPD am Leben gehalten worden, 13 Jahre lang.
Hätten Sie 1969 nur das gemacht, was wir jetzt machen und was Sie angreifen,
so hätten Sie schon 16 Jahrgänge in der Anrechnung, und der Jahrgang 1905 könnte schon Kindererziehungszeiten beanspruchen. Warum haben Sie es nicht getan, meine Damen und Herren?
Von den 4,7 Millionen versicherten Rentnerinnen kämen heute bereits 3,5 Millionen in den Genuß der Anrechnung von Kindererziehungszeiten.Ich weiß, Sie haben ein Babyjahr angeboten — geredet, geredet, geredet. Das ist überhaupt ein Kennzeichen Ihrer Sozialpolitik, sie ist sehr wortreich. Sie haben geredet und geredet und geredet und noch nicht einmal dieses Babyjahr in die Welt setzen können. Wenn Sie es in die Welt gesetzt hätten — vergessen Sie es nicht, meine Damen und Herren von der SPD —: Auch dieses Babyjahr war
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10942 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Bundesminister Dr. Blümnur auf die Zukunft gerichtet, auch dieses Babyjahr war nicht rückwirkend zur Anrechnung vorgesehen. Wie kommen Sie eigentlich heute dazu, uns Vorwürfe zu machen? Ihr nicht verwirklichtes Babyjahr war ja auch nur auf die Zukunft gerichtet. 15 Jahre lang mußte jemand Beitrag gezahlt haben. Es war nicht nur ein Vorschlag unter Ausschuß der Vergangenheit, Sie haben auch mehr Frauen für die Zukunft ausgeschlossen: 15 Jahre. Wir haben auf fünf Jahre gesenkt. Jetzt können mit Kindererziehungszeiten Ansprüche in der Rentenversicherung erworben werden. Ihr Babyjahr hat überhaupt keine Rente begründet. Es war ein Zuschlag zur Versichertenrente. War die Versichertenrente groß, war das Babyjahr „groß", war die Versichertenrente klein, hat es ein kleines Babyjahr gegeben. Von 2,50 DM bis 50 DM reichte die Streubreite Ihrer Kindererziehungszeiten. Das war sozialdemokratisch. Wir sagen: Kind ist Kind, und deshalb für jeden die gleichen Erziehungszeiten.
Wollen wir doch dieses ungeborene Baby noch einmal betrachten: 18 Milliarden DM hätte es noch gekostet, aber nicht aus dem Haushalt. Vielmehr sollte die Rentenversicherung das bezahlen.Ich fasse unsere Kritik in vier Punkten zusammen: erstens: unter Ausschluß der Vergangenheit, zweitens: unter Ausschluß eines großen Teiles der Frauen, nämlich all derjenigen, die keine 15 Jahre Beitrag gezahlt haben oder ansonsten 15 Jahre zusammenbringen konnten, zum dritten als Zuschlag zur Versichertenrente und deshalb höchst unterschiedlich und viertens: von der Rentenversicherung zu bezahlen.Meine Damen und Herren, die große sozialdemokratische Frau Marie Schlei — sie ist heute schon einmal zitiert worden —, hat 1972 hier im Deutschen Bundestag, mit mir beklagend, daß nicht eine umfassende Regelung getroffen werden kann, gesagt: „Ich weiß, daß es nicht eine Sache der Einsicht oder des guten Willens ist, das ist eine schwierige Frage finanzieller Größenordnung." Wie damals bedaure ich auch heute, daß wir keine umfassende Regelung treffen können. Ich will allerdings darauf hinweisen, daß die Kindererziehungszeiten auch nur für jene Frauen zum Zuge kommen, die jetzt von der Reform der Hinterbliebenenversorgung betroffen sind. Es ändert sich nichts für diejenigen, die schon in Rente sind.Gerade mit Blick auf die Frauen in unserer Gesellschaft will ich im Zusammenhang mit unserer Rentenpolitik nochmals darauf hinweisen, daß wir die Voraussetzungen für die Altersrente von 15 Jahren Beitragszahlung auf 5 Jahre gesenkt haben. 90 % der so Begünstigten werden Frauen sein. Es sind jene Frauen, die ein paar Jahre erwerbstätig waren und dann der Kinder wegen, der Ehe wegen auf Erwerbstätigkeit verzichtet haben. Wir senken die Hürden und geben damit mehr Ansprüche auf Altersrente. Mit rentenbegründenden Kindererziehungszeiten geben wir die Chance, einen eigenen Rentenanspruch zu erwerben. Dabei sind die Kindererziehungszeiten für alle gleich, unabhängig von der Rentenhöhe.Meine Damen und Herren, wir machen eine Rentenpolitik, die nicht mehr verspricht, als sie halten kann, aber wir halten, was wir versprochen haben: einen Rentenkurs der Solidität, einen Rentenkurs der Sicherung des Erreichten, einen Rentenkurs der Verwirklichung des Notwendigen. Ich bin stolz, daß Kindererziehungszeiten heute zum ersten Mal ins Rentenrecht eingeführt werden, daß die Tür aufgemacht wird, daß Kinder in der Rente überhaupt eine Rolle spielen.
War es nicht eine Blindheit, daß Kinder, die überhaupt die Voraussetzungen dafür schaffen, daß übermorgen noch Renten bezahlt werden können — denn die Kinder von heute sind die Beitragszahler von morgen —, erst nach 100 Jahren Rentenversicherung,
von denen 13 Jahre — damit wir das nicht vergessen — unter der Verantwortung der SPD standen, erst jetzt eine Rolle bei der Rente spielen?Der Fortschritt kommt nur schrittweise voran. Noch sind nicht alle Probleme gelöst, aber wir sind heute einen großen Schritt vorangekommen. Dafür bedanke ich mich bei allen, die daran mitgewirkt haben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Fuchs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesarbeitsminister, ich muß Ihnen gestehen: Ich bin wirklich betroffen. Wie Sie mit der Generation unserer Mütter umgegangen sind, ist in der Geschichte dieses Parlaments beispiellos.
Mit Ihren hilflosen Appellen beleidigen Sie doch jene Frauengeneration, die immer Opfer gebracht hat, die wiederum Opfer bringen soll. Heute tun Sie mit treuem Augenaufschlag so, als ob für diese Frauen kein Geld dá sei, um sie in die Regelung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten einzubeziehen.
Wer Geld für die Großlandwirtschaft hat, wer Geld hat, um knackige Offiziere zu pensionieren,
kann mir nicht klarmachen, warum die Trümmerfrauen von der Anerkennung der Kindererziehungszeiten wiederum ausgeschlossen werden sollen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10943
Frau Fuchs
Nun sagen Sie immer, wir hätten es ja schon lange machen können. Wenn wir es im Jahre 1972 gemacht hätten
— Sie haben das ja damals verhindert —,
wenn Sie damals zugestimmt hätten, dann hätten wir in der Rentenbiographie der Frauen schon 13 Jahre Kindererziehungszeiten berücksichtigt.
Selbst wenn wir die zurückliegenden Jahrgänge damals nicht hätten einbeziehen können, hätten wir Gelegenheit gehabt, dies bald nachzuholen. Ihr Hinweis auf unsere damalige Politik geht also ins Leere. Denn Sie haben das Kindererziehungsjahr damals verhindert.
Nun habe ich zugehört, was der Bundesarbeitsminister gesagt hat. Wir haben versucht, dem Bundesarbeitsminister viele Dinge zu erklären.
Aber ich hatte den Eindruck — ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so gegangen ist —, daß es nichts nützt. Wiederum war, um bei den Begriffen von Günther Heyenn zu bleiben, das Mundwerk stärker als das Handwerk.
Deswegen bleibt es dabei, Herr Bundesarbeitsminister: Dieser Freitag wird als schwarzer Tag des Sozialstaats in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen. Wissen Sie, wie viele Frauen gehofft haben,
nach der langen Diskussion nun endlich zu einer Verbesserung ihrer Alterssicherung zu kommen?Der Bundesarbeitsminister ist stolz darauf, daß sich bei den meisten Frauen nichts ändert. Unser Konzept hätte vorgesehen, daß ab 1986 für 85% der Frauen Verbesserungen der Versorgung eintreten.
— Das stimmt ganz genau. 85% der Frauen hätten Verbesserungen bekommen; denn wir wollten doch alle miteinander, daß sie nicht auf ihrer 60%igen Witwenversorgung hängenbleiben. Wir haben doch darum gerungen, den schwierigen Weg zu gehen, die Situation der berufstätigen Frauen nicht über Gebühr zu verschlechtern, den Männern nach dem Verfassungsgerichtsurteil ihren Anteil zu geben, aber doch auch für die eigene soziale Sicherung der Frauen Verbesserungen durchzusetzen. Das war doch das Ziel der Reformbemühungen, und dieseReform begraben wir heute, meine Damen und Herren!
Wir wollten doch, daß die schlecht verdienenden berufstätigen Frauen über die Beitragszeiten von 1972 hinaus durch den Ausbau der Rente nach Mindesteinkommen Verbesserungen erfahren, und von daher verstehe ich die Argumentation des DGB nicht. Wenn er sich für nur 15% der erwerbstätigen Frauen einsetzt, vergißt der DGB nämlich, daß 85% der Frauen durch unseren Vorschlag begünstigt wären, und das sind keine reichen Frauen, sondern Arbeiterinnen und Frauen aus den Arbeitnehmerfamilien. Insofern gebietet es die Solidarität, sich auch um diesen Personenkreis zu kümmern.
Mich freut es ungemein, daß der Bundesarbeitsminister Broschüren des Deutschen Gewerkschaftsbundes sorgfältig liest. Ich ermuntere ihn, die letzte Broschüre des DGB zur Beschäftigungspolitik zu lesen,
ich ermuntere ihn, die letzte Broschüre des DGB zum Beschäftigungsförderungsgesetz zu lesen,
ich ermuntere ihn, die letzte Broschüre des DGB zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes zu lesen;
dann ist er auf dem richtigen Weg.
Ich weiß j a, wie auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, unter diesem Gesetz leiden. Wir hatten in der Rentendebatte einen gesellschaftlichen Konsens, und ich sage noch einmal: Die 70%ige Teilhaberente wäre finanzierbar gewesen, wenn Sie mit uns den Weg gegangen wären, die Strukturreform jetzt durchzuführen.
— Ja, durch die Veränderung der beitragslosen Zeiten! Insofern ist es falsch, wenn der Bundesarbeitsminister sagt, die Anhebung der Hinterbliebenenversorgung auf 70 % würden die berufstätigen Frauen bezahlen. Das stimmt nicht.
— Wir haben die Umschichtung im Rentensystem so vorgesehen, daß daraus die 70%ige Teilhaberente finanzierbar ist.Wir brauchen die Strukturreform doch jetzt! Es bleibt sonst bei der Flickschusterei, die damit begonnen hat, daß der Bundesarbeitsminister die Beiträge für Arbeitslose an die Rentenversicherung
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10944 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Frau Fuchs
halbiert hat. Dies ist das erste große Grundübel, verursacht durch diese Bundesregierung!
Nun kommt hinzu, daß Sie wiederum Flickschusterei betreiben.
Lesen Sie eigentlich nicht Kommentare wie die von Herrn Kannengießer? Lesen Sie eigentlich nicht Kommentare wie die von Herrn Forster?
Spüren Sie eigentlich nicht, welche Systemveränderung in eine falsche Richtung Sie heute beschließen, meine Damen und Herren von der CDU? Das ist sehr bedauerlich.
Ihr Anrechnungsmodell kann deswegen von uns nicht akzeptiert werden.Nun zu unserem Modell der Strukturreform. Ich finde es interessant, daß Sie in der ganzen Debatte immer wieder gesagt haben: Wir brauchen eine neue Rentenformel, wir wollen die beitragslosen Zeiten ändern, wir müssen die Rentenversicherung so umstrukturieren, daß sie wetterfest ist. Das alles sind eigentlich Vorschläge aus unserem Rentenmodell.Das einzige, was Sie dem entgegenzusetzen haben, ist das Argument, daß wir keine Übergangsvorschriften haben. Ich bedanke mich für das Kompliment! Wenn eine Opposition ein annehmbares Gesetzeswerk vorlegt, ist es ja wohl bei guter Zusammenarbeit möglich, die Bundesregierung mit ihrem großen Apparat aufzufordern, die Übergangsvorschriften zu konzipieren. Dann wäre das Ganze ganz einfach gewesen!
— Nein, wir können das technisch nicht; das ist schwierig. Aber ich kenne doch die Beamten des Arbeitsministeriums. Die wären, wenn sie eine entsprechende Weisung bekommen hätten, in der Lage gewesen, in der gegebenen Zeit zu unserem Gesetzentwurf die Übergangsvorschriften zu konzipieren. Machen Sie sich da keine Illusionen!
Ich sage deswegen noch einmal: Für uns ist heute die Gemeinsamkeit in der Rentenpolitik endgültig vorbei.
Ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Der Bundesarbeitsminister hat wiederholt gesagt, er wolle mit uns gemeinsam arbeiten. Aber ich habe jetzt den Eindruck — und da stimme ich den Kollegen Glombig und Heyenn voll zu —, er hat das nur gemacht, um in der Öffentlichkeit Gemeinsamkeit vorzutäuschen und den Wähler zu beruhigen.
In Wirklichkeit hat er sich nie ernsthaft mit unserem Reformmodell auseinandergesetzt.
Wie geben Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, noch einmal die Chance, sich zu besinnen. Wir werden Sie namentlich fragen, wie Sie es mit dem Kindererziehungsjahr für alle Frauen halten. Wir werden Sie namentlich fragen, wie Sie denn dazu stehen, daß die Unfallversicherung systemwidrig in dieses Konzept einbezogen wird. Ich frage Sie nachher, wie Sie sich entschieden haben. Und wir werden Sie in einer weiteren Entschließung darum bitten, daß Sie jetzt mit der Strukturreform beginnen, daß Sie jetzt, noch in dieser Legislaturperiode, ein Konzept vorlegen, damit wir anfangen können, die Elemente aus unserem Entwurf in eine Strukturreform hineinzugeben. Und wenn Sie uns dabei helfen — —
— Wir werden sehen, was wir herausnehmen. Nur, Herr Kolb, Sie müssen endlich einmal begreifen, daß dieses Strukturreformmodell der Sozialdemokratischen Partei das einzige ist, was im Moment sachlich diskutiert werden kann. Ich habe schon gesagt: Außer den fehlenden Übergangsvorschriften gibt es sachlich keine Einwendungen. Deswegen nochmal meine Bitte: Stimmen Sie an diesem schwarzen Freitag der Sozialgeschichte
unserem Entwurf zu. — Ich sage Ihnen: Ihnen wird die Freude an Ihrem Modell noch vergehen. Dafür werden wir sorgen.
Das Wort hat die Frau Abgeordnete Verhülsdonk.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Fuchs, ich gebe zu: In Polemik waren Sie schon immer sehr stark — und heute besonders.
Aber ich werde nicht versuchen, Ihnen nachzueifern, sondern noch einmal den Versuch machen, zur Sachlichkeit und zu den Tatsachen zurückzuführen.
Eines steht fest: Die Hinterbliebenenrente mit Freibetrag ist nach Lage der Dinge die frauenfreundlichste Lösung.
— Frau Fuchs, Sie kommen nicht daran vorbei: Dies hat der Deutsche Frauenrat und haben alle Frauenverbände genauso gesehen und anerkannt.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10945
Frau VerhülsdonkWenn bei leeren Rentenkassen Männer grundsätzlich Anspruch auf Witwerrenten erhalten, bedeutet das eben, daß umgeschichtet werden muß, und zwar zu Lasten von Frauen. Frau Fuchs, wir alle, meine Kolleginnen und ich, können uns attraktivere Situationen vorstellen, in denen man eine solche Reform der Hinterbliebenenrente ganz anders machen könnte. Aber die Situation ist nun so: An der Bedingung der Kostenneutralität kommen wir nicht vorbei. Das Freibetragsmodell ist weitgehend kostenneutral, und es ist sozial gerechter als die Teilhaberente. Das bescheinigen uns auch die Gewerkschaften.
— Das haben die Gewerkschaften bescheinigt. Das sollte Ihnen zu denken geben.Vor allem aber schont es die Frauen; denn nur 10 % der berufstätigen Frauen müssen Abstriche gegenüber dem geltenden Recht hinnehmen. Und es sind dies ausschließlich Frauen mit hohen eigenen Renten.Sie halten an der Teilhaberente fest, obwohl diese 3 Milliarden DM mehr kosten würde. Wem würde dieses Modell nützen? Erstens Witwern, deren verstorbene Frauen auch hohe Renten hatten. Das sehe ich weiß Gott nicht ein. Die bekämen dann mehr als die eigene Rente. Und ferner würde das — das gebe ich zu — dem großen Heer der Hausfrauen nützen.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Glombig.
Ja, bitte.
Frau Kollegin Verhülsdonk, wie kommt es eigentlich, daß ausgerechnet Sie sich, die Sie doch die ganze Zeit in der Kommission '84 mitgearbeitet und dort eine ganz andere Meinung vertreten haben, hier nur für die berufstätigen Frauen einsetzen und glauben, die Hausfrauen über Ihr Modell vernachlässigen zu können, indem Sie ihnen nichts geben?
Herr Glombig, in der Sachverständigenkommission haben wir zusammengesessen, als die Lage der Rentenversicherung und des Bundeshaushalts eine völlig andere war; die hat sich erst geändert, nachdem das Gutachten erstellt war. Und von den Hausfrauen rede ich jetzt gerade. Was zu den Hausfrauen zu sagen ist, kommt jetzt, Herr Glombig.Den Hausfrauen würden wir von Herzen gern eine 10%ige Aufstockung ihrer zumeist nicht üppigen Witwenrente gönnen; aber zahlen müßten das doch nach Ihrem Modell die erwerbstätigen Frauen.
Ein Drittel dieser Frauen würde zur Kasse gebeten. Das Schlimme ist, auch Frauen mit eigenen kleinen Renten wären von diesen Kürzungen betroffen.
Wir, die Union, machen keine Reform auf dem Rükken der erwerbstätigen Frauen mit.
Deshalb gehen wir den sozialpolitisch richtigen Weg zur Besserstellung der Hausfrauen und Mütter. Wir führen für die Leistung der Kindererziehung Erziehungsjahre im Rentenrecht ein, die den Frauen eigene Rentenanwartschaften bringen. Das Freibetragsmodell ist außerdem sozial gerechter. Wer noch arbeiten und seinen Unterhalt verdienen kann, der muß Abstriche an der Hinterbliebenenrente hinnehmen. Wer, und zwar Mann oder Frau, im Rentenalter auf die volle Hinterbliebenenrente von 60 % angewiesen ist, der erhält diese auch; denn ruhende Anwartschaften leben in diesem Falle wieder auf.Die Frauen, die schon in jungen Jahren ihren Mann verlieren, wenn sie noch waisenrentenberechtigte Kinder erziehen, haben wir im Gesetz zusätzlich berücksichtigt. Von deren eigenem Einkommen wird neben dem Freibetrag von 900 DM ein zusätzlicher Freibetrag von 200 DM für jedes Kind gewährt. Dies halten wir für eine wesentliche Verbesserung, die notwendig und gerecht ist.Wir haben großzügige Übergangsregelungen eingeführt. Für Rentenfälle bis zum Jahre 1995 tritt die Einkommensanrechnung allmählich und schrittweise in Kraft, in Schritten von 10 % bis 40 %. Ehepaare über 50 Jahre können innerhalb von drei Jahren entscheiden, ob sie nach altem oder nach neuem Recht veranlagt werden wollen; auch dies eine Verbesserung, die auf die Lage vieler Frauen Rücksicht nimmt.Ich habe bisher überwiegend von Frauen gesprochen. Ich will auch die Vorteile für die Männer noch einmal deutlich machen. Viele Männer mit kleinen Renten werden nach unserem Modell in Zukunft Witwerrente erhalten.Die ganze Reform wäre trotzdem unausgewogen, wenn wir nicht einen mutigen Schritt in sozialpolitisches Neuland machen würden. In Zukunft erhalten erstmals Mütter, die durch Kindererziehung ja dafür sorgen, daß auch die nächste Generation noch Renten bekommt, für ihre Leistung eigene Rentenanwartschaften.
Meine Damen und Herren, daß dies schon jetzt mitten in der Phase der Haushaltskonsolidierung gelungen ist, das halten wir für eine großartige Sache. So sehen es auch die Frauen landauf, landab, die das mittlerweile begriffen haben. Erstmals gilt eine Neuregelung solchen Ausmaßes nicht nur für die Zukunft. Wir greifen so weit zurück, wie das finanziell überhaupt möglich ist, und beziehen all die Frauenjahrgänge ein, die noch nicht im Rentenalter sind, also alle Mütter ab dem Jahrgang 1921. In der Geschichte der Sozialpolitik ist das überhaupt noch nicht vorgekommen, daß eine neue Leistung rückwirkend gegolten hat, wie es diese tut. Das geht auch überhaupt nur deshalb, weil die Kosten für unser Modell erst allmählich mit jedem neuen Rentnerinnenjahrgang ansteigen. Am Ende
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Frau Verhülsdonkwerden es allerdings 2,7 Milliarden DM jährlich sein. Das ist immerhin ein dicker Brocken.Ich verhehle nicht, meine Damen und Herren, uns Frauen in der Union schneidet es ins Herz, daß wir diesen Schnitt beim Jahrgang 1921 machen müssen.
Ich sage das ausdrücklich im Namen meiner Kolleginnen, und ich füge hinzu, den männlichen Kollegen fällt das nicht minder schwer.
Aber wir können leider die Finanzmittel nicht herbeischaffen, um alle Mütter im Rentenalter einzubeziehen. Wir Sozialpolitiker haben alles versucht und alles ausgelotet, ob es einen Weg gibt. Wir mußten uns überzeugen lassen: Es gibt ihn nicht.Die Finanzmittel zur Einbeziehung der Rentnerinnen müßten auf einen Schlag aufgebracht werden. Das wären jährlich 5 bis 6 Milliarden DM mehr, ab sofort. Wir standen leider vor folgender Alternative: Entweder machen wir mit der Einführung der Erziehungsjahre jetzt einen Anfang und beziehen so viele Jahrgänge ein wie finanzierbar sind, oder wir belassen alles beim alten, beim alten Unrecht, daß Kindererziehung im Rentenrecht überhaupt nicht berücksichtigt wird.Uns Sozialpolitikern der Union war eines klar: Für eine solch grundsätzliche Korrektur im Rentenrecht, wie wir sie hier vornehmen, ist jetzt wohl eine einmalige, eine letzte Chance gegeben. Denn die großen Finanzprobleme, die auf die Rentenversicherung zukommen, kennt jeder hier im Hause.Wir alle sind uns bewußt, daß es gerade die Generation unserer Mütter — um die handelt es sich ja — besonders schwer hatte, ihre Kinder aufzuziehen in Kriegs- und Nachkriegszeit. Sie haben in besonderem Maße unseren Respekt und unsere Anerkennung für ihre Leistungen verdient.
Deswegen ist ernstlich die Frage zu stellen: Kann man ihnen zumuten, nicht berücksichtigt zu werden? Ich habe ebenso wie meine Kolleginnen und sicher viele Kollegen in den vergangenen Monaten, in der Beratungszeit dieses Gesetzes, in unzähligen Gesprächen und Versammlungen mit Frauen aller Generationen diese Frage diskutiert. Was sollen wir tun: gar keine Erziehungszeiten einführen, um auf diese Weise alle gleich zu behandeln, oder jetzt einen Anfang machen? Ich kann Ihnen sagen: Oft waren es gerade die Großmütter, die dann gesagt haben: Fangt auf jeden Fall mit den Erziehungsjahren an. Wir sind zwar traurig, daß wir nicht berücksichtigt werden können. Aber unsere Töchter und Enkelinnen sollen nicht darunter leiden, daß wir nicht einbezogen werden. Fangt an!
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, all diesen Frauen, die so großherzig denken, herzlichst dafür zu danken, daß sie so einsichtig sind. Ich möchte dieFrauen, die das noch nicht richtig verstanden haben,
um Verständnis für die finanzielle Zwangslage bitten, in der wir uns befinden, die wir, die Union, weiß Gott nicht verschuldet haben.
Das Erziehungsjahr bringt der Mutter pro Kind 25 DM Rente im Monat. Bei Mehrlingsgeburten gibt es diesen Betrag für jedes Kind. Adoptivmütter werden berücksichtigt, auch Väter, wenn sie Kinder erziehen. Das Erziehungsjahr ist rentenbegründend. Das ist eine ganz wichtige Sache. Ein Heer von Frauen, die nie ein eigenes Rentenkonto besessen haben, werden, weil sie Kinder hatten, vom 1. Januar 1986 an zu Mitgliedern der Rentenversicherung. Wer fünf Kinder hatte, erfüllt sofort die Mindestvoraussetzungen für eine eigene Altersrente. Wer weniger als fünf Erziehungsjahre hat, kann die fehlenden Beitragsmonate mit freiwilligen Beiträgen belegen.Meine Damen und Herren von der SPD, wir haben eben erlebt, mit welcher Polemik Sie in die Lande ziehen werden, was Sie draußen alles erzählen werden, um die gute Sache der Erziehungsjahre vor allem bei den älteren Frauen madig zu machen, um Neidkomplexe zu säen.
Wir wissen, was Sie sagen werden. Das sei alles böser Wille. Das sei blanke Mißachtung der älteren Frauen.
Wenn wir bloß gewollt hätten, wäre das machbar gewesen.
— Sie bestätigen, daß Sie das so machen werden. Das zeigt, wie unverantwortlich Sie handeln und wie wenig Sie sich darüber im klaren sind, daß Sie an der Lage, die wir heute hier zu regeln haben, entscheidend mit schuld sind.
Als Opposition hat man gut fordern. Als Regierung muß man für das geradestehen, was man tut.
Norbert Blüm hat Sie daran erinnert, wie es 1972 war: ein Babyjahr nur für die Zukunft — ungerecht; für kleine Rentnerinnen kleines Babyjahr, für große Rentnerinnen großes Babyjahr. Ich bin sicher, wenn das Gesetz geworden wäre, hätten Sie bis heute noch nie daran gedacht, für die Haus-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10947
Frau Verhülsdonkfrauen etwas zu tun und diese einzubeziehen. Die wären immer noch draußen.
1981 hat Bundeskanzler Helmut Schmidt gesagt: Für Erziehungsjahre gibt es kein Geld. Das war damals die Wahrheit. Es waren nur Schulden da.Jetzt machen wir es, und ich bin sicher: Die Frauen draußen werden sich von Ihnen nicht hinters Licht führen lassen. Sie werden sehr schnell erkennen, daß unser Gesetz eine frauenfreundliche und eine familienpolitisch zukunftsweisende Lösung ist.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren und Damen! Ich bin richtig froh, heute morgen eine solche Rede des Bundesarbeitsministers gehört zu haben. Die Begeisterung bei den Koalitionsabgeordneten war ja auch überschwenglich. Diese Rede wird von der Fachwelt ganz ernst genommen werden müssen. Ich bin der Auffassung: Freigeschwommen haben Sie sich nicht; Sie haben heute morgen nur geschwommen.
Ich würde empfehlen, einmal einige Aufsätze zu lesen, um sich fachkundig zu machen.
Wenn es nicht zu hell wäre, Frau Verhülsdonk, würde ich sagen: Wer hier die Frauen hinters Licht geführt hat, das haben Sie heute morgen gezeigt. Wie ernst Ihre Sozialpolitik und überhaupt Ihre Fraktion die Oppositionsentwürfe nehmen, zeigt die Tatsache, daß Sie unseren Vorschlag offenbar gar nicht gelesen haben; denn wir haben festgestelt: Sie haben ihn nicht begriffen.
Meine sehr verehrten Herren und Damen, es ist noch kein Jahr her, da hat der Bundesfamilienminister für die Bundesregierung auf eine Anfrage unserer Fraktion zur Lebenssituation älterer Frauen folgendes angeführt — ich zitiere —:Bei der bevorstehenden Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung wird die Bundesregierung eine Lösung vorschlagen, die gerade für ältere Frauen zu sozial ausgewogenen und akzeptablen Ergebnissen führt.Heute, am Schluß der Beratungen, kann ich dazu nur feststellen: Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen bleiben hinter diesem selbstgesteckten Ziel zurück.
Die Neuordnung ist weder ausgewogen noch akzeptabel.Mit dem Regierungsentwurf, den Sie „Reform zur Hinterbliebenenversorgung" nennen, wird die materielle Situation der älteren Frauen um keinen Pfennig verbessert. Auch das Babyjahr hilft den Frauen nicht — das muß man noch einmal klar herausstellen —, weil ausgerechnet die älteren Frauen ausgeschlossen bleiben.Dies ist das Ergebnis Ihrer Politik: stark in Worten, schwach in Taten. Tatendrang haben wir von dieser Regierung bisher nur beim Abbau von Chancen und Rechten der Frauen erlebt,
auch wenn Herr Geißler immer wieder versucht, uns das Gegenteil vorzugaukeln.Tatsache ist: In die Zeit seit dem Regierungswechsel fallen die schärfsten Eingriffe in die Hilfen für Frauen. Sie haben nicht nur das Mutterschaftsurlaubsgeld von 750 DM auf 510 DM gekürzt, sondern Sie haben auch den Invaliditätsschutz für die Hausfrauen demontiert. Das Bonbönchen lassen Sie lieber unter dem Tisch, Herr Bundesarbeitsminister, nämlich da man fünf Jahre erfüllt haben muß, wenn man eine Altersrente haben will.
Außerdem haben Sie die Onkelehe gefördert, indem Sie nämlich die Witwer- und Witwenrentenabfindungen gekürzt haben.Auch die heutigen Beschlüsse sind alles andere als frauenfreundlich. Ihr Einkommensanrechnungsmodell verspricht im besten Fall die Wahrung des bisherigen Besitzstands. Im Gegensatz zu unserem Teilhabemodell bringt es für keine Witwe Verbesserungen. Im Gegensatz zu unserem Modell schreibt es die überholte Konzeption der abgeleiteten Witwenversorgung fest.
Von Reform kann bei diesem Modell keine Rede sein. Es ist eine mehr als notdürftige Flickschusterei.Zugegeben: Sie erfüllen in formaler Hinsicht den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts. Aber mit Ihrem Entwurf nehmen Sie Abschied von jeder eigenständigen sozialen Sicherung der Frau.
Noch niemals in der Sozialpolitik hat es eine so intensive Diskussion über eine Reform gegeben wie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Sie haben diese Chance nicht genützt,
sondern haben die Früchte der Diskussion zu Grabe getragen. Das sollte jeder wissen, der die Angelegenheit auch nur kurzfristig betrachtet und die Verteilungswirkungen auch nur kurzfristig sieht. Für die weitere Entwicklung der sozialen Sicherung der Frau verbaut das System jede Lösung.
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10948 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Frau SteinhauerDas ist die Fortsetzung der negativen Wendepolitik.
Nun versuchen Sie, den entscheidenden Mangel des Entwurfs mit der Anerkennung der Kindererziehungszeiten zu überdecken, aber dieser Versuch wird Ihnen nicht gelingen und ist Ihnen nicht gelungen; denn die älteren Frauen haben inzwischen begriffen, was Ihre Politik für sie überhat. Ausgerechnet die Frauen gehen leer aus — die allein dastanden,
weil der Mann oder Partner im Krieg geblieben war oder erst später zurückkam —, die unser Land teilweise als sogenannte Tümmerfrauen unter schwierigsten Umständen wieder mit aufgebaut haben.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Däubler-Gmelin?
Ja, ich möchte nur dies gerade noch zu Ende führen.
Diejenigen Frauen gehen leer aus, die ihre Kinder unter schwierigsten Bedingungen ohne Kindergeld erzogen haben, die die Wäsche ohne Waschmaschine mit der Hand gewaschen haben
— Wegwerfwindeln gab es nicht, und Wäsche war auch nicht in so reichlichem Maße vorhanden wie heute —, die keine Chance hatten, einen Beruf zu erlernen, die den Lebensunterhalt für sich und die Kinder mit minderbezahlten unqualifizierten Arbeiten bestreiten mußten,
um überhaupt die schwierige Zeit durchstehen zu können.
Bitte schön.
Frau Steinhauer, ich habe hier einen Brief einer Frau aus meinem Wahlkreis. Sie schreibt mir:
Ich habe elf Kinder erzogen, und ich habe gehofft, daß ich jetzt in der Rentenreform mehr als die 490 DM bekomme, die ich jetzt im Monat habe. Sagen Sie mir: Habe ich das Pech, weil ich Jahrgang 1920 bin, oder was kann ich tun?
Frau Steinhauer, was sagen wir eigentlich solchen älteren Frauen?
Genau dazu komme ich jetzt, Frau Kollegin. Gerade die heutigen Rentnerinnen werden überwiegend ausgeschlossen. Sie haben eine schlechte Altersversorgung, sie sind ganz besonders auf das Babyjahr angewiesen, und sie werden noch einmal doppelt bestraft. Sie haben immer ihre Interessen zurückgesteckt, und jetzt bestätigt ihnen diese Regierung, daß sie das auch von
der Regierungsseite her noch einmal zu tun haben.
Frau Abgeordnete, Frau Abgeordnete Dr. Adam-Schwaetzer möchte eine Zwischenfrage stellen.
Danke schön, nein, meine Zeit ist sehr knapp. Ich möchte jetzt weiter reden.
Darf ich fragen, ob Sie überhaupt noch Zwischenfragen zulassen? Auf Ihre Zeit wird es nicht angerechnet.
Nicht mehr, denn ich muß zu dem Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz noch Stellung nehmen.Hier wird an der falschen Seite zu Lasten derjenigen gespart, auf deren Kosten man nicht sparen darf.
Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit, schlicht und einfach gesagt, ein sozialer Skandal.
Ich möchte wissen, wie Sie das den älteren Frauen erklären wollen. Mit dem Argument der Kosten geht das sicher nicht, denn es ist genügend Geld da, um 1 200 Offiziere vorzeitig zu pensionieren, was bis zu 1 Milliarde DM kostet.
Auch die verfehlte Subventionspolitik in der Landwirtschaft ist hier zu erwähnen.
Alte Menschen bleiben mit demütigenden Erfahrungen auf der Strecke. Kommen Sie mir nicht mit den Kosten; das Geld für das Erziehungsjahr wäre bei anderer politischer Schwerpunktsetzung da.
Aber nicht nur die älteren Frauen stoßen Sie mit dem Babyjahr vor den Kopf, auch die berufstätigen Frauen werden kaum vom Babyjahr profitieren können. Sie geben ihnen zwar das Babyjahr, aber dafür kassieren Sie den bisherigen Mutterschaftsurlaub ein und lassen diese Zeiten in dem Erziehungsjahr aufgehen. Außerdem haben alle Frauen, die während des Erziehungsjahrs weiter arbeiten und durchschnittlich verdienen, vom Babyjahr überhaupt nichts. Sie gehen ebenso wie bei den heutigen Rentnerinnen leer aus.
Offensichtlich, Herr Blüm, feiert Ihre Ideologie von der sanften Macht der Mütterlichkeit
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10949
Frau Steinhauerhier fröhliche Urstände; denn eine andere Erklärung für diese krasse Benachteiligung habe ich nicht.Nein, meine sehr verehrten Herren und Damen, die soziale Alterssicherung der Frauen ist bei dieser Koalition in schlechten Händen.
Sie haben im Ausschuß all unsere Vorschläge abgelehnt, die zu einer besseren materiellen Situation der Frauen im Alter geführt hätten.
Sie haben unser Teilhabemodell abgelehnt, obwohl dies überwiegend eine Verbesserung im finanziellen Bereich für die künftigen Witwen gebracht hätte. Sie haben unser Babyjahr für alle Rentnerinnen abgelehnt, obwohl wir realisierbare Finanzierungsvorschläge gemacht haben.
Sie haben unsere Vorschläge zur Weiterführung der Renten nach Mindesteinkommen ebenso abgelehnt.
Dabei wissen wir alle, daß die geringen Frauenlöhne noch immer zu Nachteilen bei der Rente führen. Sie beweisen, daß Sie die eigenständige soziale Sicherung der Frauen nicht wollen. Sie kommt nur in Sonntagsreden bei Ihnen vor. Und Sie beweisen, daß die weitverbreitete Altersarmut von Ihnen schlicht ignoriert wird. Ich kann nur unterstreichen, was in einem Zeitungsartikel stand: Sie führen die Rente nach Sozialhilfe ein. Nichts anderes zeigen Ihre heutigen Gesetzesvorlagen.Zum Schluß einige Worte zum Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetz. Zu diesem Gesetz, das wir heute in der ersten Lesung beraten, mache ich nur einige Anmerkungen. Wir bemängeln, daß der Gesetzentwurf so spät vorgelegt wird, obwohl wir dies schon 1982 einstimmig beschlossen haben. Das ist ein Punkt, wo man die Zerstrittenheit der Koalition wieder beobachten kann. Zweieinhalb Jahre sind vertan worden. Außerdem kommen die kleinen und mittleren Betriebe im landwirtschaftlichen Bereich wieder schlecht weg. Wir werden in den Ausschußberatungen zu Einzelheiten noch Stellung nehmen, besonders unter Bezugnahme auf unseren Antrag vom 14. November 1984. Auch da geht es um mehr Gerechtigkeit, die hier von der Regierung ebenfalls mit Füßen getreten wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Steinhauer, meine Mutter hat mich so erzogen, daß ich gegenüber Frauen immer alsKavalier auftreten soll. Wenn es nicht so wäre, würde ich Ihnen jetzt mit sehr viel deutlicheren Worten sagen, was ich von Ihrer Rede halte. So sage ich Ihnen: Sie haben uns hier wie eine Oberlehrerin — —
— Doch! Da habe ich eine ganze Menge dagegen, weil diese Besserwisserei, die hier von Ihnen verbreitet wird, zum Teil unerträglich ist.
Ich möchte ein Wort auch zu dem Kollegen Bueb von der Fraktion DIE GRÜNEN sagen. Wer sich im Ausschuß so spärlich an den Beratungen beteiligt hat, der sollte sich in der Kritik an diesem Gesetz hier oben sehr zurückhalten.
Ich möchte ein paar Worte auch zu der Anerkennung von Kindererziehungszeiten sagen, weil mir das besonders am Herzen liegt. Ich möchte deutlich machen, daß dieser Teil des Gesetzes uns im Rentenrecht eine völlig neue Qualität bringen wird.Ein ganz herzliches Wort des Dankes und der Anerkennung sage ich dem Bundesarbeitsminister Norbert Blüm, der es im Kabinett und bis zur Stunde fertiggebracht hat, daß dieser neue wichtige Schritt heute getan werden kann.
Die Redner der SPD haben den Bundesarbeitsminister heute mehrfach attackiert. Darf ich Ihnen ein Zitat des Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag vorlesen, der wie ich aus der Gewerkschaftsbewegung stammt. Friedhelm Farthmann sagt wörtlich:Ich will ganz offen sagen, daß dieser Gedanke von Blüm mit der Anrechenbarkeit durchaus etwas Bestechendes auch für mich an sich hat. Er entspricht auch insofern durchaus meinem Gefühl von sozialer Gerechtigkeit. Wenn die Kassen knapper werden, muß man insbesondere für die unteren Einkommensbereiche etwas tun. Und das genau ist die Ausprägung des Gedankens.
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10950 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Müller
Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Ich möchte deutlich machen, daß wir heute erstmals in der Geschichte der hundert Jahre alten Rentenversicherung Kindererziehungsjahre rentenbegründend und rentensteigernd anerkennen, daß wir heute endlich das fundamentale Unrecht, das vor allem Millionen von Frauen und Müttern in der Vergangenheit angetan worden ist, beseitigen und daß wir heute die klare Benachteiligung der Erziehungstätigkeit gegenüber der Erwerbstätigkeit beseitigen. Frau Fuchs, wir machen heute endlich Schluß mit der über hundert Jahre währenden Diskriminierung der Mütter, die Kinder großgezogen und damit erst die Voraussetzung für das Funktionieren des Generationenvertrags geschaffen haben.
Wir lassen den Worten über die Bedeutung der Kindererziehung und der daraus resultierenden gesellschaftlichen Anerkennung die nötigen Taten folgen.
Wir handeln, indem wir diesen Gesetzentwurf heute verabschieden, der gerade in bezug auf Kindererziehungszeiten durch Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen noch wesentlich verbessert worden ist.Meine Damen und Herren, die Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Rentenrecht bleibt nicht nur graue Theorie — wie so vieles bei der vorigen Regierung —, sondern in dieser wichtigen Frage ist uns endlich der Durchbruch gelungen. Seit mehr als 20 Jahren diskutieren wir in den Kirchen, in den gesellschaftspolitisch relevanten Verbänden, in den Gewerkschaften und Parteien über die Notwendigkeit, Kindererziehungszeiten im Rentenrecht anzuerkennen. Davon werden in erster Linie viele Arbeiterfrauen profitieren.
Meine Damen und Herren, die katholische Arbeitnehmerbewegung hat dafür über eine Million Unterschriften gesammelt. Jetzt endlich sind wir soweit. Ich halte die vorgesehene Regelung für einen großen sozialen und familienpolitischen Fortschritt. Die von der Opposition heute morgen gegenüber diesem Gesetz vorgetragene Kritik kann die Bedeutung dieses wichtigen ersten Schrittes überhaupt nicht schmälern.
Meine Damen und Herren, ich verstehe überhaupt nicht, daß Sie heute in dieser Weise gegen dieses Gesetz, insbesondere gegen diesen Teil des Gesetzes polemisieren.
Ich verstehe überhaupt nicht, daß Sie das nicht zustande gebracht haben, obwohl Sie 13 Jahre langZeit gehabt hätten. Sie wollen heute mit Ihren Reden vergessen machen, daß es in den Jahren Ihrer Regierungstätigkeit alle Finanzminister abgelehnt haben, Kindererziehungszeiten zu finanzieren. Ich darf Sie einmal daran erinnern, daß Sie auch in den Gesprächen, die Sie beispielsweise mit der KAB geführt haben, immer erklären mußten, das sei nicht finanzierbar.
Heute, da Sie in der Opposition sind, fällt es Ihnen offensichtlich leichter, Vorschläge zu machen, für die Sie finanziell nicht geradestehen müssen.Die Frage, ob heute alle Rentner und Rentnerinnen und ob weitere Kindererziehungszeiten einbezogen werden können, ist doch keine Frage des guten Willens, sondern
eine Frage der finanziellen Spielräume. — Frau Fuchs, ich persönlich hätte es gern gesehen, wenn wir auch diejenigen einbeziehen könnten, die heute über 65 Jahre alt sind. Das geht aber aus finanziellen Gründen leider nicht. Wir können angesichts der derzeitigen Kassenlage das hundertjährige Unrecht nicht auf einen Schlag wettmachen, aber wir fangen heute wenigstens damit an.
Unser Ziel für die Zukunft ist: Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß in den kommenden Jahren eine weitere Ausgestaltung dieses Gesetzes möglich ist. Dies heißt konkret: Wir müssen den Haushalt weiter sanieren und die Schulden weiter abbauen. Heute tun wir auf jeden Fall den ersten und wichtigen Schritt: Wir verabschieden ein Gesetz zur Anerkennung von Erziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, mit dem wir sozialpolitisches Neuland betreten. Wir beseitigen damit massives Unrecht und schaffen für Millionen Frauen und Männer mehr Gerechtigkeit.Vielen Dank.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dempwolf.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die weiblichen Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion sind sehr stolz, daß heute endlich ein Gesetz zur Abstimmung steht, das ein Meilenstein in der Geschichte der Rentenversicherung ist.
Mit diesem Gesetz werden erstmals Erziehungsleistungen von Müttern auch materiell anerkannt und nicht nur in Reden gewürdigt.
Zeiten der Kindererziehung werden Zeiten einer außerhäuslichen Erwerbstätigkeit im Ansatz gleichgestellt. Es ist eine Anerkennung der Leistungen, die Mütter nicht nur für ihre Familien, sondern auch für die Gesellschaft erbringen. Hier ist ein
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Frau DempwolfDurchbruch gelungen, der nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.
Aber es konnten nicht alle Erwartungen erfüllt werden. Erinnern wir uns an die Rede des Herrn Bundespräsidenten vom 8. Mai. Dort hat er gerade den Beitrag der älteren Frauengeneration in so besonderer Weise ins Bewußtsein gebracht. Er sagte wörtlich:Sie— die Frauen —haben in den dunkelsten Jahren das Licht der Humanität vor dem Erlöschen bewahrt.Am Ende des Krieges haben sie als erste und ohne Aussicht auf eine gesicherte Zukunft Hand angelegt, um wieder einen Stein auf den anderen zu setzen, die Trümmerfrauen in Berlin und überall.Gerade diesen Frauen würden wir Christdemokratinnen Kindererziehungszeiten in erster Linie zugestehen.
Wir Unionsfrauen, für die ich stellvertretend spreche, versichern Ihnen, daß wir uns für ihre Belange nicht nur in den letzten Monaten fortwährend eingesetzt haben, sondern daß wir ihre Interessen ständig vor Augen haben, weiter mitbedenken wollen und mitbedenken werden. Obwohl wir einsehen, daß die Einbeziehung der Jahrgänge vor 1921 aus finanziellen Gründen nicht möglich ist, würden wir es von Herzen gerne tun.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lutz?
Nein.
Gerade unsere Mütter, die in schwersten Zeiten Kinder geboren und auch erzogen haben — dies weiß ich aus meiner eigenen persönlichen Erfahrung — haben Großes geleistet.
Wir appellieren an die Frauen dieser Generation, sich hier und heute nicht von Neidgefühlen beeinflussen zu lassen, die von seiten der SPD — die Heuchelei ist schier unerträglich, die von Ihrer Seite kam —
und auch von den GRÜNEN und anderen Verbänden geschürt werden.
Wir bitten Sie, sich nicht vor einen Karren spannen
zu lassen und nicht denen auf den Leim zu gehen,
die in den Jahren ihrer Regierungszeit selbst nichts getan haben.
Es ist zu billig und zu einfach von seiten der SPD, nun diesen Antrag einzubringen, der alle Frauen mit einbeziehen soll. Auch wir Unionsfrauen hätten von unserem Gefühl und von unserem Herzen her nichts lieber getan, als Kindererziehungszeiten für alle Mütter durchzusetzen. Wir wissen, daß wir auch diesmal wieder von unseren Müttern und Großmüttern Verständnis verlangen, gerade von denen, die schon so viele Opfer gebracht haben. Aber wir wissen auch, daß sie es schätzen, heute in Frieden und Freiheit in gesicherten Verhältnissen zu leben. Dies wollen wir für die nachwachsende Generation in gleicher Weise erhalten und sichern, in Verantwortung an die Zukunft unserer jungen Generation, der wir nicht noch mehr Schulden aufbürden können, Schulden, für die die verantwortlich sind und die gerade von denen gemacht wurden, die heute so viel verlangen.
Und angesichts dieses großen Einstiegs stimmen wir diesem Gesetz zu.
Ich bedanke mich.
Frau Abgeordnete, den Ausdruck „Heuchelei" möchte ich als unparlamentarisch zurückweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Urbaniak.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin, wenn Sie wirklich eine Reform und Kinderziehungszeiten wollen, von denen alle Mütter betroffen sind, dann stimmen Sie dem Entwurf der sozialdemokratischen Opposition zu. Dann tun Sie eine gute Tat.
In der letzten Woche, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben j a viele von uns an dieser schönen Feier in Berlin aus Anlaß des hundertjährigen Bestehens der gesetzlichen Unfallversicherung teilgenommen. Der Minister Blüm hat auch dort wohlgesetzte Worte und Artigkeiten von sich gegeben und vor allen Dingen das Schadensersatzprinzip herausgestellt. Aber nach der Gesetzesvorlage der Bundesregierung ist es nun einmal so, daß dieses bewährte Prinzip in Frage gestellt wird, und die Rechte der Hinterbliebenen aus der gesetzlichen Unfallversicherung in unerträglicher Weise geschmälert werden. Das eine sind die Worte, und das andere sind die Taten. Da muß man genau unterscheiden, Herr Arbeitsminister.
Mit dem Regierungsentwurf zur Neuordnung, mit dem wir uns heute hier beschäftigen, wollen Sie alles anrechnen: die eigenen Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen im Hinterbliebenenfall aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist dies überhaupt nicht vorgesehen. Dies könnte viel besser,
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10952 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Urbaniakwenn man es einmal sozial gerechter diskutieren sollte, dann anstehen, wenn wir uns mit Fragen der Strukturreform und des Sozialgesetzbuches beschäftigen. Hier aber ist es durch das Verfassungsgericht ausgeschlossen.Mit der Übernahme der Regelung über die Anrechnung der Einkommen aus der Unfallversicherung setzen Sie sich über schwere sachliche Bedenken hinweg, die uns die Experten vorgetragen haben, aber auch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die Selbstverwaltung — die Sie immer so hochheben —, die Sozialpartner, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die DAG und die betroffenen Verbände VdK und Reichsbund.Ich will Ihnen fünf dieser Punkte nennen, die doch sehr gravierend in das eingreifen, was seit 100 Jahren praktiziert wird und den Betriebsfrieden und die soziale Gerechtigkeit gesichert hat.So sagen uns diese Genannten, die Vertrauenswürdigkeit unseres sozialen Rechtsstaates steht auf dem Spiel.
Zweitens. Es handelt sich hier um einen Schlag gegen die Vertrauensbasis des Versicherungsverhältnisses, die seit 100 Jahren unangefochten Bestand hat.
Sie sagen, daß die nachteiligen Folgen dazu führen werden, daß sich ein Teufelskreis für diese Benachteiligungen jetzt ergeben wird. Sie haben Ihnen und dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung dieses vorgelegt, und wir haben sie sehr intensiv darauf hingewiesen, daß Ihr Gesetzentwurf leistungsfeindlich ist: Nichtstun wird hierbei belohnt, also genau das, was Sie immer in umgekehrter Weise kritisieren.Ein vierter Punkt, meine Damen und Herren. Sie werden die Hinterbliebenen mit Unfallrentenansprüchen und überhaupt die Unfallrentner mit einer beispiellosen Bürokraktie überziehen, denn wenn dieses Gesetz angenommen werden sollte, dann müssen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung praktisch den gesamten Bestand von Witwer- und Witwenrenten im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse dieser Rentenbezieher jährlich überprüfen. Sie wollten weniger Bürokratie, Sie schaffen aber viel mehr, und das mit großer Unsicherheit bei den Hinterbliebenen.
Ein fünfter Punkt, von dem ich meine, daß er besonders gravierend ist: Die Friedensfunktion der Unfallversicherung wird in Frage gestellt. Sie gefährden also ein Prinzip, das über 100 Jahre mit Erfolg praktiziert worden ist. Wenn Ihnen die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, VdK und Reichsbund, die Selbstverwaltung und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung auch noch vorwerfen, daß es, wenn Sie diese ungerechte Regelung verabschieden, sozialpolitischen Sprengstoff geben wird, dann ist das wirklich die Höhe, was Sie sich hier an negativer Konzeption haben einfallen lassen.
Ich kann nur feststellen, die Koalition will sozialpolitischen Sprengstoff.Wir haben so etwas in unserer Vorlage nicht vorgesehen. Sie ist in dieser Frage sehr klar. Es gibt keine Anrechnung der Renten der zu entschädigenden Unfallopfer oder aber der Hinterbliebenen. Aus dem Grunde darf ich hier noch einmal darauf hinweisen, daß nach Ihrem Vorhaben in Fällen, wo beispielsweise in einem landwirtschaftlichen Betrieb die Witwe den Betrieb, weil er ein Familenbetrieb ist, weiterführen muß, die Unfallrente des verunglückten Ehemannes angerechnet wird, nämlich als Einkommen, das die Hinterbliebene aus der Unfallversicherung bezieht. Dadurch kann sich die Rente nach Ihrer Regelung bis auf Null reduzieren. Jetzt haben Sie noch Gelegenheit, hiervon Abstand zu nehmen.Es ist dabei nicht uninteressant festzustellen, wie die Kollegen der CSU nun ihr Stimmverhalten zeigen, denn gegen Ihre Haltung haben j a, wie wir wissen, nicht nur die sozialdemokratischen Landesregierungen opponiert, auch Herr Strauß hat den gewerblichen Berufsgenossenschaften Hoffnung gemacht, daß diese Dinge abgewehrt werden. Ich hoffe, Sie betreiben mit der Versorgung der Hinterbliebenen von Arbeitsunfallopfern keine üble Doppelstrategie: reden im Lande von der Notwendigkeit der Bewahrung berechtigter Ansprüche und beschließen im Bund genau das Gegenteil. Was Sie machen, ist keine Reform, sondern eine ungerechte Regelung, die wir ablehnen müssen.
Wir beantragen namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag auf Drucksache 10/3521, nämlich keine Anrechnung der Unfallrenten wie in Ihrem Anrechnungsmodell, und über den Änderungsantrag auf Drucksache 10/3522, den Kindererziehungszuschlag allen Müttern zu gewähren, wie wir Sozialdemokraten das wünschen. Es soll keine Mutter ausgeschlossen bleiben, wie das bei Ihnen der Fall ist. Das ist gerecht,
das ist die richtige Sozialpolitik, die nach vorn gerichtet ist und zu der wir verpflichtet sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Bredehorn. — Ich möchte das Haus bitten, die notwendige Ruhe herzustellen, damit der Abgeordnete die Chance hat, sich verständlich zu machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier zum Entwurf des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes Stellung nehmen.Die FDP hat sich seit langem für die Erhaltung des Systems der gegliederten Alterssicherung ein-
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Bredehornschließlich der Altershilfe für Landwirte ausgesprochen. Die Altershilfe für Landwirte ist ein notwendiges und sinnvolles Sicherungssystem für die ländliche Bevölkerung. Es zu erhalten und zu verbessern, dazu trägt der vorgelegte Gesetzentwurf bei.Für die FDP-Fraktion habe ich bereits anläßlich der Agrardebatte am 2. April 1981 eine sozialgerechtere Verteilung der Bundeszuschüsse für die Altershilfe gefordert. Dabei habe ich darauf hingewiesen, daß einkommensschwache Betriebe rund 40 % ihres Einkommens für die agrarsoziale Sicherung aufwenden müssen. Leider waren die FDP-Vorschläge zur Staffelung der Bundeszuschüsse für die Altershilfe damals nicht durchzusetzen.Die Altershilfe für Landwirte hat neben ihrer sozialpolitischen auch eine agrarpolitische Funktion. Deshalb ist es auch gerechtfertigt, daß der Bund zur Abdeckung der alten Last einen wesentlichen Beitrag leistet. Für die FDP-Fraktion begrüße ich deshalb diesen Gesetzentwurf, mit dem nun unsere alte Forderung verwirklicht wird und 110 Millionen DM zusätzlich für die Altershilfe bereitgestellt werden, mit denen wir insbesondere den einkommensschwachen Betrieben helfen wollen. Frau Kollegin Steinhauer, es trifft nicht zu, was Sie hier gesagt haben: daß wir die kleinen und mittleren Betrieben nicht fördern wollen. Im Gegenteil: Wir stellen jetzt 110 Millionen DM zusätzlich bereit, während Sie von der SPD-Fraktion in dem Bereich dessen umverteilen wollen, was wir bereits haben.
Herr Abgeordneter, entschuldigen Sie, daß ich Sie unterbreche, aber ich möchte doch die diversen Gespräche unterbrechen, um die notwendige Ruhe im Hause herzustellen. Es ist ein Akt der Unhöflichkeit gegenüber dem Redner, wenn hier in dieser Form und in dieser Lautstärke Gespräche geführt werden. — Ich bitte Sie fortzufahren, Herr Abgeordneter.
Der Gesetzentwurf enthält darüber hinaus eine teilweise Rückgängigmachung der in den vergangenen Jahren erfolgten Kürzungen der Bundesmittel in der Altershilfe für Landwirte, Verbesserungen für jüngere mitarbeitende Familienangehörige sowie die Beseitigung von Härtefällen bei der Versorgung älterer hinterbliebener mitarbeitender Familienangehöriger.Der Gesetzentwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen beweist, daß wir unseren Bauern keine leeren Versprechungen machen. Dabei geht es uns nicht um eine neue Umverteilung der Beitragsbelastung, wie es in dem von Frau Steinhauer hier angeführten Antrag der SPD-Fraktion gefordert wird, sondern wir bleiben bei dem bewährten Prinzip: gleicher Beitrag — gleiche Leistung. Den einkommensschwachen Betrieben — das sind besonders die kleinen und mittleren Vollerwerbsbetriebe — wollen wir gezielt helfen. Damit wird die Agrarsozialpolitik auch zu einem Stück Einkommenspolitik und gewinnt gerade mit Blick auf Brüssel an Bedeutung. Denn von der Preispolitik dort ist einkommenspolitisch derzeit leider wenig zu erwarten.Zum vorliegenden Entwurf des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes möchte ich feststellen: Erstens. Die Zuschüsse für die landwirtschaftliche Altershilfe werden von 75 % auf 79 % heraufgesetzt. Das zeigt den Willen der Bundesregierung, den Landwirten in ihrer schwierigen Einkommenssituation zu helfen.Zweitens. In Abhängigkeit vom Wirtschaftswert werden drei Zuschußklassen gebildet. Diese Staffelung dient der gezielten, wirksamen Entlastung der einkommensschwachen Betriebe.Drittens. Nebenerwerbs- und Vollerwerbslandwirte werden gleichbehandelt. Grundsätzlich einig sind wir uns allerdings darüber, daß für die Antragsberechtigung auch das außerlandwirtschaftliche Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen angerechnet wird.Viertens. Bei der Antragsberechtigung werden richtigerweise nur Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende Einkommensberücksichtigung lehnen wir — auch im Hinblick auf andere soziale Sicherungssysteme — ausdrücklich ab. Wir wollen aus ordnungs- und rentenpolitischen Gründen nicht, daß Erträge aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen mit angerechnet werden. Wir wollen den Menschen nicht auch noch eine Offenlegung ihres Sparbuchs zumuten. Ich bin zuversichtlich, daß auch der Bauernverband dafür Verständnis zeigen wird.Fünftens. Es ist zu begrüßen, daß die Bundesregierung in einer Reihe von Punkten eine sorgfältige Prüfung des vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungspakets zugesagt hat. Dabei sollten wir allerdings davon ausgehen, daß das zur Verfügung stehende finanzielle Volumen nicht überschritten wird.Sechstens. Interessant, aber auch diskussionsbedürftig scheint mir der Vorschlag des Deutschen Landfrauenverbandes zu sein, einen eigenen Anspruch der Bäuerin auf Auszahlung des Ehegattenzuschlags einzuführen. Wir werden diesen Vorschlag unvoreingenommen und sorgfältig im Ausschuß diskutieren müssen.Natürlich bleiben noch viele wichtige Fragen offen, die einer tiefergehenden Überprüfung bedürfen, z. B. die Fragen, wo die Ausschlußgrenze der antragsberechtigten Betriebe liegen soll, welche Rolle dabei der Wirtschaftswert spielen soll und wie genau sich die Bedürftigkeit eines Betriebes für seine Zuteilung in eine der drei Zuschußklassen ermitteln läßt. Damit nenne ich nur einige Probleme. Eine absolut gerechte Lösung der Zuschußverteilung wird schwer sein; dazu bedürfte es nämlich einer generellen Buchführung für alle landwirtschaftlichen Betriebe.Zusammenfassend ist festzustellen: Mit diesem Gesetzentwurf wird die soziale Sicherung insbesondere der kleinen und der mittleren Landwirte verbessert.
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10954 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
BredehornDies entspricht unserer Zielsetzung, der Erhaltung der bäuerlichen Familienbetriebe.Für die FDP-Fraktion wiederhole ich unseren Wunsch, daß die sozial gerechtere Verteilung der Bundesmittel spätestens ab 1. Januar 1986 wirksam wird. Deshalb sollten wir gemeinsam an die Arbeit gehen, um in den anstehenden Beratungen des Dritten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes zügig voranzukommen.Schönen Dank.
Meine Damen und Herren, es sind Kollegen im Saal, die seit 8 Uhr mit Interesse und Aufmerksamkeit der Debatte gefolgt sind. Wir haben noch einen Redner. Ich meine, es wäre nicht zuviel verlangt, daß Sie die Geduld aufbringen würden, diesem Redner noch zuzuhören und Ihre Gespräche einzustellen oder aber in die Lobby zu gehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schartz.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen! Meine Herren! In Anbetracht der Zeit will ich versuchen, sehr kurz zu sein. Meine Mahnung an den Ältestenrat aber ist, die Behandlung solcher Gesetze, die für über 600 000 landwirtschaftliche Betriebe wichtig sind, doch so einzuordnen, daß man tatsächlich zur Sache etwas sagen kann.
Meine Damen und Herren, bei der Betrachtung der agrarpolitischen Situation fallen zwei Dinge ins Auge, auf der einen Seite eine Überschußsituation auf den Agrarmärkten — das heißt, ein Wirtschaftszweig nutzt alle seine Produktionsmöglichkeiten, um sein Einkommen zu verbessern — und auf der anderen Seite eine ungenügende Einkommenssituation bei den meisten Bauern, ja, zum Teil die Bildung einer neuen Schicht armer Leute. Das Gebot der Stunde ist für meine Begriffe die Weiterentwicklung einer sozialen Agrarpolitik, die uns auch aus dem Zwang herausführt, immer mehr zu produzieren, um zu überleben.
Frau Kollegin Steinhauer hat eben die „ungerechtfertigten Subventionen an die Landwirtschaft" angesprochen. Frau Kollegin, in aller Höflichkeit und mit allem Respekt: Sie hätten sich, wenn Sie zum Agrarsozialen Ergänzungsgesetz sprechen, sachkundig machen lassen sollen. Ich kann nicht begreifen, wie Sie hier eine Regelung kritisieren können, bei der die sozialdemokratische Fraktion fast genau dieselbe Position wie die Regierung hat.
Ich will Ihnen deutlich machen, daß Subventionen für die Landwirtschaft berechtigt sind. Das landwirtschaftliche Einkommen entspricht nur etwa 63 % des außerlandwirtschaftlichen Lohnes. Wir haben eine neue agrarpolitische Situation, weil die steigenden Kosten nicht mehr mit Produktionserhöhungen aufgefangen werden können. Das jahrhundertealte Konzept, mit dem die Bauern überlebt haben, nämlich mehr zu produzieren, um die Kostensteigerungen aufzufangen, funktioniert nicht mehr. Dies ist im Grunde auch die Ursache für die urtümliche Angst, die die Bauern haben. Sie verschärft innerhalb der Landwirtschaft die Verteilungskämpfe.
Meine Damen und Herren, wir sollten darüber nachdenken, ob es in Zukunft noch richtig ist, die Einkommen der Landwirtschaft nurmehr aus der Bezahlung der Produktion herleiten zu wollen. Für meine Begriffe muß eine neue Einkommenskomponente in die Agrarpolitik eingeführt werden, stärker noch als bisher das Entgelt für die landschaftspflegerischen und landschaftserhaltenden Arbeiten der Landwirtschaft berücksichtigt werden.
Meine Damen und Herren, ein Wort zu der Sozialkostenbelastung der Bauern, um die es letzten Endes in diesem Gesetz geht. Die kleineren landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetriebe wenden im Gegensatz zu den Arbeitnehmern, die 17 bis 18 ihres Einkommens für die soziale Sicherung ausgeben müssen, zwischen 32 und 42 % ihres Einkommens für die soziale Sicherung auf. Ein Beispiel: Ein kleinerer landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetrieb mit einer Größe von etwa 15 ha hat ein Reineinkommen von rund 15 000 DM im Jahr. Davon hat er 4 600 DM Sozialkosten zu zahlen. Ihm bleiben für die Bestreitung seiner Lebenshaltungskosten, für die Investitionen im Betrieb also weniger als 1 000 DM. Und dies ist seit vielen Jahren so. Hier ist also die Notwendigkeit der Abhilfe geboten. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung trägt dem Rechnung.
Er enthält folgende Schwerpunkte: die Einführung eines Beitragszuschusses, die Einbeziehung jüngerer mitarbeitender Familienangehöriger, die Beseitigung von Härtefällen für die Hinterbliebenen und die Verbesserung der Zusatzaltersversorgung für Arbeitnehmer.
Ich rege an — und hier sollte Einvernehmen zwischen den Fraktionen bestehen —, im Laufe der Ausschußberatungen zu versuchen, durch dieses Gesetz einen eigenen Altersgeldanspruch für die Bäuerin zu begründen. Wir sollten auch die Versicherungsberechtigung für Jugendliche ab dem 18. Lebensjahr einführen.
Insgesamt wertet die CDU/CSU-Bundestagsfraktion diesen Entwurf als eine gute Möglichkeit, den kleineren landwirtschaftlichen Betrieben Entlastung zu geben und sie so für die Zukunft zu erhalten.
Ich bedanke mich.
Meine Damen und Herren, da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache.Bevor wir in die Einzelberatung und die Abstimmungen eintreten, möchte ich eine Vorbemerkung machen. Wir haben drei — ich betone: drei — namentliche Abstimmungen zu vollziehen. Die Abstimmung über das Gesetz als Ganzes kann erst vorgenommen werden, wenn die letzte namentliche Abstimmung auch ausgezählt ist. Ich bitte daher, entsprechend lange hier im Saal zu verbleiben.
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Vizepräsident CronenbergWir kommen nunmehr zur Einzelberatung über den Punkt 19 a der Tagesordnung, den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeiten-Gesetzes auf Drucksache 10/2677.Ich rufe zunächst den Art. 1 in der Ausschußfassung auf. Zu diesem Art. 1 liegen zwei Änderungsanträge vor, und zwar ein Änderungsantrag der GRÜNEN auf Drucksache 10/3520 und ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 10/3521. Auch DIE GRÜNEN haben für ihren Antrag auf Drucksache 10/3520 namentliche Abstimmung beantragt.Ich lasse nunmehr über diese Drucksache, also über alle Artikel insgesamt, namentlich abstimmen. Wer also dem Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 10/3520 zuzustimmen gedenkt, den bitte ich mit der Stimmkarte mit „Ja" abzustimmen. Wer den Antrag ablehnen will, den bitte ich, mit der roten Karte zu stimmen, wer sich enthalten will, mit der weißen.Ich eröffne nunmehr die Abstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? Ich frage die Schriftführer, ob wir die Abstimmung schließen können. — Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. —Meine Damen und Herren, darf ich einen Moment Ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen und die dafür erforderliche Ruhe herstellen.Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 429 ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 24, mit Nein haben gestimmt 405. 17 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Mit Ja hat einer gestimmt, mit Nein haben 16 gestimmt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 429 und 17 Berliner Abgeordnete; davonja: 24 und 1 Berliner Abgeordneternein: 405 und 16 Berliner AbgeordneteJaDIE GRÜNENAuhagenFrau BorgmannBuebFrau DannFrau EidFrau HönesFrau KellyKleinert LangeMannDr. Müller Dr. SchierholzSchily Schmidt
Schulte (Menden) Senfft
SuhrTatgeTischerVogel VolmerFrau WagnerWerner
Berliner Abgeordneter StröbelefraktionslosBastianNeinCDU/CSUDr. AbeleinFrau Augustin AustermannDr. BarzelDr. Becker BergerBiehleDr. BlensDr. BlümBohlBohlsenBraunBreuerBrollBrunnerBühler
Dr. BuglCarstensen ClemensConrad Dr. CzajaDr. Daniels DawekeFrau DempwolfDeresDörflinger Dr. Dollinger DossDr. Dregger Echternach EhrbarEigenEngelsberger Erhard
Eylmann
Dr. FaltlhauserFellnerFrau Fischer Fischer Francke (Hamburg)Dr. FriedmannGanz
Frau Geiger Dr. Geißler Dr. GeorgeGerlach GersteinGerster
GlosDr. Göhner Dr. GötzGötzerGünthervon Hammerstein Hanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld) HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. Hennig Herkenrath HinrichsHinskenHöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornungDr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
JagodaDr. Jahn
Dr. Jenninger Dr. JobstJung
Dr.-Ing. KansyFrau KarwatzkiKiechleKlein
Dr. Köhler
Dr. Köhler
KolbKrausKreyFrau Krone-AppuhnDr. KronenbergDr. Kunz
LamersDr. LammertDr. LangnerLattmannDr. Laufs LenzerLink
Link
LinsmeierLintnerDr. LippoldLöherLohmann
LouvenLowackMaaßFrau Männle MaginMarschewski Dr. MarxDr. MikatDr. Miltner MilzDr. MöllerMüller
Müller
Müller
NelleFrau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. Olderog PeschPfeffermann PfeiferDr. PingerPöpplPohlmannDr. Pohlmeier Dr. ProbstRaweReddemann RepnikDr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch
Rossmanith Roth (Gießen) Rühe
RufSauer
Sauer
SaurinSauter
Sauter
Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz SchemkenScheuSchlottmann Schmidbauer Schmitz
von Schmude Schneider
Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder Schulhoff
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10956 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Vizepräsident CronenbergDr. Schulte
Schwarz
Dr. SchwörerSeehofer Seesing SeitersDr. FreiherrSpies von Büllesheim SpilkerDr. SprungDr. Stark
Dr. StavenhagenDr. SterckenStockhausenDr. StoltenbergStrubeStutzerSussetTillmannDr. TodenhöferUldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarrikoffDr. von Wartenberg WeirichWeißWerner
Frau Dr. WexFrau Will-FeldFrau Dr. WilmsWilzWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. WittmannWittmann Dr. WörnerZiererZinkBerliner AbgeordneteFrau Berger BoroffkaBuschbom DolataFeilckeKalischSchulze StraßmeirSPDAmlingAntretter Dr. Apel Bachmaier BahrBambergBecker BernrathBerschkeit BindigBrandtBrückBuckpesch Büchler
Dr. von BülowBuschfort CatenhusenColletConradiDr. CorterierCurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDelorme Dreßler DuveDr. Ehmke
Dr. EhrenbergDr. EmmerlichEstersEwenFiebigFischer Fischer (Osthofen)Frau Fuchs
Frau Fuchs
GanselGerstl
GilgesGlombig Dr. Glotz GrunenbergDr. Haack HaarHaehserHansen
Frau Dr. HartensteinDr. HauchlerHauckHeistermannHerterich Hettling Heyenn Dr. Holtz HornFrau HuberHuonker IbrüggerImmer Jahn (Marburg)JansenJaunich Dr. JensJung Junghans KastningKiehmKirschnerKisslingerKlein
Dr. KlejdzinskiKloseKolbow KretkowskiDr. KüblerKühbacherKuhlwein Lennartz Leonhart Frau Dr. LepsiusLiedtkeLohmann
LutzFrau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Dr. NöbelFrau OdendahlPaterna PauliDr. PennerPeter
PfuhlPorzner PoßRankerRapp
Rappe ReimannFrau RengerReschke ReuschenbachReuterRohde
RothSanderSchäfer SchanzSchlaga SchluckebierFrau Schmedt
Dr. Schmidt Schmidt (München) Schmitt (Wiesbaden)Dr. Schöfberger SchreinerSchröder Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)Dr. Schwenk SielaffSielerFrau SimonisFrau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellDr. SperlingDr. Spöri SteinerFrau SteinhauerStiegler Stockleben Dr. Struck Frau TerborgTietjenFrau Dr. Timm ToetemeyerFrau TraupeUrbaniak Vahlberg Verheugen VogelsangVoigt WaltematheWalther WeinhoferWeisskirchen WestphalFrau WeyelDr. WieczorekWieczorek Wiefelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiWitekDr. de WithWolfram
Würtz
Zander Zeitler Frau ZuttBerliner AbgeordneteDr. Diederich EgertHeimann LöfflerFrau LuukDr. MitzscherlingDr. VogelFDPFrau Dr. AdamSchwaetzer BaumBeckmannBredehornCronenberg Eimer (Fürth) EngelhardDr. Feldmann GallusGenscherGrünbeckFrau Dr. Hamm-Brücher Dr. HaussmannDr. HirschKleinert KohnDr.-Ing. Laermann MischnickMöllemannNeuhausenPaintnerRonneburger Schäfer Frau Dr. SegallDr. Weng Wolfgramm (Göttingen)Berliner Abgeordneter HoppeDamit ist der Änderungsantrag abgelehnt.Wir kommen nunmehr zur zweiten namentlichen Abstimmung. Es handelt sich um den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3521. Die SPD hat gemäß § 52 der Geschäftsordnung den Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt.Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, mit der Ja-Karte zu stimmen. Wer dagegen ist, den bitte ich, mit der Nein-Karte zu stimmen.Meine Damen und Herren, ich eröffne die Abstimmung.Darf ich fragen, ob sich noch ein Mitglied des Hauses im Saal befindet, das noch nicht abgestimmt hat? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer mit der Auszählung zu beginnen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10957
Vizepräsident CronenbergDie Schriftführer haben folgendes Ergebnis ermittelt: Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 426 ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 191, mit Nein haben gestimmt 231; 4 Enthaltungen. Von den 17 Berliner Abgeordneten haben mit Ja 8, mit Nein 9 gestimmt.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 424 und 17 Berliner Abgeordnete; davonja: 191 und 8 Berliner Abgeordnetenein: 229 und 9 Berliner Abgeordneteenthalten: 4JaSPDAmlingAntretter Dr. Apel Bachmaier BahrBecker BernrathBerschkeit BindigBrandtBrückBuckpesch Büchler
Dr. von BülowBuschfort CatenhusenColletConradiDr. CorterierCurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDelorme Dreßler DuveDr. Ehmke
Dr. EhrenbergDr. EmmerlichEstersEwenFiebigFischer Fischer (Osthofen)Frau Fuchs
Frau Fuchs
GanselGerstl
GilgesGlombig Dr. Glotz GrunenbergDr. Haack HaarHaehserHansen
Frau Dr. HartensteinDr. HauchlerHauckHeistermannHerterich Hettling Heyenn Dr. Holtz HornFrau HuberHuonkerIbrüggerImmer Jahn (Marburg)JansenJaunich Dr. JensJung Junghans KastningKiehmKirschnerKlein
Dr. KlejdzinskiKloseKolbowKretkowski Dr. Kübler Kühbacher Kuhlwein Lennartz Leonhart Frau Dr. LepsiusLiedtkeLohmann
LutzFrau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Dr. NöbelFrau OdendahlPaterna PauliDr. Penner Peter
PfuhlPorzner PoßRankerRapp
Rappe ReimannFrau RengerReschke ReuschenbachReuterRohde
RothSanderSchäfer SchanzSchlaga SchluckebierFrau Schmedt
Dr. Schmidt Schmitt (Wiesbaden) SchreinerSchröder Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)Dr. Schwenk SielaffSielerFrau SimonisFrau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellDr. Sperling Dr. SpöriSteinerFrau SteinhauerStieglerStockleben Dr. Struck Frau Terborg TietjenFrau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe UrbaniakVahlbergVerheugen VogelsangVoigt Waltemathe WaltherWeinhoferWeisskirchen WestphalFrau Weyel Dr. WieczorekWieczorek Wiefelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiWitekDr. de With Wolfram
Würtz
ZanderZeitlerFrau ZuttBerliner AbgeordneteDr. Diederich EgertHeimann LöfflerFrau LuukDr. MitzscherlingDr. VogelDIE GRÜNENAuhagenFrau BorgmannBuebFrau DannFrau EidFrau HönesFrau KellyKleinert LangeMannDr. Müller
Dr. SchierholzSchily Schmidt
Schulte (Menden)
Senfft SuhrTatgeTischerVogel
VolmerFrau WagnerWerner
Berliner Abgeordneter StröbelefraktionslosBastianNeinCDU/CSUDr. AbeleinFrau Augustin AustermannDr. BarzelDr. Becker BergerBiehleDr. BlensDr. BlümBohlBohlsen Braun Breuer BroilBrunnerBühler
Dr. BuglCarstensen ClemensConrad
Dr. CzajaDr. DanielsDawekeFrau DempwolfDeresDörflingerDr. DollingerDossDr. DreggerEchternachEhrbar Eigen EngelsbergerErhard
Eylmann
Dr. FaltlhauserFellnerFrau FischerFischer Francke (Hamburg)Dr. FriedmannGanz
Frau GeigerDr. GeißlerGerlach GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. GötzGötzer Günthervon HammersteinHanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld) Hedrich
Metadaten/Kopzeile:
10958 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Vizepräsident CronenbergFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. Hellwig HelmrichDr. Hennig Herkenrath Hinrichs HinskenHöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesDr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
Dr.-Ing. KansyFrau KarwatzkiKiechleKlein
Dr. Köhler
Dr. Köhler KolbKrausKreyDr. KronenbergDr. Kunz LamersDr. LammertDr. Langner Lattmann Dr. Laufs LenzerLink
Link Linsmeier LintnerDr. Lippold LöherLohmann LouvenLowackMaaßFrau MännleMaginMarschewskiDr. Marx Dr. Mikat Dr. Miltner MilzDr. MöllerMüller Müller (Wadern)Müller
NelleFrau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. Olderog PeschPfeffermannPfeiferDr. Pinger PöpplPohlmannDr. PohlmeierDr. Probst RaweReddemann RepnikDr. RiesenhuberFrau RönschFrau Roitzsch
Rossmanith Roth
RüheRufSauer
Sauer SaurinSauter Sauter (Ichenhausen)Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz SchemkenScheuSchlottmann Schmidbauer Schmitz
von Schmude Schneider
Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte
Schwarz
Dr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersDr. FreiherrSpies von Büllesheim SpilkerDr. SprungDr. Stark
Dr. Stavenhagen Dr. Stercken Stockhausen StrubeStutzerSussetTillmannDr. Todenhöfer UldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg WeirichWeißWerner Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms WilzWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. Wittmann Wittmann Dr. WörnerZiererZinkBerliner AbgeordneteFrau Berger BoroffkaBuschbomDolataFeilckeKalischSchulze StraßmeirFDPFrau Dr. AdamSchwaetzerBaumBeckmann BredehornCronenberg EngelhardDr. FeldmannGallusGenscher Grünbeck Dr. HaussmannDr. HirschKleinert KohnDr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen PaintnerRonneburgerSchäfer
Dr. Weng Wolfgramm (Göttingen)Berliner Abgeordneter HoppeEnthaltenCDU/CSUDr. George HornungFDPEimer Frau Dr. SegallDamit ist der Antrag der SPD auf Drucksache 10/3521 abgelehnt.Wir kommen jetzt zur Abstimmung über Art. 1 in der Ausschußfassung. Wer dieser Vorschrift zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist diese Vorschrift in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe die Art. 2 und 3 in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Damit sind die aufgerufenen Vorschriften in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe nunmehr die Art. 4 bis 6 in der Ausschußfassung auf. Meine Damen und Herren, hierzu liegt Ihnen auf Drucksache 10/3522 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Die Fraktion der SPD hat hierfür ebenfalls gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung beantragt. Wer dem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Abstimmungskarte mit Ja, wer dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten will, bitte ich, die entsprechende Abstimmungskarte in die hier vorne aufgestellten Urnen zu legen. Sind die Schriftführer an den Urnen? — Das ist der Fall.Ich eröffne die Abstimmung. — Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß die Gesamtabstimmung erst nach der Einzelberatung, die noch durchgeführt werden muß, stattfinden kann. —Hat jemand, der im Saal anwesend ist, seine Stimme noch nicht abgegeben? Ich schließe dann die Abstimmung und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.Meine Damen und Herren, ich gebe das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3522 bekannt. Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 420 ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 170, mit Nein haben gestimmt 229. Enthaltungen: 21. 17 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 7, mit Nein haben gestimmt 9. Enthaltungen: 1.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10959
Vizepräsident CronenbergEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 419 und 17 Berliner Abgeordnete; davonj a: 170 und 7 Berliner Abgeordnetenein: 228 und 9 Berliner Abgeordneteenthalten: 21 und 1 Berliner AbgeordneterJaSPDAmling Antretter Dr. Apel BachmaierBahrBecker BernrathBerschkeitBindigBrandtBrückBuckpeschBüchler
Dr. von BülowBuschfort CatenhusenColletConradiDr. CorterierCurdtFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDelorme Dreßler DuveDr. Ehmke
Dr. EhrenbergDr. EmmerlichEstersEwenFiebigFischer Fischer (Osthofen)Frau Fuchs
Frau Fuchs
GanselGerstl
GilgesGlombig Dr. Glotz GrunenbergDr. Haack HaarHaehserHansen
Frau Dr. HartensteinDr. HauchlerHauckHeistermannHerterich Hettling Heyenn Dr. Holtz HornFrau HuberHuonker IbrüggerImmer Jahn (Marburg)JansenJaunich Dr. JensJung Junghans KastningKiehmKirschnerKisslingerKlein
Dr. KlejdzinskiKloseKolbow KretkowskiDr. KüblerKühbacherKuhlweinLennartz Leonhart Frau Dr. LepsiusLiedtkeLohmann
LutzFrau Dr. Martiny-Glotz Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)Dr. Müller-Emmert MünteferingNagelNehmNeumann Dr. NöbelFrau OdendahlPaterna PauliDr. PennerPeter
PfuhlPorzner PoßRankerRapp
Rappe ReimannFrau RengerReschke ReuschenbachReuterRohde
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Dr. Schmidt Schmitt (Wiesbaden) SchreinerSchröder Schröer (Mülheim) Schulte (Unna)Dr. Schwenk SielaffSielerFrau SimonisFrau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. SoellDr. SperlingDr. SpöriSteinerFrau SteinhauerStiegler StocklebenDr. StruckFrau TerborgTietjenFrau Dr. Timm Toetemeyer Frau TraupeUrbaniak Verheugen VogelsangVoigt WaltematheWaltherWeisskirchen WestphalFrau Weyel Dr. WieczorekWieczorek Wiefelvon der Wiesche Wimmer WischnewskiWitekDr. de With Wolfram
Würtz
ZanderZeitlerFrau ZuttBerliner AbgeordneteDr. Diederich EgertHeimann LöfflerFrau LuukDr. MitzscherlingDr. VogelDIE GRÜNENFrau BorgmannMann Schily SuhrNeinCDU/CSUDr. Abelein Frau Augustin AustermannDr. BarzelDr. Becker BergerBiehleDr. Blens Dr. Blüm BohlBohlsen BraunBreuerBrollBrunnerBühler
Dr. BuglCarstensen ClemensConrad Dr. CzajaDr. Daniels DawekeFrau DempwolfDeresDörflinger Dr. DollingerDossDr. DreggerEhrbarEigenEngelsbergerErhard
Eylmann
FellnerFrau FischerFischer Francke (Hamburg) Dr. FriedmannGanz Frau GeigerDr. GeißlerDr. GeorgeGerlach GersteinGerster
GlosDr. GöhnerDr. GötzGünthervon Hammerstein Hanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld) HedrichFreiherr Heeremanvon ZuydtwyckFrau Dr. HellwigHelmrich Dr. Hennig Herkenrath Hinrichs HinskenHöffkesHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann
Dr. HornhuesHornung Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
Dr.-Ing. KansyFrau KarwatzkiKiechleKlein
Dr. Köhler
Dr. Köhler
KolbKrausKreyDr. KronenbergDr. Kunz
LamersDr. LammertDr. Langner Lattmann Dr. Laufs LenzerLink
Link
Linsmeier LintnerDr. Lippold LöherLohmann LouvenLowackMaaßFrau MännleMaginMarschewskiDr. Marx Dr. Mikat Dr. Miltner
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10960 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985
Vizepräsident Cronenberg MilzDr. MöllerMüller Müller (Wadern)Müller
NelleFrau Dr. Neumeister NiegelDr.-Ing. OldenstädtDr. Olderog PeschPfeffermann PfeiferDr. PingerPöpplPohlmannDr. Pohlmeier Dr. ProbstRaweReddemann RepnikDr. RiesenhuberFrau Rönsch Frau Roitzsch
Rossmanith Roth (Gießen) Rühe
RufSauer
Sauer
SaurinSauter
Sauter
Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz SchemkenScheuSchlottmann Schmidbauer Schmitz
von Schmude Schneider
Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte SchwarzDr. Schwörer SeehoferSeesingSeitersDr. FreiherrSpies von Büllesheim SpilkerDr. SprungDr. Stark
Dr. StavenhagenDr. Stercken Stockhausen StrubeStutzerSussetTillmannDr. Todenhöfer UldallDr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt
Dr. Voigt
Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von WartenbergWeirichWeißWerner Frau Dr. Wex Frau Will-Feld Frau Dr. Wilms WilzWimmer WindelenFrau Dr. Wisniewski WissmannDr. Wittmann Wittmann Dr. WörnerZiererZinkBerliner AbgeordneteFrau Berger BoroffkaBuschbom DolataFeilckeKalischSchulze StraßmeirFDPFrau Dr. AdamSchwaetzerBaumBeckmann BredehornCronenberg EngelhardDr. FeldmannGallusGenscherDr. HaussmannDr. HirschKleinert KohnDr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Neuhausen PaintnerRonneburgerSchäfer
Frau Dr. SegallDr. Weng Wolfgramm (Göttingen)Berliner Abgeordneter HoppeEnthaltenFDPEimer
Frau Dr. Hamm-BrücherDIE GRÜNENAuhagen BuebFrau Dann Frau EidFrau Hönes Frau Kelly Kleinert
Dr. Müller
Dr. SchierholzSchmidt Schulte (Menden)SenfftTatgeTischerVogel VolmerFrau Wagner Werner
Berliner Abgeordneter Ströbelefraktionslos BastianDer Antrag ist abgelehnt.Wir können nunmehr über die Art. 4 bis 6 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer diesen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit sind die Vorschriften in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe den Art. 7 in der Ausschußfassung auf. Wer dem Art. 7 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist die aufgerufene Vorschrift in der Ausschußfassung angenommen.Ich rufe die Art. 8 bis 14, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Somit sind die Vorschriften angenommen worden.Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen. Wir treten nunmehr in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Wer dagegen zu stimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Enthaltungen? — Damit ist das Gesetz angenommen.Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3523 auf. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist der Entschließungsantrag abgelehnt.Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den Zusatzpunkt 6 der Tagesordnung, dem von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Rentenreformgesetzes 1985 auf der Drucksache 10/2608. Der Ausschuß empfiehlt unter Nr. 1 der Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/ 3518, diesen Gesetzentwurf abzulehnen.Ich rufe Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung abgelehnt. Damit unterbleibt nach § 83 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung eine weitere Beratung.Zu Tagesordnungspunkt 19 b und zum Zusatztagesordnungspunkt 7 wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 10/3483 und 10/3496 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüssse vorgeschlagen. — Ich sehe, das Haus ist damit einverstanden; dann wird so verfahren.Frau Abgeordnete Lepsius hat zur Abstimmung gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung eine persönliche Erklärung erbeten. Ich gebe der Abgeordneten Frau Lepsius das Wort.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 147. Sitzung. Bonn, Freitag, den 21. Juni 1985 10961
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein schwarzer Tag für die erwerbstätigen Frauen und Hausfrauen. Zehn Jahre nach dem Verfassungsgerichtsurteil, Männer und Frauen in der Hinterbliebenenversorgung gleichzustellen, hat die Koalition ein unverantwortliches Rentengesetz verabschiedet. Dies ist wahrhaftig kein Ruhmesblatt verantwortlicher parlamentarischer Arbeit. Im vollen Bewußtsein, daß letztlich das Bundesverfassungsgericht schwierige Antworten auf die von Ihnen beschlossenen unausgegorenen Regelungen geben muß, haben Sie dieses Gesetz heute durchgepaukt.
Seit 1972 habe ich mich in diesem Haus für die Verbesserung der Renten von Frauen eingesetzt. Ich habe als Politikerin die schwierigen parlamentarischen Hürden bei der Durchsetzung des Versorgungsausgleichs im Ehe- und Familienrecht mit meinen sozialdemokratischen Kollegen in der Fraktion nehmen können. Mit dem Versorgungsausgleich ist der entscheidende Schritt in die eigenständige soziale Sicherung der Frauen getan.
Heute begraben wir alle Hoffnungen der Frauen auf eine eigenständige soziale Sicherung.
Ich weiß, wie überaus schwierig der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen ist. Hier haben namhafte Wissenschaftler, Experten der Verbände, Politiker in jahrelangen Bemühungen Konsensus über das Teilhabemodell erreicht. Diesen Konsensus haben Sie heute leichtfertig aufgekündigt. Hier hat niemand sieben Jahre geschlafen, hier haben Politiker und Experten jahrelang verantwortungsvoll gearbeitet.
Sie, Herr Bundesarbeitsminister Blüm, hat man bei dieser Arbeit allerdings nie zu Gesicht bekommen. Aber jetzt hat Herr Blüm als Bundesarbeitsminister die Verantwortung dafür zu übernehmen, daß die erkämpften Rechte von 11 Millionen erwerbstätigen Frauen hier an der Garderobe aufgehängt worden sind.
Frau Abgeordnete, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie im Begriff sind, einen Sachbeitrag zu leisten. Sie wollten sich zur Abstimmung äußern. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie entsprechend der Geschäftsordnung verfahren würden.
Ich will dies deutlich machen auf dem Hintergrund meiner politischen Arbeit in diesem Hause.
Verheiratete Frauen, die sich jahrelang unter zumeist schwierigen Bedingungen an ihrem Arbeitsplatz abrackern und das Unglück haben, ihren Mann zu verlieren, werden nach dem Anrechnungsmodell keinen Pfennig von ihrer Witwenrente zu sehen bekommen.
Frau Abgeordnete, ich muß Sie zum zweitenmal darauf aufmerksam machen. Ersparen Sie es mir, Ihnen das Wort entziehen zu müssen. Ich bitte Sie, zur Abstimmung zu sprechen.
Ich distanziere mich in meinem Abstimmungsverhalten aus folgenden Gründen:
Erstens. Die Ausklammerung der Kindererziehungszeiten für die Rentengeneration ist der herzloseste Akt in diesem Hause, den ich je erlebt habe.
Zweitens. Das Einkommensanrechnungsmodell ist ein Verstoß gegen den Eigentumsschutz nach Art. 14. Der totale Wegfall von Witwenrente bei Erwerbstätigkeit von Männern und Frauen steht in krassem Mißverhältnis von eigener Leistung zum Bezug einer Hinterbliebenenversorgung.
Das ist ein verfassungswidriger Vorgang. Das ist im Grunde genommen die Enteignung von selbsterworbenen Rentenansprüchen.
Drittens. Aus verfassungsrechtlichen Gründen muß ein fester Prozentsatz der gemeinsam aufgebauten Hinterbliebenenversorgung erhalten werden.
Ich bin der Meinung, daß wir uns beim Bundesverfassungsgericht werden wiedersehen müssen, und habe damit meine Begründung dafür abgegeben, —
Frau Abgeordnete, ich habe Sie dreimal — —
— daß ich diesem Gesetz meine Zustimmung versagt habe.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß der Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 26. Juni 1985, 13 Uhr ein und wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.